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Full text of "Städtebau"

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DER 


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STÄDTEBAU 


MONATSSCHRIFT 


FÜR    DIE    KÜNSTLERISCHE   AUSGESTALTUNG    DER   STÄDTE 
NACH  IHREN  WIRTSCHAFTLICHEN,  GESUNDHEITLICHEN  UND 

SOZIALEN  GRUNDSÄTZEN 


BEGRÜNDET 
VON 

THEODOR  GOECKE  und  CAMILLO  SITTE 

BERLIN  WIEN     . 


NEUNTER  JAHRGANG 


VERLAG  VON  ERNST  WASMUTH  A.-G. 

BERLIN  W  8,  MAR KGRAFENSTR ASSE  35 
1912 


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'\ÖÖO 


Herrosd  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg  (Bez.  Halle). 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


I.  TEXT-BEITRÄGE.  s=it«= 

Ansbach.     Von    Dipl.-Ing.    Fr. 

Reuter,  Ansbach     ....     77 

Bebauung,  Die  Vorschläge  zur, 
der  Frankfurter  Wiesen 
in  Leipzig.  Von  Theodor 
Goecke,  Berlin 85 

—  Die,  des  Willmannschen  Ge- 
ländes in  Schöneberg.  Von 
Stadtrat  Dr.jur.  Licht,  Berlin- 
Schöneberg    52 

Bebauungsplan,  Zum,  der  Stadt 
Bunzlau.  Von  Theodor 
Goecke-Berlin 61 

—  Der,  fürdieNuhnen-Vorstadt 
zu  Frankfurt  a.  O.  Von  Hans 
Bernoulli,  Berlin  (jetztBasel)       8 

—  für  Fürsten walde,  Entwurf 
zum.  Von  Theodor  Goecke, 
Berlin 2 

—  -Wettbewerb, Zum,  fürGIad- 
beck  in  Westfalen.  Von 
Professor  Rud.  Eberstadt    .      19 

—  für  die  Gemeinde  Irchwitz 
bei  Greiz  (Reuß).  Von  Theo- 
dor Goecke.  Berlin     ...     73 

—  für  das  Städtische  Gelände 
zwischen  der  Hohenzollern-, 
Töpfer-,  Ziegelstraße  und 
der  Mosel  in  Trier.  Von 
Dipl.-Ing.  Paul  Mauder, 
Trier 37 

—  für  Leipzig-Möckern.  Von 
Stadtbauinspektor  Hans 
Strobel,  Leipzig      ....   109 

Bebauungspläne  und  Straßen- 
bahnen. Nach  einem  Vor- 
schlage des  Verfassers  auf 
dem  XVL  Internationalen 
Straßenbahn-  und  Klein- 
bahn -  Kongreß  in  Brüssel 
im  September  igio.  Von 
Wattmann,     Köln    a.  Rhein       3 

Bedeutung,  Die,  der  Gärten 
für  das  Sommerklima  der 
Großstädte.  Von  Professor 
Chr.    Nußbaum,    Hannover     78 

Bodenpolitik,  Städtische,  Vor- 
trag auf  dem  Hessischen 
Städtetag  zu  Fulda  am 
21.  Mai  1910.  Von  Stadt- 
landmesser   Groll,    Hersfeld      16 

Braunschweigs  Plätze  und  Denk- 
mäler in  ihren  planmäßig 
überlegten  Beziehungen. 
Von  Chr.  Klaiber,  Schwab. 
Gmünd 102 

Gartenkunst,  Neuere.  Von  Dr.- 
Ing.  Hugo  Koch  in  Ham- 
burg       25 

Gartenstadt,  V/arum  gibt  es 
noch  keine,  bei  Berlin?  Von 
B.  Wehl  in  Hermsdorf  b. 
Berlin 33 

Gartenvorstadt,  Die,  Leipzig- 
Marienbrunn.  Von  Stadt- 
bauinspektor Hans  Strobel, 
Leipzig 55 

Geländeplastik  und  Bebauungs- 
plan. Von  Abendroth,  Berlin- 
Friedenau 75 

Geschichte,  Die,  des  Berliner 
Opernplatzes.Von  B.  Fischer, 
Berlin 36 

Grundlagen,  Die,  unseres  Städte- 
baues in  neuer  Beleuchtung. 
Von  Walter  Lehwess,  Berlin   12g 


Haken-Terrasse  in  Stettin,  Die.  •'^''i'« 
Von      Stadtbaurat      Meyer- 
Schwartau,  Stettin       ...       7 

Kunst  und  Großverkehr.  Von  Dr. 
Hans  Schmidkunz,  Berlin- 
Halensee 67 

Landhausviertel  ,,Fünfzehner- 
wörth"  der  Stadt  Straßburg 
im  Elsaß.  Von  Stadtbauinsp. 
Ehlgötz-Mannheim      .     .     .   136 

Leipziger  Plätze.    Von  Theodor 

Goecke,  Berlin 100 

Mittelalterliches  Städtchen,  Ein. 
Von  Cornelius  Gurlitt,  Dres- 
den   135 

Normalgrundrisse  für  Miets- 
häuser. Ein  Beitrag  zur  Bau- 
ordnungs-  und  Wohnungs- 
frage. Von  AI.  Bohrer, 
Aachen  ....     97,   iio,   123 

Ordensstadt  Marienburg,  Die, 
Ein  Städtebild  im  Osten. 
Von  Konrad  MetzeI,Dirschau     31 

Preisausschreiben  für  eine  Ring- 
anlage in  Hamm  (Westfalen). 
Von  Dr.-Ing.  Dondorff    .     .   133 

Psychologie  der  Grundstücks- 
preise. Von  Dr.  phil.  Streh- 
low,  Oberhausen    .     .     103,   116 

Riesentunnel , Der,  unter  derElbe. 
Von  Max  A.  R.  Brünner, 
Berlin 138 

Siegesallee,  Die,  in  Berlin.  Von 

Br.  Schwan,  Zabrze,  Obrschl.     81 

Stadtbaurat,    Der   rechte.     Von 

Theodor  Goecke,  Berlin       .     63 

Stadtbild,  Das,  von  Bath.  Von 
Hans  Bernoulli,  früh.  Berlin, 
jetzt   Basel 114 

Stadtplan,  Der,  von  Brügge  im 
16.  Jahrhundert.  Von  Cor- 
nelius Gurlitt,  Dresden   .     .     65 

Städtebaufragen  in  Karlsruhe 
in  Baden.  Von  Theodor 
Goecke,  Berlin 126 

Städtebaugesetz,  Das  englische, 
vom  3.  Dezember  1909.  Von 
Dr.-Ing.  Emerich  Forbäth, 
Budapest 44.  51 

Umgestaltung,  Zur,  des  Uni- 
versitätsplatzes in  Breslau. 
Nach  dem  Vorschlage  des 
Architekten  Baurat  Grosser 
Breslau 49 

Unterneustädter,  Die,  Mühle  in 

Kassel 43 

Wettbewerb,       „Groß  -  Berlin". 

Von  Theodor  Goecke,  Berlin       g 

—  Der,  um  die  Ausgestaltung 
des  Parkringes  auf  dem  Tem- 
pelhofer  Felde  in  Berlin. 
Besprechung  von  Walter 
Lehwess,    Berlin-Zehlendorf     13 

—  Der,  zur  Ausgestaltung  des 
neuen  Bahnhofsplatzes  in 
Karlsruhe  i.  Baden.  Von 
Theodor    Goecke,    Berlin     .   121 

Zum  Neunten  Jahrgange      .     .        i 

II.  MITTEILUNGEN. 

Ausbau,  Zum,  des  Stadterweite- 
rungsamtes in  Leipzig    .     .     11 

Baden-Baden,  Aus       ....     58 

Erbbaurecht,  Das,  und  die 
Gartenstadt  Leipzig-Marien- 
brunn     82 

Gartenstadtbewegung,  Zur   .     .131 


Hauptbahnhof,  Der,   der  neuen  Si-ite 
Untergrundbahn     in       New 

York 21 

Kassel,  Aus 132 

Regensburg,  Aus 119 

Richtung,  Eine  neue,  im  Garten- 
bau und  ihr  Einfluß  auf  den 

Architekten 119 

„Schicklersche  Haus",  Das;  die 
alte  Forstakademie  in  Ebers- 
walde     70 

Wiener  Straßenverkehr    ...      11 
Zweckverbandes       für       Groß- 
Berlin,    Vorbereitende     Ge- 
setzesvorlage    zur    Bildung 
eines 35 


III.  CHRONIK. 

Akademie  für  kommunale 
Verwaltung     in    Düsseldorf 

47.  71.  83,   132 

Ausstellung,     Die,     neuer    und 

alter  Gartenkunst   ....     47 

Bauausstellung,  Größere,  Flens- 
burg       84 

—  Internationale,  Leipzig  1913     60 
Berichtigungen     ....     60,   107 
Bremen,     Ausstellung    im    Ge- 
werbe-Museum    107 

Burnham  f,  Daniel  H.  .  .  .  108 
City  Club  of  Chicago  ...  36 
Congestion    and  its  Canses    in 

Chicago 12 

Entwässerung,    Dauernde,    der 

Grunewaldseeen  bei  Berlin  107 
Fortbildungskursus       an       der 

Königl.    Techn.  Hochschule 

zu  Aachen 95 

Gartenvorstadt,  Einige  Angaben 

über  die,  in  Britz  ....   120 

—  im  Käfertaler  Wald    .     .     .     g6 
Gärten,  Moderne,  auf  der  Inter- 
nationalen      Baufach  -  Aus- 
stellung, Leipzig   igi3  .     .     142 

Gliederungsplan  für  die  Interna-     47 
tionale     Baufachausstellung 
mit         Sonderausstellungen 
Leipzig   igi3 

Großstadtanlage  und  Klein- 
wohnungsbau      142 

Heimatschutzmitteilungen     .     .     72 

Humboldt-Akademie,   Die     .     .   132 

Kongreß,  Zweiter  internatio- 
naler, für  Heimatschutz  in 
Stuttgart 71 

Kongreß     für    Städtewesen     in 

Düsseldorf 84 

Lehrgang  über  Fragen  des  neu- 
zeitlichen Städtebaues  an 
der  Technischen  Hochschule 
Dresden 120 

Parkausschuß    für    Groß-Berlin     48 

Park,  Der,  von  Schloß  Ruhwald   142 

Protektorat,  Das,  über  die 
Deutsche  Gartenstadtgesell- 
schaft     84 

Prüfung  der  ästhetischen  Be- 
rechtigung des  flachen 
Daches 83 

Raumkunst,  Die,  auf  der  Bau- 
ausstellung Leipzig  3913     •     71 

Statistik,  Aus  der,  der  ersten 
deutschen  Gartenstadt  Hel- 
lerau  bei  Dresden  ....   142 

Städteausstellung  Düsseldorf 
igi2 23 


Städtebaugesetz,        Englisches,  Seite 
vom  3.  Dezember  igog    .     .     96 

Studienreise,  Soziale,  nach  Eng- 
land      47,  84 

Tagung.  Dritte,  der„Gesellschaft 
für  Hochschulpädagogik"  in 
Leipzig 107 

Verband  Deutscher  Kunstge- 
werbe-Vereine   in  München   108 

Verbesserung     der      ländlichen 

Bauwerke 132 

Versteigerung  eines  zwischen 
Swinemünde  und  Herings- 
dorf belegenen  Fiskalischen 
Dünenwaldes 84 

Volksparks.  Die,  der  Zukunft   .     60 

Volkswohlfahrt,  Die  Zentral- 
stelle für 12 

Wissenschaftliche,  Die,  Abtei- 
lung der  Internationalen 
Bauausstellung  Leipzig  igi3     72 

Wohngebäude  der  Stadt  Schöne- 
berg        36 

Wohnungs-Konferenz,  Die  erste 

Österreichische 24 

Wohnungsnachweise,  Schaffung 

geregelter 60 

Wohnungspolitik  in  Berlin,  Das  . 
letzte  Aufflackern  der      .     .   107 

Wohnungsrefoim,  Die  Zentral- 
stelle für,   in  Österreich       .   108 

Zweckverband  ,, Groß-Berlin"    .     96 

IV.  AUSGESCHRIEBENE 
WETTBEWERBE. 

Preisausschreiben  für  die  Um- 
gebung des  neuen  Bahn- 
hofsplatzes   in    Karlsruhe     .     12 

—  zur  Erlangung  von  Ent- 
würfen f  ür  einenVerbauungs- 
plan  von  Reichenberg  und 
Vororten 36 

—  zur  Erlangung  von  Ent- 
würfen für  die  Parzellierung 
und  Bebauung  eines  in 
Dresden-Süd  gelegenen  Ge- 
ländes   60 

V.  ENTSCHIEDENE 
WETTBEWERBE. 

Wettbewerb  um  Entwürfe  für: 

die  künstlerische  Gestaltung  der 
Neubauten  am  altenSt.  Peter- 
Platz   zu  Straßburg  i.  E.     .     24 

zur  Bebauung  städtischen  Ge- 
ländes in  Rixdorf  b.  Berlin     24 

für  die  städtebauliche  Aus- 
gestaltung der  Frankfurter 
\A^iesen   in  Leipzig     ...     48 

für  einen  Urnenhain    in  Mainz     60 

für  die  Bebauung  des  neuen 
Bahnhofplatzes  in  Karls- 
ruhe i.  Baden  ....     60,  71 

eine    Ringanlage   in   Hamm    in 

Westfalen 83 

eines     Gesamtbebauungsplanes 

für  Düsseldorf g6 

VI.  NEUE  BÜCHER  UND 
SCHRIFTEN. 

Besprochen  von  Theodor 
Goecke,  Berlin     10,   11,  22, 

23.  34.  35.  46,  47.  59.  69,  70. 
82,  83,   106,   107,    140,    141,   142 


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To.q 


Herrosi  &  2iemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg  (Bez.  Halle). 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


I.  TEXT-BEITRÄGE.  s<=it= 

Ansbach.     Von    Dipl.-Ing.    Fr. 

Reuter,  Ansbach     ,     .     ,     .     Tj 

Bebauung,  Die  Vorschläge  zur, 
der  Frankfurter  Wiesen 
in  Leipzig.  Von  Theodor 
Goecke,  Berlin 85 

—  Die,  des  Willmannschen  Ge- 
ländes in  Schöneberg.  Von 
Stadtrat  Dr.  jur.  Licht,  Berlin- 
Schöneberg    52 

Bebauungsplan,  Zum,  der  Stadt 
Bunzlau.  Von  Theodor 
Goecke-Berlin 61 

—  Der,  fürdieNuhnen-Vorstadt 
zu  Frankfurt  a.  O.  Von  Hans 
Bernoulli,  Berlin  (jetzt  Basel)       8 

—  für  Fürstenwalde,  Entwurf 
zum.  Von  Theodor  Goecke, 
Berlin 2 

—  -Wettbewerb,  Zum,  für  Glad- 
beck in  Westfalen.  Von 
Professor  Rud.  Eberstadt    .     ig 

—  für  die  Gemeinde  Irchwitz 
bei  Greiz  (Reuß).  Von  Theo- 
dor Goecke,  Berlin     ...     73 

—  für  das  Städtische  Gelände 
zwischen  der  Hohenzollern-, 
Töpfer-,  Ziegelstraße  und 
der  Mosel  in  Trier.  Von 
Dipl.-Ing.  Paul  Mauder, 
Trier 37 

—  für  Leipzig-Möckern.  Von 
Stadtbauinspektor  Hans 
Strobel,   Leipzig      ....   109 

Bebauungspläne  und  Straßen- 
bahnen. Nach  einem  Vor- 
schlage des  Verfassers  auf 
dem  XVL  Internationalen 
Straßenbahn-  und  Klein- 
bahn -  Kongreß  in  Brüssel 
im  September  igio.  Von 
Wattmann,     Köln    a.  Rhein       3 

Bedeutung,  Die,  der  Gärten 
für  das  Sommerklima  der 
Großstädte.  Von  Professor 
Chr.    Nußbaum,     Hannover     78 

Bodenpolitik,  Städtische,  Vor- 
trag auf  dem  Hessischen 
Städtetag  zu  Fulda  am 
21.  Mai  ig  10.  Von  Stadt- 
landmesser   Groll,    Hersfeld     16 

Braunschweigs  Plätze  und  Denk- 
mäler in  ihren  planmäßig 
überlegten  Beziehungen. 
Von  Chr.  Klaiber,  Schwab. 
Gmünd 102 

Gartenkunst,  Neuere.  Von  Dr.- 
Ing.  Hugo  Koch  in  Ham- 
burg       25 

Gartenstadt,  V/arum  gibt  es 
noch  keine,  bei  Berlin?  Von 
B.  Wehl  in  Hermsdorf  b. 
Berlin 33 

Gartenvorstadt,  Die,  Leipzig- 
Marienbrunn.  Von  Stadt- 
bauinspektor Hans  Strobel, 
Leipzig 55 

Geländeplastik  und  Bebauungs- 
plan. Von  Abendroth,  Berlin- 
Friedenau 75 

Geschichte,  Die,  des  Berliner 
Opernplatzes. Von  B.  Fischer, 
Berlin 36 

Grundlagen,  Die,  unseres  Städte- 
baues in  neuer  Beleuchtung. 
Von  Walter  Lehwess,  Berlin   12g 


Haken-Terrasse  in  Stettin,  Die.  ^''t«: 
Von      Stadtbaurat      Meyer- 
Schwartau,  Stettin       ...       7 

Kunst  und  Großverkehr.  Von  Dr. 
Hans  Schmidkunz,  Berlin- 
Haiensee   67 

Landhausviertel  „Fünfzehner- 
wörth"  der  Stadt  Straßburg 
im  Elsaß.  VonStadtbauinsp. 
Ehlgötz-Mannheim      .     .     .   136 

Leipziger  Plätze.    Von  Theodor 

Goecke,  Berlin 100 

Mittelalterliches  Städtchen,  Ein. 
Von  Cornelius  Gurlitt,  Dres- 
den   135 

Normalgrundrisse  für  Miets- 
häuser. Ein  Beitrag  zur  Bau- 
ordnungs-  und  Wohnungs- 
frage. Von  AI.  Bohrer, 
Aachen  ....     97,   110,   123 

Ordensstadt  Marienburg,  Die, 
Ein  Städtebild  im  Osten. 
VonKonradMetzel,  Dirschau     31 

Preisausschreiben  für  eineRing- 
anlage  in  Hamm  (Westfalen). 
Von  Dr.-Ing.  Dondorff    .     .   133 

Psychologie  der  Grundstücks- 
preise. Von  Dr.  phil.  Streh- 
low,  Oberhausen    .     .     103,   116 

Riesentunnel,Der.  unterderElbe. 
Von  Max  A.  R.  Brünner, 
Berlin 138 

Siegesallee,  Die,  in  Berlin.  Von 

Br.  Schwan,  Zabrze,  Obrschl.     81 

Stadtbaurat,    Der   rechte.     Von 

Theodor  Goecke,   Berlin       .     63 

Stadtbild,  Das,  von  Bath.  Von 
Hans  Bernoulli,  früh.  Berlin, 
jetzt   Basel 114 

Stadtplan,  Der,  von  Brügge  im 
16.  Jahrhundert.  Von  Cor- 
nelius Gurlitt,  Dresden   .     .     65 

Städtebaufragen  in  Karlsruhe 
in  Baden.  Von  Theodor 
Goecke,  Berlin 126 

Städtebaugesetz,  Das  englische, 
vom  3.  Dezember  1909.  Von 
Dr.-Ing.  Emerich  Forbäth, 
Budapest 44,  51 

Umgestaltung,  Zur,  des  Uni- 
versitätsplatzes in  Breslau. 
Nach  dem  Vorschlage  des 
Architekten  Baurat  Grosser 
Breslau 4g 

Unterneustädter,  Die,  Mühle  in 

Kassel 43 

Wettbewerb,       „Groß  -  Berlin". 

Von  Theodor  Goecke,  Berlin       9 

—  Der,  um  die  Ausgestaltung 
des  Parkringes  auf  dem  Tem- 
pelhofer  Felde  in  Berlin. 
Besprechung  von  'Walter 
Lehwess,    Berlin-Zehlendorf     13 

—  Der,  zur  Ausgestaltung  des 
neuen  Bahnhofsplatzes  in 
Karlsruhe  i.  Baden.  Von 
Theodor    Goecke,    Berlin     .   121 

Zum  Neunten  Jahrgange      .     .        i 

II.  MITTEILUNGEN. 

Ausbau,  Zum,  des  Stadterweite- 
rungsamtes in  Leipzig    .     .      11 

Baden-Baden,  Aus       ....     58 

Erbbaurecht,  Das,  und  die 
Gartenstadt  Leipzig-Marien- 
brunn     82 

Gartenstadtbewegung,  Zur   .     .   131 


Hauptbahnhof,  Der,   der  neuen  Seite 
Untergrundbahn     in       New 

York 21 

Kassel,  Aus 132 

Regensburg,  Aus ng 

Richtung,  Eine  neue,  im  Garten- 
bau und  ihr  Einfluß  auf  den 

Architekten iig 

„Schicklersche  Haus",  Das;  die 
alte  Forstakademie  in  Ebers- 
walde     7° 

Wiener  Straßenverkehr    ...     11 
Zweckverbandes       für       Groß- 
Berlin,    Vorbereitende     Ge- 
setzesvorlage    zur    Bildung 
eines 35 


III.  CHRONIK. 

Akademie  für  kommunale 
Verwaltung     in    Düsseldorf 

47,  71,  83,   132 

Ausstellung,     Die,     neuer    und 

alter  Gartenkunst   ....     47 

Bauausstellung,  Größere,  Flens- 
burg       84 

—  Internationale,  Leipzig  igi3     60 
Berichtigungen    ....     60,   107 
Bremen,     Ausstellung    im    Ge- 
werbe-Museum    107 

Burnham  -f,  Daniel  H.  .  .  .108 
City  Club  of  Chicago  ...  36 
Congestion    and  its  Canses    in 

Chicago 12 

Entwässerung,    Dauernde,    der 

Grunewaldseeen  bei  Berlin  107 
Fortbildungskursus       an       der 

Königl.    Techn.  Hochschule 

zu  Aachen gs 

Gartenvorstadt,  Einige  Angaben 

über  die,  in  Britz  ....   120 

—  im  Käfertaler  Wald    .     .     .     g6 
Gärten,  Moderne,  auf  der  Inter- 
nationalen      Baufach  -  Aus- 
stellung, Leipzig   igi3  .     .     142 

Gliederungsplan  für  die  Interna-     47 
tionale     Baufachausstellung 
mit         Sonderausstellungen 
Leipzig   igi3 

Großstadtanlage  und  Klein- 
wohnungsbau      142 

Heimatschutzmitteilungen     .     .     72 

Humboldt-Akademie,   Die     .     .   132 

Kongreß,  Zweiter  internatio- 
naler, für  Heimatschutz  in 
Stuttgart 71 

Kongreß     für    Städtewesen     in 

Düsseldorf 84 

Lehrgang  über  Fragen  des  neu- 
zeitlichen Städtebaues  an 
der  Technischen  Hochschule 
Dresden 120 

Parkausschuß    für    Groß-Berlin     48 

Park,  Der,  von  Schloß  Ruhwald   142 

Protektorat,  Das,  über  die 
Deutsche  Gartenstadtgesell- 
schaft     84 

Prüfung  der  ästhetischen  Be- 
rechtigung des  flachen 
Daches 83 

Raumkunst,  Die,  auf  der  Bau- 
ausstellung Leipzig   1913     .     71 

Statistik,  Aus  der,  der  ersten 
deutschen  Gartenstadt  Hel- 
lerau  bei  Dresden  ....   142 

Städteausstellung        Düsseldorf 

igi2 23 


Städtebaugesetz,        Englisches,  Seite 
vom  3.  Dezember  igog    .     .     g6 

Studienreise,  Soziale,  nach  Eng- 
land      47,  84 

Tagung.  Dritte,  der„Gesellschaft 
für  Hochschulpädagogik"  in 
Leipzig 107 

Verband  Deutscher  Kunstge- 
werbe-Vereine   in  München   108 

Verbesserung     der      ländlichen 

Bauwerke 132 

Versteigerung  eines  zwischen 
Swinemünde  und  Herings- 
dorf belegenen  Fiskalischen 
Dünenwaldes 84 

Volksparks.  Die,  der  Zukunft   .     60 

Volkswohlfahrt,  Die  Zentral- 
stelle für 12 

Wissenschaftliche,  Die,  Abtei- 
lung der  Internationalen 
Bauausstellung  Leipzig  1913     72 

Wohngebäude  der  Stadt  Schöne- 
berg       36 

Wohnungs-Konferenz,  Die  erste 

Österreichische 24 

Wohnungsnachweise,  Schaffung 

geregelter 60 

^Vohnungspolitik  in  Berlin,  Das 

letzte  Aufflackern  der      .     .   107 

Wohnungsrefoim,  Die  Zentral- 
stelle für,   in  Österreich       .   108 

Zweckverband  ,, Groß-Berlin"    .     96 


IV.  AUSGESCHRIEBENE 
WETTBEWERBE. 

Preisausschreiben  für  die  Um- 
gebung des  neuen  Bahn- 
hofsplatzes   in    Karlsruhe     .     12 

—  zur  Erlangung  von  Ent- 
würfen für  einenVerbauungs- 
plan  von  Reichenberg  und 
Vororten 36 

—  zur  Erlangung  von  Ent- 
würfen für  die  Parzellierung 
und  Bebauung  eines  in 
Dresden-Süd  gelegenen  Ge- 
ländes   60 

V.  ENTSCHIEDENE 
WETTBEWERBE. 

\Vettbewerb  um  Entwürfe  für: 

die  künstlerische  Gestaltung  der 
Neubauten  am  altenSt.  Peter- 
Platz   zu  Straßburg  i.  E.     .     24 

zur  Bebauung  städtischen  Ge- 
ländes in  Rixdorf  b.  Berlin     24 

für  die  städtebauliche  Aus- 
gestaltung der  Frankfurter 
Wiesen  in   Leipzig      ...     48 

für  einen  Urnenhain    in  Mainz     60 

für  die  Bebauung  des  neuen 
Bahnhofplatzes  in  Karls- 
ruhe i.  Baden  ....     60,  71 

eine   Ringanlage   in   Hamm    in 

Westfalen 83 

eines     Gesamtbebauungsplanes 

für  Düsseldorf 96 

VI.  NEUE  BÜCHER  UND 
SCHRIFTEN. 

Besprochen  von  Theodor 
Goecke,  Berlin  10,  11,  22, 
23.  34.  35.  46,  47.  59.  69,  70, 
82,  83,   106,   107,    140,    141,   142 


\[l 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 


TAFELN. 

Städtebilder. 

Tafel  23    Dresden. 

„  24    Meißen. 

„  32,  33    Bunzlau. 

„  38,  39    Ansbach. 

„  55,  56    Braunschweig. 

„  69    Neunkirch  (Schweiz). 

„  71,  72    Königsberg  i.  Pr. 

Straßen-  und  Platzanlagen. 

Tafel  3    Straßenbahnen. 

„      7—18    Parkringauf  demTem- 
pelhofer  Felde  b.Berlin. 
ig,  20    Trier. 

21,  22    Leipzig-Marienbrunn. 
25,  26    Breslau. 
27 — 30    Scnöneberg. 
36,  37    Irchwitz       bei     Greiz 

(Reuß). 
40    Berlin. 
41—51    Leipzig. 
55,    56    Braunschweig. 
57 — 59    Leipzig-Möckern. 
62 — 66    Karlsruhe. 
67,  68  Ringanlage   in  Hamm 
i.  Westf. 
„  .    70    Straßburg  i.  Elsaß. 

Bebauungspläne. 

Tafel   I,  2    Fürstenwalde. 

„  6  Nuhnen-Vorstadt  Frank- 
furt a.  O. 
„  7 — 18  Parkring  auf  dem  Tem- 
pelhof er  Felde  b.Berlin. 
„  21,  22  Leipzig-Marienbrunn. 
„      27  —  30    Schöneberg. 


Tafel  31  —  33    Bunzlau. 

,1      36,    37    Irchwitz      bei      Greiz 

(Reuß). 
„      57—59    Leipzig-Möckern. 
„      67,  68    Ringanlage  in  Hamm 

i.  Westf. 
„      70    Straßburg  i.  Elsaß. 

Grundrisse. 

Tafel  52,  54.  Normalgrundrisse  für 
Miethäuser. 

Stadtpläne. 
Tafel  31    Bunzlau. 
>,       34,   35    Brügge. 
„      60,  61    Bath. 

Naturaufnahmen. 

Tafel  4,  5    Hakenterrasse  in  Stettin. 
„      71,  72    Königsberg    i.  Pr. 

Parkanlagen  und  Friedhöfe. 

Tafel  7 — 18    Parkring  auf  dem  Tem- 
pelhoferFelde  b.Berlin. 
„      27,  28,   30    Schöneberg. 
„      41—51    Leipzig. 

Kolonien  und  Gartenstädte. 
Tafel  21,  22     Leipzig-Marienbrunn. 

Wettbewerbe. 

Tafel  7  — 18    Parkring  auf  dem  Tem- 
pelhofer  Felde  b.Berlin. 
„       19,  20    Trier. 
„      31—33    Bunzlau. 


Tafel  41 — 51    Leipzig. 
„      62—66    Karlsruhe. 
„      67,  68  Ringanlage  in   Hamm 
i.  Westf. 

TEXTABBILDUNGEN. 

Straßen-  und  Platzanlagen. 
Seite      4,  Abb.  i. 
„         6,      „     2,  3. 

7,      „     4- 
„  7,      „     5    Stettin. 

„        14,       „      I,    2    Tempelhofer 

Feld  b.Berlin. 
„       4t,       »     5    Berlin. 
,,        42,       „     6    Berlin. 
„       53,       „      I,   2    Schöneberg. 
„        62    Bunzlau. 
„       74,  Abb.  I    Irchwitz  b.  Greiz 
(Reuß). 
77,      „     2,  3    Ansbach. 
„       86 — 93,  Abb.  I  — 16   Leipzig. 
„        100    Leipzig. 
„      115,  Abb.  I — 4  Bath. 

Grundrisse. 
Seite    38,  Abb.  1—4  Trier. 


123, 


124, 


125, 


1  Elberfeld. 

2  Aachen. 

3  Prag- 

4  Essen. 

5  Düsseldorf. 

6  Bremen. 

7  Elberfeld. 

8  Aachen. 

9  Brunn. 

10  Nürnberg. 

11  Aachen. 


Garten- 

,  Pai 

k-  und  Friedhofs- 

anl 

agen. 

Seite  14, 

Abb. 

I,  2    Tempelhofer 
Feld  b.  Berlin 

„      27, 

I   Boston. 

„      87, 

4  Leipzig. 

„      88, 

5 

„       89, 

8 

„      92, 

12,   13  Leipzig. 

,.      93, 

IS,   16         " 

Kolonien  und   Gartenstädte. 
Seite  56,  Abb.  3    Marienbrunn- 
Leipzig. 

Bebauungspläne. 
Seite       9,  Abb.  6  Frankfurt  a.  O. 
„       54,       „      2   Schöneberg. 
„       56,       ,,      3  Marienbrunn- 
Leipzig. 
„      127,  Karlsruhe  i.  B. 

Stadtpläne 
Seite  32,  Abb.  2  Marienburg. 
„    136  Neunkirch  (Schweiz). 

Städtebilder. 
Seite  43  Kassel. 

„    136  Neunkirch  (Schweiz). 

Naturaufnahmen. 
Seite  43  Kassel. 

„    138  —  140,    Abb.   I  —  4   Riesen- 
tunnel unter  der  Elbe. 

Wettbewerbe. 
Seite   14,  Abb.   i  —  2  Tempelhofer 
Feld  b.  Berlin. 
„      86 — 93,  Abb.   I  — 16    Leipzig. 


MITARBEITER. 


Abendroth,  Berlin-Friedenau,S.  75. 
Bercher,  Emil,  Stuttgart,  S.  90, 
Taf.  47.  BernouUi,  Hans,  früher 
Berlin,  jetzt  Basel,  S.  8,  114,  Taf.  6, 
60,  61.  Bock,  Fr.,  Berlin-Charlotten- 
burg, S.  21.  Boeck,  Wilhelm,  Ham- 
burg, Taf.  18.  Bohrer,  AI.,  Aachen, 
S.  97,  iio,  123,  Taf.  52,  53,  54. 
Bräuning,  Templin,  Taf.  7,  8,  9. 
Brünner,  Max  A.  R.,  Berlin,  S.  138. 

Dondorff,  Dr.-Ing.,  S.  133,  Taf. 
67,  68. 

Eberstadt,  Dr.  Rud.,  S.  ig.  Ehl- 
götz,  Stadtbauinspektor,  Mannheim, 
S.  136,  Taf.  70. 

Fischer,  B.,  Berlin,  3g.  Foeth, 
Hermann,  Köln  a.  Rhein,  Taf.  15. 
Forbith,  Dr.-Ing.  Emerich,  Buda- 
pest, S.  44,  51.  Freye,  Paul,  Char- 
lottenburg, S.  92,  Taf.  II,  49. 

Goecke,  Theodor,  Berlin,  S.  2,  9, 
10,  61,  63,  73,  85,  100,  121,  126, 
Taf.    1/2,    36,    37.      Groll,    Hersfeld, 


S.  16.  Groß,  Henry,  Charlottenburg, 
S.  89,  Taf.  46.  Grosser,  Karl,  Breslau, 
S.  49,  Taf.  25,  26.  Gurlitt,  Cor- 
nelius, Dresden,  S.  65,  69,  Taf.  34, 
35,   135- 

Hensel,  Berlin,  Taf.  11.  Hensel- 
mann,  Dresden,  Taf.  23,  24.  Herwede, 
Heinrich,    Köln  a.  Rhein,    Taf.    17. 

Jacob,  Dipl.-Ing.  A.  Max,  Leipzig, 
Taf.  31,  32,  33.  Jansen,  Hermann, 
Berlin,  Taf.  45. 

Klaiber,  Chr.,  Schwäbisch-Gmünd, 
S.  102,  Taf.  55,  56.  Koch,  Dr.-Ing. 
Hugo,  Hamburg,  S.  25.  Kühne, 
Max  Hans,  Dresden,  Taf.  48. 

Lange,  Oskar,  Berlin -Wilmers- 
dorf, S.  86,  Taf.  41.  Lehwess, 
Walter,  Berlin -Zehlendorf,  S.  13, 
12g.  Leibig,  Josef,  Köln  a.  Rhein, 
Taf.  17.  Licht,  Dr.  jur.,  Berlin- 
Schöneberg,  S.  52.  Lossow,  William, 
Dresden,  Taf.  48.  Lörcher,  Carl, 
Stuttgart,  S.  86,  Taf.  41. 


Magenau,  Dipl.-Ing.  Carl,  Stutt- 
gart, S.  90,  Taf.  47.  Mauder,  Dipl.- 
Ing.  Paul,  Trier,  S.  37,  Taf.  19,  20. 
Metzel,  Konrad,  Dirschau,  S.  31. 
Meyer  -  Schwartau,  Stettin,  S.  7, 
Taf.  4,  5.  Michel,  Ernst,  Berlin, 
Taf.  16.  Moser,  Professor,  Karls- 
ruhe i.  Baden,  Taf.  66.  Möhring, 
Bruno,  Berlin,  S.  87,  88,  Taf.  42. 
Müller,  Dipl.-Ing.  Siegfried  Werner, 
Halle  a.  S.,  Taf.  31,  32,  33.  Mürdel, 
Ing.  Carl,  Frankfurt  a.  Main,  S.  88, 
Taf.  44. 

Neue,  Edmund,  Berlin -Schmar- 
gendorf,  Taf.  43.  Nußbaum,  H.  Chr., 
Hannover,  S.  78. 

Recht,  Peter,  Köln  a.  Rhein,  Taf. 
15.  Reuter,  Dipl.-Ing.  Fr.,  Ansbach, 
S.  77,  Taf.  38,  39.  Rummel,  Dipl.- 
Ing.  Christoph,  Frankfurt  a.  Main, 
S.  88,  Taf.  44.  Rummel,  Hans, 
Frankfurt  a.  Main,    S.  88,    Taf.    44. 

Schmidkunz,  Dr.  Hans,  Berlin- 
Halensee,  S.  67.     Schumann,  Fritz, 


Dresden -Plauen,  S.  92,  Taf.  50. 
Schwan,  Br.,  Zabrze,  Oberschles., 
S.  81,  Taf.  40.  Seeck,  Franz,  Steg- 
litz, S.  92,  Taf.  II,  12,  4g.  See- 
mann, Oskar,  Karlsruhe  i.  Baden, 
Taf.  64,  65.  Spindler,  Ernst,  Berlin, 
Taf.  7,  9,  10.  Straumer,  H.,  Berlin, 
Taf.  13,  14.  Strehlow,  Dr.  phil., 
Oberhausen,  S.  103,  116.  Strobel, 
Hans,  Leipzig,  S.  55,  109,  Taf.  21, 
22,  57,  58,  59. 

Veil,  Friedrich,  Stuttgart,  S.  go, 
Taf.  47.  Vittali,  W.,  Karlsruhe  in 
Baden,  Taf.  62,  63.  Vogeler,  Max, 
Weimar,  Taf.  43. 

\Vattmann,  Köln  a.  Rhein,  S.  3, 
Taf.  3.  Wehl,  B.,  Hermsdorf  bei 
Berlin,  S.  33.  Wehling,  Gottfried, 
Düsseldorf,  S.  g3,  Taf.  51.  Wer- 
nicke,  H.,  Breslau,  Taf.  16.  Wolf, 
Paul,  Schöneberg,  S.  gl,  Taf.  27, 
28,  29,  30,  49.  Wünschmann,  Georg, 
Leipzig,  Taf.  50. 


9.  Jahrgang 


1912 


1.  Heft 


ManaT^5CnRIFT 

FÜR-  DIE-  KÜNSTLEl^lSaiEAUyQKrAl! 
TU/MQ  DER -STÄDTE  •  hAÜI-  iHRm-WlRT 
SaiAFTÜCMEN-  QESUNDhElTüCMEN-  UND 
SoZiALEN-GRUISD^AlZENiQEQRÜNDET-VON 

.TriEQPORnnrcKr<^MiLLqsi^f 

fegJVERLAQ^ERISyrWA^MUTri.  BERLIN.'^' 

I  **  NEBST  EINER  S0NDLRBEILA6E;  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  **  1 

INHALTSVERZEICHNIS :    Zum  neunten  Jahrgange !    —    Entwurf  zum  Bebauungsplan  für  Fürstenwalde.    Von  Theodor  Goecke,  Berlin.  —    Bebauungs- 
pläne   und    Straßenbahnen.     Von  Wattmann,    Direktor   der   Straßenbahnen    in    Köln  a.  Rh.     —     Die   Haken -Terrasse   in  Stettin.     Architekt:    Stadtbaurat 
Meyer-Schwartau,   Stettin.     —     Der  Bebauungsplan  für  die  Nuhnenvorstadt  zu  Frankfurt  a.  O.     Von  Hans  BernouUi,  Architekt,  Berlin.     —    Wettbewerb 
„Groß-Berlin".     Von  Theodor  Goecke.    —     Neue  Bücher.     Besprochen  von  Theodor  Goecke.    —    Mitteilungen.    —     Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


ZUM  NEUNTEN  JAHRGANGE! 

Nichts  Besseres  glauben  Herausgeber  und  Verleger  zur  Einleitung  des  neuen  Jahrganges 
sagen  zu  können,  als  das,  was  Herr  Baurat  Weiß  in  seiner  mit  einem  Preise  der  Strauch-Stiftung 
ausgezeichneten  Arbeit  über  die  Wohnungsfrage  ausgesprochen  hat: 

Einen  wesentlichen  Aufschwung  verdankt  das  ganze  Gebiet  der  seit  1904  erscheinenden, 
von  Th.  Goecke  herausgegebenen  Zeitschrift  „Der  Städtebau".  Wie  durch  die  seit  1893  erschienenen 
deutschen  Konkurrenzen,  d.  h.  durch  die  Vorführung  zahlreicher  Schöpfungen  unserer  besten  Bau- 
künstler unsere  ganze  Architektenwelt  neu  belebt  und  auch  die  Augen  der  Laien  auf  dieses  Gebiet 
gelenkt  wurden,  so  haben  auch  die  zahlreichen  Beispiele,  die  „Der  Städtebau"  aus  dem  Gebiete  des 
Städtebaues  mit  jeder  neuen  Nummer  zur  Kenntnis  einer  großen  Lesergemeinde  brachte  und  bringt, 
hier  einen  völligen  Umschwung  herbeigeführt.  Wer  von  unseren  jüngeren  Staatstechnikern  hat 
sich  noch  vor  einem  Jahrzehnt  mit  Städtebaufragen  beschäftigt?  W^ieviel  mittlere  Techniker  und 
Verwaltungsbeamte  gab  es  seinerzeit,  die  überhaupt  nur  daran  gedacht  haben?  Und  heute?  W^er 
beschäftigt  sich  heute  nicht  mit  dem  Städtebau,  und  wer  von  den  Technikern  und  Verwaltungs- 
beamten, namentlich  bei  den  Kommunen,  durchstöbert  nicht  jede  neue  Nummer  dieser  Zeitschrift 
von  Anfang  bis  zu  Ende?  Ohne  die  stetig  aufklärende  Kleinarbeit  dieser  Zeitschrift  wäre  man 
wohl  kaum  auf  den  Gedanken  gekommen,  „Städtebauliche  Seminare"  zu  errichten.  Auch  ein  Wett- 
bewerb „Groß-Berlin"  hätte  ohne  diese  Zeitschrift  wohl  weder  die  zum  Wettbewerb  nötigen  Mittel, 
noch  die  große  Zahl  der  Bearbeiter  und  sonstigen  Interessenten  gefunden.  — 

Wir  danken  für  diese  Anerkennung  in  dem  Bewußtsein,  keine  Mühe  und  Kosten  gescheut 
zu  haben,  den  Zielen  der  Zeitschrift  näher  zu  kommen.  Wenn  uns  dies  noch  nicht  durchweg  ge- 
lungen ist,  so  liegt  es  nicht  am  Mangel  guten  Willens  oder  besserer  Einsicht,  sondern  lediglich 
daran,  daß  wir  noch  nicht  überall  eine  ausreichende  Unterstützung  gefunden  haben.  Diese  uns 
zu  erwerben,  wird  unsere  weitere  Sorge  sein;  namentlich  an  die  Stadtverwaltungen  richten  wir  die 
Bitte,  uns  durch  Abnahme  einer  größeren  Zahl  von  Exemplaren  den  Bestand  der  Zeitschrift  zu 
erleichtern  und  Verbesserungen,  insbesondere  in  der  Herstellung  von  Tafeln,  zu  ermöglichen. 


DER  STÄDTEBAU 


ENTWURF  ZUM  BEBAUUNGSPLAN 

FÜR     FÜRSTEN  WALDE.      Hierzu  Ooppeuafel  12. 


Von  THEODOR  GOECKE,  Berlin. 


Schon  oft  bin  ich  um  die  Veröffentlichung  von  Be- 
bauungsplänen mittlerer  und  kleiner  Städte,  auch  von 
Dörfern,  angegangen  worden.  Diesem  Wunsche  gern  nach- 
kommend, beabsichtige  ich,  im  Laufe  des  Jahrgangs  einige 
besonders  bezeichnende  Beispiele  städtischer  und  dörflicher 
Siedelungen  aus  der  Praxis  vorzuführen.  Im  folgenden  be- 
ginne ich  mit  dem  Plan  für  Fürstenwalde. 

Die  alte  Stadt  Fürstenwalde,  südlich  derNiederschlesisch- 
Märkischen  Staatsbahn  an  der  Spree  beziehungsweise 
Spree -Oder -Wasserstraße  gelegen,  hat  sich  zunächst  nach 
dem  Bahnhofe  hin  weiter  ausgedehnt.  Ihrer  Entwicklung 
nach  Osten  hin  haben  die  Kasernen  und  der  Exerzierplatz 
der  Garnison  Grenzen  gesetzt,  nach  W^esten  hin  der  Stadt- 
park. Infolgedessen  drängte  die  Bebauung  nach  Norden 
hin  über  die  Eisenbahn  hinaus  gegenüber  den  hier 
im  Nordwesten  befindlichen  Fabrikanlagen  der  Firma 
Julius  Pintsch  A.-G.  und  nach  Süden  hin  bei  der  nun  ein- 
mal gegebenen  Lage  der  Spreebrücke  in  die  Nachbar- 
gemeinde Ketschendorf  hinein. 

Die  Erweiterungen  sind  von  Fall  zu  Fall  vom  Be- 
dürfnisse gedrängt  entstanden,  so  daß  auch  jenseits  der 
Spree  im  Südwesten  sich  Fabriken  niederlassen  konnten. 
Bei  dieser  Sachlage  hatte  die  Aufstellung  eines  die  weitere 
Entwicklung  leitenden  Bebauungsplanes  mit  besonderen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen.  Sieht  man  daraufhin  das 
ganze  der  Stadt  gehörige  Gebiet  an,  so  findet  man  es  in 
drei  Streifen  scharf  getrennt:  in  einen  nördlich  der  Eisen- 
bahn gelegenen  mit  der  Barrikade  der  Pintschschen  Fabrik, 
einen  mittleren  mit  der  alten  Stadt  und  einen  dritten  südlich 
der  Spree,  von  Ketschendorf  bis  in  den  Kreis  Beeskow- 
Storkow  hineinreichend.  Zu  beachten  ist  hierbei,  daß  in 
neuester  Zeit  die  Anlage  eines  Hafens  an  der  Spree  und 
die  Erbauung  der  Kleinbahnen  nach  Beeskow  einerseits 
und  Müncheberg -Wriezen  andererseits  mit  Anschluß- 
gleisen zum  Hafen  Gelegenheit  zur  Verwertung  des  Ge- 
ländes im  Osten  nördlich  und  südlich  des  Exerzierplatzes 
für  Industriezwecke  geboten  haben. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Hauptwindrichtung  —  Westen, 
Nord-  und  Südwesten  —  ist  diese  Lage  als  eine  günstige  zu 
bezeichnen;  deshalb  empfiehlt  es  sich,  in  Zukunft  etwaige 
städtische  Betriebe,  wie  eine  Gasanstalt,  einen  Schlachthof 
usw.  ebenfalls  im  Osten  anzulegen  und  die  jetzt  im  Südwesten 
befindlichen  Fabriken  nach  dem  Osten  zu  verlegen  bzw. 
ihre  weitere  Ausdehnung  zu  verhindern. 

Denn  dieses  jetzt  von  ihnen  eingenommene,  bis  an  den 
Wald  reichende  Gebiet  an  der  Spree  gegenüber  dem  schönsten 
Teile  des  Stadtparkes  und  dem  reizvollen  Ufergelände  eignet  sich 
wie  sonst  kaum  ein  anderes  für  eine  Bebauung  mit  frei  stehenden 
Landhäusern  oder  auch  Doppel-  und  Reihenhäusern  in 
Gruppen  für  mehr  Bemittelte,  Beamte  und  Pensionäre. 
In  der  Richtung  auf  Ketschendorf  zu  wird  man  eine  Bebauung 
mit  Kleinwohnungen  vorzusehen  haben,  ebenso  wie  im  Norden 
hinter  der  Fabrik  von  Pintsch,  in  angemessenem  Abstände 
davon,  um  dem  Fabriklärm  zu  entgehen.    Hier  muß  auch 


dem  Arbeiter  Gelegenheit  zur  Erbauung  seines  eigenen 
Häuschens  gegeben  werden,  wie  sie  --  wenn  auch  in  un- 
vollkommener Weise  —  jetzt  schon  an  der  Trebuser  Land- 
straße entstanden  sind.  Darin  spricht  sich  ein  soziales 
Bedürfnis  aus.  Dagegen  wird  hinter  dem  Parke  an  dem 
Steinerweg  eine  landhausmäßige  Bebauung  am  Platze  sein. 
Außer  diesen  beiden  Wohnvierteln  ist  dann  zwischen  der 
Fabrik  von  Pintsch  und  dem  zukünftigen  Fabrikviertel  im 
Osten  im  Anschluß  an  die  hier  schon  vorhandene  Be- 
bauung eine  Miethausbebauung  vorzusehen,  für  die  es 
sich  aber  empfehlen  würde,  nicht  über  drei  W^ohngeschosse 
hinauszugehen  und  Kellerwohnungen  überhaupt  auszu- 
schließen. 

Demnach  müßten  durch  Ortsstatut  Fabrik-  und  Wohn- 
viertel festgelegt  werden,  wozu  dann  noch  besondere  Be- 
stimmungen über  die  Bebauung  am  Parke  kommen  würden. 
Die  Verteilung  der  Bevölkerung  nach  diesen  Vorschlägen 
einerseits  und  die  Notwendigkeit  alle  diese  Teile  unter- 
einander sowohl  als  mit  dem  Bahnhofe  und  der  alten  Stadt 
gut  zu  verbinden  andererseits,  verlangen  eine  sorgfältige 
Überlegung  der  Verkehrsstraßen. 

Die  vorhandene  Hauptstraße,  die  Eisenbahnstraße,  die 
sich  in  der  Müncheberger  Chaussee  mit  der  davon  ab- 
zweigenden Trebuser  Landstraße  fortsetzt,"  überkreuzt  die 
Eisenbahn  in  Schienenhöhe;  es  kann  der  zukünftigen  Ent- 
wicklung überlassen  bleiben,  hier  neben  der  bereits  vor- 
handenen Unterführung  für  den  Fußverkehr  auch  eine  solche 
für  den  Fahrverkehr  anzulegen  —  die  Möglichkeit  dazu^ist 
auf  beiden  Seiten  der  Bahn  durch  die  reichliche  Straßen- 
breite bzw.  durch  Grünanlagen  gegeben.  Dicht  bei  der 
Kreuzungsstelle  liegt  der  Bahnhof,  von  dem  die  Schützen- 
straße ausgeht.  Zur  unmittelbaren  Verbindung  mit  dem 
Bahnhof  und  der  dadurch  erst  möglich  werdenden  Er- 
schließung des  Geländes  südwestlich  der  Spree  (Landhaus- 
viertel) ist  die  Verlängerung  der  Schützenstraße  und  ihre 
Überführung  über  die  Spree  mit  einer  Brücke  Voraussetzung. 
Hier  schließt  diese  neue  Verbindung  an  die  vorhandene 
Braunsdorfer  Straße  an. 

Im  Osten  ist  bereits  eine  Straßenüberführung  über 
die  Staatseisenbahn  gesichert.  Von  hier  aus  wird  einer- 
seits das  Fabrikviertel  aufgeschlossen,  andererseits  die  Ver- 
bindung mit  der  frühereren  Kolonie  Fürstenwalde  an  der 
Spree  am  Exerzierplatze  vorbei  bis  zur  Lindenstraße  her- 
gestellt, um  in  Zukunft  auch  noch  bis  an  die  Spree  heran- 
geführt zu  werden. 

Zwischen  diesen  beiden  Verkehrszügen  ist  aber  am 
städtischen  Bauhof  in  der  Nähe  des  Seilerplatzes,  un- 
gefähr da,  wo  sich  jetzt  ein  Übergang  in  Schienenhöhe  be- 
findet, eine  neue  Hauptverkehrsstraße  nebst  ihrer  schienen- 
freien Kreuzung  mit  der  Staatsbahn  und  der  daneben  liegenden 
Kleinbahn  unbedingt  zu  fordern.  Damit  würde  erst  das  Herz 
der  alten  Stadt,  und  zwar  unter  Benutzung  der  Kirchhof- 
und  Gröbenstraße  und  Durchbrechung  der  vorhandenen 
Bebauung  bis  zum  Marktplatze  mit  dem  Schwerpunkt  der 


DER  STÄDTEBAU 


nördlichen  Stadterweiterung  verbunden.  Nach  Süden  hin 
bildet  dann  die  Mühlenstraße  mit  der  durch  einen  Neubau 
zu  ersetzenden  Mühlenbrücke  die  unmittelbare  Fortsetzung ; 
nach  Norden  hin  würde  ein  straßenförmig  auszubauender 
Feldweg,  von  dem  im  Schnittpunkte  mit  der  Nordstraße 
eine  Diagonale  zur  Wriezener  Straße  abzweigt,  das  Gelände 
aufschließen.  Die  südliche  Rampe  der  Überführung  gibt 
Gelegenheit  zu  einer  Vervollständigung  des  jetzt  nur  ein- 
seitig bebauten  dreieckigen  Baublockes  an  der  Kirchhof- 
und  Feldstraße.  Unterhalb  der  Überführung  soll  die  Seelower 
Straße  über  den  städtischen  Bauhof  hinweg  an  der  Eisen- 
bahn entlang  weitergeführt  werden,  um  darin  die  Grün-  und 
Waldstraße  einmünden  zu  lassen,  sowie  eine  Verbindung  mit 
der  Gartenstraße  herzustellen. 

Eine  vierte  Stelle,  an  der  die  Eisenbahn  gekreuzt  werden 
muß,  befindet  sich  in  Verlängerung  des  Steinerwegs.  Hier 
ist  im  Plane  Vorsorge  getroffen,  daß  im  Falle  des  Bedarfes 
auch  einmal  eine  Über-  oder  Unterführung  hergestellt  werden 
kann.  Das  sonst  durch  die  Pintschsche  Fabrik  abgeschnürte, 
nach  Trebus  sich  erstreckende  Gelände  erhält  hierdurch 
die  notwendige  Verbindung  mit  der  Stadt,  und  zwar  unter 
möglichster  Schonung  des  Parkes  derartig,  daß  die  Park- 
straße bis  zum  Steinerweg  verlängert  wird.  Diese  Straße 
ist  auf  jeden  Fall  erforderlich,  gleichviel,  ob  hinter  dem 
Parke  sich  eine  Bebauung  entwickeln  wird  oder  nicht. 

Zu  dieser  Gesamtplanung  ist  im  einzelnen  noch  zu  be- 
merken : 

1.  Ein  neuer  Friedhof  ist  im  Osten  zwischen  der  Staats- 
bahn und  dem  Exerzierplatz  vorgesehen,  da  sich  hier 
schwerlich  jemand  anbauen  dürfte.  Sollte  dieser  nicht 
mehr  ausreichen,  so  ist  im  Norden  jenseits  der  Staatsbahn 
reichlich  städtisches  Forstgelände  vorhanden,  um  einen 
weiteren,  von  der  neuen  Verkehrsstraße  (mit  Überführung 
am  städtischen  Bauhof)   auch  von  der    alten  Stadt  her   be- 


quem zugänglichen  Friedhof  im  Anschluß   an   eine   öffent- 
liche Grünanlage  zu  schaffen. 

2.  Diese  aus  der  städtischen  Forst  auszuschneidende 
Grünanlage  soll  einesteils  das  Industriegelände  von  dem 
Wohnviertel  scheiden,  anderenteils  Gelegenheit  zur  Erholung 
und  zur  Einrichtung  von  Spielplätzen  usw.  der  hier  anzu- 
siedelnden Bevölkerung  dienen,  für  die  der  Stadtpark  schon 
zu  weit  abliegt.  Diese  Grünanlage  ist  möglichst  nach  dem 
Trebuser  See  hin  fortzusetzen  und  soll  am  anderen  Ende  bei 
der  Wriezener  Straße  sich  mit  Hilfe  der  als  Alleestraße  aus- 
zugestaltenden Diagonale,  die  zur  Überführung  am  städtischen 
Bauhof  führt,  zu  einem  Ringe  zusammenschließen. 

3.  Eine  Bebauung  hinter  dem  Parke  ist  nur  möglich, 
wenn  eine  bebaute  Straße  dorthin  führt.  Deshalb  ist  der 
Parkrand  an  der  Promenade  bzw.  Berliner  Landstraße  für 
die  Bebauung  mit  Landhäusern  in  Aussicht  genommen. 

4.  Spielplätze  sind  außerdem  auf  der  Spreewiese  südlich  des 
Stadtparks  vorgesehen.  Von  der  Altstadt  an  der  Ablage  ab  ist 
ferner  ein  Promenadenweg  zur  Spree  geplant,  der  an  dieser 
entlang  weitergehend  bis  zum  Niederlagstor  reicht.  Die  hier 
befindlichen  Wiesen  müssen  schon  aus  technischen  Gründen 
unbebaut  bleiben,  was  aber  auch  im  Interesse  des  Stadt- 
bildes erwünscht  ist.  An  der  Stelle,  wo  eine  Fährverbindung 
angedeutet  ist,  bietet  sich  namentlich  ein  schöner  Blick  auf 
den  Turm  der  Domkirche. 

Der  Plan  ist  entstanden  nach  vielfachen  Verhandlungen 
innerhalb  der  Bauplankommission  und  auf  Grund  ein- 
gehender örtlicher  Studien,  die  möglichst  auch  einzelnen 
Wünschen  und  Bedürfnissen  gerecht  zu  werden  suchen, 
ohne  den  großen  Zusammenhang  der  zukünftigen  Stadt  aus 
dem  Auge  zu  verlieren. 

Der  Oberbürgermeister  Zeidler  hat  sich  durch  tatkräftige 
Förderung  der  Planung  den  besonderen  Dank  des  Verfassers 
erworben. 


BEBAUUNGSPLÄNE  UND  STRASSENBAHNEN. 

NACH  EINEM  VORTRAGE  DES  VERFASSERS  AUF  DEM  XVI.  INTERNATIONALEN 
STRASSENBAHN-  UND  KLEINBAHN-KONGRESS  IN  BRÜSSEL  IM  SEPTEMBER  1910. 

Von  WATTMANN,   Direktor  der  Straßenbahnen  in  Köln  a.  Rh. 


Der  Straßenbahntechniker,  der  auf  den  Städtebauaus- 
stellungen in  Berlin  und  Düsseldorf  die  Fülle  von  Plänen 
und  Modellen  durchforscht  hat,  um  für  sein  Sonderfach  etwas 
zu  finden,  wird  eine  Enttäuschung  erlitten  haben.  So  reich- 
haltig diese  Ausstellungen  beschickt  waren,  fast  nirgendwo 
waren  in  den  Plänen  die  Straßenbahnanlagen  mit  zur  Dar- 
stellung gebracht. 

Man  könnte  demgegenüber  versucht  sein  zu  glauben, 
daß  die  Straßenbahnen  eine  unwichtige  Rolle  in  unseren 
städtischen  Daseinsbedingungen  spielen. 

Und  doch  wäre  das  sicher  ein  großer  Irrtum,  denn  schon 
ein  ganz  kurzer  Einblick  in  eine  Statistik  unserer  Straßen- 
bahnen lehrt  das  Gegenteil.  In  unseren  mittleren  Groß- 
städten entfallen  auf  jeden  Einwohner  etwa  150—200  Straßen- 
bahnfahrten im  Jahr.  Die  Ausgaben  hierfür  bewegen  sich 
ungefähr  zwischen  60 — 100  "Z,,  der  Abgaben,  die  für  Ein- 
kommensteuer an  die  Gemeinde  entrichtet  wird.  Der  Per- 
sonenverkehr   in     den     von     Straßenbahnen     durchzogenen 


städtischen  Straßen  wird  ungefähr  zum  fünftenTeil  bis  zur  Hälfte 
und  bei  besonderen  Verhältnissen  in  noch  größerem  Umfange 
durch  die  Straßenbahn  vermittelt.  Diese  wenigen  Zahlen 
schon  lassen  zur  Genüge  erkennen,  welche  große  Bedeutung 
die  Straßenbahnen  in  dem  Kulturleben  der  Großstädte  bean- 
spruchen. Es  unterliegt  aber  keinem  Zweifel,  daß  diese 
Bedeutung  in  Zukunft  noch  erheblich  wachsen  wird. 

Das  allgemeine  Streben  unserer  Städtebauer  und  Sozial- 
reformer geht  heute  dahin,  in  der  Bebauung  unserer  Städte 
eine  größere  Dezentralisation  zu  erreichen  und  für  die 
Folge  mehr  in  die  Breite  zu  bauen  als  in  die  Höhe.  Alle 
diese  Bestrebungen,  welche  die  Schaffung  von  Landhaus- 
vororten, Gartenstädten,  ländlichen  Arbeitersiedlungen  usw. 
bezwecken,  lassen  sich  aber  nur  verwirklichen,  wenn  man 
grosse  Gebiete  weiter  ausserhalb  der  Stadt  der  Bebauung 
erschliesst  und  durch  geeignete  Verkehrsmittel  mit  der  Stadt 
verbindet.  Infast  allen  Fällen  kommen,  wenn  man  von  denWelt- 
städten  absieht,  als  Verkehrsmittel  nur  Straßenbahnen  in  Frage. 


DER  STÄDTEBAU 


Unsere  Eisenbahnen  können  dem  Vorortverkehr  nur  dort 
dienen,  wo  sie  bereits  vorhanden  sind,  da  kaum  darauf  zu 
rechnen  ist,  daß  in  größerem  Umfange  Eisenbahnen  auf  neuen 
Linien  in  die  Städte  geführt  werden.  Aber  auch  selbst  dort, 
wo  die  Eisenbahnen  einen  Vorortverkehr  vermitteln,  ent- 
sprechen sie  doch  niemals  den  Anforderungen,  die  wir  an 
einen  solchen  heute  zu  stellen  gewohnt  sind,  weil  die  Eisen- 
bahnen immer  nur  einen,  oder  besten  Falles  eine  sehr  be- 
schränkte Zahl  von  Bahnhöfen  in  der  Stadt  berühren. 

Man  glaubt  vielfach,  die  Hoch-  und  Untergrundbahnen 
als  das  Verkehrsmittel  der  Zukunft  für  grössere  Städte  an- 
sehen zu  sollen.  Studiert  man  jedoch  die  Betriebsergebnisse 
solcher  Bahnen,  so  wird  man  bald  zu  der  Überzeugung 
gelangen,  daß  sie  nur  in  'Weltstädten  mit  ihren  riesigen  Ver- 
kehrsziffern eine  Rente  geben  können.  Nur  ausnahmsweise, 
wo  ganz  besondere  örtliche  Verhältnisse  (wie  z.  B.  in  Elber- 
feld-Barmen)  dazu  drängen,  kann  in  mittleren  Großstädten 
an  Hoch-  oder  Untergrundbahnen  gedacht  werden;  gänzlich 
ausgeschlossen  erscheint  es  aber,  daß  die  weitere  Umgebung 
einer  Stadt  mittlerer  Größe  durch  ein  System  von  unter- 
oder  oberirdischen  Stadtbahnen,  die  radial  vom  Stadtinnern 
ausstrahlen,  in  ihrer  ganzen  Fläche  erschlossen  werden  kann. 
Somit  bleiben  immer  die  Straßenbahnen  als  das  einzige  Ver- 
kehrsmittel übrig,  das  in  allen  Fällen  geeignet  erscheint,  in 
wirtschaftlicher  Weise,  d.  h.  zu  mäßigen  Preisen,  den  Ver- 
kehr der  Aussenorte  mit  der  inneren  Stadt  zu  vermitteln. 
Nun  haftet  leider  der  Straßenbahn  aber  die  Eigenschaft  ihrer 
verhältnismäßig  geringen  Geschwindigkeit  an,  die  ihrem 
Wirkungskreis  eine  Grenze  setzt  und  die  es  verhindert, 
daß  sie  über  einen  bestimmten  Umkreis  hinaus  als  wirt- 
schaftlich und  zweckmäßig  anzusehen  ist.  Die  Geschwindig- 
keit der  Straßenbahn  ist  es  also,  die  in  gewissem  Grade  die 
flächenmäßige  Ausbreitung  einer  Stadt  begrenzt  und  ihre 
Wachstumsmöglichkeit  einschränkt!  Betrachtet  man  unter 
diesem  Gesichtswinkel  das  Streben  unserer  Städtebauer  nach 
weiträumiger  Bebauung  der  Vororte,  so  richtet  sich  not- 
wendigerweise die  Frage  vor  uns  auf,  ob  denn  nun  auch 
alles  geschehen  sei  und  auch  jetzt  geschehe,  um  den  Straßen- 
bahnen die  denkbar  größte  Schnelligkeit  zu  ermöglichen. 
Wer  die  Städtebauausstellungen  in  Berlin  und  Düsseldorf 
gesehen  hat,  die  ja  ein  außerordentlich  vollständiges  Bild 
des  auf  diesem  Gebiete  Geschaffenen  und  zu  Schaffenden 
gaben,  wird  diese  Frage  kaum  bejahen  können.  Zeit  ist 
Geld!  Heute  mehr  als  je  zuvor  und  in  unseren  großen  Städten 
mehr  als  irgend  wo  anders.  Welcher  ungeheure  Gewinn 
für  den  Verkehr,  für  die  Stadt  und  für  die  Erwerbskraft 
ihrer  Bürger,  wenn  es  gelingt  die  Geschwindigkeit  der  Straßen- 
bahn zu  steigern!  Es  erscheint  nicht  müßig,  die  Mittel,  die 
dazu  führen  können,  zu  erörtern. 

Wodurch  wird  die  Geschwindigkeit  unsererStraßenbahnen 
so  eng  begrenzt?  Einzig  und  allein  durch  die  hohe  Betriebs- 
gefahr, welche  die  inmitten  des  flutenden  Verkehrs  von  Fuß- 
gängern, Wagen,  Automobilen,  Fahrrädern  usw.  laufende 
Bahn  diesen  bringt,  und  die  um  so  größer  wird,  je  größer 
die  Geschwindigkeit  der  Bahn  ist.  Je  stärker  der  Verkehr 
auf  einer  Straße  ist,  desto  mehr  wird  der  Verkehr  auf  die 
Gleise  gedrängt,  desto  größer  ist  die  Betriebsgefahr  und  desto 
geringer  muß  die  Geschwindigkeit  der  Bahn  sein. 

Wo  sich  heute  eine  Bahn  durch  enge  gewundene  Gassen 
zw^ängt,  da  wird  kaum  viel  an  den  Verhältnissen  zu  ändern 
sein.  Zwar  ist  man  wohl  überall  bestrebt,  durch  Zurück- 
setzung der   Baufluchtlinien  die  Verbreiterung    der  Straßen 


anzubahnen,  aber  meist  wird  die  Wirkung  lange  auf  sich 
warten  lassen.  Aber  auch  unter  solchen  ungünstigen  Ver- 
hältnissen gibt  es  immer  Punkte,  die  ganz  besonders  ge- 
fahrlich sind.  Solche  Stellen  sind  überall  dort,  wo  entweder 
dem  Straßenbahnführer  die  Übersicht  über  das  Gleis  fehlt, 
oder  wo  man  aus  seitwärts  mündenden  Gassen,  hinter  hervor- 
springenden Ecken  usw.  plötzlich  auf  das  Gleis  tritt.  Das 
sind  Gefahrpunkte,  die  den  Wagen  oft  zwingen,  im 
Schneckenzeitmaße  zu  fahren,  und  die  in  häufigerer  Folge 
oftmals  zu  einer  Fahrgeschwindigkeit  nötigen,  welche  den 
Wert  der  Bahn  als  Verkehrsmittel  beinahe  hinfällig  macht. 

Hier  die  bessernde  Hand  einzulegen,  sollten  die  Städte 
um  so  mehr  bestrebt  sein,  als  das  häufig  mit  verhältnismäßig 
noch  bescheidenen  Mitteln  möglich  ist.  Wie  es  zu  machen 
ist,  hängt  selbstverständlich  immer  gänzlich  von  den  örtlichen 
Verhältnissen  ab,  doch  ergibt  sich  in  jedem  Falle  der  Weg, 
wenn  man  das  Ziel  im  Auge  behält:  einerseits  dem  Wagen- 
führer, andererseits  dem  Fußgänger  und  Fuhrmann  die 
möglichst    weite  Übersicht   über   das  Gleis   zu   verschaffen. 

Für  eine  seitwärts  einmündende  Gasse  ergibt  sich  z.  B. 
eine  Änderung  der  Bauflucht  wie  im  Textbild  1  als  zweckmäßig. 


W//M/W//M//yW//V///////V//////M'/'^////. 


Abb.  I.     Sehr    gefährliche  Straßenmündung,    bei    der    zur    Verminderung 
der  Gefahr  die  rechte  Ecke  etwa  in    der   punktierten  Form    abgeschnitten 

werden  muß. 


Sie  ist  geradezu  eine  Notwendigkeit,  wenn  die  Quergasse  im 
Gefälle  auf  die  Hauptstraße  mündet!  Wenn  es  möglich  ist, 
das  Gefälle  der  Querstrasse  so  zu  ändern,  daß  sie  eine  Strecke 
vor  der  Einmündung  horizontal  oder  gar  in  leichter  Steigung 
verläuft,  wird  in  noch  höherem  Grade  die  Betriebsgefahr 
vermindert.  Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  an  den 
Haltesteflen.  Dort  ist  es  notwendig,  ein  schnelles  und  sicheres 
Ein-  und  Aussteigen  der  Fahrgäste  zu  ermöglichen.  In  her- 
vorragendem Maße  sind  hierzu  Rettungsinseln  geeignet,  die 
seitwärts  der  Gleise  an  den  Haltestellen  angeordnet  werden. 
Zwar  sind  unsere  Straßen  oft  so  schmal,  daß  sich  dies  von 
selbst  verbietet.  Aber  es  gibt  doch  auch  viele  Fälle,  wo 
eine  Rettungsinsel  —  und  wäre  sie  nur  1  m  breit,  so  würde 
das  schon  zur  Not  genügen  —  sich  sehr  wohl  herstellen  läßt, 
wenn  man  sich  nur  entschließt,  den  Gehsteig  entsprechend 
zu  verschmälern.  In  solchen  Fällen  sollte  man  nicht  zögern, 
die  Änderung  vorzunehmen.  Die  Verschmälerung  des  Geh- 
steiges läßt  sich  meist  gut  ertragen,  weil  er  durch  Anlage 
der  Rettungsinsel  von  den  auf  die  Straßenbahn  wartenden 
Personen  entlastet  wird.  Andererseits  ist  für  die  Sicherheit 
der  Fahrgäste  viel  erreicht,  die  sonst  ständig  der  Gefahr  des 
Überfahrenwerdens  durch  Automobile  und  Fuhrwerke  aus- 
gesetzt sind.  Wichtig  ist  es  auch,  daß  die  schnellere  Ab- 
fertigung der  Straßenbahnwagen  ermöglicht  wird,  da  für  diese 
oftmals  dadurch  Verzögerungen  entstehen,  daß  durch  vor- 
überfahrende Wagen  das  Aus-  und  Einsteigen  verhindert 
bzw.  aufgehalten  wird.  Wenn  das  im  einzelnen  auch  nur 
Verzögerungen  von  Sekunden  sind,    so   ist   doch  nicht   zu 


DER  STÄDTEBAU 


vergessen,  daß  diese  Verzögerungen  sich  am  Tage  oft  Hunderte 
von  Malen  wiederholen. 

Es  würde  hier  zu  weit  führen,  die  mancherlei  kleinen 
Mittel  im  einzelnen  zu  besprechen,  die  unter  verschiedenen 
Verhältnissen  geeignet  sein  können,  die  Betriebssicherheit 
und  die  Geschwindigkeit  der  Bahnen  zu  erhöhen.  Die  an- 
geführten Beispiele  dürften  beweisen,  daß  auch  in  bebauten 
Gebieten  sich  häufig  Gelegenheit  finden  wird,  den  Städtebau 
in  den  Dienst  der  Straßenbahnen  zu  stellen.  Viel  weitere 
Ziele  lassen  sich  erreichen,  wo  unbebaute  Gebiete  der  Be- 
bauung und  dem  Verkehr  noch  erst  erschlossen  werden  sollen. 
Dort  kann  eine  ausgiebige  Berücksichtigung  der  Straßenbahn 
dazu  führen,  für  diese  Geschwindigkeiten  zu  ermöglichen, 
die  heute  kaum  irgendwo  zugelassen  sind  und  zugelassen 
werden  könnten.  Wenn  überhaupt  in  einem  Bebauungsplane 
auf  künftige  Straßenbahnen  Rücksicht  genommen  werden 
soll,  so  erscheint  es  selbstverständlich,  daß  eine  bestimmte 
Linienführung  der  Bahn  von  vornherein  in  Aussicht  ge- 
nommen wird. 

Das  aber  führt  wiederum  zu  der  Notwendigkeit,  für  die 
Erschließung  des  gesamten  Baugeländes  durch  und  für  den 
Straßenbahnverkehr  einen  einheitlichen  Plan  aufzustellen, 
der  hinreichende  Straßenbahnverbindungen  vorsieht,  die  auch 
bei  völligem  Ausbau  des  ganzen  Geländes  dem  Verkehr  ge- 
nügen. Tut  man  das  nicht,  so  steht  man  eines  Tages  vor 
der  Notwendigkeit,  Straßenbahnen  anlegen  zu  müssen,  wo 
von  vornherein  solche  nicht  beabsichtigt  waren,  und  dann 
wiederholt  sich  das  Schauspiel,  das  wir  leider  in  unseren 
Städten  mehr  oder  weniger  überall  erleben,  daß  für  die 
Bahnen  „passende"  Wege  und  Straßen  erst  gesucht  werden 
müssen!  Daß  diese  dann  niemals  wirklich  „passen"  können, 
versteht  sich  von  selbst. 

Da  die  überwiegende  Verkehrsrichtung  in  den  Vororten 
unserer  Städte  regelmäßig  eine  radiale  annähernd  nach  dem 
Stadtmittelpunkt  führende  ist,  so  hat  man  in  erster  Linie 
ein  Netz  von  Radiallinien  vorzusehen.  In  welcher  Entfernung 
diese  voneinander  anzunehmen  sind,  wird  in  hohem  Maße 
von  den  jeweiligen  örtlichen  Verhältnissen,  insbesondere  von 
der  Art  der  künftigen  Bebauung  und  der  hiervon  abhängigen 
Dichtigkeit  der  Bevölkerung  abhängen.  Als  untere  Grenze 
wird  man  ungefähr  600  m  annehmen  können,  während  als 
obere  Grenze,  die  in  Landhausgegenden  mit  offener  Bauweise 
und  großen  Gärten  angebracht  scheint,  1200  —  1500  m  sehr 
wohl  zulässig  erscheinen.  Neben  den  Radiallinien  wird  aber 
auch  durch  ein  oder  zwei  „Ringe"  in  einer  die  Stadt  um- 
kreisenden Richtung  für  ein  zweites  Verkehrssystem  Vorsorge 
getroffen  werden  müssen.  Die  Entfernung  solcher  „Ring- 
linien" voneinander  sollte  nicht  unter  1,5  km  gewählt  werden, 
da  hier  das  Verkehrsbedürfnis  ein  viel  geringeres  ist.  An 
den  Ausbau  solcher  Linien  kann  meist  erst  gedacht  werden, 
wenn  die  umliegenden  Gelände  ganz  oder  mindestens  zum 
größten  Teil  voll  bebaut  sind. 

Was  die  Führung  der  einzelnen  Bahnlinie  betrifft,  so 
wird  ein  möglichst  geradliniger  Verlauf  schon  deshalb  anzu- 
streben sein,  weil  jede  Krümmung  und  jeder  W^inkel  einen 
Umweg  bedeutet  und  deshalb  eine  unnötige  Verlängerung  der 
Fahrzeit  bedingt.  Von  viel  größerem  Einfluß  auf  die  Fahrzeit 
ist  es  aber,  daß  stärkere  Kurven  nur  mit  geringer  Geschwin- 
digkeit durchfahren  werden  können  und  daher  Aufenthalte 
verursachen.  Deshalb  muß  die  Forderung  erhoben  werden, 
daß  Straßenbahnen  nur  in  geraden  Linien  oder  ganz  schlanken 
Kurven  zu  führen,  jede  schärfere  Gleiskrümmung,  insbeson- 


dere wirkliche  Winkel  und  S-Kurven  ganz  zu  vermeiden  sind. 
Im  Zeitalter  des  Automobils  und  der  Straßenbahn,  der  Hoch- 
und  Untergrundbahnen  können  Stadtanlagen  nicht  mehr  vor- 
bildlich sein,  die  einst  in  den  Tagen  des  reisigen  Reiters 
und  der  Postkutsche  nicht  nur  schön,  sondern  auch  zweck- 
mäßig waren.  Heute  im  Zeitalter  des  Verkehrs  heißt  es  vor 
allem,  diesem  freie  Bahn  zu  schaffen. 

Neben  der  Linienführung  der  Bahn  ist  das  Querprofil 
der  Straße  als  besonders  wichtig  anzusehen  und  von  be- 
dingendem Einfluß  auf  die  Geschwindigkeit  der  Bahn.  Man 
muß  hier  die  Forderung  erheben,  daß  die  Straßenbahnen  von 
dem  übrigen  Verkehr  getrennt  werden  und  ihnen  ein  eigenes 
Bahnplanum  zugewiesen  wird. 

Es  bedarf  weiter  keines  Beweises,  daß  mit  solcher  An- 
ordnung die  Betriebssicherheit  der  Bahn  ganz  erheblich  ge- 
steigert wird,  insbesondere  wenn  das  Bahnplanum  in  geeig- 
neter Weise  von  den  übrigen  Straßen  abgegrenzt  ist  und 
wenn  Übergänge  und  Überfahrten  über  die  Bahn  sparsam 
und  in  jedem  Falle  recht  übersichtlich  angeordnet  werden. 
Unter  solchen  Umständen  ist  ein  zufälliges  und  unbewußtes 
Betreten  bzw.  Befahren  des  Bahnkörpers  beinahe  unmöglich 
und  man  wird  daher  die  Geschwindigkeit  der  Bahn  erhöhen 
können,  ohne  die  Betriebsgefahr  größer  werden  zu  lassen 
als  sie  heute  bei  den  Straßenbahnen  ist. 

In  den  Figuren  1 — 19  der  Tafel  3  sind  eine  Reihe  von 
Querprofilen  ausgeführter  Straßen  mit  besonderem  Bahn- 
planum wiedergegeben,  sowie  auch  verschiedene  Vorschläge 
weiterer  Möglichkeiten  für  zweckmäßige  und  günstige  Profil- 
gestaltung gemacht.  Die  Beispiele  lassen  zur  Genüge  er- 
kennen, daß  die  Herstellung  eines  eigenen  Bahnplanums  sich 
in  einer  Fülle  von  Kombinationen  verwirklichen  läßt  und 
daß  man  dieser  Forderung  gerecht  werden  kann,  auch  ohne 
daß  übermäßige  Straßenbreiten  gewählt  werden  müssen. 
Es  muß  betont  werden,  daß  daher  auch  die  Kosten  solcher 
Straßenanlagen  keineswegs  so  sehr  viel  höher  sein  werden, 
als  wenn  auf  ein  eigenes  Bahnplanum  verzichtet  wird. 

Zu  berücksichtigen  ist  dabei,  daß  die  Fahrdämme 
schmäler  gemacht  werden  können,  wenn  sie  keine  Gleise  auf- 
zunehmen haben  und  daß  man  daher  Einiges  an  der  kost- 
spieligen Straßenbefestigung  in  Steinpflaster  oder  Asphalt 
spart.  Für  die  Befestigung  des  Bahnplanums  genügt  entweder 
Kleinpflaster  oder  eine  noch  sehr  viel  billiger  herzustellende 
Rasendecke,  wie  sie  in  der  Hardenberg-  und  Bismarckstraße 
in  Charlottenburg  zur  Ausführung  gekommen  ist.  Eine  solche 
hat  nicht  nur  den  Vorzug  billiger  Herstellung  und  guten 
Aussehens,  sie  ermöglicht  auch  einen  Gleisbau  auf  Quer- 
schwellen und  damit  ein  viel  sanfteres  und  geräuschloseres 
Fahren  als  auf  Gleisen  in  Steinpflaster  oder  gar  auf  Beton- 
unterlagen im  Asphaltpflaster  möglich  ist.  Sehr  wichtig  ist 
es  ferner,  den  Abschluß  des  Bahnplanums  von  der  übrigen 
Straße  so  herzustellen,  daß  außerhalb  der  Übergänge  ein 
unabsichtliches  Betreten  des  Bahngeländes  ausgeschlossen 
ist.  Niedrige  Zäune,  Hecken,  girlandenartig  gezogene  Schling- 
pflanzen usw.  erfüllen  sehr  gut  diesen  Zweck.  Die  einzigen 
Gefahrpunkte,  die  dann  noch  bleiben,  sind  die  Übergänge 
und  Überfahrten  über  das  Bahngleis,  und  es  wird  daher 
der  Anordnung  dieser  besondere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden 
sein.  Von  vornherein  ist  es  klar,  daß  es  zweckmäßig  ist, 
so  wenig  Übergänge  wie  möglich  anzulegen.  Wenn  man 
diesen  Gesichtspunkt  bei  Aufstellung  des  Bebauungsplanes 
im  Auge  behält,  so  wird  man  die  Zahl  der  Übergänge  in 
Schienenhöhe  ausserordentlich   beschränken  können,  ja  es 


DER  STÄDTEBAU 


wird  in  den  weitaus  meisten  Fällen  gelingen,  die  notwendigen 
Übergänge  mit  den  Straßenbahnhaltestellen  zu  vereinigen 
und  außerdem  das  Planum  ununterbrochen  durchzuführen. 
Es  ist  schon  vorher  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  der 
Verkehr  in  der  Richtung  um  die  Stadt  heru  mim  allgemeinen 
ein  sehr  geringer  ist.  Für  durchgehende  längere  Verkehrs- 
straßen in  dieser  Richtung  besteht  also  nur  ein  geringes  Be- 
dürfnis, und  es  würde  vollauf  genügen,  wenn  etwa  in  Ent- 
fernungen von  5  600  m  voneinander  solche  Verkehrsstraßen 
vorgesehen  werden.  Das  ist  aber  im  höchsten  Falle  als 
Haltestellenentfernung  anzunehmen.  Zwischen  diesen  Ver- 
kehrsstraßen würden  lediglich  „Wohnstraßen"  anzulegen  sein. 
Mit  solchen  Straßen  aber  die  Hauptstraße,  welche  die  Bahn 
aufnimmt,  zu  kreuzen,  ist  vollkommen  überflüssig,  und  man 
kann  solche  Straßengestaltung  gänzlich  vermeiden  ohne  Miß- 
stände irgendwelcher  Art  befürchten  zu  müssen. 

Aber  auch  die  Zahl  der  einseitigen  Einmündungen  von 
Wohnstraßen  auf  die  Hauptstraße  wird  man  sehr  vermindern 
können,  wenn  man  von  dem  Gedanken  ausgeht,  möglichst 
lange  Häuserblöcke  seitwärts  der  Hauptstraße  anzuordnen.*) 


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Abb.  2. 


Auch  hierdurch  wird  eine  Verkehrsbehinderung  nicht  ein- 
treten! Im  Gegenteil  ergibt  sich  dabei  von  selbst  die  Not- 
wendigkeit, die  Querstraßen  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
nach  den  Haltestellen  zu  verlaufen  zu  lassen,  und  gerade 
das  würde  in  besonderem  Maße  dem  Verkehr  zugute  kommen, 
weil  die  Haltestellen  für  die  überwiegende  Mehrzahl  der 
Fußgänger  das  Ziel  bilden.  Andererseits  wird  aber  auch  der 
aus  den  W^ohnvierteln  kommende  Wagenverkehr  fast  stets 
einer  der  großen  Verkehrsstraßen,  sei  es  der  radialen,  sei 
es  der  ringförmigen,  zustreben,  und  auch  ihm  würde  damit 
sehr  wohl  gedient  sein,  wenn  die  Wohnstraßen  ungefähr 
nach  dem  Kreuzungspunkt  der  Hauptverkehrsstraßen  ge- 
richtet sind. 

Werden  diese  Gesichtspunkte  bei  der  Aufstellung  des 
Bebauungsplanes  im  Auge  behalten,  so  ergibt  sich  ganz  von 
selbst  eine  sehr  strenge  und  scharfe  Trennung  zwischen 
Verkehrs-  und  Wohnstraßen.  Während  die  ersteren  breit 
und  in  schlanken  Linien  geführt  sein  sollen,  können  nicht 
nur,  sondern  müssen  auch  die  letzteren  schmal  und  wink- 
lich gebaut  sein.  Sie  sollten  so  angelegt  werden,  daß  sie 
von  vornherein  für  jeden  durchgehenden  Verkehr  unmöglich 
sind.  Dabei  kann  durch  größte  Beschränkung  in  den  bau- 
lichen Anlagen  der  Straßen  nicht  nur  viel  Geld  gespart  werden, 

*)  Auch  aus  praktischen  und  ästhetischen  Gründen  für  die  Be- 
bauung erwünscht.  D.  S. 


sondern  es  wird  auch  gleichzeitig  den  Bewohnern  ein  Gut 
gesichert,  daß  jeder  Großstädter  zu  Hause  leider  heute  oft 
vergeblich  sucht,  nämlich  Ruhe!  Die  vorstehenden  Erwä- 
gungen zeigen,  daß  bei  Aufstellung  des  Bebauungsplanes 
nicht  nur  die  Straßen,  welche  zur  künftigen  Aufnahme  von 
Bahnen  bestimmt  sind,  für  diesen  Zweck  besonders  einge- 
richtet und  angeordnet  sein  sollten,  sondern  daß  auch  über 
die  Haltestellen  von  vornherein  Bestimmung  getroffen  werden 
sollte  und  daraufhin  der  ganze  Bebauungsplan  sich  aufbauen 
müßte.  Die  Entfernung  der  Haltestellen  ist  dabei  nicht  zu 
enge  zu  wählen.  Je  geschwinder  eine  Bahn  fährt,  desto 
größer  ist  offenbar  die  Zeit,  welche  nötig  ist,  um  aus  der 
größten  Geschwindigkeit  den  Wagen  zum  Halten  zu  bringen, 
und  desto  größer  ebenfalls  die  Zeit,  um  ihm  wieder  seine 
volle  Geschwindigkeit  zu  geben.  Mit  der  größeren  Geschwin- 
digkeit der  Bahn  wächst  also  der  Zeitverlust,  den  sie  durch 
jedes  Anhalten  erleidet. 

Wenn  eine  geringe  Entfernung  der  Haltestellen  vonein- 
ander den  Anwohnern  die  Annehmlichkeit  kurzer  Zu-  und 
Abgangswege  zur  und  von  der  Haltestelle  gewährt,  so  wird 
doch  oftmals  der  dadurch  gewonnene  Zeitgewinn  mehr  als 
eingebüßt  durch  die  längere  Fahrzeit,  welche  die  Bahn  in- 
folge der  vielen  Halte- 
stellen hat.  Man  sollte 
daher  dort,  wo  man 
für  die  Möglichkeit 
einer  besonders  großen 
Fahrgeschwindigkeit 
der  Bahn  Sorge  ge- 
tragen hat,  Halte- 
stellenentfernungen 
von  mindestens  450 
bis  500  m,  unter  Um- 
ständen auch  darüber 
hinaus,  wählen. 

Wo       Übergänge 
oder  Überfahrten  über 

die  Gleise  außerhalb  der  Haltestellen  nicht  zu  umgehen 
sind,  wird  unter  allen  Umständen  für  eine  möglichste  Über- 
sichtlichkeit des  Übergangs  Sorge  getragen  werden  müssen! 
Wo  Querstraßen  münden,  vermeide  man,  den  Übergang 
unmittelbar  in  die  Flucht  der  Querstraße  zu  legen.  Man 
versetze  den  Übergang  gegen  die  Achse  der  Querstraße,  so 
daß  es  den  Fuhrwerken  überhaupt  unmöglich  gemacht 
wird,  in  flotter  Fahrt  die  Gleise  zu  kreuzen. 

Die  Textbilder  2  u.  3  zeigen  Beispiele,  wie  man  durch  die 
vorerwähnten  Mittel  die  Gefahr  der  Bahnkreuzung  so  außer- 
ordentlich herabmindern  kann,  daß  Unfälle  nur  bei  über- 
großer Unvorsichtigkeit  der  Beteiligten  möglich  erscheinen. 

Faßt  man  alle  die  vorbesprochenen  Mittel  zusammen, 
welche  geeignet  sind,  die  Betriebsgefahr  einer  Straßenbahn 
zu  vermindern  und  ihre  Geschwindigkeit  zu  erhöhen,  also 
die  schlanke  Linienführung,  die  Herstellung  eines  eigenen 
Planums,  die  Abgrenzung  des  Bahnplanums  von  der  Straße, 
die  Vermeidung  von  Übergängen  in  Schienenhöhe  außerhalb 
der  Haltestellen,  und  wo  solches  untunlich,  die  übersichtliche 
und  zweckmäßige  Ausgestaltung  der  Übergänge,  die  Anord- 
nung von  Haltestellen  in  angemessenen  Entfernungen  und 
die  Herrichtung  von  Rettungsinseln  daselbst  zum  schnellen 
Aus-  und  Einsteigen,  so  unterliegt  es  wohl  keinem  Zweifel, 
daß  ohne  Gefahr  erheblich  größere  Fahrgeschwindigkeiten 
der  Bahn  eingeführt  werden  könnten,   als   sie   heute  üblich 


Abb.  3. 


6 


DER  STÄDTEBAU 


sind.  Dann  ließen  sich  sehr  wohl  Höchstgeschwindigkeiten 
von  35—40  km  pro  Stunde  und  Reisegeschwindigkeiten  von 
20 — 25  km  erreichen. 

Vergegenwärtigt  man  sich,  daß  in  den  Innenstädten  die 
Reisegeschwindigkeit  in  der  Regel    kaum  über   10,   in   den 
Vororten  kaum  über  12  km  kommt,   so  erscheint  das   hier 
gesteckte    Ziel     sicher    in     hohem 
Maße  erstrebenswert. 

Es  gilt  jedoch  nicht  nur  für 
künftige  Straßenbahnen  tunlichst 
große  Geschwindigkeiten  zu  er- 
möglichen, es  kommt  an  vielen 
Stellen  auch  darauf  an,  bestehenden 

Bahnen  ihre  Geschwindigkeiten  zu  Abb.  4, 

erhalten.     Fast  überall  fahren  heute 

nach  mehr  oder  weniger  entfernten  Nachbarorten  großer 
Städte  elektrische  Bahnen  —  Vorortbahnen,  Überlandbahnen 
usw.  — ,  die  außerhalb  der  Bebauung  ihr  eigenes  Bahnplanum 
oder  vorhandene  Landstraßen  benutzen. 

Diese  Bahnen  fahren  meist  mit  Geschwindigkeiten 
von  25—35  km.  Die  fortschreitende  Bebauung  schließt  nach 
und  nach  diese  Bahnen  ein,  und  zwar  in  ziemlich  schnellem 
Fortschritt,  da  aus  naheliegenden  Gründen  sich  die  Bebau- 
ung am  ehesten  und  schnellsten  um  die  vorhandenen  Bahnen 


gruppiert.  Es  ist  keine  Frage,  daß,  wenn  hier  nicht  besondere 
Rücksicht  bei  Aufstellung  des  Bebauungsplanes  auf  die  vor- 
handenen Bahnen  genommen  wird,  die  fortschreitende  Be- 
bauung um  die  Bahn  auch  die  fortschreitende  Verlangsamung 
ihrer  Fahrgeschwindigkeit  mit  sich  bringen  muß.  Welche 
weittragenden  Folgen   solche  Verkehrsverschlechterung    im 

Gefolge  haben  würde,    bedarf  hier 
keiner  näheren  Ausführung.    Daher 
ist  es  eine  unabweisbare  Notwendig- 
keit,  bei   der  Aufstellung  von   Be- 
bauungsplänen   in    der    Umgebung 
von    Vorort-    und    Überlandbahnen 
all     die     Rücksichten    walten     zu 
lassen,      die      vorher      besprochen 
sind. 
Es  sei  endlich  noch  ganz  kurz  darauf  hingewiesen,  daß 
die  Anordnung  breiter  und  schlank  geführter  Straßenbahn- 
straßen in  fernerer  Zukunft  auch  die  Möglichkeit  gewährt, 
einem  etwaigen  Massenverkehr  durch  den  Bau  einer  Hoch- 
bahn oder  einer  Einschnittbahn  (siehe  Abb.  4  im  Text)  mit 
Überführungen  an  Straßenkreuzungen  gerecht  zu   werden. 
Auch  diese  wenn  auch  vielleicht  recht  fernen  Bedürfnisse 
unserer   Städte    werden   in   unseren    Städtebauplänen    nicht 
unberücksichtigt  bleiben  dürfen. 


DIE  HAKEN-TERRASSE  IN  STETTIN. 


Architekt:  Stadtbaurat  MEYER-SCHWARTAU,  Stettin. 


Die  mittels  steiler  Straßen  von  der  Oder  her  eine  20  m 
hohe  Plattform  erklimmende  Altstadt  Stettin  schützte  gegen 
Norden,  den  Strom  völlig  beherrschend,  ein  Außenwerk  der 
Stadtbefestigung,   das  Fort  Leopold.     Es  bedeckte  bei  etwa 
500  m  Seite  eine  annähernd  quadratische  Fläche,   die  nach 
Aufgabe   der  Festung    anderen   Zwecken   nutzbar  gemacht 
werden   sollte.     Ein  Fluchtlinienplan    aus    dem  Jahre  1876 
wollte  das  Fort  schonungslos  und   ohne  Rücksicht  auf  die 
ungeheuren  Abtragsarbeiten 
durch  eine    von    der  Ufer- 
straße an   gleichmäßig   an- 
steigende Fläche    ersetzen, 
die  der  Schiffahrt  und  dem 
Handel  hätte  dienen  können. 
Dieser   Plan    ist   nicht   zur 
Ausführung         gekommen, 
auch  nicht  ein  im  Jahre  1884 
an    seine   Stelle    getretener, 
der  das  Handelsviertel  auf 
einen  tief  am  Strom  liegen- 
den Uferstreifen   beschrän- 
ken  und   auf  einer   450  m 
langen,  17  m  hohen,  gerad- 
linigen Terrasse   ein   hoch- 
liegendes Wohnviertel 
schaffen  wollte.    Immerhin 
war   damit    schon   die   Er- 
haltung    des     Höhenunter- 
schiedes   ins    Auge    gefaßt, 
wozu  nicht  allein  die   von 
der  Natur  gegebene  Gestalt 


des  Uferrandes,   als  auch  die  Rücksicht  auf  die  geschicht- 
liche Verwendung  als  Fort  herausfordert. 

Der  in  den  Jahren  1894—98  ausgeführte  Bau  des  Frei- 
hafens und  die  Erkenntnis,  daß  infolge  der  Unausführbar- 
keit  eines  Gleisanschlussses  der  Uferstreifen  für  den  große 
Räume  erfordernden  Frachtverkehr  nur  untergeordnete  Be- 
deutung haben  könne,  veranlaßten  dann  den  Verfasser,  einen 
neuen  Fluchtlinienplan  zu  entwerfen,  bei  dem  das  Handels- 
viertel     ganz      aufgegeben 
wurde,     und     die    restlose 
Ausschöpfung  der  von  dem 
hochgelegenen     Fort     sich 
bietenden         wundervollen 
Aussicht  auf  den  Strom  mit 
seinem  bunten  Treiben,  die 
weite,  grüne,  von  Wasser- 
flächen durchzogene  Oder- 
niederung   und    die    blaue 
Feme    den    leitenden    Ge- 
sichtspunkt   abgab.      Nach 
Norden    und    Westen    von 
altem     Baumbestand     und 
Schmuckanlagen  umsäumt, 
mußte    das    Fort    bei    der 
landschaftlich     so    hervor- 
ragenden  und  im  Verhält- 
nis zu  Groß-Stettin  günsti- 
gen zentralen  Lage  für  den 
Bau    vornehmerer    Wohn- 
häuser und  öffentlicher  Ge- 
Abb.  5.  bäude    besonders    geeignet 


Ang«f«rtl9( 

Snttin,  /*»  Stpti  ttrt       . 
StadlvirmtssunjSimtJ 


DER  STÄDTEBAU 


erscheinen.  Dieser  Entwurf  schiebt  die  Hochfläche  des 
Forts  bis  auf  durchschnittlich  80  m  an  den  Strom  vor 
und  schließt  sie  hier  mit  einer  480  m  langen,  rund  18  m 
über  Mittelwasser  liegenden,  in  dreimal  gebrochener  Linie 
dem  Bogen  des  Stromes  folgenden  Terrassenstraße  ab.  Vgl. 
Textbild  5.  Von  den  darauf  vorgesehenen  drei  Baublöcken 
wurde  der  mittlere,  schmalere  zum  Bau  eines  städtischen 
Museums  zurückbehalten.  Davor  sollte  eine  monumentale 
Treppenanlage  mit  seitlich  ansteigenden  Fahrrampen  das 
Ufer  mit  der  Hochplatte  verbinden.  Die  Führung  der 
Rampen  ergab  auf  den  äußersten  Flügeln  der  Terrassen- 
promenade vorspringende  Basteien,  die  stromauf  und 
stromab  und  auf  die  Terrasse  mit  ihren  Bauwerken  selbst 
besonders  schöne  Ausblicke  gewähren.  Ein  Anlagenstreifen 
hinter  dem  Museum  stellt  die  Verbindung  der  Terrasse  mit 
einem  grünen  Gürtel  her.  Sehr  ungünstige  Gründungs- 
verhältnisse ließen  es  geraten  erscheinen,  für  die  Terrasse 
den  Bau  hoher  Futtermauern  tunlichst  zu  beschränken  und 
durch  Rasenböschungen  zu  ersetzen. 

Der  Fluchtlinienplan  wurde  in  ständiger  Fühlung  mit 
dem  Reichsschatzamt  als  Grundeigentümer  des  Forts  be- 
arbeitet. Das  Reichsschatzamt  darf  es  sich  ebenso  zum 
Ruhm  anrechnen,  wie  der  um  die  Stadt  hochverdiente 
Oberbürgermeister  Dr.  Haken,  daß  nach  vieljährigen  Ver- 
handlungen und  Überwindung  mancher  in  den  Verhält- 
nissen begründeten  Schwierigkeiten  im  Jahre  1901  ein  Vertrag 
mit  der  Stadt  abgeschlossen  werden  konnte,  der  beide  Teile  be- 
friedigte und  den  Fluchtlinienplan  sogleich  verwirklichen  ließ. 

Mit  Ablauf  des  Jahres  1906  war  die  Terrassenanlage 
—  vgl.  Tafel  4  —  fertig  bis  auf  die  Ausgestaltung  der  oberen 


Fläche  des  großen  Rundteils  vor  dem  Museum,  die  erst  in 
den  Jahren  1909,10  fertiggestellt  wurde,  nachdem  die  Ab- 
sicht, hier  ein  Denkmal  Kaiser  Friedrichs  aufzustellen,  end- 
gültig aufgegeben  war. 

Über  den  ursprünglichen  Plan  hinaus  wurden  die  Leucht- 
türme und  die  beiden  Pavillons  (Taf.  5)  hinzugefügt,  die 
den  Antritt  der  großen  Treppen  betonen.  Sie  dienen  zu- 
gleich zum  Abschluß  der  von  der  Stadt  her  zu  beiden  Seiten 
des  Museums  senkrecht  auf  die  Terrasse  geführten  Straßen- 
züge und  maskieren  die  Knickpunkte  der  Terrasse. 

Die  Kosten  der  Terrassenanlage  einschl.  der  Fahrrampen, 
aller  Leitungen,  Böschungen  und  der  seitlichen  Stützmauern 
hat  einen  Aufwand  von  rund  einer  Million  Mark  erfordert, 
ausschl.  der  namhaften  Zuwendung  eines  kunstsinnigen, 
nicht  genannt  sein  wollenden  Stettiner  Ehepaares. 

Die  Terrasse  ist  insofern  übrigens  noch  nicht  als  fertig 
anzusehen,  als  die  für  die  vorspringenden  Endbasteien  der 
Terrasse  geplanten  Erfrischungshallen  noch  fehlen.  Auch 
die  große  Nische  der  Stützmauer  des  mittleren  Halbrunds 
und  das  Wasserbecken  davor  ermangeln  noch  des 
bildhauerischen  Schmuckes  und  der  Wasserkünste;  aber 
voraussichtlich  nur  noch  auf  kurze  Zeit,  da  der  Herr  Kultus- 
minister sich  entschlossen  hat,  auf  Vorschlag  der  Landes- 
kunstkommission,  die  noch  fehlenden  Bildwerke  zu  stiften. 

Die  Modelle  zu  den  Bildhauerarbeiten  fertigte  zum  größten 
Teil  der  Bildhauer  von  Ruedorffer  und  besorgte  deren  Aus- 
führung in  Stein,  im  übrigen  Bildhauer  Folke.  Garten- 
direktor Schulze  hüllte  die  Anlage  in  ihr  grünes  Gewand 
und  verstand  es,  die  ausgedehnten  Rasenflächen  der 
Böschungen  in  tadellosem  Zustande  zu  erhalten. 


DER  BEBAUUNGSPLAN  FÜR  DIE  NUHNEN 
VORSTADT  ZU  FRANKFURT  A.  O. 


Von  HANS  BERNOULLI,  Architekt,  Berlin. 

Ein  Blick  auf  den  Plan  der  Stadt  Frankfurt  a.  O. 
belehrt  unzweideutig  über  Anlage  und  Entwicklung  der 
Stadt:  als  Kern  ein  Rechteckschema,  in  der  Mitte  eines 
offenen  Rechtecks  das  Rathaus,  das  typische  Bild 
einer  ostelbischen  Städtegründung  des  13.  Jahrhunderts. 
Einzig  im  Umriß  weicht  die  Anlage  vom  Üblichen  ab: 
die  örtliche  Lage  zwischen  der  Oder  und  dem  Steilabfall 
eines  früheren  Oderufers  drängte  zur  Längsentwicklung,  die 
Hauptstraßen  führen  der  Länge  nach  durch  die  ganze  Stadt. 
Die  Querverbindungen  sind  schwächer  entwickelt,  selbst 
der  Zugang  zur  alten  Brücke,  die  Brücktorstraße,  ist  nur 
eine  kurze  Stichstraße.  Der  heute  über  die  Ringmauern 
hinausgetührte  Straßenzug,  Kaiserstraße  Breite  Straße-- 
Oderbrücke,  bildete  vordem  einen  deutlichen  Einschnitt 
zwischen  der  ersten  Anlage  und  der  unmittelbar  darauf- 
folgenden Erweiterung  nach  Süden.  Dem  Straßennetz  ent- 
sprechend bestanden  nur  drei  Tore :  am  Nordende,  am  süd- 
lichen Ende  und  am  Brückenzugange.  Erst  vor  den  Toren 
zweigen  die  westwärts  führenden  Verbindungen  von  dem 
nordsüdwärts  verlaufenden  Straßenzug  ab.  Die  Verbindung 
mit  dem  Osten  vermittelt  einzig  die  Oderbrücke. 

Vor  den  Toren  der  mittelalterlichen  Stadt  entstanden 
nach  und  nach  ein  Karthäuserkloster,    die    Spitäler   Sankt 


Georg  und  Heilig-Geist,  dazwischen  locker  gebaute  Vor- 
städte. Zu  einer  Erweiterung  des  alten  Mauergürtels  ist 
es  indessen  nie  gekommen.  Die  Mauern  selbst  sind  im 
Laufe  des  16.  Jahrhunderts  durch  Basteien  verstärkt  worden, 
die  jedoch  im  heutigen  Stadtplan  nicht  mehr  erkennbar  sind. 
Die  Ansiedelung  von  Emigranten,  die  an  anderen  Orten  zu 
Gründung  von  neuen  Vierteln  Veranlassung  gab,  beschränkte 
sich  in  Frankfurt  fast  ausschließlich  auf  die  Bebauung  der 
Lücken  in  der  inneren  Stadt.  So  übernahm  in  der  Folge- 
zeit auch  in  Frankfurt  das  Bauen  längs  der  Landstraßen 
die  Rolle  der  Stadterweiterung.  Jenseits  der  Brücke 
zwischen  den  Oderdämmen  wuchsen  sich  die  Feld-  und 
Gartenwege  zu  einem  unentwirrbaren  Netz  von  Straßen 
und  Gäßchen  aus,  das  an  die  Grundrisse  der  schlimmsten 
Zufallsbildungen  erinnert. 

Die  Umwandlung  des  Mauergürtels  in  eine  ununter- 
brochene Promenade  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahr- 
hunderts wurde  bestimmend  für  den  heutigen  Charakter 
der  Stadt:  zusammen  mit  dem  Anger  und  dem  vor  dem 
südlichen  Tor  gelegenen  ehemaligen  Friedhofe  bildet  diese 
Promenade  eine  Parkkette  von  2  km  Länge. 

Allmählich  gewann  nun  die  Bebauung  die  Höhe  der 
Platte,    die    die    alte   Stadt  im  Westen   begrenzt;    die  Ver- 


8 


DER  STÄDTEBAU 


kehrsverhältnisse  verschoben  sich  dadurch  vollständig.  Es 
traten  die  Bahnanlagen  dazu,  die  alle  alten  Verbindungen 
im  Süden  und  Westen  kreuzen.  Die  bisher  so  klaren  Be- 
ziehungen wurden  gestört,  es  entstanden  jene  unsicheren, 
wenig  glücklichen  Straßenanlagen,  die  fast  in  allen  Stadt- 
plänen die  zweite  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  kennzeichnen. 

Dem  Schreiber  fiel  die  Aufgabe  zu,  auf  Grund  der  vom  Ver- 
messungsinspektor M.MöllenhofFgeschafFenenwertvoUenVor- 
arbeiten,  einen  Bebauungsplan  für  das  im  Westen  der  Stadt  jen- 
seits der  Bahn  gelegene  Gelände 
aufzustellen.  Vgl.  Textbild  6. 
Eine  einzige  Unterführung  im 
Zuge  der  Fürstenwalder  Straße 
vermittelt  den  Verkehr  dieses 
Gebietes  mit  der  jetzigen  Stadt. 
Die  Unterführung  im  Nord- 
osten führt  in  ein  am  Nord- 
ende der  Stadt  ausmündendes, 
noch  schwach  bebautes  Tal. 
Im  Süden  konnten  zwei  Über- 
führungen vorgesehen  werden. 
Das  Gelände  bildet  einen  nach 
seinen  durch  die  Bahn  ge- 
gebenen Grenzen  rings  ab- 
fallenden Rücken.  In  seinem 
südlichen  Teil,  parallel  der 
Bahn,  liegt  eine  Talsenkung 
mit  einer  Wasserrinne. 

Die  bestehenden  Wege 
beschränken  sich  auf  die  ge- 
nannte Fürstenwalder  Straße, 
die  den  Schmuck  einer 
prächtigen  Eichenallee  auf- 
weist, und  den  nächst  der 
Bahn  führenden  Lichtenberger 
Weg.    An  Gebäuden  bestehen 

zwei  große  Kasernenkomplexe  an  der  Fürstenwalder  Straße. 
An  der  Nuhnenstraße,  der  westlichen  Grenze,  liegen  einige 
Gehöfte,  sodann  drei  Ziegeleien,  die  durch  ihre  zum  Teil 
recht  tiefen  Lehmgruben  bei  der  Planung  eine  wichtige 
Rolle  spielten. 

Das  neue  Verkehrsnetz  stellt  im  wesentlichen  eine  Ver- 
bindung der  Bahnübergänge  dar,  wobei  die  Richtung  nach 
der  Stadt  am  stärksten  betont  ist.  Die  zwischen  den  Ver- 
kehrsstraßen eingelegten  Wohnstraßen  haben,  wo  immer 
möglich,  Nordsüdrichtung  erhalten.  Eine  Promenadenstraße 
führt    zwischen    den   Verkehrsstraßen    über    den    höchsten 


Abb.  6 


Punkt  weg  westwärts  zur  Neustadt  hinaus;  nach  Norden 
steht  sie  durch  eine  als  Park  ausgebaute  Talsenkung  mit 
dem  ebenfalls  mit  einer  Promenadenstraße  versehenen  Tal 
des  Klingegrabens  in  Verbindung.  Die  Lehmgruben  sind, 
weil  unbebaubar,  in  die  Plätze  und  Freiflächen  einbezogen. 
Höhenpunkte  sind  für  öffentliche  Gebäude  vorgesehen  —  da 
der  größte  Teil  des  Geländes  im  städtischen  Besitz  ist,  stand 
die  Wahl  der  Bauplätze  frei. 

Die  Einteilung  der  Bauklassen  ist  in  der  Weise  vor- 
genommen, daß  die  längs 
des  Verschiebebahnhofes  ent- 
stehenden industriellen  An- 
lagen durch  3'/ 2  geschossige 
Bebauung  gedeckt  werden, 
während  der  größere  Teil  des 
Geländes  für  die  2 '  '2  gc- 
schossige,  offene  wie  ge- 
schlossene, Bebauung  be- 
stimmt ist.  Die  Anlage  der 
Straßenfluchten  geht  darauf 
aus,  für  die  Bebauung  mög- 
lichst normale  Bedingungen 
zu  schaffen.  Rücksprünge, 
Knicke,  Ausbuchtungen,  die 
bekanntlich  bei  ungeschickter 
Bebauung  unerträglich  und 
bei  guter  Bebauung  selten 
überzeugend  wirken,  sind 
durchaus  vermieden.  Er- 
fahrungsgemäß hat  man  mit 
einer,  künstlerisch  genommen, 
mittelmäßigen  Bebauung  zu 
rechnen.  Die  Gruppierung 
und  Gliederung  wurde  deshalb 
dem  einzelnen  Haus  abge- 
nommen und  in  die  höhere 
Einheit,  den  Baublock,  verlegt.  Eine  gewisse  rhythmische 
Wirkung  wird  z.  B.  beim  großen  Promenadenplatz  auch 
bei  ungeschickter  Bebauung  nicht  ausbleiben  können. 
Überall  sind  Bauplätze  vorbereitet,  in  Ausnutzung  der  Ge- 
ländeverhältnisse und  Stellung  der  öffentlichen  Gebäude, 
denen  eine  geschickte  Hand  leicht  einen  schönen  zum  Teil 
sogar  bedeutenden  Ausdruck  wird  schaffen  können. 

Eine  so  zurückhaltende  Stellung  schien  vor  allem  auch 
deshalb  geboten,  weil  sich  die  Bebauung  des  Geländes  vor- 
aussichtlich über  einen  längeren  Zeitraum  hin  erstrecken 
wird. 


WETTBEWERB  „GROSS-BERLIN." 


Noch  vor  Jahresschluß  sind  im  Verlage  von  E.  Wasmuth 
A.-G.  „Die  preisgekrönten  Entwürfe  mitErläuterungsberichten 
des  Wettbewerbes  Groß-Berlin  1910"  erschienen,  von  vielen 
mit  Ungeduld  erwartet,  insbesondere  auch  vom  Unterzeich- 
neten, der  die  Abbildungen  als  die  notwendige  Ergänzung  zu 
dem  Abdrucke  seines  gelegentlich  der  „Allgemeinen  Städte- 
bau-Ausstellung Berlin  1910"  gehaltenen  Vortrages :  „Welche 
Erwartungen  dürfen  wir  an  das  Ergebnis  des  Wettbewerbes 
„Groß-Berlin"  knüpfen?"  in  No.  1  bis  3  des  laufenden  Jahr- 
ganges unserer  Zeitschrift  herbeigesehnt  hatte.     Auf  diesen 


Vortrag  wird  hiermit  Bezug  genommen,  um  Wiederholungen 
zu  vermeiden.  Mit  dem  im  Auftrage  der  Stadt  Berlin  heraus- 
gegebenen Werke,  das  20  zum  Teil  farbige  Tafeln  (darunter 
5  Doppeltafeln)  und  170  Seiten  Text  mit  77  eingedruckten 
Abbildungen  enthält,  ist  das  im  7./8.  Hefte  des  vorigen  Jahr- 
ganges in  Aussicht  gestellte  Sonderheft  entbehrlich  geworden. 
Die  Verlagshandlung  hat  stattdessen  den  Abnehmern  un- 
serer Zeitschrift  einen  Vorzugspreis  von  25  Mk.  (sonst 
30  Mk.)  zugebilligt. 

Dank  den  für  die  Veröffentlichung  zur  Verfügung  ge- 


9 


DER  STÄDTEBAU 


sloUtoii  Mitteln  ist  es  möglich  gewesen,  die  32,48  cm  ßroßen 
In  einer  Mappe  vereinigten  Blätter,  auf  das  vornehmste  aus- 
zustatten und  insbesondere  die  Tafeln  durchweg  so  herzu- 
stellen, wie  es  unsere  Zeltschrift  schon  seit  langem  anstrebt 
und  bisher  nur  ausnahmsweise  mit  Rücksicht  auf  die  hohen 
Kosten  hat  durchführen  können.  Den  Abnehmern  des  Werkes 
erwächst  daher  auch  in  dieser  Beziehung  noch  ein  besonderer 
Genuß. 

Den  Entwürfen  lind  die  E^läuterungsberichte  beigegeben, 
die  Ja  einen  wesentlichen  Bestandteil  des  Wettbewerbes 
bildeten.  Dagegen  fehlt,  was  vielleicht  mancher  erwartet 
haben  mag,  die  Wiedergabe  der  Beurteilung  durch  das 
Preisgericht;  man  muß  jedoch  sagen,  zum  Vorteil  des  Werkes, 
das  nun  für  sich  selber  sprechen  kann.  Denn  abgesehen 
davon,  daß  sich  das  Urteil  auch  über  alle  andern  nicht  mit 
veröffentlichten  Wettbewerbsentwürfe  erstreckt,  hätte  es  bei 
dem  im  vielgliedrigen  Preisgericht  unausgeglichen  gebliebenen 
Widerstreite  der  Meinungen  nur  verwirrend  wirken  können. 

Treten  wir  also  an  das  Werk  heran,  so  wie  es  uns  ge- 
geben ist.  Die  Anerkennung  über  sein  Erscheinen  und  seine 
äußere  Erscheinung  hat  schon  ihren  Ausdruck  gefunden. 
Auch  der  sachliche  Inhalt  entspricht  durchaus  der  Höhe, 
die  vom  Programme  eingenommen  war.  Dieses  Programm 
wieder  mit  abzudrucken,  wäre  wohl  erwünscht  gewesen. 
Denn  darüber  hinausgehend  ist  den  Verkehrsfragen  eine 
breitere  Behandlung  eingeräumt  worden  als  erfordert  war. 
In  diesem  Punkte  lag  vielleicht  eine  Schwäche  des  Programms, 
das  verlangte:  Grundlinien  für  die  Bebauung  von  Groß- 
Berlin,  und  zwar  für 

1.  durchgehende  HauptverkehrszUge, 

2.  die  Teilung  der  Wohn-  und  Landhausviertel  von  den 
Geschäfts-  und  Industrievierteln, 

3.  die  Freilassung  großer  Flächen  von  der  Bebauung, 

4.  Neuanlagen,  Ergänzungen  und  Verbesserungen  der 
Eisenbahnen  usw.,  die  skizzenhaft  einzuzeichnen 
waren, 

5.  den  Ausbau  und  die  Erweiterung  der  Wasserstraßen, 
abgesehen  von  den  Teilplänen  und  Einzelvorschlägen 
also  in  der  Hauptsache  einen  großzügigen  Gesamtplan  für 
die  Zusammenfassung  von  Groß-Berlin  und  eine  den  sozialen 
Anforderungen  entsprechende  Bebauung.  Danach  war  also 
der  Plan  nicht  getrennt  nach  einer  verkehrstechnischen  Seite 
und  nach  einer  künstlerischen  Seite  hin  zu  beurteilen,  sondern 
als  ein  großes  Ganzes,  als  eine  einheitliche  Gesamt- 
leistung. Dementsprechend  dürfte  doch  -  und  dieser  Mei- 
nung ist  von  vielen  Besuchern  der  Berliner  Städtebau-Aus- 
stellung Ausdruck  gegeben  worden  —  der  mit  dem  III.  Preise 


ausgezeichnete  Entwurf  von  Professor  Bruno  Möhring,  Pro- 
fessor Dr.  Rudolf  Eberstadt  und  Oberingenieur  Petersen  nicht 
nach  seinem  vollen  Werte  gewürdigt  worden  sein.  Wie 
stark  die  Verkehrsfragen  mitgesprochen  haben,  tritt  selbst 
in  der  vorliegenden  Veröffentlichung  noch  in  die  Erscheinung, 
in  der  die  Tafeln  des  mit  dem  IV.  Preise  bedachten  Ent- 
wurfes lediglich  Verkehrspläne  darstellen,  während  die  präch- 
tigen Städtebilder  von  Bruno  Schmitz  sich  mit  kleinen  Dar- 
stellungen im  Text  haben  begnügen  müssen. 

Der  Schwerpunkt  des  Jansenschen  Entwurfes  liegt  in 
der  Bebauungsfrage  und  dies  mit  vollem  Recht  —  denn  Ver- 
kehrsverbesserungen, die  fast  stets  große  Mittel  erfordern, 
lassen  sich  eher  nachholen  als  eine  verpfuschte  Bebauung, 
die  nie  wieder  gut  zu  machen  ist.  Und  bei  der  großen  Zahl 
minderwertiger  Bebauungspläne,  die  noch  bis  in  die  letzte 
Zeit  hinein  festgesetzt  worden  sind,  ist  immer  wieder,  um 
überhaupt  noch  einmal  vom  Mietkasernensystem  da  draußen 
loszukommen,  die  Notwendigkeit  einer  vernünftigen  Aufteilung 
des  Geländes  insbesondere  für  Klein-Wohnungen  90 'V,,  aller 
Wohnungen  sind  Klein-  und  kleine  Mittelwohnungen  bis  zu 
4  Zimmern!  —  zu  betonen. 

Von  demselben  Grundgedanken  ist  der  Entwurf  von  Eber- 
stadt-Möhring-Pctersen  ausgegangen,  indem  er  eine  höhere 
Bebauung  an  den  Verkehrsstraßen  vorsieht,  dazwischen  aber 
eine  niedrigere  Reihenbebauung  um  eine  öffentliche  Grün- 
anlage herum,  ohne  mehr  an  Freifläche  zu  fordern,  als  bau- 
polizeilich jetzt  festgesetzt  ist. 

Doch  das  nur  nebenbei!  Auf  Einzelheiten  soll  hier 
nicht  weiter  eingegangen  werden,  jeder  aufmerksame  Be- 
trachter des  Werkes  wird  sie  selber  schon  zu  finden  wissen. 

Um  jeder  Mißdeutung  vorzubeugen  hätte  es  sich  wohl 
empfohlen,  die  Erläuterungsberichte  wortgetreu  zum  Abdruck 
zu  bringen.  Immerhin  muß  anerkannt  werden,  daß  die  Än- 
derungen im  Wortlaute  und  in  der  Einteilung  einer  größeren 
Klarheit  und  Übersichtlichkeit  Vorschub  leisten,  die  sach- 
lichen Verbesserungen  aber  keinen  Anlaß  zu  wesentlichen 
Einwendungen  bieten. 

Somit  kann  das  ganze  Werk  als  ein  bedeutsames 
Denkzeichen  in  der  Geschichte  städtebaulicher  Entwicklung, 
als  eine  reiche  Fundgrube  für  den  Städte  anlegenden  Archi- 
tekten, hoffentlich  auch  als  ein  Hindernisse  brechendes  An- 
triebsmittel für  die  Ausgestaltung  von  Groß-Berlin  nur  warm 
empfohlen  werden.  Das  Studium  ist  wesentlich  erleichtert 
dadurch,  daß  die  zur  Erläuterung  des  Textes  notwendigen 
Abbildungen,  statistischen  Tafeln,  Verkehrs-  und  Durch- 
bruchspläne, Straßenproflle  überall  an  die  passende  Stelle 
eingerückt  worden  sind.  Th.  Goecke. 


NEUE  BÜCHER. 

Besprochen  von  THEODOR  GOECKE. 


TÄNDLICHE  UND  STÄDTISCHE  KLEINWOHNUNGEN. 

"-"  Kine  SttmmluuK  mustergültiger  PlKne  unii  Entwürfe  herausgegeben 
im  Kill  vernehmen  mit  dem  Königlich  SKchslschen  Ministerium  des  Innern 
vom  l..->ndesvcrcin  Sächsischer  Heimatschuti.  Bearbeitet  von 
L.  K.  KaiI  Schmidt,  Obrrbaurat  im  Königlich  SKchsischen  Finani- 
mlnistcrium.  Diese  Sammlung  enthält  KleinwohnungsplSne  für  das  Ein- 
familienhaus bis  »um  Zwölf  (am  ilienhause.  Die  Entwürfe,  die  teils  aus  der 
BaubeviitunR^stelle  des  Säclin'schcn  Heimatschuties,  teils  von  namhaften 
Architekten  stammen,  wurden  sorgfältig  ausgewählt,  so  daß  das  Werk  nur 


solche  Plfine  bietet,  die  in  praktischer,  zweckmäßiger,  wirtschaftlicher, 
gesundheitlicher  und  schönheitlicher  Hinsicht  als  mustergültig  angesehen 
werden  können.  Die  Tafeln  sind  um  so  wertvoller,  als  die  Bnukosten 
überall  im  einzelnen  angegeben  sind.  Gerade  zur  jetzigen  Zeit,  wo  der 
Kleinwohnungsmangel  —  besonders  auf  dem  Lande  —  sich  stark  fühlbar 
macht,  dürfte  das  Werk  allen  denen,  die  sich  mit  der  Wohnungsfürsorge 
und  Wohnungsreform  beschüftigen,  sowie  allen  Bauenden  und  Bauaus- 
fUhrenden  ein  wertvoller  Berater  sein. 

So  sagt  die  Aufforderung  des  Verlages  von  H.  von  Keller  in  Dresden, 


10 


DER  STÄDTEBAU 


der  hiermit  eine  prächtige  Veröffentlichung  allen  denen  bietet,  welche  mit 
dem  Kleinwohnungsbau  zu  tun  haben,  Behörden  und  Bauberatungsstellen, 
Architelttcn  wie  Bauherren.  Auf  50  stattlichen  Tafeln  sind  zunächst  die 
Klcinwohnungsbauten  dargestellt,  die  auf  dem  Gelände  der  Internationalen 
Hygiene-Ausstellung  in  Dresden  die  zahlreichen  Besucher  entzückt  haben, 
dann  Entwürfe  und  Bauausführungen  von  freistehenden,  zu  Gruppen 
geordneten,  oder  aneinandergereihten  Wohnhäusern  in  vielfachen  Ab- 
wandlungen vom  Ein-  bis  zum  Zwölffamilienhause,  die  namhafte  Architekten 
zum  Verfasser  haben,  oder  im  Atelier  des  Sächsischen  Heimatschutzes  ent- 
standen sind.  Besonders  wertvoll  sind  darunter  auch  die  Einzelheiten  der 
Kochofcnanlage  mit  Sammelheizung  im  Einfamilienhause  des  Verbandes 
Sächsischer  Industrieller,  Dresden,  und  des  Ausbaues  einer  Wohnküche  für 
die  Gemeinnützige  Baugesellschaft  in  Neugersdorf  i.  S. 

Es  ist  erfreulich,  daraus  zu  ersehen,  wie  sich  Grundriß  und  Aufbau 
schon  vervollkommnet  haben,  wie  treffliche  Lösungen  auch  innerhalb 
der  wirtschaftlichen  Grenzen  erzielt  werden,  wie  wenig  berechtigt  also  das 
Vorurteil  erscheint,  daß  die  Architekten  nicht  zweckmäßig  und  zu  teuer 
bauten!  Darin  liegt  ein  außerordentlicher  Fortschritt,  denn  wenn  erst 
überall  Architekten  bauen,  dann  werden  wir  wieder  auf  zweckmäßige  und 
schöne  Städte  und  Dörfer,  Gartenstadt-  und  Kleinwohnungssiedelungen 
rechnen  können!  Dem  rührigen,  zielbewußten  Oberbaurat  Schmidt 
kann  man  für  die  Förderung  dieser  Bestrebungen  nicht  dankbar  genug 
sein. 


TTNSER  GARTEN.  Von  F.  Zahn,  Abteilungavortteher  und  Lehrer 
*— '  der  Gartenkunst  an  der  Königl.  Gärtner-Lehranstalt  zu  Dahlem. 
Mit   25  Abbildungen,      igii.     Verlag  von  Quelle  &  Meyer   in  Leipzig. 

Einzeldarstellung  aus  „Wissenschaft  und  Bildung",  herausgegeben 
von  Privatdozent  Dr.  Paul  Herre,  also  in  gemeinverständlichem  Sinne  den 
Hausgarten  behandelnd,  wobei  Verfasser  das  Hauptgewicht  auf  ein  Zu- 
sammenwirken von  Bau-  und  Gartenkunst  legt  von  Anfang  an,  schon 
beim  Entwürfe  des  Hauses  und  seines  Gartens.  Den  Architekten,  ins- 
besondere auch  den  Städte  anlegenden  Architekten  werden  zunächst  die  all- 
gemeinen Gedanken  über  den  Garten  des  I.  Teils  am  meisten  zu  sagen  haben. 
Sie  betreffen  die  Lage,  Größe  und  Form  des  Grundstücks,  Aufstellung  seine 
Oberfläche,  die  Besonnung,  Umgebung  und  Begrenzung,  Lage  und  Bau- 
art des  Hauses  und  seiner  Zugänge,  und  was  besonders  wichtig  erscheint, 
den  etwa  zu  schonenden  alten  Baumbestand.  Dann  aus  Teil  II  „Anlage 
und  Pflanzung"  der  Abschnitt  „Wege  und  Gartenarchitekturen".  Be- 
handelt werden  dann  weiter  die  Pflanzung  (geschnittene  Hecken)  die 
Blumen  und  der  Rasen,  endlich  im  III.  Teil  die  Pflege  und  Unterhaltung 
des  Gartens.  Auch  das  Schmerzenskind  städtischer  Gartenanlagen,  der 
sogenannte  Vorgarten,  fällt  mit  darunter;  er  sowohl  wie  die  übliche 
Parzellierungsart,  die  auf  die  Unebenheiten  des  Bodens  keine  Rücksicht 
nimmt,  geben  dem  Verfasser  vielfach  Gelegenheit  zu  treffenden,  der  Er- 
fahrung entnommenen  Bemerkungen.  Anschaffungspreis  1,25  Mk.  für 
Bfindchen  in  Leinen. 


MITTEILUNGEN. 


y  UM  AUSBAU  DES  STADTERWEITERUNGSAMTES  IN 

^^  LEIPZIG.  Der  Stadtgemeinde  Leipzig  stehen  zahlreiche  und  große 
Aufgaben  auf  dem  Gebiete  der  Stadterweiterung  bevor,  wie  ja  auch  schon 
der  für  die  Bebauung  der  Frankfurter  Wiesen  ausgeschriebene  Wettbewerb 
(siehe  N0.8  und  g  v.J.  unserer  Zeitschrift)  verratenhat.  Insbesondere  bringen 
die  neu  einverleibten  Vororte  und  künftige  Eingemeindungen  noch  großer, 
städtebauliche  Arbeiten  mit  sich.  Einen  Anhaltspunkt  für  den  Umfang 
dieser  Arbeiten  geben  schon  die  Zahlen  über  die  Vergrößerung  des  Stadt- 
gebietes durch  die  Einverleibung.  Vor  der  Einverleibung  der  sechs  Vor- 
ortsgemeinden am  I.  Januar  1910  war  das  Stadtgebiet  etwa  5850  ha  groß, 
jetzt  umfaßt  es  ein  Gebiet  von  7780  ha.  Durch  eine  etwaige  Einverleibung 
von  Schönefeld  und  Leutzsch  würde  das  Stadtgebiet  eine  weitere  Vergröße- 
rung um  etwa  950  ha  erfahren. 

Außerdem  hat  der  Bau  des  Hauptbahnhofs  eine  umfängliche  Um- 
wälzung in  der  inneren  Stadt  hervorgerufen.  Es  werden  viele  alte  Bauten 
abgebrochen  und  neue  errichtet.  Hier  bietet  sich  eine  gute  Gelegenheit, 
notwendige  städtebauliche  Verbesserungen  durchzuführen.  Die  Inangriff- 
nahme der  Arbeiten  ist  zudem  sehr  dringlich. 

Die  Feststellung  der  neuen  Ausfallstraßen  nach  den  Vororten,  die 
auch  die  künftigen  Schnellbahnen  für  den  Nahverkehr  aufzunehmen  haben 
würden,  und  der  neuen  und  unmittelbaren  Verbindungen  zwischen  den 
Vororten  muß  sobald  als  möglich  in  Angriff  genommen  werden,  wenn  ihre 
Durchführung  nicht  immer  mehr  erschwert  werden  soll.  Die  Einarbeitung 
der  Kanalplanung  im  Westen,  die  Bebauung  der  Frankfurter  Wiesen  im 
Anschluß  an  die  Hochwasserregulierung,  die  Schaffung  eines  Grüngürtels 
und  eines  Ausstellungsplatzes,  und  nicht  zuletzt  die  Beeinflussung  des 
Mangels  an  Kleinwohnungen  sind  Aufgaben,  die  ebenfalls  dringend  der 
Bearbeitung  harren.  Dringlich  Ist  ferner  die  Erledigung  zahlreicher  Teil- 
bebauungspläne. 

Diese  zweifach  durch  umfassendere  Arbeitsweise  und  Ausdehnung 
des  Arbeitsgebietes  gesteigerte  Arbeit  zu  bewältigen,  fällt  in  erster  Linie 
dem  Architekten  des  Stadterweiterungsamtes,  Stadtbauinspektor  Strobel,  zu. 
Denn  es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  daß  von  diesen,  vielfache  Verhand- 
lungen erfordernden,  von  langer  Hand  vorzubereitenden  und  oft  nur  durch 
schnelles  Zugreifen  bei  passender  Gelegenheit  zu  erledigenden  Arbeiten 
nicht  allzu  viele  an  Privatarchitekten  abgegeben  werden  können.  Das  Stadt- 
erweiterungsamt muß  in  sich  selber  so  gestaltet  und  mit  so  zahlreichen 
Kräften  besetzt  sein,  daß  es  eine  organische  Stadterweiterung  auf  Grund 
eines  Gesamtbebauungsplans  leiten  kann. 

Die  Stadterweiterung,  die  nur  Stadtteil  an  Stadtteil  anreiht,  ohne  die 


Stadt  als  eine  wirtschaftliche  Einheit  zu  begreifen,  bedingt,  wie  die  Er- 
fahrungen gelehrt  haben,  mitunter  erhebliche  und  kostspielige  Änderungen. 
Es  ist  deshalb  auch  aus  finanzwirtschafllichen  Gründen  ein  systematisches 
Vorgehen  wünschenswert.  Wenn  ein  solches  auch  zunächst  größere  Auf- 
wendungen erfordert  als  die  bisherige  Arbeitsweise,  so  handelt  es  sich  doch 
um  wirtschaftliche  Ausgaben.  Es  ist  vorteilhafter,  voraussehend  Aufwen- 
dungen für  Planungen  zu  machen,  die  eine  systematische  Stadterweiterung 
gewährleisten,  als  später  Unvollkommenes  mit  wesentlich  höheren  Kosten 
verbessern  zu  müssen.  Versäumtes  nachzuholen  ist  auf  diesem  Gebiete 
besonders   schwierig    und   kostspielig,   oft  ist  es  überhaupt  nicht  möglich. 

Deshalb  hat  der  Rat  der  Stadt  Leipzig  eine  sorgfältig  begründete 
Vorlage  den  Stadtverordneten  zugehen  lassen  mit  dem  Antrage  auf  Gewäh- 
rung der  zum  Ausbau  des  Siadterweiterungsamts  notwendigen  Mittel. 
Darunter  befinden  sich  auch  Forderungen  für  die  Ausgestaltung  der  mit  dem 
Stadterweiterungsamte  verbundenen  Bauberatungsstelle.  Denn  nach  den 
bei  allen  Bauberatungsstellen  gemachten  Erfahrungen  ist  nur  auf  dem 
zeitraubenden  Wege  der  persönlichen  Aussprache  mit  dem  Bauherrn  oder 
dem  Architekten  und  durch  tätige  Unterstützung  mit  Gegenvorschlägen 
zum  Ziele  zu  kommen. 

Sehr  erschwerend  für  die  Bauberatung  ist  namentlich  der  Umstand, 
daß  die  Bauakten  kein  klares  Bild  über  das  Aussehen  der  Nachbarhäuser 
geben.  Aus  diesem  Grunde  werden  andererorts  vielfach  Schlußzeichnungen 
verlangt.  Da  aber  auf  diesem  Wege  ein  richtiges  Fassadenbild  nicht  mit 
Sicherheit  zu  gewinnen  ist,  so  wird  vorgeschlagen,  Schlußphotographien  zu 
fordern  und  diese  bei  der  Baupolizeibehörde  gegen  eine  Gebühr  herzustellen. 

Da  die  Zweckmäßigkeit  dieser  Vorschläge  durchaus  einleuchtet, 
und  die  Persönlichkeit  des  Stadtbauinspektors  Strobel  volles  Vertrauen 
verdient,  so  kann  die  Schriftleitung  nur  den  Wunsch  aussprechen,  die  Stadt- 
verordneten möchten  der  Vorlage  des  Rates  folgen!  Sie  wUrden  es  sicherlich 
nicht  zu  bereuen  haben.  München  hat  längst  ein  derartig  organisiertes 
Stadterweiterungsamt,  dessen  Vorstand  früher  Professor  Theodor  Fischer 
war,  jetzt  der  Bauamtmann  Bertsch  ist.  —  Strobel  hat  darauf  verzichtet, 
seine  Person  in  den  Vordergrund  zu  schieben;  die  Sache  aber  läßt  ihn 
nicht  ruhen  um  Erfolge  zu  erringen,  wie  sie  München  bereits  tatsächlich 
zu  verzeichnen  hat. 

WIENER  STRASSENVERKEHR.  Fahrvorschriften  und 
Verkehrsregeln  für  Fußgänger.  Zusammengestellt  von  der 
k.  k.  Polizeidirektion  Wien.  191 1.  Im  Selbstverlage  der  k.  k.  Polizei- 
direktion Wien.    Oktav,  34  Seiten.  Von  Regierungsbaumeister  Rappaport. 


11 


DER  STÄDTEBAU 


Unter  dem  Titel  „Wiener  Straßenverkehr"  hat  die  k.  k.  Polizei- 
direktion Wien  ein  recht  beachtenswertes  Heft  in  einer  Viertelmillion 
Exemplaren  unentgeltlich  verteilt.  Es  bestehen  wohl  allgemein,  besonders 
in  größeren  Orten,  bestimmte  Fahrvorschriften  und  Verkehrsregeln,  aber 
sie  sind  leider  nicht  allgemein  bekannt.  Gerade  in  der  allgemeinen 
Kenntnis  beruht  aber  ihr  Wert.  Was  nützt  eine  noch  so  weite  und 
sorgsame  Anlage  städtischer  Straßen,  wenn  sich  nicht  jeder  bei  deren 
Benutzung  an  bestimmte  Regeln  halten  will. 

Das  Wiener  Verkehrsheft  bringt  im  ersten  Teil  Fahrvorschriften. 
Entsprechend  der  allgemeinen  Verkehrssitte  in  Österreich  —  und 
fast  in  allen  außerdeutschen  Staaten  —  lauten  die  Hauptregeln: 
,, Links  fahren,  links  ausweichen,  rechts  vorfahren."  Von  den 
Einzelvorschriften  ist  folgende  beachtenswert:  ,,Bei  der  Durchfahrt  von 
Straßenbahnhaltestellen  ist  langsam  zu  fahren  oder  anzuhalten,  um  die 
ein-  und  aussteigenden  Passagiere  nicht  zu  gefährden."  Sehr  fürsorglich 
ist  die  gesperrt  gedruckte  Vorschrift:  „Vor  Schulen  ist  zur  Zeit  des  Be- 
ginnes und  des  Schlusses  des  Unterrichtes  im  Schritt  zu  fahren." 

Neuartiger  ist  die  im  zweiten  Teil  enthaltene  Gehordnung.  Die 
Hauptregel  lautet  hier:   „Links  gehen,  links  ausweichen,  rechts  vorgehen." 

In  der  Beachtung  dieser  Vorschrift  beruht  der  Erfolg  jeder  Geh- 
ordnung. Der  Zustand  in  der  ^Viene^  Rothenturm-  oder  Kärnthner  Straße 
würde  bei  Nichtbeachtung  dieser  Regel  zu  gewissen  Stunden  beängstigend 
werden.  In  dem  Eingangssatze  zur  Gehordnung  bekommt  der  arme  Fuß- 
gänger zunächst  eine  nicht  mißverständliche  Ermahnung:  „Der  Groß- 
städter hat  sich  stets  vor  Augen  zu  halten,  daß  die  Fahrbahn  der  Straße 
zunächst  dem  Wagenverkehr  zu  dienen  hat  .  .  ." 


Die  im  weiteren  gegebenen  einzelnen  Bestimmungen  sind  aber  nicht 
als  Zwangsmaßregeln  aufgestellt,  sondern  als  Anregungen  zum  freiwilligen 
Befolgen  im  eigensten  Interesse.  Unbedingt  richtig  ist,  daß  das  Gehen  auf  der 
Fahrstraße  in  der  Längsrichtung  grundsätzlich  zu  unterlassen  ist,  daß  das 
Umkehren  inmitten  des  Fahrdammes  leicht  gefährlich  sein  kann.  Nicht 
unbedingt  zustimmen  wird  man  der  Vorschrift,  die  Straße  von  einer  Seite 
zur  anderen  möglichst  an  Straßenkreuzungen  zu  überqueren.  Eine  Reihe 
von  Regeln  betrifft  das  Gehen  hart  am  Hochsteigrande,  das  Überschreiten 
befahrener  Straßenbahngleise,  das  Abspringen  von  der  Straßenbahn,  das 
Spielen  von  Kindern  auf  der  Straße  usw. 

Die  im  dritten  Teil  enthaltenen  besonderen  Vorschriften  für  Auto- 
mobile und  Radfahrer  bieten  nichts  Besonderes. 

Die  ganze  Kunst  des  Städtebaues,  das  Anlegen  der  Straßen  ist 
umsonst,  wenn  bei  der  späteren  Benutzung  ein  wirres  und  rücksichtsloses 
Durcheinander  herrscht.  Die  Vorschriften  der  Wiener  Polizeidirektion 
in  ihrer  für  die  breiteste  Allgemeinheit  bestimmten  Form  müssen  daher 
dem  Städtebau  sehr  willkommen  sein.  Kein  Architekt  ist  erfreut,  wenn 
die  von  ihm  geschaffenen  Räume  durch  falsche  und  unsachgemäße  Be- 
nutzung nicht  entsprechend  zur  Geltung  kommen.  Wieviel  weniger  der 
für  jedermann  schaffende  Städtebauer! 

Das  Heft  bringt  die  Vorschriften  in  deutscher,  französischer  und 
englischer  Sprache.  Im  deutschen  Text  fallen  neben  einer  Reihe  leicht 
vermeidbarer  Fremdwörter  einige  recht  gute,  rein  deutsche  Ausdrücke 
auf;  so  ist  der  Versuch,  das  Wort  Trottoir  durch  „Gehsteig"  zu  ersetzen, 
nicht  übel,  denn  die  alte  Bezeichnung  „Bürgersteig"  hat  in  einer 
modernen   Großstadt  kaum  mehr  Berechtigung. 


CHRONIK. 


TTTettbewerb:  Um  die  UMGEBUNG  DES  NEUEN  BAHN- 
HOFS IN  KARLSRUHE  möglichst  zweckmäßig  und  schön 
zu  gestalten,  sind  die  Großherzoglich  Badische  Eisenbahnverwaltung  und 
die  Stadt  Karlsruhe  übereingekommen,  einen  Entwurf  für  die  Gestaltung 
und  Bebauung  dieses  Geländes  aufstellen  zu  lassen.  Zu  diesem  Zwecke 
hat  der  Stadtrat  der  Haupt-  und  Residenzstadt  Karlsruhe  die  in  Karls- 
ruhe ansässigen  Architekten  und  Ingenieure  zur  Einreichung 
von  Skizzen  aufgefordert,  denen  folgende  Aufgabe  gestellt  ist: 

1.  Für  die  Bau-  und  Straßenfluchten  des  Bahnhofvorplatzes  und  des 
anstoßenden  Baugebietes  in  i  :  looo  ist  davon  auszugehen,  daß  der  Platz 
ungefähr  die  Ausdehnung  und  Gestalt  erhalten  soll,  wie  sie  in  einem, 
den  Teilnehmern  des  Wettbewerbes  zur  Verfügung  gestellten  Lageplan 
(vom  Sekretariat  des  Hochbauamts  erhältlich!)  angegeben  sind;  Änderungen, 
die  verkehrstechnisch  einwandfrei  und  in  wirtschaftlicher  Hinsicht  nicht 
wesentlich  ungünstiger  wirken,  sind  zulässig.  Die  Lage  des  Albtal- 
bahnhofs ist  als  ein  unverbindlicher  Vorschlag  anzusehen. 

2.  Es  sind  Fassadenentwürfe  in  i  :  250  für  sämtliche  an  dem  Platze 
und  an  den  in  dem  Lageplan  mit  A-B  und  C-D  bezeichneten  Straßen- 
strecken zu  errichtenden  Bauten  aufzustellen.  Es  ist  ein  Eingang  in  den 
Stadtgarten  von  der  Bahnhofseite  aus  vorzusehen  und  auf  eine  harmonische 
Gesamtwirkung  des  Platz-  und  Straßenbildes  mit  dem  bereits  erstellten 
Aufnahmegebäude  und  dem  in  Ausführung  begriffenen  Postgebäude 
sowie  auf  einen  günstigen  Abschluß  der  Südseite  des  Stadtgartens  hin- 
zuwirken. 

Zwei  SchaubUder  in  i  :  100  sind  von  den  in  Augenhöhe  gelegenen 
Punkten  x  und  y  des  Lageplans  derart  zu  fertigen,  daß  die  entsprechenden 
Bildebenen  durch  die  Kanten  Kx  und  Ky  gehen.  Darstellungen  nur  in 
Schwarzweiß  zulässig,  farbige  Bilder  werden  von  der  Beurteilung  aus- 
geschlossen. 

Frist  bis  zum  31.  März  1912,  nachmittags  6  Uhr  beim  Sekretariat 
des  städtischen  Hochbauamts.  Die  preisgekrönten  Zeichnungen  werden 
Eigentum  der  Stadt;  diese  ist  berechtigt,  sie  nach  Belieben  für  die 
Ausführung  zu  benutzen.  Das  Recht  der  Veröffentlichung  verbleibt  dem 
Vei fasser.  Eine  Zusicherung,  daß  die  Bewerber  bei  der  weiteren  Aus- 
arbeitung von  Plänen  oder  der  Ausführung  beigezogen  werden,  ist  nicht 
gegeben. 


Preisrichter:  Minister  der  Finanzen  Rheinbold,  Exzellenz,  und 
Oberbürgermeister  Siegrist  in  Karlsruhe,  Professor  Dr.  Ing.  Theodor 
Fischer  in  München,  Professor  Th.  Goecke,  Landesbaurat,  Hermann 
Jansen,  Architekt  in  Berlin. 

An  Stelle  der  beiden  erstgenannten  Herren  treten  unter  Umständen 
die  von  ihnen  zu  ernennenden  Stellvertreter,  an  Stelle  eines  der  anderen 
drei  Genannten  wird  Herr  Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  Ing.  Karl 
Henrici  in  Aachen  als  Ersatzmann  treten. 

Preise:  Ein  I.  von  4000  Mk.,  ein  II.  von  3000  Mk.,  ein  III.  von 
2000  Mk.   und  ein  IV.  von   1000  Mk. 

Es  bleibt  dem  Preisgericht  überlassen,  erforderlichenfalls  die  Preise 
anders  zu  verteilen,  doch  soll  die  Gesamtsumme  von  10  000  Mk.  auf 
höchstens  vier  Preise  verteilt  werden. 

Im  übrigen  sind  die  vom  Verbände  deutscher  Architekten-  und 
Ingenieurvereine  aufgestellten  Grundsätze  für  das  Verfahren  bei  Wett- 
bewerben maßgebend. 

"p^IE     ZENTRALSTELLE     FÜR     VOLKSWOHLFAHRT 

^•^  hatte  namens  des  Ausschusses  für  Bauberatungsstellen  zu  einer  am 
8.  Dezember  in  der  Urania  in  Berlin  abgehaltenen  Konferenz  eingeladen, 
in  der  über  „Baupolizei  und  Bauberatung"  verhandelt  wurde,  und 
zwar  vornehmlich  über  die  Frage,  ob  es  nicht  zweckmäßig  ist,  die  Tätig- 
keit der  Baupolizeiämter  in  der  'Weise  zu  erweitern,  daß  diese  die  ein- 
gereichten Entwürfe  nicht  nur  daraufhin  prüfen,  ob  sie  den  Forderungen 
der  Polizeiverordnungen  entsprechen,  sondern  auch  daraufhin,  ob  den  An- 
forderungen an  architektonische  Zweckmäßigkeit  und  Schönheit  genügt 
ist,  und  daß  sie  gegebenenfalls  dem  bauenden  Publikum  in  dieser  Be- 
ziehung geeignete  Ratschläge  geben.  In  dieser  Versammlung  gingen  die 
Meinungen  so  weit  auseinander  und  wurden  so  viele  neue  Gesichtspunkte 
aufgestellt,  daß  es  zu  einer  völligen  Klärung  der  wichtigen  Frage  nicht 
gekommen   ist. 

CONGESTION  AND  ITS  CAUSES  IN  CHICAGO.  George 
E.  Hooker.  Civic  Secretary  of  City  Club  of  Chicago.  —  From  Pro- 
ceedings  of  Second  National  Conferenz  on  City.  Planing  held  at 
Rochester  May.     ig  10. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W„  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  66.  —   Gedruckt  bei  Herrosö  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,   Berlin  W. 


9.  Jahrgang 


1912 


2.  Heft 


FÜR-  DlE-  KÜNSTLEUlSCIlEAUYQESrAl! 
TUNQ  DER -STÄDTE  •  hACM  iHREIS-WlRT 
SOIAFTÜCHEN-  QESUNDMQTÜCMEN-  UNO 
SOZIALEN-  ÖRUND^TZEN:  GEQRÜNDET-VON 
.THEODOR  finrrKF<^M[LLq^iTI 
l^glVERLAQ^ERNiT  WA\MUTti,BERÜN. 

I  **  NEBST  EINER  S0ND&RBEILA6E:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  **  | 

INHALTSVERZEICHNIS:     Der  Wettbewerb   um    die  Ausgestaltung   des  Parkringes  auf  dem  Tempelhofer  Felde  in  Berlin.     —    Städtische  Bodenpolitik. 
Von  Stadtlandmesser  Groll,  Hersfeld.  —  Zum  Bebauungsplan-Wettbewerb  für  Gladbeck  in  Westfalen.    Von  Professor  Dr.  Rud.  Eberstadt.  —  Mitteilung.  — 

Neue  Bücher  und  Schriften.    —     Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


DER  WETTBEWERB  UM  DIE  AUSGESTALTUNG 
DES  PARKRINGES  AUF  DEM  TEMPELHOFER 
FELDE  IN  BERLIN. 


A.  Vorbemerkung  der  Schriftleitung. 

Der  Kampf  um  das  Tempelhofer  Feld  hatte  im  ver- 
gangenen Jahre  viel  Staub  aufgewirbelt.  Vom  Deutschen 
Reiche  hätte  man  nach  der  Meinung  der  Einen  wohl 
verlangen  dürfen,  daß  es  auf  seinem  Grundbesitze  durch 
eine  von  sozialem  Geiste  erfüllte,  die  Wohnbedürfnisse 
Groß- Berlins  voll  befriedigende  Bebauung  vorbildlich  zu 
wirken  habe,  denn  die  Stadtgemeinde  besitze  in  gleicher 
Lage  kein  Gelände  mehr  und  sei  deshalb  auf  das  Ent- 
gegenkommen des  Staates  oder  Reiches  angewiesen,  auch 
wohl  zu  Opfern  für  diesen  Zweck  bereit  gewesen.  Dem- 
gegenüber wiesen  die  Anderen  und  mit  ihnen  der  glück- 
liche Besitzer  darauf  hin,  daß  das  Gelände  nun  einmal 
durch  die  Bauordnung  in  die  mit  fünf  Wohngeschossen 
überbaubare  Zone  aufgenommen  sei  und  dementsprechend 
auch  be-  und  verwertet  werden  müsse.  Bekanntlich  hat 
sich  der  Reichstag  dieser  Meinung  angeschlossen. 

Damit  war  die  wirtschaftliche  Grundlage  für  die  Be- 
bauung des  Tempelhofer  Feldes  gegeben  und  kam  es  nur 
noch  darauf  an,  eine  sachliche  Lösung  für  die  großstädtische 
Ausgestaltung  zu  finden.  Demzufolge  wurden  von  der  Ge- 
sellschaft, der  die  Gemeinde  Tempelhof  das  in  ihrem  Gebiete 
liegende  Feld  zur  Aufschließung  überlassen  hatte,  eine  An- 
zahl  von  Entwürfen  eingefordert,   von  denen  der  Entwurf 


des  früheren  Stadtbaurates  der  von  der  Planung  mit- 
berührten Stadt  Schöneberg,  Geheimen  Baurats  Gerlach, 
unter  Zustimmung  der  zuständigen  Behörden  von  der  Ge- 
sellschaft zur  Ausführung  gewählt  worden  ist.  Textbild  1 
gibt  diesen  Entwurf  in  seiner  für  die  Ausführung  festgesetzten 
Form  wieder;  dazu  wird  in  Abbildung  2  der  Wettbewerbs- 
entwurf unseres  Herausgebers  gefügt.  Beide  enthalten 
einen  Parkring,  der  im  Programm  gefordert  war  und  damit 
die  zu  einer  möglichst  regelmäßigen  Anlage  hindrängende 
Lösung  der  Aufgabe  erschwert  hat.  Diese  Schwierigkeit 
ist  noch  schärfer  in  dem  Wettbewerbe  hervorgetreten,  der 
im  folgenden  besprochen  wird.  Die  Aufgabe  war  zu  eng 
begrenzt,  denn  die  Wandungen  des  Parkringes  standen 
unverrückbar  fest,  wenigstens  auf  dem  Papier.  Raum- 
gestaltung war  also  fast  ausgeschlossen,  zum  mindesten  arg 
beschränkt,  es  kam  fast  nur  auf  eine  Flächendekoration  an. 

B.  Besprechung  von  WALTER  LEHWESS,  Berlin- 
Zehlendorf. 

Es  ist  als  ein  bedeutungsvolles  Zeichen  zu  betrachten, 
daß  die  Gemeinde  Tempelhof,  der  das  Tempelhofer  Feld 
dem  Namen  nach  gehört,  oder  besser  die  Gesellschaft,  die 
zur  Verwertung  des  Geländes  herangezogen  worden  ist,  ein- 
gesehen hat,   daß   mit  der  Ausnutzung  des  Landes  bis  auf 


13 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  I.     Zur  Ausführung  bestimmter  Bebauungsplan  des  Tempelhofer  Feldes  von  Gerlach, 


den  letzten  Quadratmeter  heute  nichts  mehr  zu  gewinnen 
ist;  daß  vielmehr  der  Schönheit  des  Stadtbildes,  dem  Ruhe- 
und  Erholungsbedürfnis  der  Bewohner,  der  Sehnsucht 
des  Großstädters 
nach  einem  Rest, 
einer  Andeutung  von 
Natur  in  der  Stein- 
wüste, weitgehende 
Zugeständnisse  ge- 
macht und  daß  dazu 
bedeutende  Teile  des 
Landes  geopfert  wer- 
den müssen,  wenn 
man  gute  Erträgnisse 
aus  der  Bebauung 
erzielen  will.  Und 
es '  war  ein  neuer 
Gedanke,  diese  ge- 
opferten Flächen 
nicht  auf  einzelne 
grüne  Plätze  zu  ver- 
teilen, wie  das  noch 
in  dem  ersten,  vom 

Kriegsministerium 
aufgestellten  Bebau- 
ungsplan     für      das 
Tempelhofer       Feld 
geschehen  war,  son- 
dern sie  zu  einer  zu- 
sammenhängenden Anlage   zu  vereinigen  und  diese  Anlage 
ringförmig  zu  gestalten.     Die   Ringform    bewirkt,    daß    die 
Parkanlage    von    jedem    Punkt    des     neuen    Wohnviertels 
aus       in       wenigen 
Minuten  erreicht 

werden  kann  und 
ermöglicht  einen 
längeren  Spaziergang 
im  Grünen.  Um  dem 
Parke  außer  dem  die 
nötige  Abgeschlos- 
senheit gegen  den 
Verkehr  zu  geben, 
war  schon  im  Pro- 
gramm vorgeschla- 
gen, ihn  teilweise 
vertieft  anzulegen 
und  die  belebtesten 
Verkehrsstraßen  mit 
Brücken     über     ihn 

hinwegzuführen ; 
durch  diese  vertiefte 
Lage  würde   gleich- 
zeitig den  beiden  am 
Parkgürtel  gelegenen 

Haltestellen    der 
Untergrundbahn  der 
Vorteil         seitlichen 
Lichteinfalls  zu- 

fallen. 

Diese    Grundform    des    Parkes,    seine    Umgebung    mit 
hohen  fünfgeschossigen  Mietshäusern  und   die  Überführung 

der  verkehrsreichsten  Straßen  bestimmen  seinen  Charakter; 


sie  machen  es  unmöglich,  einfach  die  Motive  historischer 
Gartenkunst  auf  dies  Gelände  zu  übertragen.  Vor  allem 
erschwert  seine  Einengung  durch  die  mächtigen  Haus- 
fassaden die  Auf- 
gabe ungemein;  ja, 
es  scheint  fast,  als 
ob  sie  eine  vollendete 
Lösung  überhaupt 
unmöglich  macht, 
denn  es  darf  nicht 
verschwiegen  wer- 
den, daß  der  Park- 
gürtel eigentlich  zu 
schmal  geschnitten 
ist.  Seine  Breite 
wechselt  zwischen 
30  und  90  m  zwi- 
schen den  Haus- 
fronten, geht  also  im 
Durchschnitt  nicht 
weit  über  das  Maß 
einer  breiten  Pracht- 
straße hinaus.  Wenn 
man  bedenkt,  daß  an 
den  Hausfronten  ent- 
lang überdies  noch 
Straßen  mit  Gehsteig 
und  Fahrdamm  die 
für  die  Parkanlage 
so  weiß   man  mit  dieser  in 


Abb.  2.     'Wettbewerbsentwurf  zur  Bebauung  des  Tempelhofer  Feldes  von  Th.  Goecke. 


verfügbare  Fläche   verringern, 

der  Tat  nichts  Rechtes  anzufangen. 

Das  Ergebnis  des  Wettbewerbs,  von  dem  einige  Arbeiten 

hier  wiedergegeben 
sind  ist  denn  auch 
sicherlich  von  dieser 
Schwierigkeit  be- 
einträchtigt w^orden. 
Die  für  den  Archi- 
tekten wegen  der 
Brücken,  der  Unter- 
grundbahnhöfe und 
der  sonstigen  archi- 
tektonischen Um- 
gebung, ebenso  wie 
für  den  Garten- 
künstler sehr  reiz- 
volle Aufgabe  hat 
viele  Bewerber  auf 
den  Plan  gelockt. 
Aber  nur  wenige  sind 
sich,  wie  mir  schei- 
nen will,  über  die  be- 
sondere Schwierig- 
keit, die  darin  liegt, 
eine  gärtnerische  An- 
lage in  einen  Ring 
hoher  Hauswände 
hinein  zu  kompo- 
nieren, klar  ge- 
worden. Wenigstens  glaube  ich  das  daraus  schließen  zu 
können,  daß  viele  in  ihren  Schaubildern  die  Hauswände  ein- 
fach fortgelassen  haben,   was  mir  ungefähr  so  vorkommt, 


14 


DER  STÄDTEBAU 


als  wenn  man  bei  der  Perspektive  eines  Innenraumes  die 
Seitenwände  fortläßt  und  nur  den  Blick  auf  eine  einzige 
Wand  zeichnet,  die  sich  scheinbar  nach  beiden  Seiten  ins 
Unendlfche  dehnt.  Ich  bin  überzeugt,  sie  wären  zu  anderen, 
brauchbareren  Lösungen  gekommen,  wenn  sie  sich  die 
Hauswände,  auch  nur  als  große  Massen,  hineingezeichnet 
hätten.  So  haben  sie  zum  Teil  sehr  anmutige  Parkaus- 
schnitte, oft  sehr  reizvoll  und  mit  künstlerischem  Gefühl, 
dargestellt  —  wie  z.  B.  das  Schaubild  des  Entwurfs 
„Civibus"  — ,  aber  diese  Ausschnitte  könnten  aus  jedem 
größeren  Parke  entnommen  sein ;  zur  Lösung  gerade  dieser 
Aufgabe  tragen  sie  nichts  bei. 

Viele  Bearbeiter  sind  auch  in  den  Fehler  verfallen,  zu 
viel  in  die  Anlage  hineinpacken  zu  wollen.  Da  finden  sich 
Inseln,  Terrassenanlagen  und  alle  nur  denkbaren  Motive  der 
Gartenkunst  auf  dem  engen  Räume  zusammengedrängt. 
Das  muß  natürlich  zu  unruhiger  und  zerrissener  Wirkung 
führen,  die  den  Massen  der  Hausfronten  gegenüber  doppelt 
kleinlich  wirkt. 

Das  Preisgericht  hat  daher  auch  durch  sein  Urteil  sehr 
klar  ausgesprochen,  daß  es  die  schlichtesten,  klarsten 
Lösungen,  die  mit  den  einfachsten  Mitteln  arbeiten,  für  die 
besten  hält;  einige  lange,  möglichst  wenig  unterbrochene 
Rasenstreifen,  eine  Wasserfläche,  zu  der  die  tiefe  Lage  des 
Parkes  erwünschten  Anlaß  bietet,  von  geschlossener  Gesamt- 
form, und  in  dem  schmalen,  östlichen  Teil  des  Parkes 
einige  geometrisch  angelegte  Schmuckbeete,  dazwischen  die 
Spiel-  und  Ruheplätze,  alles  in  einfachen  großen  Linien  — 
mehr  darf  in  den  Parkstreifen  nicht  hinein.  Es  ist  erstaun- 
lich, wie  ähnlich  sich  die  preisgekrönten  Entwürfe  in  ihren 
Grundrissen  sehen.  Sie  behandeln  alle  den  westlichen 
breiten  Bogen  symmetrisch,  indem  sie  zwei  lange  Rasen- 
flächen, die  von  Bäumen  umgeben  sind,  hineinlegen;  im 
nördlichen  Bogen  schließt  dann  die  Wasserfläche  an,  die 
mit  dem  Kirchenplatz  in  Verbindung  gebracht  ist  und  mehr 
oder  weniger  an  den  Untergrundbahnhof  herantritt;  östlich 
des  Untergrundbahnhofes  dann  ein  Spielplatz.  Der  südliche 
Bogen  zeigt,  der  Wasserfläche  entsprechend,  eine  freiere, 
etwas  mehr  landschaftliche  Gestaltung  und  endet  nach 
Osten  wiederum  in  einen  Spielplatz;  das  schmale  östliche 
Verbindungsstück  ist  mit  geometrischen  Blumenanlagen 
geschmückt.  Diese  Anordnung  findet  sich  bei  Bräuning 
(I.  Preis,  Tafel  7)  fast  genau  so  wie  bei  Hensel  (ein 
III.  Preis,  Tafel  11)  und  bei  Spindler  (II.  Preis,  Tafel  7). 
Bei  dem  Entwurf  von  Seeck  und  Freye  (ein  III.  Preis, 
Tafel  11)  fehlen  die  langen  Rasenstreifen;  der  Grundriß 
wirkt  daher  nicht  ganz  so  ruhig  wie  die  drei  anderen. 
Im  einzelnen  und  im  Charakter,  den  die  Ausbildung 
dieser  Grundgedanken  erfahren  hat,  bestehen  natürlich 
erhebliche  Unterschiede.  Bei  Bräunings  Entwurf 
berührt  die  schlichte,  zurückhaltende  Darstellung  be- 
sonders angenehm.  Er  hat  überhaupt  keine  Schaubilder 
eingesandt;  seine  Architekturen  sind  sehr  fein  und  zeugen 
von  hohem  künstlerischen  Geschmack,  wenn  mir  auch  die 
auf  Säulen  ruhende  Brückenbahn  nicht  so  ganz  einleuchten 
will;  vor  allen  Dingen  versperren  die  vielen  Säulen 
doch  auch  Blick  und  Weg  im  tiefhegenden  Park  —  vgl. 
Tafeln  8  u.  9. 

Spindler  hat  einen  Grundplan,  der  wohl  um  keinen 
Deut  schlechter  ist  als  der  mit  dem  I.  Preis  gekrönte,  und 
daneben  sehr  gut  durchgearbeitete  farbige  Schaubilder  ge- 
liefert   —    vgl.  Tafeln  9  u.  10.     An    diesen    gefällt    mir    am      | 


besten,  daß  sie  durchaus  ehrlich,  den  Park  so  zeigen, 
wie  er  in  Wirklichkeit  aussehen  wird.  Eingefaßt,  ja 
etwas  eingeengt  von  hohen  Mietshäusern  mit  nüchternen 
Fassaden.  Vor  diesen  Bildern  wird  einem  klar,  daß  es 
falsch  wäre,  den  Parkring  ganz  streng  symmetrisch  und 
architektonisch  anzulegen,  wie  es  z.  B.  der  Entwurf 
mit  dem  Kennwort  „Und  in  Poseidons  Fichtenhain" 
tut.  Denn  solche  architektonische  Anlage  verlangt  Be- 
ziehungen zu  einer  sie  beherrschenden  Architektur, 
wie  es  auch  bei  den  Architekturgärten  der  Renaissance 
und  des  Barock  stets  der  Fall  war.  Es  ist  aber  natür- 
lich unmöglich,  solche  Beziehungen  der  Parkanlage  zu 
den  vielen  sie  umgebenden  verschiedenen  Häusern  her- 
zustellen. Ebenso  wäre  aber  eine  völlig  landschaftliche 
Behandlung  auf  dem  engen  Räume  ganz  unmöglich;  es 
wird  daher  das  Richtige  sein,  wie  schon  im  Programm 
empfohlen  und  in  den  preisgekrönten  Entwürfen  auch  durch- 
weg geschehen  ist,  eine  gewisse  Symmetrie  nur  in  der 
Massenverteilung  zu  erstreben,  an  den  Hauptpunkten  archi- 
tektonischen oder  gärtnerischen  Schmuck  in  symmetrischen 
Formen  zusammenzufassen,  im  übrigen  aber  die  Rasen- 
und  Wasserflächen  weniger  streng  zu  behandeln.  In 
Hensels  Entwurf  scheint  mir  diese  Mischung  landschaft- 
licher und  architektonischer  Gartenkunst  am  besten 
gelungen  zu  sein,  doch  stehen  seine  Schaubilder  nicht 
auf  der  Höhe  der  anderen.  Seeck  bringt  sehr  gewandt 
dargestellte,  geschmackvolle  Architekturbilder,  von  denen 
der  ausgezeichnete  Untergrundbahnhof  in  schlichten 
Formen,  die  sich  der  gärtnerischen  Umgebung  gut  ein- 
fügen, die  geradlinig  materialmäßige  Eisenbetonbrücke  und 
die  Gruppe,  die  eine  Kirche  in  Verbindung  mit  Schutz- 
mauern und  Straßenbrücke  zeigt,  hervorzuheben  sind 
(Tafel  12). 

Von  den  anderen  Entwürfen  fallt  der  mit  dem  Kennwort 
„von  Knobeisdorf",  zu  dem  sich  Heinrich  Straumer  als 
Verfasser  bekennt,  durch  seine  großen  flotten  Kohleschau- 
bilder auf;  mit  seiner  etwas  gesuchten  Planlösung  jedoch 
kann  man  sich  nicht  ganz  befreunden  (Tafeln  13  u.  14). 
Der  Entwurf  „Blaue  Blumen"  bringt  hübsche  Bildchen,  aber 
der  Plan,  der  einen  Versuch  darstellt,  die  geschwungenen 
Formen  des  Parkes  in  gerade  Linien  zu  fassen,  erregt 
Befremden.  Überhaupt  gibt's  hier,  wie  so  oft,  mehr 
Auswahl  von  guten  Schaubildern,  als  von  guten  Plänen, 
weil  die  zeichnerische  Darstellung  bei  uns  entschieden 
besser  entwickelt  ist,  als  die  Fähigkeit,  sich  sach- 
lich mit  einer  neuen  Aufgabe  auseinanderzusetzen.  Die 
Tafeln  zeigen  einige  dieser  zeichnerisch  vollendeten 
Blätter:  Aus  dem  Entwurf  mit  einigen  Noten  als  Kenn- 
zeichen ein  Parkbild;  ein  ähnliches  aus  dem  Entwurf 
„Kraft  und  Wissen",  dessen  wirklich  gute  Architekturen 
an  Läuger  erinnern  und  dessen  Grundriß  zwar  etwas  zu 
zerschnitten  erscheinen  mag,  sonst  aber  gute  Gedanken 
enthält,  und  endlich  ein  wohlabgewogenes  Kirchenbild  aus 
dem  Entwurf  „Bewegung". 

So  weit  wäre  ja  nun  das  Werden  des  Parkringes  auf 
dem  Tempelhofer  Feld  in  die  besten  Wege  geleitet.  Schöne 
Gedanken  genug  dafür  sind  da.  Wird  aber  die  „Tempel- 
hofer Feld"  -  Gesellschaft  nun  auch  die  preisgekrönten 
Künstler  zur  Ausfuhrung  heranziehen?  Davon  wird 
es  abhängen,  ob  der  Park  ein  beachtenswertes 
Denkmal  neuzeitlichen  Städtebaues  wird  oder 
nicht. 


16 


DER  STÄDTEBAU 


STÄDTISCHE  BODENPOLITIK. 

VORTRAG  AUF  DEM  HESSISCHEN  STÄDTETAG  ZU  FULDA  AM  21.  MAI  1910. 
Von  Stadtlandmesser  GROLL,  Hersfeld. 


Einleitung. 

Ohne  auf  theoretische  Streitfragen  einzugehen,  will  ich 
mich  in  folgendem  darauf  beschränken,  die  praktischen  Maß- 
nahmen darzulegen,  die  zur  Durchführung  einer  zielbewußten 
städtischen  Bodenpolitik  notwendig  sind.  Zweck  einer  solchen 
Bodenpolitik  muß  es  sein,  die  geeigneten  Mittel  und  Wege 
zu  finden,  um  möglichst  billig  den  für  Zwecke  der  All- 
gemeinheit nötigen  Boden  zu  erwerben,  den  erworbenen 
Boden  zusammen  mit  dem  Eigenbesitz  nach  bestimmten 
Grundsätzen  zu  verwalten  und  zu  verwerten  und  nach  Mög- 
lichkeit einer  ungesunden  Wertsteigerung  der  Bodenpreise 
entgegenzuarbeiten. 

Beschaffung  der  Unterlagen. 

Eine  planmäßige  Durchführung  der  städtischen  Boden- 
politik ist  aber  nur  möglich,  wenn  man  die  zur  Beurteilung 
der  einschlägigen  Verhältnisse  geeigneten  Planunterlagen 
hat,  und  es  muß  die  erste  Aufgabe  einer  jeden  einsichtigen 
Verwaltung  sein,  sich  die  Bücher  und  Karten  zu  verschaffen, 
die  jederzeit  Aufschluß  über  Größe,  Eigentümer  und  Lage 
eines  jeden  Grundstückes  geben.  Das  erste  Erfordernis 
ist  die  Beschaffung  eines  Übersichtsplanes  über  das  Weich- 
bild der  Stadt  und  ihre  Umgebung,  soweit  sie  jetzt  oder 
künftig  für  die  Bebauung  in  Frage  kommt.  Die  Wichtig- 
keit der  Forderung  eines  solchen  Einheitsplanes  kann  nicht 
eindringlich  genug  betont  werden.  Die  meisten  Gemeinden 
besitzen  Einzelpläne  in  verschiedenen  Maßstäben.  Bei  dem 
heutigen  Stand  der  Technik  ist  es  ein  leichtes,  mit  Hilfe 
der  Lithographie  und  Photographie  Übersichtspläne  aus 
den  verschiedensten  Maßstäben  zu  einem  Maßstab  etwa 
1  :  2000  zusammenzustellen.  Je  größer  der  Maßstab  der 
Einzelpläne  ist,  desto  besser  ist  es,  denn  eine  Verkleinerung 
ist  stets  möglich,  sieht  gut  aus  und  wird  genau,  was  für 
Vergrößerungen  viel  weniger  gilt.  Erfreulicherweise  sind 
in  der  Beschaffung  von  Umdruckplänen  schon  große  Fort- 
schritte zu  verzeichnen;  die  Katasterverwaltung  hat  sich 
bereits  das  Gisalumdruckverfahren  zunutze  gemacht  und 
gibt  jetzt  Umdruckpläne  zu  billigen  Preisen  heraus,  während 
die  Kopien  früher  viel  Geld  kosteten,  da  ihre  Ausfertigung 
mit  einem  großen  Zeitaufwand  verbunden  war.  Man  wird 
auch  schon  deshalb  das  Umdruckverfahren  vorziehen,  weil 
man  diese  Umdruckpläne  den  verschiedensten  Zwecken  der 
Verwaltung  dienstbar  machen  kann. 

Eigentums-   bzw.  Wertübersichten. 

Einen  Planumdruck  wird  man  zunächst  so  vervoll- 
kommnen, daß  man  den  städtischen,  fiskaUschen  und 
größeren  Privatbesitz  mit  je  besonderen  Farben  anlegt.  Auf 
dem  Übersichtsplan  der  Stadt  Hersfeld  ist  z.  B.  der 
städtische  Grundbesitz  rot,  der  Grundbesitz  der  Hospital- 
verwaltung gelb,  der  fiskalische  Grundbesitz  grün  an- 
gelegt; die  Grundstücke  in  Privatbesitz  sind  weiß  ge- 
blieben. Schon  um  bei  Feststellung  der  Grundstücks- 
eigentümer nicht  ständig  auf  die  unmittelbare  Mitwirkung 


des  Katasteramtes  angewiesen  zu  sein,  liegt  es  im  eigenen 
Vorteil  jeder  Stadtverwaltung,  sich  neben  der  Abschrift 
der  katasteramtlichen  Gebäudesteuerrolle  auch  eine  Abschrift 
des  Flurbuches  zu  beschaffen  und  für  deren  Fortführung 
Sorge  zu  tragen;  sind  dies  doch  unentbehrliche  Nach- 
schlagewerke für  den  täglichen  Gebrauch.  Um  nun  auch 
einen  Anhalt  für  den  Wert  der  Grundstücke  zu  haben, 
trägt  man  zunächst  etwa  mit  Hilfe  der  katasteramtlichen 
Kaufpreissammlung  die  auf  1  qm  berechneten  Verkaufs- 
preise in  die  einzelnen  Grundstücke  ein.  In  Klammern  fügt 
man  zweckmäßig  die  Jahreszahl  bei.  Im  allgemeinen  wird 
der  Wert  der  Grundstücke  im  Preise  zum  Ausdruck  kommen, 
und  der  Kenner  der  Verhältnisse  wird  schon  wissen,  wann 
und  wie  weit  sich  der  Preis  mit  dem  Werte  deckt.  Liebhaber- 
preise etwa  für  einen  Park  von  geschichtlicher  Bedeutung 
mit  alten  Baumgruppen  wird  man  naturgemäß  nicht  für 
die  Bewertung  des  angrenzenden  Ackergrundstückes  heran- 
ziehen. Je  länger  diese  Bewertungen  und  Preiseintragungen 
in  die  Übersichtspläne  fortgeführt  werden,  um  so  mehr 
steigt  der  Wert  der  so  entstandenen  Unterlagen ;  der  Beamte 
sammelt  wertvolle  Erfahrungen  und  Sachkunde,  und  was 
das  wichtigste  ist,  die  Bewertungen  gewinnen  an  Zuver- 
lässigkeit, man  erhält  mit  jedem  Jahr  ein  anschaulicheres 
Bild,  nicht  nur  von  dem  Besitzstande,  sondern  auch  von 
dem  Besitzwechsel,  den  Bodenpreisen  und  ihrer  Preissteige- 
rung. Diese  Übersichten  lassen  sich  auch  in  Bänden  ver- 
einigen; es  lassen  sich  verschiedene  Bände  nach  be- 
stimmten Zeitabschnittten  und  Gesichtspunkten  anlegen. 
Auch  dem  Nichtfachmann  wird  die  Zuverlässigkeit  solcher 
Wertübersichten  einleuchten.  Man  bedenke  auch,  wie 
überaus  wertvoll  für  das  gesamte  Schätzungswesen  das 
Vorhandensein  von  derartigen  Übersichten  sein  wird,  wie 
auch  jede  sogenannte  Gefälligkeitsschätzung  bei  einer 
planmäßigen  Handhabung  solcher  Bodenwertübersichten 
ausgeschlossen  ist.  Solche  Gefalligkeitsschätzungen  liegen 
durchaus  nicht  im  Nutzen  einer  gesunden  Lösung  der 
Bodenfrage ;  sie  verleiten  manchen  zu  leichtsinnigem 
Ankauf  und  verteuern  damit  den  Grund  und  Boden. 
Den  Verwaltungen,  die  im  Besitze  geschilderter  Über- 
sichten sind,  wird  es  auch  viel  leichter  gelingen,  die 
Grundeigentümer  von  dem  Werte  eines  Grundstückes  zu 
überzeugen,  andererseits  sichern  sie  den  Käufer  vor  Über- 
vorteilung durch  den  Spekulanten,  der  doch  oft  mit  der 
Unwissenheit  des  Käufers  rechnet.  Nicht  zu  vergessen  ist, 
ein  wie  wertvolles  Material  man  durch  Aufstellung  solcher 
Wertkatasterpläne  auch  für  Enteignungszwecke  bekommt, 
wenn  nicht  überhaupt  schon  das  Vorhandensein  solcher 
Wertübersichten  jede  Enteignung  überflüssig  macht  oder 
doch  fast  ganz  aus  der  Welt  schafft. 

Stadterweiterung.     Bebauungspläne. 

Um  nun  weiter  in  dem  Ankauf  von  Grundstücken  zu 
Zwecken  der  Allgemeinheit  die  richtigen  Wege  wandeln  zu 
können,  wird  es  wichtig  sein,  unter  sorgsamer  Berück- 
sichtigung   der  Örtlichkeit   einen  Stadterweiterungsplan  zu 


16 


DER  STÄDTEBAU 


entwerfen.  Ohne  die  Forderungen  des  zeitgemäßen  Städte- 
baues aus  dem  Auge  zu  lassen,  wird  man  schon  bei  Auf- 
stellung des  Bebauungsplanes  peinlichst  darauf  zu  achten 
haben,  daß  die  alten  Wege  möglichst  beibehalten  werden, 
die  bestehenden  Grundstücksgrenzen  nach  Möglichkeit  be- 
rücksichtigt, und  vor  allen  Dingen  jedes  unnötige  An- 
schneiden von  Gebäuden  vermieden  werde.  Durchbrüche 
sollen  nur  in  den  allerzwingendsten  Fällen  vorgesehen 
werden,  damit  dem  Stadtsäckel  später  große  Ausgaben  er- 
spart bleiben.  Auch  ist  bei  Aufstellung  der  Stadterweiterungs- 
pläne die  Frage  der  Eingemeindung  sorgfaltig  zu  prüfen. 
Die  Aufgabe  einer  guten  Bodenpolitik  wird  es  ferner  sein 
müssen,  um  den  inneren  Stadtkern  mit  seinen  hohen  Grund- 
stückspreisen einen  genügend  breiten  Ring  mit  niedrigeren 
Grundstückspreisen  zu  schaffen,  besonders  durch  Fest- 
legung und  Ausbau  der  Hauptverkehrswege.  Ein  guter 
Bodenpolitiker  wird  auch  bei  Aufstellung  des  Bebauungs- 
planes ängstlich  darauf  bedacht  sein,  die  landschaftlichen 
Reize  seiner  Stadt  zu  erhalten  und  ins  richtige  Licht  zu 
setzen,  alte  geschichtliche  Baudenkmäler,  malerische  Fach- 
werkbauten, schöne  Baumgruppen,  liebgewordene  Ruhe- 
plätzchen mit  ihren  Ausblicken  auf  stromdurchflossene 
Täler  und  bewaldete  Höhen  zu  schonen;  erfüllt  er  doch 
damit  nicht  nur  die  Forderungen  des  Heimatschutzes,  der 
Ehrfurcht,  des  ästhetischen  Wohlbehagens  und  des  Heimat- 
gefühles, sondern  bewahrt  und  fördert  dadurch  auch  die 
Anziehungskraft  seiner  Stadt  auf  Fremde,  was  sich  gerade 
dem  nüchtern  rechnenden  Geschäftsmann  in  seinen  Folgen 
angenehm  fühlbar  machen  wird. 

Geheimhaltung  des  umfassenden  Fluchtlinien- 
planes. 

Nicht  mit  Unrecht  ist  schon  oft  von  den  Stadtver- 
waltungen geltend  gemacht  worden,  daß  gerade  mit  der 
förmlichen  Feststellung  solcher  Bebauungspläne  eine  er- 
hebliche Steigerung  der  Grundstückspreise  verbunden  ist, 
andererseits  hat  sich  aber  die  Überzeugung  durchgerungen, 
daß  man  ohne  umfassenden  Erweiterungsplan,  als  Grundlage 
jeder  städtebaulichen  Entwicklung,  eine  wirksame  Boden- 
politik nicht  durchführen  kann.  Sie  selbst  wissen  wohl 
alle  aus  eigener  Erfahrung,  daß  jeder  Grundbesitzer,  mag 
sein  Grundstück  noch  so  weit  abliegen  vom  Mittelpunkte 
der  Stadt,  im  Besitze  wertvoller  Bauplätze  zu  sein  glaubt, 
sobald  sich  eine  neue  Straßenfluchtlinie  in  der  Nähe  seines 
Grundstückes  zeigt,  dieses  wohl  gar  durchschneidet.  Um 
dieser  unliebsamen  Steigerung  der  Bodenpreise  mit  ihrer  Be- 
lastung des  Stadtsäckels  und  mit  ihren  sonstigen  schädigenden 
Begleiterscheinungen  zu  entgehen,  hat  man  vorgeschlagen, 
den  Übersichtsplan  überhaupt  nicht  förmlich  festzustellen, 
sondern  ihn  zwar  sorgfaltig  auszuarbeiten,  aber  dann 
schnell  in  der  geheimsten  Geheimschublade  zu  verschließen 
und  so  jedem  unberufenen  Auge  fernzuhalten.  So  wird  von 
vornherein  jede  Spekulation  ausgeschaltet.  Namhafte  Boden- 
politiker vertreten  diesen  Standpunkt  und  treten  dafür  ein, 
nur  von  Fall  zu  Fall  einzelne  Teile  aus  dem  umfassenden 
Fluchtlinienplan  herauszugreifen  und  förmlich  festzustellen. 
Hat  man  das  feste  Programm  für  die  Entwicklung  einer 
Stadt  in  Gestalt  eines  wohldurchdachten  Übersichtsplanes 
in  Händen,  dann  wird  man  also  zunächst  nur  die  Flucht- 
linien der  bebauten  Innenstadt  förmlich  festlegen,  wo  nicht 
etwa  beabsichtigte  Ankäufe  ein  frühzeitiges  Veröffentlichen 
auch  dieser  Pläne  verbieten. 


Enteignung. 

Gelangt  man  so  nicht  zum  Ziele  und  stößt  man  auf 
Schwierigkeiten  bei  dem  Erwerb  unter  der  Hand,  so  muß 
man  schon,  um  die  Enteignung  einleiten  zu  können,  die 
Pläne  für  den  in  Frage  kommenden  Stadtteil  förmlich  fest- 
stellen. Doch  wird  man  gut  tun,  von  der  Enteignung  mög- 
lichst wenig  Gebrauch  zu  machen  und  versuchen,  nach 
Möglichkeit  in  Güte  auszukommen.  Es  ist  grundsätzlich 
anerkannt,  daß  dem  von  der  Enteignung  Betroffenen,  nament- 
lich, wenn  es  sich  um  Vertreiben  von  Haus  und  Hof  handelt, 
ein  sogenannter  Mitleidsmehrwert  zugestanden  werden  muß, 
und  wird  der  Stadtsäckel  selten  gut  dabei  fahren.  Die 
Enteignung  als  bodenpolitische  Maßregel  ist  also  stets  als 
ein  Notbehelf  anzusehen  und  tunlichst  zu  vermeiden. 

Zusammenlegung. 

Nicht  frühzeitig  genug  kann  man  dagegen  die  Fest- 
stellung derjenigen  Fluchtlinien  betreiben,  die  baureifes 
Gelände,  durchschneiden  und  ganz  besonders  noch  dann, 
wenn  die  Zusammenlegung,  Verkoppelung  oder  sogenannte 
Baulandumlegung  für  dieses  Gebiet  geboten  erscheint.  Gibt 
man  den  umfassenden  Übersichtsplan  nicht  durch  förmliche 
Feststellung  der  Öffentlichkeit  preis,  so  wird  man  viel  leichter 
und  unauffälliger  die  für  öffentliche  Zwecke  bestimmten  Grund- 
stücke für  Schulen,  Kirchen,  Spiel-  und  Schmuckplätze, 
Anlagen  und  sonstige  öffentliche  Gebäude  erwerben  können 
und  sicherlich  ganz  erheblich  geringere  Summen  ausgeben, 
als  dies  bei  Bekanntsein  der  Erweiterungspläne  der  Fall 
sein  wird. 

Vermittlung. 

Nicht  vergessen  sei,  daß  man  es  nicht  verschmähen 
soll,  nötigenfalls  bei  dem  Grunderwerb  sich  der  Vermitt- 
lung der  Mitbürger  zu  bedienen,  die  von  altersher  eine 
besondere  Gewandtheit  im  Handel  an  den  Tag  gelegt  haben. 
Das  Grundstücksgeschäft  ist  oft  nicht  leicht,  und  nicht  jeder- 
mann eignet  sich  zum  geschickten  Einkauf.  Bei  den  not- 
wendigen Grunderwerbungen  werden  auch  die  eingangs  so 
warm  empfohlenen  Übersichtspläne  mit  der  Darstellung 
des  Grundbesitzes  und  der  Bodenpreise  vorzügliche  Dienste 
leisten. 

Grundstücks  fonds. 

Daß  die  wirklich  wohlhabenden  Gemeinden  dies  zumeist 
der  Größe  ihres  Grundbesitzes  zu  verdanken  haben,  bedarf 
keiner  besonderen  Untersuchung,  um  so  wichtiger  ist  es 
für  Gemeinden  mit  weniger  Grundbesitz,  diesen  durch  ziel- 
bewußten Ankauf  zu  mehren.  Um  aber  jederzeit  Gelände 
ankaufen  zu  können,  ist  es  für  jede  Gemeinde,  ob  groß,  ob 
klein,  von  ungeheurem  Werte,  einen  Grundstücksfonds  zu 
besitzen,  aus  welchem  sie  jederzeit  Mittel  nehmen  kann,  um 
bei  günstiger  Konjunktur  schnell  zugreifen  zu  können,  ohne 
erst  einen  schwerfälligen  Bewilligungsgang  in  Bewegung 
setzen  zu  müssen.  So  haben  verschiedene  Städte  des  Rhein- 
landes die  gute  Konjunktur  des  Jahres  1908  ausgenutzt  und 
für  viele  Millionen  Gelände  gekauft.  Wie  Sie  wissen,  hatte 
der  damalige  wirtschaftliche  Niedergang  ein  Emporschnellen 
des  Reichsbankdiskonts  auf  8  "/o  zur  Folge,  und  gar  mancher 
mußte  seine  wirtschaftliche  Existenz  damit  aufrechtzuer- 
halten suchen,  daß  er  Grundstücke  billig  abstieß.  Selbst- 
verständlich wird  die  Höhe  eines  solchen  Fonds  von  den 
Bedürfnissen  und  Mitteln  einer  Gemeinde  abhängen;  eine 
Gemeinde,  die  in  der  glücklichen  Lage  ist,  vielen  wertvollen 


17 


DER  STÄDTEBAU 


Eigenbesitz  zu  haben,  wird   mit  einem   geringen   oder  gar 
ohne  Fonds  auskommen. 

Veräußerung  von  städtischem  Grund  und  Boden. 
Eine  Gemeinde,  die  größeren  Eigenbesitz  hat  und  nur 
eine  solche,  kann  aber  auch  einer  schädlichen  Grundstücks- 
spekulation dadurch  entgegenarbeiten,  daß  sie  billigen  Grund 
und  Boden  abgibt,  selbstverständlich  nur  unter  der  Be- 
dingung, daß  der  Boden  innerhalb  einer  bestimmten  Frist 
bebaut  wird,  denn  jeder  Umsatz,  der  nicht  zum  Zwecke 
der  Bebauung  getätigt  wird,  wirkt  unberechtigt  werterhöhend. 
Bei  einer  Gemeinde  mit  wenig  Eigenbesitz  empfiehlt  sich 
der  Verkauf  nur  in  den  Fällen  der  dringendsten  Notwendig- 
keit, denn  gar  zu  leicht  kann  es  vorkommen,  daß  die  Ge- 
meinde Gelände  teuer  zurückkaufen  muß,  welches  sie  erst 
wenige  Jahre  vorher  billig  veräußert  hat. 

Erbbau  und   Erbpacht. 

Man  hat  deshalb  die  Abgabe  von  Gelände  in  Erbpacht 
oder  Erbbau  eingeführt,  damit  das  Gelände  nach  einem 
größeren  Zeitraum  wieder  an  die  Stadt  zurückfällt,  um  den 
inzwischen  wieder  fühlbar  gewordenen  Forderungen  des 
Verkehrs  nutzbar  gemacht  zu  werden.  Im  größeren  Stile 
durchgeführt  ist  der  Erbbau  beispielsweise  von  der  Stadt 
Frankfurt ;  durch  Beleihung  gegen  mäßige  Verzinsung  wird 
es  auch  weniger  Bemittelten  ermöglicht,  für  einige  Menschen- 
alter gemütliche  Einfamilienhäuser  mit  Gärten  zu  be- 
wohnen. Auch  durch  Anlage  sogenannter  Schrebergärten 
hat  man  für  städtisches  Gelände  eine  bessere  Verzinsung 
erzielt  und  so  dem  Arbeiter  Gelegenheit  gegeben,  in  frischer 
Luft  sich  der  Pflege  des  Gartens  zu  widmen,  sich  allerlei 
Nützliches  für  Küche  und  Keller  selbst  zu  ziehen,  ganz  ab- 
gesehen davon,  daß  solche  Betätigungsmöglichkeit  nicht  zu 
unterschätzende  sittliche  Werte  darstellt. 

Beschaffung   der   Geldmittel. 

Frage  ich  nun  nach  der  Beschaffung  der  zur  Durch- 
führung einer  zielbewußten  Bodenpolitik  erforderlichen  Geld- 
mittel, so  wird  man  diese  naturgemäß  aus  solchen  Abgaben 
aufbringen,  die  aus  der  Besteuerung  des  Umsatzes  an 
Grund  und  Boden,  aus  der  Besteuerung  des  Wertzuwachses 
und  schließlich  aus  der  Besteuerung  des  Grund  und  Bodens 
nach  dem  gemeinen  Wert  in  den  Stadtsäckel  fließen  oder 
flüssig  gemacht  werden  können. 

Umsatzsteuer. 

Die  Umsatzsteuer  ist  wohl  schon  ziemlich  allgemein 
eingeführt;  wir  in  Hersfeld  haben  durchschnittlich  10000  Mk. 
jährlich  bei  einer  Abgabe  von  1%  des  Umsatzes  vereinnahmt. 
Das  Katasteramt  teilt  uns  jeden  Grundstücks  Wechsel  nebst 
den  Kaufpreisen  mit,  so  daß  wir  dadurch  auch  in  der  Lage 
sind,  eine  laufende  Übersicht  über  die  Bodenpreise  aufzu- 
stellen. Die  Umsatzsteuer  bildet  nicht  zuletzt  eine  boden- 
politische Maßregel,  indem  sie  dem  spekulativen  häufigen 
Wechsel  der  Grundstücke  entgegenwirkt. 

Wertzuwachssteuer. 

Eine  weitere  Besteuerung,  die  auch  als  bodenpolitische 
Maßregel  allgemeine  Anerkennung  gefunden  hat,  ist  die  Be- 
steuerung des  Wertzuwachses.  Wie  Sie  wissen,  lag  dem 
Reichstag  der  Gesetzentwurf  einer  Reichswertzuwachssteuer 
vor,  wonach  den  Gemeinden  40''/„  aus  den  Einnahmen 
dieser  Steuer  zufließen  sollen.  Diese  Steuer  soll  den  un- 
verdienten Wertzuwachs  treffen,  d.  h.  den  Wertunterschied, 


um  welchen  ein  Grundstück  durch  Einrichtungen  der  All- 
gemeinheit gewonnen  hat.  Diese  werterhöhenden  Einrich- 
tungen können  staatlicher  Natur  sein,  wie  etwa  die  Anlage 
eines  Kanals  für  Schiffahrt  oder  das  Verlegen  einer  Gar- 
nison nach  einem  bestimmten  Ort,  sie  können  städtischer 
Natur  sein  durch  den  Ausbau  von  Straßen,  den  Bau  höherer 
Gemeindeschulen  oder  durch  die  Schaffung  von  Anlagen  usw. 
Staat  und  Stadt  haben  also  das  Recht  und  die  Pflicht, 
Zuwendungen  und  Aufwendungen  von  denen  wieder  einzu- 
bringen, die  einen  besonders   großen   Nutzen   davon  haben, 

Besteuerung  nach  dem  gemeinen  Wert. 

Die  Reichswertzuwachssteuer  setzt  also  die  Einschätzung 
der  Grundstücke  nach  ihrem  gemeinen  Wert  voraus  und  wird 
naturgemäß  nach  Einführung  einer  dem  gemeinen  Wert  der 
Grundstücke  entsprechenden  Grundsteuer  drängen.  Diese 
Art  der  Besteuerung  wird  jedenfalls  bedeutsame  Folgen 
haben,  sie  wird  besonders  den  Spekulanten  treffen  und 
diesen  zwingen,  entweder  den  Boden  der  Bebauung  zu- 
gänglich zu  machen  oder  aber  einen  Teil  des  Gewinnes 
durch  Abgabe  der  Allgemeinheit  zuzuführen.*)  Das  von  der 
Steuer  betroffene  Grundstück  wird  also  nicht  einmal  ver- 
teuert, im  Gegenteil,  es  wird  billiger,  denn  das  Angebot 
von  zur  Bebauung  geeigneten  Grundstücken  wird  sich  bei 
Einführung  der  Besteuerung  nach  dem  gemeinen  Wert 
zweifellos  bedeutend  vermehren.  Die  Besteuerung  nach 
dem  gemeinen  Wert  trifft  doch  besonders  den  wertvollen 
Grund  und  Boden  und  entspricht  also  etwa  dem  Wert, 
der  in  dem  Kaufpreis  zum  Ausdruck  kommt.  Allein  in  Frage 
kommt  also  hier  der  Wert,  den  der  nackte  Grund  und 
Boden  infolge  seiner  natürlichen  Eigenschaften  und  seiner 
von  der  Allgemeinheit  geschaffenen  Vorzüge  besitzt.  So 
sehr  auch  die  staatlich  veranlagte  Gebäudesteuer  einen 
Maßstab  für  die  Beurteilung  des  gemeinen  Wertes  eines 
Gebäudes  abgeben  mag,  so  wenig  wird  die  staatlich  ver- 
anlagte Grundsteuer  als  Maßstab  für  die  Beurteilung  des 
gemeinen  Wertes  herangezogen  werden  können;  das  land- 
wirtschaftlich am  schlechtesten  ausnutzbare  Grundstück 
kann  als  Bauplatz  den  größten  Wert  haben.  Zutreffen 
wird  die  staatlich  veranlagte  Grundsteuer  einigermaßen  da, 
wo  die  Grundstücke  noch  ausschließlich  landwirtschaft- 
lichen Zwecken  dienen,  also  mehr  in  den  vom  Mittelpunkte 
der  Stadt  abgelegenen  Grundstücken. 

Es  wird  wohl  über  diese  Ausführung  kein  Zweifel  be- 
stehen, und  man  wird  sich  fragen,  warum  denn  eine  Be- 
steuerung nach  dem  gemeinen  Wert,  die  doch  in  ihren 
Veranlagungsgrundsätzen  eine  so  große  Einfachheit  und 
Klarheit  besitzt,  sich  so  schwer  einführt.  Die  Hindernisse 
liegen  wohl  mehr  in  den  Bestimmungen  des  Kommunalab- 
gabengesetzes, besonders  des  §  54,  der  eine  Ausnutzung  der 
Steuer  für  die  Kommunen  in  nur  ganz  ungenügendem  Maße 
zuläßt.  Wenn  auch  gemäß  §  55  Ausnahmen  mit  besonderer 
Genehmigung  gestattet  werden  können,  so  hat  man  sich 
doch  vor  Einführung  der  Besteuerung  gescheut,  zumal  auch 
die  mit  §  27  Absatz  2  des  Kommunalabgabengesetzes  ge- 
stattete Zulässigkeit  der  Erhebung  einer  Steuer  für  die 
Liegenschaften,  die  durch  Festsetzung  von  Baufluchtlinien 
in  ihrem  Werte  erhöht  werden,  durch  Entscheidung  des 
Oberverwaltungsgerichts  als  verfassungswidrig  erkannt 
worden  ist  und  danach  nicht  einmal  eingeführt  werden  darf. 

*)  Durch  die  Bestimmung,  daß  die  Steuer  bar  bezahlt  werden  muß, 
kann  die  Verwertung  aber  auch  oft  in  weitere  Ferne  gerückt  werden.      D.  S. 


18 


DER  STÄDTEBAU 


Trotzdem  will  es  scheinen,  als  ob  auch  der  Mangel  an 
geeigneten  Unterlagen  viel  Schuld  daran  hat,  daß  die  Steuer 
nach  dem  gemeinen  Wert  sich  nicht  hat  einfuhren  können. 
So  komme  ich  wieder  auf  die  eingangs  gemachten  Vor- 
schläge zur  Beschaffung  eines  Wertkatasters  zurück;  die 
Einführung  der  Reichswertzuwachssteuer  wird  ja  auch  diese 
Fragen  in  den  Fluß  bringen  und  von  selbst  einwandfreies 
Material  ansammeln  helfen,  ebenso  wie  die  Umsatzsteuer 
bereits  die  Werte  für  die  von  ihr  betroffenen  Grundstücke 
festgelegt  hat. 


Sachverständige. 

Ich  brauche  wohl  auch  nicht  besonders  zu  unterstreichen, 
daß  man  bei  all  diesen  Fragen  die  Mitwirkung  des  Land- 
messers in  Anspruch  nehmen  wird,  sei  es  des  Gemeinde- 
landmessers, sei  es  des  Katasterbeamten.  Er  kennt  Land 
und  Leute  und  versteht  mit  ihnen  umzugehen,  er  kennt 
auch  die  Bodenwerte  am  besten  und  wird  Ihnen  auch  bei 
Beschaffung  der  sämtlichen  Unterlagen,  deren  man  zur 
Durchführung  einer  zielbewußten  Bodenpolitik  bedarf,  mit 
der  nötigen   Sachkenntnis  und  Erfahrung  zur  Seite  stehen. 


ZUM  BEBAUUNGSPLAN -WETTBEWERB 
FÜR  GLADBECK  IN  WESTFALEN. 


Von  Professor  Dr.  RUD.  EBERSTADT. 


I. 

Gladbeck,  für  dessen  Bebauung  ein  im  März  v.  J.  ent- 
schiedener Wettbewerb  ausgeschrieben  wurde,  zählt  zu  den 
schnell  anwachsenden  Gemeinden  des  rheinisch-westfälischen 
Industriegebietes,  die  sich  in  kurzer  Zeit  aus  einer  land- 
wirtschaftlichen Siedlung  in  ein  städtisch-industrielles  Ge- 
meinwesen umgewandelt  haben.  Da  es  sich  bei  der  Ent- 
wicklung der  Gemeinde  um  Voraussetzungen  handelt,  die 
sich  bei  Mittelstädten  mit  rasch  steigender  Industrie 
bevölkerung  häufig  finden  mögen,  seien  hier  einige  allgemeine 
Angaben  über  den  Wettbewerb  mitgeteilt.  Das  Weichbild 
von  Gladbeck  hat  eine  erhebliche  Ausdehnung  und  umfaßt 
eine  Gesamtfläche  von  3600  ha.  Die  Mitte  dieses  Gebietes 
wird  eingenommen  von  der  alten  Dorflage,  die  noch  heute 
das  Zentrum  des  geschäftlichen  Verkehrs  bildet.  Die  Wohn- 
bauten schließen  sich  indes  nur  teilweise  unmittelbar  an 
diesen  Stadtkern  an.  An  verschiedenen  Stellen  des  Weich- 
bildes zerstreut  sind  Zechenanlagen  entstanden;  an  diese 
sind  wiederum  umfangreiche  Wohnsiedlungen  angegliedert, 
die  indes  zum  großen  Teil  weder  mit  der  Stadtmitte  noch 
untereinander  in  einem  baulich  geschlossenen  Zusammen- 
hang stehen.  Der  größere  Teil  des  Stadtgebietes  besteht 
zurzeit  noch  aus  unbebautem  Gelände,  und  zwar  Wald, 
Wiesen,  Ackerland,  Halden,  Bauland. 

Wie  in  zahlreichen  Städten  bieten  die  Eisenbahn- 
anlagen ein  wesentliches  Hindernis  für  die  Stadterweiterung. 
Bahndämme  und  Schienenkreuzungen  erscheinen  ohne  Rück- 
sicht auf  die  städtische  Entwicklung  angelegt  und  unter- 
binden den  Zusammenhang  des  städtischen  Gebietes.  Der 
Bahnhof  Gladbeck-Ost  liegt  unmittelbar  an  der  Haupt- 
verkehrsstraße (Hochstraße),  die  er  durch  eine  viel  be- 
fahrene Schienenkreuzung  durchschneidet.  Eine  zweite 
Bahnlinie  mit  dem  Bahnhof  Gladbeck- West,  sowie  eine 
Reihe  von  Zechenanschlußbahnen  durchziehen  das  Stadt- 
gebiet. Hier  waren  für  den  Bearbeiter  ziemlich  schwierige 
Aufgaben  zu  lösen.  —  Was  den  Straßenverkehr  anlangt,  so 
war  eine  Anzahl  von  Hauptverkehrsstraßen,  insbesondere 
die  aus  alten  Provinzialchausseen  entwickelten  Straßenzüge, 
bereits  festgelegt.  Für  die  Angliederung  des  Stadterweiterungs- 
geländes waren  dagegen  neue  bedeutende  Verbindungen  zu 
schaffen,  wie  auch  bei  einigen  durch  die  Innenstadt  führenden 
Straßen  verkehrstechnisch  wie  städtebaulich  eine  bessere 
Ausgestaltung  erwünscht  war. 


Für  die  Entwicklung  des  Wohnungsbaus  liegen  die  ört- 
lichen Voraussetzungen  nicht  ungünstig.  In  der  Stadt- 
mitte, deren  Hauptstraßen  mit  Läden  und  Warenhäusern 
besetzt  sind  und  einen  lebhaften  Geschäftsverkehr  auf- 
weisen, werden  für  Grundstücke  in  bester  Verkehrslage 
Bodenpreise  von  fast  großstädtischer  Höhe,  nämlich  bis 
zu  1000  Mk.  die  Rute  gezahlt.  In  dem  ausgedehnten 
Stadterweiterungsgelände  dagegen  sind  die  Preise  für 
Wohngelände  noch  niedrig;  je  nach  der  Lage  der  Grund- 
stücke dürften  sie  sich  zwischen  25  bis  50  Mk.  für  die 
Quadratrute  an  anbaufähiger  Straße  bewegen. 

Die  Herstellung  der  Wohnungen  erfolgt  in  Gladbeck 
teils  durch  die  großen  Werke  und  Kohlenzechen,  teils  durch 
privatgewerbliche  Spekulation.  Unter  den  Industriesied- 
lungen sind  insbesondere  die  Bauten  der  Königlichen  Berg- 
werksinspektion bei  den  Möllerschächten  zu  erwähnen,  eine 
umfangreiche  Anlage,  die  in  ihren  verschiedenen  Haustypen 
die  allmähliche  Fortbildung  des  Wohnungsbaus  erkennen 
läßt.  Die  älteren  Jahrgänge  der  Siedlung  zeigen  noch  die 
schematischen  Hausbauten  in  Anlehnung  an  die  bekannten 
„Normalien",  während  die  jüngsten  Bauten  treffliche  Straßen- 
bilder aufweisen,  in  denen  einige  neue  Einfamilienhäuser, 
von  Baumeister  van  de  Sandt  in  Recklinghausen  entworfen, 
besonders  günstig  hervortreten.  Das  private  Baugewerbe 
baut  zu  Verkaufszwecken  gerne  Kleinwohnungsgebäude 
kleinen  und  mittleren  Umfangs.  öfter  findet  sich  das  Haus 
mit  sechs  Wohnungen  im  Preise  von  18000  bis  20000  Mk., 
das  von  Bergarbeitern,  die  etwa  2000  Mk.  Anzahlung  leisten 
können,  erworben  wird. 

Die  Verhältnisse  im  privaten  Baugewerbe  werden  als 
im  allgemeinen  gesund  geschildert.  Hierbei  zeigt  sich  die 
Bedeutung,  die  der  Bodenpreis  bzw.  die  Höhe  der  von  dem 
Bauunternehmer  für  den  Boden  aufzuwendenden  Kapital- 
summe für  das  Baugewerbe  besitzt.  Bei  den  mäßigen 
Bodenpreisen  für  Wohngelände  (siehe  oben)  ist  der  für  den 
Boden  beanspruchte  Kapitalbetrag  gering  und  wird  sich  bei 
der  einzelnen  Baustelle  auf  500  bis  800  Mk.  belaufen;  eine 
Summe,  die  es  einem  weiten  Käufer-  und  Unternehmer- 
kreise gestattet,  in  das  Boden-  und  Hausbaugeschäft  ein- 
zutreten. Es  muß  hier  auf  die  grundsätzliche  Be- 
deutung des  Bodenpreises  und  der  Hausform  für  die 
städtische  Entwicklung  hingewiesen  werden.  Bei  dem  Viel- 
wohnungshaus  erfordern  Baustelle  und  Baukosten  Beträge, 


19 


DER  STÄDTEBAU 


über  die  die  große  Masse  der  kleinen  Sparer  und  der  keinen 
Kapitalbesitzer  nicht  verfügt.  Bei  hohem  Bodenpreis  ist 
ferner  von  der  ersten  Hypothek  ein  so  großer  Teil  als  An- 
zahlung an  den  Bodenbesitzer  abzuführen,  daß  der  Rest, 
wie  zur  Genüge  bekannt,  für  die  Vollendung  des  eigentlichen 
Hausbaues  nicht  ausreicht.  Anders  beim  Kleinhaus  und  bei 
niedrigem  Bodenpreis.  Mit  dem  Betrag  der  ersten  Hypo- 
thek kann  hier  der  Bauunternehmer  den  Bau  fertigstellen, 
da  die  für  den  Boden  abzuzweigende  Summe  nur  un- 
bedeutend ist.  Die  erste  Hypothek  wird  von  den  Spar- 
kassen in  zureichendem  Maße  gegeben.  Die  Aufnahme 
einer  zweiten  Hypothek  ist  im  soliden  Baugeschäft  aus 
vorerwähnten  Gründen  selten;  es  handelt  sich  in  solchem 
Fall,  nach  Auskunft  eines  Gewährsmannes,  meist  „um  ver- 
zweifelte Sachen".  — 

Bezüglich  der  Bauformen  verdient  es  eine  Hervor- 
hebung, daß  für  das  Kleinhaus  und  das  Kleinwohnungs- 
haus die  Bebauung  in  geschlossener  Reihe  (Reihenhaus) 
in  Gladbeck  mitunter  weniger  beliebt  scheint  als  das 
freistehende  Doppelhaus,  das  von  dem  Nachbarhaus 
durch  einen  Bauwich  getrennt  ist.  Allgemeine  Schlüsse 
lassen  sich  hieraus  nicht  ziehen.  In  dem  vorliegenden 
Falle  wurde  mir  als  Grund  angegeben,  daß  der  west- 
fälische, häufig  im  Nebengewerbe  noch  Landwirtschaft 
treibende  Arbeiter  gern  die  Möglichkeit  haben  will,  um  das 
Haus  herum  in  den  Hof  zu  fahren;  ferner  will  man  ver- 
meiden, daß  der  Hausflur  zum  Transportieren  von  Wirt- 
schaftsgegenständen, zum  Hindurchtragen  von  Müll,  Ab- 
fällen u.  dgl.,  wie  überhaupt  als  allgemeiner  Zugang  zum 
Hof  benutzt  werden  muß. 

Um  die  architektonisch  günstige  Wirkung  der  geschlossenen  Bau- 
front beizubehalten  und  zugleich  einen  unmittelbaren  Zugang  zum  Hof 
unter  Freihaltung  des  Hausflurs  zu  erzielen,  ist  bei  neueren  Bauten  in 
Rheinland  und  Westfalen  das  Mittel  angewandt  worden,  daß  die  Neben- 
gebäude (Waschküche,  Abort,  Stall)  nicht  hinter  dem  Hause,  sondern 
zwischen  zwei  Doppelhäusern  angelegt  und  nach  der  Straße  zu  durch 
eine  Mauer  abgeschlossen  wurden;  vgl.  die  Bauten  in  Emscher-Lippe 
(Baurat  Schmohl,  Essen),  Gronau  und  Husten  (Hell weg,  Münster). 
Es  entsteht  auf  diese  Weise  eine  geschlossene  Häuserreihe,  während 
doch  die  einzelnen  Doppelhäuser  freistehend  gebaut  sind. 

II. 

Für  den  Bebauungsplan-Wettbewerb  hatte  die  Stadt- 
verwaltung von  Gladbeck  ein  Programm  aufgestellt,  das, 
von  gewissen  örtlich  begründeten  Forderungen  abgesehen, 
den  Bearbeitern  im  wesentlichen  freie  Hand  ließ.  Land- 
schaftlich wertvolle  Teile  des  Stadtgebietes  sollten  erhalten 
und  hinreichende  Freiflächen  sollten  vorgesehen  werden. 
Im  übrigen  war  darauf  hingewiesen,  daß  der  Bebauungsplan 
die  Unterlage  für  eine  auf  ihn  zu  gründende  Bauordnung 
abgeben  solle.  Spekulative  Einflüsse,  die  an  der  Auftreibung 
der  Bodenwerte  Interesse  haben,  sind  in  der  Gemeinde- 
verwaltung nicht  vertreten.  Die  Gemeinde  wünscht  im 
Gegenteil  den  Individualbesitz  und  die  Ansiedlung  einer 
leistungskräftigen  Bevölkerung  durch  Festhaltung  des 
Familienhauses  und  Femhaltung  der  Kasernierung  zu  be- 
fördern. 

Zu  dem  Wettbewerb  waren  siebzehn  Entwürfe  ein- 
gegangen. Das  Preisgericht,  dem  Beigeordneter  Schmidt, 
Essen,  Regierungsbauraeister  Hellweg  in  Münster,  die  Herren 
Körte,  Hahne,  von  Meer  und  Lienkamp  in  Gladbeck,  sowie 
Schreiber  dieses  angehörten,  verteilte  drei  Preise,  von  denen 
der  erste   an  Herren  Linnemann  und  Helbing  in  Mülheim 


(Ruhr),  der  zweite  an  Architekt  Recht  und  Gartenarchitekt 
Föth  in  Köln,  ein  dritter  an  Beigeordneten  Greiß  in  München- 
Gladbach  fiel. 

Der  Entwurf  von  Linnemann  und  Helbing  zeichnet  sich 
aus  durch  gute  Anordnung  und  Verteilung  der  Freiflächen, 
durch  übersichtliche  und  praktische  Führung  der  Verkehrs- 
straßen, sowie  durch  günstige  Aufteilung  des  Wohngeländes. 
Beachtenswert  ist  der  dem  Entwurf  beigefügte  Erläuterungs- 
bericht, der  wertvolle  Erörterungen  über  Grundsätze  der 
Bodenpolitik,  der  Bodenaufschließung  und  des  Straßenbaus 
enthält.  Die  Wohnstraßen  sind  vollständig  getrennt  be- 
handelt von  den  Verkehrsstraßen,  die  wiederum  in  ver- 
schiedene Klassen  geteilt  werden.  Für  die  Hauptverkehrs- 
adern verlangen  die  Verfasser,  daß  sie  „außerhalb  des  dicht 
bebauten  Bezirks"  in  einer  Breite  von  35  m  angelegt 
werden,  damit  Automobilverkehr  und  Straßenbahnlinien  ge- 
sondert von  dem  allgemeinen  Fahrverkehr  geführt  werden 
können.  Für  die  Gliederung  dieser  Hauptverkehrsstraßen 
befürworten  die  Verfasser,  daß  neben  einer  8  m  breiten 
Fahrbahn  ein  erhöhter  Streifen  von  11,50  m  Breite  angelegt 
wird,  der  zur  Aufnahme  von  zwei  seitlichen  Straßenbahn- 
gleisen   und    eines    mittleren   Automobilweges    dienen   soll. 

Aus  dem  Entwurf  von  Recht  und  Föth  ist  die  Ver- 
teilung der  Freiflächen  lobend  hervorzuheben,  die  in  der 
Weise  vorgenommen  ist,  daß  die  bebauten  Gebiete  allge- 
mein von  Grünflächen  durchzogen  werden.  Durch  die  An- 
legung von  Wasserflächen  sind  ferner  ansprechende  Wir- 
kungen im  Stadtbild  erzielt.  Zustimmung  verdient  der  von 
den  Verfassern  ausgesprochene  Grundsatz,  daß  die  einzelnen 
Wohnsiedelungen,  die  sich  innerhalb  des  großen  Stadtge- 
bietes entwickelt  haben  (siehe  oben),  möglichst  geschlossen 
gehalten  und  mit  Umgangspromenaden  versehen  werden 
sollten;  eine  Anschauung,  deren  Befolgung  sich  auch  für 
die  größeren  Maßstäbe  der  Außenbezirke  unserer  Großstädte 
empfiehlt.  —  Der  dritte  Entwurf  von  Greiß  zeigt  eine  gute 
Anordnung  der  Freiflächen  und  eine  zweckmäßige,  den 
praktischen  Bedürfnissen  entsprechende  Einteilung  der 
Baublöcke. 

Auf  Wunsch  der  Gladbecker  Mitglieder  des  Preis- 
gerichts haben  die  drei  auswärtigen  Preisrichter,  Beigeord- 
neter Schmidt  in  Essen,  Regierungsbaumeister  Hellweg 
in  Münster  und  Schreiber  dieses  für  die  weitere  Bearbeitung 
des  Bebauungsplanes  und  für  andere  kommunale  Maß- 
nahmen einige  Grundsätze  aufgestellt,  die  im  Einverständnis 
mit  den  Beteiligten  nachstehend  zum  Abdruck  gelangt. 

III. 

Für  die  weitere  Bearbeitung  des  Bebauungsplanes  wird 
empfohlen,  insbesondere  folgende  Gesichtspunkte  als  grund- 
legende Faktoren  für  die  Weiterentwickelung  von  Gladbeck 
zu  berücksichtigen: 

1.  Die  Frei-  und  Grünflächen  sollen  nicht  inselmäßig 
angelegt,  sondern  zusammenhängend  organisch  in  den  Be- 
bauungsplan eingegliedert  werden  in  der  Weise,  daß  eine 
Hereinziehung  und  Durchdringung  dieser  Flächen  durch 
die  Stadterweiterung  bis  in  das  Stadtinnere  erfolgt,  ein 
Grundsatz,  der  sich  bei  der  südlichen  Stadterweiterung  in 
Essen  bereits  bewährt  hat.  Spiel-  und  Sportplätze  sind  in 
genügender  Zahl  und  Größe  vorzusehen.  Erstere  in 
höchstens  500  m  Abstand. 

2.  Der  Straßenplan  soll  nach  folgenden  Grundsätzen 
angelegt  werden: 


20 


DER  STÄDTEBAU 


a)  Die  Beseitigung  der  durch  die  Eisenbahnanlagen  (bei 
Bahnhof  Gladbeck-Ost)  bewirkten  Unterbindung  des 
städtischen  Verkehrs  ist  eine  dringende  Aufgabe. 

b)  Die  Hauptverkehrsstraßen  sind  in  dem  Plan 
zu  charakterisieren,  und  zwar  zunächst  die  radial 
verlaufenden,  dann  die  Verkehrsstraßen  zweiter 
Ordnung  von  Stadtteil  zu  Stadtteil  in  entsprechender 
Führung. 

Das  Querprofil  dieser  Hauptverkehrsstraßen  sollte 
bei  Neuanlage  so  bemessen  werden,  daß  die  Straßen- 
bahnen möglichst  unabhängig  von  dem  übrigen  Straßen- 
verkehr auf  eigenem  Bahnkörper  eingelegt  werden 
können.  Hierdurch  werden  Straßenbau  und  Straßen- 
unterhaltung wesentlich  billiger,  und  die  Verkehrs- 
sicherheit und  Schnelligkeit  werden  erhöht.  Als 
Querprofil  sind  mindestens  24  m  Gesamtbreite  er- 
forderlich. Durch  die  charakteristische  Führung  der 
Hauptverkehrsstraßen  wird  erreicht,  daß 

c)  die  reinen  Wohnstraßen  verkehrsfrei  bleiben 
und  ruhige  Lage  erhalten  und  billig  ausgebaut  werden 
können.  Für  sie  soll  im  gesundheitlichen  Interesse 
die  Ost-West-Richtung  möglichst  ausgeschlossen 
werden.  In  den  reinen  Wohnstrassen  soll  in  der 
Regel  mindestens  auf  einer  Seite  die  Straßenfluchtlinie 
verschieden  sein  von  der  Baufluchtlinie ;  die  eigentliche 
Fahrdammbreite  ist  auf  höchstens  5  m  zu  bemessen, 
bei  einer  je  nach  Bedeutung  der  Straße  wechselnden 
Bürgersteigbreite.  Die  Vorgartenbreite  soll  nicht  unter 
5  m' betragen.  Holzeinfriedigungen  und  Hecken  müssen 
zulässig  sein.  Auch  verkehrsgesperrte  Straßen 
sind  vorzusehen. 

d)  Die  Straßen  sollen  in  der  Regel  beiderseits  anbaufähig 
gemacht  werden  (Anliegerbeiträge).  Ausnahmen  nur 
an  öffentlichen  Anlagen  und  Plätzen. 

e)  Baumpflanzungen  sollen  nur  in  den  Straßen  mit  Vor- 
gärten bei  einem  Abstand  von  mindestens  8  m  von 
den  Gebäuden  vorgenommen  werden.  Vorzuziehen 
sind  im  praktischen  und  wirtschaftlichen  Interesse 
einzelne  kleine  Platzanlagen  mit  Baumgruppen. 

3.  Die  Baublöcke  sollen,  soweit  sie  Wohnblöcke  werden, 
eine  langgestreckte  Form  erhalten.  Zu  erwägen  ist,  ob  die 
Erhaltung  zusammenhängender  Gartenflächen  im  Block- 
innern  durch  entsprechende  Vorschriften  der  Bauordnung 
sicherzustellen  wäre. 


4.  Um  die  Entwässerungsanlagen  möglichst  billig  zu 
machen,  sind  die  Hauptvorfluter  als  offene  Bachläufe  mit 
Sohlschalen  aus  Beton  auszubilden,  entsprechend  den  bereits 
bestehenden  mustergültigen  Anlagen  im  Emschergebiet.  Sie 
werden  zweckmäßig  in  Baublockachsen  verlegt,  so  daß  nur 
an  den  Straßenkreuzungen  Überwölbung  erforderlich  wird. 
Der  Entwässerungsentwurf  ist  mit  dem  Bebauungsplan  auf- 
zustellen und  die  Bebauung  ist  so  zu  leiten,  daß  die  Kanali- 
sationsanlagen möglichst  ausgenutzt  werden. 

5.  Die  Gemeinde  Gladbeck  wird  ihr  Budget  kaum  in 
wesentlichem  Umfang  auf  Einnahmen  aus  werbenden  Be- 
trieben (Gas-  und  Elektrizitätswerke,  Straßenbahnen,Wasser- 
versorgung)  aufbauen  können.  Entscheidend  für  die  Ge- 
meinde flnanzen  wird  vielmehr  sein,  in  welcher  Weise  bei  der 
weiteren  Entwicklung  die  steuerliche  Leistungsfähig- 
keit der  Einwohnerschaft  sich  gestaltet.  Die  Gemeinde  hat 
deshalb  ein  hohes  Interesse  daran,  nicht  eine  proletarisierte 
und  leistungsunfahige,  sondern  eine  tragkräftige  Bevölkerung 
zu  erhalten.  Als  das  Hauptmittel  zu  diesem  Zweck  ist  die  An- 
siedlungs-  und  Baupolitik  zu  bezeichnen.  Die  wirtschaft- 
lich ungünstigen  Bauformen  (Massenmietshaus,  Mietskaserne) 
proletarisieren  die  Bevölkerung,  schwächen  die  Steuerkraft 
und  bewirken  eine  stetige  Steigerung  der  öffentlichen  Lasten. 
Durch  die  günstigen  Bauformen:  Einfamilienhaus,  Zwei- 
familienhaus wird  dagegen  eine  leistungsfähige  Bevölkerung 
geschaffen.  Die  Gemeinde  sollte  deshalb  die  kleinen  Haus- 
formen begünstigen  durch  Niedrighaltung  der  Bodenpreise 
und  des  Aufwandes  für  die  Bodenerschließung,  den  Straßen- 
bau usw.  Sie  soll  außerdem  die  Durchführung  der  für  den 
Bebauungsplan  aufgestellten  Forderungen  sicherstellen: 

a)  durch  eine  Bauordnung,  aufgestellt  nach  gesundheit- 
lichen, wirtschaftlichen  und  sozialen  Gesichtspunkten, 
entsprechend  der  Eigenart  der  Gemeinde, 

b)  durch  ein  Ortsstatut  auf  Grund  des  Gesetzes  gegen 
die  Verunstaltung  von  Ortschaften  und  landschaftlich 
hervorragenden  Gegenden  vom  15.  Juli  1907.  Bau- 
polizeiverordnung und  Ortsstatut  bedürfen  einer  be- 
sonderen Beratung  unter  Hinzuziehung  eines  mit  den 
Verhältnissen  des  Bezirkes  vertrauten  Sachverständigen. 

Es  wird  endlich  empfohlen,  den  aufgestellten  Bebauungs- 
plan nicht  der  Öffentlichkeit  zugänglich  zu  machen,  sondern 
ihn  als  Unterlage  für  die  jeweils  notwendige  Stadterweite- 
rung, insbesondere  die  kommunale  Bodenpolitik  zu  be- 
nutzen. 


MITTEILUNG. 


TTVER  HAUPTBAHNHOF  DER  NEUEN  UNTERGRUND- 

■■-'  BAHN  IN  NEW  YORK.  Der  unlängst  vollendete  Hauptbahn- 
hof der  Pennsylvania-Untergrundbahn  in  New  York  ist  nicht  allein  das 
größte  und  schönste  Gebäude  seiner  Art,  sondern  schließt  auch  die 
höchsten  Errungenschaften  moderner  Entwicklung  ein.  Jede  zweckmäßige 
Bequemlichkeit,  die  genialsten  Erfindungen  der  Technik,  die  neuesten 
Vervollkommnungen  der  Elektrizität,  jede  nur  denkbare  Vorsichtsmaßregel 
gegen  Unglücksfälle  werden  von  ihm  in  höchster  Vollendung  geboten. 
Das  klassischen  Formen  aus  Granit  aufgeführte  Ernpfangs- 
gebäude  bedeckt  den  riesigen  Flächenraum  von  240  X  236,7  m.  Die 
außergewöhnlichen  Schwierigkeiten  der  künstlerischen  Durchführung 
eines  solchen  monumentalen  Bauwerkes,  eines  Bahnhofes,  dessen  Gleise 
unterhalb  der  Erdoberfläche  liegen,  und  dem  der  herkömmliche  Bahnsteig 
fehlt,  wurden  glücklich  überwunden,   so   daß   die  Größe   eines  gewaltigen 


Bahnhofes,  sowie  der  Charakter  einer  monumentalen  Eingangspforte  in 
die  große  Weltstadt  in  gleich  großartiger  Weise  zum  Ausdruck  kommen. 
Der  Bau  kann  im  eigentlichen  Sinne  als  eine  über  die  Gleise  hin- 
wegführende Monumentalbrücke  angesehen  werden,  die  in  der  Mitte  und 
nach  allen  vier  Seiten  Zugänge  zu  den  Straßen  hat.  Auch  mit  dieser 
durch  so  reichliche  Ein-  und  Ausgänge  für  eine  außerordentlich  schnelle 
Abwicklung  des  Verkehrs  sorgenden  Anordnung  steht  der  Bahnhof  einzig  da. 
Die  Fassade  an  der  7.  Avenue  weist  reichen  dorischen  Säulenschmuck 
auf,  die  an  der  Einfahrtsseite  und  dem  Haupteingang  für  Fußgänger  in 
der  Mitte  in  doppelter  Reihe  zu  Säulenhallen  geordnet  sind.  Jede  Säule 
hat  1,35  m  Durchmesser  und  ist  10,5  m  hoch.  Über  der  Mittelhalle  er- 
hebt sich  ein  von  einer  Uhr  mit  einem  Zifferblatt  von  2,1  m  Durch- 
messer gekröntes  Gesims.  Der  Haupteingang  führt  durch  eine  13,5  m 
breite   und   67,5  m   lange  Vorhalle  in  die  Hauptwartehalle,    die  mit  ihrer 


21 


DER  STÄDTEBAU 


Breite  von  31m,  der  Länge  von  83  m  und  einer  lichten  Höhe  von  45  m 
die  größte  der  'Welt  genannt  werden  kann,  und  deren  riesige  Ab- 
messungen man  sich  vorstellen  kann,  wenn  man  sich  vergegenwärtigt, 
daß  das  Mittelstück  des  New  Yorker  Rathauses  mit  Turm  und  darauf 
befindlichem  Flaggenmast  in  dieser  Halle  bequem  Platz  hat,  ja  noch  2,1  m 
Raum  bis  zur  Decke  frei  läßt.  An  diese  Halle  schließen  sich  zwei  kleinere 
Warteräume  von  je  17,4  X  30  m  an,  sowie  weiter  die  Erfrischungsräume, 
die  Dienst-  und  Aborträume.  In  gleicher  Ebene  liegt  der  Hauptgepäck- 
raum von  135  m  Länge.  Das  Gepäck  wird  mittels  elektrisch  betriebener 
Gepäckwagen  und  Gepäckaufzüge  befördert.    Aus  der  Hauptwartehalle  ge- 


langt der  Reisende  in  eine  mächtige  Bahnsteighalle,  die  sich  über  die 
ganze  Breite  des  Bahnhofes  parallel  zur  Wartehalle  hinzieht.  Von  hier 
aus  führen  Treppen  nach  den  in  der  Tiefe  belegenen  21  Bahnsteigen  mit 
ebensovielen  Gleisen,  die  sich  12  m  unterhalb  des  Straßenpflasters  befinden. 
Die  102  m  lange  Bahnsteighalle  überdeckt  ein  hohes  Dach  aus  Stahl- 
konstruktion und  Glas.  Zwischen  dieser  Halle  und  den  Bahnsteigen  liegt 
eine  zweite  Bahnsteighalle  von  18  m  Breite,  die  nur  von  mit  den  Unter- 
grundbahnzügen ankommenden  Reisenden  benutzt  wird,  während  die 
erstere  den  abfahrenden  dient. 

Fr.  Bock,  Berlin-Charlottenburg. 


NEUE  BÜCHER  UND  SCHRIFTEN. 


Wir  bitten  um  gefällige  Zusendung  aller  einschlägigen  neuen 
Bücher  und  Schriften,  die  wir  unter  dieser  Übersicht  regelmäßig  an- 
zeigen werden;  wir  übernehmen  aber  keine  Verpflichtung  zur  Be- 
sprechung und  Rücksendung. 


DENKSCHRIFT  ÜBER  DEN  WETTBEWERB  ZUR 
VERWERTUNG  DES  AUFGELASSENEN  FESTUNGS- 
GELÄNDES VON  ANTWERPEN.  Besprochen  von  Theodor 
Goecke,  Berlin. 

In  flämischer  und  französischer  Sprache,  den  beiden  Landessprachen, 
ist  von  dem  Ausschusse,  den  der  König  zum  Studium  der  Frage  berufen 
hatte,  wie  das  aufgelassene  Festungsgelände  am  besten  für  die  Stadt  mit 
ihren  Vorstädten  zu  verwerten  sein  würde,  eine  Denkschrift  über  einen 
im  vergangenen  Jahre  ausgefochtenen  internationalen  Wettbewerb  ver- 
öffentlicht worden,  von  dessen  Ergebnis  wir  in  No.  12  des  Jahrganges 
1910  und  in  No.  5  des  Jahrganges  1911  der  Zeitschrift  bereits  kurze  Mit- 
teilung gemacht  haben.  Die  Denkschrift  enthält  außer  den  preisgekrönten 
und  angekauften  Entwürfen  nebst  Erläuterungen  die  wichtigsten  Vorgänge, 
die  "zum  Wettbewerb  geführt  haben,  das  Programm  für  den  Wettbewerb 
und  die  allerdings  sehr  knapp  gehaltene  Verhandlung  des  Preis- 
gerichts. 

Bekanntlich  hatte  der  aus  der  französischen  Akademie  zu  Rom 
hervorgegangene  Architekt  Henri  Prost  in  Paris  den  I.,  Marcel  Auburtin, 
Staatsarchitekt  in  Paris,  den  II.  Preis  errungen,  während  der  III.  Preis 
zur  Hälfte  unserem  ständigen  Mitarbeiter  Dr.-Ing.  Emerich  Forbith  in 
Verbindung  mit  den  Architekten  Eugen  Lechner  und  Ladislaus  Warga 
in  Budapest  und  zur  anderen  Hälfte  dem  Architekten  Alexis  van  Mechelen 
in  Antwerpen  zugefallen  war.  Angekauft  wurde  endlich  der  Entwurf  des 
Architekten  P.  A.  Hansen  in  München. 

Im  ganzen  waren  27  Entwürfe  eingelaufen,  man  weiß  nicht,  wie 
viele  davon  aus  dem  Deutschen  Reiche.  Gut  die  Hälfte,  nämlich  14,  sind 
in  die  engere  Wahl  gekommen  und  davon  wieder  6  in  die  engste.  Der 
Erfolg  der  Franzosen  ist  um  so  auffälliger,  als  diesen  der  Stillstand  im 
Volkswachstum  wenig  Gelegenheit  zu  großen  Aufgaben  auf  dem  Gebiete 
des  Städtebaues  im  eigenen  Lande  bietet.  Die  Vorzüge  der  Entwürfe  von 
Henri  Prost  sowohl,  als  auch  von  Marcel  Auburtin  sind  denn  auch  mehr 
akademischer  Natur,  während  aus  den  anderen  Entwürfen  mehr  praktische 
Kunstübung  zu  sprechen  scheint,  die  auch  wohl  zu  einer  größeren  Zurück- 
haltung in  der  monumentalen  Ausgestaltung  geführt  hat,  mit  der  sich 
die  beiden  Erstgenannten  kaum  haben  genugtun  können. 

Allerdings  ist  es  schwer,  sich  auf  Grund  der  von  der  Denkschrift 
gegebenen  Unterlagen  eine  einigermaßen  sichere  Meinung  zu  bilden,  weil 
das  Preisgericht  auf  eine  schriftliche  Würdigung  der  einzelnen  Entwürfe 
verzichtet  oder  v/enigstens  in  der  mitgeteilten  Verhandlung  keine  Be- 
gründung für  sein  Urteil  angeführt  hat,  was  um  so  empfindlicher  ins 
Gewicht  fällt,  als  die  schwarz-weiß  wiedergegebenen,  auf  etwa  i  :  30 — 35  000 
verkleinerten  Übersichtspläne  nicht  mehr  deutlich  genug  sind,  um  zuver- 
lässige Vergleiche  zu  ermöglichen. 

Im   ganzen   geht   aber  doch  so  viel   aus  der  im   übrigen  vornehm 
ausgestatteten  Denkschrift  hervor,  daß   das  Programm  dem  Wettbewerbe 


ziemlich  enge  Grenzen  gesteckt  hatte  —  ein  boulevard  circulaire,  eine 
Ringstraße,  war  vorgeschrieben.  Es  kam  zunächst  also  auf  eine  glück- 
liche Linienführung  an,  und  die  schöne  Linie  scheint  ja  auch  bei  der 
Beurteilung  eine  große  Rolle  gespielt  zu  haben.  Es  wäre  wohl  zu  wünschen 
gewesen,  das  Programm  hätte  daneben  auf  den  Denkmalwert  der  Festungs- 
wälle und  -graben  hingewiesen  —  diese  gehören  mit  zur  Entwicklungs- 
geschichte der  Stadt  und  des  Stadtbildes  und  sollten  deshalb  nicht  spurlos 
wieder  verschwinden,  sondern  zur  Lösung  der  Aufgabe,  soweit  ohne  Zwang 
angängig,  mitbenutzt  werden,  sei  es  unmittelbar  durch  Anpassung  an 
neue  Zwecke,  sei  es  mittelbar  dadurch,  daß  die  alte  Form  auch  im  neuen 
Gebilde  wieder  durchklingt.  Von  diesem  Standpunkte  aus  berührt  der 
Parkring  mit  Randbebauung  des  an  erster  Stelle  preisgekrönten  Ent- 
wurfes in  der  Tat  sympathisch,  obwohl  der  Verfasser  im  übrigen  reich- 
lich viel  Sternplätze,  zum  Teil  übler  Art,  weil  von  zu  geringer  Aus- 
dehnung und  mit  zu  vielen  keilförmigen  Blockecken,  auch  sogenannte 
Verlegenheitsdreiecke  über  das  Bebauungsgebiet  gestreut  hat.  Schön 
sind  dagegen  die  Plätze  auf  den  früheren  Festungsvorsprüngen,  ins- 
besondere auch  der  ovale  Bahnhofsplatz,   gedacht. 

Etwas  weniger  schematisch,  trotz  dem  spinnwebartigen  Straßennetze, 
ist  der  mit  dem  II.  Preise  bedachte  Entwurf,  der  den  I.  aber  in  der  An- 
ordnung kleiner  und  kleinster  Sternplätze  womöglich  noch  übertrumpft. 
Dazu  kommt  eine  Vorliebe  für  Ringe  jeder  Größe  in  der  Führung  von 
Villenstraßen  und  Parkwegen.  Sehr  monumental  sind  die  Esplanade 
Berchem  und  die  Place  des  Arts,  überschwenglich  fast  das  Belvedere  an 
der  Scheide  geplant,  das  den  Verfasser  zur  Beigabe  eines  ein  Nachtfest 
mit  Feuerwerk  darstellenden  Schaubildes  angefeuert  hat. 

Gegen  derartige  Übertreibungen  nehmen  sich  die  übrigen  Entwürfe 
freilich  bescheiden,  fast  nüchtern  aus.  Es  beruht  wohl  nur  auf  einem 
Versehen,  daß  der  Entwurf  von  Dr.-Ing.  Forbäth,  Lechner  und  Warga  in 
Budapest  erst  an  vierter  Stelle  abgedruckt  ist,  während  er  in  der  Reihen- 
folge der  Preisgerichtsverhandlung  unter  A  des  III.  Preises  aufgeführt 
wird.  Unter  B  ist  der  Entwurf  von  Alexis  van  Mecheln  in  Antwerpen 
genannt,  der  einzige  übrigens,  dem  auch  Querprofile  der  geplanten  Straßen 
beigegeben  sind;  mit  langen  Linienschwüngen  strebt  der  Verfasser  ein 
sog.  schönes  Straßennetz  an,  das  ja  auch  den  meisten  deutschen  Stadt- 
bauämtern bislang  als  Ideal  vorgeschwebt  hat  und  namentlich  in  Lüttich 
am  stärksten  ausgeprägt  erscheint. 

Von  dem  Forbäthschen  Entwürfe  fehlt  ein  Übersichtsplan,  die  Einzel- 
pläne lassen  eine  sorgfältige  Durchbildung  der  Verkehrsstraßen  zum  Unter- 
schiede von  den  zu  ruhigen  Wohnvierteln  zusammengeschlossenen  Wohn- 
straßen erkennen,  ohne  dem  großen,  an  Budapest  selbst  erinnernden  Zuge 
in  der  Gesamtanlage  Eintrag   zu   tun.     Im    ganzen    eine   treffliche  Arbeit. 

Der  angekaufte  Entwurf  von  P.  A.  Hansen  in  München  hat  wieder 
größere  Rücksicht  auf  die  dem  Untergange  geweihten  Festungswerke  ge- 
nommen und  zeichnet  sich  durch  die  liebevolle  Art  aus,  mit  der  der  Ver- 
fasser intimere,  reizvolle  Wirkungen  zu  erzielen  versteht.  Wenn  etwas 
von  diesem  deutschen  Geiste  in  die  weitere  Planung  hinüberfließen  sollte, 
so  würde  dies  der  Sache  nur  zum  Vorteil  gereichen. 

DIE  SCHÖNE  DEUTSCHE  STADT;  MITTELDEUTSCH- 
LAND.    Von   Gustav  Wolf.     R.  Piper  &  Co.  Verlag,   München. 
Besprochen  von  F.  Rud.  Vogel,  Architekt  in  Hannover. 


22 


DER  STÄDTEBAU 


„Die  schöne  deutsche  Stadt"  soll  in  drei  Bändchen  mit  je 
i6o  Abbildungen  jedem  Deutschen  die  Schönheit  seiner  Heimat  vor 
Augen  führen.  Dem  eben  erschienenen  „Mitteldeutschland"  von 
Gustav  Wolf  wird  im  Frühjahr  d.  Js.  „Süddeutschland"  von  Julius 
Baum  folgen. 

Das  Heft,  das  neben  herrlichen  Bildern  mit  vorzüglichem  Text  aus- 
gestattet ist,  wird  jedem  Laien  eine  dauernde  Quelle  des  Genusses  sein. 
Für  den  Architekten  und  Städtebauer  geht  das  Interesse  an  ihnen  aber 
wesentlich  weiter.  Es  macht  ihn  mit  unseren  schönen  Städten  und  be- 
sonders mit  ihren  malerischen  Teilen  bekannt.  Dadurch  wird  es  zum 
Ratgeber,  wohin  der  Architekt  in  seiner  Ferienzeit  seine  Schritte  lenken 
soll,  wenn  er  reizvolle  Bauten  und  Städtebilder  antreffen  will. 

Aber  das  Büchlein  erzählt  auch,  worin  die  Schönheiten  bestehen, 
wie  sie  genossen  sein  wollen;  was  den  Reiz  des  Städte-  und  Straßen- 
bildes ausmacht.  Es  wird  so  zum  Lehrmeister,  wie  man  Städte  sehen 
soll  und  —  was  für  den  Städtebauer  am  wichtigsten  —  mit  welchen 
Mitteln  schöne  Städtebilder  geschaffen  werden  können. 

Die  Anordnung  der  Bilder  und  des  Textes  verfolgt  ein  System.  In 
Einzelabschnitten  werden  uns  die  Anlage  und  Entstehung  der  Städte, 
die  Innen-  und  Altstadt,  der  Marktplatz,  der  Kirchplatz,  das  Straßenbild, 
die  Laubengänge,  Uferstraßen  und  Terrassen,  Brücken,  Rathäuser,  Kirchen, 
Brunnen  und  Stadttore  in  ihren  Einzelwerten  und  Wechselwirkung,  die 
Umgebung  der  Stadt,  vor  den  Toren  und  der  Ausblick  auf  die  Stadt, 
deren  charakteristisches  Bild,  der  Aufbau  der  Silhouette  vorgeführt. 

Das  Büchlein  entpuppt  sich  als  ein  sehr  willkommenes  Städtebau- 
buch, das  durch  Schaubilder  die  Wirkungen  all  dieser  Einzelteile,  der 
Plätze  und  Straßen,  deren  Versetzung,  ihrer  Verengung  oder  Erweiterung 
und  endlich  die  Perspektivenwirkung  auf  gute  Ausblicke  veranschaulichen 
will.  Deshalb  sind  Stadtteilpläne  eingestreut,  die  durch  Angabe  des  Stand- 
punktes für  die  malerische  oder  städtebauliche  Wirkung  äußerst  lehrreich 
werden. 

Die  Bilder  zeugen  durchweg  von  einem  feinen  Verständnis  für  Bild- 
wirkung: Verteilung  der  Massen  und  von  Licht  und  Schatten,  der 
Steigerung  auf  den  Hauptschaupunkt  oder  Gegenüberstellung  von  Kon- 
trasten,   die   das   schöne   Bild    bedingen.     Es   ist   die   anschauliche   Über- 


tragung des  wirkungsvollen  Aufbaus  vom  Bauwerk  auf  das  Straßen-  und 
Städtebild. 

Bei  der  Vielseitigkeit  des  gebotenen  Stoffes  und  dem  geringen  Preise 
von  nur  1,80  Mk.  für  das  Heft  wird  selbst  der  wenig  bemittelte  Architekt 
es  erstehen,  ist  es  doch  an  sich  ein  reizendes  Bilderbuch  und  zudem  ein 
guter,  brauchbarer  Reisebegleiter. 

Nummer   21    der  Mitteilungen   der    ZENTRALSTELLE    FÜR 
WOHNUNGSREFORM   IN   ÖSTERREICH   bringt   einen 

Aufsatz  des  Regierungsrates  Dr.  Franz  Cuhel  über  die  ,, Vorschläge  be- 
treffend die  Besteuerung  der  Häuser  gemeinnütziger  Wohnungsbau- 
genossenschaften" und  desgleichen  einen  des  Dr.  Ewald  Pribram  über 
„Die  Steigerung  der  Grundpreise  in  Wien  während  der  letzten  zehn  Jahre". 
Aus  dem  sonstigen  reichhaltigen  Inhalte  dieses  Heftes  heben  wir  noch 
hervor  den  Aufsatz  über  „Englands  Gartenstädte",  den  Tätigkeitsbericht 
der  Zentralstelle  für  Wohnungsreform  sowie  den  Bericht  über  den  Dritten 
Internationalen  Wohnungshygiene-Kongreß  in  Dresden. 


NEUE  EINGÄNGE. 

TOWN  FLANNING  CONFERENCE.    London,    10.-15.  Oc- 
tober    1910.     Transactions.     Published    by    The   Royal    Institute    of 
British    Architects.     9  Conduit  Street,  Regent  Street,   London  'W.     191 1. 

»TpHE  MAKING  OF  A   PARK  SYSTEM  IN  LA  CROSSE. 


Report  by  John  Nolen,  Landscape  Architect  Cambridge,  Mass.     1911. 


—   The  Inland  Printing  Compagni  La  Crosse,  Wisconsin. 

GENERAL  FEATURES  OF  A  PARK  SYSTEM  FOR 
CHATTANOOGA,  TENNESEE.  Report  to  the  Board  of 
Park  Commissioners.  By  John  Nolen,  Landskape  Architect  Cambridge, 
Mass.  —  Boston,  Gev.  H.  EUis  Co.,  Printers.     191 1. 


CHRONIK 


OTÄDTEAUSSTELLUNG  DÜSSELDORF  1912.     Die  Stadt 

"*^  Düsseldorf  steht  in  städtebaulicher  Beziehung  vor  einem  ganz  ent- 
scheidenden Wendepunkt.  Es  soll  ein  neuer  Bebauungsplan  geschaffen 
werden,  der  tiefer  greifende  Umgestaltungen  des  Städtebildes  im  Gefolge 
haben  wird.  Zu  dem  Zwecke  ist  ein  Wettbewerb  ausgeschrieben,  der 
durch  die  hohen  Preise  deutlich  zeigen  will,  daß  man  auf  die  Mitarbeit 
der  besten  und  tüchtigsten  Männer  rechnet.  Die  Beteiligung  an  diesem 
Wettbewerb  ist  denn  auch  heute  schon  eine  derartig  große,  daß  man 
wohl  auf  seinen  Ausgang  gespannt  sein  darf.  Es  ist  kein  Zweifel, 
daß  die  eingereichten  Entwürfe  nicht  nur  allein  in  Düsseldorf,  sondern 
überall  in  Fachkreisen  lebhafte  Anziehungskraft  äußern  dürften.  Die 
Pläne  sollen  im  Juli  1912  öffentlich  ausgestellt  werden;  um  dieses  Ereignis 
in  der  Geschichte  Düsseldorfs  gebührend  zu  würdigen,  hat  man  beschlossen, 
eine  Städteausstellung  damit  zu  verknüpfen. 


Die  Städteausstellung  selbst  nun  soll  in  gewisser  Weise  eine  Er- 
weiterung der  des  Jahres  ig  10  sein.  Sie  nennt  sich  deshalb  auch  nicht 
„Städtebau"-Ausstellung,  sondern  kurz  Städteausstellung.  —  Neben  den 
rein  städtebaulichen  Dingen  werden  insbesondere  die  Einrichtungen  für 
die  Gesundheit  und  für  die  Krankenfürsorge  berücksichtigt  werden.  Was 
nun  die  erstere  Gruppe  anbetrifft,  so  hat  man  wieder  unterschieden 
zwischen  dem  Städtebau  an  sich  und  den  städtischen  Hochbauten. 
Wenden  wir  nun  unseren  Blick  der  Gruppe  Städtebau  an  sich  zu,  so 
kann  man  heute  schon  sagen,  daß  diese  Abteilung  in  überaus  würdiger 
Weise  die  Fülle  des  Stoffes  verarbeiten  wird. 

In  erster  Linie  kommen  ihr  die  Vorarbeiten  der  Vereine  für  Heimat- 
schutz in  Rheinland  und  Westfalen  zugute.  In  beiden  Provinzen  sind 
erhebliche  Mittel  bereitgestellt,  um  eine  photographische  Aufnahme  der 
wertvollsten  Städtebilder  zu  erreichen.     Wer  da  weiß,  welch  wunderbarer 


23 


DER  STÄDTEBAU 


Stoff  in  dieser  Hinsicht  sogar  in  den  kleineren  Städten  im  Rheinlande 
und  Westfalen  vorhanden  ist,*  der  wird  sich  jetzt  schon  freuen,  die  ver- 
schiedensten Motive  in  ziemlicher  Vollständigkeit  auf  der  Ausstellung  zu 
finden.  Es  ist  ein  überaus  dankenswertes  Unternehmen  der  Vereine  für 
Heimatschutz  und  wird  diesen  sicherlich  neue  Freunde  und  Gönner  er- 
werben. Im  engsten  Anschluß  daran  soll  in  einer  besonderen  Abteilung 
auf  eigenartige  alte  Bebauungspläne  aufmerksam  gemacht  werden.  Es 
ist  zu  hoffen,  daß  das  sicher  noch  vorhandene,  aber  weit  zerstreut  liegende 
Material  bis  dahin  gesammelt  wird,  und  daß  in  einer  richtigen  Aufeinander- 
folge eine  einigermaßen  klare  Entwicklungsgeschichte  der  Bebauungspläne 
gezeigt  werden  kann.  Daran  würden  sich  erst  die  Bebauungspläne  der 
heutigen  Zeit  reihen,  in  der  auch  die  neuen  Düsseldorfer  Wettbewerbs- 
entwürfe eine  Rolle  spielen  dürften.  —  In  einer  besonderen  Abteilung 
sollen  dann  die  Brücken  und  Häfen  berücksichtigt  werden.  In  erster 
Linie  ist  daran  gedacht  worden,  das  in  dem  engeren  Ausstellungsgebiete 
zu  sammelnde  Material  so  zu  ordnen,  daß  auch  hier  der  geschichtliche  Zu- 
sammenhang und  das  Werden  einzelner  Konstruktionsformen  erkannt 
werden  kann.  Bei  den  Brücken  selbst  will  man  nicht  allein  die  Brücke 
als  solche,  sondern  auch  die  Zufahrtstraßen  in  Betracht  ziehen,  da  nur 
beides  zusammen  einen  Einblick  in  die  Gestaltung  des  Ganzen  gibt  und 
ein  Urteil  über  die  Richtigkeit  und  Zweckmäßigkeit  der  technischen  Formen 
ermöglicht.  Besondere  Beachtung  soll  aber  den  Rheinbrücken  geschenkt 
werden,  wobei  nicht  allein  an  die  nun  ausgeführten  Pläne  und  Modelle 
gedacht  wird,  sondern  man  möchte  auch  die  nicht  ausgeführten  Entwürfe, 
soweit  es  möglich  ist,  heranziehen.  Sicherlich  wird  gerade  dadurch  dem 
Werden  der  Ideen  und  Gedankengänge  mehr  Bedeutung  beigelegt,  als 
wenn  man  nur  die  fertigen  Modelle  beachtet  hätte.  Für  das  vergleichende 
Studium  wird  ein  derartiges  Ausstellungsmaterial  voi>  ungeheurem  Werte 
sein,  und  es  ist  nur  zu  hoffen,  daß  es  gelingen  möge,  das  Vorhaben  aus- 
zuführen. 

Fernerhin  aber  hat  ein  hervorragender  Fachverein  beschlossen,  einen 
Gedanken  zur  Darstellung  zn  bringen,  der  für  jeden  Praktiker  von  höchster 
Bedeutung  ist.  Es  soll  versucht  werden,  zu  den  einzelnen  baupolizeilichen 
Vorschriften  Beispiele  und  Gegenbeispiele  zu  schaffen,  so  daß  in  anschau- 
licher Weise  die  springenden  Punkte  hervortreten.  Wenn  auch  schon 
versucht  worden  ist,  dieser  Idee  'Wirklichkeit  zu  verleihen,  so  ist  bei  der 
Schwierigkeit  des  Unternehmens  bisher  kaum  ein  voller  Erfolg  erzielt 
worden.  Die  große  Sachkenntnis  der  Aussteller  läßt  aber  vermuten,  daß 
nur  etwas  ganz  Hervorragendes  entsteht,  so  daß  das  Material  vielleicht 
berufen  sein  dürfte,  weitgehende  Beachtung  zu  finden. 

\Verden  auf  städtebaulichem  Gebiet  die  oben  ganz  kurz  skizzierten 
Materien  auch  nur  in  eine  einigermaßen  vollendeten  Form  dargestellt,  so 
bietet  die  Ausstellung  für  den  Fachmann  in  dieser  einen  Gruppe  schon 
so  viel  des  Neuen  und  Belehrenden,  daß  das  Interesse  der  weitesten 
Kreise  wachgerufen  werden  muß.  Es  ist  nur  zu  wünschen,  daß  das  an- 
gestrebte hohe  Ziel  erreicht  wird,  dann  würde  die  Städteausstellung 
Düsseldorf  igi2  nicht  allein  ein  Markstein  für  die  Stadt  selbst,  sondern 
weit  darüber  hinaus  sein. 

"pvlE    ERSTE    ÖSTERREICHISCHE    WOHNUNGS- 

■*"'  KONFERENZ  hat  es  mit  Genugtuung  begrüßt,  daß  die 
Regierung  von  den  Gegenständen,  die  für  die  Reform  der  Gebäudesteuer 
in  Betracht  kommen,  zunächst  die  Steuerbegünstigung  für  Neu-,  Zu-  und 
Umbauten  im  allgemeinen  und  für  Kleinwohnungsbauten  insbesondere 
herausgehoben  und  zum  Gegenstande  einer  besonderen  Gesetzesvorlage 
gemacht  hat.  Die  Wohnungskonferenz  erwartet,  daß  der  Reichsrat  diese 
Vorlage  ohne  Verzug  erledige  und  dabei  auch  auf  eine  weitergehende 
Steuerbegünstigung  für  Kleinwohnungsbauten  bedacht  sein  werde.  —  Auch 
die  im  Teuerungsausschusse  einstimmig  angenommene  Vorlage  über  die 
Steuer-  und  Gebührenbegünstigungen  für  gemeinnützige  Bauvereinigungen 
wird  als  wichtiger  Schritt  zur  Erleichterung  der  fiskalischen  Lasten  be- 
grüßt, welche  die  Entwicklung  der  gemeinnützigen  Bautätigkeit  erschweren. 
Ferner  hat  die  Konferenz  es  mit  Genugtuung  begrüßt,  daß  die 
Regierung  beabsichtigt,   dem  Wohnungsfürsorgefonds  für   die  Jahre  igii 


und  1912  einen  außerordentlichen  Beitrag  von  2  Millionen  Kronen  zu- 
zuweisen; sie  gibt  der  sicheren  Erwartung  Ausdruck,  daß  die  Regierung 
auch  in  Hinkunft  den  Wohnungsfürsorgefonds  durch  die  Zuweisung  von 
außerordentlichen  Beiträgen  in  einer  dem  Bedarfe  angemessenen  Höhe 
stärken  werde.  —  Die  von  der  Regierung  in  Aussicht  gestellte  Widmung 
eines  Betrages  von  2  Millionen  Kronen  verteilt  auf  die  Jahre  igi2  bis 
ausschließlich  1915  zum  Zwecke  der  Gewährung  kündbarer  verzinslicher 
Vorschüsse  an  gemeinnützige  Bauvereinigungen  ist  geeignet,  jenen  großen 
Schwierigkeiten  wenigstens  teilweise  abzuhelfen,  mit  denen  heute  die 
Baugenossenschaften  bei  der  Aufbringung  der  von  dem  Wohnungs- 
fürsorgegesetze als  Voraussetzung  für  die  Kredithilfe  geforderten  eigenen 
Mittel  zu  kämpfen  haben. 

Zur    Erlangung    von    ENTWÜRFEN     FÜR     DIE    KÜNST- 
LERISCHE   GESTALTUNG    DER    NEUBAUTEN    AM 
ALTEN  ST.  PETER-PLATZ  ZU  STRASSBURG  I.  E.,    von 

der  der  große  Straßendurchbruch  seinen  Anfang  nehmen  wird,  war  ein 
Wettbewerb  unter  den  Straßburger  Architekten  ausgeschrieben,  zu  dem 
auch  neun  auswärtige  Architekten  eine  Einladung  erhalten  hatten.  Es 
wurden  zuerkannt: 

ein    I.  Preis    mit    2500  Mk.    dem    Entwurf    No.  22    mit    dem    Kennwort: 

„Petrus",  Verfasser  Arch.  Schimpf  in  Straßburg; 
ein  I.  Preis  mit  2500  Mk.  dem  Entwurf  Nr.  30  mit  dem  Kennwort:    „Petri 

Heil",  Verfasser  Arch.  Ed.  Bieber  in  München; 
ein    II.  Preis    mit    2000    Mk.    dem    Entwurf    No.  8    mit    dem   Kennwort: 

„Rhein",  Verfasser  Th.  Veil  in  München; 
ein    II.  Preis    mit    2000  Mk.    dem    Entwurf   No.  16    mit    dem    Kennwort: 

„Heimische  Bauweise",  Verfasser  Arch.  Emil  Werler,  Mitarbeiter 

Arch.  Emil  Wolf; 
ein    III,  Preis    mit    1000  Mk.    dem    Entwurf    No.  i    mit    dem    Kennwort: 

„Tristan",  Verfasser  Arch.  O.  O.  Kurz  in  München. 

Angekauft  wurden  ferner  zwölf  Entwürfe,  die  zu  Verfassern  haben: 
Prof.  Dr.  Billing  in  Karlsruhe;  Arch.  Buchen  in  München;  Arch.  Detert 
&  Ballenstedt  in  Mannheim;  Arch.  Müller  und  Moßler  in  Straßburg; 
Arch.  Oberthür  in  Straßburg;  Arch.  S.  Becker  in  Straßburg;  Arch. 
Olbricht  in  Straßburg;  Arch.  G.  Martin  und  K.  Wolf  in  Straßburg;  Arch. 
Backes  &  Zache  in  Straßburg;  Arch.  K,  Bonatz  in  Straßburg;  E.  Werler 
in    Straßburg,    Mitarbeiter   Emil  Wolf;    Arch.  Rud.  Schmid    in  Straßburg. 

WETTBEWERB  UM  ENTWÜRFE  ZUR  BEBAUUNG 
STÄDTISCHEN     GELÄNDES    IN    RIXDORF    BEI 

BERLIN.  Von  39  eingegangenen  Entwürfen  wurden  vom  Preisgericht 
im  ersten  Rundgange  16,  im  zweiten  Rundgange  weitere  6  ausgeschieden, 
so  daß  17  für  die  weitere  Beurteilung  verblieben,  von  denen  nunmehr 
No.  4  ,,Rixdorfer  Fuggerei",  No.  5  ,, Wirtschaftsästhetik",  No.  6  ,,So", 
No.  9  „Wohnwinkel",  No.  13  „Der  deutsche  Giebel",  No.  16  „Gemeinsinn", 
No.  21  „Ohne  Romantik",  No.  27  ,, Richardsdorf",  No.  30  „Innenpark",  und 
No.  39  ,,Gut  bürgerlich  II"  in  die  engere  Wahl  kamen,  während  No,  14 
mit  dem  Zeichen  eines  schwarzen  Kreises  in  rotem  Kreuz  und  No.  34 
,, Wohnliche  Winke",  für  etwaigen  Ankauf  zurückgestellt  wurden.  Im 
letzten  Rundgange  schieden  demnach  weitere  5  Entwürfe  aus,  so  daß 
No.  5,  16,  21,  27  und  39  in  die  engste  Wahl  kamen.  Von  diesen  er- 
hielten No.  27  den  ersten,  No.  5  den  zweiten  und  No.  21  und  39  je  eine 
Hälfte  des  dritten  Preises,  nachdem  das  Preisgericht  einmütig  die  Preise, 
abweichend  vom  Programm,  auf  5000,  4000  und  je  2000  Mk.  festgesetzt  hatte. 
Zum  Ankauf  wurden  No.  6,   14   16  und  34  empfohlen. 


Die  Unterlagen  aller  zur  Ausschreibung  gelangenden  ^Vettbewe^be 
können  in  den  Geschäftsräumen  des  Verlags  Ernst  Wasmuth  A.-G., 
Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35,  wochentäglich  in  den  Stunden  von 
10 — 4  Uhr  unentgeltlich  eingesehen  werden. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Beriin.  —  Vertag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Beriin  W.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Beriin  'W.  66.  —  Gedruckt  bei  Herrose  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  'Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Beriin  W^. 


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9.  Jahrgang 


1912 


3.  Heft 


IsMssssdta 


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STÄDTEBAU. 


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306 


M°nAT^5CnRIFT 

FÜR-  DiE-  KÜNSTLEIllSChEAUyQESrAk 
TUNQ  DER -STÄDTE  •  fiAQI-  itlRENWiRT 
SOIAFTÜCnEN-  QESUNDHEITÜQIEN-  UND 
S9Z.IALEN-  ÖRUND^TZCN:  QEQRONDET-VON 
.THEODOR  fiOrrKF-CAMlLiq^infTf 
^aVERLAQ^ERNjT  WA\MUTri,BER[lN.I 

**  NEBST  EINER  SONDLRBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  ** 


J 


INHALTSVERZEICHNIS:     Neuere  Gartenkunst.    Von  Architekt  Dr.-Ing.  Hugo  Koch,  Hamburg.  —  Die  Ordensstadt  Marienburg,  ein  Städtebild   im  Osten. 
Von    Konrad    Metzel,    Dirschau.    —    Warum    gibt    es    noch    keine    Gartenstadt    bei    Berlin?     Von    B.  Wehl,    Hermsdorf   bei    Berlin.    —    Mitteilung.    — 

Neue  Bücher  und  Schriften.    —    Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


NEUERE  GARTENKUNST.*) 


Von  Architekt  Dr.-Ing.  HUGO  KOCH  in  Hamburg. 

Die  Erfolge  und  Ziele  des  modernen  Städtebaus  sind 
am  besten  auf  den  städtebaulichen  Ausstellungen  der  letzten 
Zeit  zu  studieren  gewesen.  Am  deutlichsten  und  wohl  zum 
erstenmal  wurde  auf  der  Städtebauausstellung  in  Berlin  das 
moderne  Schaffen  auf  dem  Gebiete  „Gartenkunst  im  Städte- 
bau"  in  kräftiger  Weise  zum  Vortrag  gebracht, 

Sittes  Lehren,  die  er  1901  im  „Großstadtgrün"  gab,  sind 
befruchtend  gewesen.  Einzelbaum  und  Baumgruppen  künst- 
lerisch im  Stadtplan  zu  verwerten,  Vorgärten  einseitig  auf 
der  Sonnenseite  der  Straße  anzulegen,  Alleen  nur  da  zu 
schaffen,  wo  sie  als  Promenade  dienen  und  gute  Architek- 
turen nicht  verdecken,  all  diese  Momente  waren  in  vielen 
Planungen  zu  studieren,  vor  allem  in  Sittes  Bebauungsplänen 
selbst,  ferner  in  Stadterweiterungsplänen  von  Essen  (Heft  7  8, 
Tfl.  45'»*),  Darmstadt  (Heft  7  8,  Tfl.  48"),  Köln  (Heft  7,8, 
Tfl.  50')  und  Eschwege  (Heft  7  8,  Tfl.  48''),  in  Goeckes  Ent- 
wurf für  die  Bebauung  von  Johannistal  und  in  Pützers 
(Heft  7  8,  Tfl.  48"^)  und  Henricis  Bebauungsplänen. 

Den  besten  Überblick  für  neuzeitliche  Probleme  des 
Straßengrüns  gaben  jedoch  die  Planungen  der  Gartenstädte. 
Vor   allem   war    die   englische   Gartenstadtbewegung   durch 


•)  Dazu  vergl.  ,,Die  Städtebauausstellung  Berlin  1910"  in  Heft  7/8 
des  Jahrganges   1910. 

**)  Die  Angaben  beziehen  sich  auf  die  in  dieser  Zeitschrift  erschienenen 
Abbildungen  des  Jahrganges  igio,  soweit  kein  anderer  Jahrgang  ge- 
nannt ist. 


zahlreiche  Pläne  und  Photographien  trefflich  vertreten.  Hier 
ist  gezeigt  worden,  welch  charakteristische  Wirkung  ein 
Straßenbild  erhalten  kann  durch  einen  geschickt  verwerteten 
Einzelbaum,  wie  die  Verwendung  der  vorhandenen  Land- 
schaft, Erhaltung  prächtiger  Einzelbäume  und  Baumgruppen 
ohne  große  Mittel  zu  schönen  Wirkungen  führt,  wie  damit 
malerische  Bilder  geschaffen  werden  können,  sofern  es  nur 
der  Architekt  versteht,  seine  Bauten  dem  Grün  rhythmisch 
einzufügen.  Die  reizvollen  Versuche  in  der,  Straßen- 
führung, das  Bilden  vonVorhöfen,  dieVerteilung  von  Gruppen- 
und  Einzelhausbau  sind  dem  gartenkünstlerischen  Schaffen 
zu  großem  Vorteil  geworden.  Vorgärten  in  größerer  Tiefe 
oder  von  einheitlichem  Aufbau,  Vorhöfe  mit  frischem  Grün 
und  gärtnerische  Innenplätze  haben  sich  schaffen  lassen, 
deren  Wirkung  Pläne  freilich  nicht  wiedergeben  können, 
die  man  selbst  sehen  muß  in  ihrem  farbenprächtigen,  dabei 
volkstümlich  einfachen  Blumenschmuck,  mit  ihren  fein  ab- 
gestimmten Holzstaketeinfassungen  oder  beschnittenen  grünen 
Heckenwänden. 

Schwieriger  werden  die  Verhältnisse  für  gärtnerischen 
Schmuck  im  Inneren  dichtbebauter  Städte.  Auch  dafür 
zeigte  die  Ausstellung  neue  Ziele.  Die  Flächen,  die  man  er- 
spart durch  Fortfall  der  vielen  breiten  Alleestraßen,  durch 
Verzicht  auf  die  oft  nur  kümmerlich  vegetierenden  Vor- 
gärten, versucht  man  gartenkünstlerisch  zu  verwerten, 
indem    man   sie    zusammenfaßt   zu    einer   einzigen    Fläche 


25 


DER  STÄDTEBAU 


im  Inneren  der  Häuserreihen,  die  als  großer  Grünplatz, 
wohl  auch  gelegentlich  als  Park,  abgeschlossen  vom  Staub 
der  Straßen,  vom  Lärm  des  hastenden  Verkehrs,  eine  Stätte 
bietet  zur  Erholung.  An  den  Gartenfronten  der  Häuser  grenzt 
ein  Privatgarten  an  den  anderen,  an  ihrer  Innenseite  besitzen 
die  Gärten  kleine  Pforten,  die  sich  nach  dem  im  Mittel 
freigelassenen  großen  Wiesenplan  öffnen.  Dieser  dient  teils 
als  Spielplatz,  oder  auch  eine  schmale  Straße  —  Gartenstraße 
im  echten  Sinne  des  Wortes  —  ohne  geschäftlichen  Verkehr, 
durchschneidet  das  Gelände  und  erschließt  es  zur  bequemen 
Benutzung.  Torbögen  an  den  öffentlichen  Straßen  dienen 
als  Zugang  und  ergeben  zugleich  ein  malerisches  Motiv. 

Auch  für  diese  Bestrebungen  hat  Sitte  den  Anstoß  ge- 
geben, sow^ohl  durch  das  geschriebene  Wort,  als  auch  durch 
seine  Stadtplanentwürfe  für  Marienthal,  Teplitz  und  Olmütz,  die 
auf  der  Ausstellung  zu  sehen  waren.  Von  weiteren  Entwürfen, 
die  diese  Grundgedanken  zur  Darstellung  brachten,  greife 
ich  heraus  die  Bebauungspläne  von  Zürich,  Neukölln,  Leipzig- 
Probstheida  und  den  Baublöcken  am  Valleyplatz  in  München 
(Heft  7  8,  Tfl.  53"').  In  bezeichnender  Weise  waren  diese 
Ziele  in  den  W^ettbewerbsplanungen  von  Groß-Berlin  zu 
erkennen.  Die  innere  Baufluchtlinie,  die  Höhenbauordnung 
und  andere  Bebauungsplangesetze  stehen  damit  im  Zusammen- 
hang und  lehren,  daß  auch  das  Gartenschaffen  im  Städtebau 
großen  Anteil  am  zweckmäßigen  Planen  hat. 

Über  den  weiteren  Ausbau  gaben  die  Pläne  der  Aus- 
stellung keinen  Aufschluß,  hierbei  dürfte  zukünftig  noch  viel 
zu  lösen  sein.  Mehr  erzählte  sie  über  den  gärtnerischen 
Schmuck  vorhandener  Stadtplätze. 

Beachtenswert  war  hier  Köln  vertreten  mit  den  Studien 
von  Encke.  Sie  reden  eine  deutliche  Sprache.  Sie  lehren 
uns,  daß  auch  der  Gartenkünstler  erkannt,  daß  die  bisher 
geltende  Manier,  kleine  Landschaften  oder  doch  landschaftlich 
komponierte  Einzelszenen  auf  architektonisch  begrenzten, 
verhältnismäßig  kleinen  Plätzen  zu  schaffen,  ästhetisch  nicht 
bestehen  kann,  daß  diese  Plätze  zugleich  für  ein  Bewohnen 
nicht  geeignet  sind.  Bei  dem  Lortzingplatz  in  Köln  (Heft  7  8, 
Abb.  7  und  8)  und  den  Anlagen  am  Deutschen  Ring,  also 
bei  verhältnismäßig  kleinen,  von  Straßen  umschlossenen 
Plätzen,  strebt  Encke  dahin,  durch  grüne  Heckenwände  und 
Baumalleen  zunächst  eine  Begrenzung  zu  schaffen  und  damit 
trotz  der  wenig  günstigen  Lage  im  Stadtplan  eine  Anlage 
zu  erreichen,  die  den  Besucher  zu  längerem  behaglichen 
Verweilen  einladet.  Die  Grundform  ist  die  denkbar  ein- 
fachste. Die  gerade  Linie  ist  hier  herrschend.  Mit  viel 
Geschick  sind  kleine  Höhenunterschiede  benutzt  zur  Anlage 
von  Freitreppen  mit  anschließenden  grünen  Rasenböschungen. 
Ein  Milchhäuschen,  ein  Brunnen  oder  eine  Bedürfnisanstalt 
sind  in  das  Bild  trefflich  eingefügt.  Gerade  beschnittene 
Heckenwände,  in  rhythmischer  Anordnung  zu  Nischen  er- 
weitert, von  denen  sich  weiße  Gartenbänke  trefflich  ab- 
heben, begleiten  die  W^ege,  und  schließlich  gibt  ein  üppiger 
Blumenflor  auf  großangelegtem  Beet  ein  reizvolles 
Farbenspiel. 

Mehr  den  Charakter  eines  Spielplatzes  betonte  der  Düssel- 
dorfer Gartenkünstler  von  Engelhardt  in  seinem  Modell  zum 
Hansaplatz.  Das  Prinzip  strenger  Sachlichkeit  ist  klar  aus- 
gesprochen. Statt  der  üblichen  landschaftlichen  Bilder  ist 
in  der  Mitte  des  Platzes,  etwa  2  m  vertieft,  eine  freie  wind- 
geschützte Spielfläche  geschaffen  worden,  die  eine  Mauer 
umfaßt.  Die  angrenzenden,  von  Baumreihen  beschatteten 
grünen  Räume   gewähren  den  Anwohnern  Unterkunft  und 


gestatten  die  Beaufsichtigung  der  fröhlich  sich  tummelnden 
Jugend. 

Die  Bedeutung  des  Spielplatzes  ist  heute  allgemein 
erkannt,  das  spiegelte  die  Ausstellung  trefflich  wieder.  Be- 
achtenswert erschien  mir  der  Versuch  der  Firma  Ochs, 
Hamburg,  eine  weite,  10770  qm  fassende  grüne  Spielwiese 
mit  grünen  Laubengängen  architektonisch  zu  fassen. 

Am  deutlichsten  aber  zeigte  Amerika  auf  der  Aus- 
stellung, welch  großen  Wert  es  auf  die  sportliche  Betätigung 
seiner  Jugend  legt.  Von  hoher  Anziehungskraft  waren  die 
Pläne  und  Photographien  der  Spielplätze  Chicagos  (Heft  7  8, 
Abb.  9  bis  21).  Sie  sind  von  der  Süd-Park-Kommission  ge- 
schaffen worden,  welche  in  den  letzten  Jahren  etwa  72  Mil- 
lionen Mark  für  die  Schaffung  eines  zusammenhängenden 
Systems  von  22  Volksparks  verausgabt  hat.  Dabei  muß 
man  beachten,  daß  in  Chicago  mit  etwa  2  Millionen  Ein- 
wohnern noch  außerdem  die  auf  der  Ausstellung  nicht  ver- 
tretenen West-  und  Nord-Park-Kommissionen  im  selben 
Sinne  tätig  sind. 

Das  wertvollste  dieser  Plätze  liegt  in  ihrer  Verwend- 
barkeit. Sie  sind  in  eine  Anzahl  Teile  gegliedert,  die  ver- 
schiedensten sportlichen  Zweigen  gewidmet  sind.  Hier  findet 
man  freie  Sandplätze,  getrennt  für  Männer  und  Frauen,  die 
mit  den  verschiedensten  Turngeräten  besetzt  sind,  weiter 
einen  Platz  für  kleine  Kinder,  meistens  in  Verbindung  mit 
einem  Wasserplanschbecken  und  einem  Sandspielplatz,  ein 
großes  Ballfeld,  eine  Rennbahn  und  oft  einen  Musikplatz, 
besetzt  mit  Schatten  spendenden  Bäumen.  Auch  ein  Schwimm- 
becken, zweimal  in  der  Woche  Frauen  zur  Benutzung  frei- 
gegeben, fehlt  in  den  größeren  Anlagen  nicht.  Für  die  Aus- 
kleideräume sind  zum  Teil  besondere  Bauten  errichtet,  oder 
sie  finden  auch  Unterkunft  in  dem  sog.  „Field  house",  was 
bei  keiner  Anlage  fehlt.  Es  enthält  zwei  Turnhallen  —  ge- 
trennt für  Männer  und  Frauen  —  die  zur  Winterszeit  benutzt 
werden,  ferner  einen  Eßraum,  Bibliothek,  Warteraum,  und 
sofern  nicht  dafür  eigene  Baulichkeiten  vorhanden  sind, 
Brausebäder,  Auskleideräume  und  Klosetanlagen. 

Der  gärtnerische  Schmuck  dieser  kleinen,  im  Inneren 
der  Stadt  liegenden,  etwa  10  acres  fassenden  Plätze,  be- 
schränkt sich  darauf,  die  einzelnen,  den  verschiedenen  sport- 
lichen Zwecken  dienenden  Teile  mit  grünen  Rasenflächen, 
gelegentlich  auch  Baumalleen  und  Buschwerk  zu  umfassen 
und  durch  dichte  Bepflanzung  an  den  Straßengrenzungen 
gegen  diese  einen  guten  Abschluß  zu  erreichen.  Künst- 
lerischen Wert  erhalten  diese  Plätze  erst  durch  Vereinigung 
des  gärtnerischen  Schmuckes  mit  der  Architektur.  Die 
Bauten  auf  diesen  Plätzen  gehören  zu  den  besten  architek- 
tonischen Leistungen  Chicagos.  Nur  erste  Architekten 
werden  damit  betraut.  Die  Kosten  der  Anlagen  stellen  sich 
damit  freilich  etwas  hoch,  und  da  ist  es  sicher  erwünscht 
die  öffentliche  Meinung  kennen  zu  lernen.  Durchschnitt- 
lich billigt  man  das  Arbeiten  der  Parkkommissionen,  und 
die  Parksteuer  gehört  zu  den  gern  getragenen  öffentlichen 
Lasten. 

Wer  zumal  das  Leben  und  Treiben  auf  diesen  Plätzen 
beobachten  konnte,  den  nimmt  das  nicht  wunder.  Einen 
ungefähren  Begriff  gaben  davon  ja  schon  die  trefflichen 
großen  Photographien  auf  der  Ausstellung.  Wer  die  frisch- 
fröhlich leuchtenden  Augen  der  auf  der  Planschwiese  sich 
tummelnden  Kinderschar  gesehen,  oder  wer  das  Leben  und 
Treiben  im  Sandbad  oder  im  Schwimmbecken,  auf  der 
künstlichen  Rodelbahn  oder  im  Brausebad  beobachtet  hat, 


26 


DER  STÄDTEBAU 


wer  schließlich  die  feurig  blitzenden  Augen  am  Start  zum 
Wettlauf  auf  sich  hat  wirken  lassen,  der  wird  sich  klar 
sein,  daß  nach  dieser  Richtung  in  unserer  deutschen  Jugend- 
fürsorge noch  mancherlei  geschehen  werden  kann  und  muß. 
Zu  diesen  sportlichen  Bestrebungen  gesellen  sich  noch 
andere.  Der  Plan  des  Spielparkes  von  Louisville,  von  den 
Landschaftsarchitekten  Gebr.  Olmsted  in  Boston,  die  auch 
die  Pläne  für  die  Süd-Park-Kommission  in  Chicago  ent- 
warfen, lehrte  ferner,  daß  man  dahin  strebt,  öffentliche 
Gebäude  der  Kunst  und  des  Unterrichts  mit  diesen  Anlagen 
zu  verbinden. 

Bestrebungen  gleicher  Art  waren  auch  schon  in  deutschen 
Planungen  zu  stu- 
dieren. Ein  Ähn- 
liches erstrebt  Mün- 
chen mit  der  Aus- 
gestaltung des  Valley- 
Platzes  nach  dem 
Entwurf  von  Gräßel 
(Heft  7  8,  Tfl.  53"'). 
Ein  mit  Baumreihen 
gefaßter  Volksgarten 
mit  gedeckten  Wan- 
delhallen, Schmuck- 
anlagen ist  mit  einem 
Kinderspielplatz  ver- 
bunden. Baulich- 
keiten :  eine  Milch- 
halle, Viktualien- 
läden  und  Bedürfnis- 
anstalten sind  gut 
eingefügt,  und  an 
bevorzugter  Stelle 
kommen  öffentliche 
Gebäude  zu  bester 
Wirkung.  Schatten- 
spendende Baum- 
alleen begrenzen  die 
Einzelteile.      In    der 

architektonisch 
meisterhaft  gruppier- 
ten Anlage  für  Schul- 
bauten in  Frankfurt 
a.  Main  von  Stadt- 
baurat Berg  in  Bres- 
lau, sind  die  ein- 
bezogenen Spiel- 
plätze als  grüne  Rasenflächen  gedacht,  umschlossen  von 
schattigen  Alleen.     (Heft  7  8,  Tfl.  54"'')- 

Schule  und  Grünplatz  in  ihrer  möglichen  zweckdien- 
lichen Vereinigung  werden  zukünftig  im  Städtebau  noch 
mehr  Beachtung  finden.  Anregungen  nach  dieser  Richtung 
gab  wiederum  Amerika  auf  der  Ausstellung.  Die  Pläne  für 
die  Gruppierung  amerikanischer  Universitätsbauten  zeigten, 
wie  man  dahin  strebt,  die  Bauten  nach  einheitlichem  Plan 
mit  Grünplätzen,  erforderlich  für  sportliche  Betätigung  oder 
zur  Erholung,  zusammenzufassen  zu  einem  Ganzen,  zu  einem 
Organismus,  der  schon  in  seinem  äußeren  Aufbau  die  ihm 
innewohnende  Kraft  und  Einheit  zum  Ausdruck  bringt. 

Aus  rein  monumentalen  Bestrebungen,  gewissermaßen 
als  Ausdruck  der  zu  mächtigen  Gemeinwesen  empor- 
blühenden Städte,  sind  die  Planungen  für  die  großen  Stadt- 


Abb.  I.     Parksystem  von  Groß-Boston. 


Zentren  oder  Prachtstraßen  entstanden,  die  Amerika  auf  der 
Ausstellung  in  Plänen  und  Photographien  zur  Darstellung 
brachte.  Architektur  und  Gartenkunst  sind  auch  hier  aus 
künstlerischen  wie  auch  praktischen  Gründen  gemeinsam 
zur  Wirkung  gebracht  unter  Beachtung  alter  italienischer 
und  französischer  Vorbilder  der  Renaissance-  und  Barock- 
kunst. Ich  nenne  hier  nur  die  Neuplanung  von  Washington, 
bei  welcher  unter  Anlehnung  an  den  alten  großzügigen  Plan 
von  L'Enfant  eine  große  Hauptperspektive  vom  Kapitol  nach 
dem  Washington  Obelisk,  mit  Einbeziehung  des  Weißen 
Hauses  durchgeführt  werden  soll.  Breite  Alleen  und  regel- 
mäßige,   architektonisch    aufgebaute    Gartenflächen    bilden 

einen  Hauptschmuck 
der  Planung  und 
fassen  die  zur  Seite 
rhythmisch  aufge- 
teilten Regierungs- 
gebäude zu  einem 
Ganzen  zusammen. 
Der  neue  Bebauungs- 
plan von  Chicago, 
von  Burnham  und 
Bennett  entworfen 
(Heft  7  8,  Tfl.  43"), 
die  Boulevardpla- 
nung der  Stadt  Phila- 
delphia (Heft  7  8, 
Tfl.  43''),  die  archi- 
tektonisch -  gärtneri- 
sche Behandlung 
eines  Monumental- 
platzes in  St.  Louis 
(Heft  7  8,  Tfl.  4311), 
überraschen  durch 
die  Größe  im  Aufbau 
und  durch  den  Wil- 
len, auch  große 
Geldopfer  nicht  zu 
scheuen,  um  Anlagen 
von  monumentaler 
Kraft  zu  erreichen. 
Auch  anderwärts 
regt  sich's.  Berlage 
hat  in  seinem  sehr  be- 
achtenswerten Ent- 
wurf für  die  Stadt- 
erweiterung im  Haag 
große  Schwerpunkte  für  die  öffentlichen  Bauten  ge- 
plant in  Verbindung  mit  einer  in  ihren  Massen  wohl  ge- 
meisterten Natur. 

Wie  auch  wir  in  diesem  Sinne  schaffen  möchten,  das 
lehrte  der  Wettbewerb  Groß-Berlin,  der  hier  an  anderer 
Stelle  schon  eingehender  besprochen  worden  ist,  und  des- 
halb nur  hingewiesen  werden  soll  auf  die  gartenkünstlerisch 
sehr  beachtenswerten  Platzgestaltungen  von  Bruno  Möhring, 
auf  die  Anlage  bei  Picheiswerder  von  Brix  und  Genzmer, 
wo  die  verschiedensten  Anlagen  für  den  Sport,  ein  Freilicht- 
museum und  Erfrischungsbauten  am  landschaftlich  schönen 
Havelufer  vereinigt  sind,  und  nicht  zuletzt  auf  die  monu- 
mentalen Planungen  von  Bruno  Schmitz  am  Hafelufer,  mit 
Terrassenbauten,  mächtigen  Baumalleen  und  Laubengängen. 
Bruno  Schmitz  hat  schon  in  einem  in  Ausführung  be- 


27 


DER  STÄDTEBAU 


grifFenen  Werk  gezeigt,  wie  er  die  Gartenkunst  im  monu- 
mentalen Sinne  zu  verwerten  gedenkt.  Am  linken  Treppen- 
aufgang in  der  Ausstellung  hing,  nicht  gerade  glücklich,  die 
mächtige  Perspektive  zur  Gestaltung  des  Friedrichsplatzes 
in  Mannheim.  Wer  dessen  Geschichte  kennt,  der  weiß,  wie 
unklug  es  ist,  mit  Zaghaftigkeit  an  eine  große  Aufgabe 
heranzutreten,  und  wie  es  dem  Künstler  erschwert  wird, 
wenn  er  nicht  mit  seiner  ganzen  Idee,  sondern  nur  stück- 
weis durchdringen  kann.  Schritt  für  Schritt  für  die  Vervoll- 
kommnung kämpfen  muß.  So  zeigte  auch  die  ausgestellte 
Perspektive  noch  einen  Kompromißvorschlag.  Die  Wert- 
punkte der  Platzgestaltung  bilden  ein  großes  Springbrunnen- 
becken und  der  Wasserturm,  beide  zusammengebracht  durch 
eine  Wassertreppenanlage.  Vom  Wasserturm  führen  seitlich 
der  Kaskade  Laubengänge  entlang,  mit  mächtigen  Steinsäulen 
und  hölzernem  mit  Schlingpflanzen  umwundenem  Dach. 
Damit  ist  der  Blick  nach  dieser  Seite  geschlossen.  Nach 
entgegengesetzter  Richtung  liegt  eine  breite  Straßenöffnung, 
für  welche  ein  triumpfbogenartiger  Anschluß  geplant  war. 
An  seine  Stelle  ist  vorerst  eine  Baumpflanzung  getreten, 
eine  vierreihige  Alleeanlage,  welche  —  und  das  lehrte  die 
Perspektive  deutlich  —  in  ihren  kubisch  beschnittenen  Formen 
als  ein  recht  guter  Ersatz  gelten  kann.  —  In  seinem  aus- 
gestellten Entwurf  zur  Theaterplatzgestaltung  in  Stuttgart 
hat  Bruno  Schmitz  gleichfalls  die  in  strengen  Formen  ge- 
haltenen gärtnerischen  Anlagen  zur  Fassung  der  Architektur 
und  Steigerung  ihrer  Wirkung  benutzt.  Dasselbe  gilt  für 
Theodor  Fischers  Vorschlag  für  die  Stellung  des  Königl. 
Hoftheaters. 

Wenn  wir  noch  kurz  hinweisen  auf  den  von  Schulze- 
Naumburg  geschaffenen  liebenswürdigen  Ausbau  des  bereits 
vorhandenen  halbkreisförmigen  Platzes  in  Zehlendorf-West 
durch  mit  Grün  umranktes  Lattenwerk,  das  sich  auf  die 
Grenzmauer  stützt  (Heft  7,8,  Tfl.  40"'),  auf  einige  Platz- 
gestaltungen Sexauers  mit  architektonisch  behandeltem 
Grün  und  den  trefflich  durchdachten  Aufbau  von  Ohmann 
für  die  Schloßbrunnenanlage  in  Karlsbad  (Heft  7  8,  Abb.  39) 
und  die  Überwölbung  des  Wienflusses  (Heft  7/8,  Abb.  40-47), 
die  zur  Würdigung  eine  eingehende  Behandlung  der  vor- 
handenen Raumgestaltung  bedürften,  haben  wir  wohl  be- 
sprochen, was  die  Ausstellung  bot  an  gärtnerischen  Anlagen 
im  Dienste  des  engeren  Stadtbildes  und  seiner  Architektur, 
was  sich  zum  Teil  etwa  deckt  mit  dem,  was  Sitte  unter 
„dekoratives"  Grün  zusammenfaßte. 

Gehen  wir  nun  über  zur  Besprechung  der  gärtnerischen 
Anlagen  als  selbständigen  Kunstschöpfungen,  indem  wir 
beginnen  mit  dem  klassischen  Lande  der  Volksparks,  — 
mit  England. 

Die  englische  Landschaft  besitzt  eine  Fülle  von  Grün. 
Weite  saftige  Wiesenflächen  sind  in  gewisser  Regel- 
mäßigkeit durch  lebende  Hecken,  Knicks,  die  zur  Begrenzung 
der  Weideflächen  dienen,  aufgeteilt.  Sie,  und  die  aus  ihnen 
herauswachsenden  oder  auf  den  in  leichten  Schwellungen 
sich  hebenden  und  senkenden  Wiesenflächen  stehenden 
Einzelbäume  oder  auch  Baumgruppen  ergeben  das  Typische. 
Wälder  sind  selten,  desto  prächtiger  sind  Einzelbäume  ent- 
wickelt. Die  an  sich  stark  zerrissenen  iVlassen  werden 
zusammengehalten  durch  die  Luft.  Der  Nebel  oder  auch 
die  feuchte  Luft,  die  ständig  über  der  Landschaft  liegen, 
verschleiert  die  scharfen  Umrisse,  das  Grün  geht  mehr 
zusammen,  es  wird  einheitlicher,  die  Natur  erhält  eine  mehr 
bildmäßige   Stimmung.    Dazu  hilft  ein  prächtiger  Himmel. 


Diese  Stimmung  der  englischen  Landschaft  ergibt  zu- 
gleich die  Grundtöne  für  den  Aufbau  der  englischen  Parks. 
Denn  das  Grundgesetz  des  künstlerischen  Schaffens  liegt 
hier  darin,  die  Landschaft  zu  verwerten  wie  sie  ist,  sie 
höchstens  noch  zu  steigern  in  ihrer  eigenartigen  Form ;  ein 
Grundgesetz  das  von  England  ausgehend,  seit  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  ganz  Europa  beherrscht,  nur  hat  man  bei 
uns  dabei  allzuhäufig  das  zweite  vergessen,  was  das  Schaffen 
des  Engländers  auszeichnet,  den  einfachen  praktischen  Sinn, 
der  ihn  dahin  führte,  den  Park  nicht  zum  Schaustück  zu 
machen,  sondern  ihn  wohl  einzurichten  zur  täglichen  Be- 
nutzung, der  ihn  dazu  brachte,  den  Rasen,  wie  ihn  die 
Natur  bot,  seinen  Zwecken  nutzbar  zu  machen. 

Der  größte  von  den  unter  der  Aufsicht  des  Londoner  Graf- 
schaftsrats stehenden  Parks  ist  der  Viktoria  Park,  217  acres 
umfassend.  Er  gibt  zugleich  ein  vollständiges  Zweck- 
programm. Hier  ist  Raum  für  jede  Art  Sport  geschaffen,  hier 
finden  sich  Grünplätze  für  cricket-  football,  hockey,  lawn- 
tennis,  croquet,  bowls  (Kegel)  and  quoits  (Wurf),  Bahnen  für 
Wettlauf  und  Fahrwege  für  Motorräder  und  Wagenverkehr. 
Vier  Gymnasien  oder  offene  Turnplätze  mit  verschiedensten 
Turngeräten,  zwei  für  Erwachsene  und  zwei  für  Kinder, 
sind  vorhanden,  letztere  mit  Sandspielplätzen  ausgestattet. 
Hinzu  tritt  noch  der  Wassersport.  Der  Park  enthält  drei 
Teiche,  einen  für  den  Bootsport,  einen  zweiten  für  Auf- 
nahme des  Damenbades  und  der  dritte  dient  als  Schwimm- 
bad für  Herren  und  Knaben  und  dürfte  wenig  seinesgleichen 
in  der  Welt  haben. 

Zu  dieser  Freude  am  Sport  tritt  an  eine  andere  Eigen- 
art des  Engländers,  die  sich  in  seinen  Parks  trefflich  wider- 
spiegelt, die  Freude  an  der  Blume.  Ich  habe  noch  nie  so 
viel  und  so  prächtige  blühende  Blumenmassen  beisammen 
gesehen  als  in  England.  Am  schönsten  kommt  die  blühende 
Pracht  in  langen  breiten  Rabatten  zur  Geltung,  und  am 
wohltuendsten  wirkt  sie,  wenn  der  Gärtner  es  verstanden 
hat  in  die  wechselnden,  verschiedenartigsten  Blumenstauden 
einen  Rhythmus  hineinzubringen,  sowohl  in  bezug  auf  Farben 
als  auch  Formen.  Das  vermißt  man  freilich  allzuhäufig. 
Auch  da,  wo  man  sich  von  der  freien,  ungezwungen  natür- 
lichen Landschaft  lossagt  und  sich  zum  Formalen  wendet, 
merkt  man  nur  zu  oft,  daß  hier  die  Gestaltungskraft  aus 
Mangel  an  architektonischem  Gefühl  versagt.  Doch  bringt 
man  dieser  mehr  strengeren,  dem  Zweck  mehr  angepaßten 
formalen  Gestaltung  in  neuerer  Zeit  viel  Teilnahme  entgegen. 

In  dem  Ravenscourt-Park  durchschneidet  die  Land- 
schaft eine  lange  prächtige  Ulmenallee.  Ein  regelmäßiger 
Blumengarten  verdient  Beachtung.  Im  Waterloo-Park  ist 
gleichfalls  ein  kleiner  regelmäßiger  Blumengarten  geschaffen 
worden,  „the  old  English  garden".  Diese  kleinen  regel- 
mäßig aufgeteilten  Gartenflächen  sind  mit  den  verschiedensten 
einheimischen  Blumen  bepflanzt.  In  ihrer  Abgeschlossen- 
heit, —  sie  werden  von  hohen  Heckenwänden  oder  auch  von, 
mit  blühenden  Schlingpflanzen  berankten  Mauern  begrenzt,  — 
gewähren  sie  einen  ruhigen  Zufluchtsort.  Dem  Wanderer 
im  Park  aber,  der  unbewußt  auf  die  kleine  Eintrittspforte 
des  abgeschiedenen  Gartens  stößt,  dünkt  das  sich  ihm 
bietende  Bild  wie  eine  märchenhafte  Zauberschöpfung.  Die 
prächtige  Blütenfülle  der  nicht  sorgsam  abgezirkelten,  son- 
dern nahezu  wild  wachsenden  Blumen,  die  den  Garten 
geradlinig  durchschneidenden  Laubengänge,  gleichfalls  be- 
rankt mit  buntfarbigen  Blumenzweigen,  und  die  an  den 
Endpunkten    oder  im  Mittel   errichteten   Gartenlauben,  be- 


28 


DER  STÄDTEBAU 


haglich  aus  dem  bunten  Gezweige  hervorlugend,  geben 
ein  selten  prächtiges,  friedlich  malerisches  Bild.  Nur  das 
Auge  des  Architekten  erkennt  wohl  die  Mängel  in  der  Raum- 
komposition und  der  Materialwirkung,  die  den  Anlagen  noch 
anhaften. 

Neben  den  englischen  Plänen  auf  der  Ausstellung  hingen 
die  amerikanischen,  von  der  Firma  Gebr.  Olmsted,  Boston. 
Ein  Unterschied  fiel  stark  in  die  Augen;  die  ameri- 
kanischen Pläne  schienen  weit  eingehender  ausgearbeitet 
zu  sein.  Bei  näherer  Betrachtung  erklärte  es  sich  aus  dem 
bedeutend  kleineren  Maßstab  und  das  rechte  Urteil  gab  das 
Studium  der  Parke  selbst.  Der  grundlegende  Park  für 
amerikanisches  Schaffen  ist  der  Zentralpark  in  New  York, 
von  F.  L.  Olmsted  sen.  geschaffen.  Er  gibt  sein  Schaffens- 
gesetz charakteristisch  wieder.  Es  ist  durchaus  nicht  das 
gleiche  der  Engländer,  obwohl  es  auf  den  ersten  Blick  so 
scheinen  mag.  Olmsteds  Schöpfungen  —  und  das  kommt 
ganz  besonders  im  Zentralpark  zum  Ausdruck  —  sind  mehr 
auf  das  Romantische,  Pittoreske  gestimmt.  Es  berührt  ganz 
eigenartig,  wenn  man  den  Zentralpark  New  Yorks,  vom 
Stadtinnern  kommend,  betritt.  Mächtige  Häuser  türmen 
sich  an  den,  den  Park  begrenzenden  Straßen  auf,  Häuser 
von  20  Stock  und  mehr  erheben  sich  an  „The  Plaza",  der 
Erweiterung  der  Fifth  Avenue. 

Und  in  diese  Umgebung  einen  Park  stimmen!  —  Es 
dünkt  beinahe  unmöglich,  wenn  man  nicht  ungeheuren 
Raum  und  Kraft  anwenden  will.  All  das  hat  Olmsted  nicht 
bedurft.  Er  umfriedigte  den  Park  mit  einer  etwa  1,2  m 
hohen  Mauer  und  schuf  innerhalb  dieser  ein  Reich  für  sich, 
ein  ganz  anderes  Reich,  wie  es  die  Großstadt  vermuten 
ließe.  Auf  monumentale  Wirkung  verzichtete  er  nahezu ; 
schuf  hier  mit  Ausnahme  weniger,  nicht  sonderlich  groß- 
zügiger Perspektiven  kleine  intime  landschaftliche  Einzel- 
szenen —  und  darin  zeigte  er  sich  als  Meister.  Trefflich 
hat  er  den  Fels,  auf  dem  der  Park  erstand,  zu  reiz- 
vollen Bildern  verwertet,  ihn  mit  Busch,  Baum  und 
Wasser  in  verschiedensterweise  stimmungsvoll  zusammen- 
komponiert. Man  fühlt  im  Park  durchaus  nicht,  daß  man 
in  der  gigantischen  Großstadt  New  York  weilt.  Nur 
wenn  man  zur  Hauptverkehrszeit  die  Hauptstraße  einher- 
geht und  W^agen  und  Automobile  in  ununterbrochener 
Folge  an  sich  vorüberziehen  läßt  und  die  Menschen 
betrachtet,  dann  atmet  und  fühlt  man  Großstadtluft.  —  Es 
ist  noch  eines  hervorzuheben;  es  ist  meisterhaft  verstanden, 
die  den  Park  senkrecht  zu  seiner  Längsachse  durchschneiden- 
den Verkehrsstraßen  im  Parkbild  zu  verdecken  durch  Über- 
brückung der  Straße  und  Erhöhung  der  Parkflächen.  — 
Vielleicht  liegt  darin  das  Beste  des  Zentralparkes  für  uns. 

In  den  Plänen  für  den  Franklin  -  Park  in  Boston 
und  den  Prospekt-Park  in  New  York  lagen  die  Verhält- 
nisse nicht  so  schwierig.  Hier  gibt  Olmsted  dem 
großzügigeren  Landschaftsaufbau,  mehr  dem  englischen 
Empfinden  nahekommend,  den  Vorzug.  Auch  Tierweiden 
schafft  er  hier,  und  für  den  Menschen  sind  zur  Betätigung 
des  Sports  freie  Wiesenflächen,  zum  Teil  in  waldiger  Stille  — 
auch  ein  Unterschied  gegen  englisches  Planen  —  vorhanden. 
Besondere  Räume  mit  zwecklicher  Formgestaltung  aber 
gibt  es  nicht.  Alles  ist  auf  Kunst  —  landschaftlich  malerische 
Kunst  —  gestimmt.  Erst  in  seinen  letzten  Schaffensjahren 
kam  auch  bei  ihm  die  immer  mehr  anwachsende  sport- 
liche Betätigungslust  des  Volkes  zu  formalem  Ausdruck. 

In  diesem   Sinne   arbeiten  vor  allem  seine   Söhne,   die 


Gebr.  Olmsted,  die  auf  der  Ausstellung  durch  Chicagoer 
Parkanlagen  vertreten  waren.  Ihre  kleineren  Spielplatz- 
anlagen haben  wir  schon  kennen  gelernt.  Dieselben  Grund- 
gedanken treten  im  größeren  Parkschaffen  auf.  Diese,  von 
allen  Teilen  der  Stadt  leicht  zugänglichen  Parks  besitzen  zum 
größten  Teil  die  gleichen  Einrichtungen  für  Sport  und  Spiel, 
nur  die  gärtnerische  Behandlung  der  Parke  wird  freier. 
Auf  der  Ausstellung  sah  ich  den  Jackson-Park  am  Lake 
Michigan  mit  viel  Wasserpartien  (Heft  7  8,  Abb.  9),  und  von 
den  kleineren  den  Palmer-Park,  Hamilton-Park  und  Bes- 
semer-Park,  mehr  den  besprochenen  Spielparks  gleichend. 
Mich  störte  zum  Teil  die  reiche  Verwendung  von  Busch- 
werk, was  sich  freilich  aus  den  ungünstigen  Vegetations- 
verhältnissen Chicagos  ergibt.  Da,  wo  sich  eine  schönere 
Natur  darbietet,  sind  auch  von  den  Gebr.  Olmsted  gute 
landschaftlich  komponierte  Szenerien  geschaffen  worden. 

Wenn  wir  noch  kurz  der  Volks-  und  Sportparkanlage, 
die  Kopenhagen  auf  die  Ausstellung  geschickt  hatte,  gedenken 
und  hervorheben,  daß  sich  auch  hier  Plätze  für  Ballspiel, 
Athletik  sowie  andere  Freiluftübungen  im  Sinne  englischen 
Parkschaffens  vorfanden,  haben  wir  das  Ausland  in  den 
Hauptzügen  betrachtet. 

In  deutschen  Planungen  trat  am  stärksten  der  Streit  der 
Geister  im  modernen  Kunstschaffen  zutage.  Beginnen  wir 
mit  der  älteren  Schule !  —  Bremens  klassische  Wallanlagen 
gehören  an  erste  Stelle.  Es  ist  genugsam  bekannt,  wie  die 
hochgelegenen  Basteien  zu  reizvollen  Hügellandschaften 
verwertet  sind  und  wie  sich  von  den  Höhen  durch  malerische 
Baumgruppen  Durchblicke  auf  das  tiefliegende  Wasser  er- 
geben (Heft  7/8,  Tfl.  41"-^).  Ähnliches  ist  beim  Posener 
Umwallungsgelände  angestrebt  worden  (Heft  7  8,  Abb.  22). 
Dann  wäre  der  Schöpfungen  von  Engelhardts  in  Düssel- 
dorf und  Enckes  in  Köln  zu  gedenken.  Beide  scheinen 
mir  der  englischen  Schule  Gutes  abgelauscht  zu  haben. 
Im  Kaiser- Wilhelm-Park  in  Düsseldorf  sind  weite,  locker 
mit  Bäumen  besetzte  Wiesenflächen  dem  Sport  gewidmet. 
Die  Lage  am  Wasser  forderte  zur  Anlage  von  Boots-  und 
Jachthäfen  heraus  (Heft  7  8,  Abb.  6) ;  auch  in  der  Erweiterung 
des  Volksgartens  zeigen  große  und  kleine  Spielwiesen  zweck- 
liches Planen.  In  Enckes  Plan  zum  Volkspark  in  Rader- 
thal-Köln, der  in  Ausführung  begriffen  ist,  erinnerten  mich 
die  in  trefflich  farbigen  Perspektiven  dargestellten  kleinen 
abgeschlossenen  Ziergärten  an  „the  old  English  gardens", 
die  wir  besprochen,  und  die  den  gleichen  üppigen  Blumen- 
flor, dieselbe  Blumenfülle  zeigten.  —  Im  Klettenberg- Park 
zu  Köln  strebt  Encke  mehr  nach  romantisch-heimatlicher 
Wirkung.  Das  mit  steilen  Hängen  umfaßte,  tief  liegende 
Gelände  ist,  wie  einige  ausgestellte  Photographien  lehrten, 
zur  Schaffung  anmutiger  Landschaftsbilder  verwertet.  Der 
Sport  schließlich  findet  Unterkommen  in  den  am  hohen 
Parkrand  abgeschlossen  liegenden  Spielplätzen. 

In  der  Gartenanlage  Marly-Lübeck  von  Barth  ist  die 
schöne  Lage  zur  Stadt  Lübeck  trefflich  benutzt  zur  Aus- 
bildung von  Fernsichten  auf  die  malerische  Stadt,  auf  ihre 
prächtigen  Kirchen  und  Tore  (Heft  7  8,  Tfl.  41 1"'). 

Im  Schöneberger  Park  wäre  bei  dem  verhältnis- 
mäßig kleinen  Gelände  wohl  ein  strengerer  regelmäßiger 
Aufbau  besser  gewesen.  Glücklicher  komponiert  schien 
mir  der  Entwurf  zum  Münchener  Nordpark  (Heft  7  8,  Tfl.  53  "'^). 
Eine  vierreihige  Allee  durchschneidet  den  Park  in  seiner 
Längsachse  und  führt  auf  ein  Schulgebäude  zu  mit  an- 
liegenden   großen    Spielplätzen    und    einem    kleineren    für 


29 


DER  STÄDTEBAU 


Kinder.  —  Einen  Schritt  weiter  nach  monumentaler  Ge- 
staltung geht  Bauer-Magdeburg  in  seinem  Schillerpark  für 
Berlin.  Er  hat  es  trefflich  verstanden,  die  höchste  Erd- 
erhebung des  Geländes  in  ihrer  Wirkung  noch  zu  steigern 
durch  die  Anlage  des  Kastanienhaines  und  seiner  monu- 
mentalen Terrassengestaltung.  Auch  in  der  Aufteilung  der 
Wiesenflächen  hat  er  den  gleichen  großen  Zug  gewahrt 
und  zeigt  in  der  fein  abgewogenen  Wegführung  eine  ganz 
persönliche  Note.  —  Das  ist  hervorzuheben  nach  einer  Zeit, 
wo  recht  wenig  individuelles  Leben  im  ParkschafFen  zu 
fühlen  gewesen  ist.  Wer  freilich  sich  die  Mühe  nimmt  und 
hinauswandert  nach  dem  Parkgelände,  der  wird  enttäuscht 
sein  und  erkennen,  daß  bei  einem  gartenkünstlerischen 
Werk  Jahre  vergehen,  bevor  die  Wirkung,  die  der  Künstler 
erstrebt  hat,  einigermaßen  erreicht  wird.  Hamburg  wird 
es  in  mancher  Beziehung  gleichfalls  so  gehen  mit  seinem 
neuen  Stadtpark,  obwohl  die  Verhältnisse  hier  etwas  günstiger 
liegen,  denn  der  vorhandene  junge  Waldbestand  ist  bei  der 
Planung  benutzt  worden  und  gibt  ihr  schon  im  Entstehen 
einen  Wertpunkt.  Dem  endgültigen,  auf  der  Ausstellung 
gezeigten  Parkentwurf  ist  ein  langer  Kampf  vorausgegangen. 
Lichtwark  und  andere  Hamburger  haben  in  Wort  und 
Schrift  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  auf  die  Aufgabe  ge- 
lenkt und  darauf  hingewiesen,  daß  man  mit  dem  alltäglichen 
Schaffen  hier  endlich  einmal  brechen  müsse  und  neue  Aus- 
drucksformen für  neue  Werte  zu  erstreben  habe.  Das 
brachte  einen  Streit  der  Geister  über  architektonisches  und 
landschaftliches  Gestalten  und  zugleich  als  Wertvollstes :  ein 
immer  weiter  sich  entwickelndes  Programm.  Dazu  trat 
fördernd  der,  wenn  auch  vergeblich  verlaufene,  Wettbewerb. 
Dann  kam  Schumacher  nach  Hamburg,  und  er  in  Verbindung 
mit  Sperber,  der  sich  schon  dem  Vorentwurfe  gewidmet  hatte, 
schufen  die  Planung,  wie  sie  uns  auf  der  Ausstellung  vor- 
geführt wurde. 

Bei  Betrachtung  der  prächtigen  Perspektiven  vom  Park 
und  seiner  Einzelteile  dürften  manchem  Gartenkünstler  älterer 
Schule  die  Augen  aufgegangen  sein.  Er  wird  da  erkannt 
haben,  daß  im  Gartenbau  das  wesentliche  des  künstlerischen 
Schaffens  in  Ansehung  der  Naturbedingungen  ruht  und  in  Ver- 
wertung dieser  zu  Raumgebilden.  Lediglich  die  Klärung  über 
die  Anforderungen,  die  ein  solcher  Organismus  stellt,  und 
die  Lösung  dieser  Aufgaben  durch  eine  künstlerische  Per- 
sönlichkeit, die  Raumempfinden  besitzt  —  das  ist  das  Pri- 
märe alles  künstlerischen  Schaffens  —  hat  den  Entwurf  für 
den  Hamburger  Stadtpark  emporgehoben  zu  einem  Kunst- 
und  Kulturwerk  von  hoher  Bedeutung.  Ein  Kunst-  und 
Kulturwerk  von  nationaler  Bedeutung,  weil  es  allen  An- 
forderungen unserer  Zeit,  die  da  gipfeln  in  dem  Drange  nach 
sportlicher  Betätigung  jeder  Art,  gerecht  zu  werden  ver- 
standen hat  und  diese  ohne  Überlieferung  aufgestellten 
Forderungen  so  zu  lösen  wußte,  daß  daraus  ein  Gebilde  ent- 
stand, geeignet  im  einzelnen  das  Auge  zu  befriedigen  und 
Herz  und  Gemüt  zu  erfreuen,  im  ganzen  aber  eine  Einheit 
darstellt  von  eindrucksvoller  Größe,  ganz  der  Kraft  eines 
mächtigen  Gemeinwesens  entsprechend. 

Mit  welchen  Mitteln  ist  das  erreicht?  Dadurch,  daß 
der  Künstler  es  verstanden  hat,  die  gegebenen  Hauptwerte, 
das  Restaurationsgebäude  mit  seinen  Hallen  und  Sälen  und 
Terrassen,  das  Kaffeehaus,  den  See  mit  seinen  Ufern  und  den 
im  Aufbau  durch  einen  Wettbewerb  schon  festgelegten 
Wasserturm  —  gleichfalls  ein  monumentales  Werk  —  in- 
mitten des  vorhandenen  Waldbestandes,  zusammenzufassen 


zu  einem  repräsentativen  Teil  und  diesen  durch  seinen  räum  ^ 
liehen  Aufbau  —  wohl  abwägend  Kunst  und  Natur  —  zu  größter 
Monumentalität  zu  steigern.  An  diesen  Hauptbau  schließen 
sich  dann  die  größeren  und  kleineren  Einzelräume,  wohl 
geeignet  zu  Sport  und  Spiel,  in  einfacher  Sachlichkeit  zwang- 
los an;  perspektivische  Beziehungen  zum  Hauptbau  geben 
die  natürliche  Verbindung.  Sachlich  sind  auch  die  Natur- 
bedingungen, die  Form  des  Geländes,  die  zuführenden 
Hauptverkehrsstraßen,  die  Verbindung  mit  dem  Goldbeck- 
kanal gelöst.  (Heft  7  8,  Tfl.  41 ').  Der  Entwurf  zum  Ham- 
burger Stadtpark  zeigt,  wohin  der  Weg  im  modernen  Kunst- 
schaffen im  Gartenbau  führt:  Unter  Beachtung  der  Zweck- 
forderungen ein  rechtes  Verhältnis  zwischen  Kunst  und 
Natur  zu  finden. 

Dies  Kennwort  möchte  ich  auch  als  Ziellinie  dem 
letzten  Kapitel  unserer  Betrachtung,  „Parksysteme",  vor- 
anstellen, dem  entwicklungsfähigsten  Gebiet  gartenkünst- 
lerischen Schaffens  im  Städtebau.  Nachdem  bisher  die 
Gartenanlagen  im  Städtebau  ein  vom  übrigen  Planen  los- 
gelöstes Element  bildeten  und  bescheiden  den  Platz  im  Stadt- 
plan einnehmen  mußten,  den  der  Städtebaukünstler  gerade 
nicht  anders  verwerten  konnte,  gleichgültig,  ob  die  Natur- 
bedingungen gute  oder  schlechte  waren,  regt  sich  jetzt  aller- 
orten die  Erkenntnis,  daß  hier  viel  versehen  und  eine  Reihe 
von  Aufgaben  zu  lösen  sind. 

Das  Ausland  ist  auf  diesem  Wege  vorangegangen.  Der 
Wald-  und  Wiesengürtel  und  die  Höhenstraße  der  Stadt 
Wien  waren  in  einem  mächtigen  Plane  und  durch  zahlreiche 
Photographien  auf  der  Ausstellung  ihrer  hohen  Bedeutung, 
entsprechend,  zur  Darstellung  gebracht.  Wien  hat  schon 
in  früher  Zeit  im  alten  Stadtplan  durch  Anlage  kon- 
zentrischer, breiter  gärtnerisch  behandelter  Straßenzüge  den 
Wert  zusammenhängenden  Grüns  erkannt.  Um  die  innere 
Stadt  läuft  ein  breiter  Straßenzug,  die  Ringstraße  und  der 
Franz- Joseph -Kai,  und  in  einer  Entfernung  von  etwa 
2  bis  3  km  ein  zweiter,  die  Gürtelstraße,  beide  mit  einer 
Fülle  anschließender  Gärten  und  Plätze.  Das  riesige  Wachs- 
tum der  Stadt  führte  zu  einer  dritten  Anlage.  Nur  ist  dieser 
letzte  Gürtel  bei  weitem  umfassender.  W^ährend  Wien 
bisher  etwa  917  ha  Grundfläche  an  öffentlichen  Garten- 
anlagen besitzt,  beträgt  das  Gesamtausmaß  der  vom  Wald- 
und  Wiesengürtel  bedeckten  Bodenfläche  rund  4400  ha. 
Seinen  wertvollsten  Bestandteil  bildet  die  „Höhenstraße", 
welche  an  den  Abhängen  des  V/ienerwaldes,  vom  Donau- 
strom bis  zum  Wienfluß  entlangführt  und  durch  seine 
hohe  Lage  prächtige  Aussichten  über  ganz  Wien  und 
noch  darüber  hinaus  gewähren  wird. 

Zu  diesen  konzentrisch  aufgeteilten  Parkgürteln  Wiens 
tritt  im  Wald-  und  Wiesengürtel  von  Groß-Bcston  noch  eine 
Verbindung  durch  radiale,  zungenförmig  in  die  Großstadt  sich 
drängende  Gartenflächen,  und  damit  hat  sich  dies  Park- 
system den  ersten  Platz  gesichert.  Groß-Boston  besteht 
aus  40  Gemeinden,  die  im  sogenannten  Metropolitan-Park- 
distrikt  zu  einem  Zweckverband  zusammengefaßt  sind,  der 
einen  geschlossenen  Gürtel  von  Wäldern,  Wiesen  und  Seen 
und  Flußufern  um  Boston  mit  zahlreich  sich  ins  Innere 
der  Stadt  erstreckenden  Zungen  geschaffen  hat.  Das  Park- 
system (Textbild  1)  wurde  begonnen  von  Charles  Eliot,  einem 
Schüler  des  schon  erwähnten  F.  L.  Olmsted,  dem  Schöpfer  des 
Zentralparks  in  New  York.  Sie  vereinigten  sich  1893,  und 
nach  beider  Tod  führten  die  Söhne  Olmsteds  das  Werk  der 
Entwürfe  weiter.    Ihr  Hauptgedanke  in  gartenkünstlerischer 


30 


DER  STÄDTEBAU 


Richtung  liegt  in  der  bestmöglichsten  Verwertung  der  vor- 
handenen Natur. 

Derselbe  Grundsatz  herrscht  im  übrigen  Amerika,  denn 
es  muß  hier  betont  werden,  fast  jede  größere  Stadt  der 
Vereinigten  Staaten  hat  sein  Parksystem  oder  plant  es  zum 
mindesten.  Auf  der  Ausstellung  war  Chicago  gut  vertreten 
(Jahrg.  1905,  Tfl.  72  stellt  einen  Teil  des  Parksystemes  dar). 
Hier  hat  eine  staatliche  Kunstkommission  die  landschaftlich 
reizvollsten  Gegenden  bestimmt,  und  werden  die  land- 
schaftlich zumeist  prächtigen  Flußufer,  der  Strand  am  See 
—  ich  weise  hier  auf  die  großartige  Planung  für  einen 
Wasserpark  hin  (Heft  7,8,  Tfl.  44')  —  den  Kern  der  späteren 
Parkanlagen  bilden.  Im  Parksystem  von  Groß-Baltimore, 
von  den  Gebr.  Olmsted  aufgestellt,  sind  auch  tiefgehende 
intime  Naturstudien  als  Vorarbeiten  vorausgegangen,  um 
auch  hier  in  ein  System  zusammenzufassen,  was  von  Natur 
aus  schon  hervorragend  landschaftlichen  Reiz  besitzt.  Ich 
nenne  ferner  den  Plan  des  Parkgürtels  der  Stadt  Philadelphia, 
anziehend  durch  die  großzügige  Boulevardplanung  und  die 
Pläne  der  Parkgürtel  von  St.  Louis  und  Washington,  ent- 
standen durch  Berufung  von  Kommissionen,  in  welchen 
sich  erste   Architekten  und  Landschaftskünstler  befinden.*) 

Deutschlands  Stadt-  bzw.  Staatsverwaltungen  stehen 
darin  weit  zurück.  Daß  die  Erkenntnis  des  Wertes  dieser 
Ziele  die  schaffenden  Geister  aber  beherrscht,  das  kam 
wiederum  im  Wettbewerb  Groß -Berlin,  zum  Ausdruck 
Eine  sachgemäße  Verteilung  der  Parkflächen,  ihre  Verbin- 
dung untereinander  und  mit  dem  Stadtinneren  hatte  Jansen 


*)  Die  Grundlinien  des  amerikanischen  Schaffens  habe  ich  versucht 
auf  der  Hygiene-Ausstellung  in  Dresden  in  folgende  Sätze  zusammen- 
zufassen. 

1.  Schaffung  von  Spielplätzen  und  kleinen  Parks  im  Innern  der  Stadt. 

2.  Erhaltung  großer  freier  Flächen,  vor  allem  der  landschaftlich  reiz- 
vollen Gegenden  im  weiteren  Umkreis  der  Städte  zu  Erholungs- 
stätten. Zur  Durchführung  vereinigen  sich  benachbarte  Gemeinden 
zu  Zweckverbänden. 

3.  Verbindung  der  Parks  und  großer  freier  Flächen  durch  Parkwege, 
die  bis  in  das  Herz  der  Städte  eindringen. 

4.  Schaffung  von  Prachtstraßen  und  monumentalen  Stadtzentren  als 
Ausdruck  mächtiger  Gemeinwesen  unter  Zusammenwirkung  von 
Architektur,  Gartenkunst,  Wasserkunst  und  Plastik. 


in  seinem  gründlich  durchdachten  Entwurf  angestrebt.  Wohl 
noch  klarer  schien  mir  der  Entwurf  unter  Bruno  Möhrings 
künstlerischer  Leitung  das  zur  Darstellung  gebracht  zu 
haben;  er  gab  zugleich  sehr  beachtenswerte  gartenkünst- 
lerische Einzellösungen. 

Darauf  näher  einzugehen,  wäre  verfrüht.  Das  Erreich- 
bare nach  künstlerischer  Seite  ist  heute  kaum  noch  ab- 
zusehen, vorerst  muß  die  Ergründung  der  zu  stellenden 
Anforderungen  noch  vertieft  werden.  Aber  schon  regt  sich's 
allerorten.  Den  Städtebauausstellungen  in  Berlin  und  Düssel- 
dorffolgte die  Internationale  Hygiene- Ausstellung  in  Dresden, 
welche  wiederum  die  hohe  Bedeutung,  die  man  der  Garten- 
kunst im  Städtebau  beimißt,  erkennen  ließ.  Neben  den 
schon  in  Berlin  und  Düsseldorf  gezeigten  Plänen  möchte 
ich  hier  nennen  die  Straßen-  und  Platzgestaltungen,  die  Heicke 
für  Frankfurt  a.  M.  plante,  die  prächtige  monumentale  Platz- 
lösung, die  Stadtbaurat  Kiehl  in  Rixdorf  in  dem  Modell  des 
Körner-Parkes  zur  Darstellung  brachte  und  den  Wald-  und 
Wiesengürtel,  den  Erfurt  zu  erhalten  strebt,  unter  Mitarbeit 
seines  Gartendirektors  Bromme.  Es  bleibt  noch  auf  die 
öffentlichen  Wettbewerbe  der  letzten  Zeit  hinzuweisen, 
vor  allem  auf  die  Ausschreiben  für  einen  Parkring 
auf  dem  Gelände  des  Tempelhofer  Feldes  in  Berlin,  in 
Hamm  i.  W.  und  die  großen  städtebaulichen  Aufgaben,  die 
Leipzig  und  Düsseldorf  der  deutschen  Künstlerschaft  zur 
Lösung  stellen  in  den  Ausschreibungen  für  die  Bebauung 
der  Frankfurter  Wiesen  in  Leipzig  und  die  Erweiterung 
Düsseldorfs.  Schon  die  Wettbewerbsbedingungen  lassen 
deutlich  erkennen,  wie  die  Heimatschutzbewegung  von  Tag 
zu  Tag  erstarkt,  das  Verständnis  für  Bodenständigkeit  oder 
Einheit  von  Natur  und  Siedelung  im  steten  Wachsen  begriffen 
ist.  Die  Stellung  der  Bauwerke  in  ihrer  Beziehung  zur  Natur, 
Lage  und  Führung  der  Straßen  unter  Berücksichtigung  der 
Geländegestaltung  auch  nach  landschaftlichen  Schönheits- 
werten, Erhaltung  der  Wasserflächen  und  Ausbildung  ihrer 
Ufer  und  Erforschung  und  Steigerung  der  landschaftlichen 
Schönheiten  und  deren  Verwertung  im  Stadtplan  sowie  die 
Benutzung  der  Grünflächen  zu  Spiel-  und  Sportbetätigung  sind 
schwebende  Fragen,  die  erkennen  lassen:  Es  geht  vorwärts 
auch  im  gartenkünstlerischen  Gebiet  beim  Städtebauplanen. 


DIE  ORDENSSTADT  MARIENBURG, 
EIN  STÄDTEBILD  IM  OSTEN. 


Von  KONRAD  METZEL,  Dirschau. 

Man  kann  zu  der  Wiederherstellung  alter,  geschichlich 
bedeutsamer  Bauten  einen  Standpunkt  einnehmen  welchen 
man  will,  man  wird  immer  zugeben  müssen,  daß  sie  nicht 
nur  als  Bau-,  Kunst-  und  Kulturdenkmäler  wirken,  sondern 
daß  durch  sie  auch  die  Geschichte  eine  oft  sehr  eindrucks- 
volle und  mahnende  Sprache  redet.  Nirgends  wohl  im 
deutschen  Vaterlande  spricht  aber  die  Geschichte  in  so  monu- 
mentalen Tönen  zu  jedem  deutschen  Herzen,  wie  in  der  alten 
Ordensstadt  Marienburg  in  Westpreußen. 

Bedeutet  doch  die  Marienburg  die  Wiege  und  den  Grund- 
stein zu  Preußens  Kultur  und  Größe  und  ein  Wahrzeichen 
für  das  Deutschtum  in  Gegenwart  und  Zukunft.    Und  bieten 


sich  doch  nirgends  die  wechselvollsten  Bilder  der  stolzesten 
Größe  und  des  tiefsten  Falles  so  eindrucksvoll  wie  gerade  hier. 

Deshalb  müssen  wir  dem  Schicksal  dankbar  sein,  das 
uns  dieses  Kleinod  in  der  deutschen  Ostmark  wieder  in  alter 
Herrlichkeit  auferstehen  ließ.  Aber  Burg  und  Stadt,  wo  ein 
Bartholomäus  Blume  1457  den  Heldentod  der  Treue  für  den 
Orden  stsirb,  gehören  unlösbar  zusammen. 

Es  ist  verständlich,  daß  zunächst  alle  Kräfte  und  Mittel 
zusammengefaßt  werden  mußten,  um  das  Schloß  aus  dem 
drohenden  Verfall  zu  retten.  Aber  wir  glauben  die  Zeit 
nunmehr  gekommen,  daß  auch  für  die  Stadt,  die  bescheiden 
daneben  stand,  etwas  geschehen  muß.    Von  ihrer  Höhe  als 


3X 


DER  STÄDTEBAU 


(  I  Eligen  Hauptstadt  des  Ordens  und  mächtigsten  Stadt  des 
Ostens  ist  sie  zu  einer  bescheidenen  Kreisstadt  von  etwa 
15000  Einwohnern  herabgesunken,  während  ihre  alte 
Nebenbuhlerin  Danzig  sich  zur  Provinzialhauptstadt  auf- 
geschwungen hat. 

Aber  als  wichtiger  Bahnknotenpunkt,  von  dem  auch  jetzt 
noch  wie  früher  zahlreiche  Verkehrslinien  in  das  Land  hinaus- 
führen, hat  sie  noch 
einen  Rest  ihrer  alten 
Bedeutung  behalten, 
und  wird  deshalb  und 
auch  als  der  Mittelpunkt 
eines  gesegneten  reichen 
Landstriches,  des  Ma- 
rienburger  Werders  so- 
wie durch  die  bereits  im 
Bau  begriffene  Kanali- 
sierung der  Nogat,  durch 
das  zahlreiche  Militär 
und  durch  den  rührigen 
Sinn  ihrer  Bewohner 
und  Behörden  eine  Zu- 
kunft haben.  In  erster 
Linie  aber  bleibt  Ma- 
rienburg eine  Freraden- 
stadt,  die  jährlich  des 
Schlosses  wegen  von 
vielen  Tausenden  von 
Fremden  aufgesucht 
wird. 

Durch  den  Wölke- 
schen Bankkrach  1907 
und  verschiedene  Brän- 
de in  letzter  Zeit  ist  die 
Entwicklung  der  Stadt 
aufgehalten  worden  und 
dem  Bau  des  Schlosses 
gegenüber  zurückge- 
blieben. Trotzdem  bietet 
sie  durch  ihre  alter- 
tümliche Bauart,  die 
schönen  Lauben  auf 
dem  Markte  mit  dem 
alten  Rathaus  und  durch 
zahlreiche  gelungene 
neuere  öffentliche  und 
private  Bauten  manch 
reizvolles     Straßenbild. 

So  schön,  wie  sich 
die  Stadt  den  von  Dir- 

schau     mit    der    Bahn  Abb.  2. 

kommenden     Fremden 

vor  und  hinter  der  Nogatbrücke  bis  kurz  vor  dem  Em- 
pfangsgebäude darstellt  und  so  anmutig  das  Bild  ist,  das 
sich  den  Besuchern  der  am  linken  Nogatufer  unterhalb 
der  Stadt  abgehaltenen  Pferderennen  vom  Nogatdeiche 
aus  und  den  Bewohnern  des  Marienburger  Werders  von 
Nordosten  her  bietet,  so  wenig  entspricht  diesem  Eindruck 
das  Bild,  das  man  im  Innern  erhält.  Namentlich  die  von 
der  Bahnhofstraße  nach  dem  Inneren  der  Stadt  und 
dem  Schlosse  führenden  Straßen  machen  einen  wenig  er- 
freulichen Eindruck  und  dürften  nur  durch  scharfe  Eingriffe 


und  mit  großen  Kosten  ihrer  Bedeutung  als  Eingangs-  und 
Hauptstraßen  einer  Fremdenstadt  von  der  Bedeutung  Marien- 
burgs  entsprechend  umzugestalten  sein. 

Zwar  ist  schon  manches  getan.  So  sorgt  die  Schloß- 
bauverwaltung für  würdige  Ausgestaltung  auch  der  näheren 
Umgebung  des  Schlosses,  und  die  Gegend  am  Empfangs- 
gebäude ist  in  letzter  Zeit  von  der  Eisenbahnverwaltung  in 

einer  der  Fremdenstadt 
würdigen  Weise  ver- 
bessert w^orden.  Auch  in 
den  Kreisen  der  Bürger- 
schaft beginnt  es  sich  zu 
regen;  man  hat  soeben 
einen  Verkehrsverein 
gegründet,  weil  man  es 
nicht  für  wünschens- 
wert hält,  daß  die  Frem- 
den, die  das  Schloß  be- 
suchen, nicht  länger  in 
der  Stadt  weilen,  als  zur 
Schloßbesichtigung  not- 
wendig ist,  und  weil 
man  der  Meinung  ist, 
daß  sie  auf  die  Sehens- 
würdigkeiten nicht  ge- 
nügend hingewiesen 
würden.  Man  bedenkt 
aber  zu  wenig,  daß  die 
fremden  Besucher  auch 
diese  Sehenswürdig- 
keiten in  dem  Rahmen 
moderner  Anlagen,  in 
einem  schönen  Städte- 
bilde zu  sehen  ver- 
langen. 

Auch  die  Stadtge- 
meinde selbst  ist  bereits 
in  anerkennenswerter 
Weise  damit  vorge- 
gangen, Grund  und 
Boden  zu  erwerben,  so 
namentlich  in  letzter 
Zeit  im  Nordosten  der 
Stadt,  um  an  der  No- 
gat Parkanlagen  zu 
schaffen,  an  denen  es  in 
Marienburg,  wie  über- 
haupt an  einer  waldigen 
näheren  Umgebung 

fehlt.      Doch     hat    sie 
leider  die  Verunstaltung 
des    Städte-    und    zum 
Teil  des  Schloßbildes  durch  nicht  hingehörige  und  störende 
Gebäude  nicht  zu  verhindern  vermocht. 

Der,  wie  wir  hören,  in  Aussicht  stehende  Erlaß  einer 
Bauordnung  und  eines  Ortsstatuts  gegen  Verunstaltung,  der 
nicht  bald  genug  erfolgen  kann,  wird  vielleicht  in  mancher 
Beziehung  heilsam  wirken;  eine  wirkliche  Sicherheit  gegen 
jede  weitere  Verunstaltung  des  Städtebildes,  welche  die 
Allgemeinheit  erwarten  muß,  wird  dadurch  nicht  geschaffen. 
Hier  kann  nur  ein  großzügiger  Bebauungs-  und  Stadt- 
erweiterungsplan,    von    Meisterhand    entworfen,     und    eine 


32 


DER  STÄDTEBAU 


mit  diesem  geborene,  kongeniale  Bauordnung  und  mit  ihr  als 
Prüfungsinstanz  eine  Künstler-  und  Sachverständigenkommis- 
sion die  nötige  Gewähr  bieten,  daß  die  großen  künstlerischen, 
geschichtlichen  und  kulturellen  Werte  gewahrt,  und  zugleich 
die  für  Marienburg  und  besonders  für  die  Vororte  so  wichtigen 
gesundheitlichen  und  sozialen  Gesichtspunkte  nach  Gebühr 
gewürdigt  werden.  Gerade  in  kleineren  Städten  bedarf  es  mehr 
wie  anderswo  des  ganzen  Gewichtes  und  der  Überzeugungs- 
kraftderAutorität,  um  die  natürlichen  und  schärferwie  anders- 
wo hervortretenden  Einzelinteressen  auf  ein  das  Allgemein 
Interesse  nicht  schädigendes  Maß  zurückzuführen. 

An  der  Wiederherstellung  und  Verschönerung  dieser  alten 
Stätte  deutscher  Kultur  und  Kunst  im  Osten  mitzuarbeiten,  eine 
schönere  und  würdigere  Aufgabe  könnte  den  deutschen 
Städtebaukünstlern  nicht  gesetzt  werden,  eine  Aufgabe,  die 
noch  glänzender  und  erfolgreicher  gelöst  würde,  wenn  auch 
den  deutschen  Architekten  die  Möglichkeit  geboten  würde,  für 
die  neuen  Gebäude  eine  der  Stadt  würdige  architektonische 
Form  zu  finden.  Noch  ist  es  nicht  zu  spät,  doch  jedes  Zögern 
kann  nicht  wieder  gut  zu  machenden  Schaden  bringen. 

Über  die  Art  der  Ausführung  unseres  Vorschlages  seien 
uns  noch  einige  Andeutungen  und  Wünsche  gestattet. 

Rings  um  die  Stadt,  abgesehen  von  dem  zu  Festungs- 
zwecken dienenden  Gebiet,  ist  noch  reichliches,  von  der  Be- 
bauung unberührtes  Gelände  vorhanden.  Ein  moderner  Bebau- 
ungsplan und  eine  mit  diesem  gleichzeitig  ausgearbeitete  Bau- 
ordnung ist  daher  schon  mit  Rücksicht  auf  eine  richtige  Ent- 
wicklung der  Außenstadt  und  der  Vororte,  deren  Einverleibung 
zum  Teil  genehmigt,  zum  Teil  nur  eine  Frage  der  Zeit  ist,  sowie 
auf  die  Ausgestaltung  der  einmündenden  Landstraßen  von  Be- 
deutung. Hier  ist  eine  Bebauung  mit  Mietskasernen  ausge- 
schlossen, vielmehr  die  Gartenstadtform  und  die  Staffelung  der 
Bauordnung  die  einzig  gegebene.  Die  Förderung  des  Kleinhaus- 
baues ist  gerade  für  Marienburg  eine  dringende  Notwendigkeit. 

Vor  allem  hat  der  Bebauungsplan  für  die  Vorstädte  aber 
Rücksicht  auf  das  Schloß  zu  nehmen.  Überall,  nicht  nur 
im  Nordosten,  ist  die  Schaffung  der  so  sehr  fehlenden  Park- 
anlagen und  Freiflächen,  schöner  Promenaden  mit  Reit- 
wegen für  das  zahlreiche  Militär,  sowie  die  Anlage  reizvoller 
Uferstraßen  und  überhaupt  die  künstlerische  Ausgestaltung 
der  Gegend  an  der  Nogat  anzustreben. 

^  In  der  Innenstadt  selbst  würde  ebenfalls  in  erster  Linie 
gebührende  Rücksicht  auf  die  Burg  als  den  natürlichen 
Haupt-  und  Mittelpunkt  der  Stadt,  durch  Herstellung  ach- 
sialer  Beziehungen,  Ausgestaltung  und  Anpassung  der 
näheren  und  weiteren  Umgebung  unter  Gewinnung  schöner 
Blickpunkte  usw.  zu  nehmen  sein. 

Als  nächstliegende  und  dringendste  Aufgabe  möchten 
wir  aber  einmal  die  Freihaltung  des  zwischen  Stadt  (Lang- 
gasse,  Welscher   Garten),    Ostbahn   und   Schloß   liegenden 


Vorlandes  und  die  Herstellung  eines  unmittelbaren,  durch 
dieses  zu  einem  Park  umzugestaltende  Gelände  führenden 
Verbindungsweges  zwischen  Bahnhof  und  Schloß  in  Form 
einer  Prachtstraße  bezeichnen,  die  sich  an  die  Bahnhof- 
straße in  einer  Länge  von  etwa  700  m  anschließend,  fast 
durchweg  unbebautes  Gelände  durchschneidend  und  den 
Mühlengraben  vor  dem  Schloß  mit  einer  monumentalen 
Brücke  übersetzend,  einen  würdigen  und  schönen  Zugang  zum 
Schloß  und  zu  den  Lauben,  als  der  eigentlichen  City,  schaffen 
würde.  (Textbild  2.)  Diese  Schloßpromenade  würde  gleichzeitig 
auch  als  die  Zugangsstraße  oder,  wenn  man  so  will,  mit  dem 
zugehörigen  Park,  als  die  Fortsetzung  des  von  der  Stadt  jen- 
seits der  Bahn  an  der  Nogat  anzulegenden  Parkes  dienen. 

Außer  Reit-  und  Radfahrwegen,  müßte  sie  vor  allem  eine 
Automobilfahrbahn  erhalten,  zur  Benutzung  für  Se.  Maj. 
den  Kaiser,  der  alljährlich,  in  der  Regel  vom  Nogatbahn- 
steig  aus,  das  Schloß  besichtigt,  und  mit  Automobil  auf  dem 
Landweg  weiter  zu  reisen  pflegt.  An  dieser  Prachtstraße, 
die  als  vornehmsten  Schmuck  die  Denkmäler  der  um  das 
Ordensland  und  das  Königreich  Preußen  verdienten  Männer 
erhalten  müßte,  würden  Gartenwirtschaften  vornehmen  Stils 
u.  dgl.,  an  denen  es  zurzeit  dort  mangelt,  anzulegen  sein. 
Die  Verbindung  nach  der  Innenstadt  würde  durch  Durch- 
brüche nach  der  Langgasse  herzustellen  sein. 

Es  fehlt  ferner  eine  schöne  große  Promenade,  die  um 
die  Stadt  und  ebenso  um  das  Schloß  herumführt.  Schöne 
Blicke  auf  das  Schloß  und  die  Nogat  würden  bei  Neu- 
herstellung oder  Umgestaltung  der  Straßen  (Durchbrüche) 
zu  gewinnen  sein.  So  ließe  sich  eine  städtebauliche  Anlage 
schaffen,  die  im  Verein  mit  dem  durch  Steinbrechts  Meister- 
hand wieder  neu  aus  den  Trümmern  erstandenen  Schlosse 
ein  Ruhmesblatt  in  den  Jahrbüchern  deutscher  Städtebau- 
kunst bilden  würde. 

Es  erscheint  natürlich  ausgeschlossen,  daß  die  nicht 
reiche  und  schwer  heimgesuchte  Stadt  (Kommunalzuschlag 
zur  Einkommensteuer  300%)  die  erforderlichen  großen 
Mittel  für  ein  Unternehmen  von  allgemeiner  nationaler  Be- 
deutung allein  aufbringen  kann.  Wir  zweifeln  nicht  daran,  daß 
sich  ebenso  wie  für  die  Wiederherstellung  der  Burg  auch  für 
einen  entsprechenden  Ausbau  der  Stadt  die  nötigen  Mittel  finden 
werden,  vielleicht  in  Form  einer  Lotterie  oder  dergleichen. 

Die  natürlichste  und  schönste  Lösung  dieser  Frage  würde  es 
sein,  wenn  der  Verein  für  die  Herstellung  und  Ausschmückung 
der  Marienburg  auch  der  Ausgestaltung  der  Stadt  im  ganzen 
Umfange,  oder  wenigstens  in  ihren  wichtigsten  Teilen  — 
etwa  um  ein  Beispiel  herauszugreifen,  bei  Herstellung  einer 
Prachtstraße  vom  Bahnhofe  nach  dem  Schlosse  und  zum 
Schutze  des  Vorlandes  des  Schlosses  gegen  Verunstaltung 
bzw.  Anlage  eines  Schloßparkes  — ,  einen  Teil  seiner  so 
verdienstvollen  Arbeit  zuwenden  wollte. 


WARUM  GIBT  ES  NOCH  KEINE  GARTENSTADT 
BEI  BERLIN? 


Von  B.  WEHL  in  Hermsdorf  bei  Berlin. 

Es  ist  bedauerlich,  diese  Frage  noch  immer  stellen  zu 
müssen.  Nur  eine  Kolonie  —  die  „Freie  Scholle"  bei  Tegel 
—  haben  wir,  die  mit  sehr  hoher  Beleihung  zu  sehr  niedrigem 


Zinsfuß  (aus  Reichsmitteln)  recht  erfreuliche  Fortschritte 
zu  machen  scheint.  An  einer  Gartenstadt  ist  nichts  zu  ver- 
dienen, darum  hat  sich  das  Privatkapital  dieses  gewiß  zug- 


33 


DER  STÄDTEBAU 


kräftigen  Geschäftszweiges  noch  nicht  bemächtigt !  Es  gibt 
keine  Gartenstadt,  die  ohne  Wohltätigkeit  in  irgendeiner 
Form  bestehen  könnte.  Das  ist  keine  Schande.  Man  ver- 
sucht es  aber  stets  zu  leugnen. 

Unsere  neueste  Ergänzung  der  Bauordnung  hat  nun 
auch  die  letzten  polizeilichen  Hindernisse  beseitigt  und 
gestattet  in  großem  Umfange  Reihenhäuser.  Wir  haben 
vernünftige  Gemeinden,  die  für  solche  Zwecke  billige  schmale 
Wohnstraßen  zulassen.  Wir  haben  billiges  Land  (7—8  Mk. 
für  1  qm  geregelten  Nettobaulandes)  mit  Gas-,  Wasser- 
und  Entwässerungsleitungen,  mit  Schulen  am  Orte  und 
dicht  am  Bahnhofe,  mit  vorzüglichen  Verbindungen  zu  be- 
nachbarten Industrieorten  (ftir  10  Pfg.)  und  zur  Stadt  (20  Pfg.). 
Es  gibt  noch  keine  Gartenstadt  mit  gleich  günstigen  äußeren 
Lebens-  und  Vorbedingungen,  wie  sie  hier  geboten  werden. 
Und  doch  entstehen  keine  bei  Berlin! 

Es  fehlt  zunächst  die  Teilnahme  unserer  Großindustrie 
und  einiger  Förderer,  die  das  anfängliche  Betriebskapital 
zinslos  oder  zu  sehr  mäßigem  Zinsfuß  vorstrecken.  Es 
fehlt  am  rechten  Anreiz  bei  den  für  die  Beleihung  in  Frage 
kommenden  Instituten.  Für  private  Beleihung  von  Reihen- 
einzelhäusem  muß  der  geldgebende  Kleinkapitalist  erst  er- 
zogen werden.  Auch  ihm  schwebt  noch  das  falsche  Idol 
der  allseitig  freistehenden  „Villa"  vor.  Es  fehlt  ferner  in 
Berlin  an  geschäftskundigen,  bewährten  und  gutberufenen 
Organisatoren,  deren  Namen  allein  den  Behörden  und  dem 
Publikum  Vertrauen  einflößen. 

Die  wenigen  Vorortgemeinden,  welche  für  Gartenstadt- 
gründungen in  Frage  kommen,  sollten  sich  jede  erdenkliche 
Mühe  geben,  einen  soliden  Bürgerstand  damit  heranzulocken, 
dessen  Sorge  für  gute  Wohnweise  seine  beste  Empfehlung 
sein  würde.  Solche  Gemeinden  wären  leicht  in  der  Lage, 
durch  Übernahme    der  Bürgschaft   und   Überwachung   die 


Beleihungsfrage  lösen  zu  helfen.  Bis  zur  Einführung  der 
Erbpacht  wird  noch  viel,  viel  Zeit  vergehen.  Man  mag  bei 
uns  nichts  davon  wissen.  Auch  in  England  pachtet  nur 
der,  den  die  Verhältnisse  dazu  zwingen.  Wer  es  irgend 
ermöglichen  kann,  kauft  ein  "freehold  site". 

Die  untere  Grenze  für  die  Größe  eines  Reihenhaus- 
grundstückes ist  250  qm;  größere  Gärten  erfordern  fremde 
Hilfe  zur  Pflege.  Ein  massives  Haus  von  recht  bescheidenen 
Größenabmessungen  kostet  mindestens  6000  Mk.  Hieraus 
erhellt,  daß  der  billigste  Bodenpreis  nicht  für  die  Wahl  des 
Geländes  allein  ausschlaggebend  sein  darf.  Es  stellt  immer  nur 
einen  kleinen  Bruchteil  des  Gesamtobjektes  dar.  Um  100 
bis  200  Mk.  an  der  Baustelle  zu  sparen,  macht  man  in  der 
Regel  den  Fehler,  viel  zu  entlegenes  unreifes  Baugelände 
zu  erwerben.  Die  untere  Mietspreisgrenze  beträgt  also 
etwa  450  bis  500  Mk.  Für  noch  weniger  Geld  ein  Eigen- 
haus bieten  zu  wollen,  ist  unmöglich,  es  sei  denn  im  Zwei- 
familien-Reihenhause.  Wer  das  Gegenteil  behauptet,  soll 
es  durch  die  Tat  beweisen. 

Man  vergleicht  gern  englische  Verhältnisse  mit  Deutsch- 
land. Für  so  leichtsinnige  und  billige  Bauart  (die  hier  ebenso 
billig  ausführbar  wäre)  würde  man  sich  bestens  bedanken 
müssen.  Ebenso  falsch  ist  es,  die  großstädtischen 
Wohnungspreise  (unter  Anführung  äußerster  Fälle)  mit 
denen  einer  Vorortgartenstadt  vergleichen  zu  wollen.  In 
dem  gleichen  Vorort  gibt  es  in  der  Regel  recht  hübsche, 
gesunde  und  billige  Mietswohnungen,  die  für  den  gleichen 
Mietspreis  naturgemäß  sogar  räumlich  etwas  mehr  bieten, 
als  dafür  im  Eigenhaus  geboten  werden  kann. 

Sobald  das  erste  moderne  Gartenstadtbeispiel  bei  Berlin 
entstanden  sein  wird,  werden  weitere  gewiß  baldigst  folgen. 
Es  sollte  mich  freuen,  wenn  diese  Zeilen  einige  Anregungen 
dazu  geben. 


NEUE  BÜCHER  UND  SCHRIFTEN. 


Wir  bitten  um  gefällige  Zusendung  aller  einschlägigen  neuen 
Bücher  und  Schriften,  die  wir  unter  dieser  Übersicht  regelmäßig  an- 
zeigen werden;  wir  übernehmen  aber  keine  Verpflichtung  zur  Be- 
sprechung und  Rücksendung. 


"pvlE     EINHEITLICHE      BLOCKFRONT     ALS     RAUM- 

■*-'  ELEMENT  IM  STÄDTEBAU.  Ein  Beitrag  zur  Stadtbau- 
kunst der  Gegenwart  von  Walter  Curt  Behrendt.  Berlin  igii. 
Bruno  Cassirer  Verlag. 

"p\IE  VERKEHRSAUFGABEN  DES  VERBANDES 
■*-'  GROSS-BERLIN.  Vortrag,  gehalten  zum  Schinkelfest  des 
Architektenvereins  zu  Berlin  den  13.  März  1911  von  Richard  Petersen. 
Berlin  191 1.     Carl  Heymanns  Verlag. 

/-^RUNDPLAN  FÜR  DIE  BEBAUUNG  VON  GROSS- 
^^  BERLIN.  Preisgekrönter  Wettbewerbsentwurf  der  Professoren 
Josei  Bris,  Stadtbaurat  a.  D.,  Felix  Genzmer,  Kgl.  Geheimer  Hof- 
baurat und  der  Hochoahngesellschaft,  Gesellschaft  für  elektrische  Hoch- 
und  Untergrundbahnen  in  Berlin.  Mit  28  Abbildungen  und  8  teils 
farbigen  Tafeln.  Berlin  1311.  Verlag  von  Wilhelm  Ernst  &  Sohn. 
Geheftet  5,—  Mk.,  gebunden  6,—  Mk. 


DIE    DEUTSCHE    GARTENSTADT-BEWEGUNG.      Mit 
zahlreichen  Abbildungen  und  Plänen,     ig  11.     Verlag  der  Deutschen 
Gartenstadt-Gesellschaft,  Berlin-Schlachtensee.     Preis  2, —  Mk. 


GRUNDZÜGE  DER  MODERNEN  STÄDTEBAUKUNST. 
Von  Architekt    J.  V.    Eugen    Faßbender,    K.   K.    Baurat,    Wien. 
Leipzig  und  ^A^ien,  Franz  Deuticke.     19 12. 


DIE  PRAXIS  DES  VERMESSUNGSINGENIEURS.  Geo 
dätisches  Hand-  und  Nachschlagebuch  für  Vermessungs-,  Kultur 
und  Bauingenieure,  Topographen,  Kartographen  und  Forschungsreisende. 
Mit  Unterstützung  durch  zahlreiche  Ministerien,  Behörden,  Wissenschaft 
liehe  Institute  und  Vereine  bearbeitet  von  Alfred  Abendroth,  Kgl 
Vermessungsdirigent  bei  der  Landesaufnahme  in  Berlin.  Mit  129  Text 
abbildungen  und  13  Tafeln.  Berlin,  Verlagsbuchhandlung  Paul  Parey, 
1912.     Preis  geb.  28, —  Mk. 


BEBAUUNGSPLAN  FÜR  DAS  ALTE  BAHNHOFS- 
GELÄNDE UND  DEN  FESTPLATZ  DER  STADT 
KARLSRUHE.  Von  Professor  Karl  Moser,  hochbautechn.  Referent 
des  Großh.  Badischen   Finanzministeriums  (Eisenbahn-Abteilung).    Karls- 


34 


DER  STÄDTEBAU 


ruhe  i.  B.    igi2.   —    C.  F.  Müllersche  Hofbuchhandlung  m.  b.  H.     Preis 
brosch.  2, —  Mk. 

Die  Stadt  Karlsruhe  steht  gegenwärtig  an  einem  wichtigen  \A^ende- 
punkt  ihrer  Entwicklung.  Durch  die  Verlegung  des  Bahnhofs  wird  ein 
großes  Gelände  frei,  das  künftighin  als  ein  vollständig  neuer  Stadtteil 
die  Fortsetzung  der  Altstadt  vom  Ettlinger  Tor  an  und  das  Haupt- 
verbindungsglied mit  dem  neuen  Bahnhof  bilden  wird.  Zugleich  steht 
die  Erbauung  von  einer  Reihe  öffentlicher  Gebäude  bevor,  die  teils  die 
Stadt,  teils  der  Staat  in  den  nächsten  Jahren  ausführen  lassen  werden: 
so  die  städtische  Ausstellungshalle,  das  städtische  Sommertheater,  das 
Landesmuseum,  das  Landesgewerbeamt  usw.  In  voller  Würdigung  der 
Bedeutung  der  Sache  für  die  künstlerische  und  wirtschaftliche  Entwicklung 
von  Karlsruhe,  haben  sich  Staat  und  Stadt  vereinigt,  um  diese  großen 
Aufgaben  zii  einem  einheitlichen  \Verk  zu  gestalten,  das  den  gegen- 
wärtigen Aufschwung  der  Residenzstadt  zum  Ausdruck  bringen  und  zu- 
gleich ihrer  künftigen  Entwicklung  Rechnung  tragen  soll.  In  diesem 
Sinne  wurde  Architekt  Professor   Karl  Moser  mit  der  Ausarbeitung  eines 


Bebauungsplanes  für  den  neuen  Stadtteil  beauftragt,  der  die  Grundlage 
für  dessen  künftigen  Ausbau  mit  Straßen  und  Plätzen,  öffentlichen  und 
privaten  Gebäuden  bilden  soll.  Um  diese  Arbeit  den  weitesten  Kreisen 
zugänglich  zu  machen,  ist  vom  Großherzoglich  Badischen  Finanzministerium 
darüber  eine  Broschüre  veröffentlicht  worden,  die  an  der  Hand  zahlreicher 
Pläne,  Zeichnungen  und  wirkungsvoller  Einzeldarstellungen,  von  einem 
kurzen,  über  die  wichtigsten  Gesichtspunkte  erläuternden  Vorwort  be- 
gleitet, ein  anschauliches  Bild  der  dort  niedergelegten  künstlerischen  Ge- 
danken gibt.  Die  Mosersche  Broschüre  sei  nicht  nur  den  engeren 
Kreisen  der  Fachleute,  sondern  auch  den  weitesten  Kreisen  der  Öffent- 
lichkeit empfohlen. 


•DERICHT    ÜBER    DIE    VERWALTUNG    DER    RESI- 

^-^  DENZSTADT  POSEN  für  die  Zeit  vom  I.  April  1910  bis 
31.  März  igii  mit  eingehenden  Mitteilungen  über  die  Erschließung  der 
Villenanlage  Solatsch,    die  Entfestigung  der  Stadt,    den  Straßenbau  usw. 


MITTEILUNG. 


Zu  der  die  Bildung  eines  ZWECKVERBANDES  FÜR  GROSS- 
BERLIN VORBEREITENDEN  GESETZESVORLAGE 

hatten  unter  Führung  des  Geh.  Baurats  Dr.-Ing.  March  die  Herren  Geh. 
Regierungsrat  Professor  Dr.-Ing.  Dolezalek,  Universitätsprofessor  Dr.  Eber- 
stadt, Landesbaurat  Professor  Goecke,  Wirkl.  Geh.  Oberbaurat 
Launer,  Geh.  Regierungsrat  Dr.-Ing.  Muthesius,  Geh.  Baurat  und  vor- 
tragender Rat  Saran,  Professor  Schultze-Naumburg  und  Baurat  Stapf  an 
beide  Häuser  des  Landtages  folgende  Eingabe  gerichtet: 
i.Dem  Schlußsatz  des  §  5  zuzufügen:  ,, falls  nicht  in  besonderen  Fällen 
eine  Vorlage  vom  Verbandsausschuß  beschlossen  wird." 

2.  Hinter  §  31  einzufügen:  ,,Dem  Verbandsdirektor  ist  ein  Sachverständigen- 
beirat zugeteilt,  der  sich  aus  Vertretern  der  Städtebaukunst,  des  Ver- 
kehrswesens, der  Volkswirtschaft  und  der  Hygiene  zusammensetzt, 
die  nicht  Mitglieder  einer  beteiligten  kommunalen  Verwaltung  sind. 
Dieser  Beirat  ist  auf  Wunsch  des  Verbandsdirektors,  auf  Beschluß  des 
Verbandsausschusses   oder   auf   eigenen  Antrag   gutachtlich  zu  hören." 

3.  Bei  §  5  einzuschalten:  ,, Der  Verband  hat  für  das  Verbandsgebiet  unter 
Mitwirkung  des  Beirats  einen  allgemeinen  Grundplan  aufzustellen,  der 
die  Führung  der  Verkehrslinien,  die  Hauptstraßenzüge,  sowie  die  Ver- 
teilung der  Freiflächen,  der  Wohn-  und  Industriegebiete  ersichtlich 
macht." 

Begründung. 

Zu  I.  Der  Zusatz  zu  §  5:  ,, falls  nicht  in  besonderen  Fällen  eine 
Vorlage  vom  Verbandsausschuß  beschlossen  wird"  scheint  den  Unter- 
zeichneten aus  dem   Grunde  notwendig,  weil 

a)  in  gegebenen  Fällen  gerade  die  Aufteilung  der  Baublöcke  für  die 
richtige  Boden-  und  ^A^ohnpolitik  eine  wesentliche  Handhabe  bietet, 

b)  mit  dem  Recht,  daß  Verbreiterungspläne  vorhandener  Straßen  grund- 
sätzlich von  der  Vorlage  ausgeschlossen  werden  dürfen,  fast  alle  etwa 
erforderlichen  Umgestaltungen  in  den  einzelnen  Gemeinden  dem  Ein- 
fluß berufener  Vertreter  der  Allgemeinheit  entzogen  würden,  den  aus- 
zuüben in  besonderen  Fällen  die  Gesamtbevölkerung  ein  berechtigtes 
Interesse  hat. 

Zu  2.  In  den  Fragen  des  Verkehrs  und  der  Beschaffung  von  Frei- 
land werden  wohl  durch  den  Zweckverband  die  beabsichtigten  Ziele  er- 
reicht werden.  In  den  Fragen  der  Hygiene,  der  ^Vohnpolitik  und  der 
städtebaulichen  Kunst  wird  aber  eine  Einbeziehung  derjenigen  Interessen- 
kreise vermißt,  die  sich  neuerdings  in  Vereinen  und  Ausschüssen  nach- 
drücklich zur  Geltung  gebracht  haben,  und  denen  die  neue  Entwicklung 
des  Städtebaues  in  erster  Linie  zu  danken  ist. 

Es  sei  gestattet,  ferner  auf  den  grundlegenden  Unterschied  hinzu- 
weisen, der  zwischen  den  Geschäften  der  Fachverwaltungen  und  den 
weiteren  Aufgaben  des  Städtebaues  besteht.  Für  jede  Fachverwaltung 
besitzen  unsere  Gemeinden  und  der  zu  schaffende  Zweckverband  Beamte 


mit  berufsmäßig  abgeschlossener  Ausbildung.  Ein  solches  abgeschlossenes 
Fachgebiet  ist  der  Städtebau  nicht.  Fortgesetzt  treten  hier  neue  Probleme 
auf,  denen  der  einzelne  technische  Beamte,  auch  wenn  er  in  seinem  Fach 
der  hervorragendste  wäre,  nicht  oder  nicht  auf  die  Dauer  zu  folgen  Ver- 
mag. Für  die  Erfüllung  der  wechselnden  und  verantwortungsvollen  Auf- 
gaben bedarf  es  vielmehr  eines  Beirates,  der  den  verschiedenen  Arbeits- 
gebieten des  Städtebaues  entsprechend  zusammengesetzt  ist,  und  der  zu- 
gleich durch  die  Ergänzungsfähigkeit  seiner  Mitglieder  dem  jeweiligen 
Stande  der  Entwicklung  gerecht  wird. 

Die  Mitwirkung  eines  nach  diesen  Grundsätzen  gebildeten  Beirates 
würde  auch  durch  die  Vermeidung  zeitraubender  Umfragen  eine  Be- 
schleunigung des  Geschäftsganges  zur  Folge  haben.  Für  die  Zusammen- 
setzung des  Beirates  empfehlen  die  Unterzeichneten,  daß  er  aus  mindestens 
neun,  höchstens  15  ehrenamtlich  berufenen  Mitgliedern  besteht,  von  denen 
vier  durch  den  Verbandsausschuß,  vier  durch  die  zuständigen  Ressorts  zu 
wählen  sind.  Im  übrigen  ergänzt  er  sich  durch  Zuwahl..  Bei  diesen 
Wahlen  ist  der  Akademie  der  Künste,  der  Akademie  des  Bauwesens  und 
denjenigen  Vereinen,  die  durch  die  zuständigen  Ressorts  bestimmt  werden, 
ein  Vorschlagsrecht   einzuräumen. 

Da  die  Wahlen  in  die  Verbandsversammlung  und  in  den  Verbands- 
ausschuß, die  Ernennung  des  Verbandsdirektors  und  seiner  Beamten  aus 
den  kommunalen  Vertretungen  hervorgehen,  werden  sich  die  Organe  des 
Verbandes  vermutlich  aus  den  jetzigen  Vertretern  zusammensetzen,  die 
bisher  verpflichtet  waren  und  auch  künftig  verpflichtet  sein  werden,  in 
erster  Linie  die  Interessen  der  eigenen  Kommunen  zu  wahren.  Es  fehlt 
eine  ergänzende  Vertretung  der  allgemein  auf  die  Gesamtheit  von  Groß- 
Berlin  bezüglichen  Bestrebungen  und  Interessen. 

Aus  diesem  Grunde  bitten  die  Unterzeichneten,  im  Gesetz  die 
Schaffung  eines  Beirates  vorzusehen,  der  durch  seine  Zusammensetzung 
die  Gewähr  leistet,  daß  die  Gesamtheit  der  für  Groß-Berlin  zu  erfüllenden 
Aufgaben  ständig  im  Auge  behalten  wird,  und  der  sowohl  durch  sach- 
liche Beratung  als  auch  durch  selbständige  Anregungen  zur  Lösung  der 
künftigen  wichtigen  Aufgaben  wesentlich  beizutragen  imstande  ist. 

Zu  3.  Ohne  einen  zusammenhängenden  Gesamtplan,  der  als  all- 
gemeine Unterlagen  die  Verkehrsbedingungen,  die  Verteilung  der  Frei- 
flächen, der  Wohn-  und  Industriegebiete  ins  Auge  faßt,  wird  auf  einen 
wesentlichen  Vorteil  verzichtet,  der  durch  den  Verband  erzielt  werden 
müßte. 


Bekanntlich  ist  es  abgelehnt  worden,  dem  Zweckverbande  derartige 
Verpflichtungen  aufzuerlegen.  Jedoch  steht  es  ihm  frei,  aus  sich  selbst 
heraus  der  Anregung  Folge  zu  geben  —  die  Begründung  trifft  auch  heute 
noch  in  vollem  Umfange  zu  und  wird  deshalb  noch  nachträglich  unseren 
Lesern  mitgeteilt. 


35 


DER  STÄDTEBAU 


CHRONIK. 


In  der  Sitzung  des  Stadtverordnetenkollegiums  zu  Reichenberg  (in 
Deutschböhmen)  vom  24.  Januar  1912  wurde  nach  einem  Berichte 
und  Antrag  des  St.-V.-Ing.  Th.  Stradal  beschlossen,  ZUR  ER- 
LANGUNG VON  ENTWÜRFEN  FÜR  EINEN  VER- 
BAUUNGSPLAN  VON  REICHENBERG  UND  VORORTEN 

und  des  Stadtgebietes  von  Reichenberg  für  sich  einen  für  alle  Fach- 
männer (deutscher  Nationalität)  auf  dem  Gebiete  des  Städtebaues  geltenden 
Wettbewerb  mit  Preisen  von  6000  K,  4000  K  und  2000  K  (zwei  weitere 
Entwürfe  zum  Ankauf  mit  je  1000  K)  auszuschreiben.  Die  Ausschreibung 
selbst  soll  nach  Fertigstellung  der  planlichen  Unterlagen  voraussichtlich 
am   I.  Juni  d.  J.  erfolgen. 

I  lei  Eröffnung  des  neuen  Klubhauses  des  CITY  CLUB  OF 
■*"^  CHICAGO  im  Januar  d.  J.  wurde  eine  Ausstellung  ver- 
anstaltet, die  in  Vorführung  der  sozialen  Aufgaben  der  Stadt  eine  die 
Anlage  und  Unterhaltung  von  öffentlichen  Parks  und  Parkstraßen,  sowie 
von  Baumpflanzungen,  von  Spielplätzen  und  Bädern,  von  Uferstrand  und 
Wald  umfassende  Abteilung  enthielt  und  in  einem  besonderen  Haupt- 
teile die  Stadtplanung  behandelte  mit  der  Geschäftsmitte,  die  Abstufung 
der  Bebauung  und  den  auf  der  Begründung  von  Gartenstädten  ge- 
richteten Bestrebungen,  ferner  die  Kunst  in  der  Stadt,  die  Art  der  Her- 
stellung von  Straßen,  Alleen  und  Brücken,  die  Verkehrsverhältnisse  samt 
den  Häfen  und  Wasserwegen. 

Die  ursprünglich  von  unserem  Vaterlande  ausgegangene  Städtebau- 
bewegung hat  nicht  nur  weitere  ^A^ellen  geworfen,  sondern  mit  der  Ent- 
fernung vom  Mittelpunkt  aus  sogar  stärker  wachsende,  nachhaltigere,  so 
daß  es  an  unsere  Ohren  wie  eine  Mahnung  herüberklingt,  nicht  nach- 
zulassen in  der  praktischen  Verfolgung  des  Zieles,  immer  wieder  aufs 
neue  hinzuweisen  auf  das,  was  uns  not  tut.  Ist  diese  sich  über  drei 
Geschosse  des  Klubhauses  erstreckende  Ausstellung  doch  schon  die 
Nachfolgerin  einer  ganzen  Reihe  ähnlicher  Veranstaltungen  in  den  Ver- 
einigten Staaten  Nordamerikas  und  sicherlich  noch  nicht  die  letzte! 

■1-Xer  für  ein  rund   10  ha  großes,  östlich  der  Haupt-  und  Sponholzstraße 
•^-^   sich     bis    zur    Rubensstraße     erstreckendes     'WOHNGELÄNDE 
DER   STADT   SCHÖNEBERG   zwischen  Ringbahn  und  Wannsee- 
bahn   neu    aufgestellte  Bebauungsplan    hat    die  Königliche  Genehmigung 
erhalten.      Damit    wird    die    bisherige    Schablone    der   Stadtplanung    ver- 
lassen   und    mit    vollem    Bewußtsein    einem    Ziele    zugesteuert,    das    die 
neuere    Städtebaulehre    mit    der    scharfen    Unterscheidung    von  Verkehrs- 
straßen und  'Wohnplätzen    aufgestellt   hat.     Zunächst    ist    es    freilich    ein 
Versuch,  ein  Versuch    im   großen,    der  den  Nachweis   erbringen  soll,    daß 
es  wirtschaftlich  durchführbar  ist,   überflüssige  Straßenbreiten  durch  Grün- 
flächen zu  ersetzen,    übermäßige  Blocktiefen    auf  das  Maß    einer  Vorder- 
hausbebauung einzuschränken  und  gemeinsame  Innenanlagen    unter    ent- 
sprechender Belastung  der  daran  beteiligten  Einzelgrundstücke  zu  schaffen. 
Ein  Versuch  aber  auch,  der  in  vollem  Einvernehmen   des  Magistrats 
mit  der  Boden-Aktiengesellschaft  Berlin-Nord  gemacht  wird,   obwohl  diese 
Gesellschaft  bereits  das  Gelände  auf  Grund  des  älteren  Bebauungsplanes 
erworben  hatte.     Es  gereicht   dies  in  gleichem  Maße  der  Geschicklichkeit 
des  städtischen  Unterhändlers,  Stadtrats  Dr.  Licht,  wie  der  geschäftlichen 
Vorurteilslosigkeit  der  Bodengesellschaft  zur  Ehre.     Wenn,  wie  die  sorg- 
fältige Berechnung  verheißt,  der  Versuch  glückt,    dann   eröffnet  sich  zum 
ersten  Male  in  Groß-Berlin  die  praktische  Möglichkeit    von    der  üblichen 
Hofverbauung  an  öden  Straßen  loszukommen.     Der  Plan    ist  vom  Stadt- 
bauinspektor Paul  Wolf  verfaßt,   der  sich  seinerzeit  unter  Mitwirkung  des 
Regierungsbauführers    Freymüller    einen    II.   Preis    im     Wettbewerbe    um 
einen  Bebauungsplan    für    das    Schöneberger    Südgelände    errungen    hat. 
Den  Mittelpunkt  des  anderen  Wohnviertels  bildet  eine  etwa  13500  qm 
große,    auf    der    höchsten    Stelle    des    Geländes    gelegene   Freifläche    mit 
einem  bereits  in  groben  Zügen  angelegten  Park  von  7500  qm. 


Um  diese  Freifläche,  die  von  5,0  m  breiten  Fahrdämmen  und  2,5  m 
breiten  Bürgersteigen  umgeben  ist,  möglichst  groß  zu  gestalten,  wurden 
auf  beiden  Längsseiten  des  Parks  6,46  bzw.  5,30  m  tiefe  Höfe  nach 
vorn  gelegt,  dergestalt,  daß  diese  Flächen  bei  der  Berechnung  der  zu- 
lässigen Bebauung  (Bauklasse  I  ''10  Bebauung,  bei  Ecken  »10;  vier 
Geschosse;  geschlossene  Bauweise)  als  Höfe  zählen,  durch  Eintragung  in 
Abteilung  3  des  Grundbuchs  jedoch  sichergestellt  wird,  daß  diese  Flächen 
dauernd  zu  allen  Zwecken  benutzt  werden,  welche  auf  und  unter  der 
Erde  angebracht  zu  werden  pflegen.  Zugänglich  gemacht  wird  dieser 
Park  von  Norden  und  Süden  durch  je  eine  18  m  breite,  auch  für  den 
Fahrverkehr  eingerichtete  Straße.  Von  Westen  nach  Osten  führen  weiter 
zwei  dem  Gelände  sich  anpassende  Staff'elwege  für  Fußgänger  von  7  m 
Breite  zwischen  5,5  m  breiten  Vorgärten  nach  dem  Park. 

Die  Parkanlage  selbst  gliedert  sich  entsprechend  den  einmündenden 
Straßen  in  drei  Teile: 

eine  große  zusammenhängende  Rasenfläche, 

einen   Sandspielplatz  für  Kinder   und 

ein  von  Hainbuchenheckenlauben  umsäumtes  ovales  Wasser- 
becken mit  einem  Wasserstrahl  in  der  Längsachse  des 
Parkes. 

Eine  Promenade  von  bis  16  m  hohen,  rotblühenden  Kastanien,  die 
sämtlich  einem  alten,  früher  hier  vorhanden  gewesenen  Park  entnommen 
sind,  umschließt  die  ganze  Anlage. 

Die  einzelnen  Baublöcke  sind  langgestreckt  und  mit  geringer  Tiefe 
derart  angelegt,  daß  fast  durchweg  Seitenflügel  vermieden  werden.  Da- 
durch entstehen  große,  zum  Teil  über  200  m  lange  und  20  m  tiefe  Höfe 
im  Innern  der  Baublöcke,  die  gemeinschaftliche  Innenparkanlagen 
bilden  sollen;  für  einzelne  Baublöcke  werden  kleine,  besondere  Wirtschafts- 
höfe angelegt;  im  übrigen  wird  durch  grundbuchliche  Eintragung  fest- 
gesetzt, daß  die  einzelnen  Hausbesitzer  eines  Baublocks  einen  entsprechen- 
den Teil  ihres  Hofes  dauernd  zur  Einrichtung  eines  von  der  Stadt- 
gemeinde Schöneberg  zu  unterhaltenden  Innenparkes  verwenden  werden, 
und  daß  demgemäß  auf  dem  Grundstück  solche  Anlagen  errichtet  und 
solche  Handlungen  vorgenommen  werden  können,  welche  diese  Verwen- 
dung mit  sich  bringen.  Diese  Grünflächen  im  Innern  der  Baublöcke 
bilden  vorwiegend  Erholungsanlagen;  ein  kleinerer  Teil  ist  für  Kinder- 
Spiel-  und  -Turnplätze  vorgesehen.  12  m  breite  Bauwiche  an  geeigneten 
Stellen  ermöglichen  eine  Durchlüftung  der  Innenanlagen  und  gestatten 
gleichzeitig  reizvolle  Einblicke.  Die  Vorgärten  des  neuen  Wohnviertels 
werden  mit  Hainbuchenhecken  eingefriedigt  und  einheitlich  angelegt. 
Auf  der  einen  Seite  des  Parkes  treten  an  Stelle  der  Vorgärten  einheitlich 
mit  Balustraden  durchgeführte  Balkonterrassen.  Die  Anlage  dieses  Innen- 
parkes und  der  sämtlichen  vorderen  gärtnerischen  Anlagen  in  den  Vorgärten, 
an  den  Hausfronten  und  Balkonterrassen  übernimmt  die  Bodengesellschaft 
auf  eigene  Kosten  nach  den  Plänen  und  unter  Aufsicht  der  Stadtgemeinde. 
Die  Unterhaltung  dieser  gärtnerischen  Anlagen  (mit  Ausnahme  des  zen- 
tralen, öffentlichen  Parkes,  dessen  dauernde  Unterhaltung  die  Stadt  über- 
nimmt) besorgt  auf  Kosten  der  Eigentümer  der  Hausgrundstücke  die 
Stadtgemeinde. 

Dem  in  allen  diesen  sich  ausdiückenden  Streben  nach  einheitlicher 
Wirkung  sollen  auch  die  zu  schaffenden  architektonischen  Straßenbilder 
entsprechen.  Insbesondere  soll  die  Randbebauung  des  horizontal 
liegenden  zentralen  Parkes  durchgehende  Hauptgesimse  und  einheitlich 
durchlaufende  Dachflächen  zeigen. 


Die  Unterlagen  aller  zur  Ausschreibung  gelangenden  Wettbewerbe 
können  in  den  Geschäftsräumen  des  Verlags  Ernst  Wasmuth  A.-G., 
Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35,  wochentäglich  in  den  Stunden  von 
10 — 4  Uhr  unentgeltlich  eingesehen  werden. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  -  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35. 

Gedruckt  bei  Herros^  &  Ziemsen,  G.m.b.H.,  Wittenberg.  -  Klischees  von  Carl  Schutte,  Berlm  W. 


Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  65. 


!"<  I 


9.  Jahrgang 


1912 


4.  Heft 


DER  STÄDTEBAU. 


5Ö5 


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FÜP.-  DiE-  KÜNSTLElllSaiEAUyQESrAl: 
TUNQ  DER -STÄDTE  •  MACM  iHRmWlRT 
SCHAPTLiCMErS-  QESUNDMEITIIQIEN-  UND 
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**  NEBST  EINER  SONDERBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT 


** 


INHALTSVERZEICHNIS:  Bebauungsplan  für  das  städtische  Gelände  zwischen  der  HohenzoUern-,  Töpfer-,  Ziegelstraße  und  der  Mosel  in  Trier.  Von 
Dipl.-Ing.  Paul  Mauder,  Lehrer  der  Handwerker-  und  Kunstgewerbeschule  in  Trier.  —  Die  Geschichte  des  Berliner  Opernplatzes.  Von  B.  Fischer,  Berlin.  — 
Die  Unterneustädter  Mühle  in  Kassel.  —  Das  englische  Städtebaugesetz  vom  3.  Dezember  1909.    Von  Privatdozent  Dr.-Ing.  Bmerich  Forbäth,  Budapest.  — 

Mitteilung.  —  Neue  Bücher  und  Schriften.  —  Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


BEBAUUNGSPLAN  FÜR  DAS  STÄDTISCHE 
GELÄNDE  ZWISCHEN  DER  HOHENZOLLERN-, 
TÖPFER-,  ZIEGELSTRASSE  UND  DER  MOSEL 
IN  TRIER. 

Von  Dipl.-Ing.  PAUL  MAUDER,    Lehrer  der  Handwerker-   und  Kunstgewerbeschule  in  Trier. 


Zur  Sanierung  des  St.  Barbara -Viertels  an  der  Mosel, 
einer  alten,  malerischen  Häusergruppe,  die  nur  noch 
einzelne  brauchbare,  zum  Teil  sehr  hübsche  Gebäude  ent- 
hält, zum  größten  Teil  aber  baufällig  und  für  unsere  Be- 
griffe unbrauchbar  geworden  ist,  war  die  Stadt  gezwungen, 
die  in  betracht  kommenden  Grundstücke  samt  dem  der- 
zeitigen Bestand  aufzukaufen  und  niederzulegen.  Bevor 
nun  mit  dem  Abbruch  der  Wohnhäuser  und  damit  der  Be- 
seitigung einer  Wohngelegenheit  von  verhältnismäßig  be- 
deutendem Umfang  begonnen  werden  konnte,  war  es  zur 
Vorbeugung  einer  sonst  entstehenden  Wohnungsnot  geboten, 
an  anderer  Stelle  Ersatz  für  die  in  Wegfall  kommenden 
Wohnungen  zu  schaffen.  Zu  diesem  Zweck  wurde  das 
zwischen  der  HohenzoUern-,  Töpfer-,  Ziegelstraße  und  der 
Mosel  gelegene  Gelände  erworben. 

Da  die  abzureißenden  Häuser  durchweg  von  Leuten  mit 
bescheidenen  Wohnungsanforderungen  bewohnt  werden, 
konnten  zur  Bebauung  des  neu  erworbenen  Geländes  nur 
Kleinwohnungen   in   betracht   kommen,    um    so    mehr,    als 


Trier  keinen  Überfluß  an  solchen  W^ohnungen  aufzuweisen 
hat,  die  nach  den  heute  üblichen  Regeln  der  Baukunst  und 
der  Gesundheitspflege  angelegt  sind. 

Das  vollständige  Bebauen  des  30  870  qm  großen  Grund- 
stückes mit  Kleinwohnungen  war  aus  wirtschaftlichen  Gründen 
nicht  ratsam.  Der  Kaufpreis  von  6,75  Mk.  für  den  Quadrat- 
meter hätte  bei  der  veranschlagten  Summe  von  150000  Mk. 
für  Straßenbaukosten^  eine  zu  dichte  Bebauung,  anderer- 
seits zu  viel  Stockwerke  erfordert,  um  eine  Belastung  der 
Stadt  zu  vermeiden.  So  entschloß  man  sich,  an  der  bereits 
angelegten  Hohenzollernstraße  und  an  dem  Teil  des  Grund- 
stückes, der  nach  der  Mosel  zu  liegt  und  den  Ausblick  über 
die  Mosel  auf  die  jenseits  liegenden  Hänge  des  Markus- 
berges, des  Mohrenkopfes  und  der  Eurener  und  Zewener 
Berge  sichert,  einen  Streifen  von  durchschnittlich  40  m  Tiefe 
unbebaut  zu  lassen  und  dem  Verkauf  für  die  Erbauung 
größerer  Wohnungen  vorzubehalten.  Bei  einem  Verkaufs- 
preis von  30  Mk.  für  1  qm  würde  sich  dann  der  Preis  für 
das    Gelände    der    Kleinwohnungen    auf    10   Mk.    für.  den 


37 


DER  STÄDTEBAU 


Quadratmeter,  beide  'Werte  straßenbaukostenfrei,  stellen, 
und  eine  wirtschaftlich  und  städtebaulich  gleich  günstige 
Bebauung  ermöglicht  werden  bei  der  Absicht  der  Stadt- 
verwaltung, die  Ausführung  der  Neubauten  Privatunter- 
nehmern oder  einer  Genossenschaft  zu  überlassen  unter 
der  Bedingung,  daß  die  Bauten  nach  dem  Programm  und 
unter  der  Aufsicht  der  Stadtverwaltung  aufgeführt  und  zu 
einem  billigen  Preis  (etwa  ö^/q  der  Selbstkosten)  vermietet 
würden. 

Unter  dem  Einfluß  dieser  Erwägungen  entstand  das 
Programm  für  den  „Ideen -Wettbewerb  zur  Erlangung  von 
Skizzen  für  die  Bebauung  des  in  Trier  zwischen  der  Hohen- 
zollern-,  Töpfer-,  Ziegelstraße  und  der  Mosel  belegenen 
Grundstückes,"  wonach  als  Gegenstand  des  für  die 
Architekten  Triers  offenen  Wettbewerbs  Vorschläge  für  die 
gesamte  Aufteilung  des  im  Lageplan  angegebenen  Grund- 
stückes, sowie  für  die  einzelnen  Wohnhaustypen  der  hier  zu 
errichtenden  Wohnungen  gefordert  waren.  Bei  der  Auf- 
teilung war  Wert  darauf  zu  legen,  daß  im  Innern  des  Ge- 
ländes Kinderspielplätze  geschaffen  und  die  Hofflächen 
möglichst  zusammenhängend  so  angelegt  würden,  daß 
diese,  mit  gärtnerischen  Anlagen  versehen,  eine  Erholungs- 
stätte für  die  Bewohner  bilden  und  eine  gute  allseitige 
Durchlüftung  und  Belichtung  der  Gebäude  ermöglichen 
könnten. 

Die  Kleinwohnungshäuser,  von  denen  ein  Teil  als 
Einzelwonhäuser  vorzusehen  war,  sollten  über  dem  Erd- 
geschoß höchstens  zwei  Obergeschosse  erhalten.  Von  den 
herzustellenden  Kleinwohnungen  sollten  etwa: 
ein  Viertel  aus  1  Zimmer  und  Küche  (Wohnküche)  m.  Zubehör 
„        „        „2  Zimmern  „         „  »         „ 

4 
bestehen.  Jede  Wohnung  müßte  für  sich  abgeschlossen 
sein  und  innerhalb  des  Abschlusses  einen  eigenen  Abort 
erhalten.  Bei  einigen  der  Häuser  war  der  Anbau  von 
kleinen  Werkstätten  und  Kleinviehställen  vorzusehen.  Für 
die  Aufteilung  des  auf  den  Tafeln  19  und  20  wiedergegebenen, 
mit  einem  1.  Preis  ausgezeichneten  Entwurfes  war  die  Über- 
legung maßgebend,  daß  eine  Durchquerung  des  für  größere 
W^ohnungen  vorgesehenen  Geländes  an  der  Mosel  mit  einer 
Straße  aus  Verkehrsrücksichten  nicht  geboten  ist  und  daß 
die  vor  diesen  Grundstücken  längs  der  Mosel  laufende 
breite  Straße  (Uferstraße),  die  als  Fortsetzung  der  mosel- 
abwärts  schon  angelegten  Allee  gedacht  ist,  eine  ge- 
schlossene, von  Vorgärten  begleitete  Häusergruppe  als 
wünschenswert  erscheinen  läßt. 

Damit  war  der  Richtweg  der  notwendigen  Straßen  an- 
nähernd von  Nord  nach  Süd  festgelegt;  die  Anzahl  zwei 
ergab  sich  aus  der  Geländetiefe.  Um  nicht  zu  viel  Fläche 
durch  das  notwendige  Durchschneiden  des  teuren  Geländes 
an  der  Hohenzollernstraße  zu  verlieren,  sind  beide  Straßen 
an  deren  Einmündung  überbaut,  die  Fahrstraße  von  den 
seitlich  liegenden  Fußgängersteigen  durch  Pfeilerstellungen 
getrennt  gedacht. 

Für  die  weitere  Entwicklung  der  Aufteilung  war  die 
Absicht  leitend,  die  Grenze,  die  sich  durch  die  Trennung 
in  ein  Gelände  für  größere  Wohnungen  und  ein  Gelände 
für  Kleinwohnungen  ergibt,  nicht  durch  unschöne,  fenster- 
lose Brandgiebel  zu  verunzieren.     Dadurch  werden  beide 


■yiiel-  4yimmrigeli/ffftrwtigm- 


■eine  ■^■DiminrigrMohnung 
■eines 


eine-  3:)imrig(  l/i/ohnm^- 


■eine  ^^imrige-Mmnij- 


■  eine  Z^     - 

Abb.  I  —4.     Kleinwohnungen. 

Grundstücksarten  durch  Höfe  mit  Gartenanlagen  getrennt. 
Nur  an  der  Grenze  gegen  die  Privatgrundstücke  an  der 
Töpferstraße  ließ  sich  diese  Absicht  nicht  vollständig  durch- 
führen. Die  übrige  Anordnung  ergab  sich  durch  die  ver- 
langten Spielplätze,  so  daß  zwei  Arten  von  Häusern  ent- 
standen, solche,  die  von  zwei  Seiten  zugänglich  sind  und 
gegen  die  Spielplätze  stoßen  und  solche  mit  nach  rückwärts 
liegenden  Höfen,  die  mit  gärtnerischen  Anlagen  ausgestattet 
werden  können. 

Den  Übergang  von  den  größeren  Wohnungen  zu  den 
Kleinwohnungen  bilden  die  Einzelwohnhäuser,  mit  ver- 
bindenden niederen  Werkstättenanlagen  und  Baumgruppen 
bzw.  Vorgärten.  Auch  die  Spielplätze  sind  mit  Baumgruppen 
bepflanzt  gedacht.  Großer  Wert  wurde  auf  ruhige  Dach- 
linien gelegt,  die  Gesamterscheinung  sollten  weiß  geputzte, 
einfache  Mauermassen  mit  wenig  notwendigen  Giebeln  und 
ruhige  Dachflächen  bilden,  unterbrochen  vom  Grün  der 
Bäume  auf  den  Spielplätzen. 


38 


DER  STÄDTEBAU 


DIE  GESCHICHTE  DES  BERLINER 
OPERNPLATZES. 


Von  B.  FISCHER,   Berlin. 

Seit  dem  Oktober  des  Jahres  1910*)  zeigt  der  Berliner 
Opernplatz  ein  neues  Gesicht.  Der  Umbau  derKönigl.  Biblio- 
thek und  des  Opernhauses  ist  vollendet  worden.  Die  erstere, 
die  zu  einem  Aula-  und  Hörsalgebäude  für  die  Universität  um- 
gestaltet ist,  zeigt  diese  Veränderung  im  Äußeren  nur  durch 
eine  steilere  und  die  Gliederung  des  Gebäudes  mehr  be- 
tonende Dachförm  und  durch  den  veränderten  Vorgarten, 
der  jetzt  zu  allen  drei  Türen  im  Mittelrisalit  den  Zugang  frei 
gibt  —  obgleich  im  Innern  kaum  ein  Stein  auf  dem  anderen 
gelassen  wurde.  Gründlicher  scheint  der  Aufbau  des  Bühnen- 
hauses aul  dem  Opernhaus  und  der  Anbau  des  Garderoben- 
flügels mit  dem  alten  Bilde  zu  brechen.  Doch  da  dieser  Zu- 
stand nur  ein  vorübergehender  sein  und  nach  Vollendung 
des  Neubaues  das  Gebäude  wieder  in  den  ursprünglichen 
Zustand  versetzt  werden  soll,  so  tritt  hier  nur  noch  mehr 
die  Schonung  hervor,  die  man  bei  den  Umbauten  hat  walten 
lassen,  und  die  Zukunft  selbst  lenkt  den  Blick  zurück  auf 
die  Geschichte  des  Platzes,  dem  man  so  viel  Achtung  zollt. 

Während  aber  die  Zeitungen  höchstens  Bemerkungen 
über  den  geschichtlichen  Platz  brachten,  ist  es  sicher  eben 
so  lohnend,  auch  die  Vorgänge  zu  betrachten,  die  vor  seiner 
eigentlichen  Platzwerdung  liegen,  die  sein  Dasein  gewisser- 
maßen im  Voraus  bestimmten  und  seine  Grenzen  festlegten. 
Wenn  man  die  Bilder  in  zeitlicher  Reihenfolge  an  seinem 
Auge  vorüberziehen  läßt,  die  sich  dem  Betrachter  auf  der 
Stelle  des  späteren  Opernplatzes  durch  die  Jahrhunderte 
boten,  so  erlebt  man  den  wichtigsten  Teil  der  baulichen 
Entwicklung  Berlins  selbst  mit;  kein  Platz  hat  so  viel  davon 
mit  angesehen  wie  dieser,  der  an  der  Grenze  dreier  seiner 
Kernstädte  liegt. 

Jahrhundertelang  sah  es  zunächst  so  aus,  als  sollte  die 
Gegend  unseres  Platzes  überhaupt  nicht  bebaut  werden. 
Bis  ins  17.  Jahrhundert  hinein  war  die  Bebauung  fast  nur 
auf  das  rechte  Spreeufer  und  auf  Kölln  beschränkt,  bis 
um  1650  der  Ausblick  auf  die  Schloßbauten  durch  nichts 
behindert.  Auf  dem  linken  Ufer  dehnte  sich  Heide-  und 
Sumpfland,  auf  dem  nur  strichweise  die  Köllner  Bürger  ihre 
Äcker  oder  Gärten  hatten.  Unser  Platz  im  besonderen  lag  auf 
sumpfigem  Gelände.  Nur  die  Gertraudten-  und  die  Jerusa- 
lemer Kapelle  hatten  seit  dem  15.  Jahrhundert  ihren  Platz  vor 
Kölln.  Die  nähere  Nachbarschaft  von  Gebäuden  brachte 
erst  die  Anlage  eines  Tiergartens  mit  sich. 

Am  13.  Mai  1527  wurde  vom  Kurprinzen  Joachim  das 
erste  Stück  Land  „dahinden  bey  der  freyen  Arch  (auf  dem 
heutigen  Werder)  für  einen  Tier-  und  Lustgarten  erworben. 


*)  Man  wird  wohl  noch  wissen,  welcher  Platz  oben  gemeint  ist  und 
wird  es  hoffentlich  auch  noch  nach  20  Jahren  wissen.  Es  ist  nach  meiner 
Ansicht  sehr  bedauerlich,  daß  der  Platz  Berlins,  der  sein  geschichtliches 
Gepräge  am  meisten  bewahrt  hat,  in  Franz-Josef-PIatz  umgetauft  worden 
ist.  So  sympathisch  die  Erinnerung  an  den  greisen  Kaiser  jedem  Berliner 
sein  wird,  so  könnte  doch  auch  ein  anderer  Platz  diesen  Zweck  erfüllen. 
Und  wenn  der  Platz  schon  umgetauft  werden  mußte,  wenn  das  Opernhaus 
eine  neue  Zweckbestimmung  erhält,  warum  dann  nicht  Universitätsplatz 
oder  —  Friedrichsplatz?  Der  Verfasser. 


dessen  Zaun  nach  seiner  Erweiterung  über  die  heutige 
Friedrich-  und  Dorotheenstadt  ganz  nahe  westlich  von 
unserem  Platz  vorüberlief.  Das  Jägerhaus  aber,  das  auf 
dem  Grundstück  der  heutigen  Reichsbank,  und  das  Reit- 
haus, das  an  Stelle  der  heutigen  Werderischen  Kirche 
noch  im  selben  Jahrhundert  für  den  Jagdbetrieb  erstand, 
waren  wieder  für  lange  Zeit  die  einzigen  Bauten  in  unserer 
Gegend.  Fehlte  doch  auch  vorläufig  noch  die  Brücke,  die 
heute  die  bequemste  Verbindung  mit  Kölln  darstellt,  die 
heutige  Schloßbrücke.  Sie  dürfte  erst  nach  1573,  in 
welchem  Jahre  Kurfürst  Johann  Georg  den  „neuen"  Lust- 
garten (an  der  Stelle  des  heutigen)  anlegte,  als  die  „Hunde- 
brücke" entstanden  sein.  Und  auch  dann  noch  besagt  ihr 
Name,  daß  sie  mehr  für  den  Jagdverkehr  als  für  die  Bürger 
bestimmt  war.  Noch  im  Jahre  1617  erwähnt  der  Handels- 
herr Philipp  Hainhofer  aus  Augsburg  ihrer  als  der  „Hunds- 
bruggen,  darüber  man  die  Jagdhunde  fueret". 

Auch  war  die  Straße  „Unter  den  Linden"  an  unserer 
Stelle  noch  nicht  als  öffentlicher  Verkehrsweg  vorhanden; 
die  alte  Landstraße,  die  vom  Gertraudtentor  nach  Lietzen 
führte  und  nicht  weit  von  unserem  Platz  vorüberging,  bog 
erst  weiter  westlich  in  ihre  Richtung  ein  und  wurde  zum 
Überfluß  auch  noch  um  1600  vom  Kurfürsten  gesperrt. 

Erst  im  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  entstanden  vor  dem 
Köpenicker  und  dem  Gertraudtentor  nennenswerte  Vorstädte, 
da  man  die  11  bzw.  15  Häuser,  die  die  ältesten  Schoßbücher 
schon  im  16.  Jahrhundert  vor  jenen  Toren  überliefert,  wohl 
kaum  als  solche  bezeichnen  kann.  Von  einer  Bebauung 
unseres  engeren  Bezirks  verlautet  nichts,  vielmehr  wird  er 
in  der  ersten  Hälfte  des  30jährigen  Krieges  ganz  preisge- 
geben; der  Staketenzaun  des  Tiergartens  verfällt,  die  Hunde- 
brücke wird  zur  Sicherung  der  Stadt  abgebrochen.  Als 
Gustav  Adolf  nach  dem  Fall  Magdeburgs  mit  seinem  Heere 
vor  Berlin  erschien,  um  seiner  Forderung  an  Georg  Wilhelm, 
die  Festung  Spandau  offen  zu  halten,  Nachdruck  zu  ver- 
leihen, hat  gerade  unser  Platz  die  Zusammenkunft  der  beiden 
Fürsten  im  Jägerhaus  gesehen  und  wegen  seiner  offenen 
Lage  dem  Schlosse  gegenüber  vielleicht  die  Kanonen  ge- 
tragen, die  gegen  das  letztere  gerichtet  wurden  und  nach 
Bewilligung  der  Forderung  drei  scharfe  Salutsalven  abgaben. 
Am  17.  Januar  1641  mußte  der  Platz  sogar  Zeuge  der  von 
Schwarzenberg  befohlenen  Abbrennung  der  oben  erwähnten 
Köllner  Vorstädte  sein,  als  der  schwedische  Oberst  Stahl- 
hans heranrückte. 

Doch  hat  sich  die  Stadt  nach  dem  Regierungsantritt 
Friedrich  Wilhelms,  des  Großen  Kurfürsten,  sehr  bald  von 
den  Kriegsleiden  erholt.  Auf  einem  wenige  Jahre  später, 
anno  1648  gezeichneten  Plan  des  Kurfürstlichen  Ingenieurs 
Memhard,  dem  ältesten  von  Berlin,  sieht  man  zwar  noch 
nicht  die  abgebrannten  Vorstädte  wieder  aufgebaut,  dafür 
aber  endlich  die  Vorposten  der  Bebauung  unseres  „Linden"- 
Viertels,  den  „Anfang  zur  Newen  Vorstadt".  Die  „Linden" 
sind  im  Jahre  1647  vom  Kurfürsten  selbst  als  eine  sechsreihige 
Nuß-  und  Lindenbaumallee  von  der  Hundebrücke  an,  die 


39 


DER  STÄDTEBAU 


inzwischen  auch  neuerstanden  ist,  bis  an  den  Anfang  des 
Tiergartens  angelegt  worden.  An  der  Stelle  des  Zeughauses 
und  der  Kommandantur  sieht  man  nun  eine  kurze  Reihe 
kleiner  Häuser  sich  an  der  Uferstraße  des  heutigen  Kupfer- 
grabens entlang  ausbreiten.  JWemhard  selbst  baute  sich 
1655  an  der  Ecke  der  Kommandantur  ein  Wohnhaus.  Sonst 
ist  von  kurfürstlichen  Gebäuden  zum  Reit-  und  zum  Jäger- 
haus nur  noch  das  Gießhaus  hinzugekommen,  hinten  am 
heutigen  Kastanienwäldchen. 

Schien  nun  aber  für  unseren  Platz  die  Aussicht  vorhanden 
zu  sein,  bald  von  der  Bebauung  erreicht  zu  werden,  so 
schwand  diese  sehr  bald  wieder  in  weite  Ferne,  lag  er  in 
Wahrheit  nach  kurzer  Zeit  wieder  „ganz  draußen." 

Nachdem  schon  in  den  Jahren  1638  bis  1640  ein  Be- 
festigungswerk von  der  Jungfernbrücke  an  unmittelbar  west- 
lich am  Reithaus  und  am  Gießhaus  vorbei  nach  dem  unteren 
Teil  des  Kupfergrabens  gezogen  war,  das  aber  bei  Anlage 
der  Linden  wieder  teilweise  eingeebnet  wurde  (vgl.  Memhard), 
begann  nun  im  Jahre  1658  die  vollständige  Umwandlung 
Berlins  in  eine  Festung,  und  der  Platz  wurde,  wie  es  schien, 
für  alle  Zukunft  von  einer  Weiterentwicklung  abgeschnitten. 
Der  Festungsgraben  auf  der  Köllner  Seite,  der  mit  einer 
Kurtine  senkrecht  die  Linden  durchschnitt,  kam  gerade  an 
seine  östliche  Seite  zu  liegen.  Die  Lindenallee  wurde  bis 
zur  Akademie  besteitigt  und  bald  sah  man  drei  wehrhafte, 
schön  gerade  ausgerichtete  Basteien  bis  zu  einer  Höhe 
von  rund  8  m  emporsteigen.  Die  mittelste  ruhte  mit  ihrer 
Spitze  gerade  auf  der  Stelle  der  heutigen  Hedwigskirche. 
Im  Zuge  der  „Linden,"  etwa  vor  der  heutigen  Neuen  Wache 
erhob  sich,  von  den  Wällen  in  die  Mitte  genommen,  ein 
kräftiger  Torturm.  Die  neu  eingeschlossene  Stadt  wurde 
der  Friedrichswerder  genannt  und  JWemhard  der  eine  ihrer 
beiden  ersten  Bürgermeister. 

Wenn  man  sich  nun  auf  unserem  Platze  umblickte, 
so  sah  man  von  Gebäuden  außerhalb  der  Umwallung  nur, 
wenn  man  hart  an  der  südlichen  Bastei,  am  heutigen  Dön- 
hoffsplatz,  vorbeisah,  die  Jerusalemer  Kapelle  mit  ihren 
Nebengebäuden;  von  Norden  schaute  „der  Kürfürstinnen 
Vorwerk",  das  spätere  Monbijou,  über  die  Spree  herüber. 
Reithaus,  Jägerhof  und  Gießhaus  sind  in  die  Befestigungen 
einbezogen  worden.  Dafür  befinden  wir  uns  nun  auf  der 
Esplanade,  d.  h.  der  Platz  darf  überhaupt  nicht  bebaut 
werden,  so  lange  die  Festungswerke  ihre  Geltung  behalten 
sollen. 

Als  daher  noch  vor  deren  Vollendung  (1683)  dennoch 
im  Jahre  1674  eine  abermalige  Erweiterung  der  Stadt  nötig 
und  die  Dorotheenstadt  gegründet  wurde,  begann  die  Be- 
bauung erst  jenseits  der  Charlottenstraße,  ein  Zustand, 
den  uns  der  La  Vignesche  Stadtplan  vom  Jahre  1685  zeigt. 
Diese  Stadtgründung  brachte  unserem  Platz  sogar  statt  der 
Umschließung  eine  Zertrennung.  Der  Graben,  der  in  Be- 
gleitung eines  Walles  auf  der  nördlichen  Seite  der  Behren- 
straße  zum  Schutze  der  neuen  Stadt  angelegt  wurde,  schnitt 
einen  südlichen  Streifen  von  ihm  ab  und  mündete  auf  der 
Stelle  des  Bühnenhauses  der  heutigen  Oper  in  den  Festungs- 
graben. Auch  die  Gründung  der  Friedrichstadt  1688  südlich 
der  Behrenstraße  brachte  für  den  Platz  keine  Veränderung 
mit  sich,  denn  auch  sie  begann  erst  westlich  der  Markgrafen- 
straße, um  das  Festungsglacis  frei  zu  halten.  So  lag  denn 
der  Platz  mitten  drinnen  am  Grenzpunkt  dreier  Städte, 
auch  sehen  wir  im  Jahre  1688  auf  dem  Perspektivplan  von 
Joh.  Bernhard  Schultz  die  Bebauung  im  Westen  bis  ganz 


nahe  an  die  heutige  Begrenzung  herangerückt  in  den  Häusern 
des  Artillerieobersten  von  Weiler  (Grundstück  des  Palastes 
Wilhelms  L),  doch  die  Bebauung  der  anderen  Grenzen  muß 
nun  mehr  als  50  Jahre  zurückbleiben. 

Inzwischen  sieht  der  Platz  um  sich  herum  eine  außer- 
ordentlich rege  Bautätigkeit  sich  entfalten.  Um  1665  wächst 
für  den  Geh.  Kammersekretär  Martiz  ein  stattlicher  Palast 
über  die  Wälle  empor,  dessen  Mauern  noch  heute  in  den 
beiden  unteren  Stockwerken  des  kronprinzlichen  Palais 
stecken.  1687  erbaut  Nehring  die  vordere  Hälfte  des 
Akademieviertels  als  Marstall,  als  Zeugnis  des  holländischen 
Geschmacks  des  Kurfürsten  ein  ganz  vereinzelter  Roh- 
ziegelbau, zunächst  nur  einstöckig;  das  zweite  Stockwerk 
der  Lindenfront  für  die  neugegründete  Akademie  der 
Künste  wird  erst  1695  aufgesetzt.  1695,  in  welchem  Jahre 
Nehring  starb,  wird  auch  der  Grundstein  zum  Zeughaus 
gelegt,  für  welches  jener  noch  den  ersten  Entwurf  an- 
gefertigt. Von  1697  bis  1713  sieht  man  unter  Schlüter  und 
Eosander  den  Schloßbau  sich  vollenden,  und  das  Akademie- 
viertel wird  von  Grüneberg  zugebaut.  1701  bis  1705  wird 
vor  unseren  Augen,  da  der  Ausblick  auf  den  Gensdarmen- 
markt  durch  nichts  behindert  ist,  die  Französische  Kirche 
von  Cayart,  1701  bis  1708  die  Deutsche  Kirche  nach  Grüne- 
bergs Rissen  von  Simonetti  errichtet.  Auch  die  private  Be- 
bauung sieht  man  1698  auf  einem  in  der  Magistratsbibliothek 
befindlichen  Pergamentplan  schon  weit  ausgedehnt:  sie  hat 
die  Markgrafenstraße  auch  nach  Osten  überschritten,  aller- 
dings nur  südlich  der  Kronenstraße.  Nördlich  dieser  bleibt 
das  Glacis  bis  zum  Kupfergraben  weiterhin  frei. 

Nachdem  im  Jahre  1709  den  fünf  bis  dahin  selbständigen 
Städten,  zu  denen  mittlerweile  „Großberlin"  angewachsen 
war,  eine  einheitliche  Verwaltung  aufgenötigt  worden  war, 
verlor  der  Hornwerksgraben  zwischen  Friedrich-  und 
Dorotheenstadt  seine  Bedeutung.  In  den  Jahren  1714  bis  1715 
(Nach  Küster:  Das  Alte  und  Neue  Berlin)  wurde  darum 
der  Wall  abgetragen  und  nach  „einigei|  Jahren"  auch  der 
Graben  zugeschüttet,  wenigstens  auf  derii  Gebiet  des  Opern- 
platzes. Nun  konnte  sich  die  W^estwand  des  Platzes  in  den 
Nebengebäuden  des  früher  von  Weilerschen  Hauses,  das 
Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  Markgraf  Philipp  Wilhelm 
von  Schwedt  erworben  und  auf  13  Axen  erweitert  hatte, 
bis  zur  Behrenstraße  ausdehnen.  Bemerkenswert  wegen  der 
Zähigkeit,  mit  der  sich  Grundrißeigentümlichkeiten  erhalten, 
ist  die  Tatsache,  daß  die  einspringende  Ecke  an  den  „Linden", 
die  heute  von  der  Pergola  des  alten  Palais  eingenommen 
wird,  schon  auf  einer  Karte  von  1723  (von  Dusableau) 
vorhanden  ist. 

Entscheidend  für  unseren  Platz  aber  wird  der  Ent- 
schluß Friedrich  Wilhelms  I.  im  letzten  Jahrzehnt  seines 
Lebens  die  Stadt  zu  entfestigen,  die  Esplanade  zu  be- 
bauen. Dies  ist  seine  eigentliche  Geburtsstunde,  er  wird  nun 
wenigstens,  wenn  auch  in  rohen,  unregelmäßigen  Umrissen; 
doch  allseitig  begrenzt.  Im  August  1735  ist  das  neue  Tor 
„zur  Beförderung  des  Prospekts  auf  dem  Schlosse  abgetragen 
und  die  Passage  daselbst  erweitert  worden"  (Küster :  A.  u.  N.  B. 
1737,  S.  20),  so  daß  sich  die  Aussicht  vom  Opernplatz  auf  einem 
etwa  1743  angefertigten  Stich  von  Fünck  schon  so  frei  darbietet 
wie  heute:  Die  Wälle  sind  verschwunden  und  das  Wacht- 
gebäude  schon  in  die  Flucht  des  Zeughauses  zurückgerückt. 
Im  Jahre  1738  (Plan  von  Walther  v.J.  1738)  muß  dann  auch  die 
südliche  Häuserreihe  der  Behrenstraße  bis  an  den  Graben 
herangeführt  sein,   da  sie  auf  dem  Waltherschen  Plan  von 


40 


DER  STÄDTEBAU 


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Abb.  5. 

1737  noch  nicht  verzeichnet  steht.  Auf  dem  letzteren  Plane 
sieht  man  aber  schon  im  Norden  eine  vorläufige  Begrenzung: 
Das  Rechteck  des  Königl.  Wagen-  und  Materialienhauses,  das 
hinter  der  heutigen  Universität  im  westlichen  Teil  ihres  Gartens 
an  der  Universitätsstraße  erbaut  ist.  Der  Graben  blieb  bis  1740 
in  seinem  alten  Zustande. 

So  war  die  Lage,  als  Friedrich  IL  im  Jahre  1740  zur 
Regierung  kam.  Wenn  man  sich  das  Platzbild  deutlich 
vergegenwärtigt,  so  glaubt  man  zu  erkennen,  daß  die  Ört- 
lichkeit nach  einer  monumentalen  Bebauung  geradezu  ver- 
langte, und  die  Entstehung  des  großen  Gedankens  des 
„Forum  Fridericianum"  wird  ein  wenig  begreiflich.  Den 
Anfang  der  Bebauung  machte  das  Opernhaus,  das  nach 
einer  Zeichnung  des  Vitruvius  Britannicus  von  Knobels- 
dorff  entworfen  und  in  den  Jahren  1740  bis  1743  aufgeführt 
wurde,  zur  Hälfte  auf  dem  Gelände  des  Festungsgrabens, 
der  verengert  wurde  und  nunmehr  mit  parallelen  Ufern  die 
Linden  senkrecht  schnitt.  War  die  Akademie  ein  Zeugnis 
für  die  Bevorzugung  des  holländischen,  das  Zeughaus  eine 
Urkunde  des  französischen  Geschmacks  (von  dem  Nutz- 
bau des  Wagenhauses  zu  schweigen,  obgleich  auch  er  ein 
klassischer  Zeuge  für  den  praktischen  Sinn  Friedrich 
Wilhelms  L  war),  so  bekundete  das  Opernhaus,  und  zwar 
merkwürdig  früh,  klassizistische  Neigungen,  die  erst  später 
auf  der  ganzen  Linie  siegen  sollten. 

Dem  ursprünglichen  Hause  fehlten  die  Seitenrisalite; 
die  Mitten  der  Längsfronten  waren  nur  durch  schwache 
Vorlagen  bezeichnet,  zu  deren  erstem  Stockwerk  zwei- 
armige Freitreppen  emporführten.  Die  Treppen  der  Vorder- 
front waren  im  rechten  Winkel  geknickt  und  sprangen 
mit  der  Hälfte  ihrer  Läufe  auf  den  Bürgersteig  vor. 

Hatte  es  zuerst  in  der  Absicht  des  Königs  gelegen,  an 


der  Stelle  der  heutigen  alten  Bibliothek  eine  Akademie  in 
den  Formen  des  Opernhauses  zu  bauen,  so  geriet  dieser 
Gedanke  nach  der  Entzweiung  mit  Knobelsdorff  und  dem 
Ausbruch  des  Ersten  Schlesischen  Krieges  bald  in  den 
Hintergrund.  Wurden  doch  auch  1750  die  Nebengebäude, 
die  auf  dem  Markgräflichen  Grundstück  nach  dem  Opernhaus 
zu  lagen,  von  Friedrich  Wilhelm  von  Schwedt  sehr  stattlich 
zweigeschossig  ausgebaut,  und  war  doch  andererseits  kaum 
Geld  für  das  Nötigste  vorhanden.  Als  die  alte  Akademie 
im  Jahre  1743  schweren  Brandschaden  erlitt,  mußte  sie 
jahrelang  als  Ruine  liegen  bleiben,  bis  sie  Anfang  der 
50er  Jahre  von  Boumann  d.  Ä.  in  den  Formen  neugebaut 
war,  die  sie  bis  zum  Umbau  vom  Jahre  1815  bewahrt 
hat.  (Erste  Sitzung  der  Akademie  im  Neubau  nach 
Küster  III,  S.  184  erst  am  1.  Januar  1752.)  Oder  blieb  sie 
gerade  deswegen  liegen,  weil  man  mit  dem  Plan  einer 
Verlegung  umging?  Aber  nach  kurzer  Zeit  hatte  ja  auch 
die  gegenüberliegende  Ecke  des  Platzes  eine  Ruine  auf- 
zuweisen. Hier  war  hinter  dem  Opernhaus  noch  „ein 
Überbleibsel  von  den  ehemaligen  Bollwerken  zu  sehen, 
das  aus  einem  Sandhaufen  bestand  und  mit  Morast  um- 
geben war". 

Diesen  Platz  schenkte  Friedrich  1746  für  den  Neubau 
einer  katholischen  Kirche  und  machte  selbst  nach  dem 
Vorbild  des  Pantheons  in  Rom  die  Zeichnungen  dazu. 
Obgleich  er  auch  einen  Teil  der  Baustoffe  umsonst  lieferte, 
mußte  der  Bau,  der  1747  von  Büring  und  Le  Geay  be- 
gonnen wurde,  von  1755  an  15  Jahre  lang  unvollendet 
liegen  bleiben,  da  die  Geldmittel  ausgingen.  Da  man  gerade 
erst  angefangen  hatte,  die  Kuppel  mit  Blei  zu  decken,  so 
war  nun  „dieser  herrliche  Tempel  durch  das  unvollendete 
Dach  der  Verderbniß  (sie)  einer  jeden  unfreundlichen 
Witterung  ausgesetzt". 

Indessen  vollendete  sich  die  heutige  Form  des  Platzes 
vor  rund  150  Jahren,  er  erhielt  seine  letzte  Begrenzung, 
der  Palast  des  Prinzen  Heinrich,  der  in  den  Jahren  1754  1764 
erbaut  wurde.  Die  Hoffront  seines  östlichen  Flügels  liegt 
genau  in  der  Bauflucht  des  Opernhauses,  so  daß  die  Be- 
ziehung zum  bereits  umbauten  Platzteil  klar  ist.  Da  der 
Palast  in  den  Hauptgliederungen  dem  Opernhaus  und  dem 
Potsdamer  Stadtschloß  ähnelt,  nimmt  man  die  Urheberschaft 
Knobelsdorffs  an,  obgleich  dieser  53  gestorben  waw  und 
der  Bau  von  Boumann  d.  Ä.  ausgeführt  wurde.  Er  ist  im 
Äußern  bis  heute  unverändert  erhalten,  nur  führte  früher 
von  der  Straße  selbst  je  eine  Tür  in  der  Mitte  der  Flügel- 
bauten in  das  Innere. 

„Da  inzwischen  die  unvollendete  Deckung  der  schönen 
Kuppel  der  Hedwigskirche  dem  Einsturz  drohete",  so 
wurden  endlich  auch  hier  die  erforderlichen  Gelder 
zusammengebracht  und  auch  dieser  Bau,  wenn  auch  nicht 
so  großartig  wie  geplant,  von  Boumann  zu  einem  vor- 
läufigen Abschluß  gebracht  1770  1773.  Der  Anfang  der 
Bleideckung  wurde  heruntergenommen  und  die  Kuppel  mit 
Ziegeln,  ohne  Krönung  mit  einer  Laterne,  eingedeckt.  Die 
Sakristei,  die  einen  Turm  erhalten  sollte,  war  bei  der  Ein- 
weihung erst  angefangen,  das  Giebelfeld  unvollendet. 

1774,  ein  Jahr  darauf,  wurde  die  alte  hölzerne.  Neu- 
städtische oder  Opernbrücke  über  den  ehemaligen  Festungs- 
graben bei  der  Neuen  Wache  von  Boumann  durch  eine 
steinerne,  einbogige  ersetzt.  Acht  Statuengruppen  aus 
Sandstein  als  Laternenträger  von  Meyer  d.  Ä.  gliederten 
das  barocke  Geländer. 


41 


DER  STÄDTEBAU 


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Abb.  6. 

Barock  ist  schließlich  auch  der  letzte  Bau,  der  dem 
Opernplatz  sein  heutiges  Gepräge  gibt,  der  Bibliothekbau. 
Er  wurde,  wieder  nach  einem  fremden  Vorbild,  nach  dem 
Entwurf  des  Wiener  Meisters  Fischer  von  Erlach  für  die 
Wiener  Hofburg  (der  hier  erst  in  den  90  er  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts  am  Michaeler  Platz  ausgeführt  wurde) 
in  den  Jahren  1774 — 1780  nach  Ungers  Zeichnungen  von 
Boumann  d.  J.  auf  einem  Pfahlrost,  den  das  sumpfige 
Gelände  nötig  machte,  errichtet.  Mit  Recht  ist  die  „Er- 
nüchterung der  Dachform"  von  Dohme  getadelt  worden, 
die  der  jetzt  vollendete  Umbau  sehr  glücklich  wieder  gut 
macht.  Sonst  unterschied  er  sich  von  dem  heutigen  Bau 
nur  durch  acht  Statuen,  die  zu  den  Seiten  der  Portale 
aufgestellt  waren,  und  durch  die  Architektur  der  drei 
mittleren  Portale  selbst.  Das  mittelste  bildete  ohne  den 
heutigen  horizontalen  Kämpferbalken  mit  dem  Rundbogen 
zusammen  eine  stattliche  Öffnung,  die  Fläche  über  den 
Sturzen  der  seitlichen  Portale  war  geschlossen  und  mit 
Medaillons  und  Gehängedekorationen  versehen.  Die  heutigen 
halbkreisförmigen  Fenster  sind  sehr  zum  Nachteil  der  Ge- 
samtwirkung erst  ausgebrochen,  als  in  den  Jahren  1840— 1842 
ein  Zwischengeschoß  eingebaut  wurde. 

Überhaupt  hat  das  19.  Jahrhundert  an  unserem  Platz 
mehr  verdorben  als  verbessert.  1816  büßte  er  seine  öst- 
liche, allerdings  kaum  sehr  in  die  Erscheinung  tretende 
Abgrenzung  gegen  den  Platz  am  Zeughaus  ein,  indem  die 
Opernbrücke  abgebrochen  und  der  Graben  in  der  ganzen 
Breite  der  Linden  und  noch  darüber  hinaus  überwölbt 
wird  (Nebenbei:  die  Figuren  der  Brücke  wurden  1824  auf 
den  Leipziger  Platz  versetzt,  wo  sie  noch  heute  ihr  wenig 
beachtetes  Dasein  fristen). 


1834—1836  wird  an  Stelle  des  Markgräflichen  Palastes 
ein  Neubau  für  den  Prinzen  Wilhelm  von  Langhaus  d.  J. 
aufgeführt.  Auf  dem  Bilde  von  Franz  Krüger:  Parade  vor 
Friedrich  Wilhelm  IIL,  sieht  man  die  Pergola  an  der  Ecke 
schon  im  Jahre  1837  so  bewachsen,  wie  sie  sich  heute 
noch  zeigt. 

1843,  100  Jahre  nach  dem  Brand  der  Akademie,  wird 
das  Opernhaus  ein  Raub  der  Flammen.  Bei  der  Wieder- 
herstellung werden  den  Langseiten  Risalite  vorgelegt,  die 
seitlichen  Freitreppen  verschwinden. 

Der  31.  Mai  1851  ist  wieder  ein  großer  Tag  für  den 
Platz:  Es  wird  das  von  Rauch  geschaffene  Denkmal 
Friedrichs  des  Großen  enthüllt,  nachdem  schon  im  Jahre  1840 
der  Grundstein  gelegt  worden  war.  Der  Kunstfreund 
stellt  mit  Befriedigung  fest,  daß  der  Name  KnobelsdorfFs 
nicht  nur  unter  den  berühmten  Zeitgenossen  auf  dem 
unteren  Sockel  verzeichnet  steht,  sondern  daß  der  Künstler 
selbst  auf  der  Nordseite  des  obersten  Sockelteiles  abgebildet 
ist,  wie  er  dem  König  die  Statue  des  betenden  Knaben  über- 
bringt. So  hat  er  doch  auch  sein  ehrenvolles  Denkmal  an 
dem  Platz,  der  ihm  soviel  zu  danken  hat. 

Hätte  man  damals  das  Denkmal  statt  unter  die  Linden 
mitten  auf  den  Opernplatz  gesetzt,  was  allerdings  in  macht- 
volleren, einfacheren  Formen  hätte  geschehen  müssen,  so 
hätte  man  vielleicht  dem  vorgebeugt,  was  nun,  noch  im 
selben  Jahrzehnt,  die  Platzerscheinung  bis  heute,  und  zwar 
in  steigendem  Maße,  vernichten  sollte:  Der  Bepflanzung, 
die  in  den  fünfziger  Jahren  unter  Lenne  erfolgte.  Sie  wurde 
damals  sicher  mit  Stolz  gutgeheißen,  heute  aber  ist  man 
anderer  Ansicht,  und  man  möchte  nur  wünschen,  daß  der 
Platz  immer  so  „kahl"  geblieben  wäre,  wie  er  sich  bis 
dahin  gezeigt  hatte.  Am  besten  würde  ihn  allerdings  ein 
großzügiges  Reiterdenkmal  zieren,  für  das  ich  keinen  Platz 
in  Berlin  geeigneter  wüßte  als  ihn. 

Nun  hatten  die  weiteren  Veränderungen  kaum  noch  eine 
Bedeutung,  weder  der  Bühnenhausanbau  von  Langhaus  d.  J. 
1869,  der  sonst  eine  ästhetische  Wirkung  haben  konnte,  insofern 
er  die  Lücken  vor  der  Hedwigskirche  verkleinerte,  noch 
die  Denkmäler  Alexanders  und  W^ilhelms  von  Humboldt  1889 
von  Reinhold  Begas  und  Paul  Otto.  Erfreulich  war  noch 
die  1886—1887  erfolgte  Kupfereindeckung  der  Hedwigskirche 
durch  Hasak,  die  dem  ursprünglichen  Entwurf  nachgebildet 
ist,  und  ihre  Bekrönung  mit  einer  Laterne.  Dafür 
verböserte  man  1895  den  Fehler  der  Bepflanzung,  indem 
man  auf  den  vorderen  Teil  des  Platzes  das  Standbild  der 
Kaiserin  Augusta  von  Fritz  Schaper  setzte.  Diese  Auf- 
stellung, die  dem  größeren  Teil  des  Platzes  sein  Leben 
nahm,  ist  bezeichnend  genug  für  den  falschen  Maßstab  des 
Denkmals:  es  ist  für  den  ganzen  Platz  viel  zu  klein  und 
paßt  höchstens  zu  den  Anlagen,  in  denen  es  steht.  Wenn 
man  sich  nun  allerdings  die  Bepflanzung  fort  dächte, 
würde  das  Denkmal  und  die  1887  davor  aufgestellte 
Kaiservase  eine  sehr  komische  Figur  machen  und  zum 
Range  von  Nippessachen  heruntersinken.  —  circulus 
vitiosus!  — 

Über  den  Neubau  der  Bibliothek  kann  noch  nicht  ge- 
urteilt werden.  Nur  kann  man  jetzt  schon  sagen,  daß  die 
Höhe  des  fertigen  Baues,  die  das  alte  Akademiegebäude 
bei  weitem  überragt  (übrigens  ja  auch  eine  wirtschaftliche 
Notwendigkeit  war),  dem  Platz  wohl  nicht  zum  Nachteil  ge- 
reichen wird.  Die  breite  Öffnung  des  Platzes  wird  dadurch 
nur    um    so    eindrucksvoller,    wenn    auch    das    Denkmal 


42 


DER  STÄDTEBAU 


Friedrichs  des  Großen  verlieren  wird,  da  die  Figur  nicht 
mehr  als  Umrißlinie  zur  Geltung  kommt.  Auch  darf  man 
der  in  Laienkreisen  öfter  gehörten  Befürchtung  entgegen- 
treten,   daß    die  große  Kuppel  des  Lesesaals  das  Platzbild 


beeinträchtigen  wird.  Sie  wird  von  außen  überhaupt  nicht 
sichtbar  werden  und  die  ruhige  Linie  der  Linden,  die  das 
Auge  zum  Platz  hinführen  soll,  nicht  kurz  vor  dem  Ziel 
unterbrechen. 


DIE  UNTERNEUSTÄDTER  MÜHLE  IN  KASSEL, 


die  das  malerische  Bild  Alt-Kassels  darstellte  und  schon 
unzähligen  Malern  zum  Vorwurf  diente,  ist  dem  Untergang 
geweiht.  Das  Bedauerliche  dabei  ist,  daß.  die  Mühle,  die 
hohen  kunstgeschichtlichen  und  als  Rest  der  Kasseler  Stadt- 
befestigung auch  historischen  Wert  hat,  ohne  jeden  Grund 
heruntergerissen  werden  soll.  Die  prächtige,  mehr  als 
hundertjährige  Linde  auf  der  dieser  Mühle  vorgelagerten 
und  gleichfalls  verschwindenden  Bastei  hat  das  Stadtbau- 
amt bereits  fällen  lassen.  Die  Entrüstung  darüber  ist 
groß;  aber  auch  der  Einspruch  der  zuständigen  Behörden 
wird  wirkungslos  sein,  weil  der  Abbruch  vom  Minister, 
dem  zweifellos  die  Bedeutung  der  Mühle  nicht  bekannt 
ist,  bereits  genehmigt  ist.  Die  Residenzstadt  Kassel  be- 
sitzt bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  kein  Ortsstatut  gegen 
die  Verunstaltung  des 
Stadtbildes  und  hat 
diesen  Mangel  schon 
wiederholt  schwer 
büßen  müssen. 

Soweit  die  Zu- 
schrift des  Schrift- 
stellers Herrn  Heidel- 
bach  in  Kassel  (siehe 
Textbild).  Dazu  be- 
merken wir  fol- 
gendes : 

Die  Stadtanlage 
von  Kassel  hat  nur 
wenige  Schönheits- 
werte in  der  Neuzeit 
hinzuerworben :  den 
besten  wohl  in  der 
geschickten  Anord- 
nung des  neuen 
Rathauses  an  der 
schmalen  und  ab- 
fallenden        Oberen 

Königstraße,  indem  die  Bauflucht  zurückgeschoben  und 
dem  Bauwerke  eine  Terrasse  vorgelagert  wurde,  so  daß 
ein  reizvolles  Plätzchen  entstehen  konnte;  einen  anderen 
im  Neubau  der  Reichsbank  am  sonst  freilich  in  einer 
wenig  erfreulichen  Umwandlung  begriffenen  Königsplatze; 
weiter  einen  in  der  neuen  Fuldabrücke  mit  ihren  Zugängen 
zum  Altmarkte  einerseits  und  zum  Holzmarkte  anderer- 
seits; auch  sonst  noch  einige  in  Waren-  und  Landhäusern. 
Dagegen  hat  Kassel  an  alten  Schönheitswerten  schon 
mancherlei  aufgegeben  und  ist  auf  dem  besten  Wege, 
immer  mehr  davon  einzubüßen. 

Der  Friedrichsplatz  hat  wohl  niemals  einen  voll  befrie- 
digenden Eindruck  gemacht;  er  ist  zu  groß  (151  zu  234  m 
nach  Gurlitt)  für  die  niedrige  Randbebauung  und  hat  ein 
ziemlich  starkes  Längsgefalle ;  auf  einer  Langseite  besäumen 
ihn  stufenförmig  heruntersinkende  monumentale  Gebäude,  auf 


Photographische  Aufnahme  des  Hofphotographen  Eberth,  Kassel. 


der  anderen  verhältnismäßig  bescheidene  Privathäuser.  — 
Das  Standbild  des  Langrafen  Friedrichs  IL  steht  zwar  in 
der  abfallenden  Längsachse,  jedoch  mit  dem  Gesicht  senk- 
recht dazu.  Immerhin  waren  die  Schmalseiten  gut  abge- 
schlossen, nach  oben  jenseits  der  Oberen  Königsstraße  durch 
das  Palais  am  Theaterplatz,  nach  unten  hin  durch  das 
Auetor.  Ersteres,  vor  dem  später  das  Spohrdenkmal  auf- 
gestellt worden  ist  (mit  einer  die  Balustrade  der  Schloß- 
rampe verdeckenden  geschmacklosen  Umpflanzung)  wird 
jetzt  durch  den  mit  einer  Brandmauer  dicht  heran- 
tretenden Neubau  eines  Geschäftshauses  (an  der  neu 
durchgebrochenen  Opernstraße)  arg  entstellt  und  von  dem 
gegenüber  an  Stelle  des  abgebrochenen  alten  Hoftheaters 
errichteten    W^arenhaus    vollends    erdrückt.      Das    Auetor 

aber,  das  früher  an 
der  tiefsten  Stelle 
sich  zur  Karlsaue 
öffnete,  ist  in  einen 
Winkel  geschoben 
worden,  um  dem 
neuen  Hoftheater 
Platz  zu  machen,  das 
mit  seinem  niedrigen 
Unterbau  von  der 
Königsstraße  aus  ge- 
sehen, wie  ver- 
sunken dasteht  und 
mit  seiner  unklaren 
Umrißlinie  den  freien 
Ausblick  auf  die  Aue 
und  die  Orangerie 
verdeckt. 

Fast  noch  schlim- 
mer wird  dem 
Königsplatze  mitge- 
spielt, dem  bekann- 
ten kreisrunden  Platz 
von  131  m  Durchmesser  an  der  Grenze  der  Oberen  Neu- 
stadt und  der  Altstadt.  Auch  dieser  Platz  fällt  etwas  ab, 
was  jedoch  bei  der  geschickten  Art  der  Bebauung  (drei- 
geschossig an  der  höher  liegenden  Seite  mit  Betonung  der 
Ecken  durch  Dachaufbauten,  viergeschossig  an  der  tiefer 
liegenden  Seite)  früher  nicht  auffiel;  jetzt  aber  um  so  mehr 
auffällt,  als  die  nun  zulässige  höhere  Bebauung  anscheinend 
rundum  eine  gleich  hohe  werden  soll.  Dazu  kommt  nun 
der  oben  mitgeteilte  Schmerzensruf! 

Wenn  wenigstens  weitere  neue  Werte  hinzukämen! 
Doch  wie  hoffnungslos  sehen  die  neuen  Stadtteile,  die 
Hohenzollern-  und  die  Kaiserstraße  aus !  Dagegen  gehalten, 
ist  der  fast  mehr  als  bescheidene  Eintritt  vom  Eisenbahn- 
hofe her  noch  sympathisch  zu  nennen.  Ein  geometrisches 
Straßennetz  mit  häßlichen  Eckverbrechungen  und  Buckeln 
im  Straßenprofil  ist  über  Berg  und  Tal  gelegt  —  ihm  folgt 


43 


DER  STÄDTEBAU 


eine  gleichmäßig  hohe  Bebauung.  Will  man  nun  einmal 
der  Natur  Gewalt  antun,  so  muß  man  es  auch  ordentlich 
und  darf  man  tiefere  Einschnitte,   größere  Erdbewegungen 


nicht  scheuen.     Doch   diese  kosten  Geld,  und  darum  wäre 
es  weiser,   der  Natur  sittsam    zu   folgen  und  möglichst  das 


zu  erhalten,  was  sie  bietet. 


D.  S. 


DAS  ENGLISCHE  STÄDTEBAUGESETZ 
VOM  3.  DEZEMBER  1909. 


Von  Privatdozent    Dr.-Ing.   EM  ER  ICH   FORBATH,    Budapest. 


Einleitung. 

Vor  dem  Städtebaugesetz  vom  Jahre  1909  gab  es  in 
England  keinerlei  gesetzliche  Bestimmungen  in  bezug  auf 
die  Regelung  der  Anlage  und  Ausdehnung  der  Städte.  Dies 
führte  zu  um  so  größeren  Nachteilen,  als  die  städtische 
Bevölkerung  im  Verhältnisse  zur  ländlichen  in  England 
ganz  besonders  stark  anwächst.  Es  betrug  in  Prozenten 
der  gesamten  Bevölkerung  von  England  und  Wales: 


Jahr 

Städtische 

Ländliche 

Gesamt- 

Bevölkerung 

Bevölkerung 

bevölkerung 

1881 

67,9 

32,1 

25974439 

189.1 

72,0 

28,0 

29002525 

1901 

77,0 

23,0 

32527843 

1911 

78,1 

21,9 

36075269 

Wenn  nun  auch  eine  weitere  Verschiebung  dieses  Ver- 
hältnisses nur  mehr  in  geringem  Maße  möglich  ist,  sofern 
nicht  eine  vollständige  Entvölkerung  des  Landes  eintritt,  so 
verleiht  doch  schon  der  Umstand,  daß  bereits  gegenwärtig 
78  "/o  der  Gesamtbevölkerung  von  England  und  Wales  in  den 
Städten  wohnen,  der  zeitgemäßen  Ordnung  des  englischen 
Städtebauwesens  eine  besondere  Bedeutung. 

Es  ist  unzweifelhaft,  daß  die  auf  die  Verbesserung  des 
deutschen  Städtebauwesens  gerichteten  Bestrebungen  der 
letzten  10—15  Jahre  auf  die  gleichgerichteten  Bestrebungen 
in  England  nicht  ohne  Einfluß  geblieben  sind.  Die  sich 
darauf  beziehenden  Arbeiten  und  Ergebnisse  der  deutschen 
Städte  sind  durch  eingehende  Reiseberichte  englischer  Fach- 
leute allmählich  auch  in  England  bekannt  geworden  und 
haben  dort  den  Wunsch  nach  einer  den  englischen  Ver- 
hältnissen angepaßten  Regelung  städtischer  Entwicklung 
immer  lebhafter  werden  lassen.  Es  sei  in  dieser  Beziehung 
zum  Beispiel  auf  den  ausführlichen,  mit  vielen  Plänen  be- 
legten Reisebericht  der  von  der  Stadt  Birmingham  zum 
Studium  des  deutschen  Städtebauwesens  entsendeten 
Kommission  hingewiesen,  welcher  sich  auf  die  Wohnungs- 
beschaffung und  den  Ausbau  der  Städte  Berlin,  Ulm, 
Stuttgart,  Mannheim,  Frankfurt,  Köln  und  Düsseldorf  be- 
ziehende ausführliche  Angaben  enthält.  (City  of  Birming- 
ham. Report  of  the  Housing  Committee  presented  to  the 
Council  on  the  3'^'^  July,  1906.) 

Das  Ergebnis  der  auf  die  Verbesserung  der  Wohnungs- 
und Städtebauverhältnisse  in  England  gerichteten  Be- 
strebungen ist  das  von  dem  aus  dem  Arbeiterstande  her- 
vorgegangenen Minister  John  Burns  eingebrachte  und  nach 
eingehender  Beratung  und  manchen,  namentlich  im  Ober- 
hause,   aufgetauchten  Widerständen    am  3.  Dezember  1909 


verkündete  Gesetz,  dessen  voller  Titel  wie  folgt  lautet: 
„Gesetz  betreffend  die  Unterbringung  der  arbeitenden 
Klassen,  die  Fürsorge  für  die  Ausarbeitung  von  Stadt- 
bauplänen und  weitere  Maßnahmen  in  bezug  auf  die  An- 
stellung und  Pflichten  der  Gesundheitsbeamten  in  den  Graf- 
schaften, sowie  für  die  Errichtung  von  Gesundheits-  und 
Wohnungskommissionen  in  den  Grafschaftsräten." 

Wie  hieraus  ersichtlich  ist,  behandelt  das  Gesetz  nicht 
nur  den  Bau  der  Städte,  sondern  auch  die  Frage  der 
Arbeiterwohnungen,  sowie  des  mit  der  Wohnungsfrage  zu- 
sammenhängenden öffentlichen  Gesundheitsdienstes  in  den 
Grafschaften.  Während  jedoch  diese  Teile  des  Gesetzes 
nur  eine  weitere  Vervollkommnung  der  in  dieser  Hinsicht 
bereits  früher  erbrachten  zahlreichen  englischen  Gesetze 
anstreben,  ist  das  auf  den  Städtebau  bezügliche  Kapitel  des 
Gesetzes  vollkommen  neu  und  enthält  in  mancher  Hinsicht 
so  durchgreifende  und  moderne  Reformen,  daß  seine  Kennt- 
nis auch  außerhalb  Englands  weiter  verbreitet  zu  werden 
verdient.  Im  nachfolgenden  wollen  wir  uns  ausschließlich 
mit  diesem  auf  den  Bau  der  Städte  bezüglichen  Teile  des 
neuen  Gesetzes  beschäftigen. 

Vorbereitung  und  Genehmigung  vonBebauungs- 
plänen. 

Ein  Bebauungsplan  kann  gemäß  den  Bestimmungen 
dieses  Gesetzes  für  jedes  Gelände  aufgestellt  werden,  das 
in  baulicher  Entwicklung  begriffen  ist  oder  voraussichtlich 
für  bauliche  Zwecke  benutzt  werden  wird,  um  geeignete 
Unterkunfts-  und  gesundheitliche  Verhältnisse,  sowie  ein 
angenehmes  Wohnen  zu  sichern.  Das  Ministerium  des 
Innern  (Local  Government  Board)  kann  eine  örtliche  Be- 
hörde ermächtigen,  für  ein  innerhalb  oder  in  der  Nachbar- 
schaft ihres  Gebietes  gelegenes  Gelände  einen  Bebauungs- 
plan auszuarbeiten,  wenn  die  Behörde  dem  Ministerium 
den  Nachweis  liefert,  daß  die  Ausarbeitung  eines  solchen 
Planes  angebracht  erscheint.  Auch  kann  das  Ministerium 
die  örtliche  Behörde  ermächtigen,  einen  von  allen  oder 
einigen  Besitzern  eines  solchen  Geländes  vorgelegten  Plan 
mit  oder  ohne  irgendwelche  Änderungen  anzunehmen, 
wenn  für  dieses  Gelände  die  Behörde  selbst  zur  Aus- 
arbeitung eines  Bebauungsplanes  ermächtigt  hätte  werden 
können. 

Wo  nach  der  Meinung  des  Ministeriums  ein  bereits  be- 
bautes Gelände  oder  ein  Gelände,  das  voraussichtlich  nicht 
für  Bauzwecke  benutzt  werden  wird,  mit  Rücksicht  auf 
ein  voraussichtlich  zu  bebauendes  Gelände  so  gelegen  ist, 
daß  es  in  den  Bebauungsplan  für  das  letztgenannte  Ge- 
lände mit  eingeschlossen  werden  sollte,  kann  das  Ministerium 
zur  Ausarbeitung  und  Annahme   eines  solchen  Bebauungs- 


44 


DER  STÄDTEBAU 


planes  ermächtigen,  der  auch  dieses  Gelände  mit  ein- 
schließt und  den  Abbruch  oder  die  Veränderung  aller  der- 
jenigen Gebäude  auf  diesem  Gelände  vorsieht,  deren 
Abbruch  oder  Veränderung  für  die  Ausführung  des  Planes 
notwendig  erscheint. 

Ein  von  einer  örtlichen  Behörde  ausgearbeiteter  oder 
angenommener  Bebauungsplan  erlangt  erst  dann  Rechts- 
kraft, wenn  er  vom  Ministerium  genehmigt  worden  ist. 
Das  Ministerium  kann  die  Genehmigung  versagen  oder  an 
Änderungen  und  Bedingungen  knüpfen,  die  es  für  an- 
gebracht hält.  Falls  das  Ministerium  einen  Plan  genehmigen 
will,  muß  es  diese  Absicht  im  Amtsblatte  veröffentlichen. 
Wenn  innerhalb  21  Tagen  vom  Datum  der  Veröffentlichung 
an  irgendeine  beteiligte  Person  oder  Behörde  Einsprache 
erhebt,  muß  der  Entwurf  zur  Genehmigungsverfügung 
beiden  Häusern  des  Parlaments  auf  die  Dauer  von 
mindestens  30  Tagen  vorgelegt  werden.  Wenn  innerhalb 
dieser  30  Tage  keines  der  beiden  Häuser  gegen  diesen  Ver- 
fügungsentwurf eine  Adresse  an  Se.  Majestät  vorlegt,  ist 
weiteres  nicht  erforderlich. 

Jeder  Bebauungsplan,  der  vom  Ministerium  genehmigt 
worden  ist,  hat  dieselbe  Wirksamkeit,  wie  wenn  er  im 
Gesetze  selbst  enthalten  wäre. 

Jeder  Bebauungsplan  kann  durch  einen  späteren  Plan, 
der  den  Bestimmungen  dieses  Gesetzes  gemäß  ausgearbeitet 
oder  angenommen  und  genehmigt  worden  ist,  abgeändert 
)der  widerrufen  werden;  auch  kann  das  Ministerium  auf 
das  Ersuchen  der  nach  den  Bestimmungen  des  Gesetzes  ver- 
antwortlichen Behörde  oder  irgendeiner  anderen  Person,  die 
ihm  hierbei  beteiligt  erscheint,  auf  dem  Verfügungswege  einen 
Bebauungsplan  zurückziehen,  wenn  es  der  Meinung  ist,  daß 
unter  den  besonderen  Verhältnissen  der  Plan  zurückgezogen 
werden  soll.  Der  Ausdruck  „voraussichtlich  für  Bauzwecke 
zu  benutzendes  Gelände"  schließt  all  das  Gelände  ein,  das 
voraussichtlich  für  offene  Plätze,  Straßen,  Wege,  Parks,  Ver- 
gnügungs-  und  Erholungsflächen  oder  für  die  Ausführung 
von  irgendwelchen  ober-  oder  unterirdischen,  mit  dem 
Bebauungsplane  zusammenhängenden  Arbeiten  benutzt 
werden  wird,  unabhängig  davon,  ob  dies  in  Form  eines 
Bauwerkes  geschieht  oder  nicht;  die  Entscheidung  des 
Ministeriums  darüber,  ob  das  Gelände  voraussichtlich  für 
Bauzwecke  benutzt  werden  wird   oder  nicht,  ist  endgültig. 

Inhalt  von  Bebauungsplänen. 

Das  Ministerium  kann  allgemeine  Bestimmungen  oder 
bei  Flächen  von  besonderem  Charakter  auch  besondere 
Bestimmungen  für  die  Ausführung  der  Bebauungspläne 
und  insbesondere  auch  für  die  Behandlung  der  folgenden 
Gegenstände  vorschreiben,  wobei  diese  Bestimmungen  als 
Teile  des  Plans  zu  gelten  haben: 

1.  Straßen,  Gassen  und  andere  Wege,  sowie  Auflassung 
oder  Ablenkung  bestehender  Straßen. 

2.  Gebäude,   Konstruktionen    und  Errichtung    von  Bau- 
werken. 

3.  Öffentliche  und  private  offene  Flächen. 

4.  Die  Erhaltung  von  Gegenständen  von  geschichtlicher 
Bedeutung  oder  natürlicher  Schönheit. 

5.  Kanalleitung,  Entwässerung  und  Behandlung  der  Ab- 
wässer. 

6.  Beleuchtung. 

7.  Wasserversorgung. 


8.  Untergeordnete  oder  aus  den  vorhergehenden  folgende 
Arbeiten. 

9.  Erlöschung  oder  Abänderung  privater  Straßenrechte 
und  sonstiger  Dienstbarkeiten. 

10.  Verfügung  über  das  von  den  Ortsbehörden  erworbene 
Gelände. 

11.  Ermächtigung  zu  freiem  Eintritt  und  zur  Besich- 
tigung. 

12.  Ermächtigung  für  die  verantwortliche  Behörde,  hinder- 
liche Bauwerke  zu  entfernen,  zu  verändern  oder  ab- 
zutragen. 

13.  Ermächtigung  der  verantwortlichen  Behörde,  Verein- 
barungen mit  den  Eigentümern  und  der  Eigentümer, 
Vereinbarungen  untereinander  zu  treffen. 

14.  Ermächtigung  der  verantwortlichen,  auch  einer  ört- 
lichen Behörde,  Geld  oder  Eigentum  für  die  Förderung 
der  Ziele  eines  Bebauungsplanes  anzunehmen,  und 
Vorschriften  für  die  Verwaltung  solchen  Geldes  oder 
Eigentumes. 

15.  Anwendung  sonstiger  statutenmäßiger  Bestimmungen 
mit  den  notwendigen  Änderungen  und  Ergänzungen. 

16.  Ausführung  und  Ergänzung  der  Bestimmungen  dieses 
Gesetzes  betreffend  zwangsweise  zur  Ausführung 
kommender  Bebauungspläne. 

17.  Beschränkung  der  Zeit  für  die  Wirksamkeit  des 
Planes. 

18.  Zusammenwirken  der  verantwortlichen  Behörde  mit 
den  Eigentümern  des  in  den  Plan  aufgenommenen 
Geländes  oder  mit  anderen  beteiligten  Personen  in 
Verhandlungen  usw. 

19.  Belastung  von  Erbschaften  von  solchem  Gelände, 
dessen  Wert  durch  die  Ausführung  eines  Bebauungs- 
planes erhöht  worden  ist,  mit  der  nach  den  Be- 
stimmungen des  Gesetzes  nach  dieser  Werterhöhung 
zu  zahlenden  Summe. 

Außerdem  wird  bei  der  Genehmigung  eines  jeden  Be- 
bauungsplanes die  Fläche  bestimmt,  für  die  der  Plan  An- 
wendung findet,  sowie  die  Behörde,  die  für  die  Einhaltung 
des  Planes  und  für  die  Ausführung  der  Arbeiten  ver- 
antwortlich ist,  welche  auf  Grund  des  Planes  durch  die 
Ortsbehörden  auszuführen  sind. 

In  dieser  Abteilung  des  Gesetzes  befinden  sich  des 
weiteren  Vorschriften  für  den  Fall,  daß  das  Zusammen- 
wirken mehrerer  Ortsbehörden  notwendig  werden  sollte, 
sowie  für  den  Fall,  daß  bestehende  Statuten,  Bestimmungen 
usw.  durch  den  Plan  berührt  werden. 

Das  Ministerium  wird  ermächtigt,  Bestimmungen  zu 
erlassen,  die  den  Vorgang  bei  der  Anfertigung  und  Ge- 
nehmigung, sowie  bei  der  Ausführung  der  Bebauungs- 
pläne regeln.  Diese  Bestimmungen  erstrecken  sich  auch 
auf  das  Zusammenwirken  der  Ortsbehörden  mit  den 
Grundeigentümern  und  anderen  Beteiligten  auf  jeder 
Stufe  der  Verhandlung,  sowie  darauf,  daß  alle  be- 
teiligten Körperschaften  möglichst  frühzeitig  von  der  Ab- 
sicht erfahren,  einen  solchen  Plan  auszuarbeiten  oder 
anzunehmen. 

Im  Bebauungsplane  sind  überall  dort,  wo  es  die  Ver- 
hältnisse erfordern,  alle  Einzelheiten  in  bezug  auf  die  Be- 
schränkung der  Anzahl  der  Gebäude  in  einer  Flächeneinheit, 
sowie  auf  die  Höhe  und  den  Charakter  dieser  Gebäude 
anzuführen. 


45 


DER  STÄDTEBAU 


Ermächtigung    zur    zwangsweisen    Ausführung 
der  Bebauungspläne. 

Die  verantwortliche  Behörde  kann  zu  jeder  Zeit,  nach- 
dem die  vorgesehene  Benachrichtigung  erfolgt  ist  und  in 
Übereinstimmung  mit  den  Bestimmungen  des  Planes 

a)  jedes  Gebäude  oder  andere  Bauwerk  innerhalb  des 
vom  Bebauungsplane  umfaßten  Geländes  entfernen, 
niederreißen  oder  verändern,  welches  den  Bebauungs- 
plan zu  behindern  geeignet  ist  oder  bei  dessen  Aus- 
führung oder  Errichtung  irgendwelche  Bestimmungen 
des  Planes  nichterfüllt  worden  sind  oder 

b)  jedes  Bauwerk  ausführen,  welches  auszuführen  auf 
Grund  des  Planes  die  Pflicht  irgendeiner  Person  wäre 
in  jedem  Falle,   wo   nach  Maßgabe  der  Behörde  ein 


Aufschub    in    der  Ausführung    dieses   Bauwerkes   die 

wirksame  Ausführung  des  Planes  behindern  würde. 

Alle  Ausgaben,   die   der  verantwortlichen  Behörde   aus 

diesem    Grunde    erwachsen,    können   von    der   sachfälligen 

Person  in  solcher  Weise  und  unter  solchen  Bedingungen 

eingehoben  werden,  wie  dies  im  Plane  vorgesehen  ist. 

Wenn  es  fraglich  erscheint,  ob  ein  Gebäude  oder  Bau- 
werk einen  Bebauungsplan  behindert  oder  ob  irgendeine 
Bestimmung  eines  Bebauungsplanes  durch  die  Errichtung 
oder  Ausführung  eines  Gebäudes  oder  Bauwerkes  nicht 
erfüllt  erscheint,  so  wird  diese  Frage  dem  Ministerium 
vorgelegt  und,  woferne  die  Beteiligten  nicht  anderweitii 
übereingekommen  sind,  von  dem  Ministerium  als  Schieds- 
richter entschieden.  Die  Entscheidung  des  Ministeriums 
ist  endgültig  und  bindend  für  alle  Teile.  (Schluß  folgt.) 


MITTEILUNG. 


Die  Erläuterung   zu   den  Tafeln  21  und  22    folgt   in  nächster  Nummer.     Auf  den  Tafeln  23  und  24  werden  zwei  als  schön  bekannte  Straßen- 
bilder beigegeben. 


NEUE  BÜCHER  UND  SCHRIFTEN. 


Wir  bitten  um  gefällige  Zusendung  aller  einschlägigen  neuen 
Bücher  und  Schriften,  die  wir  unter  dieser  Übersicht  regelmäßig  an- 
zeigen werden;  wir  übernehmen  aber  keine  Verpflichtung  zur  Be- 
sprechung und  Rücksendung. 


WELTVERKEHR  UND  WELTWIRTSCHAFT.  Monats- 
schrift für  Wissenschaft  und  Politik  des  Weltverkehrs  und  der 
Weltwirtschaft.  Herausgegeben  von  Dr.  Richard  Hennig.  Verlag  von 
Wilhelm  Süßerott,  Berlin  W  30.     Preis  18  Mk. 

Der  Plan  eines  Rhein-Maas-Kanals  wird  im  neuesten  Januarheft  der 
Monatsschrift  „Weltverkehr  und  Weltwirtschaft"  in  einem  Aufsatz  be- 
handelt, der  von  Max  Roeder  in  Aachen  stammt.  Der  Gedanke,  den 
Rhein  und  die  Maas  durch  einen  Kanal  zu  verbinden,  ist  schon  nahezu 
2000  Jahre  alt,  da  sich  bereits  unter  Kaiser  Claudius  der  römische  Feld- 
herr Corbulo  damit  trug.  Später  kam  Karl  der  Große  auf  den  gleichen 
Gedanken.  In  der  Spanierzeit  ging  man  1626  sogar  daran,  einen  Kanal 
von  Rheinsberg  nach  Venlo  wirklich  zu  graben;  doch  gediehen  die  Arbeiten 
in  den  kriegerischen  Wirren  der  Zeit  nicht  weit.  1764  wurde  der  Plan 
aufs  neue  aufgenommen,  ohne  daß  jedoch  die  Verwirklichung  Fortschritte 
gemacht  hätte;  selbst  das  Machtwort  eines  Napoleon,  der  am  28.  Juli  1803 
die  Herstellung  des  Kanals  anordnete,  und  zwar  in  der  Führung  von 
Grimlinghausen  bei  Neuß  über  Viersen  nach  Venlo,  konnte  dem  Gedanken 
nicht  zum  Siege  verhelfen,  denn  nachdem  1809  mit  dem  Kanalbau  begonnen 
war,  vereitelte  Napoleons  Sturz  die  Fertigstellung,  nachdem  zwei  Drittel 
des  „Napoleon-Kanals"  mit  einem  Kostenaufwand  von  4  Millionen  Franken 
bereits  fertiggestellt  waren.  Seit  der  Neugründung  des  Deutschen  Reiches 
ist  der  Plan  des  Rhein-Maas-Kanals,  dem  eWi  Mann  wie  Bismarck  mit 
größter  Sympathie  gegenüberstand,  kaum  je  wieder  zur  Ruhe  gekommen. 
Erst  im  letzten  Jahr  nahm  aber  die  Bewegung  für  das  wirtschaftlich  wert- 
volle Unternehmen  größeren  Umfang  an.  Vor  allem  infolge  zweier  Aachener 
Veröffentlichungen  von  Dr.  Leo  Vossen  und  Albert  Schneiders.  Der  letzt- 
genannte Architekt  hat  die  technische  Seite  des  Planes  gründlichst  studiert. 
Über  das  Ergebnis  seiner  Forschungen  und  seine  praktischen  Vorschläge 
erstattet  nun  der  Aufsatz  im  „Weltverkehr"  eingehend  Bericht.  Der 
Roedersche  Aufsatz  legt  noch  dar,  daß  die  Schaffung  des  Kanals  eine 
„volkswirtschaftliche  und  nationale  Tat"  wäre.  Das  Januarheft  enthält 
auch  sonst  noch  wertvolle  Anregungen  in  einem  Aufsatz  über  eine  deutsche 
Rheinmündung   von  Dr.  Reichert-Duisburg,   einer  Studie   über   die  Pflege 


des  Weltverkehrs  an  den  deutschen  Hochschulen  vom  Herausgeber 
Dr.  Hennig,  und  einer  sehr  gründlichen  Arbeit  über  das  Verkehrswesen  der 
Türkei  von  F.  Meinhard-Sofia. 

Nummer  22  der  Mitteilungen  der  ZENTRALSTELLE  FÜR 
WOHNUNGSREFORM  IN  ÖSTERREICH  enthält  drei 
Aufsätze,  welche  die  Bedeutung  der  Dezembergesetze  für  den  Klein- 
wohnungsbau behandeln.  Der  erste  Artikel  aus  der  Feder  des  ehemaligen 
Finanzministers  Exzellenz  Dr.  Robert  Meyer  bespricht  die  „Drei  Gesetze 
vom  28.  Dezember  1911"  und  legt  die  Fortschritte  dar,  welche  diese  Ge- 
setze für  die  Wohnungsreform  bedeuten.  Im  zweiten  Artikel  sucht  Reichs- 
ratsabgeordneter Dr.  Adolf  Groß,  der  Berichterstatter  des  Teuerungs- 
ausschusses im  Abgeordnetenhause,  die  wirtschaftliche  und  finanzielle 
Wirkung  der  Gebäudesteuernovelle  nachzuweisen.  In  dem  dritten  Aufsatze 
wird  die  Bedeutung  dieser  Novelle  für  die  Wohnungszinse  insbesondere  in 
Wien  behandelt.  Im  Anschlüsse  daran  folgen  das  Gebührenbegünstigungs- 
gesetz und  das  Ergänzungsgesetz  zum  Wohnungsfürsorgefonds  im 
Wortlaute.  Dann  folgen  noch  Berichte  über  die  Erste  österreichische 
Wohnungskonferenz  und  den  nachher  abgehaltenen  Ersten  österreichischen 
Baugenossenschaftstag,  sowie  über  die  Tätigkeit  der  Zentralstelle  für 
Wohnungsreform  zur  Herstellung  von  Notstandsbauten  in  Wien. 

Im  Selbstverlage  der  Zentralstelle  für  Wohnungsreform  in  Österreich, 
Wien  I.,  Stubenring  8 — 10,  ist  der  Bericht  über  die  Erste,  zu  Wien 
am  25.  und  26.  November  191 1  abgehaltene  OSTERREICHISCHE 
WOHNUNGSKONFERENZ  erschienen.  (Preis  3.—  Kr.)  Der 
Bericht  bringt  eine  vollständige  Niederschrift  der  Konferenzverhandlungen, 
auf  deren  Tagesordnung  bekanntlich  das  Thema  „Der  Wohnungsfürsorge- 
fonds in  seilten  Beziehungen  zu  den  Gemeinden,  Kreditinstituten  und 
Genossenschaften"  stand. 

Am  I.  Februar  1912  ist  die  neue  BAUORDNUNG  FÜR  DEN 
REGIERUNGSBEZIRK  TRIER  erlassen  und  als  Zeitpunkt 
ihres  Inkrafttretens  der  i.  April  igi2  festgesetzt.  Die  bisherige  Bauordnung 
vom  4.  Mai  1901  stellte  die  erste  einheitliche  Zusammenfassung  der  bis 
dahin  im  Regierungsbezirke  Trier  vereinzelt  erlassenen  örtlichen  bau- 
rechtlichen Vorschriften  dar.  Die  schnelle  und  vielseitige  wirtschaftliche 
Entwicklung  des  Regierungsbezirks,  welche  sich  auch  im  Bauwesen  aus- 
drückte, machte  eine  Neugestaltung  des  Baurechts  erforderlich,  als  deren 
erstes  Ergebnis  die  neue  Bauordnung  für  die  Stadt  Trier  und  deren  Vor- 


46 


DER  STÄDTEBAU 


orte  vom  6.  April  1911  erschien.  Weitere  Bauordnungen  für  die  Städte 
Saarbrücken  und  Saarlouis  sind  in  Vorbereitung.  Die  Bauordnung  vom 
I.  Februar  1912  gilt  für  den  gesamten  Umfang  des  Regierungsbezirks 
Trier  mit  Ausnahme  der  drei  genannten  Städte.  Neun  für  die  kleineren 
Städte  geltende  Bauordnungen  sind  in  \Wegfall  gekommen.  Die  nahezu 
gleichzeitige  Umarbeitung  der  sämtlichen  bisher  im  Regierungsbezirk  Trier 
geltenden  Baupolizeiordnungen  wird,  soweit  nicht  örtliche  Verhältnisse 
und  Bedürfnisse  eine  Verschiedenheit  bedingen,  die  übereinstimmende 
Fassung  eines  großen  Teiles  der  baupolizeilichen  Bestimmungen  für  den 
ganzen  Regierungsbezirk  ermöglichen.  Damit  wird  für  diesen  Bezirk  ein 
im  wesentlichen  gleichartiges  einheitliches  Baurecht  geschaffen  werden, 
was  sowohl  für  das  bauende  Publikum  und  die  Architekten,  wie  für  die 
zur  Handhabung  des  Rechtes  berufenen  Behörden  von  erheblichem  Vorteil 
sein  wird.  Der  Regierungsbezirk  Trier  wird  dann  wohl  der  erste  Bezirk 
der  Monarchie  sein,  der  sich  eines  derartigen  einheitlichen  Baurechts  zu 
erfreuen  haben  wird.  Die  neue  Bauordnung  vom  i.  Februar  1912  regelt 
in    acht   Abschnitten    das   baupolizeiliche   Verfahren,    das    Verhältnis    der 


Bauten  zur  Straße,  die  Vorschriften  über  Festigkeit  und  Feuersicherheit, 
die  gesundheitlichen  Vorschriften,  Hofflächen,  Gebäudehöhe,  Geschoßzahl, 
die  Sonderbestimmungen  für  Bauten  in  Gemeinden  und  Ortsteilen  mit 
überwiegend  städtischer  oder  industrieller  Entwicklung,  Kleinbauten,  Aus- 
nahmen, Übergangs-  und  Schlußbestimmungen.  Während  sie  einerseits 
zahlreiche  Erleichterungen  für  die  ländliche  Bauweise  und  die  Herstellung 
von  Kleinwohnungen  bringt,  wird  sie  andererseits  dem  Bedürfnisse  be- 
sonderer Anforderungen  für  Gemeinden  mit  überwiegend  städtischer  oder 
industrieller  Entwicklung  gerecht.  Es  sei  nur  kurz  auf  den  Wegfall  der 
Forderung  der  Überdachführung  der  Brandmauern,  die  erweiterte  Zulassung 
von  Verbindungsöffnungen  in  solchen  zwischen  Wohn-  und  Wirtschafts- 
räumen, die  Zulässigkeit  weicher  Bedachung,  die  Verringerung  der 
Mauerstärken  und  der  Treppenbreiten  bei  Kleinwohnungen,  sowie  auf 
den  Anschlußzwang  an  öffentliche  \Vasserleitungen  hingewiesen.  Die 
amtliche  Ausgabe  ist  im  Verlage  der  Fr.  Lintz'schen  Buchhandlung, 
Friedr.  Val.  Lintz  zu  Trier  zum  Preise  von  1,60  Mk.  kartoniert  und  von 
2,10  Mk.  in  Leinen  gebunden  erschienen. 


C      H      R    O     INJ       I      K 


OOZIALE  STUDIENREISE  NACH  ENGLAND:  Die  Deutsche 

"*^  Gartenstadtgesellschaft  plant  auch  in  diesem  Jahre  für  August  eine 
Studienreise.  Sie  wird  führen  über  London  nach  York  mit  der  Garten- 
vorstadt Earswick,  von  da  nach  der  Hafenstadt  Liverpool  mit  Port 
Sunlight  sowie  der  alten  Stadt  ehester;  dann  nach  Birmingham,  Bourn- 
ville  und  anderen  wichtigen  Ansiedelungen;  zum  Schluß  nach  London 
mit  der  eigentlichen  Gartenstadt  Letchworth  und  der  Garten- Vorstadt 
Hampstead,  dem  Hauptziele  kontinentaler  Wohnungsreformer,  und  anderen 
Ansiedlungsformen,  namentlich  des  Londoner  Grafschaftsrates. 

An  die  AKADEMIE  FÜR  KOMMUNALE  VERWALTUNG 
IN  DÜSSELDORF  ist  zum  Studiendirektor  der  außerordentliche 
Professor  des  öffentlichen  Rechts  an  der  Universität  Greifswald  Dr.  Edler 
von  Hoffmann,  ferner  zum  Professor  der  Nationalökonomie  und  Studien- 
direktor der  Akademischen  Kurse  für  allgemeine  Fortbildung  und  Wirt- 
schaftswissenschaften der  ordentliche  Professor  an  der  Technischen  Hoch- 
schule in  Hannover  Dr.  von  Wiese  berufen  worden. 

"pviE  AUSSTELLUNG   NEUER  UND  ALTER  GARTEN- 

^-^  KUNST,  veranstaltet  von  der  Gruppe  Brandenburg  der  Deutschen 
Gesellschaft  für  Gartenkunst  e.  V.,  im  Königlichen  Kunstgewerbe-Museum 
zu  Berlin,  vom  15.  September  bis  13.  Oktober  1912  beabsichtigt  die 
Entwicklung  und  den  gegenwärtigen  Stand  der  Deutschen  Gartenkunst 
durch  eine  Reihe  bildlicher  und  plastischer  Darstellungen  zu  ver- 
anschaulichen. 

Der  Bedeutung  dieser  Absicht  entsprechend,  dürfen  nur  solche 
Darstellungen  zur  Schau  gebracht  werden,  die  wirklich  wertvolle 
Lösungen  gartenkünstlerischer  Aufgaben  nach  den  verschiedensten 
Richtungen  hin  aufweisen.  Da  der  Raum  begrenzt  ist,  wird  die  Aus- 
stellung nur  eine  Auswahl  des  Besten  bringen  können.  Es  wird 
hierbei  auch  besonderer  Wert  auf  die  künstlerische  Form  der  Dar- 
stellungen gelegt. 

Die  Ausstellung  wird  sich  teilen  in  eine  geschichtliche  Abteilung 
und   eine   solche   mit   ausgeführter   und   einer   mit   geplanter  Gartenkunst, 


Die  Anmeldungen  zur  Ausstellung,  an  welcher  sich  nur  Mitglieder 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gartenkunst  beteUigen  dürfen,  werden 
baldigst  erbeten.  Sie  sind  spätestens  bis  zum  i.  Mai  1912  an  den  Aus- 
stellungs-Ausschuß, zu  Händen  des  Herrn  Hans  Martin,  Berlin  O  27, 
Wallnertheaterstraße  3,  zu  richten. 

Über  die  Annahme  entscheidet  endgültig  der  Annahme-Ausschuß, 
dem  Aussteller  nicht  angehören  dürfen. 

Der  Annahme-Ausschuß  besteht  aus  den  Herren:  Stadtgartendirektor 
Brodersen,  Königl.  Gartenbaudirektor,  Berlin;  Stadtgartendirektor  Encke, 
Königl.  Gartenbaudirektor,  Köln,  Vorsitzender  der  D.  G.  f.  G.;  Professor 
Dr.  Ritter  von  Falke,  Direktor  der  Sammlungen  des  Königl.  Kunstgewerbe- 
Museums  zu  Berlin;  Dr.  Jessen,  Direktor  der  Bibliothek  des  königl.  Kunst- 
gewerbe-Museums zu  Berlin;  Professor  Bruno  Paul,  Direktor  der  Unterrichts- 
anstalt des  Königl.  Kunstgewerbe-Museums  zu  Berlin;  Potente,  königl. 
Hofgärtner,  Wildpark  bei  Potsdam  ;  Ulrich,  Obergärtner,  2.  Vorsitzender 
der  Gruppe  Brandenburg  der  D.  G.  f.'G.;  Weiß,  Stadtobergärtner,  Vor- 
steher des  I.  Stadt.  Parkreviers  Berlin,  i.  Vorsitzender  der  Gruppe  Branden- 
burg der  D.  G.  f.  G.;  Zahn,  Königl.  Gartenbaudirektor,  Abteilungsvorsteher 
für  Gartenkunst  an  der  Königl.  Gärtnerlehranstalt  zu  Dahlem-Steglitz; 
Zeininger,  Hofgartendirektor  Seiner  Majestät  des  Kaisers  und  Königs, 
Potsdam-Sanssouci. 

GLIEDERUNGSPLAN  FÜR  DIE  INTERNATIONALE 
BAUFACHAUSSTELLUNG  MIT  SONDERAUSSTEL- 
LUNGEN LEIPZIG  1913,  Protektor:  Seine  Majestät  König  Friedrich 
August  von  Sachsen.  Ehrenpräsidium:  Königl.  Sachs.  Staatsminister, 
Minister  des  Innern  und  der  auswärtigen  Angelegenheiten  Graf  Vitzthum 
v.  Eckstädt,  Exz.,  Dresden.  Kreishauptmann  a.  D.  Wirkl.  Geh.  Rat  Dr.  Frei- 
herr V.  Welck,  Exz.,  Dresden.  Kreishauptmann  von  Burgsdorff,  Leipzig. 
Oberbürgermeister  Dr.  Dittrich,  Leipzig.  Vorsitzender  des  Direktoriums 
Königl.  Sachs.  Oberbaurat  Falian,  Leipzig.  Geschäftsstelle:  Leipzig,  Gott- 
schedstraße No.  22,  Telegramm-Adresse:  Iba,  Fernsprecher  No.  1758. 
Bei  der  Internationalen  Baufach- Ausstellung  mit  Sonderausstellungen 
Leipzig  1913  handelt  es  sich  um  Vorführungen  auf  dem  für  die  gesamte 


47 


DER  STÄDTEBAU 


Menschheit  so  wichtigen  und  weiten  Gebiete  des  Bau-  und  Wohnungs- 
wesens, an  dessen  Fortentwicklung  nicht  nur  die  zahlreichen  Angehörigen 
der  Bau-  und  Baustoff-Industrie,  des  Baugewerbes,  sowie  des  Wohnungs- 
und ^Vohnungseinrichtungsfachs  aller  Kulturstaaten  lebhaften  Anteil  haben, 
sondern  das  im  gleichen  Maße  Staat  und  Gemeinde,  wie  jede  Einzel- 
person aufs  engste  berührt. 

Nachstehende  Gliederung  zeigt  eine  Übersicht  aller  einschlägigen 
Fächer. 

Die  Ausstellung  wird  vom  Rate  der  Stadt  Leipzig,  vom  Königl. 
Ministerium  des  Innern  und  der  auswärtigen  Angelegenheiten,  sowie 
von  vielen  anderen  amtlichen  Stellen  des  Landes  und  Reiches,  von 
zahlreichen  Körperschaften  und  Verbänden,  darunter  auch  der  Ständigen 
Ausstellungs-Kommission  für  die  Deutsche  Industrie,  gefördert  und 
empfohlen. 

Als  Ausstellungsplatz  ist  ein  sehr  günstig  gelegenes  Gelände  von 
der  Stadt  zur  Verfügung  gestellt  worden,  das  von  der  geplanten,  nach 
dem  Völkerschlachtdenkmale  führenden  „Straße  des  i8.  Oktober"  durch- 
schnitten wird.  Der  Platz  ist  mit  der  Straßenbahn  von  allen  Seiten  her, 
sowie  vom  nahen  Staatsbahnhofe  Stötteritz  aus  leicht  erreichbar.  Zum 
Nutzen  der  Aussteller  erhält  er  Gleisanschluß.  Von  dem  Gelände  sind 
zunächst  rund  400000  qm  für  die  Zwecke  der  Ausstellung  bereitgestellt; 
eine  Erweiterung  ist  jederzeit  möglich. 

Nach  den  vielen  Sympathiebekundungen  von  Verbänden,  Innungen, 
Vereinen  und  Einzelpersonen  kann  aber  auch  mit  einem  überaus  regen 
Besuche  aus  aller  Herren  Länder  gerechnet  werden,  besonders,  da  zahl- 
reiche Verbände  und  Vereinigungen  eine  Tagung  gelegentlich  der  Aus- 
stellung, oder  einen  gemeinsamen  Besuch  schon  jetzt  in  Aussicht  ge- 
nommen haben.  Hinzu  kommt  noch,  daß  in  die  Ausstellungszeit  das 
Deutsche  Turnfest  und  die  Einweihung  des  Völkerschlachtdenkmals  fällt, 
sowie,  daß  die  neuen  Leipziger  Bahnhofsbauten,  die  nach  ihrem  völligen 
Ausbaue  die  umfänglichsten  des  Kontinents  sind,  teilweise  in  Betrieb  sein 
werden.  Für  Verkehrserleichterungen,  für  die  Regelung  des  Wohnungs- 
und Unterkunftswesens  gelegentlich  der  Ausstellungszeit  wird  gesorgt 
sein,  ebenso  für  sachkundige  Führung  in  der  Ausstellung,  und  dafür, 
daß  den  ^Vünschen  und  Bedürfnissen  der  Aussteller  und  Besucher 
tunlichst  Rechnung  getragen  wird.  Praktische  Vorführungen  und  Vor- 
träge der  verschiedensten  Art  werden  das  Interesse  der  Besucher  beleben 
und  zahlreiche  Sonderausstellungen  und  Festlichkeiten  sollen  geboten 
werden.  Auf  größtmögliche  Feuersicherh«it  in  der  Ausstellung  wird 
Bedacht   genommen. 

Übersicht  der  Gliederung: 
Abteilung  I:  Baukunst.     8   Gruppen  mit  33  Unterabteilungen. 

Abteilung  II :        Bauliteratur,         Fachlehranstalten,         Bureaugegenstände. 

3   Gruppen. 
Abteilung  III:      Baustoffe,  deren  Herstellung  und  Verwendung.   20  Gruppen 

mit  24  Unterabteilungen. 
Abteilung  IV:      Maschinen,       Werkzeuge       und       Geräte       im       Baufach. 

5   Gruppen  mit  2  Unterabteilungen. 
Abteilung  V:  '     Grundstücksverkehr,   Auskunfts-   und  Versicherungswesen, 

Buchhaltung  usw.    5   Gruppen. 
Abteilung  VI:      Bau-Hygiene   für  Wohnungen,    Fabriken  und  Straßen  — 
Arbeiterschutz,  Arbeiterwohlfahrt  —  Feuerschutz.  6  Gruppen. 
Abteilung  VII:     Turn-,  Spiel-  und  Sportwesen. 
Abteilung  VIII:  Baustoff-Prüfung  —  Fachliche  Vorführungen. 

Die  Ausstellung  in  den  einzelnen  Gruppen  erstreckt  sich  sowohl  auf 
Bauteile  und  naturgetreue  Ausführungen  und  Vorführungen,  wie  auch 
auf  Modelle,  Zeichnungen,  Photographien  und  sonstige  geeignete  Dar- 
stellungen. 

Aus  Abteilung  I:  Baukunst,  kommen  für  uns  besonders  in  Betracht: 
Gruppe  i:  Städtebau  und  Siedelungswesen:  Städtebau,  Städtebilder, 
Bebauungspläne,  Stadtpläne,  Dorfanlagen,  Park-  und  Erholungs- 
anlagen, Statistische  Aufstellungen,  Baulanderschließung,  Baugesell- 
schafts-  und  Genossenschaftswesen,  Gartenvorstädte,  Gartenstädte, 
Wohnkolonien  usw. 


Gruppe  6:   Garten-  und  Parkanlagen: 

a)  Gärtnerische  Anlagen,  Gartenarchitektur,  Gartenplastik,  Schreber- 
gärten, Lauben,  Gartenhäuser,  Brunnen,  Wasserbehälter,  Spring- 
brunnen, Leuchtspringbrunnen,  Pumpwerke  (auch  im  Betriebe), 
Wintergärten,  Treibhäuser  usw. 

b)  Gartenmöbel  und  -Geräte:  Verandamöbel,  Pflanzenkübel,  Beet- 
einfassungen, Wegekies,   Grotten,  Rasensprenger,  Schläuche  usw. 

Gruppe  7:     Friedhöfe,     Friedhofskunst:     Friedhofsanlagen,     Friedhofs- 
kapellen,    Grabdenkmäler,    Erbbegräbnisse,     Einäscherungsanlagen, 
Urnen  und  Urnenhaine  usw. 
Gruppe  8 :   Denkmalbau,  Denkmalspflege,  Heimatschutz  usw. 

Aus  Abteilung  V :  Grundstücksverkehr,  Auskunfts-  und  Versicherungs- 
wesen, Buchhaltung  usw. 

Gruppe   I :  Baugrundverkehr. 

Gruppe  2:   Baugeld-,  Hypotheken-  und  Kautionswesen. 

Aus  Abteilung  VI:  Bau-Hygiene  für  Wohnungen,  Fabriken  und 
Straßen,  Arbeiterschutz,  Arbeiterwohlfahrt,  Feuerschutz. 

■pARKAUSSCHUSS  FÜR  GROSS-BERLIN.  Die  Deutsche 
^  Gesellschaft  für  Gartenkunst,  Gruppe  Brandenburg,  hat  in  ihrer 
letzten  Sitzung  am  13.  März  d.  J.  einen  Parkausschuß  gebildet.  Das  Pro- 
gramm dieses  Ausschusses  soll  Vorschläge  umfassen:  i,  für  einen  so- 
genannten Wald-  und  Wiesengürtel  Groß-Berlin  unter  Hinweis  auf  die 
Gegenden,  welche  sich  besonders  dazu  eignen;  2.  zur  Erhaltung 
landschaftlich  schöner  Gegenden,  Gärten,  Parks  und  einzelner 
Bäume;  3.  zur  Verbindung  der  Grünanlagen  durch  breite  Promenaden- 
streifen; 4.  für  eine  weiträumige  Bebauung  in  den  Vororten;  für 
ein  einheitliches  Schnellbahnsystem  zur  schnelleren  Erreichung  der  Parks; 
6.  zur  Schaffung  von  praktisch  nutzbaren  Volksparks  und 
Spielplätzen. 

Dem  Ausschuß  gehören  an:  Gartenarchitekt  Großmann  in  Berlin, 
Gartenarchitekt  Klawun  in  Groß-Lichterfelde,  Gartendirektor  Lesser  in 
Steglitz,  Gartenarchitekt  Martin  in  Berlin,  Gartenbaudirektor  Zahn  in 
Steglitz  und  Zeininger,  Hofgartendirektor  Sr.  Majestät  des  Kaisers.  Die 
Geschäftsstelle  befindet  sich  Berlin,  Wallnertheaterstraße  3. 

Das  Preisgericht  zur  Beurteilung  der  44  eingegangenen  ENT^VURFE 
FÜR    DIE    STÄDTEBAULICHE    AUSGESTALTUNG 

DER   FRANKFURTER  WIESEN    IN  LEIPZIG  hat   zuerkannt: 
Je  einen  i.  Preis,  gewonnen  durch  Teilung  des  zusammengelegten  i.  und 
2.  Preises    den    beiden    gleichwertigen    Entwürfen     mit    den    Kenn- 
worten „Natur  und  Kunst"  und  „Blau  und  Grün". 
Verfasser  des  Entwurfes  „Natur  und  Kunst":    Architekt   Oskar  Lange, 

Berlin-Wilmersdorf,  und  Architekt  Carl  Lörcher,  Stuttgart; 
Verfasser  des  Entwurfes  „Blau  und  Grün":  Professor  Bruno  Möhring, 
Berlin. 
Je  einen  3.  Preis  dem  Entwürfe  mit  dem  Kennwort  „S.  V.  B.  E.", 

Verfasser:     Regierungsbaumeister   Edmund    Neue,     Berlin-Schmargen- 
dorf,  und  Architekt  M.  Vogeler,  Weimar, 
sowie  dem  Entwürfe  mit  dem  Kennwort  ,. Elsterufer". 
Verfasser:  Ingenieur  Carl  Mürdel,  Architekt  Hans  Rummel  und  Archi- 
tekt Dipl.-Ing.  Christoph  Rummel,  Frankfurt  a.  M. 
Je     einen    4.   Preis    dem    Entwürfe    mit    dem    Kennwort    „Groß-    und 
Klein-Paris". 
Verfasser:  Architekt  Hermann  Jansen,  Berlin, 

dem  Entwürfe  mit  dem  Kennwort  „Forum  aquarum", 
Verfasser:  Architekt  B.  D.  A.  Henry  Groß,  Charlottenburg, 

sowie  dem  Entwürfe  mit  dem  Kennwort  ,,Pax  vobiscum", 
Verfasser:  Emil  Berscher,  Friedrich  Veil  und  Karl  Magenau  in  Stuttgart. 


Die  Unterlagen  aller  zur  Ausschreibung  gelangenden  ^Vettbewerbe 
können  in  den  Geschäftsräumen  des  Verlags  Ernst  Wasmuth  A.-G., 
Berlin  \V.,  Markgrafenstraße  35,  wochentäglich  in  den  Stunden  von 
10 — 4  Uhr  unentgeltlich  eingesehen  werden. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  ^V.  66.  —  Gedruckt  bei  Herrosö  &  Ziemsen,  G.m.b.H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W. 


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9.  Jahrgang 


1912 


5.Heft 


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FÜR.-  DiE-  KÜNSTLQ^lSaiEAUyQESTAb 
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SCnAfTÜCMEN-  QESUNDMQTUCMEN-  UND 
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I  ^^  NEBST  EINER  S0NDLRBEILA6E:  LITLRATURBlRICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  *» 

INHALTSVERZEICHNIS:  Zur  Umgestaltung  des  Universitätsplatzes  in  Breslau.  Nach  dem  Vorschlage  des  Architekten  Baurat  Großer,  Breslau.  —  Das 
Englische  Städtebaugesetz  vom  3.  Dezember  igog.  Von  Privatdozent  Dr.-Ing.  Emerich  Forbäth,  Budapest.  Schluß.  —  Die  Bebauung  des  Willmannschen 
Geländes  in  Schöneberg.    Von  Stadtrat  Dr.  jur.  Licht,  Berlin-Schöneberg.  —  Die  Gartenvorstadt  Leipzig-Marienbrunn.    Von  Stadtbauinspektor  Hans  Strobel, 

Leipzig.  —  Mitteilung.  —  Neue  Bücher  und  Schriften.  —  Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


ZUR  UMGESTALTUNG  DES  UNIVERSITÄTS. 
PLATZES  IN  BRESLAU. 


Hierzu  Tafeln  25  und  26. 


Nach  dem  Vorschlage  des  Architekten  Baurat  GROSSER,  Breslau. 


Nachdem  die  Stadt  Breslau  beschlossen  hatte,  ihrer 
Universität  zur  hundertjährigen  Jubelfeier  ein  Geschenk  in 
Form  eines  Bauplatzes  zu  machen  —  zur  Errichtung  von 
Wohlfahrtseinrichtungen  der  Studierenden,  für  welche  Staats- 
mittel nicht  zur  Verfügung  stehen  —  wurde  der  Gedanke  an- 
geregt, dieses  Grundstück  für  die  Errichtung  eines  Studenten- 
heims zu  verwenden,  weil  es  seiner  Lage  nach  dazu 
besonders  geeignet  erschien. 

Es  wurden  mit  Erfolg  Sammlungen  für  den  Bau  ver- 
anstaltet —  in  der  Zeitschrift  „Schlesien"  erschien  ein  mit 
Skizzen  ausgestatteter  Aufsatz  des  Herrn  Stadtbaurats  Berg, 
der  auf  die  gegebene  Möglichkeit  hinwies,  mit  dem  Bau  des 
Studentenheims  die  architektonische  Umgestaltung  des  Uni- 
versitätsplatzes zu  verbinden.  —  Damit  wurde  dankenswerter- 
weise eine  viel  weitergehende  Frage  aufgerollt,  die  nunmehr  zur 
Nachprüfung  des  Vorschlags  führen  mußte,  ob  das  Studenten- 
heim gerade  an  dieser  Stelle  zu  errichten  sei.  Nach  eingehen- 
dem Studium  bin  ich  zur  Ansicht  gekommen,  daß  eine 
andere  Lösung  gefunden  werden  müsse,  die  ich  im  folgenden 
darstellen  und  begründen  will. 

Auf  dem  Lageplan  Abb.  a  der  Tafel  25  stellt  das  lang- 
gestreckte Gebäude  an  der  Oder  die  Universität  dar  — 
rechts   von   ihr   steht   die  Matthiaskirche,  vor  welcher   an 


der  Ecke  der  Schmiedebrücke  das  Konvikt  gelegen  ist, 
welches  in  meinen  Mitteilungen  noch  eine  besondere  Rolle 
spielen  soll. 

Vor  der  Universität  liegt  zwischen  Universitätsplatz  und 
Ursulinerstraße  ein  Baublock  mit  Geschäfts-  und  Wohn- 
häusern, dessen  westliche  Hälfte  innerhalb  der  Buchstaben 
a  b  c  d  a  die  Häusergruppe  enthält,  die  von  der  Stadt  zum 
Jubiläumsgeschenk  erworben  worden  ist. 

Die  Häuser  sind  meist  klein  —  aus  keiner  schlechten 
Zeit  —  aber  sehr  baufällig,  während  die  Häuser  im  vorderen 
Teil,  aus  neuerer  Zeit  stammend,  weniger  baufällig  —  in 
Form  und  Art  aber  um  so  wertloser  sind. 

Es  wäre  ohne  Schaden,  wenn  das  ganze  Häuserviertel 
von  der  Oberfläche  verschwände  und  neuen  Bauten  Platz 
machte,  die  aus  künstlerischem  Empfinden  heraus  und  in 
Rücksichtnahme  auf  die  nachbarlichen  Meisterwerke  der 
Baukunst  entworfen  werden. 

Dieses  Bild  mit  den  kleinen  niedrigen  Häusern  —  siehe 
Abb.  b  —  warnt  vor  einem  Bau,  der  an  dieser  Stelle  nicht 
in  mäßiger  Höhenentwicklung  gehalten  wäre.  Man  hat  mir 
erwidert,  daß  es  auf  den  Blick  von  der  Stockgasse  her  gar 
nicht  ankomme.  —  Ich  bin  nicht  der  Ansicht  —  die  Lösung 
an  dieser  Stelle  ist  ein  wesentlicher  Bestandteil  der  ganzea 


49 


DER  STÄDTEBAU 


Aufgabe,  deren  Lösung  nicht  der  Stockgasse  zuliebe,  sondern 
der  Universität  zuliebe  angestrebt  wird. 

In  dieser  Empfindung  habe  ich  von  der  Verwendung 
des  Stadtgeschenks  für  die  Zwecke  eines  Studentenheims  ab- 
sehen zu  müssen  geglaubt  und  bin  für  seine  Unterbringung 
dem  Vorschlage  des  Rektors  gefolgt,  der  auf  die  Ver- 
wendungsmöglichkeit des  alten  Konvikts  hinwies. 

Der  Gedanke,  das  Konvikt,  das  in  einigen  Jahren,  wenn 
die  letzten  Seminare  nach  dem  gegenwärtigen  Bibliotheks- 
gebäude hinüber  gewandert  sind,  frei  wird  und  dem  Staate 
für  wissenschaftliche  Zwecke  kaum  noch  einen  Nutzen 
bietet,  durch  einen  Umbau  für  die  Zwecke  des  Studenten- 
heims zu  benutzen,  war  schon  vor  Jahren  aufgetaucht,  doch 
scheiterte  er  an  der  Unentbehrlichkeit  der  Räume  und 
mangels  genügender  Mittel. 

Es  bleibt  jetzt  noch  die  Hauptfrage  —  die  Frage  der 
architektonischen  Umgestcdtung  des  Universitätsplatzes. 
Der  Lageplan  Abb.  c  bringt  meinen  Vorschlag  hierfür,  der 
sich  aus  Besprechungen  mit  Herrn  Prof.  Hillebrandt  etwa 
wie  folgt  entwickelt  hat. 

Durch  den  schon  wiederholt  gegebenen  Hinweis,  daß 
es  sich  für  die  Bebauung  des  am  westlichen  Teil  ge- 
legenen Bauplatzes  nur  um  niedrige  Bauten  zu  handeln 
habe,  wird  für  diesen  Teil  die  Anlage  eines  Turn-  und 
Lesesaales,  dem  der  Staat  vielleicht  den  Fechtsaal  an- 
gliedert, empfohlen. 

Die  Säle  haben  in  einem  an  die  Ursulinerstraße  ge- 
stellten Langhause  Platz  gefunden. 

In  der  Empfindung,  daß  ein  Haus,  ob  hoch  oder  niedrig, 
sich  durch  seine  Lage  zur  Universität  niemals  besonders 
günstig  in  den  Blick  stellen  wird,  bin  ich  an  der  Ecke  zu 
einer  Lösung  gelangt,  die  verhindern  soll,  daß  zwei  Gebäude 
selbständig  —  als  getrennte  Massen  —  in  die  Erscheinung 
treten.  Ich  will  eine  architektonische  Verbindung  mit  der 
Universität  schaffen  und  habe  an  einen  Abschluß  des  Uni- 
versitätsplatzes durch  einen  Torbogen  gedacht,  durch  welchen 
die  Verbindung  nach  der  Stockgasse  als  Straße  führt. 

Ich  habe  ferner  die  jetzige  ungünstige  Fluchtlinie  an 
der  Stockgasse  in  die  Richtung  der  Westfront  der  Universität 
verlegt  und  dadurch  eine  Verbreiterung  der  an  sich  sehr 
schmalen  Front  erzielt. 

Dem  wenn  auch  kleinen  Straßenverkehr  kommt  die 
dadurch  gewonnene  Erweiterung  zugute.  —  Der  niedrige 
Bau  nimmt  nach  Osten  zu  das  von  der  Stadt  gegebene 
Grundstück  voll  ein.  An  ihn  schließt  sich  in  gleicher  Höhe 
ein  Gebäudeteil  mit  Durchgang  vom  Universitätsplatz  nach 
der  Ursulinerstraße  —  geschaffen  in  der  Absicht,  den  immer- 
hin für  Fußgänger  gefahrvollen  Weg  von  der  Schmiede- 
brücke abzulenken  und  durch  die  Ursulinerstraße  nach  dena 
Universitätsplatz  oder  umgekehrt  zu  führen. 

Daß  damit  die  Möglichkeit  verknüpft  ist,  der  Stadt 
Breslau  eine  große  Zierde  zu  verschaffen,  verdanken  wir 
unserm  Altvordern,  dem  Architekten  Christoph  Hackner, 
der  das  so  herrliche  Portal  der  Universität  in  diesen  Blick 
gestellt  hat. 

Der  nun  noch  verbleibende  Teil  ist  wegen  der  Unklar- 
heiten in  der  Bedürfnisfrage  im  Grundriß  noch  ungelöst. 
Ich  habe  aus  leicht  erklärlichen  Gründen  vor  allem  an 
einen  Erweiterungsbau  der  Universität  gedacht  —  mit 
Seminarien  oder  Hörsälen  —  oder  beiden. 

Ich  würde  es  ferner  für  schön  und  ideal  halten,  den 
jungen  Studierenden    auch    hier   Gelegenheit   zur  Erholung 


in  den  weiten  Hallen  eines  Erdgeschosses  zu  bieten,  dessen 
Räume  vielleicht  zu  Museumszwecken  —  ich  denke  an  ein 
archäologisches  und  an  ein  ethnographisches  und  ethnolo- 
gisches Museum  —  Verwendung  finden  könnten.  Dies  alles 
muß  von  den  maßgebenden  Behörden  indes  erst  gemeinsam 
beraten  werden,  ehe  der  Grundriß  dieses  Gebäudeteiles  aus- 
gearbeitet werden  kann.  Ich  habe  dem  Hause  zurzeit  eine 
Grundform  gegeben,  die  sich  dem  Straßenzuge  —  Schmiede- 
brücke—Kaisertor —  anpaßt  und  durch  die  parallel  zur 
Universität  gestellte  Front  einen  beträchtlichen  Universitäts- 
platz von  32  Meter  Breite  schafft. 

Die  Städtebilder,  die  auf  Grund  einer  solchen  Plan- 
anordnung entstehen,  veranschaulichen  die  Abbildungen  auf 
Tafel  26. 

Das  erste  (Abb.  e)  zeigt  den  Blick  von  der  Stockgasse 
her  —  vom  gleichen  Standpunkt  der  früher  gezeigten  Bilder. 
Es  ist  dasjenige  Bild,  welches  den  Gedanken  der  Errichtung 
des  Studentenheims  bekämpft  und  deshalb  von  besonderem 
Werte  für  die  Beurteilung. 

Das  zweite  Bild  (Abb.  f)  zeigt  endlich  den  Mittelbau 
der  Universität  —  durch  den  Torbogen  in  der  Ursuliner- 
straße. 

Die  Abb.  d  der  Tafel  25  zeigt  den  Blick  in  den  Universitäts- 
platz —  in  seiner  Mitte  sieht  man  den  aus  dem  Häusermeer 
sich  erhebenden  Turm  von  St.  Elisabeth. 

Wir  stehen  mit  der  Aufrollung  der  Frage  der  archi- 
tektonischen Umgestaltung  des  Universitätsplatzes,  für  die 
Herr  Stadtbaurat  Berg  in  seinem  Aufsatze  der  Zeitschrift 
„Schlesien"  so  beredte  Worte  gefunden  hat,  vor  einer  sehr 
wichtigen  Entscheidung. 

Inmitten  einer  Stadt,  deren  Gemeinwesen  in  den  letzten 
Jahrzehnten  sich  überaus  kräftig  entwickelt  und  ausgedehnt 
hat,  verschwinden  im  Verhältnis  zur  wachsenden  Größe 
immer  mehr  die  Stätten,  die  uns  mit  der  Kultur  unserer 
Vorfahren  verbinden. 

Es  ist  nicht  Laune  der  Zeit,  sondern  die  Notwendigkeit, 
die  gebieterisch  unsere  moderne  Kultur  fordert,  an  die  Stelle 
wertvoller  alter  Bauten  neue  zu  setzen,  die  den  Bedürf- 
nissen unserer  Zeit  Rechnung  tragen.  Da  ist  es  um  so  mehr 
Pflicht:  „Halt  zu  machen  an  einer  Stelle,  bei  der  es  gilt, 
in  bewußter  Erkenntnis  der  Leistungen  unserer  Vorfahren 
Denkmalpflege  zu  üben. 

Wenn  in  dem  vorliegenden  Falle  auch  niemals  die  Rede 
sein  kann  und  wird  von  einem  Verschwinden  oder  ehrfurchts- 
losen Eingreifen  in  das  uns  überkommene  Vermächtnis,  es 
würde  schon  betrüblich  genug  sein,  wenn  eine  in  un- 
mittelbarer Nähe  beginnende  Bautätigkeit  nicht  im  Sinne 
der  Denkmalpflege  in  Rücksicht  und  Achtung  vor  der  alten 
Bauten  Herrlichkeit  einsetzte. 

Meiner  Ansicht  nach  tritt  dieser  Fall  ein,  wenn  die  Er- 
bauung des  Studentenheims  auf  dem  von  der  Stadt  zur 
Verfügung  gestellten  Platz  beschlossen  wird. 

Der  Platz  ist  zu  klein  und  verlangt  deshalb  eine 
Höhenentwicklung  des  Hauses,  die  für  die  benachbarte 
Universität  verhängnisvoll  werden  muß. 

Das  sind  die  Gründe,  die  mich  veranlaßt  haben,  mich 
der  Aufgabe  zu  widmen. 

Für  die  Lösung  unserer  Aufgabe  muß  allein  der  künst- 
lerische Gedanke  maßgebend  sein,  der  neben  den  herrlichen 
Zeugen  alter  Kultur  die  neuzeitliche  Schöpfung  zu  durch- 
wehen hat. 

„Der  Vorzeit  Werk,  der  Nachwelt  Vorbild." 


50 


DER  STÄDTEBAU 


DAS  ENGLISCHE  STÄDTEBAUGESETZ 
VOM  3.  DEZEMBER  1909. 

Von  Privatdozent   Dr.-Ing.   EMERICH   FORBATH,    Budapest.     (Schluß.) 


Entschädigung  für  Eigentum,  das  durch  den  Plan 
unrechtmäßigerweise  geschädigt  worden  ist. 

Jede  Person,  deren  Eigentum  durch  einen  Bebauungs- 
plan unrechtmäßigerweise  geschädigt  wird,  hat,  wenn  sie 
ihren  Anspruch  innerhalb  der  durch  den  Plan  festgesetzten 
Zeit,  die  nicht  kürzer  sein  kann  als  3  Monate  nach  dem 
Datum  der  Veröffentlichung  der  Genehmigung  des  Planes, 
Anspruch  auf  Entschädigung  durch  die  verantwortliche 
Behörde.  Niemand  hat  das  Recht,  Entschädigung  für 
irgendein  Bauwerk  oder  auf  Grund  irgendeines  Vertrages 
oder  unter  irgendeinem  anderen  Titel  zu  erlangen,  wenn 
die  Errichtung  des  Bauwerkes  oder  der  Abschluß  des 
Vertrages  nach  dem  Zeitpunkt  erfolgt  ist,  in  dem  die  Be- 
hörde an  die  Vorbereitung  des  Planes  gegangen  ist  oder 
nach  irgendeinem  anderen  Zeitpunkt,  den  das  Ministerium 
zu  diesem  Zwecke  festgesetzt  hat,  wobei  bemerkt  wird,  daß 
diese  Bedingung  sich  nicht  auf  solche  Arbeiten  bezieht,  die  v  o  r 
dem  Zeitpunkte  der  Genehmigung  des  Planes  zum  Zwecke 
der  Beendigung  eines  begonnenen  Bauwerkes  oder  der  Aus- 
führung eines  solchen  Vertrages  ausgeführt  werden,  der  vor 
dem  Auftrag  zur  Plananfertigung  eingegangen  worden  ist. 

Besteuerung  der  durch  den  Plan  hervorgerufenen 
Werterhöhung. 

Wo  zufolge  der  Aufstellung  eines  Bebauungsplanes 
irgendein  Eigentum  im  Werte  erhöht  wird,  ist  die  verant- 
wortliche Behörde,  wenn  sie  ihren  Anspruch  innerhalb  der 
durch  den  Plan  festgestellten  Zeit  geltend  macht,  berechtigt, 
von  jeder  Person,  deren  Eigentum  in  dieser  Weise  im  Werte 
erhöht  wird,  die  Hälfte  dieser  Werterhöhung  einzuheben. 

Jede  Frage,  ob  irgendein  Eigentum  im  Sinne  dieser 
Bestimmungen  unrechtmäßigerweise  geschädigt  oder  im 
Werte  erhöht  worden  ist.  ferner  die  Höhe  und  die  Art  der 
Bezahlung  der  Summe,  welche  als  Entschädigung  zu  ver- 
güten oder  von  der  verantwortlichen  Behörde  als  Wert- 
erhöhung einzuheben  ist,  wird,  wofern  die  Beteiligten  sich  nicht 
anders  geeinigt  haben,  durch  einen  einzelnen  Schiedsrichter 
entschieden,  der  vom  Ministerium  ernannt  wird. 

Ausschluß  derEntschädigung  in  gewissen  Fällen. 
Kein  Eigentum  wird  als  zu  Unrecht  beeinträchtigt  an- 
gesehen auf  Grund  von  solchen  Bestimmungen  des  Stadt- 
bauplanes, die  mit  Rücksicht  auf  die  Annehmlichkeit  des 
W^ohnens  auf  dem  im  Plane  eingeschlossenen  Gelände  oder 
auf  einem  Teile  desselben  den  freien  Platz  um  die  Gebäude 
herum  vorschreiben  oder  die  Anzahl  der  zu  errichtenden 
Gebäude  beschränken  oder  die  Höhe  und  die  Art  der  Gebäude 
vorschreiben,  und  welche  das  Ministerium  mit  Rücksicht  auf 
die  Natur  und  Lage  des  betreffenden  Geländes  für  zweck- 
entsprechend hält. 

Erwerb    von    Gelände,     das    in   den    Bebauungs- 
plan eingeschlossen  ist,  durch  die  Behörden, 

Die  verantwortliche  Behörde  kann  für  die  Zwecke  des 
Bebauungsplanes  jedes  Gelände,  das  in  diesem  Plane  ent- 


halten ist,  auf  dem  Einigungswege  oder  zwangsweise  in 
derselben  Weise  und  unter  denselben  Bedingungen  an- 
kaufen, wie  die  örtlichen  Behörden  dies  auf  Grund  der 
Gesetze  betreffend  die  Unterbringung  der  arbeitenden 
Klassen  in  den  städtischen  Gebieten  tun  können. 

Ermächtigung  des  Ministeriums  für  den  Fall, 
daß  eine  örtliche  Behörde  ihren  Pflichten  in 
bezug  auf  Aufstellung  oder  Ausführung  eines 
Bebauungsplanes  nicht  nachkommt. 

Wenn  das  Ministerium  auf  Grund  irgendeiner  An- 
meldung nach  einer  Untersuchung  an  Ort  und  Stelle  zur 
Überzeugung  gelangt,  daß  eine  örtliche  Behörde 

a)  es  versäumt  hat,  die  erforderlichen  Schritte  zu  tun, 
um  einen  entsprechenden  Bebauungsplan  vorbereiten 
und  genehmigen  zu  lassen,  dort  wo  ein  solcher  Be- 
bauungsplan notwendig  wäre,  oder 

b)  es  versäumt  hat,  einen  von  den  Eigentümern  des 
Geländes  vorgelegten  Plan  anzunehmen,  wo  ein  solcher 
Plan  angenommen  hätte  werden  sollen,  oder 

c)  sich  geweigert  hat,  irgendwelche  vom  Ministerium 
auferlegte  Änderungen  oder  Bedingungen  anzunehmen, 

kann  das  Ministerium  je  nach  Lage  des  Falles  die  ört- 
liche Behörde  anweisen,  einen  solchen  Bebauungsplan  vor- 
zubereiten und  dem  Ministerium  zur  Genehmigung  vor- 
zulegen oder  den  ihr  vorgelegten  Bebauungsplan  zu 
übernehmen,  oder  den  auferlegten  Änderungen  oder  Be- 
dingungen zuzustimmen,  wobei  bemerkt  wird,  daß  dort, 
wo  die  örtliche  Behörde  es  versäumt  hat,  einen  ihr  vor- 
gelegten Plan  zu  übernehmen,  das  Ministerium  an  Stelle 
der  vorgehend  genannten  Verfügung  selbst  den  vorgelegten 
Plan  übernehmen  und  genehmigen  kann,  und  zwar  mit 
solchen  Veränderungen  und  Bedingungen,  die  es  für  not- 
wendig hält,  worauf  der  Plan  dieselbe  Rechtswirkung  hat, 
als  ob  er  von  der  örtlichen  Behörde  angenommen  und  vom 
Ministerium  genehmigt  worden  wäre. 

Wenn  das  Ministerium  auf  Grund  einer  Untersuchung 
an  Ort  und  Stelle  zu  der  Überzeugung  gelangt,  daß  eine 
verantwortliche  Behörde  es  versäumt  hat,  die  Einhaltung 
eines  genehmigten  Planes  oder  einzelner  Bestimmungen 
eines  solchen  tatsächlich  sicherzustellen  oder  irgend- 
welche Arbeiten  auszuführen,  die  auf  Grund  des  Planes 
oder  dieses  Gesetzes  die  Behörde  auszuführen  hat,  kann 
das  Ministerium  diese  Behörde  dazu  verhalten,  alle  er- 
forderlichen Maßregeln  zur  Einhaltung  des  Planes  oder 
einzelner  seiner  Bestimmungen  in  wirksamer  Weise  durch- 
zuführen oder  alle  Arbeiten  auszuführen,  die  auf  Grund 
des  Planes  oder  dieses  Gesetzes  die  Behörde  aus- 
zuführen hat. 

Die  übrigen  Bestimmungen  des  Gesetzes  beziehen  sich 
auf  die  Art  des  Schätzungsverfahrens,  auf  die  Verrechnung 
der  entstehenden  Auslagen,  sowie  auf  die  besonderen  An- 
wendungsbestimmungen für  London  und  Schottland. 


61 


DER  STÄDTEBAU 


Schlußbemerkung. 

Der  Städtebau  in  England  dürfte  durch  das  neue  Gesetz 
eine  mächtige  Förderung  erfahren.  Was  zunächst  ins  Auge 
fallt,  ist  die  Vereinfachung  des  Verfahrens  bei  der  Aufstellung 
und  Genehmigung  der  Pläne.  Während  seither  zu  solchen 
Plänen  in  jedem  einzelnen  Falle  die  Genehmigung  des 
Parlaments,  also  ein  besonderes  Gesetz  notwendig  war, 
was  in  England  ebenso  wie  überall  ein  höchst  langwieriges 
und  kostspieliges  Verfahren  ist,  wird  durch  das  neue  Gesetz 
die  Genehmigung  der  Pläne  der  obersten  Verwaltungs- 
behörde übertragen,  gleichzeitig  jedoch  bestimmt,  daß  der 
genehmigte  Plan  dieselbe  Kraft  besitzt,  als  ob  er  im  Gesetze 
selbst  enthalten  wäre.  Zu  beachten  ist  ferner  das  durch- 
greifende Enteignungsrecht  der  Behörden  bei  Ausführung 
von  Stadtbauplänen,  dessen  Mangel  in  den  meisten  Ländern 
des  Kontinents  dem  praktischen  Städtebau  so  viele  Schwierig- 
keiten entgegenstellt.  Endlich  sei  noch  auf  die  radikale 
Lösung  der  Besteuerung  des  Wertzuwachses  hingewiesen, 
die  in  dem  Gesetze  enthalten  ist,  und  nach  welcher  die 
Hälfte  der  durch  einen  Stadtbauplan  bewirkten  Wert- 
steigerung von  der  Behörde  eingehoben  wird. 

Von  den  übrigen,  in  diesem  Aufsatze  nicht  behandelten 
Teilen  des  Gesetzes,  die  sich  auf  die  Wohnungsfrage  und 
die  Wirksamkeit  der  Gesundheitsämter  beziehen,  soll  an 
dieser  Stelle  nur  ein  Punkt  hervorgehoben  werden,  der 
mit  dem  Bau  der  Städte  auf  das  innigste  zusammenhängt 
und  dessen  Bestimmung  in  den  meisten  Ländern  des 
Kontinents  zurzeit  leider  noch  zu  den  unerreichbaren 
Idealen  gerechnet  werden  muß.  Es  ist  dies  der  Punkt  43 
des  ersten,  auf  die  Unterbringung  der  arbeitenden  Klassen 
sich  beziehenden  Teiles  des  Gesetzes,  der  besagt,  daß 
entgegen  allen  etwa  in  Kraft  stehenden  örtlichen  Statuten 
und  Bestimmungen  in  Zukunft  das  Bauen  back-to-back 
für  Wohnzwecke  verboten  wird,  und  durch  den  solche 
Häuser,  wenn  deren  Bau  nach  dem  Inkrafttreten  dieses 
Gesetzes  begonnen  worden  ist,  als  für  menschliche  Woh- 
nungen ungeeignet  erklärt  werden.  Die  Häuser  back-to- 
back  entsprechen  in  ihrer  baulichen  Anlage  etwa  den  mit 
den  Brandmauern  Rücken  an  Rücken  aneinander  gebauten 
Hof-  und  Seitenwohnungen  unserer  städtischen  Miets- 
kasernen, bei  denen  eben  wegen  dieser  baulichen  Anlage 
eine    Querlüftung    der  Wohnungen   unmöglich    ist.     Es    ist 


eines  der  wichtigsten  Ziele,  denen  der  moderne  Städtebau 
auch  auf  dem  Kontinent  mit  aller  Tatkraft  nachstreben  muß, 
daß  solche  nicht  querdurchlüftbare  Wohnungen  in  Zukunft 
nach  und  nach  überall  unmöglich  gemacht  werden  sollen. 
Das  neue  englische  Gesetz  dürfte  in  seiner  Anwendung 
namentlich  zu  Beginn  noch  mancherlei  Schwierigkeiten  be- 
gegnen; nichtsdestoweniger  erscheint  es  jedoch  unzweifel- 
haft, daß  es  wesentlich  zur  Erreichung  des  Zieles  beitragen 
wird,  das  der  Schöpfer  des  Gesetzes,  John  Bums,  in  der 
Einleitung  zu  einer  volkstümlichen  Ausgabe  des  Gesetzes 
wie  folgt  zusammengefaßt  hat: 

„Ich  hoff"e,  daß  die  hauptsächlichsten  Wohltaten  des 
Gesetzes  sein  werden:  zunächst  weniger  Häuser  auf 
1  acre,  mehr  freier  Raum  und  Gärten  um  die  Wohnungen 
herum,  anziehendere  Fronten,  größere  Wohnräume,  all- 
gemeine Badegelegenheit  und  all  die  Annehmlichkeiten, 
die  im  städtischen  Leben  so  notwendig  sind,  und  ohne 
welche  selbst  in  ländlichen  Gebieten  ein  häßliches  Haus 
und  ein  enger  Hof  bloß  ein  Obdach  und  nicht  der  Ruhe- 
platz, das  Heiligtum  und  Heim  bilden,  das  eine  bequeme 
Wohnung  sein  sollte.  Vor  allem  aber  hoffe  ich,  daß  ein 
neuer  Maßstab  für  die  Lüftung  für  alle  Arten  von  Wohnungen 
platzgreifen  wird,  so  daß  in  allen  neuen  Wohnungen,  die 
man  schon  unter  der  Herrschaft  dieses  Gesetzes  errichten 
wird,  zu  allen  Zeiten,  bei  Tag  und  Nacht,  die  Zuführung  von 
frischer  Luft  gesichert  sein  wird,  die  für  die  Bekämpfung 
der  Tuberkulose  in  allen  Wohnungen  so  notwendig  ist. 

Die  Notwendigkeit  und  der  Wert  größerer  und  ge- 
sünderer Wohnungen  in  gefälligen  Straßen,  in  besseren 
Städten,  in  engerer  Beziehung  zu  Parks,  Gärten  und 
offenen  Plätzen  ist  so  dringend  und  wichtig,  und  wird  auf 
die  Erziehung  und  den  Charakter  unserer  Bürger  einen  so 
wohltätigen  Einfluß  ausüben,  daß  dieses  Gesetz  der  herz- 
lichen Unterstützung  all  derjenigen  sicher  sein  sollte,  die 
die  wichtigsten  Interessen  der  Kinder  und  Bürger,  der  Rasse, 
der  Stadt  und  der  Nation  am  Herzen  tragen." 

Hoffentlich  werden  die  nachahmenswerten  Bestimmungen 
des  englischen  Städtebaugesezes  ihren  Weg  auch  in  die  übrigen 
Kulturländer  finden,  um  dort  in  der  denjeweiligen  Verhältnissen 
am  besten  angepaßten  Form  ebenfalls  zur  Anbahnung  eines 
besseren,  gesünderen,  wirtschaftlicheren  und  schöneren 
Städtebaues  beizutragen. 


DIE  BEBAUUNG  DES  WILLMANNSCHEN 

GELÄNDES    IN    SCHÖNEBERG,     mer^u  XaMn  27  W,  so. 


Von  Stadtrat  Dr.  jur.  LICHT  in  Berlin-Schöneberg. 


Das  März-Heft  dieser  Zeitschrift  hat  in  seiner  „Chronik" 
unseren  neuen  Bebauungsplan  für  das  vormals  Willmannsche 
Gelände  mit  besonderer  Freundlichkeit  begrüßt.  Wenn  nun 
der  Herr  Herausgeber  noch  den  bei  der  Durchsetzung  des 
Planes  beteiligten  Verwaltungsjuristen  auffordert,  den  Plan 
an  dieser  Stelle  zu  besprechen,  so  wird  er  davon  ausgegangen 
sein,  daß  bei  dieser  Erörterung  die  künstlerischen  Erwägungen 
aus  den  Bildbeilagen  dem  fachmännischen  Kenner  ohne 
weiteres  klar  werden,  daß  aber  der  Verwaltungsjurist,  der 
von  seiner  Stadt  zu   anderen   als   künstlerischen  Aufgaben 


berufen  ist,  vornehmlich  die  wirtschaftlichen  und  sozialen 
Gründe  anzugeben  haben  wird,  die  ihn  zur  Abkehr  von  der 
Schablone  und  zur  bewußten  Anwendung  der  neueren  Städte- 
baulehre veranlaßt  haben. 

Der  genaue  Beobachter  der  Groß-Berliner  Bevölke- 
rungsbewegungen sieht  in  der  durch  eine  gekünstelte  Ver- 
waltungsorganisation in  verschiedene  Gemeinwesen  gespal- 
tenen wirtschaftlichen  und  sozialen  Einheit  Groß-Berlin  ein 
ruheloses  Hin  und  Her  der  Bevölkerung.  Für  Charlottenburg 
z.  B.  ist  festgestellt  worden,  daß  innerhalb  eines  Jahres  ein 


62 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  I.     Fassaden  des  Platzes  1  (Westseite). 


Drittel  der  Bevölkerung  durch  Zuzug  und  Wegzug  wechselt, 
und  ein  ähnliches  Ergebnis  zeigt  die  Statistik  der  Stadt 
Schöneberg.  Hier  sind  beispielsweise  im  Jahre  1910  von 
den  rund  170000  Einwohnern  rund  63000  zugezogen  und 
rund  59000  fortgezogen.  Es  leuchtet  ein,  daß  dieses  Nomaden- 
tum  der  großstädtischen  Bevölkerung  wirtschaftlich  und  sozial 
einen  großen  Schaden  bedeutet.  Sehen  wir  von  den  Nach- 
teilen ab,  die  dieses  Hin-  und  Herziehen  für  den  Familien- 
vater, für  die  Schulkinder,  für  die  Steuer-  und  Polizei- 
behörden bringt,  so  sind  es  zwei  wichtige  Gesichtspunkte, 
die  der  Beamte  der  städtischen  Selbstverwaltung  jedenfalls 
nicht  außer  acht  lassen  darf. 

Der  eine  ist  die  Benachteiligung  des  Hausbesitzers, 
dessen  besonders  pflegliche  Behandlung  um  so  mehr  Pflicht 
des  Groß-Berliner  Verwaltungsbeamten  ist,  als  er  gegenüber 
dem  hin  und  her  flutenden  Bevölkerungsstrom  das  seßhafte 
und  dem  Steuerzugriff  am  wenigsten  entrinnende  Element 
der  städtischen  Bevölkerung  darstellt.  Für  den  Hausbesitzer 
bedeutet  jeder  Fortzug  eines  Mieters  nicht  nur  die  Not- 
wendigkeit kostspieliger  Instandsetzungsarbeiten,  sondern 
auch  die  Gefahr  eines  längeren  oder  kürzeren  Leerstehens 
seiner  Wohnung. 

Für  das  Gemeindeleben  im  ganzen  aber  ergibt  sich  aus 
dieser  Erscheinung  zugleich  ein  Mangel  an  bodenständigen, 
die  Gemeinde  um  ihrer  selbst  willen  gern  verwaltenden 
Bürgern.  Wer  mit  dem  Freiherrn  vom  Stein  in  der  Be- 
teiligung der  Bürger  am  Gemeinwesen  eines  der  Mittel  sieht, 
Gemeinsinn  zu  erwecken  und  zu  erhalten  und  damit  Staats- 
bürger zu  erziehen,  den  muß  mit  Betrübnis  erfüllen,  daß 
dieses  Ziel  bei  der  jetzigen  Groß-Berliner  Zersplitterung, 
mit  der  wir  leider  noch  auf  lange  Zeit  werden  zu  rechnen 
haben,  nicht  zu  erreichen  ist.  Für  einen  Groß-Berliner 
Gemeingeist  gibt  es  kein  Betätigungsfeld,  und  den  einzelnen 
Gemeinden,  die  die  Mitarbeit  des  uninteressierten  Bürgers 
bitter  nötig  brauchen,  läuft  alljährlich  fast  ein  Drittel  der 
Bürgerschaft  über  die  Grenze,  und  die  Gemeindeverwaltungen 
sind  in  Gefahr,  daß  sich  zu  ihren  Ehrenämtern  nur  noch 
irgendwie  geschäftlich  Interessierte  bereit  finden. 

Hier  hätte  die  Städtebaukunst  einzugreifen.  Wer  aber 
will  leugnen,  daß  die  Stadtanlage  bisher  in  Groß-Berlin 
wenig  dazu  beigetragen  hat,  den  einmal  Angesiedelten  zum 
seßhaften  Bürger  zu  machen!  Und  wer  den  bisherigen 
Bebauungsplan  für  das  hier  besprochene  Gelände,  wie  ihn 
Textbild  2  zeigt,  betrachtet,  wird  verstehen,  daß  er  zwar 
dem  Terrainunternehmer  allerhand  Vorteile  bietet,  daß  er 
ihm  eine  reichliche  Anzahl  von  Eckbaustellen  verschafft,  die 
nach  der  Bauordnung  eine  um  ein  Zehntel  dichtere  Bebauung 
zulassen,  daß  er  ihm  die  Möglichkeit  gibt,  die  Baustellen 
gleichsam  wie  mit  einer  Zuschneidemaschine  im  großen 
zuzuschneiden  und  daß  er  den  Käufern  der  Ecken  noch  die 
meist  trügerische  Vorstellung  erweckt,   daß  in  ihnen  üppig 


sich  entwickelnde  Ladengeschäfte  eine  steigende  Rente  des 
Hauses  sichern  werden;  —  daß  aber  einer  der  Bewohner 
dieser  schematisch  aneinandergereihten  Häuser  an  seinem 
Stadtteil  irgend  etwas  besonderes  finden  wird,  was  ihn  an 
diese  Stelle  fesselt,  in  ihm  Anhänglichkeit  und  so  etwas  wie 
Heimatgefühl  erweckt,  wird  niemand  behaupten  können. 
Aus  diesen  schablonenmäßig  aufgereihten  Häusern  ziehen 
eben  die  Bewohner,  nachdem  ihr  Mietvertrag  abgelaufen  ist, 
einige  Straßen  weiter,  weil  dort  vielleicht  ein  prunkvollerer 
Aufgang  oder  irgendein  nebensächlicher  Wohnungskomfort 
sie  reizt.  Die  Gemeinde  und  der  Hauswirt  haben  das  Nach- 
sehen. Und  wenn  dem  Hauswirte  seine  Geldmittel  nicht 
gestatten,  mit  den  rasch  anwachsenden  Bedürfnissen  des 
Wohnungskomforts  Schritt  zu  halten,  veraltet  sein  Haus, 
und  die  Klasse  seiner  Mieter  wird  immer  schlechter. 

Nun  gibt  es  aber  ein  Anziehungsmittel,  das  seine  Wir- 
kung auf  den  der  Natur  noch  nicht  völlig  entwöhnten  Groß- 
städter nicht  verfehlt,  das  ist  etwas  natürliches  Grün,  das  sind 
ein  paar  grüne  Bäume.  Und  diese  Anlagen  haben  außerdem 
noch  den  Vorteil,  daß  sie  mit  der  Zeit  nicht  veralten,  sondern, 
je  länger  sie  stehen,  um  so  schöner  sich  entwickeln,  im 
Gegensatz  zu  dem  veränderlichen  Geschmack  am  Wohnungs- 
komfort. Und  wenn  nun  schließlich  noch  hinzukommt,  daß 
Grünflächen  in  der  Unterhaltung  weit  billiger  sind  als  Asphalt- 
pflasterflächen, so  sind  damit  die  Erwägungen  angegeben, 
die  den  Verfasser  dazu  führten,  den  bereits  von  den  Ge- 
meindekörperschaften genehmigten  alten  Plan  zu  verwerfen 
und  dem  neu  ins  Leben  gerufenen  Stadterweiterungsamt  und 
seinem  Architekten  die  Aufgabe  zu  stellen,  ein  ruhiges  Wohn- 
viertel mit  einer  zentralen  ruhigen  Grünanlage  zu  schaffen, 
bei  der  das  Maß  der  baulichen  Ausnutzung  nicht  geringer 
sein  durfte,  als  bei  dem  alten  Plane ;  denn  auf  Grund  dieses 
alten  von  den  Gemeindekörperschaften  genehmigten  Planes 
war  das  Gelände  bereits  an  eine  Terraingesellschaft  für 
rund  3'/4  Millionen  Mk.  verkauft  worden,  und  auch  deren 
Vermögensinteressen  waren  zu  schonen. 

Ein  ferneres  Ziel  war,  die  gesundheitlich  unerwünschte 
Errichtung  von  Mittel-  und  Seitenflügeln  und  Quergebäuden 
im  Gegensatz  zu  dem  bisherigen  Plan  durch  den  Bebauungs- 
plan tunlichst  auszuschließen. 

Der  neue  Plan,  wie  ihn  die  Abb.  a,  Tafel  27  und  c, 
Tafel  28  zeigen,  ist  das  Werk  des  Stadtbauinspektors  Wolf 
und  das  Ergebnis  immer  aufs  neue  gefertigter  Berechnungen 
und  Pläne,  die  das  Ziel  hatten,  der  Terraingesellschaft  die 
gleiche  wirtschaftliche  Ausnutzungsmöglichkeit  zu  gewähren, 
die  der  alte  Plan  ihr  bot. 

Die  Einzelheiten  des  Planes  sind  bereits  in  Heft  3  dieses 
Jahrganges  Seite  36  dargestellt.  Hier  sei  nur  noch  erwähnt, 
daß  die  Fülle  der  Ost -West -Verbindungen  für  den  Fahr- 
verkehr, die  der  alte  Plan  im  Gegensatz  zum  neuen  auf- 
wies,  durch   kein  Gebot  des  Verkehrs  zu  begründen  war. 


53 


DER  STÄDTEBAU 


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Abb.  2.     Bisheriger  Bebauungsplan  mit  Übersichtsplan. 


Als  Hauptverkehrsstraßen  kommen  für  das  Gelände  die  auf 
dem  alten  Plan  Holbeinstraße,  jetzt  Rubensstraße  genannte 
Verkehrsstraße  im  Osten  und  die  im  Norden  daran  vorüber- 
führende Hauptstraße  in  Frage.  Ein  Bedürfnis  für  einen 
Fahrverkehr  von  West  nach  Ost  besteht  nicht,  da  im  Osten 
die  Eisenbahndämme  der  Wannseebahn  und  der  Stadt-  und 
Ringbahn  und  der  von  ihnen  eingeschlossene  städtische 
Friedhof  auf  Jahrzehnte  dem  Verkehr  unübersteigliche 
Schranken  entgegenstellen.  Für  den  Fußgängerverkehr  da- 
gegen war  es  wichtig,  die  im  Norden  des  Geländes  gelegene 
Untergrundbahnstation  „Hauptstraße"  und  die  im  Süden  ge- 
legene Wannseebahnstation  Friedenau  bequem  zugänglich 
zu  machen.  Auf  die  Bedürfnisse  einer  fernen  Zukunft  nimmt 
die  im  Süden  des  Geländes  vorgesehene  Straße  „i"  Rück- 
sicht, die  hier  einen  fast  geradlinig  vom  Grunewald  her  sich 
durch  die  Gemeinden  Grunewald,  Schmargendorf,  Wilmers- 
dorf und  Friedenau  hinziehenden  Straßenzug  verlängert,  der 
später  einmal  durch  das  künftige  Schöneberger  Südgelände 
und  über  das  Tempelhofer  Feld  hinweg  die  Berliner  Friedrich- 
stadt mit  dem  Grunewald  in  Verbindung  bringen  wird. 

Ein  nur  ganz  ausnahmsweise  zulässiges  Mittel,  um  die 
mittlere  Freifläche  möglichst  groß  zu  gestalten,  war  die 
Verlegung  eines  Teiles  der  Hofflächen  an  beiden  Längsseiten 
der  Platzanlage  nach  vorn  und  ihre  Benutzung  für  die  An- 
legung der  schmalen  Umfahrtstraße.  Allgemein  darf  dieses 
Mittel  natürlich  nicht  angewandt  werden,  ohne  zu  einer  un- 


erwünschten Verdichtung  der  Bauweise  zu  führen.  Hier 
war  der  Weg  durch  die  Notwendigkeit  gewiesen,  die  wirt- 
schaftlichen Interessen  der  Terraingesellschaft  zu  schonen. 
Diese  Hofflächen  kommen  als  Vergrößerung  der  benutzbaren 
Freifläche  in  der  Mitte  nunmehr  allen  Anwohnern  dieses 
Stadtteiles  zugute,  und  das  ganze  Gelände  zeigt  im  ganzen 
nur  etwa  90  qm  bebaute  Fläche  mehr  als  der  alte  Plan. 

Die  durch  die  Genehmigung  des  alten  Planes  geschaffene 
Zwangslage  hat  es  leider  nicht  ermöglicht,  wie  die  Quer- 
gebäude auch  die  Seitenflügel  völlig  auszuschließen.  Immer- 
hin kommen  diese  Seitenflügel  im  Gegensatz  zu  den  Mög- 
lichkeiten des  alten  Planes  nur  bei  einer  geringen  Anzahl 
von  Grundstücken  vor. 

Das  Fortfallen  der  Seitenflügel  in  dem  weitaus  größten 
Teile  der  Baugrundstücke  legte  dann  der  Terraingesellschaft, 
der  Boden -Aktien -Gesellschaft  Berlin-Nord,  die  im  Laufe 
der  Verhandlungen  immer  mehr  Geschmack  an  dem  erst 
mit  Argwohn  betrachteten  Plane  gewann,  den  Gedanken 
nahe,  die  zum  Teil  über  200  m  langen  und  20  m  tiefen  Höfe 
im  Innern  der  Baublöcke  zu  gemeinschaftlichen  großen 
Innengärten  auszugestalten. 

Ein  schon  von  Camillo  Sitte  angestrebtes  Ziel  der  Städte- 
baukunst wird  also  hier  verwirklicht  werden.  Die  häßlichen 
Einfriedigungen,  die  ohne  rechten  Zweck  die  Nachbarhöfe 
voneinander  scheiden,  werden  fortfallen,  und  die  Hofflächen 
werden   bis    auf  kleine    für  Wirtschaftszwecke   zurückzu- 


54 


DER  STÄDTEBAU 


haltende  Teile  zu  Grünanlagen  Verwendung  finden,  die  von 
allen  schädlichen  Einflüssen  der  Straße  geschützt,  den  Be- 
wohnern des  Häusergevierts  ein  Plätzchen  ruhiger  Erholung 
und  ihren  Kindern  Spiel-  und  Turnplätze  gewähren  sollen. 
Diese  Anlagen  werden  von  der  Stadtgemeinde  unterhalten 
werden.  Die  Anlieger  tragen  nach  Verhältnis  dazu  bei,  und 
diese  Beitragspflicht  ist  als  Reallast  auf  ihren  Grundstücken 
eingetragen.  Niedrige  Bäume  (Rotdorn,  Mandelbäume  und 
andere)  werden  die  einzelnen  Teile  umsäumen;  hie  und  da 
werden  Springbrunnen  sie  beleben.  12  m  breite  Bauwiche 
an  geeigneten  Stellen  werden  eine  bequeme  Durchlüftung 
dieser  Höfe  ermöglichen  und  gleichzeitig  reizvolle  Einblicke 
in  ihr  Inneres  gewähren  (Abb.  e  u.  f,  Tafel  29). 

Ob  sich  diese  gemeinschaftlichen  Innenanlagen  bei  dem  in 
der  Häuslichkeit  individualistischen  Sinn  des  Großstädters  be- 
währen werden,  ob  sich  die  Kinder  miteinander  dort  vertragen 
und  durch  ihr  Spiel  nicht  den  Nachmittagsschlaf  der  Kinder- 
losen stören  werden,  alles  dies  muß  die  praktische  Erfahrung 
zeigen.  Der  Versuch  aber  muß  einmal  gemacht  werden,  und 
bewährt  sich  die  Einrichtung,  so  soll  sie  in  größerem  Umfange 
in  dem  der  Erschließung  noch  harrenden  Südgelände  der 
Stadtgemeinde  weiter  durchgeführt  werden. 

Die  Vorgärten,  sonst  ein  Schmerzenskind  unserer  Groß- 
stadtstraßen, sollen  in  diesem  Wohnviertel  einheitlich  an- 
gelegt, mit  Hainbuchenhecken  eingefriedigt  und  auf  Kosten 
der  Eigentümer  von  der  Stadt  unterhalten  werden.  Die  die 
mittlere  Grünanlage  umschließenden  Hausfronten  werden 
einheitlich  mit  Glyzinien  berankt  werden.  An  der  Westseite 
des  Platzes  werden  statt  der  Vorgärten  einheitlich  bepflanzte 
Balkonterrassen  die  Erdgeschoßräume  von  der  Straße  trennen 
(Abb.  b,  Tafel  27). 

Dem  in  allem  diesen  sich  ausdrückenden  Streben  nach 
einheitlicher  Wirkung  sollen  auch  die  zu  schaffenden  archi- 
tektonischen Straßenbilder  entsprechen,  die  den  Forderungen 
nach  Einheitlichkeit  und  Rhythmus  zum  Leben  zu  verhelfen 
haben.  Die  Stadtgemeinde  Schöneberg  hat  bereits  seit  einigen 
Jahren  den  Einfluß,  den  ihr  das  Bauverbot  des  Fluchtlinien- 
gesetzes gibt,  ästhetischen  Forderungen  dienstbar  gemacht, 
und  so  werden  auch  hier  die  Häuserfronten  rings  um  den 
in  der  Mitte  liegenden  Platz  durchgehende  Hauptgesimse  und 
einheitlich  durchlaufende  Dachflächen  zeigen  (Textbild  1).  Die 
in  Gemeinschaft  mit  der  Terraingesellschaft  vorgenommene 
Parzellierung  wurde  so  vorgenommen,  daß  beim  Betreten 
des  Platzes  von  den  einmündenden  Straßen  aus  rhythmische 
Bilder  sich  darbieten  werden  (Abb.  h,  Tafel  30).  Bei  den 
ansteigenden  Straßen  lassen  sich  naturgemäß  auf  die  ganze 
Länge  der  Straße  durchlaufende  Hauptgesimse  nicht  schaffen: 


hier  werden  aber  auch  durch  gruppenweise  Zusammenfassung 
von  einheitlich  durchlaufenden  Dächern  und  Hauptgesimsen 
befriedigende  Lösungen  erzielt  werden,  und  schließlich  wird 
auch  die  Verwendung  von  einheitlichem  Material  und  gleicher 
Farbe  die  einheitliche  Wirkung  der  einzelnen  Straßen-  und 
Platzbilder  steigern.  Die  Anordnung  der  Erker  in  rhyth- 
mischen Abständen  wird  Ruhe  und  Harmonie  in  die  Straßen- 
bilder bringen,  und  die  den  inneren  Grünflächen  zugekehrten 
Hoffronten  werden  gleich  den  Vorderfronten  einheitlich 
architektonisch  durchgebildet  werden. 

Das  Wohnviertel  entsteht  zum  großen  Teil  auf  der  Fläche 
eines  alten  Parkes.  Sein  Baumbestand  ist,  soweit  es  irgend 
ging,  erhalten  worden.  Eine  genaue  Aufnahme  der  vor- 
handenen Bäume  ist  der  Aufstellung  des  Planes  voran- 
gegangen, und  wo  es  irgend  anging,  ist  die  Straßenführung 
unter  Schonung  vorhandener  schöner  alter  Bäume  gewählt 
worden  (Abb.  d,  Tafel  28).  Nicht  Monumentalität,  sondern 
behagliche  Wohnlichkeit  war  das  durch  den  Charakter  der 
Anlage  vorgeschriebene  Ziel,  das  für  die  Ausbildung  der 
Häuser  und  Anlagen  erstrebt  wurde.  So  wird  denn  auch 
die  Wasserkunst  in  dem  südlichen  Teile  der  mittleren  Platz- 
anlage nicht  in  schloßartiger  Vornehmheit  springen,  sondern 
der  niedrige  Rand  des  Wasserbeckens  wird  es  ermög- 
lichen, daß  Kinder  hier  ihre  Wasserspiele  werden  treiben 
können  (Abb.  g,  Tafel  30),  eine  Abwandlung  des  in  unserem 
Klima  nicht  durchführbaren  Gedankens  der  amerikanischen 
„Plantschwiese". 

Es  war  ein  langer  und  nicht  müheloser  Weg,  auf  dem 
diese  Forderungen  neuer  Städtebaukunst  in  die  Wirklichkeit 
übergeführt  wurden.  Um  so  dankbarer  müssen  wir  er- 
wähnen, daß  wir  nicht  nur  immer  lebhafteres  Verständnis 
bei  der  Terraingesellschaft,  ihrem  Direktor  Busch,  ihrem 
Architekten  Derda,  gefunden  haben,  sondern  daß  wir  auch 
für  die  mancherlei  Abweichungen  von  der  Norm  wohl- 
wollendes Verständnis  und  tatkräftige  Unterstützung  bei  den 
in  Betracht  kommenden  staatlichen  Stellen,  insbesondere  bei 
dam  Polizeipräsidenten  von  Schöneberg,  den  Baubeamten 
des  Königlichen  Polizeipräsidiums  in  Berlin  und  beim  Be- 
zirksausschuß in  Berlin  gefunden  haben.  Allen  Beteiligten 
war  es  offenbar  eine  Freude,  an  dieser  Durchsetzung  künst- 
lerischer Forderungen  mitzuwirken. 

Zu  hoffen  bleibt  uns,  daß  die  Liebe,  die  in  die  Planung 
gelegt  worden  ist,  von  den  künftigen  Bewohnern  dieses  Stadt- 
viertels gewürdigt  werde  und  in  ihnen  etwas  Anhänglichkeit 
und  Stolz  und  etwas  Heimatgefühl  und  Bürgersinn  damit 
erweckt  werde.  Ist  es  doch  schon  nach  Aristoteles  Ziel  der 
Städtebaukunst,   die  Menschen   auch  glücklich  zu  machen. 


DIE  GARTENVORSTADT  LEIPZIG- 
MARIENBRUNN. 

Hierzu  Tafeln  19  und  20,  die  bereits  der  vorigen  Nummer  beigelegt  worden  sind. 
Von  Stadtbauinspektor  HANS  STROBEL,  Leipzig. 


Die  Internationale  Ausstellung  für  Bau-  und  Wohnwesen 
Leipzig  1913  hatte  bereits  zu  Ende  1910  beabsichtigt,  die 
Erfolge  der  Gartenstadtbewegung  in  Form  einer  Muster- 
siedelung  auf  dem  Ausstellungsgelände  in  die  Erscheinung 


treten  zu  lassen.  Es  wäre  aber  ohne  Zweifel  ein  volks- 
wirtschaftlicher Verlust  gewesen,  eine  solche  Mustersiedelung 
zu  erbauen,  die  nach  Ablauf  der  Ausstellung  dem  Abbruch 
verfallen   müßte.     Ein   derartiges  Unternehmen  hätte  sicher 


55 


DER  STÄDTEBAU 


einen  Kostenauf-' 
wand  von  80000 
bis  100000  Alk. 
erfordert,  wenn 
der  Siedelungs- 
charakter  einiger- 
maßen zum  Aus- 
druck kommen 
sollte.  Der  Ge- 
danke, eine  auf 
dauernden  Be- 
stand berechnete 
Kleinhaussiede- 
lung  durch  eine 
besondere  Gesell- 
schaft neben  dem 

Ausstellungs- 
gelände zu  er- 
richten, lag  also 
nahe,  und  fand  in 
einer  am  8.  De- 
zember 1910  ge- 
gründeten Orts- 
gruppe Leipzig 
der  Deutschen 
Gartensladtgesell- 
schaft  wärmste 
Unterstützung  und 
eifrige  Förderer. 
Die  Verbindung 
mit  der  Ausstel- 
lung kann  mit 
einer  Schnellbahn, 
die  gleichzeitig 
selbst  ein  be- 
deutender Aus- 
stellungsgegen- 
stand wäre,  her- 
gestellt werden. 

Der    27.   Juni 
1911     führte     die 

Ausstellungs- 
leitung, Vertreter  der  Ortsgruppe  und  weitere  Freunde  der 
Sache  zu  einer  Aussprache  zusammen,  bei  der  Verfasser  den 
in  Plänen  niedergelegten  Gedanken  einer  Gartenvorstadt- 
gründung erläutern  konnte  und  Zustimmung  zu  der  An- 
schauung fand,  daß  es  heute  nicht  mehr  so  sehr  darauf  an- 
komme nachzuweisen,  schöne,  praktische  und  behagliche 
Einfamilienhäuser  bauen  zu  können,  als  vielmehr  darauf, 
daß  es  praktisch  möglich  sei,  innerhalb  einer  Großstadt  eine 
gsirtenstädtische  Siedelung  auf  wirtschaftlicher  Grundlage 
durchzuführen. 

Da  war  es  denn  ein  glücklicher  Umstand,  daß  ganz  in 
der  Nähe  des  dem  Völkerschlachtdenkmal  vorgelagerten 
Ausstellungsgeländes  Land  vorhanden  war,  das,  seit  dem 
16.  Jahrhundert  —  früher  gehörte  es  dem  Thomaskloster  — 
im  Besitz  der  Stadt,  bis  heute  unberührt  von  der  städtischen 
Bebauung  Ackerland  geblieben  ist.  Gerade  an  jener  Stelle 
schiebt  sich  ein  breiter  Keil  jungfräulichen  Landes  bis  an 
den  Bayrischen  Bahnhof  in  die  Stadt  hinein. 

Es  war  weiter  ein  glückliches  Zusammentreffen,  daß 
mit  der  Wahl  des  Geländes  —  westlich  vom  Südfriedhofe 


Abb.  3.     Übersichtsplan  des  die  Gartenstadt  enthaltende  Geländes. 


auf  Connewitzer 
Flur  —  zugleich 
ein      bedeutender 

ästhetischer 
Vorteil    für    das 
Stadtbild    erreicht 
werden  kann.  Die 

Gartenvorstadt 
wird     an     dieser 
Stelle  den  Anfang 
der  baulichen 
Einkreisung 
des         Völker- 
schlachtdenk- 
males  bedeuten. 
Sie      wird       also 
durch      die      be- 
scheidene Höhen- 
entwicklung ihrer 

Bauweise  und 
durch    den   ein- 
heitlichen   der 
Lage     angepaßten 

Baucharakter 
noch  zu  einer 
Steigerung  der 
Wirkung  dieses 
Werkes  beitragen, 
das  von  der  sonst 
üblichenVorstadt- 
bebauung  wahr- 
scheinlich     stark 

beeinträchtigt 
werden  würde. 

Der    benach- 
barte   uralte   Ma- 
rienbrunnen      im 
Parke     vor     dem 
Völkerschlacht- 
denkmal,    dessen 
Wasser  nach  der 
Sage        Tausende 
von  Leprakranken  geheilt  haben  soll,  hat  der  geplanten  Siede- 
lung den  Namen  Leipzig-Marienbrunn  gegeben.     Möge 
der  Name  der  heilkräftigen  Quelle  ein  gutes  Symbol  sein. 

Am  3.  November  1911  wurde  in  den  Räumen  der  Bau- , 
ausstellung  die  „Gartenvorstadt  Leipzig-Marienbrunn, 
G.  m.  b.  H."  mit  205000  Mk.  Stammvermögen  gegründet.  Der 
Gesellschaftsvertrag  ist  auf  den  von  der  deutschen  Garten- 
stadtgesellschaft vertretenen  Grundsätzen  aufgebaut.  Der 
4''/o  übersteigende  Gewinn  ist  für  gemeinnützige  Anlagen 
innerhalb  des  Unternehmens  und  für  Rücklagen  zu  verwenden. 
Am  8.  Dezember  1911  wurde  die  sorgfältig  bearbeitete 
Eingabe  um  Überlassung  des  gewählten  Geländes  von  etwa 
8'/2  ha  an  der  Meusdorfer  Straße  dem  Rate  der  Stadt  Leipzig 
überreicht.  Die  bisherigen  Verhandlungen  lassen  einen 
günstigen  Verlauf  erwarten.  Die  Überlassung  des  östlichen 
Geländeteiles  von  etwa  32000  qm  für  Ausstellungszwecke 
(Gasthaus,  Luftbad  mit  Ruhehallen  usw.)  ist  vom  Rat  und 
den  Stadtverordneten  bereits  genehmigt.  Dieses  Gelände 
soll  nach  Ablauf  der  Ausstellung  in  die  Gartenvorstadt  mit 
aufgenommen  werden. 


56 


DER  STÄDTEBAU 


Die  geplante  Siedelung  wird  etwa  3V2  km  vom  Rat- 
hause entfernt  sein.  Die  Entfernung  der  Stadtgrenze  vom 
Rathause  schwankt  zwischen  4  und  6  km.  Die  Verbindung 
mit  dem  Stadtinnern  ist  heute  schon  gut  zu  nennen,  da  der 
Endpunkt  der  F-Linie  der  Großen  Leipziger  Straßenbahn  nur 
500  m  von  der  künftigen  Siedelung  entfernt  ist.  Von  diesem 
Endpunkt  am  Napoleonstein  bis  zum  Augustusplatz  sind 
12  Minuten  mit  der  Straßenbahn  zu  fahren.  Daß  das  Gelände, 
das  20  m  höher  liegt  als  zum  Beispiel  der  Reichsgerichtsplatz, 
eine  gesunde  Wohnlage  bedeutet,  wird  von  den  Bewohnern 
der  östlich  benachbarten  Marienhöhe  bestätigt. 

Als  Rechtsform  für  die  Übernahme  des  Geländes  hat 
man  sich  für  das  Erbbaurecht  entschieden.  Folgende 
Erwägungen  waren  für  diesen  Entschluß  hauptsächlich  be- 
stimmend. Nächst  den  großen  Bodenpreisen  und  Straßen- 
kosten und  der  bisher  für  das  Kleinhaus  zu  strengen  Bau- 
ordnung ist  hauptsächlich  der  Umstand  am  Rückgange  des 
Flachbaues  schuld,  daß  wir  in  Leipzig  im  ganzen  eine  wenig 
seßhafte  Bevölkerung  haben.  Gerade  diejenigen,  die  es 
vielleicht  am  meisten  bedürfen,  nach  der  angestrengten 
Berufstätigkeit  ein  ruhiges  Heim  mit  einem  Garten  zu 
finden,  wie  Angestellte,  Beamte  und  Arbeiter,  wollen  selbst 
dann,  wenn  sie  dazu  in  der  Lage  wären,  die  Anzahlung  auf 
ein  kleines  Häuschen  zu  leisten,  sich  nicht  an  einen  solchen 
Besitz  binden.  Sie  wollen  sich  nicht  der  Sorge  des  Wieder- 
verkaufs aussetzen  im  Falle  der  Versetzung,  des  Wegzuges 
aus  der  Stadt  oder  dann,  wenn  der  Ernährer  stirbt,  Kinder 
fortgehen  usw.  Die  moderne  Freizügigkeit  können 
wir  nicht  aufhalten.  Schlimmer  als  diese  Freizügigkeit 
ist  heute  die  Umzugsnot  innerhalb  der  Stadt  selbst.  Diese 
herabzumindern,  ist  eine  Hauptaufgabe  jeder  gartenstädtischen 
Siedelung,  und  damit  allein  schon  wird  eine  vermehrte  Seß- 
haftigkeit, die  Vorbedingung  eines  behaglichen  Familien- 
lebens und  einer  guten  Kindererziehung  erreicht. 

So  wird  es  denn  ein  besonderer  Vorzug  der  geplanten 
Siedelung  sein,  daß  die  Gesellschaft  unter  Vorbehalt  des 
Eigentums  an  den  Häusern  ihren  Mietern  ein  eigentums- 
ähnliches auf  längere  Zeit  nur  von  ihrer  Seite  kündbares 
Erbmietrecht  zuzusprechen  beabsichtigt.  Den  Mietern 
werden  so  die  Vorteile  des  Eigentums  ohne  seine  Nachteile 
geboten.  Die  Teilnahme  des  Bewohners  an  dem  Hause  wird 
dadurch  gewährleistet,  daß  er  eine  mit  4'  j^o  verzinsliche 
hypothekarische  Schuldverschreibung  auf  das  Haus  zu  geben 
haben  wird,  die  um  so  niedriger  wird,  je  höher  die  Stadt 
das  Unternehmen  beleiht.  Bei  Mehrfamilienhäusern  verteilt 
sich  natürlich  der  betreffende  Betrag  auf  die  einzelnen 
Wohnungen.  Bei  den  ganz  billigen  Wohnungen  wird  anders 
zu  verfahren  sein,  da  man  hierbei  von  einer  einmaligen 
größeren  Kapitalaufwendung  überhaupt  absehen  muß.  Das 
System  der  durch  den  Mieter  aufgebrachten  Schuldver- 
schreibungen (zweite  Hypothek)  ist  in  Hellerau  mit  gutem 
Erfolg  bereits  durchgeführt.  Die  erste  Hypothek  kann  bei 
Erbbau  nach  unseren  heutigen  Gesetzen  nur  vom  Besitzer 
des  Geländes  oder  unter  dessen  Haftpflicht  erreicht  werden, 
also  in  diesem  Falle  von  der  Stadt,  die  denn  auch  um  Ge- 
währung einer  Hypothek  in  der  Höhe  von  85 "  0  des  Bau- 
wertes angegangen  worden  ist.  Die  Städte  Frankfurt  a.  M., 
Aachen,  Elberfeld  und  Mannheim  haben  Erbbaurechte  bis 
zu  QC/o  des  Bauwertes  beliehen.  Das  Land  fällt  mitsamt 
den  Häusern  nach  Ablauf  des  Erbbauvertrages,  also  in 
unserem  Falle  nach  99  Jahren,  mit  seinem  Wertzuwachs 
an  den  Urbesitzer  (die  Stadt)  zurück.     Die  Frage,  ob  dann     | 


eine  Entschädigung  für  die  Gebäude  bezahlt  wird  oder  nicht, 
ist  natürlich  von  großem  Einfluß  auf  die  Höhe  der  jährlichen 
Tilgung  der  Hypotheken.  In  den  meisten  bestehenden  Erb- 
bauverträgen ist  eine  solche  Entschädigung  in  der  Höhe  von 
20  bis  25  "/o  des  Bauwertes  vorgesehen.  Das  ist  insofern  für 
den  Erbbaugeber  unbedenklich,  als  der  Erbbaunehmer  selbst 
den  Vorteil  daran  hat,  die  Häuser  stets  in  gutem  Zustande, 
d.  h.  vermietbar  zu  erhalten.  Außerdem  ist  die  teilweise 
Entschädigung  des  Endwertes  der  Häuser  das  sicherste 
Mittel  für  gute  Instandhaltung.  Wenn  die  Häuser  gut  gebaut 
sind,  wie  das  hier  beabsichtigt  ist,  dann  beträgt  ihre  Lebens- 
dauer sicher  mehr  als  99  Jahre,  und  daß  eine  Bauart,  die 
heute  von  allen  bestehenden  vielleicht  am  meisten  den 
künftigen  Bedürfnissen  entspricht,  sich  dann  schon  als  un- 
vermietbar erwiesen  hat,  ist  kaum  anzunehmen. 

Die  Gestaltung  der  Siedelung  im  einzelnen  war  in  erster 
Linie  eine  schwierige  Rechenaufgabe,  die  schon  beim 
Entwürfe  des  Bebauungsplanes  angefangen  hat.  Das  Ge- 
lände ist  so  gewählt,  daß  es  sich  in  den  verkehrstechnisch 
toten  Winkel  zwischen  drei  großen  Straßen  einschmiegt. 
Es  war  also  möglich,  billige  Wohnstraßen  zu  wählen.  Sie 
sind  8,5  m  breit.  Solange  die  Straßen  nur  einseitig  bebaut 
sind,  ist  die  Straßenbreite  unter  Weglassung  des  einen  Fuß- 
weges auf  6  m  verringert  (siehe  Abbildung).  Die  Herstellung 
ist  in  Makadam  gedacht.  Aus  wirtschaftlichen  Gründen 
ergab  sich  an  den  begrenzenden  Verkehrsstraßen  die  An-  . 
nähme  einer  höheren  Bebauung  (mit  Erd-  und  zwei  Ober- 
geschossen) als  notwendig,  während  das  eigentliche  Garten- 
vorstadtgelände höchstens  mit  Erd-  und  einem  Obergeschoß, 
sogenannten  Kleinhäusern,  bebaut  werden  soll.  Ebenfalls 
aus  Zweckmäßigkeitsgründen  wurde  die  Gruppen-  und 
Reihenhausbauweise  gewählt,  und  zwar  wurden  die 
einzelnen  Gruppen  nach  Möglichkeit  von  Norden  nach  Süden 
gerichtet,  so  daß  sie  zweimal  am  Tage  Sonne  bekommen. 
Die  Gartenvorstadt  liegt  auf  einer  Hochebene,  so  daß  keine 
Veranlassung  vorhanden  ist,  künstlich  geschlängelte  Straßen- 
züge anzulegen.  Es  ist  vielmehr  angestrebt  worden,  eine 
klare  Städtebau-künstlerische  Anordnung  folgerecht 
durchzuführen.  Besonderer  Wert  wird  auf  eine  künstlerisch- 
organische Baugestaltung  im  Anschlüsse  an  den  Bebauungs- 
plan gelegt  werden.  Unter  allen  Umständen  soll  die  leider 
immer  noch  beliebte  Schauseitenarchitektur  vollständig  ver- 
mieden werden.  Die  Gruppen  werden  nach  allen  Seiten 
gleichmäßig  gut  und  sachlich  durchgebildet  werden. 

Von  dem  vorläufig  von  der  Stadt  erbetenen  Gelände  von 
insgesamt  etwa  8 •,2  ha  gehen  ungefähr  23 %  für  Straßen  und 
Plätze  ab.  Der  neueste  Aufteilungsplan  enthält  85  Ein- 
familien-,  20  Zweifamilien-  und  28  Mehrfamilienhäuser. 
Letztere  stellen  hauptsächlich  die  Randbebauung  an  der 
verlängerten  Waisenhausstraße  im  Süden  dar  und  enthalten 
fast  ausschließlich  Kleinwohnungen.  Die  dreigeschossige 
Randbebauung  im  Norden  an  der  früher  schon  in  der  — 
für  eine  Tangentialstraße  —  übergroßen  Breite  von  27  m 
festgestellten  Meusdorfer  Straße  wurde  nicht  mit  in  die 
Gartenvorstadt  aufgenommen.  Für  eine  künstlerisch  gute 
Gestaltung  dieser  Häuser  soll  durch  hintere  Baufluchtlinien 
und  dadurch  gesorgt  werden,  daß  die  Stadt  sich,  wie  üblich, 
bei  dem  Verkaufe  der  Bauplätze  die  Genehmigung  auch 
nach  der  ästhetischen  Seite  hin  vorbehält.  In  8  Häusern 
sind  Läden  und  handwerkliche  Betriebe  zulässig.  Es  ist 
beabsichtigt,  bis  zur  Ausstellung  so  viele  Häuser  fertigzustellen , 
daß  ein  siedelungsmäßiger  Charakter  vorhanden  ist. 


57 


DER  STÄDTEBAU 


Eine  große  Reihe  von  Wohnungsuchenden  haben 
sich  jetzt  schon  für  Leipzig-Marienbrunn  gemeldet.  Nach 
eingehenden  Berechnungen  können  Einfamilienhäuser 
zu  ganz  billigen  Mieten  leider  nicht  mehr  errichtet  werden, 
dazu  ist  die  Belastung  durch  Umlage-  und  Straßenbaukosten 
eben  doch  schon  zu  hoch.  Die  Wohnungen  in  Ein-  und 
Zweifamilienhäusern  werden  in  der  Hauptsache  450  bis 
1000  Mk.  kosten,  und  nach  solchen  Wohnungen  war  bis 
jetzt  auch  die  regste  Nachfrage. 

Es  ist  dabei  zu  berücksichtigen,  daß  schon  1  km  süd- 
lich von  Marienbrunn  die  gemeinnützige  Baugesellschaft 
Leipzig-Lößnig  auf  einem  Erbbaugelände  von  rund  15  ha 
Wohnungen  für  5000  Menschen  in  der  Preislage  von  180  bis 
400  Mk.  errichtet  hat.  Diese  Gesellschaft  beabsichtigt  ein 
östlich  anschließendes  Gelände  von  weiteren  15  ha  nach 
denselben  Grundsätzen  zu  erschließen.  Ferner  will  die 
Meyersche  Stiftung  zur  Erbauung  billiger  Wohnungen  2'  2  km 
südöstlich  der  Gartenvorstadt  zwischen  Probstheida  und 
Zuckelhausen  ein  Gelände  von  27  ha  mit  Kleinwohnungen 
bebauen. 

Trotzdem  will  auch  die  Gesellschaft  m.  b.  H.  Leipzig- 
Marienbrunn  Kleinwohnungen  herstellen.  Aus  diesem 
Grunde  ist  die  Randbebauung  an  der  Waisenhausstraße 
schon  jetzt  mit  in  dem  Plan  aufgenommen  worden.  Es 
kann  nicht  oft  genug  der  Umstand  betont  werden,  daß 
in  Industriestädten  beinahe  90"  0  aller  Wohnungen  Klein- 
wohnungen sein  müssen.  Wenn  das  Unternehmen  sich 
bewährt,  soll  eine  Ausdehnung  nach  Süden  für  billige  und 
nach  Norden  gegen  den  Park  hin  für  Wohnungen  des  Mittel- 
standes bald  in  Angriff  genommen  werden.  Größter  Wert 
wird  auf  gute  Grundrißlösungen  und  auf  eine  gesundheitlich 
einwandfreie  Herstellung  auch  der  billigsten  Wohnung  ge- 
legt werden. 


Die  kleinsten  Gärten  sind  100  qm  groß,  die  größten  rund 
350  bis  400  qm.  Die  meisten  haben  eine  Größe  von  140  bis 
180  qm  ohne  Hausfläche  und  Vorgarten.  Größere  Gärten  sind 
insofern  unpraktisch,  als  sie  zur  Bewirtschaftung  schon  der 
Hilfe  eines  Gärtners  bedürfen  und  somit  Kosten  verursachen. 

Es  werden  vor  allem  auch  jene  baupolizeilichen 
Erleichterungen  für  das  Kleinhaus  nachgesucht  wer- 
den, die  schon  vielfach  mit  gutem  Erfolge  durchgeführt  sind 
und  auch  in  Sachsen  von  der  Regierung  und  den  ersten 
Fachleuten  dringend  befürwortet  werden.  Selbstverständlich 
müssen  diese  Erleichterungen  dann  allgemein  durchgeführt 
werden,  so  daß  sie  auch  dem  Privatunternehmer  zugute 
kommen,  der  nach  wie  vor  für  die  Wohnungsbeschaffung 
den  Ausschlag  geben  wird.  Nicht  zuletzt  die  zu  schweren 
Bauvorschriften  haben  es  dem  Unternehmer  unmöglich  ge- 
macht, billige  Kleinhäuser  zu  bauen.  Es  soll  dabei  natürlich 
durchaus  nicht  die  Nachahmung  der  für  unsere  klimatischen 
Verhältnisse  ungeeigneten  englischen  Bauweise  empfohlen 
werden,  sondern  es  sollen  nur  die  auf  die  spekulative  Aus- 
nutzung des  Stockwerkshauses  zugeschnittenen  Bauvor- 
schriften zugunsten  des  Kleinhauses  herabgemildert  werden. 

Es  ist  das  erstemal,  daß  eine  dauernde  Siedelung  von 
diesem  Umfange  als  Teil  einer  Ausstellung  errichtet  werden 
soll.  Es  wird  von  besonderem  Reize  für  Handwerker, 
Firmen  für  Hausausstattungen,  für  Gartenarchitekten  und 
Gärtner,  die  Baugewerke  und  andere  mehr  sein,  in  dem  für 
die  Ausstellung  bestimmten  größeren  Teile  der  Gartenvorstadt 
ihre  Werke  im  natürlichen  Rahmen  auszustellen.  Die  Aus- 
stellungsgegenstände müssen  sich  natürlich  wirtschaftlich 
und  künstlerisch  den  Häusern  anpassen.  Für  kostspielige 
und  vornehme  Ausstellungsgegenstände  der  erwähnten  Art 
wird  ausgiebig  Raum  auf  dem  eigentlichen  Ausstellungs- 
gelände vorhanden  sein. 


MITTEILUNG. 


AUS  BADEN-BADEN. 

Wie  uns  Herr  Dipl.-Ing.  Ehlgötz  aus  Mannheim  in  dankenswerter 
Weise  mitteilt,  hat  der  Stadtrat  von  Baden-Baden  soeben  Grundsätze 
über  die  Vergebung  von  Bauprämien  für  Neubauten  in  den  ländlichen 
Teilen  des  Stadtgebiets  aufgestellt.  Hiernach  gelangen  zur  Erhaltung 
einer  guten  bodenständigen  heimischen  Bauweise  und  zu  deren  Belebung 
und  Förderung  in  den  ländlichen  Stadtteilen  jährlich  1000  Mk.,  nämlich 
500  Mk.  (i.  Preis),  300  Mk.  (2.  Preis)  und  200  Mk.  (3.  Preis)  zur  Verteilung. 
Die  Preise  fallen  zur  Hälfte  dem  in  der  Baugenehmigung  bezeichneten 
Bauherrn,  zur  anderen  Hälfte  dem  Urheber  des  Bauplanes  zu.  Erfordernis 
ist:  gute  Grundrißlösung,  aus  dieser  heraus  organisch  entwickelter  Aufbau, 
gute,  namentlich  auf  der  althergebrachten  Bauweise  fußende  Formen- 
gebung  bei  künstlerischer  Abwägung  der  Baumaße,  insbesondere  bei  reiz- 
voller Ausbildung  und  Gruppierung  der  Lichtöffnungen  und  Harmonie  in 
der  Farbenentwicklung,  Verwendung  bodenständiger  heimischer  Baustoffe 
unter  tunlichster  Vermeidung  aller  Ersatzstoffe. 

Dazu  bemerken  wir  folgendes:  Im  Tale  der  Oos,  von  Bergwäldern 
umkränzt,  zog  sich  das  wachsende  Baden-Baden  zunächst  nördlich  an  der 
Langen  Straße,  an  der  auch  der  Eisenbahnhof  liegt,  hin,  südlich  an  der 
berühmten  Lichtentaler  Chaussee  entlang.  Dann  wuchs  es  in  die  Seiten- 
täler, in  die  \A/iesengründe,  in  die  Falten  des  reichgegliederten  Gebirges 
hinein,  den  Wald  aber  nicht  etwa  überwuchernd,  ihn  vernichtend,  sondern 
nur  durchsetzend,  auf  Vi^aldlichtungen  oder  an  den  Waldrändern  sich 
niederlassend    in    weiten    Abständen    neben-    und    übereinander,    so   daß 


Landhäuser,  Gärten  und  Wälder  im  Gemenge  liegen,  eine  nesterartige 
Bebauung  entstanden  ist,  unter  Auswahl  des  jeweils  besten  Bauplatzes, 
umgeben  von  mehr  oder  minder  weitläufigen  Garten-  und  Parkanlagen, 
die  wieder  in  Waldstreifen  übergehen,  und  zwar  mit  Hilfe  von  Auf- 
teilungsstraßen als  Sackgassen,  Staffelwegen,  Gartensteigen,  Promenaden 
—  die  Grenze  zwischen  öffentlichen  Straßen,  Grünanlagen  und  dem 
Privateigentum  erscheinen  dabei  wie  verwischt. 

Von  der  Bebauung  des  vorigen  Jahrhunderts  sind  namentlich  aus 
der  Zeit,  als  die  Stadt  ein  Spielbad  war,  noch  manche  gute  Schöpfungen 
vorhanden,  wie  das  Palais  Fürstenberg  in  der  Stephanienstr.  15,  in  deren 
vorderem  Teile  bis  zur  Eichstraße  überhaupt  vornehm-einfache  Architektur 
gemacht  worden  ist  (insbesondere  No.  16  und  17);  weiterhin  ist  die  Straße 
eng  und  unansehnlich.  Dann  das  in  den  Besitz  der  Stadt  übergegangene, 
trotz  Durchschneidung  des  Säulengiebels  durch  eine  Glasveranda  noch 
wirksame  Palais  Hamilton,  ferner  das  palastartige  Haus  in  der  Sophien- 
strsdäe  5  mit  Säulenportikus,  im  Erdgeschoß  jetzt  leider  durch  Läden 
entstellt,  das  sogenannte  Alleehaus,  durch  Anbauten  verbösert,  der  ältere 
Teil  des  Badener  Hofes  usw.,  endlich  einfachere  Wohnhäuser  und  Villen 
in  vornehmer  Zurückhaltung  noch  die  Menge  (Villa  zum  Sanatorium  von 
Frey  Dengler  gehörig,  Travellers  Klubhaus  und  durch  den  Alleeweg 
davon  getrennt  eine  Wohnhausgruppe  mit  seitlichen  Gärten,  bei  einem 
Hause  mit  einem  cell  de  boeuf  in  der  Gartenmauer). 

Mit  dem  Niedergange  der  Kunst   in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen 


58 


DER  STÄDTEBAU 


Jahrhunderts  ist  die  Protzerei  mit  Erkern,  Türmchen  und  allerhand  Dach- 
aufbauten dazwischen  gefahren  in  Gotik  und  deutscher  Renaissance,  in 
Backstein,  Werkstein  und  Ölanstrich  in  buntem  Durcheinander  trotz  aller 
Aufdringlichkeit  im  einzelnen  aber  —  abgesehen  von  einigen  allzu  un- 
ruhigen, die  Landschaft  störenden  Umrißlinien  —  das  Ganze  doch  nicht 
allzu  sehr  schädigend. 

Im  Grün  der  Gärten  und  Wälder  erscheint  jedes  Bauwerk  gewisser- 
maI3en  wie  eingehüllt  —  die  Überspinnung  mit  Kletterpflanzen,  Berankung 
mit  Efeu,  wildem  Wein,  Heckenrosen  usw.  läßt  die  letzten  Schwächen 
fast  verschwinden.  Selbst  die  Hotelbauten  an  der  Lichtenberger  Allee 
stören  unter  diesen  Umständen  nicht  einmal  so  arg,  wenn  man  auch  an 
ihrer  Stelle  wohl  eine  bessere  Architektur  sehen  möchte. 

Bösere  Folgen  läßt  jedoch  die  jetzt  hervorgetretene  Neigung  zu  einer 
rücksichtsloseren  Ausschlachtnng  des  Geländes,  zu  einer  weitergehenden 
Ausnutzung  auch  schon  bebauter  Grundstücke  beiürchten.  So  ist  die 
Ludwig -Wilhelm -Straße,  eine  vornehme  Villenstraße  älterer  Zeit,  durch 
vierstöckige  Mietskasten  mit  kahlen  Brandmauern  schon  verschandelt 
worden.  Hohe  geschlossene  Bebauung  fängt  auch  in  der  Verlängerung 
der  Langen  Straße  vom  Bahnhofe  nach  Oos  zu  an  die  Villen  zu  ver- 
drängen, wohl  unterstützt  von  einer  Änderung  der  Fluchtlinien  und  viel- 
leicht auch  von  dem  Mangel  schützender  Ortsstatute.  Überhaupt  schieben 
sich  vielfach  zwischen  bescheidene  ländliche  Häuschen  hohe  Häuser  ein,  so 
z.  B.  das  alte  Dorf  Lichtental,  das  jetzt  zu  Baden  gehört,  zerstörend.  In 
der  Stadt  wird  sich  dies  bei  dem  gestiegenen  Grundwerte  kaum  vermeiden 
lassen,  wenn  auch  dadurch  z.  B.  in  der  Langen  Straße  manch  vornehmes 
Haus  fallen  muß:  Schade  nur,  daß  bei  dieser  Umwandlung  kahle  Brand- 
giebel schon  über  die  Kaiserallee  die  festliche  Zufahrtsstraße  der  ele- 
ganten Badestadt  —  herüberwinken!  Bauplätze  sieht  man  überall,  auf 
saftigen  Wiesen,  an  Berghängen  angeboten,  durch  deren  Bebauung  manche 
Aussicht,  manch  schöner  Durchblick  verloren  gehen  müßte.  Alte  Villen 
verschwinden.  Parke  werden  parzelliert.  Dabei  geht  oft  der  Maßstab  ver- 
loren —  so  ist  das  Sanatorium  von  Frey-Dengler  viel  zu  groß  für  den 
dahinter  liegenden  Friesenberg  und  verdeckt,  von  der  Schützenstraße  aus 
gesehen,  die  Michaelskapelle. 

Dem  entgegenzuwirken  versucht  nun  die  Bauordnung  der  Stadt  vom 
7.  April  1911,  die  wieder  auf  eine  weiträumigere  Bebauung  hinarbeitet  und 
auch  Vorsorge  trifft,  daß  diese  sich  dem  Straßen-,  Orts-  und  Landschafts- 
bilde einfügt.  Besondere  Anerkennung  verdient  die  darin  vorgesehene 
Einsetzung  eines  Beirates  von  Sachverständigen.  Als  ein  weiterer  Schritt 
zur  Hebung  der  Kunst  ist  der  oben  mitgeteilte  Beschluß  des  Stadtrates  zu 
betrachten.  Inzwischen  sind  auch  wieder  gute  Neubauten  geschaffen  worden, 
zum  Teil  von  Architekten  klangvollen  Namens,  wie  Dr.-Ing.  Vetterlein, 
Klingholz,  Vittali,  Billing,  Riemerschmied,  Harke  und  Scherzinger  u.  a.  m. 
Villen  an  der  Stadelhofer  Straße,  an  der  Schützen-  und  Bahnhofstraße,  auf 
dem  Annaberge  können  sich  in  wachsender  Zahl  wohl  sehen  lassen,  ferner 
das  Ausstellungshaus  Münchener  Künstler,    die  Zigarettenfabrik   von  Bat- 


schari  u.  a.  m.  Besonderes  Augenmerk  wird  dabei  auf  eine  gute  Stellung 
des  Bauwerkes  zur  Straße,  zum  Garten  und  in  der  Landschaft  gerichtet, 
auf  eine  liebevolle  Durchbildung  des  bergigen  Geländes  mit  Terrassen, 
Aussichtsplätzen,  Sitzbänken,  Futtermauern  für  die  Auffahrtstraßen  (Park- 
sanatorium an  der  Berglehne  der  Leopoldstraße),  endlich  auf  die  Aus- 
gestaltung der  Gärten  (Sanatorium  an  der  Lichtentaler  Allee)  usw.  Die 
Stadtgemeinde  selbst  wartet  mit  zwei  neuen  öffentlichen  Anlagen  auf:  mit 
der  monumentalen  Gönneranlage  von  Läuger  und  dem  Bildhauer  Floß- 
mann an  der  Oos  und  in  bescheidener  Art  mit  dem  Gartenplatze  an  der 
Schießstätte,  als  Terrasse  sich  über  die  Balzenbergstraße  erhebend. 

Demgegenüber  erscheint  die  Gesamtanlage  neuer  Bebauungsgebiete 
weniger  glücklich.  Die  Straßen  sind  zum  Teil  breiter  als  nötig,  dadurch  zu 
tiefe  Einschnitte  in  die  Berghänge  bildend,  mit  Krümmungen  nach  dem 
Zirkel  (z.  B.  Dürerstraße),  meist  für  beiderseitige  Bebauung  angelegt  und 
in  so  großer  Zahl  aufeinander  folgend  (z.  B.  Lessing-  und  Kapuzinerstraße), 
daß  die  Bebauung  dichter  zusammenrückt  und  trotz  offener  Bauweise 
weniger  freie  Ausblicke  gewährt.  Die  neuen  Straßen  des  Annaberges  sind 
fast  durchweg  als  steigende  Verkehrsstraßen  angelegt  unter  Verzicht  auf 
eine  Terrassierung  des  Berges  durch  horizontale  \Vohnstraßen,  so  daß  der 
am  Friesenberge  gegenüberstehende  Beschauer  schwerlich  jemals  den  rhyth- 
mischen Eindruck  genießen  wird,  den  ihm  umgekehrt  die  Bebauung  des 
Friesenberges,  vom  Annaberge  aus  gesehen,  bietet.  Die  älteren  Straßen 
hier,  wie  die  Friedrichstraße,  die  Kaiser-Wilhelm-Straße  und  andere  mehr 
sind  viel  einfacher,  natürlicher  angelegt,  etwa  7 — 8  m  breit  mit  einseitigen 
Gehstraßen  —  streckenweise  als  Panoramastraßen.  Die  Bismarck-  und  die 
Stadelhofer  Straße  lassen  aber  auch  auf  dieser  Seite  schon,  wie  fast  überall 
in  der  modernen  Stadtentwicklung,  die  Neigung  erkennen,  unter  Hintan- 
setzung der  Rücksichten  auf  die  Anbauung,  die  Ausbildung  der  Straße  zu 
bevorzugen.  Abgesehen  von  der  echten  Verkehrsstraße,  die  ihren  Zweck 
in  sich  selber  trägt,  ist  die  Straße  aber  nur  ein  Hilfsmittel  zur  Erleichterung 
der  Anbauung  —  zur  Erleichterung,  nicht  einmal  zur  Ermöglichung; 
denn  bauen  kann  man  auch  an  Wegen,  die  keine  öffentlichen  Straßen 
sind  —  aus  Zweckmäßigkeitsgründen  zur  Anlage  von  Entwässerungen  usw. 

Beiderseitige  Bebauung  der  Straße  ist  besonders  unglücklich  im  sog. 
Tiergarten  geraten.  Das  prachtvolle  Panorama,  das  man  von  der  am  Höhen- 
rand verlaufenden  Moltkestraße  und  Sauersbergstraße  genießt,  wird  auf  das 
empfindlichste  durch  die  häßlichen  Hinterseiten  der  Häuser  und  kahlen 
Grenzmauern  der  auf  der  Talsohle  emporsteigenden  Fremersbergstraße 
gestört.  Vielleicht  war  hier  die  Bebauung  in  geschlossenen  Reihen  un- 
vermeidlich; die  Rücksicht  auf  die  Landschaft  hätte  dann  aber  entsprechende 
Schutzbestimmungen  erfordert.  Normale  städtische  Straßen  vertragen  sich 
nicht  mit  den  herrlichen  Fahrstraßen  und  Fußwegen,  die  Baden-Baden  zu 
einem  Paradiese  für  Erholung  Suchende  gemacht  haben.  Möge  es  ein 
seine  Eigenart  voll  erfassender  Geist  —  um  einen  von  Prof.  Dr.  Eberstadt 
geprägten  Ausdruck  zu  gebrauchen  —  davor  behüten,  dem  „Kultus  der 
Straße"  zu  verfallen.  D.  S. 


NEUE  BÜCHER  UND  SCHRIFTEN. 


Wir  bitten  um  gefällige  Zusendung  aller  einschlägigen  neuen 
Bücher  und  Schriften,  die  wir  unter  dieser  Übersicht  regelmäßig  an- 
zeigen werden;  wir  übernehmen  aber  keine  Verpflichtung  zur  Be- 
sprechung und  Rücksendung. 


IM  KAMPFE  UM  GROSS  -  BERLIN.  Dritter  Jahresbericht  des 
Ansiedlungsvereins  Groß -Berlin.  Im  Anhang  der  vollständige  Text 
des  Berliner  Zweckverbandsgesetzes  vom  2g.  Juli  igii.  Preis  50  Pf. 
Fortschritt  (Buchverlag  der  „Hilfe"),  G.  m.  b.  H.,  Berlin-Schöneberg. 

VORGARTEN-  UND  BALKONAUSSCHMÜCKUNG.  Von 
Arthur  Glogau,  Stadtobergärtner  in  Hannover.  Mit  23  in  den  Text 
gedruckten  Abbildungen  und  einer  farbigen  Umschlagzeichnung.  Verlag 
Adolf  Sponholtz,  G.  m.  b.  H.,  Hannover. 


DAS  BISMARCK- NATIONALDENKMAL.  Eine  Erörterung 
des  Wettbewerbes  von  Max  Dessoir  und  Hermann  Muthesius.  Mit 
aktenmäßigen  Anlagen,  i. — 7.  Tausend.  Verlegt  bei  Eugen  Diederichs, 
Jena.     1912. 

n    JAHRESBERICHT  DER  STÄDTISCHEN  VERWAL- 
•    TUNGSBEAMTENSCHULE  in  Düsseldorf.  Schuljahngii/iz. 
Vom  Leiter  der  Schule  Quadt,  Düsseldorf. 

BERICHT    ÜBER    DIE   VERWALTUNG    DER    STADT 
FÜRSTENWALDE   vom  31.  März  igi2.     Buchdruckerei  Wuerz 
&  Co.  (Fürstenwalder  Tageblatt),  Fürstenwalde. 

/GESCHÄFTSBERICHT  DES  VATERLÄNDISCHEN 
^•^  BAUVEREINS  für  das  Jahr  191 1.  Geschäftsstelle  des  Vereins 
Berlin  N.  31,   Strelitzer  Straße  43.      10  Pf. 


59 


DER  STÄDTEBAU 


CHRONIK. 


BERICHTIGUNG:  Der  im  Märaheft  veröffentlichte  Lageplan  des 
vom  Architekten  Ernst  Michel  verfaßten  Entwurfes  für  den  Tempel- 
hofer  Parkring  hat  die  Herren  'Wilhelm  Banz  in  Lankwitz  und  Arthur 
Grünberger  in  Wien  zu  Mitarbeitern  gehabt. 

Tn  dem  WETTBEWERB   UM  ENTWÜRFE   FÜR  EINEN 

^  URNENHAIN  in  Mainz  ist  der  i.  Preis  nicht  vergeben  worden; 
dagegen  sind  zwei  2.  Preise  an  städtischen  Garteninspektor  Jung  in  Köln 
und  an  Gartenarchitekt  Hermann  Foeth,  Architekt  Peter  Recht  in  Köln 
gefallen.  Den  3.  Preis  haben  die  Architekten  Gerstadt  &  May  in  Frank- 
furt a.  M.  davongetragen.  Zum  Ankauf  wurden  empfohlen  die  Entwürfe 
von  Gartenarchitekt  Gaedt  in  Köln  und  Gartenarchitekt  Gebr.  Röthe  in 
Bonn.  Wie  wir  hören,  sind  die  Herren  Gartenarchitekt  Hermann  Foeth 
und  Architekt  Peter  Recht  in  Köln  beauftragt,  die  Ausführungspläne  an- 
zufertigen. 

In  dem  auf  Karlsruher  Architekten  und  Ingenieure  beschränkten  \\^ETT- 
BEWERBE  UM  ENTWÜRFE  FÜR  DIE  BEBAUUNG 
DES  NEUEN  BAHNHOFSPLATZES  IN  KARLSRUHE  I.  B. 
hat  das  Preisgericht,  dem  außer  dem  Großherzoglich  Badischen  Finanz- 
minister Dr.  J.  Rheinboldt  und  dem  Oberbürgermeister  der  Stadt  Karlsruhe 
Siegrist  der  Geheime  Regierungsrat  Prof.  Dr.-Ing.  Henrici  aus  Aachen, 
Architekt  Hermann  Jansen  aus  Berlin  sowie  der  Herausgeber  unserer  Zeit- 
schrift angehörten,  einstimmig  folgende  Preise  zugesprochen: 

In  die  Hälfte  der  beiden  zusammengelegten  I.  und  II.  Preise  von 
4000  bzw.  3000  Mk.  als  zwei  I.  Preise  den  als  gleichwertig  anerkannten 
Entwürfen  Nr.  6  (Variante)  „März"  des  Architekten  Oskar  Seemann  und 
Nr.  27  „Residenz"  des  Architekten  W.Vittali,  den  III.  Preis  von  2000  Mk. 
dem  Entwürfe  Nr.  3  „Doris"  der  Architekten  Curjel  und  Moser  und  den 
IV.  Preis  von  1000  Mk.  dem  Entwürfe  Nr.  10  „Residenzeingang"  des 
Großherroglichen   Oberbauinspektors  Weinbrenner. 

Zum  Ankaufe  wurde  empfohlen  der  Entwurf  Nr.  i  mit  dem  Kenn- 
zeichen einer  Lokomotive. 

Im  ganzen  waren  32  Entwürfe,  darunter  ein  unvollständiger,  ein- 
gegangen, von  denen  sechs  in  die  engste  Wahl  genommen  waren,  außer 
den  preisgekrönten  und  den  zum  Ankauf  empfohlenen  Nr.  2  „Tradition". 
In  engerer  'Wahl  hatten  ferner  Nr.  7  „Stadttor",  Nr.  8  „Ostereier"  (I), 
Nr.  II   mit  dem  Kennzeichen   J^    und  Nr.  18  „Im  Einklang"  gestanden. 

/'^  artendirektor  Lesser-Steglitz  sprach  über  DIE  VOLKSPARKS 
^-^  DER  ZUKUNFT  am  3.  April  d.  Js.  im  Hörsaale  des  Königl. 
Kunstgewerbemuseums  Berlin  an  der  Hand  von  Lichtbildern  im  Auftrage 
der  Gruppe  Brandenburg  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gartenkunst.  Er 
erklärte,  in  welcher  Art  die  öffentlichen  Parkanlagen  fernerhin  gestaltet 
sein  müssen,  damit  sie  wirklich  als  Volksparks  gelten  können.  Sie 
dürfen  nicht  nur  wie  bisher  zum  Spazierengehen  eingerichtet  sein  und 
nur  einige  kleinere  oder  größere  Spielplätze  enthalten,  sondern  sie 
müssen  ihrem  Zweck  entsprechend  vor  allem  g^oße  Spielwiesen  haben, 
die  für  jedermann  zugänglich  sind.  Dann  werden  sie,  sagte  der  Redner, 
ein  Jungborn  werden  für  das  deutsche  Volk.  Spiel  und  Sport  muß  dort 
in  allerlei  Form  getrieben  werden  können,  und  bei  der  ganzen  Parkanlage 
muß  man  sich  ihres  Zweckes  voll  bewußt  sein.  Schattige  Baumalleen 
müssen  diese  Spielwiesen  umgeben,  große  Wasserflächen  einladen  zum 
Rudern,  Segeln,  Schwimmen  und  im  Winter  zum  Schlittschuhlaufen 
und  zu  allerlei  Sport.  Dort  soll  die  Stätte  werden  für  alle  Schichten  der 
Bevölkerung,  dort  soll  der  Ort  sein,  wo  man  einen  Ausgleich  finden  kann 
gegen  das  sonstige  Leben  in  der  Häusermasse  der  Großstadt,  einen  Aus- 
gleich gegen  das  ewige  Hasten  des  alltäglichen  Erwerbslebens.  Ein 
fröhliches  Jauchzen  der  ganzen  Bevölkerung  soll  diese  Volksparks  durch- 
zittem,  dann  werden  sie  ihren  wirklichen  Zweck  erst  ganz  erfüllen 
können. 


Der    Stadtrat    zu   Pforzheim    hat    den    badischen    Städten    der    Städte- 
ordnung   den    Entwurf    einer  gemeinsamen  Eingabe    an    das  großh. 
bad.  Ministerium  des  Innern  zugehen  lassen,  worin  die  Bitte  ausgesprochen 

ist,  daß  zur  SCHAFFUNG  GEREGELTER  WOHNUNGS- 
NACHWEISE noch  dem  jetzigen  Landtag  eine  Gesetzesvorlage  unter- 
breitet wird,  durch  welche  die  Möglichkeit  einer  Verpflichtung  zur  Anzeige 
leer  stehender  Wohnungen  und  ihrer  Vermietung  begründet  wird.  (Mit- 
geteilt von  Dipl.-Ing.  Ehlgötz,  Mannheim.) 

"pVas  Direktorium  der  INTERNATIONALEN  BAU-AUSSTEL- 
■'-^  LUNG  LEIPZIG  1913  hat  die  Ausstellungsbauten  in  der  Haupt- 
sache nach  den  Entwürfen  der  beteiligten  Architekten  genehmigt,  so  daß 
in  kürzester  Frist  mit  dem  Bau  begonnen  werden  kann.  Der  am  nächsten 
zur  Stadt  gelegene  Haupteingang  wird  nach  einem  Entwürfe  des  Archi- 
tekten Heßling  ausgeführt,  die  Erbauung  der  massiven  breiten  Brücke, 
die  über  den  Eisenbahneinschnitt  zum  Denkmal  hinüberführt,  nach  den 
Entwürfen  des  Städtischen  Tiefbauamtes  in  Angriff  genommen.  Die  dekora- 
tiven Aufbauten  der  Brücke  sollen  dann  nach  den  Entwürfen  der  Architekten 
Weidenbach  und  Tschammer  geschaffen  werden.  Den  Entwurf  zum  Haupt- 
Restaurant  lieferte  Architekt  Hansel.  Für  die  vom  Architekten  Liebig 
entworfene  Maschinenhalle  muß  bereits  ein  Erweiterungsbau  vorgesehen 
werden,  weil  die  Halle  in  ihrer  ursprünglichen  Größe  schon  belegt  ist. 
Die  Pläne  zur  „Alten  Stadt"  stammen  vom  Architekten  Drechsler.  Bei  der 
Dorfanlage,  nach  dem  Entwurf  des  Architekten  Brachmann,  ist  als  erster 
Gesichtspunkt  festgehalten,  eine  für  die  Dorfhandwerker  vorbildliche 
Musteranlage  zu  schaffen.  Das  Dorf  soll  in  baukünstlerischer  Hinsicht 
auf  Fachleute  und  Laien  anregend  wirken.  Es  wird  als  ein  sächsisches 
Dorf  in  heimatlicher  Bauweise  erstehen.  Das  große  Gutsgehöft  soll  nicht 
nur  in  wirtschaftlicher,  sondern  auch  in  baukünstlerischer  Beziehung 
mustergültig  werden.  Um  diese  Ziele  voll  zu  erreichen,  sollen  maßgebende 
Persönlichkeiten  aus  den  Kreisen  der  Wissenschaft,  der  Kunst  und  des 
Heimatschutzes  zur  Begutachtung  herangezogen  werden.  Der  Entwurf 
zum  Eingange  an  der  Reitzenhainer  Straße  sowie  zu  dem  sich  anschließen- 
den Verwaltungsgebäude  stammt  vom  Architekten  Herold.  —  Mit  der 
Anlage  zur  Querallee,  für  die  bereits  vor  längerer  Zeit  200  Lindenbäume 
angepflanzt  worden  sind,  ist  bereits  begonnen. 

Zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  die  PARZELLIERUNG  UND 
BEBAUUNG  EINES  IN  DRESDEN-SÜD  GELEGENEN 
GELÄNDES  der  Terrain-Gesellschaft  Dresden-Süd,  sowie  für  eine 
Parkanlage  daselbst  ist  ein  öffentlicher  Wettbewerb  unter  den  Architekten 
und  Gartenarchitekten,  welche  ihren  geschäftlichen  Wohnsitz  im  König- 
reich Sachsen  oder  den  Provinzen  Brandenburg  oder  Schlesien  haben, 
ausgeschrieben.  Schlußtermin  für  die  Einlieferung  der  Entwürfe  6.  Juli 
igi2,  mittags  12  Uhr.  Preisgericht:  Oberbürgermeister  Geh.-Rat  Dr.  jur. 
et  Dr.-Ing.  h.  c.  Beutler,  Dresden;  Dr.  phil.  Graf  von  Brockdorff,  Char- 
lottenburg; Professor  Erlwein,  Stadtbaurat,  Dresden;  Regierungsbaumeister 
a.D.  Selmar  Hatzky,  Direktor  der  Berliner  Terrainzentrale,  Berlin;  Oswin 
Hempel,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule,  Dresden;  Graf  Guido 
Henckel  von  Donnersmarck,  Koslowagora  O.-S. ;  Kommerzienrat  von  Klem- 
perer,  k.  k.  österr.-ungar.  Generalkonsul,  Direktor  der  Dresdener  Bank, 
Dresden;  Ludwig  Lesser,  Gartendirektor,  Berlin;  Stadtbaurat  Oberbaurat 
Scharenberg,  Leipzig;  Dr.  jur.  Schiebler,  Rechtsanwalt,  stell v.  Direktor  der 
Dresdener  Bank,  Dresden;  Heinrich  Straumer,  Architekt,  Berlin;  Dr.  jur. 
Temper,  Stadtrat,  Dresden;  von  Uslar,  Stadtgartendirektor,  Dresden; 
Regierungsbaumeister  Dotti,  Berlin.  Ausgesetzte  Preise :  I.  Preis  5000  Mk., 
II.  Preis  2500  Mk.,  III.  Preis  1500  Mk.,  IV.  bis  VI.  Preis  je  1000  Mk.  zum 
Ankauf  von  zwei  Entwürfen.  Das  Programm  mit  Anlagen  ist  bei  der 
Gesellschaft  bis  15.  Mai  1912  erhältlich  gegen  einen  Betrag  von  8  Mk., 
welcher  nach  Erledigung  des  Wettbewerbes  den  Einsendern  nicht  preis- 
gekrönter oder  angekaufter  Entwürfe  zurückgezahlt  wird. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  \V.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  66.  —  Gedruckt  bei  Herros<  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W. 


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9.  Jahrgang 


1912 


6.  Heft 


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DER  STÄDTEBAU 


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SCnAFTÜQIEN-  QESUNDMQTÜCMEN-  UND 

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NEBST  EINER  SONDERBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT 


** 


INHALTSVERZEICHNIS:    Zum  Bebauungsplan   der   Stadt  Bunzlau.     Von  Theodor  Goecke,  Berlin.    —    Der   rechte  Stadtbaurat.     Von  Theodor  Goecke, 
Berlin.    —    Der  Stadtplan  von  Brügge   im   i6.  Jahrhundert.     Von  Cornelius  Gurlitt,  Dresden.    —    Kunst  und  Großverkehr.     Von  Dr.  Hans    Schmidkunz, 

Berlin-Halensee.  —  Neue  Bücher  und  Schriften.  —  Mitteilung.  —  Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 

ZUM  BEBAUUNGSPLAN 

DER  STADT  BUNZLAU.    Hi,r.u  Taf,i„  31  ws  33 

Von  THEODOR  GOECKE,   Berlin. 


Das  Ergebnis  des  schon  vor  mehr  als  Jahresfrist  ent- 
schiedenen Wettbewerbes,  den  die  Stadtgemeinde  Bunzlau 
um  den  Entwurf  für  einen  den  südlichen  und  westlichen  Teil 
des  Stadtgebietes  umfassenden  Bebauungsplan  ausgeschrieben 
hatte,  sollte  alsbald  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlicht  werden. 
Mancherlei  Umstände  haben  dies  verhindert.  Um  die  Unter- 
lassung jedoch  einigermaßen  wieder  gutzumachen,  wird  auf 
drei  Tafeln  und  im  Textbilde  dieser  Nummer  nachträglich  noch 
der  mit  dem  I.  Preise  gekrönte  Entwurf  „Bunzlau  vor  den 
Toren"  der  Architekten  Dipl.-Ing.  Siegfried  Werner  Müller, 
Halle  a.  d.  S.  und  Dipl.-Ing.  A.  Max  Jacob  in  Leipzig,  gebracht. 

Dabei  möge  daran  erinnert  sein,  daß  ein  II.  Preis  für 
den  Entwurf  „Schlesien" .  dem  Architekten  B.  D.  A.  Peter 
Andreas  Hansen  in  München-Nymphenburg  und  ein  III.  Preis 
für  den  Entwurf  „Grüne  Höhen"  dem  Kaiserlichen  Postbau- 
inspektor Löbell  in  Köln  a.  Rh.  zugefallen  waren.  Zum 
Ankauf  waren  endlich  empfohlen:  Der  Entwurf  mit  dem 
Kennzeichen  „Figur  mit  drei  Ähren  in  einem  Stern"  des 
Architekten  Sylvester  Payzderski  in  Berlin-Friedenau,  so- 
wie der  Entwurf  mit  dem  Kennworte  „Suum  cuique"  des 
cand.  ing.  J.  Troll  in  Danzig-Langfuhr. 

Da  es  sich  ausdrücklich  nur  um  die  Gewinnung  von 
Vorbildern  für  die  Aufstellung  eines  Bebauungsplanes  han- 
delte, hatte  das  Programm  der  Phantasie  der  Bewerber  einen 


weiten  Spielraum  gelassen.  Es  war  im  wesentlichen  nur 
folgendes  gesagt:  „Das  Gelände  ist  ein  welliges  und  steigt 
hauptsächlich  nach  Süden  zu  an.  Aus  den  in  den  Plänen 
verzeichneten  Schichtlinien  ist  die  Geländegestaltung  mit 
hinreichender  Genauigkeit  zu  ersehen.  Bei  der  Bebauung 
des  zu  erschließenden  Geländes  von  rd  300  ha  wird  es  sich 
hauptsächlich  um  Wohnhäuser  und  im  geringeren  Umfange 
um  Wohn-  und  Geschäftshäuser  handeln.  Das  Gelände 
zwischen  der  Alt-Jäschwitzer  Straße  und  dem  Eckersdorfer 
Wege,  unter  Umständen  auch  noch  über  diesen  nach  Westen 
hinaus,  wird  zweckmäßig  Ein-  und  Zweifamilienhäusern  vor- 
zubehalten sein.  Die  ersten  derartigen  Bauten  stehen  bereits 
an  der  Alt-Jäschwitzer  Straße,  an  der  Löwenberger  Chaussee 
und  am  Neuen  Breslauer  Wege.  An  letzterem  ist  für  die 
sogenannte  Landhausgruppe  „Südpark"  ein  Bebauungsplan 
von  dem  Grundstücksbesitzer  aufgestellt  worden,  der  aber 
auch  ganz  umgestaltet  werden  kann.  Auch  im  übrigen 
steht  es  den  Bewerbern  frei,  die  Einteilung  nach  den  ver- 
schiedenen Bebauungsarten  völlig  selbständig  vorzunehmen. 
Ebenso  ist  es  ihnen  unbenommen,  zur  Beschaffung  neuer 
Verkehrswege  nach  der  Mitte  der  Stadt  vorhandene  Straßen 
zu  erweitern  oder  neue  vorzuschlagen.  Die  das  Gelände 
durchschneidenden  Chausseen  und  öffentlichen  Wege  sind 
in    das    zu    entwerfende    Straßennetz    einzubeziehen.      Die 


61 


DER  STÄDTEBAU 


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öffentlichen  Wege  mit  Ausnahme  der  Chausseen  können 
zwar  in  ihrer  Lage  so  weit  geändert  werden,  als  ihr  be- 
sonderer Zweck  und  ihre  organische  Verbindung  mit  den 
außerhalb  des  zu  bearbeitenden  Gebietes  liegenden  Ver- 
kehrsadern keine  Einbuße  erleiden;  jedoch  ist  tunlichst  auf 
zweckentsprechende  Eingliederung  der  vorhandenen  Wege 
in  das  neue  Straßennetz  zu  achten  und  namentlich  die 
Schaffung  möglichst  bequemer  und  unmittelbarer  Verbin- 
dungen, auch  der  entlegeneren  Teile  des  aufzuschließenden 
Geländes  mit  der  bebauten  Stadt  anzustreben." 

Darüber  hinaus  waren  aber  noch  gewisse,  sich  aus  der 
Aufgabe  von  selbst  ergebende  Forderungen  zu  beachten,  die 
hauptsächlich  dairin  gipfelten,  daß  eine  im  Besitze  der  Stadt 
befindliche  Wiese  zwischen  der  Löwenberger  Straße  und 
dem  Neuen  Breslauer  Wege  sowie  der  mit  schönen  Bäumen 
bestandene  Schützengarten  möglichst  von  der  Bebauung 
freigehalten  werden  müssen.  Weil  im  Entwurf  „Bunzlau 
vor  den  Toren"  dies  beachtet  worden  ist,  haben  die  Ver- 
fasser einen  Vorsprung  vor  dem  sonst  hart  mit  ihnen  um 
die  Palme  ringenden  Münchener  Meister  gewonnen. 

Zur  Erläuterung  des  Entwurfes  ist  nun  nicht  mehr  viel  zu 
sagen.  In  den  Wohngebieten  haben  die  Verfasser  nach  Aus- 
scheidung von  rd.  60  ha  für  bereits  bebaute  Flächen,  die  ver- 


bleibenden 240  ha  für  Niederlassungen  der  Industrie  und  für  die 
Anlage  von  Friedhöfen  derart  aufgeteilt,  daß  60  "/o  der  Bevölke- 
rung in  Mietshäusern,  30 "o  in  niedrigen  Reihenhäusern  und 
10  "ü  in  freistehenden  Einfamilienhäusern  untergebracht  wer- 
den können,  und  zwar  mit  130  Einwohnern  auf  1  ha.  Diese 
Bebauung  würde  200  ha  in  Anspruch  nehmen  mit  rd.  32000 
Einwohnern,  während  30  ha  von  der  Bebauung  freizuhalten 
und  weitere  10  ha  besonderen  Zwecken  vorzubehalten  wären. 

In  der  Annahme,  daß  für  's  der  Bevölkerung  Volksschulen 
und  für  \/u  höhere  Schulen  notwendig  sind,  haben  die  Verfasser 
4  Volksschulen  (für  4000  Kinder)  und  2  Bürgerschulen  bzw. 
1  Realschule  und  1  Gymnasium  oder  Realgymnasium  (für  im 
ganzen  2300  Kinder),  dazu  1  Fachschule  und  1  Handwerker- 
schule auf  das  Gebiet  verteilt.  Dazu  kommen  2  evangelische 
und  1  katholische  Kirche,  ferner  1  Museum,  1  Stadthalle, 
1  Theater,  1  Markthalle,  1  Badeanstalt,  verschiedene  Ver- 
waltungsgebäude, im  ganzen  also  eine  sehr  reichliche  An- 
zahl öffentlicher  Gebäude,  zumal  wenn  man  bedenkt,  daß 
die  Stadt  bereits  Theater  und  Museum  besitzt. 

Das  allgemeine  Plansystem  beruht  darauf,  drei  ge- 
schlossen behandelte  Gebiete  zu  unterscheiden,  die  als  Be- 
schäftigungs-.  Wohn-  und  gemeinnützige  Gebiete  bezeichnet 
und   untereinander  durch  große   Hauptzüge   in  Verbindung 


62 


DER  STÄDTEBAU 


gebracht  werden  sollen.  Innerhalb  dieser  Gebiete  selbst 
wurde  im  Plane  durch  eine  bewußte  und  zweckentsprechende 
Anordnung  gemeinsamer  öffentlicher  Einrichtungen  eine 
rhythmische  Gliederung  des  GesamtorganismusJ  erstrebt  und 
dadurch  eine  Vorherrschaft  großzügiger  Platzgruppen  er- 
reicht, welche  als  Mittelpunkte  städtischer  Kultur  den  Aus- 
druck städtischer  Gemeinschaft  bilden  sollen. 

Im  übrigen  wurde  die  offene  Bauweise  an  die  Berghänge 
verwiesen,  weil  diese  für  die  geschlossene  Bebauung  nicht 
genug  Durchlüftung  geben,  der  offeneren  aber  gerade  guten 
Wetterschutz  verleihen.  Besonders  die  nach  Südosten  und 
Südwesten  abfallenden  Hänge,  die  einerseits  eine  reizende 
Aussicht  auf  die  südliche  Waldlandschaft,  andererseits  einen 
guten  Ausblick  auf  die  gegenüberliegenden  Hänge  bzw.  die 
Oberstadt  bieten,  wurden  zu  vornehmeren  Landhaussiede- 
lungen bestimmt,  während  der  im  Süden  liegende  niedrigere 
Höhenzug  und  die  nach  Nordwesten  abfallenden  Hänge  im 
Südwesten  der  Stadt  vorzugsweise  mit  ein-  bis  zwei- 
geschossigem Reihenbau  bzw.  Gruppenbau  besetzt  werden 
sollen,  die  den  Ausblick  auf  die  von  der  Bebauung  freizuhalten- 
den Flußniederungen  mit  ihren  Wiesen  und  den  Sportpark 
genießen.  Durch  die  horizontale  Schichtung  der  Reihenhäuser 
sollen  die  großen  Massen  der  Oberstadt  gewissermaßen  unter- 
baut werden,  die  Höhen  aber  ihrer  durchlüftbaren  Lage  wegen 
mit  dem  gedrängten  Bau  der  Miethäuser  besetzt  werden,  wo- 


bei man  bei  der  Führung  der  Straßen  auf  möglichste  Zug- 
freiheit achtete.  Die  Täler  dienen  dann  einerseits  als  Luft- 
kanäle für  die  inneren  Stadtteile  und  andererseits  dazu,  die 
Bevölkerung  der  inneren  Stadt  ins  Freie  zu  befördern,  ohne 
die  Bebauung  zu  berühren. 

Durch  diese  von  praktischen  Erwägungen  geleiteten  An- 
nahmen wird  erreicht,  daß  sich  der  Übergang  von  der  flachen 
Landschaft  in  das  dreigeschossige  Baugebiet  zwanglos  ergibt, 
wobei  noch  besonders  in  besonderer  anmutiger  Weise  die 
Mischung  der  offeneren  Bauweise  mit  Gärten  und  deren  Baum- 
bestand versöhnlich  in  die  Oberstadt  überleitet.  In  das  Südtal 
sollen  noch  einige  Landhäuser  und  die  Stadthalle  herunter- 
gezogen werden,  um  die  sonst  freibleibende  Grünfläche  der 
Talsohle  organisch  mit  der  Bebauung  zu  verbinden. 

Zur  Trennung  der  verschiedenen  hohen  Bauweise  wurde, 
in  der  Erkenntnis  der  schlechten  Wirkung,  wenn  in  einer 
Normalstraße  rechts  eine  12,  links  eine  5  m  hohe  Gebäude- 
reihe steht,  ein  System  von  Gürteln  um  die  einzelnen 
verschieden  hohen  Baugebiete  geschlungen.  Diese  Gürtel 
bestehen  aus  einer  baumbestandenen  Parkstraße  bzw.  Auen, 
welche  dem  Beschauer  das  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit 
der  Straßenwände  verlieren  lassen. 

Der  Entwurf  enthält  somit  eine  Anzahl  neuer  Gedanken ;  die 
der  Örtlichkeit  wohl  entsprechen ;  möge  es  der  Stadtgemeinde 
gelingen,  recht  viele  davon  in  die  Wirklichkeit  zu  übersetzen. 


DER  RECHTE  STADTBAURAT. 


Von  THEODOR  GOECKE,  Berlin. 


Vor  kurzem  besuchte  ich  ein  Städtchen  am  Harz,  ein 
nicht  eben  allzugroßes  von  rund  29000  Einwohnern,  das  vor 
etwa  100  Jahren  kaum  9000  hatte.  Seitdem  hat  es  sich 
nach  allen  Seiten  hin  ausgedehnt  und  den  Gürtel  der  Stadt- 
mauer an  vielen  Stellen  gesprengt;  den  früheren  Stadt- 
graben durchschlängeln  jetzt  grün  eingefaßte  Spazierwege. 
Die  vor  den  Toren  angesiedelte  Industrie  hat  ihre  Aus- 
läufer in  die  alte  Stadt  entsendet  und  mit  ihrem  Gefolge 
die  frühere  Einheitlichkeit  des  Stadtbildes  durchbrochen. 
Neue  Bedürfnisse  brachten  neue  Bauten  von  mehr  oder 
weniger,  meist  geringem  Geschmack.  So  ist  es  vielen 
unserer  alten  Städte  gegangen  in  der  neuen  Zeit  —  damit 
muß  man  sich  abfinden.  W^ir  können  nicht  verlangen,  daß 
sie  um  der  Kunstfreunde  willen  in  ihrer  Märchenschönheit 
weiter  träumen,  wenn  sie  leben  und  den  Anforderungen  des 
Lebens  gerecht  werden,  auf  der  Höhe  des  Lebens  bleiben 
wollen.  Es  handelt  sich  nur  um  das  liebe  W^ie  ? !  Darüber 
belehrt  uns  in  trefflicher  Weise  ein  Rundgang  durch  jene 
Harzstadt. 

Überall  sieht  man  dort  die  Spuren  einer  ordnenden 
Hand,  die  überlieferte  Schönheiten  vor  Verfall  oder  Unter- 
gang schützt.  Verwahrlostes  liebevoll  wieder  aufrichten  hilft, 
bei  notwendigen  Veränderungen  mit  Rat  und  Tat  einspringt, 
mit  Neubauten  selbst  wohl  vorbildlich  zu  wirken  sucht  und 
Verunstaltungen,  die  der  Niedergang  der  Kunst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  z.  B.  durch  Schulbauten  und 
andere  öffentliche  Gebäude  mit  sich  gebracht  hat,  durch 
Ergänzungen,  einrahmende  und  verdeckende  Zutaten  zu 
mildern  versteht,  die  für  die  Aufstellung  von  Brunnen,  Ruhe- 
sitzen,  Musikhallen  und   allerlei  Bildwerk  zum  Schmucke 


der  Stadt  sorgt,  endlich  die  Stadtgemeinde  zu  Opfern  bereit 
macht,  wenn  es  z.  B.  die  Bereicherung  eines  Bauwerkes 
um  einen  Erker  an  bedeutsamer  Stelle  gilt. 

Diese  Hand  ist  die  des  Stadtbaurats,  der  an  seiner  Stadt 
herumbastelt  und  feilt,  natürlich  nicht  allein,  sondern  mit 
Hilfe  von  Künstlern,  unter  denen  sich  klangvolle  Namen 
befinden,  aber  doch  als  der  leitende  Geist,  der  den  richtigen 
Mann  an  die  rechte  Stelle  zu  bringen  weiß  und  damit  sich 
selbst  als  den  rechten  Mann  für  seine  Stelle  erweist,  wenn 
auch  sein  Wirken  süddeutschen  Einschlag  zeigt  —  damit 
hat  er  ein  frisches  Ferment  in  den  alten  Sauerteig  gebracht! 
Höchstwahrscheinlich,  ja  mit  Sicherheit  ist  wohl  anzu- 
nehmen, daß  er  von  den  Stadtvätern  in  diesem  Tun  ein- 
sichtsvoll unterstützt  wird,  insbesondere  auch  wohl  im 
Oberhaupt  der  Stadt  einen  mächtigen  Förderer  besitzt.  Es 
bleibt  genug  Verdienst  bei  ihm  hängen,  ein  Verdienst,  das 
er  sich  nur  erwerben  kann,  weil  er  selbst  ein  Künstler  ist. 

Doch  ist  er  auch  Beamter,  beamteter  Architekt  in 
einem  Städtchen  von  29000  Einwohnern!  —  In  der  immer 
weitergehenden  Vermehrung  früher  nur  in  größeren  Städten 
angestellter  Baubeamten  glaubt  aber  der  Bund  Deutscher 
Architekten  eine  Gefährdung  der  freien  Kunst  und  der  von 
ihr  lebenden  Privatarchitekten  zu  erblicken.  Da  Städtebau 
ohne  ein  entsprechendes  Amt  fast  undenkbar  ist,  werde  ich 
in  folgendem  versuchen,  die  Grenzen  für  die  gedeihliche 
Wirksamkeit  beamteter  Architekten  aufzufinden. 

Schloß-  und  Stadtbaumeister  haben  wir  schon  seit  langem 
gehabt,  auch  schon  zu  einer  Zeit,  die  ein  hochentwickeltes 
Baukunsthandwerk  besaß.  Es  waren  wohl  nicht  Beamte 
im  heutigen  Sinne,  doch  Angestellte  für  eine  bestimmte  Zeit 


63 


DER  STÄDTEBAU 


oder  Aufgabe  mit  sicherem  Einkommen,  das  ihnen  die  Muße 
zum  künstierischen  Schaffen  ließ  —  gleichviel  ob  dies  Ein- 
kommen als  festes  Gehalt  mit  oder  ohne  Anspruch  auf 
einen  Ruhesold  oder  als  Entschädigung  von  Fall  zu  Fall 
verbürgt  wurde ;  all  dies  ist  nebensächlich.  Die  Hauptsache 
ist,  daß  es  Künstler  waren,  die  gemeinhin  auch  den  Wasser- 
und  Festungsbau  beherrschten,  also  Architekten  und  In- 
genieure zugleich,  oder  Ingenieure  mit  Künstleraugen.  Erst 
die  notwendige  Teilung  der  Arbeit  im  Maschinenzeitalter 
hat  uns  den  modernen  Ingenieur,  den  Tiefbaumeister  ge- 
bracht, dem  die  wichtige  Aufgabe  zufiel,  die  Lehren  öffent- 
licher Gesundheitspflege  anzuwenden.  Dies  war  ein  Fort- 
schritt, bei  dem  man  aber  vergaß,  daß  auch  Straßenanlagen, 
Rieselfelder  und  Wassertürme  mit  Künstleraugen  angesehen 
werden  müssen,  wenn  sie  nicht  verunstaltend  wirken  sollen. 
Da  zugleich  das  früher  mit  der  Baukunst  verbundene  Bau- 
gewerk  nur  Handwerk,  nur  Geschäft  geworden  und  das 
Handwerk  in  seinen  überlieferten  Grundlagen  durch  das 
Eindringen  der  Maschinenarbeit  und  die  Überschüttung  mit 
allen  möglichen  neuen,  oft  unerprobten  Bauhilfsmitteln  er- 
schüttert worden  ist,  können  wir  uns  über  die  als  Verun- 
staltung von  Stadt  und  Land  viel  beklagten  Zustände  nicht 
wundern.     Es  fehlt  eben  die  künstlerische  Leitung. 

Allerdings  ist  der  beamtete  Künstler  vielfach  wirklicher 
Beamter  geworden.  Bei  den  absoluten  Fürsten,  in  den 
Stadtrepubliken  konnte  das  Amt  sich  durch  die  Person 
seines  Trägers  unmittelbar  zur  Geltung  bringen.  Beim 
staatlichen  und  städtischen  Parlamentarismus  ist  die  Ver- 
antwortlichkeit auf  bestimmte  politische  Persönlichkeiten 
gesammelt.  Diesen  gegenüber  das  Amt  zu  behaupten,  war 
die  festere  Einordnung  in  das  Beamtentum  notwendig  — 
der  Gleichberechtigung  mit  anderen  Beamtenkategorien 
wegen.  Die  Städte  insbesondere  brauchen  derartige  Beamte, 
behelfen  sich  anfangs  fast  stets  von  Fall  zu  Fall  mit  Privat- 
architekten, sofern  solche  überhaupt  zur  Verfügung  stehen. 
Wo  dies  aber  wie  in  kleinen  Städten  und  fast  im  ganzen 
Osten  des  Deutschen  Reiches  nicht  der  Fall  ist,  oder  wenn 
die  Stadt  schnell  wächst  wie  in  den  Industriegegenden,  wird 
fast  immer  ein  Zeitpunkt  eintreten,  zu  dem  die  Gemeinde 
glaubt,  einen  Techniker  dauernd  einstellen  zu  müssen,  zum 
ersten,  um  einen  solchen  ständig  zur  Hand  zu  haben,  zum 
anderen,  weil  technische  Verwaltung  —  und  ohne  eine  solche 
ist  fast  keine  moderne  Stadt  mehr!  —  nach  einem  technischen 
Leiter  verlangt,  zum  dritten,  weil  die  Gemeinden  nun  ein- 
mal meinen,  dabei  billiger  zu  fahren. 

Jedenfalls  schaffen  nicht  die  Techniker  neue  Beamten- 
stellen, sondern  die  Gemeinden.  Um  beurteilen  zu  können, 
ob  und  inwieweit  dies  notwenig  ist,  können  die  freien 
Architekten  nicht  dringend  genug  ermahnt  werden,  sich 
mehr  um  Gemeindeangelegenheiten  zu  bekümmern,  als  es 
zum  Teil  noch  im  großen  und  ganzen  geschieht.  Soviel 
steht  aber  fest,  daß  viele  von  denen,  die  bereits  in  Gemeinde- 
behörden sitzen,  sei  es  als  Stadtverordnete  oder  ehrenamt- 
liche Stadträte,  sich  schon  längst  davon  überzeugt  haben, 
daß  es  nun  einmal  ohne  Baubeamte  nicht  geht,  ja  daß 
solche,  gerade  wenn  man  wünscht,  die  Privatarchitekten 
auch  zu  den  öffentlichen  Bauaufgaben  in  größerem  Umfange 
heranzuziehen,  schon  als  vermittelnde  und  die  Aufträge, 
Wettbewerbe  usw.  vorbereitende  Gemeindeorgane  unent- 
behrlich sind. 

Der  Baubeamte  soll  gar  nicht  alles  selber  machen,  nur 
so  viel  als  nötig  ist,   um  selbst  in  Übung  zu  bleiben,   denn 


ohne  fortgesetzte  Übung  gibt's  keine  Kunst.  Der  Stadtbaurat 
muß  aber  ein  Künstler  sein!  Er  muß  auch  Gehilfen  haben, 
die  —  dies  geht  nun  einmal  in  einer  Verwaltung  nicht 
anders  —  fest  anzustellen  sind,  doch  nur  so  viele,  als  dauernd 
voll  beschäftigt  werden  können,  die  übrigen  je  nach  Bedarf 
vorübergehend.  Hierin  geschieht  nach  meiner  Erfahrung 
mit  wenigen  Ausnahmen  eher  zu  wenig  als  zu  viel.  Der 
Stadtbaurat  ist  fast  stets  der  am  meisten  mit  Arbeit  geplagte 
Mann  der  Stadtverwaltung.  Andererseits  sind  auch  die  Privat- 
architekten nicht  immer  in  der  Lage,  ihre  Gehilfen  je  nach 
dem  Umfange  ihrer  Tätigkeit  gleich  vermehren  oder  ver- 
mindern zu  können ;  auch  bei  ihnen  muß  zuweilen  manch 
einer  in  mageren  Zeiten  mit  durchgefüttert  werden.  Wenn 
aber  auch  in  einzelnen  Ämtern  die  Neigung  nach  einer  über 
das  unerläßlich  notwendige  Maß  hinausgehende  Beamten- 
vermehrung hindrängen  sollte,  so  kann  immer  noch  nicht  die 
Frage  so  gestellt  werden,  ob  beamtete  oder  freie  Architekten 
zur  Erfüllung  städtischer  Bauaufgaben  den  Vorzug  verdienen  ? ! 
Es  werden  beide  gebraucht,  so  daß  es  nur  auf  eine  vernünftige 
Abgrenzung  derbeiderseitigen  Arbeitsgebiete  ankommen  kann. 
Besonders  trifft  dies  für  den  Städtebau  zu.  Es  liegt  in  der 
Natur  der  Sache,  daß  der  Stadtbaurat  in  erster  Linie  berufen 
ist,  die  Stadt  auszubauen,  zu  erweitern.  Durch  seine  Hand 
muß  alles  gehen,  was  mit  dem  Bauen  in  der  Stadt  zusammen- 
hängt, insbesondere  auch  ein  jedes  Baugesuch,  das  daraufhin 
zu  prüfen  ist,  ob  und  wie  sich  der  geplante  Bau  der  Straße, 
der  Landschaft  einfügt.  Der  Privatarchitekt  ist  verantwortlich 
für  jedes  einzelne  Bauwerk,  der  Stadtbaurat  aber  für  die  ganze 
bauliche  Erscheinung  der  Stadt,  deren  Gesamtbild  er  allein 
im  Kopfe  hat  oder  wenigstens  im  Kopfe  haben  sollte! 

Wohl  kann  auch  der  Privatarchitekt  einen  Bebauungs- 
plan, einen  Teilplan  so  gut  wie  einen  großzügigen  Gesamt- 
plan aufstellen,  doch  wird  er  ihn  in  den  allerseltensten 
Fällen  auch  verwirklichen  können.  Meist  geht  darüber  eine 
lange  Zeit,  oft  ein  Menschenalter  hin,  teils  weil  die  Gemeinde 
die  Geldmittel  auf  viele  Jahre  verteilen,  die  Straßenbaukosten 
von  den  Anliegern  erst  einziehen  muß,  teils  weil  die  Be- 
bauung langsamer  vorrückt,  als  man  gedacht  hatte,  beson- 
dere Umstände  sich  als  Hemmnisse  erwiesen  haben,  z.  B. 
allzu  hohe  Forderungen,  schwierige  Enteignungen,  not- 
wendige Umlegungen,  unvorhergesehene  Änderungen  und 
neue  Bauten  von  Brücken,  Rampen,  Kaimauern  usw. 

Dann  müssen  auch  zur  Durchführung  des  Planes  oft 
von  langer  Hand  oder  ganz  im  geheimen  Vorbereitungen 
getroffen  werden,  die  eben  nur  ein  mitten  in  der  Sache 
stehender,  sich  dauernd  damit  beschäftigender  Mann  treffen 
kann.  Ja  schon  bei  Entstehung  des  Planes  müssen  oft 
Möglichkeiten  erwogen,  zufällige  Gelegenheiten  wahr- 
genommen, Häuser  und  Grundstücke  erworben  werden. 
Welche  Geduld,  welche  Kleinarbeit  dazu  gehört,  mag  sich 
jeder  ausmalen  —  für  den  Privatarchitekten  wäre  dies  fast 
unbezahlbarer  Zeitverlust!  Der  Stadtbaurat  erhält  sein  Gehalt 
aber  auch  gerade  für  derartige,  meist  nicht  genug  gewürdigte 
Mühen.  Dazu  gehören  erstklassige  Leute,  die  demzufolge  auch 
immer  selbst  etwas  müssen  schaffen  können,  wenn  sie  auf 
der  Höhe  bleiben  sollen;  vielleicht  mag  darin,  daß  viele  alles 
selber  machen  wollen,  was  die  Stadt  an  Bauaufgaben  bietet, 
öfter  gefehlt  worden  sein.  Auch  darin  ist  gefehlt  worden, 
daß  man  aus  falsch  verstandener  Sparsamkeit  die  Ingenieure 
mit  künstlerischen  Aufgaben  betraut  hat.  Der  Ingenieur 
ist  immer  „Spezialist",  während  der  Architekt  als  Städte- 
baukünstler stets  das  allgemeine  Wohl  zu  vertreten  hat. 


«4 


DER  STÄDTEBAU 


DER  STADTPLAN  VON  BRÜGGE 

IM.     16.    JAHRHUNDERT.       merzu  Doppeltafel  34/35. 


Von   CORNELIUS   GURLITT.   Dresden. 

Wer  das  Werden  einer  mittelalterlichen  Großstadt  kennen 
lernen  will,  dem  empfehle  ich  das  Studium  von  Brügge.  Der 
Grund,  warum  hier  städtebaulich  mancherlei-  alte  Anlagen 
deutlicher  sich  erkennen  lassen  als  an  anderen  Plätzen,  ist 
freilich  ein  mißlicher:  er  liegt  nämlich  in  dem  starken  Rück- 
gang, den  die  Stadt  seit  dem  16.  Jahrhundert  erfuhr,  in  dem 
Stillstande,  der  erst  in  der  jüngsten  Zeit  seit  dem  Bau  des 
neuen  Wasserweges  zur  Nordsee  sein  Ende  erreichte.  So 
kommt  es,  daß  Brügge  so  manche  alte  Zustände  erhielt, 
die  andere  Städte  im  Laufe  ihrer  Entwicklung  änderten. 
Kaum  gibt  es  eine  zweite  Stadt,  in  deren  W^ohnhausbauten 
noch  in  gleichem  Maße  die  Gotik  vorherrscht.  Dazu 
kommen  noch  andere  für  das  Studium  günstige  Bedingungen. 
Zunächst  eine,  die  zu  verwerten  nicht  möglich  war,  nämlich 
das  Vorhandensein  eines  reichen  städtischen  Archivs. 
Dann  literarische  Quellen.  Ein  Geograph  des  16.  Jahr- 
hunderts, JWark  Gheeraert,  schuf  1562  eine  Vogelschau 
der  Stadt,  die  neuerdings  in  einer  guten  Kopie  erschienen 
ist  (Lithographie  von  Aug.  Ancot,  Brügge).  Sie  besteht  aus 
12  Blatt  von  zusammen  99  cm  Höhe  und  2,2  m  Breite, 
wetteifert  also  mit  der  berühmten  Vogelschau  von  Venedig. 
Dabei  ist  sie  von  bewunderungswürdiger  Treue  nicht  nur 
hinsichtlich  der  Gesamtanlage  der  Stadt,  sondern  auch  in 
den  Einzelheiten.  Das  letzte  Häuschen  ist  nach  der  Natur 
eingezeichnet.  An  zahlreichen  noch  erhaltenen  Bauten  läßt 
sich  die  Zuverlässigkeit  Gheeraerts  nachweisen.  Man  ge- 
langt durch  solche  Untersuchungen  zu  dem  unbedingtesten 
Vertrauen.  Dazu  hat  der  jetzige  Ingenieur  Directeur  des 
travaux  communaux  C.  Salmon  1904 — 1907  die  Stadt  neu 
vermessen  und  im  Maßstab  von  1 :  500  auftragen  lassen.  Nach 
dieser  Vermessung  ist  ein  im  Handel  befindlicher  Generalplan 
im  Maßstab  von  1  :  2500  hergestellt  und  von  der  Stadt  heraus- 
gegeben worden.  Durch  gütige  Vermittlung  des  Bürgermeisters 
von  Brügge,  Vicomte  Visart  de  Bocarme,  sind  mir  aber 
auch  die  Originalpläne  zugänglich  gemacht  worden.  Diese 
Unterlage  gab  mir  die  Möglichkeit,  die  alten  Zustände  Brügges 
zu  rekonstruieren,  indem  ich  Gheeraerts  Vogelschau  auf  den 
modernen  Plan  übertrug.  Es  dürfte  somit  ein  zuverlässiger 
Plan  des  Brügge,  wie  es  1562  stand,  erreicht  sein. 

Manche  weiteren  Quellen  kommen  hinzu.  So  die 
Folianten,  in  denen  Antonius  Sanderus  Brügge  in 
seinem  Werke  Flandria  illustrata  schildert.  Ich  benutzte 
die  Ausgabe  von  1732.  Und  als  neueste  Bereicherung  das 
Werk,  das  der  Brügger  Canonicus  Ad.  Duclos  herausgab: 
Bruges,  Histoire  et  Souvenii-s  (Brügge,  Vyvere-Petyt 
1910),  eine  Arbeit  von  unendlichem  Fleiß,  mit  einer  Fülle 
von  Stoff  und  Einzelforschungen,  freilich  aber  auch  ein 
wegen  seiner  Unübersichtlichkeit  nicht  eben  bequemes 
Studienfeld.  Dem  Verfasser  habe  ich  auch  für  manche 
persönliche  Förderung  und  Belehrung  zu  danken.  Nicht 
unerwähnt  möchte  ich  das  Buch  von  Rudolf  Häpke  über 
„Brügges  Entwicklung  zum  mittelalterlichen  Weltmarkt" 
lassen  (Berlin,  Curtius  1908),  das  die  Handelsgeschichte  der 
Stadt  in  übersichtlicher  Form  darstellt. 


Hier  ist  nur  auf  die  Hauptmomente  der  städtischen  Ent- 
wicklung hinzuweisen.  Ihren  Ursprung  dankt  Brügge  der 
Brücke  am  Wasserarm  Dyver,  das  heißt  einem  Staden, 
an  dem  die  Schiffe  anlegen  konnten.  Unser  Plan  zeigt  die 
Stelle  an :  Noch  heute  heißt  die  etwa  100  m  vom  Wasserarm 
sich  hinziehende  Straße  „Oudenburg",  die  Alte  Burg.  Etwa 
wie  in  Danzig  bestehen  die  Straßen  des  ältesten  Stadtteiles  in 
Zugängen,  die  rechtwinklig  auf  die  Brücke  zuführen.  Noch 
1562  standen  an  der  Oudenburg  zumeist  bescheidene  Bauten: 
Die  Aufteilung  des  Geländes  scheint  so  erfolgt  zu  sein,  daß 
die  Grundstücke  die  ganze  Tiefe  der  Stadt  einnahmen  und 
zwischen  zwei  von  der  Oudenburg  abzweigenden  Straßen 
deren  je  zwei  angeordnet  wurden. 

Die  Anlage  einer  „Brücke"  an  dieser  Stelle  hatte  ihren 
Grund  darin,  daß  die  Seefahrt  hier  besonders  tief  nach 
innen  vordringen  konnte.  Zwischen  dem  neuen  Brügge 
und  den  Außendünen  lag  ein  Gelände,  das  erst  in  histo- 
rischer Zeit  dem  Meere  völlig  abgerungen  wurde.  Häpke 
gibt  eine  Karte  aus  dem  16.,  Sanderus  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert, die  uns  lehren,  wie  rasch  diese  Umgestaltung  des 
ganzen  Landes  fortschritt.  Die  Zufahrt  geschah  von  Nord- 
osten her,  von  dem  tief  ins  Land  einschneidenden  Meeres- 
arm Swin,  an  Sluis  und  Damm  vorbei.  Die  größeren 
Schiffe  mußten  schon  im  13.  Jahrhundert  in  Sluis  vor  Anker 
gehen.  Trotz  aller  Arbeit  gelang  es  nicht,  für  sie  die 
„Dammesche  Fahrt"  offen  zu  halten.  Auf  Schuten  und 
Leichtern  wurden  die  W^aren  dem  Brügger  Markte  zugeführt. 
Es  entstand  neben  der  alten  Burg  eine  neue,  die  heute  kurz- 
weg Burg  heißt,  „le  bourg"  im  Französischen.  Dies  wurde 
der  Sitz  der  Landesverwaltung:  Hier  stand  die  Kathedrale 
St.  Donatian,  die  in  der  Revolutionszeit  abgebrochen  wurde, 
hier  stand  der  „Steen"  der  Landesfürsten,  die  Kapelle  für 
das  vornehmste  Heiligtum,  das  heilige  Blut,  das  Stadthaus 
der  Bürgerschaft  und  der  „Vrije"  der  Landgemeinden  um 
einen  mittleren  Platz,  einst  auch  der  Mittelpunkt  künstle- 
rischer Profanarchitektur,  heute  noch  trotz  Abbruch,  Wieder- 
herstellungen und  Umbauten  eines  der  köstlichsten  Stadt- 
bilder. Die  Geschlossenheit  des  Platzes  war  schon  dadurch 
unbedingt  gewahrt,  als  die  Bauten  sich  nach  außen  auf  die 
Ummauerung  stützten,  die,  von  nassen  Gräben  umgeben, 
nur  an  zwei  Stellen  durch  Brücken  und  Tore  zugänglich 
war.  Erst  die  Umbauten  an  der  Donatiankirche  im  14.  Jahr- 
hundert scheinen  die  Beseitigung  des  Grabens  an  der  Nord- 
und  Nordwestseite  herbeigeführt  zu  haben. 

Nördlich  von  der  Burg  entstand  die  zweite  Bürgerstadt, 
deren  Ausdehnung  heute  noch  durch  die  sie  umgebenden 
Gräben  erkennbar  ist:  Sie  blieb  einer  der  wichtigsten  Schwer- 
punkte für  den  Handel.  Der  westliche  Arm  des  Grabens  ist 
die  Reye.  Vom  Dyver  gelangten  die  Schiffe  unmittelbar  in 
diese.  Sie  gab  den  Anlaß  zu  einer  Anzahl  hervorragender 
für  den  Handel  bestimmter  Bauten.  Zwar  war  1562  der 
Wasserarm  schon  teilweise  zugeschüttet,  doch  erkennt  man 
deutlich  seinen  Verlauf.  So  hinter  der  um  1285  erbauten 
Wasserhalle,    die    1786    abgebrochen   wurde.     Dieser   etwa 


66 


DER  STÄDTEBAU 


32 :  90  m  messende,  zweigeschossige  Bau,  inMen^von  rück- 
wärts unmittelbar  aus  den  Schiffen  verladen  werden  konnte, 
diente  dem  Tuchhandel.  Nicht  weit  davon,  um  1240  begonnen, 
steht  noch  heute  die  Alte  Halle,  jetzt  kurzweg  Halle  genannt, 
ein  unregelmäßiges,  um  einen  Hof  gelagertes  Rechteck,  ur- 
sprünglich von  zwei  Geschossen.  Der  Lagerraum  für 
Handelswaren  betrug  in  der  Alten  Halle  etwa  4200,  in  der 
Wasserhalle  etwa  5500  qm ;  er  stand  bei  einer  Gesamtfläche 
von  fast  10000  qm  einer  modernen  Ausstellung  nicht  nach. 
Das  Verhältnis  dieser  Bauten  zum  Markt  ist  beachtenswert. 
Dieser  entstand  vor  den  Toren  der  alten  und  neuen  Burg 
auf  einer  Düne,  die  etwa  3 — 4  m  über  der  Wasserfläche  der 
Kanäle  liegt.  Die  verschobene  Form  der  Alten  Halle,  die 
unregelmäßige  Einmündung  der  Straßen  weist  darauf,  daß 
nicht  der  Markt  vor  den  beiden  Hallen,  sondern  die  Hallen 
auf  dem  Markte  entstanden :  also  nicht  ein  geplanter,  sondern 
ein  gewordener  Platz,  bedingt  durch  die  Anforderungen  des 
Handels.  Der  Markt  selbst  mit  seinem  Flächeninhalt  von 
immerhin  noch  10000  qm  diente  diesem.  War  doch  Brügge 
seit  dem  12.  Jahrhundert  zum  Mittelpunkt  namentlich  des 
Wollehandels  von  ganz  Europa  geworden,  so  daß  bald  alle 
handeltreibenden  Völker  sich  hier  eigene  Häuser  errichteten. 
So  die  Deutschen  (Oosterlinge),  die  Engländer,  Biskayer, 
Schotten,  Florentiner,  Venediger,  Genuesen,  Spanier,  Por- 
tugiesen. 

Der  Aufschwung  zwang  um  1127  zu  neuen  Stadt- 
erweiterungen. Der  Hauptmarkt  lag  bisher  außerhalb  der  Stadt. 
Nun  bezog  man  ihn  und  ein  weites  nach  Westen  und  Süden 
sich  erstreckendes  Gebiet  in  die  Stadt  ein.  Die  Mauern,  die 
hier  aufgeführt  wurden,  standen  teilweise  noch  zu  Gheeraerts 
Zeiten ;    der  Graben  hat  sich  heute  noch  erhalten. 

Lag  in  dieser  Umgestaltung  schon  ein  großer  Fort- 
schritt, indem  die  heranwachsenden  Pfarrkirchen  St.  Salvator 
und  „Unsere  Lieben  Frauen"  nun  in  die  Ummauerung 
hineingezogen  wurden,  so  entsprach  es  auch  der  wachsen- 
den Bedeutung  der  Stadt,  deren  Umkreis  auf  etwa  3,7  km 
Länge  gebracht  wurde,  während  er  vorher  nur  1,35  km  maß. 

Eine  weitere  Ausdehnung  erfuhr  die  Stadt  um  1300. 
Nun  wurde  sie  zu  einem  ziemlich  regelmäßigen  Oval  von 
rund  6,9  km  Umkreis.  Man  warf  einen  doppelten  Graben 
aus,  den  inneren  durchschnittlich  etwa  35  m,  den  äußeren 
30  m  breit,  indem  man  den  Boden  stadtseitig  als  Wall  auf- 
schüttete. Dieser  Wall  diente  den  Windmühlen  als  Standort. 
Die  Wassergleiche  in  den  Kanälen  steht  etwa  5  m  über 
Meeresspiegel,  das  durchschnittene  Gelände  liegt  6 — 7  m 
hoch.  Bei  einer  ursprünglichen  Tiefe  des  Grabens  von  etwa 
3  m  ergibt  dies  eine  Bodenbewegung  von  nahezu  2  Millionen 
Kubikmeter.  Eine  Ummauerung  wurde  nur  etwa  auf  2  km 
Länge  aufgeführt;  dagegen  entstanden  neun  mächtige  Tor- 
burgen, W^erke  von  ebenso  starker  Widerstandskraft  wie 
künstlerischer  Schönheit.  In  all  dem  zeigt  sich  eine  Kraft 
des  Bürgertums,  eine  Großartigkeit  der  städtischen  Organi- 
sation, die  sich  sehr  wohl  mit  dem  Wirken  moderner  Städte 
vergleichen  kann. 

Freilich  erfüllte  die  Stadt  den  gewaltigen  Raum  nicht, 
den  die  Wälle  umschlossen.  Während  im  Innern  viel- 
geschossige  Häuser  sich  dicht  drängten,  war  nun  gegen  die 
W^älle  zu  nach  allen  Seiten  reichlich  Platz  für  Gärten.  Man 
konnte  auch  dem  Freitagsmarkt  eine  Grundfläche  von  etwa 
23000  qm  geben,  also  einen  der  größten  Plätze  des  Mittel- 
alters schaffen  —  auf  dem  jetzt  der  Bahnhof  steht.  Wie 
durch  die  neuen  Wälle  vorstädtische  Pfarreien  in  die  Stadt 


einbezogen  wurden,  so  auch  Landsitze.  Man  sieht  bei 
Gheeraert,  und  daher  auch  auf  meinem  Plane,  solche,  die 
von  Gräben  umzogen  nur  aus  einem  turmartigen  Gebäude 
bestehen;  andere,  die  sich  an  ummauerte  Höfe  legen,  ganz 
ähnlich  den  Landsitzen,  wie  man  sie  auch  jetzt  noch  im 
flachen  Lande  findet.  Die  Anordnung  läßt  deutlich  erkennen, 
daß  sie  einst  in  freiem  Gebiet  standen  und  dort  zur  Ver- 
teidigung eingerichtet  waren.  Nicht  minder  wurden  Klöster 
und  früher  vor  den  Toren  liegende  Krankenhäuser  nun  in 
die  Stadt  eingefügt:  Gebiete  wie  das  der  Eeckhout -Abtei 
und  der  St.  Ägidiusgemeinde  waren  wahrscheinlich  schon 
vor  der  Eingemeindung  durch  Gräben  für  sich  abgeschlossen 
worden.  Es  handelte  sich  also  in  jedem  Fall  der  Stadt- 
erweiterung darum,  schon  im  wesentlichen  erschlossenes 
Bauland  aufzunehmen.  Nur  in  dem  Gebiet  zwischen  Stein- 
hauerdamm und  Minderbrüderkloster  erkennt  man  eine  plan- 
mäßige Aufteilung  der  Grundstücke.  Mithin  erweist  sich 
die  Stadt  auch  überall  als  eine  „gewachsene".  Es  sind  die 
Straßenzüge  fast  durchweg  durch  die  Schritte  der  Wandeln- 
den angelegt,  nicht  geplant,  wie  dies  unverkennbar  von  der 
Umwallung  anzunehmen  ist.  Wenn  also  im  13.  Jahrhundert 
fünfzig  neue  Straßen  gebaut  wurden,  wie  die  Berichte  sagen, 
so  handelte  es  sich  wohl  nur  um  die  Herstellung  der  Straßen- 
decke, nicht  um  die  Auslegung  neuer  Linien,  zum  mindesten 
nicht  von  Hauptlinien. 

Man  kann  somit  auch  sehr  gut  ersehen,  wie  sich  die 
Hauptzugangswege  gestalteten  und  wie  das  Land  zwischen 
diesen  aufgeteilt  wurde. 

Entscheidend  ist  das  Gelände  und  die  aus  diesem  sich 
ergebende  Anlage  der  Befestigung  und  der  Tore.  Von  Gent 
her,  also  von  Südosten,  führt  der  „Alte  Genter  Weg"  in  sehr 
eigenartigen  Krümmungen,  die  ihren  Grund  haben  müssen; 
auch  noch  der  „Neue  Genter  Weg"  weist  nicht  geradezu  auf 
den  Markt.  Beide  vereinigen  sich  mit  dem  Koortrikschen 
Weg  (Katharinenstraße),  ehe  sie  zwischen  Johannishospital 
und  Frauenkirche  die  Stadt  des  12.  Jahrhunderts  betreten. 
Das  Land,  das  diese  Straßen  durchschneiden,  liegt  tief.  Dort 
tritt  auch  der  nach  Gent  führende  Kanal  in  die  Stadt  ein,  sich 
verbreiternd  zu  einem  See,  dem  Minnewater.  Dies  Wort  be- 
deutet wohl  Binnenwasser,  nicht  Liebeswasser;  die  franzö- 
sische Bezeichnung  lac  d'amour  ist  irreführend.  Noch  heißen 
einige  Straßen  nach  der  Marsch,  die  sich  dort  ausdehnte. 
Alte  Schleusen  stauen  das  Minnewater  und  die  Nachbarkanäle 
an,  die  etwa  5,6  m  über  dem  Meeresspiegel  liegen,  während 
die  die  Stadt  durchziehenden  Wasserarme  auf  der  Höhe  von 
4,9 — 4,8  m  liegen.  Am  anderen  Ende  der  Stadt  befindet  sich 
eine  zweite  Schleuse,  unterhalb  der  nach  der  See  führende 
Kanal,  die  Dammesche  Fahrt,  der  auf  4  m  herabfällt.  Von 
Südosten  durch  das  Bouverietor  und  das  Schmiedetor  führen 
die  Zugangswege  etwa  der  gleichen  Stelle  zu,  nämlich  der 
höher  gelegenen,  auf  einem  „Sande",  also  der  alten  Düne 
liegenden  Stadt  des  12.  Jahrhunderts.  Die  Südsandstraße 
und  Nordsandstraße  sowie  die  Steinstraße  sind  die  höchsten 
Erhebungen  der  Stadt,  9 — 10  m  über  Meer.  Dagegen  heißen 
Straßen,  die  an  dem  Stadtgraben  im  W^esten  liegen,  heute, 
noch  Moorstraßen.  Die  damalige  Befestigung  faßte  also  die 
Düne  zusammen,  die  sich  an  die  beiden  „Burgen"  nach 
Süden  und  W^esten  anschloß  und  die  beiden  Hauptpfarr- 
kirchen, die  Frauen-  und  Salvatorkirche,  trug.  Auch  das 
alte  Nordviertel  liegt  etwa  8  m  über  Meer,  während  die 
Vorstädte  ringsum  um  gut  einen  Meter  niedriger  liegen.  Es 
handelte  sich  also  bei  der  Stadterweiterung  von  1300  ganz 


66 


DER  STÄDTEBAU 


wesentlich  auch  darum,  durch  das  Herabdrücken  der 
Wassergleiche  in  den  Stadtgräben  auf  etwa  S'/a  ni  die 
Marschen  der  Umgegend  trockenzulegen.  Markt,  Burg 
und  die  anstoßende  Hohe  Straße,  die  nach  Osten  über  die 
Lange  Straße  nach  dem  Kreuztor  führt,  liegen  in  der  Höhe 
von  etwa  8  m.  Daß  diese  Höhenlagen  sich  nicht  wesentlich 
geändert  haben,  ergibt  sich  aus  den  anstoßenden,  vielfach 
ins  14.  Jahrhundert  zurückreichenden  Bauten.  Die  vom 
Markt  nach  Norden  führende  Vlämische  Straße  (St.  Georg- 
straße) wurde  beim  W^allbau  von  1300  gesperrt  und  dafür 
seitlich  durch  das  Eseltor  und  die  Eselstraße  ein  Zugang 
geschaffen. 

Bei  der  Linienführung  erkennt  man  durchweg,  daß  es 
sich  um  ausgebaute  Landstraßen  handelt.  Manchmal  glaubt 
man  aus  den  Straßennamen  den  Grund  herauslesen  zu 
können,  warum  sie  in  Krümmungen  angelegt  wurden:    So 


führt  unmittelbar  vom  Genter  Tor  zum  Markt  der  Neue  Genter 
Weg,  der  Gammarkt,  die  Eichholz-  und  die  Wollenstraße. 
Man  erkennt,  daß  hier  der  Handel  mit  Textilerzeugnissen 
seinen  Sitz  hatte.  Nicht  weit  davon  an  einer  Gracht  der  Stein- 
hauerdeich; Brügge  mußte  Haustein  auf  Schiffen  weither, 
teilweise  sogar  Tuff  vom  Rhein,  herbeischaffen  lassen. 

Ein  mächtiger  Kran  stand  nahe  dem  Platz,  auf  dem 
das  moderne  Theater  erbaut  wurde.  Die  benachbarte 
Straßenverbreiterung  hieß  die  Börse.  Hier  hatten  die 
Genueser  und  die  Florentiner  ihr  Geschäftshaus.  Nicht 
weit  davon  stand  das  Haus  der  Vollbürger,  der  Poorter, 
und  das  der  Oosterlinge  und  der  Spanier. 

Von  diesen  Bauten  hat  sich  manches  erhalten,  manches 
läßt  sich  durch  alte  Abbildungen  im  Geiste  wieder  herstellen. 
In  meinem  Bande  „Brügge"  der  „Historischen  Städtebilder" 
will  ich  hierüber  des  weiteren  berichten. 


KUNST  UND  GROSSVERKEHR. 

Von  Dr.  HANS  SCHMIDKUNZ,   Berlin-Halensee. 


Die  Steigerung  und  Vervollkommnung  des  Verkehres 
ist  in  unseren  Tagen  so  groß,  daß  daraus  gewichtige  Ände- 
rungen, wenigstens  der  äußeren  Kultur,  entstehen.  Ob  auch 
die  Künste,  günstig  oder  ungünstig,  dadurch  beeinflußt 
werden,  ist  schon  deswegen  keine  gleichgültige  Frage,  weil 
vielen  mit  Recht  etwas  daran  liegt,  bevorstehende  Wand- 
lungen auf  dem  Kunstgebiete  vorauszusehen  und  sie  so  zu 
beherrschen. 

Als  Großverkehr  läßt  sich  wohl  jeglicher  Verkehr  be- 
zeichnen, der  Beträchtliches  in  Weite,  Schnelligkeit  und 
Massigkeit  leistet  und  zu  diesem  Zwecke  natürlich  auch 
gesteigerte  technische  Mittel  anwendet.  Dies  kann  der  Fall 
sein  sowohl  beim  städtischen  Innenverkehr  wie  auch  beim 
städtischen  Außenverkehr  wie  auch  endlich  beim  Fern- 
verkehr. Daß  hier  überall  Dampf  und  Elektrizität,  sowie 
das  „Kraft"- Fuhrwerk  ihre  Dienste  hergeben,  und  daß 
schließlich  der  Luftverkehr  immer  mehr  in  den  Bedarf 
des  Alltages  hineinwächst:  das  sind  keine  neuen  Ein- 
sichten mehr. 

Auch  das  gilt  schwerlich  mehr  als  neu,  daß  eine  Haupt- 
bedeutung des  gesteigerten  Verkehres  in  der  Steigerung  und 
Anerkennung  der  Gesundheitspflege  liegt,  und  daß  sich  von 
dieser  hinwiderum  neue  Fäden  zur  Kunst  hinüberspinnen. 
Zunächst  ist  freilich  der  städtische  Innenverkehr, 
namentlich  der  auf  der  Straßengleiche,  insofern  nicht  ge- 
sundheitlich, als  er  fortwährend  unser  leibliches  Wohl 
gefährdet,  und  als  die  täglichen  Opfer  des  „elektrischen 
Kriegsschauplatzes"  ein  schlimmeres  Übel  sind,  als  der  an 
tägliche  Unglücksfalle  gewöhnte  Zeitungsleser  merkt. 

Eine  um  so  eingreifendere  Abhilfe  läßt  sich  erhoffen. 
W^ährend  sich  die  Überlegungen,  ob  dem  Unheil  durch  ge- 
w^öhnliche  Mittel  abzuhelfen  sei,  immer  wieder  im  erfolg- 
losen Kreise  drehen,  könnten  sie  sich  doch  einmal,  um 
bildlich  zu  bleiben,  in  einer  erfolgreichen  Kugel  drehen,  oder, 
ohne  Bildlichkeit,  zur  „Dreischichtung"  des  städtischen 
Verkehres  übergehen.  Auch  diese  ist  nichts  Neues  mehr, 
tatsächlich  allerdings  nur  erst  in  Anläufen  vorhanden.  Daß 
aber  durch  sie  neue  Aufgaben  der  Häuserbau-  und  der  Be- 


bauungskunst entstehen  müssen,  erkennt  mindestens  der 
Architekt. 

Näherliegend  und  einfacher  sind  die  Förderungen,  welche 
der  städtische  Außenverkehr  oder  kurz  Vorortverkehr 
dem  Wohnungswesen  und  seiner  künstlerischen  Behandlung 
darbietet.  Das  W^ohnen  wird  mehr  und  mehr  nach  außen 
hin  verlegt  und  schon  dadurch  gesünder.  Doch  auch  noch 
über  die  Gesundheitspflege  hinaus  reicht  die  Wirkung  dieses 
und  sodann  des  gesteigerten  Fernverkehres:  der  neuzeitliche 
Gegensatz  zwischen  Stadt  und  Land  kann  allmählich  über- 
wunden werden.  Wir  wohnen  uns  in  die  freiere  Natur 
hinein.  Wir  können  dadurch  sie  und  schließlich  auch  uns 
schädigen,  wenn  wir  z.  B.  die  Wälder  durch  Landhaus- 
siedelungen in  ihnen  (statt  an  ihren  Rändern)  verwüsten. 
Wir  müssen  es  aber  nicht,  können  vielmehr  die  Vorteile 
ohne  die  Nachteile  erreichen. 

Die  Vorteile  liegen  bereits  in  der  Weiträumigkeit  des 
Wohnens,  diesem  wohl  unbestrittensten  unter  den  Grund- 
sätzen der  Städtebaukunst.  Mußten  wir  bisher  in  der 
städtischen  Enge  mit  jedem  Meter  und  folglich  auch  mit 
einer  freieren  Entfaltung  der  Kunst  im  Haus  ängstlich 
sparen,  so  dehnen  sich  jetzt  draußen  unsere  Räume  und 
werden  etwa  auch  so  weit  billiger,  daß  uns  mehr  Mittel  zur 
Kunstpflege  übrigbleiben.  Sie  sind  nun  ausnutzbarer,  und 
sind  es  auch  durch  die  größere  Helligkeit,  die  sich  aus  dem 
„Draußen"  ergibt,  und  die  weiterhin  wieder  günstig  auf  die 
Farbengebung  des  Innenraumes  und  auf  unseren  Farben- 
geschraack  einwirkt. 

Sodann  wird  die  Ergänzung  des  Hauses  durch  den 
Garten  leichter  und  kann  dessen  schönheitliche  Wirksamkeit 
besser  zur  Geltung  bringen,  sei  es  in  der  Anlage  von  Garten- 
zimmern und  Veranden,  sei  es  in  der  Gartenkunst  selbst, 
die  durch  französische,  englische  und  deutsche  Vorbilder 
aus  den  letzten  Jahrhunderten  natürlich  ebensowenig  er- 
schöpft ist,  wie  sonst  irgendeine  Kunstgattung,  und  der 
gerade  ein  Wettbewerb  mit  sonstigen  künstlerischen  Fort- 
schritten —  nicht  etwa  eine  Abhängigkeit  vom  „Architekten" 
—  not  tut  und  fruchtbar  werden  kann. 


67 


DER  STÄDTEBAU 


Daß  wir  jedoch  so  weit  kommen,  dazu  sind  noch  nähere 
Sorgen  nötig.  Vor  allem  genügen  noch  lange  nicht  die  bis- 
herigen großstädtischen  Vervollkommnungen  des  Verkehres. 
Zur  Erläuterung  sei  auf  einen  Streitfall  der  letzten  Zeit 
zurückgegriffen,  auf  den  „Berliner  Schulkrieg".  (Wir  zitieren 
nach  der  „Tägl.  Rundschau",  16.  November  1911,  No.  539.) 
Eine  Druckschrift  des  Berliner  Lehrervereins:  „Kommu- 
nale Schulpolitik  in  Berlin"  hatte  Beschwerden  gegen  die 
städtische  Schulverwaltung  erhoben,  und  diese  antwortete 
mit  „Bemerkungen  zu  der  Schrift  des  Berliner  Lehrervereins". 
Darin  wurde  auch  die  Verpflichtung  der  Lehrer,  in  Berlin 
zu  wohnen,  besprochen,  die  sogenannte  Residenzpflicht. 
Es  hieß  da  u.  a. : 

Nach  unserer  Auffassung  liegt  die  Sache  so,  daß  bis  vor  wenigen 
Jahren  nahezu  alle  Gesuche  um  Erlaubnis  zum  Außerhalbwohnen 
ohne  genaue  Nachprüfung  der  angegebenen  Gründe  genehmigt 
wurden.  Als  die  Neigung,  in  die  Vororte  zu  ziehen,  immer  größer 
wurde  und  Mißstände  im  Gefolge  hatte,  haben  wir  es  für  unser 
Recht  und  unsere  Pflicht  gehalten,  jedes  Gesuch  genau  nachzuprüfen 
und  nur  diejenigen  zu  genehmigen,  bei  denen  uns  die  Notwendig- 
keit dazu  vorzuliegen  schien  .  .  .  Für  die  Beschlüsse  der  Mehrheit 
der  Schuldeputation  bei  Gesuchen  um  Auswärtswohnen  der  Lehrer 
sind  .  .  .  maßgebend  gewesen  allein  die  Interessen  der  Schule  und 
der  Kinder.  Es  ist  häufig  darüber  Klage  geiührt  worden,  daß 
Lehrer,  die  im  Vorort  wohnen,  nach  Schluß  des  Unterrichts  die 
Schule  schleunigst  verlassen,  um  die  nächste  Fahrgelegenheit  nach 
'ihrem  \Vohnort  nicht  zu  versäumen,  daß  sie  für  Nachmittagfsunter- 
richt  und  für  Vertretungen  am  Nachmittag  sowie  für  Konferenzen, 
die  auf  den  Nachmittag  gelegt  werden,  nicht  zu  haben  sind.  Die 
Eltern,  die  den  Wunsch  haben,  nach  Schluß  des  Unterrichts  wegen 
ihrer  Kinder  Rücksprache  zu  nehmen,  treffen  solche  Lehrer  nicht 
mehr  an  oder  werden  kurz  abgespeist.  Dazu  kommt,  daß  bei 
plötzlicher  Erkrankung  von  Lehrkräften,  die  im  Vorort  wohnen,  die 
Schule  ohne  rechtzeitige  Benachrichtigung  bleibt,  daß  bei  Zug- 
verspätungen der  Lehrer  nicht  rechtzeitig  zum  Unterricht  kommt 
und  daß,  wenn  der  Lehrer  den  richtigen  Zug  versäumt,  er  unter 
Umständen  erst  längere  Zeit  nach  Beginn  des  Unterrichts  in  der 
Schule  eintrifft. 

Was  das  heißt,  kleinliche  „Kirchturmpolitik"  treiben 
und  auf  die  Äußerungen  einer  Sache  statt  auf  ihr  Wesen 
eingehen,  kann  man  hier  erfahren.  Sehen  wir  zunächst  ab 
von  der  bekannten  Tatsache,  daß  oft  zwei  Punkte  des 
städtischen  Weichbildes  voneinander  weiter  entfernt  sind, 
als  ein  Außen-  und  ein  Innenpunkt,  sei  es  in  der  Luftlinie, 
sei  es  in  der  Schnelligkeit  des  Verkehres!  Aber  Zug- 
verspätungen, Zugversäumnisse  usw. :  davon  weiß  auch  der 
innenstädtische  Verkehr  zu  berichten,  vielleicht  zum  Teil  in 
verschärftem  Maß.  Pflicht  aller  Beteiligten  ist  es,  den  Vor- 
ortverkehr so  zu  vervollkommnen,  daß  jene  Störungen  auf 
das  geringstmögliche  beschränkt  werden ;  insbesondere  wird 
der  Ausbau  des  Untergrundnetzes  schon  wegen  Schonung 
des  Landschaftlichen  notwendig. 

Aber  nun  der  Nachmittag!  Mit  der  geteilten,  der  so- 
genannten deutschen  Arbeitszeit  ist  eben  eine  moderne  Aus- 
bildung des  großstädtischen  Wohnungs-  und  Verkehrswesens 
auf  die  Dauer  nicht  durchzuführen.  Viermal  den  Arbeits- 
weg machen  —  das  kann  allerdings  alle  guten  Bemühungen 
verderben.  Ungeteilte,  sogenannte  englische  Arbeitszeit  wird 
nachgerade  eine  unerläßliche  Vorbedingung  für  die  Erlösung 
aus  der  Großstadt  und  für  die  Wiedergewinnung  des  freien 
Landes. 

Soweit  die  Verkehrsfragen.  Nun  wieder  die  Schönheits- 
fragen !  Solange  wir  städtische  Unschönheit  auf  das  Land 
mitnehmen,  werden  wir  es  nicht  wirklich  gewinnen.   Jenes 


tun  wir  aber,  wenn  wir  in  unsere  Landhaussiedelungen  die 
Starrheiten  hinaustragen,  die  sich  im  Städtebau  herausgebildet 
haben,  wenn  wir  also  auch  hier  den  rechten  Winkel  so 
herrschen  lassen,  wie  dort.  Was  an  diesen  geraden  Sträß- 
chen,  diesen  liniierten  Häuserreihen,  diesen  schachbrettartigen 
Gärtchen  der  typischen  Siedelungen  ländlich  sein  soll,  ist 
schwer  zu  sagen.  Am  wenigsten  verträgt  der  Garten 
städtische  Bau-  und  Bebauungsweise.  Wenn  wir  oben 
hofften,  der  städtische  Außenverkehr  könne  hier  fruchtbar 
wirken,  so  tut  eben  Besinnung  darüber  not,  daß  aus  dem 
Segen  nicht  Unsegen  werden  darf. 

Hoffen  läßt  sich  nun  auch  auf  den  Fernverkehr.  Allzu- 
feme von  ausgedehnterem  Aufenthalt  und  Verkehr  der 
Menschen  hat  auch  der  über  den  französischen  Gartenstil 
hinausgehende  englische  und  deutsche  Park  wenig  Sinn. 
Und  ebenso  wie  immer  mehr  Gelände  „der  Bebauung  er- 
schlossen" wird,  großenteils  mit  Unfug,  ebenso  kann  es  der 
Parkkunst  erschlossen  werden,  hoffentlich  mit  Fug  und 
Recht  und  Geschick.  Namentlich  für  die  weiten  nüchternen 
Flachländer,  die  sich  in  Deutschland  zwischen  die  vielen 
landschaftlichen  Schönheiten  einschieben,  möge  das  längst 
anerkannte  Verdienst  des  Gartenfürsten  Pückler-Muskau 
vorbildlich  weiterwirken. 

Vielleicht  kann  man  sagen,  es  sei  gar  nicht  günstig, 
wenn  dem  Menschen  das  Herankommen  an  landschaftliche 
und  künstlerische  Schönheiten  und  überhaupt  an  Natur-  und 
Kulturgüter  gar  so  bequem  gemacht  wird.  Eisenbahnen 
auf  die  Berge,  Kraftwagen  bis  an  das  Portal  jedes  Museums, 
jeder  besuchswerten  Burg  usw.  —  das  mache  faul,  das 
profaniere.  Nun  gibt's  da  freilich  Grenzen  und  notwendige 
-Unterscheidungen.  Allein  die  fortschreitende  Kultur  macht 
Kraftsparung  und  Arbeitsteilung  unentbehrlich.  In  eine 
Kunststätte  will  ich  nicht  ermüdet,  abgerackert  kommen, 
zumal  da  mir  gerade  hier  eine  ganz  tüchtige  körperliche 
Arbeitsleistung  bevorsteht,  mit  der  ich  bald  am  Ende  meiner 
Kräfte  sein  kann.  Überflüssige  Zeit  besitzt  auch  nicht  jeder, 
fast  niemand. 

Und  gerade  die  Museen  u.  dgl.  haben  ihren  gegenwärtigen 
und  ihren  fürderhin  zu  wünschenden  Aufschwung  zu  einem 
guten  Stück  dem  erleichterten  Verkehre  zu  danken.  Sind 
sie  doch  größtenteils  auf  ein  W^anderpublikum  und  somit 
auf  die  Praxis  des  Fremdenverkehres  angewiesen!  Sie  be- 
durften und  bedürfen  noch  immer  dessen,  daß  sie  auch  von 
anderen  „entdeckt"  werden,  als  von  ein  paar  aufs  Reisen 
angewiesenen  Kunsthistorikern.  Sie  werden  aber  auch,  je 
mehr  ihre  Benutzung  anwächst,  desto  mehr  gezwungen  sein, 
selbst  anzuwachsen  und  ihre  Eigentümer  und  Freunde  zu 
größerer  Freigebigkeit  anzuspornen. 

Selbst  dem  Künstler  ist  auf  die  Dauer  nicht  einzig  da- 
mit gedient,  daß  ihm  „unberührte"  Landesschönheiten  zur 
„malerischen  Entdeckung"  vorbehalten  bleiben.  Mögen  aus 
jungfräulichem  Boden  heraus  noch  so  eigenartige  Maler- 
winkel und  Malersiedelungen  wachsen:  mit  der  Zeit  bedürfen 
auch  sie,  je  mehr  bei  ihnen  auf  Seßhaftigkeit  gerechnet 
wird,  desto  vollkommeneren  Anschluß  an  die  Kultur. 

Diese  aber  hat  es  in  der  Hand,  gut  oder  schlecht  zu 
sein,  die  Natur  zu  entfalten  und  zu  steigern,  oder  aber  sie 
zu  „verschandeln".  Mißbrauch  beweist  nichts  gegen  den 
Gebrauch.  Die  Häßlichkeit  irgendwelcher  Eisenbahnen  und 
ihrer  Bauten  beweist  nichts  gegen  Bahn  und  Bahnhof. 
Schon  ist  auch  weder  eine  angemessene  ästhetische  Aus- 
stattung des  Wageninnern  und  gar  des  Schiffsinnern,   noch 


68 


DER  STÄDTEBAU 


die  würdige  Architektonik  der  Bahnhöfe,  noch  der  Gedanke, 
Warteräume  zu  kleinen  Kunststätten  zu  machen,  etwas 
Neues  mehr,  bedarf  allerdings  werktätiger  Durchführung 
und  Fortführung. 

Weit  schärfer  als  alle  diese  Wandlungen  und  Ideen 
greift  in  unser  Kulturleben  die  Luftschiffahrt  Jein.  Sie 
hat  sich  schnell  genug  entwickelt,  daß  wir  auch  mit  raschen 
Fortsetzungen  und  Einwirkungen  des  neuesten  Großverkehres 
rechnen  müssen.  Seine  Verehrer  sagen:  durch  ihn  wird, 
zumal  wenn  der  Flug  mehr  von  selbst,  als  durch  ein  Weiter- 
arbeiten des  anfanglich  nötigen  Motors  erfolgt,  „der  Maß- 
stab der  Entfernungen  ein  anderer,  man  kann  viel  zerstreuter 
und  daher  menschenwürdiger  wohnen  und  leben"  (W.  Ost- 
wald). Daß  darin  auch  wieder  Vorteile  für  die  Kunst  liegen, 
wird  uns  aus  früherem  klar. 

Aber  noch  weitergehende  Wandlungen  unserer  Schön- 
heitswünsche stehen  hier  bevor.  Nicht  zu  sprechen  von 
etwaigen  Ausstattungen  der  Fahrzeuge  und  ihrer  Bahnhofs- 
bauten :  ein  Blick  auf  Photographien  vom  Luftschiff  aus  zeigt 
ein  verändertes  Sehen  der  Landschaft  und  läßt  an  eine  künftige 
Landschaftsmalerei  denken,  in  welcher  der  Vordergrund 
nicht  mehr  die  Rolle  spielt,  zu  der  den  Maler  der  wagrechte 
Blick  zwingt.  Und  scheuen  wir  uns  in  der  an  technischen 
Überraschungen  so  reichen  Gegenwart  vor  Phantasien  wie 
der,  daß  der  stets  häufiger  werdende  Blick  nach  abwärts 
Gelegenheit  zu  einer  wagrechten  Anwendung  der  Plakat- 
kunst geben  kann?  —  die  dann  allerdings  gewaltigerer 
Schrift-  und  Zeichnungsformen,  also   einer  Art  „kosmischer 


Kalligraphie"  bedarf!  Die  Anbringung  [von  Ortsnamen  in 
horizontaler  Schrift  für  den  Luftfahrer,  auch  bei  Nacht,  ist 
ein  lang  bekannter  Wunsch. 

Noch  weiter  geht  und  doch  ganz  nahe  liegt  der  vor 
kurzem  ebenfalls  schon  ausgesprochene  Gedanke,  daß  auch 
die  Architektur  der  Häuser  sich  künftig  für  den  „Blick  von 
oben"  umgestalten  werde.  Dazu  mag  bereits  ein  gewisses 
Anstandsgefühl  der  Hausbesitzer  und  Hausbewohner  bei- 
tragen, die  bisher  nach  oben  sozusagen  zwanglos  sein 
konnten  und  nun  sich  doch  zusammennehmen  werden, 
daß  ihre  Gärten,  Dächer  und  Dachgärten  nicht  allzu  übel 
aussehen. 

Am  meisten  kann  hier  auf  eine  Ausgestaltung  der  Dächer 
für  Verkehr  und  Schönheit  gehofft  werden.  Luftschiffahrten 
haben  schon  manchmal  die  Bewohner  auf  die  Dächer  ge- 
lockt und  ihnen  —  vielleicht  zum  erstenmal  im  Leben  — 
einen  Eindruck  von  der  Benutzbarkeit  der  Dächer  und  von 
dem  Reichtum  der  Ausblicke  in  der  Höhe  gegeben.  Jeden- 
falls liegen  hier  Entwicklungsmöglichkeiten,  mit  denen  es 
unter  Umständen  sehr  schnell  und  mannigfach  vorwärts- 
gehen kann. 

Heimatliche  und  nationale  Güter  sind  durch  den  Landes- 
und Weltverkehr  allerdings  gefährdet.  Doch  die  Aussicht, 
daß  ihm  erst  recht  ihre  Entfaltung  zu  danken  sein  werde, 
ist  doch  noch  größer,  als  eine  solche,  in  aller  Kultur  un- 
vermeidliche Gefahr.  Stilles  und  ungestörtes  Wachsen  des 
Intimen  kann  geradezu  erleichtert  werden,  wenn  die  Vor- 
teile des  Verkehres  auch  da  kraftschonend  wirken. 


NEUE  BÜCHER  UND  SCHRIFTEN. 


Wir  bitten  um  gefällige  Zusendung  aller  einschlägigen  neuen 
Bücher  und  Schriften,  die  wir  unter  dieser  Übersicht  regelmäßig  an- 
zeigen werden;  wir  übernehmen  aber  keine  Verpflichtung  zur  Be- 
sprechung und  Rücksendung. 


DENKSCHRIFT  ÜBER  DIE  BERLINER  STÄDTEBAU- 
AUSSTELLUNG VON  1910  mit  einem  Anhange,  die  Düssel- 
dorfer Städtebau-Ausstellung  betreffend. 

Die  Berliner  Städtebau-Ausstellung  des  Jahres  igio  habe  ich  unter 
Beigabe  zahlreicher  AbbUdungen  im  Doppelheft  7/8  desselben  Jahres  be- 
sprochen. Jetzt  ist  nun  der  erste  Teil  der  im  Auftrage  des  Arbeits- 
ausschusses von  Dr.  Werner  Hegemann  verfaßten  Denkschrift  erschienen 
unter  dem  Titel  „Der  Städtebau  nach  den  Ergebnissen  der  Allgemeinen 
Städtebau-Ausstellung  Berlin  nebst  einem  Anhange:  Die  Internationale 
Städtebau-Ausstellung  Düsseldorf  mit  600  Text-  und  Tafelbildern,  Karten  usw. 
in  vornehmer  Ausstattung  des  Verlages  Ernst  Wasmuth  A.-G.  in  Berlin  191 1. 
Dr.  Hegemann  war  bekanntlich  Generalsekretär  beider  Ausstellungen,  um 
deren  Ausgestaltung  er  sich  große  Verdienste  erworben  hat;  diese  vermehrt 
er  durch  die  neue  Veröffentlichung,  die  von  den  Preußischen  Ministerien 
des  Innern,  des  Handels  und  der  öffentlichen  Arbeiten,  sowie  von  den 
Stadtgemeinden  Berlin,  Charlottenburg,  Rixdorf,  Schöneberg,  Wilmersdorf, 
Potsdam,  Spandau,  Lichtenberg  und  Düsseldorf  gefördert  bzw.  durch 
Hergabe  der  Mittel  erst  ermöglicht  worden  ist. 

Der  vorliegende  Teil  betrifft  ausschließlich  Berlin.  Die  Einleitung 
gibt  einen  über  die  Darbietungen  der  Ausstellung  hinausgehenden  Rück- 
blick über  einige  Zeitabschnitte  der  Entwicklung  Groß-Berlins  und  muß 
deshalb  als  eine  selbständige  Arbeit  gewürdigt  werden.  Die  starke  Seite 
des  Verfassers  liegt  offenbar  in  der  geschichtlichen  Betrachtung,  und  zwar 
vorwiegend  der  sozial-wirtschaftlichen  Fragen,  und  von  diesen  wieder 
mehr  des  Wohnungswesens  als  des  eigentlichen  Städtebaus.    Infolgedessen 


tritt  auch  das  Verdienst  der  Architekten  um  die  moderne  Städtebau- 
bewegung, um  das  Zustandekommen  des  Wettbewerbs  für  Groß-Berlia 
und  der  daran  geschlossenen  Ausstellung  nicht  so  scharf  hervor,  als  sidb 
wohl  hätte  rechtfertigen  lassen. 

Die  Einleitung  enthält  zunächst  eine  Darstellung  der  im  vorigen 
Jahrhundert  um  die  Art  des  Ausbaues  der  Stadt  geführten  Kämpfe,  der 
Versuche  namentlich  des  Universitätsprofessors  Viktor  Aime  Huber,  des 
Baumeisters  C.  W.  Hoffmann  und  des  damaligen  Prinzregenten,  späteren 
Kaisers  WUhelm  I.,  des  Protektors  der  Gemeinnützigen  Baugesellschaft 
zur  Lösung  der  Kleinwohnungsfrage.  Bis  in  diese  Zeit  reichen  die  An- 
fänge des  Berliner  Bebauungsplanes  zurück,  der  ausgesprochenermaßen 
mit  überwiegender  Rücksicht  auf  das  Eigentum  der  Beteiligten  aufgestellt 
worden  ist.  Mit  dem  von  James  Hobrecht  abgeschlossenen  Plane  wurde 
trotz  der  weiteren  Versuche  der  volkswirtschaftlichen  Schriftsteller  Julius 
Faucher  und  Dr.  Ernst  Bruch,  eine  Besserung  der  Wohnungsverhältnisse 
herbeizuführen,  der  Alleinherrschaft  der  Mietskaserne  die  Wege  gebahnt 
mit  dem  gemischten  \Vohnsysteme,  das  den  sogenannten  besseren  Leuten 
die  Vorderwohnungen  an  der  Straße,  den  kleinen  Leuten  die  Hinter-  und 
Hof-,  auch  sogenannte  Gartenwohnungen  zuwies,  ein  System,  von  dem 
beschönigend  gesagt  wurde,  daß  es  auf  die  verschiedenen  Bevölkerungs- 
schichten versöhnend  einwirken  solle,  von  dem  wir  aber  heute  nur  fest- 
stellen können,  daß  es  lediglich  zur  Verteuerung  der  kleinen  Wohnungen 
und  zur  Verbitterung  in  weiteren  Kreisen  geführt  hat. 

Der  Verfasser  würdigt  dann  die  Verdienste  von  Carstenn-Lichter- 
felde,  des  Begründers  von  Landhaussiedelungen  und  insbesondere  von 
August  Orth,  des  ersten  Urhebers  der  Berliner  Stadtbahn  und  großzügigen 
Städtebaumeisters,  dessen  Vorschläge  aber  auf  dem  Papier  stehenblieben, 
endlich  die  vergeblichen  Bemühungen  des  damaligen  Oberbürgermeisters 
von  Berlin,  des  älteren  Bruders  von  James  Hobrecht,  zur  Beseitigung  der 
■Wohnungsnot,  —  man  darf  in  der  Tat  sagen,  der  AVarner  und  Wegweiser 
waren  genug,   man  hat  nur  auf  sie  nicht   geachtet.     Wie  mir  noch  aua 


69 


DER  STÄDTEBAU 


meiner  Studienzeit  in  den  siebenziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts 
erinnerUch  ist,  betrachtete  man  damals  fast  allgemein,  auch  in  Fachkreisen, 
den  Sieg  der  Mietskaserne  als  unvermeidlich. 

Es  werden  dann  noch  angeführt  die  Schriften  des  Freiherrn  v.  d.  Goltz 
über  „Die  Großstädte  in  ihrer  Wohnungsnot  und  die  Grundlagen  einer 
durchgreifenden  Abhilfe"  und  des  damals  unbekannt  gebliebenen  Verfassers 
Arminius  „Theorie  über  die  Architektur  der  Großstädte",  die  schon  den 
Gedanken  des  grünen  Großstadtringes  entwickelten,  endlich  die  Schriften 
von  Treitschke  und  Schmoller,  des  Vereins  für  Sozialpolitik  usw.  In  dieser 
Darstellung  wären  auch  noch  zu  erwähnen  gewesen:  die  Arbeiten  von 
Professor  Dr.  Eberstadt  über  die  Berliner  Kommunalreform  und  die 
wichtigen  im  Druck  erschienenen  Verhandlungen  der  Vereinigung  Berliner 
Architekten  über  die  Frage  der  Arbeiterwohnungen  in  Berlin  vom  Jahre 
1891,  in  denen  Praktiker  des  Städtebaues,  wie  der  verstorbene  Alfred 
Messel,  der  als  Amts-  und  Gemeindevorsteher  in  der  Kolonie  Grunewald 
wirkende  Ingenieur  Wieck,  der  Regierungsbaumeister  R.  Goldschmidt  und 
Architekt  Otto  Hoffmann  neben  August  Orth  und  dem  ebenfalls  ver- 
storbenen   Wilhelm    Böckmann     die     bösen     Folgen     des    Hobrechtschen 


Bebauungsplanes  beleuchteten  und  an  praktischen  Beispielen  erläuterten, 
endlich  meine  im  Jahre  1893  in  den  „Preußischen  Jahrbüchern"  mit 
besonderer  Beziehung  auf  Berlin  unter  dem  Titel  „Verkehrsstraße  und 
^Vohnstraße"  veröffentlichte  Schrift. 

Die  Einleitung  schließt  mit  einer  Schilderung  der  gegenwärtigen 
Wohnungsverhältnisse  und  Haustypen  mit  ihrer  mangelnden  Kultur.  Im 
ersten  Kapitel  folgen  dann  die  Berliner  Pläne.  Auch  hier  wird  zunächst 
in  großen  Zügen  eine  Geschichte  der  großen  brandenburgischen  Städte- 
bauer gegeben,  mit  zahlreichen  Plänen  der  älteren  Zeit  und  eine  Dar- 
stellung der  Monumentalstadt  bis  auf  die  neueste  Zeit.  Ein  Anhang  mit 
Anmerkungen  gibt  noch  nähere  Erläuterungen,  vorzugsweise  über  die 
benutzten  literarischen  Quellen. 

Das  Beste  und  Wesentlichste  für  den  Architekten  bietet  die  Schrift 
in  den  zahlreich  eingestreuten  Abbildungen,  die  einen  nahezu  vollständigen 
Überblick  des  zeitigen  Standes  im  modernen  Städtebau  und  damit  eine 
treffliche  Grundlage  für  seine  weitere  Entwicklung  geben,  zumal  sie  vom 
Verlage  auf  das  beste  wiedergegeben  sind,  so  daß  man  nur  seine  Freude 
daran  haben  kann.  T.  G. 


MITTEILUNG. 


Uns  wird  geschrieben:  Wenn  das  Gerücht,  das  in  Eberswalde  umgeht, 
sich  bewahrheiten  sollte,  wonach  das  „SCHICKLER'SCHE 
HAUS",  DIE  ALTE  FORSTAKADEMIE,  im  Laufe  dieses  Jahres 
zum  Abbruch  kommen  soll,  so  würde  dies  mit  dem  heutigen,  durch  die 
namhaftesten  Erwecker  pietätvoller  Städtebaukunst  geschärften  Schönheits- 
gefühl unvereinbar  sein.  Das  „Schickler'sche  Haus"  ist  ein  auch  in  Archi- 
tekturwerken abgebildetes,  schlichtes,  durch  zwei  spätere  kleine  Seiten- 
anbauten mit  Terrassen  nicht  wesentlich  entstelltes  Denkmal  der  Architektur 
aus  dem  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts.  Es  war  das  Verwaltungs- 
gebäude der  Gebrüder  Schickler,  eines  Bankhauses,  das  Friedrich  den 
Großen  in  der  Ansiedlung  von  Ruhlaer  Messerschmieden  vor  der  damaligen 
Altstadt  unterstützte  und  dadurch  der  Stadt  eine  lange  Zeit  blühende  In- 
dustrie zuführte.  Die  Würde  des  Hauses  liegt  auch  in  der  soliden  Gestaltung 
und  in  einer  sehr  schönen  Freitreppe  aus  Sandstein,  die  in  das  hohe  Haupt- 
geschoß führt.  Später  ist  dann  dieses  Haus  das  erste  Heim  der  Forst- 
akademie geworden,  bis  dann  westlich  davon  die  neue  Forstakademie  erbaut 
wurde,  und  nur  die  Verwaltung  in  ihm  zurückblieb.  Auf  dem  großen  Hof- 
gelände, nördlich  des  neuen  Akademiegebäudes,  ist  nun  jetzt  ein  Unter- 
richts- und  Verwaltungsgebäude  der  Fertigstellung  nahe,  und  es  heißt,  daß 
das  alte  Akademiegebäude,  eben  das  „Schicklersche  Haus",  alsdann  als  über- 
flüssig abgerissen  werden  soll.  Eberswalde  ist  an  historischen  Erinnerungen 
sehr  arm,  wenigstens  soweit  sie  in  Dingen  der  bildenden  Künste  niedergelegt 
sind,  und  an  Baudenkmälern  erst  recht  bettelarm.  Ein  Gang  durch  die 
Stadt  lehrt,  daß  diese  Gegend  vor  der  Forstakademie  mit  dem  Mühlen- 
graben, den  das  Schwärzefließ,  umstanden  von  alten  Kastanien,  dort  bildet, 
und  mit  den  Schrauckanlagen  auf  der  anderen  Seite  der  Schwärze,  dazu 
mit  dem  Ausblick  über  alte  Ziegeldächer  hinweg  auf  den  hochragenden 
Turm  der  Stadtkirche  die  reizvollste  Stelle  in  der  inneren  Stadt  ist  und 
den  Zauber  des  allmählich  Gewordenen  in  sich  hat.  Ein  wesentlicher 
Punkt  in  diesem  Gesamtbild  ist  aber  das  „Schicklersche  Haus",  dessen 
Entfernung  also  selbst  ohne  jede  Rücksicht  auf  stadtgeschichtliche  oder  bau- 
künstlerische Pietät  ein  Fehler  wäre. 

Es  tritt  natürlich  die  Frage  auf,  wie  das  Haus  zu  verwerten  wäre. 
Es  wird  vielleicht  der  Einwand  gemacht  werden,  daß  die  Räume  nicht 
hell  genug  seien;  wenn  dies  der  Fall  sein  sollte,  so  wäre  dem  leicht  ab- 
zuhelfen durch  einen  Umbau,  der  sowieso,  um  das  Haus  in  der  ursprüng- 
lichen Gestalt  herzustellen,  wünschenswert  wäre.  Durch  die  Entfernung 
der  beiden  Seitenanbauten  an  den  Giebeln  des  Gebäudes  könnte  den 
Eckräumen  durch  die  ganze  Tiefe  des  Gebäudes  mit  neuen  Fenstern  aus- 
reichendes Licht  gegeben  werden,  so  daß  der  Grundriß  des  Hauses 
wieder  durchweg  gute  Arbeitsplätze  aufwiese.  Bei  dem  vornehmen 
Charakter  des  Bankhauses  Schickler,  das  ihr  Stammhaus  in  der  Ger- 
traudtenstraße  in  Berlin  vor  einigen  Jahren  erst  durch  einen  Erweiterungs- 
bau   in    gewissenhafter    pietätvoller  Weise    im    gleichen    Stil    bereichert 


hat  und  dadurch  ein  gutes  Beispiel  gegeben  hat,  ist  es  vielleicht 
nicht  ausgeschlossen,  daß  das  Bankhaus  Schickler  sich  mit  einer  Ehren- 
gabe an  der  \A^iederherstellung  ihres  alten  Zweighauses  beteiligt,  wofür 
es  auf  einer  an  dem  Hause  anzubringenden  Erinnerungstafel,  auf  die  Be- 
deutung der  Gebrüder  Schickler  für  Eberswalde,  genannt  werden  würde. 
Auch  die  Möglichkeit  ist  noch  offen,  daß  der  Staat  das  Gebäude  entweder 
Verkaufs-  oder  leihweise  einer  anderen  in  Eberswalde  ansässigen  oder  an- 
sässig zu  machenden  Behörde,  sei  es  Staats-,  Provinzial-  oder  Gemeinde- 
behörde, zu  Verwaltungs-  oder  Direktorwohnungszwecken  überläßt. 

Eine  andere  Gefahr  für  die  Erhaltung  des  Gebäudes  liegt  in  der 
Möglichkeit,  daß  die  im  Norden  des  „Schicklerschen  Hauses"  auf  die 
Neue  Kreuzstraße  stoßende  Michaelisstraße  über  das  rückliegende,  bis  zur 
Neuen  Kreuzstraße  sich  hinziehende  Gartengelände  des  „Schicklerschen 
Hauses"  hinweggeführt  werden  soll.  Es  würde  dann  der  Staat  mit  dem 
Gelände  ein  Geschäft  machen  können.  Wenn  nun  auch  dagegen  an 
sich  nichts  einzuwenden  wäre,  solange  es  sich  um  die  Ausnutzung  des 
Grundstücks,  soweit  es  an  die  Neue  Kreuzstraße  anstößt,  handelt,  da  dieses 
eine  Geschäftsstraße  ist,  wie  keine  zweite  in  der  Stadt,  so  liegt  die  Sache 
jedoch  sofort  anders,  sobald  man  diesem  Plan  auch  das  „Schicklersche 
Haus"  opfern  wollte.  Dieses  ist  aber  allem  Anschein  nach  selbst  bei 
Durchführung  der  Straße  nicht  nötig.  Sobald  man  nämlich  das  „Schicklersche 
Haus"  von  den  späteren  Zutaten,  den  Erweiterungsbauten,  befreit,  wird 
es  möglich  sein,  die  Straße  unmittelbar  an  diesem  Hause,  als  an  einem 
freistehenden  Eckhause,  vorüberzuführen;  die  Straße  würde  dann  auf  dem 
Gelände  des  jetzigen,  seitlich  (nach  Osten)  gelegenen  Hofes  des 
„Schicklerschen  Hauses"  in  die  Straße  vor  der  Akademie  einmünden.  Die 
Ostseite  der  Straße  würde  an  der  Schwärze,  die  dort  quer  unter  der  Haupt- 
straße hervorbricht,  entlang  verlaufen.  Den  Anschluß  an  die  weitere  Be- 
bauung der  Hauptstraße  bildet  das  große  freistehende  Eckhaus  jenseits 
der  Schwärze,  das  auch  schon  jetzt  nach  der  Schwärze  zu  mit  einer  Eck- 
ausbildung versehen  ist.  Es  würde  also  an  dem  bisherigen  Stadtbilde 
fast  nichts  verändert  werden,  es  würden  allerdings  die  beiden  Eckbau- 
stellen an  der  Straße  vor  der  Akademie  für  die  Spekulation  ausgeschaltet 
werden,  denn  die  eine  ist  eben  die  des  „Sckicklerschen  Hauses",  die 
andere  zwischen  der  Schwärze  und  der  Straße  aber  nur  sehr  schmal. 
Außerdem  ist  zu  bedenken,  daß  ganz  sicher  bei  einer  üblichen  Auf- 
teilung der  Grundstücke  mit  völliger  Baufreiheit  die  Eckbaustellen  mit 
Häusern  bebaut  würden,  die,  möchten  sie  auch,  einzeln  betrachtet,  noch 
so  schön  ausfallen,  straßenbaukünstlerisch  furchtbar  wirken  würden,  da 
sie  in  Rücksicht  auf  die  Forstakademie,  die  ein  freistehendes  Haus  ist 
und  ebenfalls  in  Rücksicht  auf  das  vorhin  erwähnte,  nach  drei  Seiten  frei- 
stehende Eckhaus  an  der  Schwärze  von  den  Nachbargrenzen,  also 
mindestens  6  m  entfernt,  oder  vielleicht  gar  auf  den  Nachbargrenzeii 
bzw.  unmittelbar  an  der  Schwärze  errichtet  werden  müßten.    Es  würde  also 


70 


DER  STÄDTEBAU 


neben  der  Forstakademie  sich  ein  hohes  Geschäftshaus,  womöglich  mit 
kahler  Giebelwand  oder  gar  hoher  Wand,  im  günstigsten  Falle  mit  ein 
paar  Fenstern  von  Nebenräumen  und  mit  dem  unmittelbaren  Einblick  in 
den  Hof  und  dem  Anblick  der  Hof-  und  ev.  Seitenfronten  und  an  der 
Schwärze  sich  ein  Haus  mit  kahlem  Giebel  zeigen.  Alle  diese  Schwierig- 
keiten wären  leicht  zu  beheben,  wenn  man  die  Schwärze  an  der  Ein- 
mündung der  neuen  Straße  als,  übrigens  auch  sehr  reizvolle,  Straßen- 
begrenzung   annehmen    würde    (im    weiteren    Verlauf    krümmt    sich    die 


Schwärze  vom  Zuge  der  Straße  ab),  und  wenn  man  das  „Schicklersche 
Haus"  stehen  ließe  und  erst  dahinter  mit  einem  Eckhaus  mit  voller  Seiten- 
frontausbildung, die  den  Hof  nach  der  Straße  vor  der  Akademie  hin  verdecken 
würde,  die  Neubebauung  beginnen  würde.  Es  würde  dadurch  der  Forst- 
akademie für  alle  Zeiten  eine  gebührende  Umgebung  geschaffen  werden. 
Hoffentlich  finden  sich  die  Behörden,  die  sonst  Beteiligten  (unter  Führung 
interessierter  Fachleute)  und  die  Bevölkerung,  besonders  der  Verein  für 
Heimatkunde,  zusammen,  um  der  Stadt  ein  liebgewordenes  Bild  zu  erhalten. 


CHROM       I      K 


"TTTettbewerb:  BAHNHOFSPLATZ  IN  KARLSRUHE  I.  B. 

'  •  Als  Verfasser  des  vom  Preisgericht  zum  Ankauf  empfohlenen  und 
vom  Stadtrat  tatsächlich  angekauften  Entwurfes]  mit  dem  Kennzeichen 
einer  Lokomotive  sind  die  Herren  Walder,  Bonk  und  Schrader  in  Karls- 
ruhe ermittelt  worden. 

I   '%er    Deutsche    Bund    Heimatschutz    veranstaltet     den'     ZWEITEN 

■'-'  INTERNATIONALEN  KONGRESS  FÜR  HEIMAT- 
SCHUTZ vom  12.  bis  15.  Juni  igi2  in  Stuttgart.  Die  Teilnahme  an 
der  Tagung  ist  frei,  es  ist  dazu  keine  Einladung  erforderlich.  Von  jedem 
Teilnehmer  wird  ein  Beitrag  zu  den  Kosten  von  5  Mk.  erhoben,  für  den 
die  Drucksachen  des  Kongresses  sowie  der  Jahrgang  1912  der  Zeitschrift 
„Heimatschutz"  geliefert  werden. 

Vorläufige  Tagesordnung. 

Mittwoch,  den   12.  Juni: 

Begrüßungsabend.    Geselliges  Zusammensein  mit  Lichtbildervortrag 
„Die  Schönheiten  des  Schwabenlandes". 

Donnerstag,  den   13.  Juni: 
Vormittags 

1.  Wahl  des  Bureaus.     Begrüßungen. 

2.  Kurzer  Überblick  über  den  Stand  der  Heimatschutzbewegung  in  den 
verschiedenen  Ländern.  Referent  Assessor  Fritz  Koch,  Meiningen, 
Geschäftsführer  des  Deutschen  Bundes  Heimatschutz. 

3.  Kurze  Berichte  der  Vertreter  verschiedener  Organisationen  für 
Heimatschutz.  —  Diskussion. 

4.  Bauberatung  (mit  Lichtbildern).  —  Verbunden  mit  einer  Ausstellung 
von  Planverbesserungen  deutscher  Bauberatungsstellen. 

Die  Sitzung  wird  unterbrochen  durch  eine  Frühstückspause. 
Nachmittags 

Führung  durch  Stuttgart. 
Abends 

Geselliges  Zusammensein. 

Freitag,  den  14.  Juni: 
Vormittags 

Heimatschutz  und  Fremdenverkehr.  Referent  Dr.  Karl  Giannoni, 
Wien-Mödling,  Geschäftsführer  des  Vereins  für  Denkmalpflege 
und  Heimatschutz  in  Niederösterreich. 


Insbesondere    auch:     Heimatschutz     und     Bergbahnen.      Referent: 
Professor    Dr.  Bovet,    Zürich,    stellvertretender  Vorsitzender    der 
schweizerischen  Vereinigung  für  Heimatschutz. 
Nachmittags 

Ausflug  nach  Tübingen. 

Sonnabend,  den   15.  Juni: 

1.  Ausnutzung  der  Wasserkräfte. 

2.  Reklame  in  der  Landschaft.  Referent  Raoul  de  Clermont,  avocat 
ä  la  Cour  d'Appel,  Paris,  Vorstandsmitglied  der  Sociite  pour  la  Pro- 
tection des  Paysages  de  France. 

3.  Dringende  Fragen  des  Weltnaturschutzes,  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung unserer  Kolonien  und  des  Vogelschutzes.  Referent 
Professor  C.  G.  Schillings,  Berlin. 

4.  Einzelne  weitere  Fragen  des  Heimatschutzes. 

5.  Vorführung   kinematographischer   und  farbiger  Aufnahmen  aus  der 
Vogelwelt,    vom  Bund  für  Vogelschutz  zur  Verfügung  gestellt. 
Die  Sitzung  wird  unterbrochen  durch  eine  Frühstückspause. 

Nachmittags  5  Uhr 

Spaziergang  durch  die  königlichen  Anlagen  zum  Kursaal  Cannstatt. 
Danach  Festessen. 

Sonntag,  den   i6.  Juni: 
Ausflüge. 

"p\IE   AKADEMIE   FÜR   KOMMUNALE   VERWALTUNG 

^"^  IN  DÜSSELDORF  hat  das  Sommersemester  mit  112  ordentlichen 
Hörern  und  41   Gasthörern  am   18.  April  begonnen. 

DIE  RAUMKUNST  AUF  DER  BAUAUSSTELLUNG 
Leipzig  1913.  Die  Kunst  hat  die  Raumkunst-Industrie  durch  reiche 
Anregungen  gefördert.  Die  Industrie  hat  die  künstlerischen  Gedanken  ver- 
ständnisvoll verwirklicht  und  in  die  weitesten  Kreise  getragen.  Die  groß- 
artige Entwicklung  der  modernen  Raumkunst  ist  in  erster  Linie  dieser 
fruchtbringenden  Zusammenarbeit  zu  danken.  Um  aus  ihr  weiterhin  in 
ideeller  und  materieller  Richtung  möglichst  großen  Nutzen  zu  ziehen,  haben 
sich  hervorragende  Vertreter  der  Raumkunst  mit  einer  Anzahl  bedeutender 
Industriellen  vereinigt,  um  in  einer  besonderen  Fachgruppe  auf  der  Inter- 
nationalen Bauausstellung  Leipzig  1913  in  gemeinsamer  Arbeit  die  künst- 
lerischen  und   technischen  Grundlagen  für  eine  Raumkunst -Abteilung  zu 


71 


DER  STÄDTEBAU 


schaffen.  Diese  soll  alles  das  zeigen,  was  Kunst,  Gewerbe  und  Industrie 
für  die  moderne  Inneneinrichtung  Wertvolles  und  Mustergültiges  schaffen. 
Die  Raumkunst-Abteilung  gliedert  sich  in  Gruppen  einheitlich  zusammen- 
gefaßter Räume  jeder  Bestimmung  (besonders  Wohnräume)  und  in  Einzel- 
abteilungen, in  denen  die  Erzeugnisse  aller  Techniken  und  Industrien  der 
Wohnkunst  ausgestellt  werden.  Bei  der  aufsteigenden  Richtung,  in  der 
sich  die  neuzeitliche  Geschmackskultur  bewegt,  wird  die  Raumkunst-Aus- 
stellung in  Leipzig  zweifellos  ein  glänzendes  Zeugnis  von  der  hohen  Blüte 
der  Kunst,  des  Kunstgewerbes  und  der  Innendekoration  ablegen.  Der 
Charakter  der  Ausstellung,  als  der  ersten  Weltausstellung  für  Bau-  und 
Wohnwesen,  bürgt  dafür,  daß  die  Raumkunst  nicht  nur  eine  würdige 
Vertretung,  sondern  auch  die  besondere  Beachtung  und  Würdigung  aller 
Besucher  der  Ausstellung  finden  wird.  Um  eine  einheitliche  Wirkung  zu 
erzielen,  wird  für  die  Abteilung  „Raumkunst"  ein  besonderes  Gebäude  an 
hervorragender  Stelle  errichtet,  das  sich  den  künstlerischen  Bedürfnissen 
der  Aussteller  anpassen  soll.  Den  Mittelpunkt  der  Raumkunst-Ausstellung 
wird  ein  gewaltiger  Repräsentationsraum  bilden,  in  dem  die  festlichen 
Veranstaltungen  der  Ausstellung  sich  abspielen  werden.  An  diese  aufs 
prächtigste  ausgeschmückte  Halle  schließen  sich  die  Ausstellungen  der 
einzelnen  Firmen  an.  Die  Leipziger  Raumkunst-Industrie  wird  in  einer 
besonderen  Kollektivgruppe  vertreten  sein. 

TJEIMATSCHUTZMITTEILUNGEN.  Der  Landesverein  Säch- 
■*•  •*■  sischer  Heimatschutz  versendet  soeben  das  fünfte  Heft  des  Bandes  II 
seiner  Mitteilungen,  das  in  einer  langen  Reihe  von  Aufsätzen  mit  reichen 
Illustrationen  die  umfangreiche  Tätigkeit  des  Landesvereins  auf  dem  Ge- 
biete des  Heimatschutzes,  des  Naturschutzes,  der  Volkskunst,  des  Vogel- 
schutzes usw.  schildert.  In  einem  einleitenden  Aufsatze  wird  die  im 
Entstehen  begriffene  Leipziger  Gartenstadt  Marienbrunn  aus  der  Feder 
des  Herrn  Stadtbauinspektor  Strobel  in  klarer  und  ansprechender  Weise 
geschildert.  Artikel  über:  Volkskunst  und  Heiraatgefühl,  Der  alte  Elias- 
kirchhof in  Dresden,  Der  Eisvogel,  Heimatschutz  und  Vogelschutz,  Der 
Entwurf  des  neuen  Fischereigesetzes  für  das  Königreich  Sachsen  vom 
Standpunkte  des  Naturschutzes  aus,  Kleinarbeit  aus  der  Bauberatungs- 
stelle des  Heimatschutzes,  Kinematographentheater  und  Reklame,  Zur 
Bekämpfung  der  Auswüchse  der  Reklame,  Neue  sächsische  Töpferwaren, 
Neue  vorbildliche  Bauten  in  Stadt  und  Land,  füllen  das  äußerst  wert- 
volle Heft,  das  so  recht  geeignet  ist,  dem  Heirnatschutz  neue  Freunde 
zu  gewinnen.  Als  Mitarbeiter  sind  zu  nennen:  Hofrat  Professor  Seyffert, 
Professor  Dr.  Braeß,  Stadtbaurat  Rieß  (Freiberg),  Marianne  L.  West- 
pfahl. Dem  Buche  sind  zwei  Merkblätter  über  Naturschutz  beigegeben, 
die  das  Publikum  und  besonders  die  Jugend  über  die  Zwecke  der 
Naturschutzbewegung  aufklären  und  besonders  zur  Mitwirkung  anregen 
sollen.  Dem  Hefte  sind  Werbeschreiben  des  Landesvereins  zur  Ge- 
winnung neuer  Mitglieder  beigelegt.  Die  Mitgliedschaft  beträgt  Mk.  5 
jährlich  bei  kostenloser  Zustellung  der  reichillustrierten  Mitteilungen, 
und  kann  jedem  Freunde  unserer  sächsischen  Heimat  der  Beitritt  nur 
warm  empfohlen  werden.  Das  Heft  ist  durch  die  Geschäftsstelle  des 
Heimatschutzes  und  durch  den  Buchhandel  zum  Preise  von  Mk.  1,20  für 
Nichtmitglieder  zu  beziehen. 

irviE  WISSENSCHAFTLICHE  ABTEILUNG  DER  INTER- 
■L-'    NATIONALEN    BAUAUSSTELLUNG   LEIPZIG    1913. 

„Ein  klares  Bild  des  gesamten  Bau-  und  Wohnwesens  in  seiner  wissen- 
schaftlich-künstlerischen, wie  sozialen  und  wirtschaftlichen  Bedeutung  den 
weitesten  Kreisen  vor  Augen  zu  führen"  —  ist  die  bedeutende  Aufgabe, 
die  sich  die  „Internationale  Bauausstellung  Leipzig  1913"  gestellt  hat. 
Das  großzügige  Unternehmen  soll  die  gewaltige  Bedeutung  erkennen 
lassen,  welche  die  fruchtbringende  Zusammenarbeit  von  Theorie  und 
Praxis,  von  Wissenschaft,  Technik  und  Industrie  für  die  Entwicklung 
des  Bauwesens,  dieses  Grundpfeilers  aller  kulturellen  Entwicklung,  gehabt 
hat  und  in  immer  höherem  Maße  gewinnen  wird. 

Ähnlich  wie  bei  der  Hygiene-Ausstellung  in  Dresden  im  vorigen 
Sommer  die  vielbewunderte  Halle  „Der  Mensch",  so  soll  bei  der  Welt- 
ausstellung  für   Bau-   und  Wohnwesen    eine    wissenschaftliche   Abteilung 


dem  großen  Publikum  in  populären  Darstellungen  und  Vorführungen 
die  modernen  technischen  Errungenschaften  zeigen  und  gleichzeitig  auch 
für  den  Fachmann  von  unterrichtender  Bedeutung  sein. 

Es  ist  —  um  nur  eines  der  zu  behandelnden  Sondergebiete  zu 
nennen  —  für  die  Ausstellung  eine  Ehrenpflicht,  einmal  die  Ingenieur- 
Baukunst  den  weitesten  Kreisen  derart  darzustellen,  daß  die  Erzeugnisse 
ihrer  schöpferischen  Geistesarbeit  darin  nicht  nur  für  die  Fachwelt  An- 
regung bieten,  sondern  daß  aus  diesen  Vorführungen  auch  bei  dem 
großen  Publikum  Verständnis  für  technische  Leistungen  erweckt  wird, 
die  nicht  so  leicht  zu  erfassen  sind  wie  die  Werke  der  Architektur.  Wie 
wenig  Menschen  empfinden  die  wundervolle  Harmonie,  zu  der  die 
Gesetze  der  Sachlichkeit  mit  den  Forderungen  der  Ästhetik  in  einem 
bedeutenden  Ingenieurbau  sich  vereinigen,  in  der  Konstruktion  einer 
Eisenbrücke  z.  B.  oder  eines  gewaltigen  Eisenbeton-Gewölbes.  Wie 
gering  ist  die  Zahl  der  Laien,  die  sich  eine  Vorstellung  von  dem  ge- 
waltigen Umfang  und  der  Mannigfaltigkeit  der  wissenschaftlichen  Grund- 
lagen zu  machen  vermögen,  aus  denen  das  Bau-  und  Wohnwesen  und 
die  ihm  dienenden  Industrien  sich  zu  ihrer  hohen  Blüte  entwickelt 
haben!  Wer  glaubt,  daß  die  nüchterne  Rechnung  des  Ingenieurs  zu 
einer  edlen  Reinheit  der  architektonischen  Form  sich  zu  steigern  ver- 
möchte, daß  dort,  wo  der  Industrialismus  mit  eiserner  Energie  seine 
Forderungen  stellt,  auch  die  Blume  der  Schönheit  blüht? 

Die  Leitung  der  wissenschaftlichen  Abteilung  der  Bauausstellung 
liegt  in  den  Händen  des  Herrn  Regierungsbaumeister  Ewerbeck  aus 
Berlin.  Ein  eigener  stattlicher  Palast  wird  an  beherrschender,  erhöht 
liegender  Stelle  des  Ausstellungsgeländes  errichtet  —  eine  Akropolis 
der  Bauwissenschaft.  Dieser  Palast  wird  die  wissenschaftliche  Abteilung 
nach  einem  großzügigen  Programm  beherbergen,  das  —  von  der  Auf- 
zählung der  Unterabteilungen  abgesehen  —  folgende  Hauptpunkte  um-, 
faßt:  Die  wissenschaftliche  Durchbildung  von  Bauwerken  als  erste  Ab- 
teilung, zu  der  die  Gewinnung  der  Grundlagen  für  Bauentwürfe,  die 
Gewinnung,  Bearbeitung  und  Prüfung  der  Baustoffe,  die  Ausführung 
von  Bauten,  die  Darstellung  von  Bauentwürfen  im  allgemeinen  und  im 
besonderen  die  Grundlagen  bilden  werden.  Als  zweite  große  Abteilung 
umfaßt  es  die  künstlerische  Durchbildung  von  Bauwerken  und  ihrer 
Umgebung.  In  der  dritten  Abteilung  stellt  es  die  wissenschaftliche  und 
künstlerische  Durchbildung  von  Gesamtanlagen,  Städtebau  und  Siedelungs- 
wesen  dar;  in  einer  vierten  beleuchtet  es  die  Gesundheitspflege  und  die 
soziale  Fürsorge  im  Bauwesen. 

Außerhalb  der  eigentlichen  wissenschaftlichen  Abteilung  wird  die 
Bauwissenschaft  auch  in  den  einzelnen  Industriehallen,  wo  sich  die 
Notwendigkeit  einer  Ergänzung  der  industriellen  Ausstellungen  ergibt, 
gelegentlich  auftreten.  Ferner  werden  die  Ausstellungspaläste  des 
Sächsischen  Staates  und  der  Stadt  Leipzig  eine  Fülle  wissenschaft- 
lichen Stoffes  bieten.  Das  Ausland  wird  zum  Teil  in  den  einzelnen 
wissenschaftlichen  Gruppen  vertreten  sein;  es  werden  aber  auch  einige 
ausländische  Staaten  eigene  Pavillons  errichten.  So  wird  die  Wissen- 
schaft auf  dieser  Weltausstellung  des  Bau-  und  Wohnwesens  in  über- 
zeugender Weise  darlegen,  daß  die  Entwicklung  der  menschlichen  Kultur 
im  innigen  Zusammenhang  mit  dem  Bauwesen  steht,  daß  auch  heute 
noch,  wie  in  den  Glanzzeiten  kultureller  Entwicklung,  in  den  Werken 
der  Baukunst  die  Kultur  eine  erhabene  Ausdrucksmöglichkeit  findet. 
Das  unaufhörliche  Wachsen  des  Weltverkehrs,  die  soziale  Entwicklung 
unserer  Zeit  wären  nicht  möglich  gewesen  ohne  die  technischen  Fort- 
schritte auf  dem  Gebiete  des  Bauwesens.  Deshalb  muß  der  Gedanke, 
auf  dieser  Ausstellung  die  Bauwissenschaft  in  einer  lehrhaften,  für  den 
Fachmann  anregenden  und  dem  Laien  verständlichen  Weise  restlos  zur 
Darstellung  zu  bringen,  dankbar  anerkannt  und  als  rechtes  Kind  unserer 
Zeit  begrüßt  werden. 


Die  Unterlagen  aller  zur  Ausschreibung  gelangenden  Wettbewerbe 
können  in  den  Geschäftsräumen  des  Verlags  Ernst  Wasmuth  A.-G., 
Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35,  wochentäglich  in  den  Stunden  von 
10 — 4  Uhr  unentgeltlich  eingesehen  werden. 


Verantwortlich,  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Beriin.  -  Veriag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Beriin  W.  66.  -  Gedruckt  bei  Herrose  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  -  Klischees  von  Cari  Schütte,  Beriin  W. 


V- 


9.  Jahrgang 


1912 


7.  Heft 


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STÄDTEBAU. 


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I  **  NEBST  EINER  SONDERBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  *^ 

INHALTSVERZEICHNIS :  Bebauungsplan  für  die  Gemeinde  Irchwitz  bei  Greiz  (ReuB).    Von  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Geländeplastik  und  Bebauungs- 
plan.    Von   Abendroth,  Königl.  Vermessungsdirigenten  bei  der  Landesaufnahme,  Berlin-Friedenau.  —  Ansbach.     Von  Dipl.-Ing.  Fr.  Reuter,  Ansbach.  — 
Die  Bedeutung   der   Gärten   für   das    Sommerklima   der   Großstädte.     Von   Professor   H.  Chr.  Nußbaum,   Hannover.    —    Die   Siegesallee   in   Berlin.     Von 
Br.  Schwan,  Zabrze,  O.-S.     Eine  Studie.   —  Mitteilungen.  —  Neue  Bücher  und  Schriften.  —  Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


BEBAUUNGSPLAN  FÜR  DIE  GEMEINDE 

IRCH^ATIXZ     BKI     GREIZ     (RKUSS).*^        merzu  Doppeltafel  SeS?. 


Von  THEODOR  GOECKE,  Berlin. 

Das  in  No.  1  des  Jahrganges  gegebene  Versprechen 
einlösend  —  siehe  den  Aufsatz:  Entwurf  zum  Bebauungs- 
plan für  Fürstenwalde  —  lasse  ich  heute  den  Bebauungsplan 
für  Irchwitz,  einen  Vorort  von  Greiz,  folgen.  Im  Gegensatz 
zu  der  im  Spreetale  flach  gelegenen  Stadt  Fürstenwalde  ein 
auf  einem  Höhenrücken  gelegenes  Dorf,  das  um  rund  120 
bis  130  m  sich  zu  dem  mit  Fabriken  besetzten  Aubachtal 
ziemlich  steil  abdacht.  Dort  eine  Mittelstadt,  hier  ein  Fabrik- 
arbeiterdorf. 

Der  Bebauungsplan  für  die  stark  ansteigende,  land- 
schaftlich bevorzugte  Gemarkung  Irchwitz  hat  vor  allem 
darauf  Rücksicht  genommen,  daß  unter  möglichster  Ein- 
schränkung der  Erdarbeiten  und  Erzielung  guter  Steigungs- 
verhältnisse, übersichtliche  Straßenverbindungen  mit  Greiz 
und  dem  alten  Ortsteil  geschaffen  werden;  dabei  aber  auch 
Baublöcke  entstehen,  die  eine  günstige  Bebauung  zulassen. 
Den  gesundheitlichen  Forderungen  ist  durch  Anlage  von 
Spiel-  und  Erholungsplätzen,  Parkanlagen,  Rechnung  ge- 
tragen.    Die  Gesamtbearbeitung  ist  dann  unter  Zugrunde- 

*)  Mitarbeiter:  Ingenieur  Landmesser  Albrecht  Stiefelhagen  in  Gera  — 
bei  dieser  Gelegenheit  sei  nachgeholt,  daß  bei  der  Ausarbeitung  des 
Fürstenwalder  Entwurfes  der  Ingenieur  und  Landmesser  Kohl  in  Halle  a.d.S. 
beteiligt  war. 


legung  der  praktischen  Anforderungen  von  architektonischen 
Gesichtspunkten  aus  erfolgt. 

Die  Hauptverkehrsstraßen  steigen  schräg  gegen  die 
Höhenkurven  an,  um  eine  Höchststeigung  von  1  :  13  nicht 
zu  überschreiten.  Dabei  ergeben  sich  nur  erheblichere 
Erdarbeiten  am  Kugelgraben.  Im  übrigen  folgen  die  Längs- 
straßen (Nebenverkehr-  wie  Wohnstraßen)  möglichst  dem 
Verlauf  der  Höhenkurven,  um  eine  für  die  Bebauung  günstige 
Blockteilung  und  für  die  ästhetische  Wirkung  erwrünschte 
Terrassierung  des  Berges  zu  erreichen;  nur  die  mehr  oder 
weniger  kurzen  Querstraßen  —  durchweg  Wohnstraßen  — 
haben  also  stärkere  Steigungen  zu  überwinden,  wobei  unter 
Umständen  durch  rampenartige  Übergänge  zu  den  Längs- 
straßen bequeme  Zuwege  zu  den  Eckgrundstücken  ge- 
wonnen werden.  In  einigen  Fällen  stellen  auch  da,  wo 
starke  Steigungen  zu  überwinden  sind  und  nur  Fußgänger- 
verkehr in  Frage  kommt,  etwa  4  m  breite  Fußwege  mit 
Treppeneinlagen  die  Verbindung  unter  den  Parallelstraßen 
her.  Die  bestehenden  Wege  sind  nach  Möglichkeit  in  die 
Straßen  einbezogen  worden. 

An  Verkehrsstraßen  ist,  abgesehen  von  den  Fällen,  in 
denen  eine  spätere  Verbreiterung  der  Straße  durch  Hinzu- 
nahme des  Vorgartens   in  Aussicht  zu  nehmen  ist,  im  all- 


78 


DER  STÄDTEBAU 


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Abb.  I 


Straßenprofile  für  Irchwitz. 


gemeinen  von  der  Anordnung  von  Vorgärten,  die  für  die 
Anlage  von  Geschäften  nur  hinderlich  sein,  auch  erhebliche 
Schwierigkeiten  namentlich  im  Einschnitte  bereiten  würden. 
Abstand  genommen,  während  sie  an  den  Wohnstraßen  fast 
durchweg  vorgesehen  sind.  Die  angenommenen  Breiten 
der  Vorgärten  schwanken  zwischen  2  und  5  m,  auf  der 
Bergseite  meist  breiter,  um  bequeme  Zuwegungen  zu  den 
Häusern  zu  ermöglichen,  an  der  Hangseite  schmaler,  um 
zu  tiefe  Fundamente  für  die  Bebauung  zu  vermeiden. 

Als  Hauptverkehrsstraßen  sind  anzusehen :  Der  Straßen- 
zug Aubachtalstraße — St.  Adelheid,  Schönfelder  und  deren 
Verlängerung,  die  Greizer  Straße;  Straße  16,  14  mit  der 
abzweigenden  Straße  1;  ferner  9,  22,  39,  33  und  32;  die 
Talstraße  mit  Straße  40,  42  und  47,  65,  59.  Auch  sind 
hierunter  noch  zu  nennen  die  Straßen  74,  75,  76  und  80. 
Als  Nebenverkehrsstraßen  sind  gedacht  No.  7,  24,  25,  27, 
17  und  57. 

Die  Tiefe  der  Baublocks  ist  derartig,  daß  fast  durchweg 
bei  doppelseitiger  Bebauung,  dem  Bedürfnis  nach  Klein- 
wohnungen angepaßt,  hinter  jedem  Hause  ein  genügend 
großer  Garten  verbleibt.  Eine  einseitige  Bebauung  ist  nur 
an  Straße  1  und  Straße  20  vorgesehen;  im  letzteren  Falle 
sind,  um  die  Rückfronten  der  Häuser  zu  verdecken,  Baum- 
pflanzungen zu  empfehlen.  Eine  Randbebauung  erhalten 
zwei  mit  inneren  öffentlichen  Gartenanlagen  geplante  größere 
Baublöcke,  sowie  der  im  Südwesten  belegene  Friedhof,  zum 
Teil  auch  der  im  Südosten  geplante. 

Außer  zwei  Kirchplätzen  mit  anschließenden  Friedhöfen 
sind  Spielplätze  bzw.  Parkanlagen  vorgesehen:  Im  südwest- 
lichen Teil  nahe  bei  der  entstehenden  Arbeitersiedelung  der 


Güntherschen  Papierfabrik,*)  im  Südosten  in  der  Nähe  des 
geplanten  Kirchplatzes,  im  Norden  schließlich  bei  der  be- 
stehenden Kirche  und  am  Kugelgraben.  Großes  Gewicht  ist 
gelegt  auf  eine  günstige  Gestaltung  der  Straßenkreuzungen,  die 
infolge  der  bedeutenden  Höhenunterschiede  sich  durch  An- 
ordnung von  Stütz-  und  Futtermauern  in  einfachster  Form, 
aus  der  Not  eine  Tugend  machend,  reizvoll  ausbilden  lassen. 
Auch  auf  die  Ausführung  der  Umwährungen  insonderheit  der 
Eckgrundstücke  und  die  Gestaltung  der  Bauten  selbst  wird 
großer  Wert  zu  legen  sein;  die  Wirkungen  des  bestdurch- 
dachten und  durchgearbeiteten  Bebauungsplans  können  durch 
verfehlte  Bauten  in  Frage  gestellt  werden.  Zum  Teil  sind  auch 
aus  ästhetischen  Gründen  durchgehende  Querstraßen  ver- 
mieden, da  sonst  bei  der  Verschiedenheit  des  Gefälles  häßliche 
Überschneidungen  das  Straßenbild  beeinträchtigen  würden. 

Bestimmte  Geländeteile  sind  für  Fabrikbauten  auf  Wunsch 
des  Gemeindevorstandes  nicht  abgesondert. 

Die  Baufluchtlinien  im  alten  Ortsteil  haben  nur  insoweit 
eine  Änderung  erfahren,  als  aus  Verkehrsrücksichten  und 
um  gute  Straßenbilder  zu  erhalten,  erforderlich  schien.  Vor- 
gärten sind  hier,  wo  sie  bereits  bestanden  haben,  belassen 
worden,  sofern  ihre  Beseitigung  zur  Verbreiterung  der 
Straße  nicht  erforderlich  war. 

Über  die  Art  der  zu  wählenden  Bauweise  bleibt  zu 
sagen,  daß  die  dort  typischen  Reihenhäuser  möglichst  bei- 
behalten werden  sollten,  insbesondere  an  den  Plätzen;  im 
übrigen  kann  auch  für  bestimmt  abgegrenzte  Teile  die 
offene  Bauweise  in  Frage  kommen. 


*)  Siehe  Veröffentlichung  im  Jahrgang  1909  unserer  Zeitschrift,  Tafel  8. 


74 


t)ER  STÄDTEBAU 


GELÄNDEPLASTIK  UND  BEBAUUNGSPLAN. 

Von  ABENDROTH,  Königl.  Vermessungsdirigenten  bei  der  Landesaufnahme,  Berlin-Friedenau. 


Aus  der  von  mir  an  anderer  Stelle  eingehender  be- 
sprochenen Fülle  der  Beziehungen  zwischen  örtlichkeit  und 
Bebauungsplan  sei  ein  Kapitel  herausgegriffen,  das  weder 
dem  Architekten  noch  dem  Ingenieur  geläufig  zu  sein  pflegt 
und  das  „Geländeplastik  und  Bebauungsplan"  genannt 
sein  soll. 

Um  denBegrifFGeländeplastik  umfassend  zu  verstehen, 
muß  man  Vermessungsingenieur  und  damit  Landmesser, 
Topograph  und  Kartograph  in  einer  Person  sein.  Es  gibt 
meines  Wissens  kein  Lehrbuch  der  Ingenieurwissenschaften 
und  der  Architektur,  das  auch  nur  das  Wort  „Geländeplastik", 
geschweige  denn  seine  Erklärung,  enthielte.  Deshalb  zeigen 
auch  alle  Pläne,  die  zu  Bebauungsplan-  oder  überhaupt  zu 
irgendwelchen  anderen  Entwürfen  verwandt  werden,  in  der 
Geländedarstellung  eine  erschreckende  Unrichtigkeit. 

Die  Höhenschichtlinien,  die  der  Ingenieur  und  meistens 
auch  der  von  ihm  beeinflußte  Landmesser  bisher  gezeichnet 
haben,  geben  ausnahmslos  eine  Karikatur  von  dem  Gelände, 
d.  h.  von  den  Oberflächenformen,  nicht  aber,  wie  es  sein  soll, 
ein  Porträt  wieder.  Ich  habe  in  meinem  Werke  „Die  Praxis 
des  Vermessungsingenieurs",  Verlag  von  Paul  Parey  in  Berlin, 
1912  —  Preis  28  Mk.  —  fast  in  allen  Kapiteln  auf  die  große 
Wichtigkeit  einer  richtigen  Geländedarstellung,  insbesondere 
auf  die  Geländeplastik,  als  den  vornehmsten  Ausdruck  der 
Oberflächenformen,  in  der  Karte  hingewiesen  und  will  mich 
hier  darauf  beschränken,  ganz  kurz  auf  meine  Ausführungen 
über  die  Bedeutung  der  Geländeplastik  für  den  Bebauungs- 
plan und  über  die  neuesten  Hilfsmittel  zu  ihrer  Erreichung 
aufmerksam  zu  machen. 

Das  Gelände,  auch  das  flacheste  und  scheinbar  ebene, 
enthält  unter  allen  Umständen  ein  System  von  Leitlinien, 
die  man  in  ihrer  Gesamtanordnung  das  Gerippe  des 
Geländes  nennt. 

Die  beiden  wichtigsten  Leitlinienarten  sind  die  Rücken- 
linien und  die  Mulden-  oder  Sohllinien.  Um  sie  mit 
Sicherheit  aufzufinden,  geht  man  die  Gefließadern,  also  die 
natürlichen  Wasserrinnen,  flußauf  bis  zu  ihren  Quellen  oder 
sonstigen  Ursprungsstellen  und  findet  so  zunächst  die 
Wasserscheiden,  die  fast  stets  auf  den  tiefsten  Stellen 
der  Rückenlinien  oder  auf  den  sogenannten  Sätteln  liegen. 
Die  Sättel  setzen  als  selbstverständlich  voraus,  daß  in  ihnen 
immer  zwei  Höhen-  oder  Rückenlinien  und  zwei  Tiefen- 
oder Muldenlinien  zusammenstoßen.  Sie  sind  also  die 
wichtigsten  Ausgangspunkte  für  die  Geländedarstellung. 

Da  nun  die  Verästelung  der  Gefließadern  nach  oben  hin 
eine  außerordentlich  feine  ist,  dergestalt,  daß  die  Abfluß- 
rinnen immer  zahlreicher  und  darum  immer  weniger  ein- 
geschnitten erscheinen,  so  sind  sie  schließlich  in  ihrer 
feinsten  Erscheinungsform  die  Linien  des  stärksten 
Gefälles,  die  in  den  topographischen  Karten  signaturen- 
artig als  Bergstriche  zum  Ausdruck  zu  gelangen  pflegen. 

Will  man  also  ohne  genaue  Höhenmessungen  an  der 
Hand  vorhandener  Lagepläne  eine  zuverlässige  Gelände- 
darstellung erreichen,  so  muß  man  vor  allen  Dingen  zuerst 
die  Linien  des  stärksten  Gefälles  oder  die  Bergstriche  an- 
gesichts der  Natur  in  den  Plan  einskizzieren.  Da  die  Höhen- 


schichtlinien oder  Horizontalkurven  die  Verbindungslinien 
gleich  hoch  gelegener  Punkte  sind  und  deshalb  in  ihrer 
Horizontalprojektion  unbedingt  rechtwinklig  zu  den  Linien 
des  stärksten  Gefälles  liegen  müssen,  so  ergibt  es  sich  von 
selbst,  daß  sie  um  so  genauer  werden,  je  mehr  Linien  des 
stärksten  Gefälles  nach  der  Natur  eingezeichnet  worden  sind. 

Nun  sind  aber  der  Wiedergabe  solcher  Gefällinien  die- 
jenigen Grenzen  gesetzt,  die  sich  aus  der  Geländebeschaffenheit 
und  den  zur  Verfügung  stehenden  Aufnahmemitteln  von  selbst 
ergeben.  Man  muß  sich  in  der  Hauptsache  damit  begnügen, 
die  charakteristischen  Gefällinien  einzumessen  oder 
auch  nur  einzuskizzieren  und  im  übrigen  die  Geländeplastik 
nach  der  Natur  durch  Formenlinien  wiederzugeben. 

Neben  den  Rückenlinien,  als  den  Verbindungen  der 
höchsten  Punkte  (Wasserscheiden),  und  den  Muldenlinien, 
als  den  Verbindungen  der  tiefsten  Punkte  (Sohlen),  sind  zur 
richtigen  Geländewiedergabe  vor  allen  diejenigen  Geripp- 
linien  nötig,  die  erkennen  lassen,  ob  das  zwischen  den 
Rücken-  und  Muldenlinien  liegende  Geländestück  eine 
Kuppe,  ein  Buckel,  eine  Nase,  ein  flacher,  ein  ge- 
wölbter oder  ein  hohler  Hang,  ein  Kessel  oder  eine 
Schlucht  u.  dgl.  ist.  Das  läßt  sich  alles  durch  wenige 
charakteristische  Gefällinien  und  durch  rechtwinklig  dazu 
verlaufende  Formenlinien  wiedergeben,  die  beide  keine 
bestimmten  Höhen  über  dem  Normalhorizont  zu  verbinden 
oder  anzugeben  brauchen,  sondern  lediglich  als  unentbehr- 
liche Leitlinien  für  die  richtige  Interpolation  der  Schicht- 
linien zwischen  wenigen  gemessenen  Höhenpunkten  und 
dadurch  für  die  Geländeplastik  in  den  Karten  dienen  sollen. 

Wo  zahlreiche  Messungen  vorliegen,  zeichnet  man  ohne 
weiteres  die  Schichtlinien  an  Ort  und  Stelle  in  ihrer  richtigen 
Lage  ein,  indem  man  sich  zuerst  die  Mulden-,  dann  die 
Rückenlinien  aufsucht  und  auf  ihnen  die  Schichtenschnitte 
nach  Schätzung  angesichts  der  Örtlichkeit  interpoliert. 
Daraus  ergibt  sich  von  selbst,  daß  die  Gelände- 
punkte beim  Messen  nicht  nach  Belieben,  sondern 
immer  nur  in  den  Rücken-  und  Muldenlinien  dort 
gewählt  werden,  wo  Gefällwechsel  sind,  d.  h.  wo 
das  Gefälle  stärker  oder  schwächer  wird.  Man  kann 
dann  die  Anzahl  der  Meßpunkte  auf  ein  Mindestmaß  be- 
schränken. 

Es  muß  einleuchten,  daß  diese  topographische  Art  der 
Geländeaufnahme  und  -darstellung  den  Vermessungsingenieur 
vor  allen  anderen  in  erster  Linie  auch  dazu  befähigt,  mit 
Leichtigkeit  und  Sicherheit  die  günstigste  Lage  neuer  Straßen, 
Wege  und  Entwässerungsanlagen  zum  Gelände  und  damit 
überhaupt  herauszufinden.  Denn  vom  Gelände  hängen  die 
Bewirtschaftung  und  danach  wieder  die  Eigentumsgrenzen 
und  die  günstigsten  Ausnützungsmöglichkeiten  ab.  Da  diese 
drei  sich  wie  Ursache  und  Wirkungen  verhalten  und  das 
Gesetz  der  Zweckmäßigkeit  befolgen,  so  muß  das,  was 
für  das  Gelände  das  Zweckmäßigste  ist,  auch 
für  den  Bebauungsplan  das  Beste  sein. 

Die  natürliche  Folge  davon  ist,  daß  ein  gesundes  Wirt- 
schaftsideal angestrebt  wird,  und  daß  es,  je  schwieriger  das 
Gelände  wird,  um  so  weniger  Entwurfsmöglichkeiten  gibt, 


75 


DER  STÄDTEBAU 


da  immer  nur  eine  Losung  die  dem  Gelände  in  allen  Punkten 
gerecht  werdende  sein  kann* 

Man  wird  also  immer  nur  dann  einen  vollkom- 
menen Bebauungsplanentwurf  erreichen  können, 
wenn  man  ein  vollkommenes  Geländebild  als  Unter- 
lage benutzt. 

Wie  gelangt  man  am  besten  dazu? 

In  die  Geländeaufnahmen  der  Ingenieure  und  Landmesser 
ist,  wie  in  so  viele  andere  technischen  Fächer,  ein  vor- 
herrschender Zug  übertriebener  Zahlenmethodik  hinein- 
gekommen. Der  geodätische  Unterricht  hat  manches  gute 
Alte  lediglich  deshalb  ausgeschaltet,  weil  das  Idol  „Zahl" 
nicht  genügend  dabei  zur  Geltung  kam,  und  dabei  auch 
ein  gut  Teil  gesunden  Menschenverstand  mit  bei  Seite  ge- 
schoben. Dazu  gehört  unter  anderem  der  Meßtisch,  mit 
der  tachymetrischen  Kippregel,  der  sich  fast  nur  noch  bei 
der  von  ausschließlich  praktischen  Grundsätzen  geleiteten 
Militärtopographie  in  Ehren  erhalten  und  dort  zu  vorzüg- 
lichen Ergebnissen  geführt  hat. 

Ich  will  hier  nicht  auf  die  Meßtischtopographie  weiter 
eingehen,  sondern  verweise  deswegen  auf  mein  obengenanntes 
Werk.  Mir  kommt  es  hier  nur  darauf  an,  auf  ein  ganz  neues 
und  in  Ingenieur-  und  Architektenkreisen  noch  wenig  be- 
kanntes Aufnahmeverfahren  aufmerksam  zu  machen,  das 
bei -sehr  vereinfachter  Feldarbeit  geeignet  ist,  die  beste  Ge- 
ländeplastik zu  erzielen  und  bis  zu  einer  gewissen  Grenze 
sogar   das   topographische  Meßtischverfahren   zu    ersetzen. 

Das  ist  die  Stereophotogrammetrie. 

Man  kann  bekanntlich  von  jedem  Gegenstande  ein 
körperlich  erscheinendes  Bild  dadurch  erhalten,  daß  man 
von  einer  kurzen  Basis  aus  zwei  Aufnahmen  von  dem 
gleichen  Gegenstande  macht  und  sie  in  das  Stereoskop  ein- 
setzt. Die  Bildebene  muß  bei  beiden  Aufnahmen  in  der- 
selben Vertikalebene  liegen.  Je  weiter  der  Aufnahmegegen- 
stand entfernt  ist,  um  so  größer  kann  die  Basis  sein,  zumal 
sich  mit  zunehmender  Basislänge  die  Körperlichkeit  des 
Bildes  im  Stereoskop  erhöht. 

Da  nun  im  Stereoskop  jeder  Teil  des  Aufnahmegegen- 
standes bei  guten  Bildern  und  genügender  Übung  des  Be- 
obachters ebenso  plastisch  (körperlich)  erscheint,  wie  in  der 
Natur,  so  ist  es  klar,  daß  man  seine  Entfernung  von  der  Basis 
oder  Bildebene  aus  im  Bilde  zunächst  einmal  mit  der  gleichen 
Sicherheit  schätzen  kann,  wie  in  der  Wirklichkeit.  Hat  man 
also  z.  B.  ein  kleines  Landschaftsbild  aufgenommen,  so  kann 
man  die  Entfernungen  nach  den  einzelnen  Bäumen,  Häusern 
usw.  im  Stereoskop  mit  ziemlicher  Sicherheit  durch  Schätzung 
bestimmen,  wenn  man  irgendeine  bekannte  Entfernung  im 
Bilde  von  der  Basis  aus  als  Schätzungsmaßstab  zugrunde  legt. 

Das  Stereoskop  hat  aber  noch  eine  andere  Eigenschaft. 
Bringt  man  vor  jedem  der  beiden  Bilder  eine  Zeigermarke  an, 
so  erscheinen  beide  beim  Hineinblicken  als  eine  einzige  Marke, 
wie  ja  beide  Bilder  auch  als  ein  einziges  gesehen  werden. 
Diese  Marke  befindet  sich  in  dem  körperlichen  Bilde  genau 
an  der  Stelle,  wo  sich  die  aus  den  Augenpunkten  über  beide 
Marken  hinweg  laufenden  Sehlinien  in  Wirklichkeit  schneiden 
würden.  Ist  der  Markenabstand  genau  so  groß,  wie  der 
Augenpunktabstand,  so  gehen  beide  Sehlinien  parallel,  und 
der  zugehörige  Einstellpunkt  würde  unendlich  entfernt  sein. 

Daraus  folgt,  daß  man  aus  der  bekannten  Länge  der 
Aufnahmebasis,  dem  Abstände  beider  Marken  von  einander 
und  der  Brennweite  für  jeden  eingestellten  Punkt  des  Stereo- 
bildes seine  Entfernung  von  der  Aufnahmebasis  bestimmen 


kann,  und  daß  alle  Punkte,  deren  SehÜnien  denselben  Winkel 
oder  die  gleiche  Parallaxe  bilden,  auch  die  gleiche  Entfernung 
von  der  Aufnahmebasis  haben,  also,  in  einer  Vertikalebene 
parallel  zur  Vertikalebene  der  Basis  liegen  müssen.  Auch 
müssen  alle  Punkte  mit  gleicher  Höhenstellung  der  Marke 
zugleich  auch  in  derselben  Höhenschicht  liegen. 

Hierauf  beruht  das  stenophotogrammetrische  Aufnahme- 
und  Ausmeßverfahren. 

Man  geht  von  irgendeinem  in  der  Karte  oder  trigono- 
metrisch festliegenden  Punkt  aus,  bestimmt  eine  geeignete 
Aufnahmebasis  und  photographiert  von  ihren  beiden  End- 
punkten aus  unter  sorgfältigstem  Einstellen  der  beiden  Bild- 
ebenen in  die  Vertikalebene  der  Basis  mit  dem  Photo- 
theodoliten  das  aufzunehmende  Geländestück,  indem  man 
möglichst  einen  weit  entlegenen,  aber  deutlich  sichtbaren 
Gegenstand  für  beide  Aufnahmen  als  vorläufiges  Ziel  an- 
nimmt. Natürlich  muß  auch  die  relative  Höhenlage  beider 
Standpunkte  zueinander  bekannt  sein. 

Die  entwickelten  Negative  werden  in  den  Zeißschen 
Stereokomparator  in  ihrer  richtigen  gegenseitigen  Lage 
eingelegt  und  hier  genau  ausgemessen.  Dieser  Komparator  ist 
nichts  anderes  als  ein  außerordentlich  verfeinertes  Stereoskop, 
das  die  Bestimmung  der  Stereoparallaxe  eines  jeden  beliebigen 
Punktes  in  den  Aufnahmebildern  auf  '/lo  rnm  natürlichen 
Maßes  genau  gestattet.  Die  bisherigen  stereophotogram- 
metrischen  Ausmessungen  sind  bis  auf  den  Maßstab  1  :  10000 
ausgedehnt  worden,  auf  größere  noch  nicht,  so  daß  man 
also  mit  einer  Genauigkeit  von  1  bis  2  m  rechnen  kann. 

Bis  vor  kurzem  noch  mußte  man  die  Beobachtungen  im 
Komparator  für  die  Karte  erst  durch  graphischeTransformation 
auf  der  Zeißschen  Zeichenplatte  zurechtmachen.  In- 
zwischen ist  es  aber  der  Firma  Zeiß  und  dem  k.  k.  Haupt- 
mann Ed.  Ritter  von  Orel  im  militärgeographischen  Institut 
in  Wien  gelungen,  den  Komparator  durch  den  Stereoauto- 
graphen derart  zu  vervollkommnen,  daß  man  jede  beliebige 
Linie  der  Stereobilder,  also  auch  jede  beliebige  Schichtlinie, 
aus  den  Negativen  mechanisch  unmittelbar  auf  die  Karte  in 
natürlicher  Horizontalprojektion  übertragen  kann. 

Es  ist  unmöglich,  hier  auf  diese  überaus  wichtigen  Er- 
findungen näher  einzugehen.  Sie  sind  in  meinem  mehrfach 
angeführten  neuen  Werk  eingehend  beschrieben. 

Wir  wollen  uns  darauf  beschränken,  den  außerordentlich 
hohenWert  der  Stereophotogrammetrie  und  ihrer  Stereo- 
autographischen  Ergebnisse  fürBebauungsplanentwürfe 
zu  besprechen.  Natürlich  handelt  es  sich  dabei  in  erster  Linie 
um  Entwürfe  in  bewegtem  Gelände,  die  bisher  unter 
dem  Mangel  guter  Kartenunterlagen   sehr  zu  leiden  hatten. 

Nehmen  wir  an,  wir  hätten  von  dem  zu  bebauenden 
Gelände  eine  Reihe  guter  Stereobilder,  die  von  verschiedenen 
Standlinien  aus  aufgenommen  werden  müssen,  da  sonst 
Teile  des  Geländes  durch  die  Höhenkulissen,  als  welche 
die  hervorspringenden  Rücken  usw.  von  einer  Linie  aus 
wirken,  verdeckt  werden  und  nicht  auszumessen  wären. 

(Daß  die  Stereobilder  dann  das  vollkommenste  Gelände- 
bild geben,  wenn  sie  von  einer  Basis  aufgenommen  sind, 
die  senkrecht  über  dem  Gelände  liegt,  mag  hier  nur  unter 
Hinweis  auf  meine  sich  darauf  beziehenden  Darlegungen  an 
schon  genannter  Stelle  erwähnt  werden.  Die  Ballon- 
photogrammetrie  geht  mit  Riesenschritten  vorwärts  und 
verspricht,  in  absehbarer  Zeit  das  beste  topographische 
Aufnahmeverfahren  zu  werden.) 

Da  die  Beschaffung  und  Handhabung  des  Zeiß-Orelschen 


76 


DER  STÄDTEBAU 


Stereoautographen  vorderhand  noch  mit  großen  Kosten  und 
Schwierigkeiten  verbunden  ist,  kann  man  entweder  die  Auf- 
nahmeplatten an  die  Firma  Zeiß  in  Jena  oder  eine  andere  mit 
dem  Apparate  ausgerüstete  und  vertraute  Stelle  schicken  und 
dort  die  Herstellung  des  gewünschten  genauen  Gelände- 
planes ausführen  lassen,  oder  man  begnügt  sich  mit  einer 
schätzungsweisen  Ausmessung  und  annähernden  Krokierung 
des  Geländes  durch  ein  gewöhnliches  Stereoskop.  In  diesem 
Falle  ist  es  zur  Erreichung  einigermaßen  brauchbarer  Er- 
gebnisse nötig,  die  Höhen  besonders  charakteristischer 
Punkte  im  Gelände  zugleich  mit  der  stereophotographischen 
Aufnahme  mit  Barometer,  Bergdiopter  oder  sonst  annähernd 
genau  zu  bestimmen  und  zwischen  sie  die  Schichtlinien  im 
Stereoskop  einzuschätzen. 

Hat  man  so  ein  brauchbares  plastisches  Schichtlinien- 
bild erhalten,  worin  auch  die  vorhandenen  Wege,  Gefließ- 
adern,  Grenzen  und  Baulichkeiten  zum  Ausdruck  kommen, 
also  vielleicht  einen  stereoautographisch  ergänzten  Über- 
sichtsplan 1 :  10000,  so  entwirft  man  darin  die  für  das  Ge- 
lände usw.  zweckmäßigsten  Linien  der  Hauptstraßen  und 
kann  nun  diese  Linien  aus  der  Horizontalprojektion  mittels 
des  Stereoautographen  rückwärts  in  eine  Photographie  und 
aus  dieser  wieder  mittels  eines  Handstereoskops  ohne  Mes- 
sungen mit  bloßen  Fluchtstäben  oder  dergleichen  in  die 
örtlichkeit  übertragen.  Auf  diese  Weise  erhält  man  die  nicht 
hoch  genug  einzuschätzende  Möglichkeit,  in  schwierigem 
Gelände  ohne  langwierige  Versuchsabsteckungen  und 
-messungen  lediglich  mit  Hilfe  von  Stereobildern,  Stereo- 
autographen und  Stereoskop  diejenigen  Straßenlinien  aus- 
zuprobieren, die  die  für  das  Gelände  natürlichen  und  darum 
zweckmäßigsten  sind. 

Da  weder  der  Ingenieur  noch  der  Landmesser  bisher  ge- 
wohnt waren,   die  Photographie  zahlenmäßig  auszuwerten. 


so  haben  beide  noch  ein  gewisses  Mißtrauen  gegen  die  Ver- 
wendbarkeit des  photogrammetrischen  Meßverfahrens.  Auch 
der  Architekt  hat  sich  damit  bisher  nur  in  recht  veralteter 
und  schwerfälliger  Weise  beschäftigt.  Überzeugen  sich  erst 
einmal  alle  drei  durch  Ausprobieren  des  Verfahrens  in 
kleinen  Maßstäben  (1 :  5000  bis  1 :  10000)  von  seiner  großen 
Brauchbarkeit  zur  Erreichung  naturgetreuer  Schichtlinien- 
bilder, so  wird  sich  auch  bald  der  zweckmäßigste  Weg 
zeigen,  die  Stereophotogrammetrie  für  solche  Bebauungs- 
pläne allgemein  verwendbar  zu  machen,  die  auf  die  Ge- 
ländeplastik weitgehendste  Rücksicht  nehmen  und  so  der 
Örtlichkeit  ihre  künstlerischen  und  wirtschaftlichen  Geheim- 
nisse ablauschen  müssen. 

Noch  weniger,  als  man  eine  Landstraße,  einen  Fahrweg 
oder  eine  Bahn  in  bewegtem  Gelände  ohne  sorgfältigste 
Ausnützung  der  Geländeeigentümlichkeiten  entwerfen  und 
abstecken  darf,  ist  es  bei  Städten  mit  schwierigen  Boden- 
verhältnissen angebracht,  zusammenhängende  Straßenpläne 
ohne  inniges  Anschmiegen  an  die  Geländeplastik  anzulegen. 
Das  haben  gerade  die  Baukünstler  des  Mittelalters  und  der 
Renaissance  getan  und  sind  uns  Jüngeren  darum  so  weit  voraus. 

Sie  haben,  wie  es  jetzt  noch  der  Landwirt  und  der  Forst- 
mann tuen,  ausschließlich  in  der  Natur  selbst  geplant  und  so 
die  schönen  Straßenzüge  erreicht,  die  wir  neuerdings  ohne 
Kenntnis  der  Natur  auf  mechanisch  interpolierten  und  darum 
grundfalschen  Schichtlinienplänen  nachmachen  wollen. 

Nehmen  wir  anstatt  der  Natur  ihre  Stereobilder  zur 
Hand  und  verfahren  wir  wie  oben  angegeben,  so  werden 
wir  den  Alten  durch  Ausnutzung  der  Geländeplastik  näher 
kommen,  etwas  Lebendiges  schaffen  und  wieder  einen  Zopf 
beiseite  werfen,  den  ich  an  anderer  Stelle  Planarchitektur 
genannt  habe,  und  der  nicht  weniger  gefährlich  ist,  als  die 
viel  beleumdete  Plangeometrie. 


ANSBACH. 


Von  Dipl.-Ing.  FR.  REUTER,  Ansbach 


Eine  vom  Städtebaukünstler 
fast  noch  unentdeckte  Städte- 
schönheit     ist      die      ehemalige 

Hohenzollernmarkgrafenstadt 
Ansbach.  Zwischen  den  mittel- 
alterlich-romantischen Bürger- 
städten Nürnberg  und  Rothenburg 
gelegen,  bietet  sie  im  Gegensatz 
zu  diesen  das  einheitliche  und 
noch  unberührte  Bild  einer 
sonnigen,  kleinen  Residenzstadt 
aus  der  Barock-  und  Rokokozeit. 

An  den  Ring  der  alten  Stadt, 
wie  sie  sich  um  die  beiden 
Kirchen  gruppiert,  lehnt  sich 
das  Markgrafenschloß ;  an  dieses 
schließen  sich  die  Neubauten 
des  18.  Jahrhunderts,  in  fran- 
zösischem Geschmack,  durch 
regelmäßige  Straßenzüge  zu 
großer  Einheitlichkeit  zusammen- 
gefaßt» 


Abb.  2.    Lageplan  und  ProfUe  der  Maximilianstraße  und  Promenade  in  Ansbach 


77 


DER  STÄDTEBAU 


Das  Bild  a  der  Tafel  38  zeigt 
den  Abschluß  einer  Alleestraße  (Maxi- 
miliansstraße, siehe  Plan  und  Quer- 
profil Textbild  2),  die  von  einem  der 
JWarkgrafen  von  seinem  10  km  ent- 
fernten Lustschloß  Triesdorf  schnur- 
gerade über  Berg  und  Tal  nach  dem 
Stadtkern  gezogen  wurde.  Der  ge- 
wollte Abschluß  ist  vortrefflich,  der 
Torturm  mächtig;  sehr  schön  sind 
die  konvexen  Kurven,  in  denen  die 
beiden  Straßenwände  nach  dem  Turm 
zusammengefaßt  werden;  in  den  den 
Häusern  vorgelagerten  Freitreppen 
und  durchlaufenden  Gesimslinien  sind 
sie  mehrmals  betont. 

Man  beachte  auf  der  rechten  Seite  des  Bildes  auch  die 
sonnig- vornehmen  Kavalierhäuser,  deren  geschlossene  Reihe 
eine  ruhige  und  freundliche  Straßenwand  bildet. 

Im  rechten  Winkel  anschließend  an  diese  Straße  stehen 
an  Stelle  der  alten  Stadtmauer,  ebenfalls  vornehm  und  ein- 
heitlich, die  Häuser  an  der  breiten  Promenade.  Tiefgelegene 
Gärten  füllen  den  ehemaligen  Stadtgraben  aus  und  rücken 
die  Häuserwand  weit  von  der  an  sich  schon  breiten  und 
schönen  Straße  ab,  ein  ungewöhnlich  anziehendes  Bild 
ergebend  (siehe  Querprofil). 


Jr. 


^MÜ^' 


Abb.  3.     Lageplan  des  Oberen  und  Unteren  Marktes  in  Ansbach. 


Bild  b  derselben  Tafel  gibt  den  Abschluß  des  weiten 
Ludwigsplatzes  nach  dem  Schloßplatz  und  den  Straßen  der 
inneren  Stadt.    Vgl.  damit  den  Lageplan,  Textbild  3. 

Es  sei  noch  aufmerksam  gemacht  auf  die  beideit  in 
diesem  zweiten  Plan  gezeigten  Marktplätze.  Sie  schließen 
sich  aneinander  an,  werden  aber  durch  den  stattlichen  Bau 
eines  alten  Renaissancegebäudes  (siehe  Tafel  39),  das  dem 
einen  wie  dem  anderen  Markt  einen  wirksamen  Abschluß 
sichert,  für  das  Auge  voneinander  getrennt,  ohne  daß  der 
Verkehr  eine  Störung  erleidet. 


DIE  BEDEUTUNG  DER  GÄRTEN  FÜR  DAS 
SOMMERKLIMA  DER  GROSSSTÄDTE. 


Von  Professor  H.  CHR.  NUSSBAUM,  Hannover. 


Das  Klima  der  Großstädte  weicht  von  dem  der  kleinen 
Ortschaften  ihrer  Umgebung  erheblich  ab.  Die  Winde 
werden  im  Häusermeer  der  Städte  geschwächt,  und  zwar 
in  um  so  höherem  Grade,  je  geringer  die  Luftbewegung 
überhaupt  ist.  Während  der  Sturm  eine  kaum  merkliche 
Einbuße  erfährt,  herrscht  bei  schwachen  Winden  im  Innern 
der  Städte  Windstille.  Die  einzelnen  Gebäude  und  mehr 
noch  die  Häuserzeilen  setzen  der  Luftbewegung  nennens- 
werte Widerstände  entgegen,  die  dadurch  vermehrt  werden, 
daß  an  den  rauhen  Flächen  der  Wände  und  Dächer  eine 
erhebliche  Reibung  der  Luft  stattfindet.  Die  durch  den 
Wind  hervorgerufene  Kühlung  jener  Flächen  geht  daher 
bei  mäßigem  und  schwachem  Winddruck  weit  langsamer 
vonstatten  als  in  kleinen  Ortschaften.  Da  ferner  die  Luft 
infolge  ihres  niederen  spezifischen  Gewichtes  sich  bekannt- 
lich schnell  erwärmt,  so  nimmt  die  Kühlung  der  Gebäude 
mit  der  Wegeslänge,  die  die  Luft  im  Häusermeer  zurück- 
legen muß,  rasch  ab.  Es  vergehen  z.  B.  oft  Stunden,  ehe 
den  zuletzt  von  ihr  bestrichenen  Häuserzeilen  in  den  der 
herrschenden  Windrichtung  abgekehrten  Stadträndern  über- 
haupt Wärme  entzogen  wird,  wenn  nach  warmen  Tagen 
ein  kühlender  Abendwind  sich  aufmacht. 

Diese  Vorgänge  werden  in  der  kühlen  und  kalten  Jahres- 
zeit angenehm  empfunden.  Die  Temperatur  pflegt  dann  in 
den  Innengebieten  der  Großstädte  um  mehrere  Grade  höher 
zu  liegen  als  im  Freien,  und  zwar  wächst  der  Unterschied 


mit  der  Zunahme  der  Kälte.  In  neuerer  Zeit  ist  er  in 
weiterem  Wachsen  begriffen,  weil  die  sich  allmählich 
vollziehende  Durchführung  der  Sammelheizungen  eine  voll- 
ständigere Erwärmung  der  Gebäude  bewirkt  und  der  Dauer- 
betrieb der  Heizungen  auch  nachts  erhebliche  Wärmemengen 
erzeugen  läßt,  die  sich  an  den  Außenflächen  der  Häuser 
geltend  machen.  Der  in  der  Regel  vorhandene  Windschutz 
trägt  an  sich  dazu  bei,  die  Stadtbewohner  auch  auf  der 
Straße  vor  übermäßigen  Wärmeverlusten  zu  sichern. 

Im  Sommer  ändert  sich  dagegen  die  Sachlage  in  einer 
für  das  Wohlbefinden,  das  Wohlbehagen  und  die  Leistungs- 
fähigkeit der  Städter  höchst  nachteiligen  Weise.  An  wolken- 
freien Tagen  nehmen  die  Steinflächen  der  Häuser  und  Straßen 
aus  der  Sonnenstrahlung  ungemein  hohe  Wärmemengen  auf. 
Sie  wirken  auf  den  Wärmegrad  der  Luft  zurück,  die  diese 
Flächen  bestreicht.  Tagsüber  findet  daher  durch  Leitung 
und  Strahlung  eine  gewaltige  Wärmeerhöhung  der  Gebäude 
statt,  die  durch  den  im  Sommer  hohen  Stand  der  Sonne 
vermehrt  wird.  Dagegen  wird  nachts  die  Wärmeabstrahlung 
von  den  Wand-  und  Straßenflächen  durch  das  Sichnahe- 
treten  derselben  stark  behindert,  und  ihre  Kühlung  durch 
Luftleitung  fällt  nur  dann  nennenswert  aus,  wenn  lebhafte 
Windbewegung  stattfindet.  Fehlt  sie,  dann  pflegt  die  Kühlung 
in  den  Straßen  der  Innengebiete  erst  nach  Mitternacht  sich 
geltend  zu  machen,  und  infolgedessen  die  Wirkung  der 
Auskühlung  innerhalb  der  Gebäude  weit  hinter  der  Wärme- 


78 


DER  STÄDTEBAU 


zufuhr  des  Tages  zurückzubleiben.  Bei  andauernd  warmer 
Witterung  genügt  der  Wärmespeicher,  den  die  Stadthäuser 
in  ihrem  Mauerwerk  besitzen,  trotz  seiner  meist  erheblichen 
Größe  nur  in  Ausnahmefällen  zur  Herbeiführung  des  Aus- 
gleichs. Bei  den  üblichen  Wandstärken  von  0,40  bis  0,50  m 
pflegt  bereits  nach  drei  warmen  Tagen  die  Innenfläche 
besonnter  Außenwände  einen  Wärmegrad  von  etwa  20*  C 
oder  mehr  aufzuweisen.  Bei  längerer  Dauer  der  warmen 
Witterung  steigt  dieser  Wärmegrad  zwar  langsam,  aber 
stetig.  Die  Außenwände  wirken  daher  nun  der  Auskühlung 
der  Innenräume  entgegen.  Selbst  dann,  wenn  man  während 
kühler  Nächte  Durchzug  in  ihnen  hergestellt  hat,  steigt 
nach  dem  Schließen  der  Fenster  morgens  die  Temperatur 
der  Raumluft  sofort  um  mehrere  Grade  und  pflegt  jetzt 
bereits  höher  zu  liegen,  als  es  dem  Wohlbehagen  entspricht. 
Das  rasche  Steigen  des  Wärmegrades  der  Luft  im  Freien 
erzwingt  aber  meist  schon  zwischen  6  und  8  Uhr  früh  das 
Schließen  der  Fenster.  Allerdings  können  die  Wärme- 
verhältnisse sich  gelegentlich  derartig  gestalten,  daß  im 
dauernden  Unterhalten  von  Gegenzug  das  einzige  Mittel 
verbleibt,  um  die  Raumbewohner  gegen  Wärmestauungen 
zu  schützen.  Die  Raumtemperaturen  nehmen  dann  in  er- 
höhtem Maße  zu,  weil  die  eintretenden  großen  Luftmengen 
viel  Wärme  an  die  Raumumschließungen  abgeben. 

Die  erhebliche  Erhöhung  des  Wärmegrades  besonnter 
Außenwände  hat  den  weiteren  Nachteil  im  Gefolge,  daß  sie 
nach  der  im  Freien  durch  Gewitter  eingetretenen  Kühlung 
die  Raumtemperatur  noch  mehrere  Tage  auf  unliebsamer 
Höhe  erhält,  bei  vorübergehender  Kühlung  diese  im  Ge- 
bäudeinnern  überhaupt  nicht  zur  Geltung  gelangen  läßt. 

Diese  mit  der  Größe  der  Stadt  zunehmenden  Mißstände 
bilden  eine  der  Hauptursachen  für  die  gegenwärtig  im  Sommer 
stattfindende  „Flucht"  aus  den  Städten  in  die  Bäder  und 
Sommerfrischorte.  Aber  nur  wenige  sind  in  der  glücklichen 
Lage,  ihnen  für  die  ganze  Dauer  der  sommerlichen  Glut 
entrinnen  zu  können.  Sollte  mit  dem  Jahre  1911  ein  Zeit- 
abschnitt angebrochen  sein,  der  Deutschland  wieder  Sommer 
mit  lang  anhaltender  Wärme  bringt,  dann  erscheint  es  um 
so  mehr  geboten,  an  die  Verminderung  jener  Übelstände 
tatkräftig  heranzutreten.  Es  läßt  sich  ihnen  hauptsächlich 
entgegenwirken  durch  die  sachgemäße  Gestaltung  und  Anlage 
der  Gärten  und  Höfe.  Zugleich  sollte  für  die  „Wohnstraßen" 
der  Grundsatz  mehr  als  bisher  zur  Geltung  gelangen,  daß 
die  Breite  der  befestigten  Fahrbahnen  und  Fußwege  nicht 
größer  bemessen  wird,  als  das  Verkehrsbedürfnis  in  dem 
betreffenden  Stadtteile  es  erheischt.  Denn  je  schmaler  der 
befestigte  Teil  der  Straßenfläche  ist,  um  so  geringere  Wärme- 
mengen werden  in  ihr  durch  die  Sonnenstrahlung  gespeichert 
und  um  so  leichter  läßt  sie  sich  beschatten. 

Die  Gestaltung  der  Gärten  und  Höfe  aber  hat  dafür  Sorge 
zu  tragen,  daß  sowohl  das  Einzelhaus  und  die  frei  liegende 
Gebäudegruppe  als  auch  die  geschlossene  Häuserzeile  rings 
von  Pflanzen  umgeben  werden,  und  daß  die  Sonnenseiten 
der  Häuser,  die  Straßenflächen,  beim  niederen  Haus  auch 
möglichst  große  Teile  der  Dachflächen,  durch  das  Laubwerk 
der  Bäume  Schatten  erhalten. 

Gegenwärtig  entspricht  weder  die  Durchführung  der 
Vorgartenanlage,  noch  die  Abstufung  ihrer  Tiefe  nach  der 
Himmelslage,  noch  die  Art  ihrer  Bepflanzung  dieser  be- 
deutungsvollen Aufgabe,  während  die  Durchbildung  der 
Höfe  ihr  nur  in  Ausnahmefallen  gerecht  wird.  Vielmehr 
ist  man  gegenwärtig  wieder  mehr  denn  je  geneigt,  für  die 


Gestaltung  der  Gärten  ausschließlich  ästhetische  Rück- 
sichten walten  zu  lassen,  sie  nur  als  Gegenstand  der  Haus- 
ausschmückung zu  betrachten.  Ihr  eigentlicher  Zweck,  zu 
möglichst  andauerndem  Aufenthalt  der  Hausbewohner  zu 
dienen  und  durch  Schattenspenden  das  Klima  des  Hauses 
zu  verbessern,  wird  von  der  Mehrzahl  der  Gartenkünstler 
und  Architekten  übersehen. 

Allerdings  darf  ja  zugegeben  werden,  daß  das  Sommer- 
klima der  Städte  bereits  gemildert  wird,  wenn  an  die  Stelle 
der  geschlossenen  Häusermassen  das  von  Gärten  rings 
umgebene  Einzelhaus  oder  die  Gebäudegruppe  kleineren 
Umfangs  treten.  Denn  Graswuchs  und  Blattwerk  lassen, 
solange  sie  grünen,  die  Wärmewirkung  der  Sonnenstrahlen 
nur  in  geringem  Grade  auf  den  Erdboden  gelangen,  weil 
der  größte  Teil  der  Wärme  zur  ständig  stattfindenden  leb- 
haften Wasserverdunstung  der  Pflanzen,  ein  weiterer  kleinerer 
Teil  zum  Aufbau  ihrer  Zellen  verbraucht  werden.  Es  bleiben 
daher  zwischen  den  sich  durch  die  Sonnenstrahlung  er- 
hitzenden Steinmassen  der  Häuser  und  Straßen  grünende 
Flächen,  die  sich  um  so  kühler  erhalten,  je  mehr  Wasser 
ihnen  aus  dem  Erdboden  für  die  Verdunstung  zufließt.  Von 
ihnen  geht  nach  Sonnnenuntergang  rasch  Kühlung  aus,  und 
es  entsteht  hierdurch  Luftbewegung,  weil  die  hier  abgekühlte 
und  dadurch  schwer  werdende  Luft  diejenigen  Luftschichten 
nach  oben  drängt,  die  an  den  Steinflächen  sich  erwärmen. 
Je  weitere  Abstände  die  Gärten  zwischen  den  Gebäuden 
sowie  zwischen  ihnen  und  der  Straßenbefestigung  bilden, 
um  so  ungehinderter  kann  die  Abstrahlung  von  Wärme  von 
den  Steinflächen  stattfinden,  um  so  geringer  werden  die 
Widerstände,  die  den  Winden  sich  entgegenstellen. 

Die  für  diese  Zwecke  erforderliche  freie  Lage  der  Einzel- 
häuser und  Gebäudegruppen  pflegt  im  Weichbilde  und  in 
der  nächsten  Umgebung  der  Großstädte  jedoch  nur  in  den 
Landhausvierteln  und  Gartenstadtgebieten  sich  durchführen 
zu  lassen.  Stets  aber  ist  die  Kühlhaltung  der  Hausflächen 
und  Straßenflächen  durch  Baumschatten  im  Hochsommer 
von  noch  höherem  Nutzen  als  die  Vermehrung  ihrer  nächt- 
lichen Abkühlung,  weil  die  letztere  in  dieser  Jahreszeit  von 
verhältnismäßig  kurzer  Dauer  ist,  während  die  Sonnen- 
strahlung um  Mittag  auf  den  Steinflächen  Temperaturen 
hervorruft,  die  zwischen  60  und  100"  C  schwanken,  auf 
rotem  und  dunklem  Gestein  noch  höher  auszufallen  ver- 
mögen. Ferner  bedarf  man  des  Schattens  auf  der  Straße 
für  den  Verkehr,  in  den  Gärten  zum  Aufenthalt  im  Freien. 
Denn  mit  dem  Steigen  der  Raumwärme  nimmt  das  Be- 
dürfnis nach  letzterem  zu.  Selbst  wenn  an  schattigen 
Gartenplätzen  etwas  höhere  Wärmegrade  herrschen  als  in 
den  Zimmern,  pflegt  uns  dort  eine  höhere  Wärmemenge  in 
der  Zeiteinheit  entzogen  zu  werden  als  im  geschlossenen 
Raum,  weil  die  Wärmeabstrahlung  von  der  Haut  auf  ge- 
ringere Widerstände  stößt  und  die  lebhaftere  Luftbewegung 
im  Freien  die  von  uns  gebildete  Wärme  von  der  Haut  und 
aus  der  Kleidung  rascher  abführt.  Hat  einige  Tage  warme 
Witterung  geherrscht,  dann  pflegt  in  den  Vormittagsstunden 
der  Aufenthalt  an  schattigen  Plätzen  des  Gartens  jedenfalls 
vor  dem  im  Hause  den  Vorzug  zu  verdienen. 

Um  diese  Zwecke  in  vollkommener  Weise  erfüllen  zu 
können,  bedürfen  die  Vorgärten  an  den  Sonnenseiten  der 
Wohngebäude  der  allgemeinen  Durchführung  und  einer 
größeren  Tiefe,  als  man  ihnen  gegenwärtig  im  Weichbilde 
der  Städte  zu  geben  pflegt.  Die  heute  übliche  Tiefe  von 
3  m  reicht  hierzu  nicht  aus,  die  von  5  m  muß  noch  als 


79 


DER  STÄDTEBAU 


knapp  bemessen  bezeichnet  werden.  Wertvoller  sind  Vor- 
gärten von  6  bis  8  m  Tiefe  und  mehr.  Denn  in  ihnen  erst 
lassen  sich  Bäume  von  angemessener  Höhe  mit  üppigen 
Kronen  zur  Entwicklung  bringen,  ohne  den  Gebäuden  Luft 
und  mehr  Licht  zu  rauben,  als  bei  der  großen  Himmels- 
helligkeit des  Sommers  angängig  ist.  Dafür  kann  der  Vor- 
garten an  der  Nordseite  der  Häuser  ganz  fortbleiben,  an 
den  Nordost-  und  Nordwestseiten  auf  schmale  Streifen  be- 
schränkt werden,  die  es  gestatten,  Schlingpflanzen  aii  den 
Wandflächen  emporzuziehen  und  ihnen  hierdurch  den  auch 
für  diese  Himmelslage  erforderlichen  Schutz  gegen  Sonnen- 
strahlung zu  verschaffen. 

Diese  verschiedenartige,  der  Himmelslage  angepaßte 
Tiefenbemessung  der  Vorgärten  besitzt  den  weiteren  Vorzug, 
daß  die  der  Sonne  offenen  rückwärts  gelegenen  Hausgärten 
eine  verhältnismäßig  große  und  infolgedessen  für  die  ge- 
schilderten Zwecke  ausreichende  Tiefe  erhalten.  Wo  die 
Grundstückstiefen  gering  sind,  ist  dies  bedeutungsvoll,  und 
es  empfiehlt  sich  in  diesem  Falle,  die  Tiefe  der  nach  Norden 
gerichteten  Hausgärten  auf  das  für  den  Lichteinfall  erforder- 
liche Maß  zu  beschränken,  die  sonnig  gelegenen  Vorgärten 
der  betreffenden  Häuser  aber  so  tief  wie  irgend  möglich  zu 
bemessen,  damit  sie  zum  Hauptgarten  werden.  Denn  nur 
dpr  hinreichend  besonnte  Garten  vermag  sich  reizvoll  und 
üppig  zu  entwickeln.  Der  durch  das  Haus  stark  beschattete 
Gartenteil  dient  besser  als  Spielplatz.  Er  soll  allerdings 
ebenso  liebevoll  durchbildet  werden,  daß  die  hier  bei 
warmer  Witterung  sich  bietenden  kühlen  Sitzplätze  zugleich 
Augenweide  gewähren.  Für  Spiele  und  Sport  ist  der  Sonnen- 
schutz auf  baumfreier  Kiesfläche  oder  auf  Wiesengrund 
wertvoll. 

Gleich  bedeutungsvoll  ist  die  Gestaltung  des  Hofes.  Er 
ist  leider  in  Deutschland  bisher  ein  Stiefkind  der  Hausbau- 
kunst gewesen.  Je  mehr  aber  der  Verkehr  in  den  Straßen 
mit  dem  von  ihm  ausgehenden  Geräusch  und  Staub  zu- 
nimmt, um  so  notwendiger  wird  eine  liebevolle  Durchbildung 
des  Hofes,  um  den  an  ihm  gelegenen  Gemächern  alles 
bieten  zu  können,  dessen  ihre  Bewohner  für  das  Wohl- 
befinden und  Wohlbehagen  bedürfen.  Das  sind  Lichtfülle, 
lebhafter  Luftwechsel,  angemessene  Wärmegrade,  Ruhe  und 
Augenweide.  Zu  diesem  Zweck  bedarf  der  Hof  vor  allem 
einer  der  Haushöhe  entsprechenden  Größe  und  der  gärt- 
nerischen Durchbildung.  Er  sollte  allgemein  zum  reizvoll 
gestalteten  Schmuckhof  werden,  in  dem  durch  Pflanzen- 
wuchs und  Springbrunnen  im  Sommer  Kühlung  erzielt  wird. 
Für  die  an  ihn  grenzenden  Sonnenseiten  der  Häuser  empfiehlt 
sich  die  vollständige  Bekleidung  mit  Schlingpflanzen.  Kühlung 
und  Augenweide  werden  dadurch  vereint  erzielt.  Denn  auf 
erheblichen  Baumschlag  wird  man  im  Schmuckhof  in  der 
Regel  verzichten  müssen,  um  die  von  ihm  gebotene,  meist 
nur  knapp  ausreichende  Lichtfülle  nicht  zu  verringern. 
Auch  pflegt  es  sich,  dort,  wo  der  von  Gebäuden  um- 
schlossene Hof  angeordnet  wird,  um  Häuser  von  erheblicher 
Höhe  zu  handeln,  für  die  durch  Baumschlag  nur  schwer 
ein  vollkommener  Schutz  gegen  Sonnenglut  erzielt  werden 
kann.  Ein  einzelner  schöner  Baum  oder  eine  wirkungs- 
volle Baumgruppe  vermögen  dagegen  den  Reiz  des  Schmuck- 
hofes   ganz  wesentlich   zu    erhöhen,    und    die  unter   ihnen 


gebotenen  schattigen  Sitzplätze  pflegen  im  Stadthause  be- 
sonders willkommen  zu  sein. 

Wo  die  offene  Bauweise  zur  Durchführung  gelangt,  ist 
es  geraten,  die  zwischen  den  Gebäuden  und  Gebäudegruppen 
entstehenden  meist  schmalen  Öffnungen,  die  „Gebäudewiche", 
mit  Baumschlag  und  hohem  Buschwerk  zu  füllen.  Sie 
geben  diesen  nicht  immer  vorteilhaft  wirkenden  Öffnungen 
Reiz  und  bieten  vor  allem  Schutz  gegen  die  in  ihnen  ent- 
stehenden allzu  lebhaften  Luftbewegungen.  Ferner  fangen 
sie  den  Straßenstaub  ab,  der  andernfalls  durch  die  Gebäude- 
wiche in  die  rückwärts  gelegenen  Gärten  dringt,  und  sie 
zerstreuen  und  mildern  das  hier  ebenfalls  eindringende 
Verkehrsgeräusch.  Ihr  Nutzen  ist  daher  ein  erheblicher. 
Je  nach  der  Sonnenlage  wird  man  bald  den  der  Straße 
nahen,  bald  den  am  Garten  gelegenen  Teil  der  Gebäude- 
wiche in  dieser  Weise  zu  bepflanzen  haben,  da  Bäume  und 
Sträucher  nur  in  der  Sonne  zu  voller  Entwicklung  gelangen, 
während  die  Hausflächen  hier  des  Schutzes  gegen  ihre 
Wärmewirkung  bedürfen. 

In  den  öffentlichen  Gärten  und  Stadtwäldern  bedarf  man 
für  die  Sitzplätze  wie  für  einen  großen  Teil  der  Wege  im 
Hochsommer  tagsüber  des  Schattens,  abends  dagegen  freier 
Flächen,  auf  denen  die  Abstrahlung  der  Wärme  ungehindert 
erfolgt  und  die  leiseste  Luftbewegung  sich  geltend  macht. 
In  der  kühlen  Jahreszeit  sind  solche  Flächen  zum  Ergehen 
vorteilhaft,  weil  sie  Sonne  bieten.  Zu  letzterem  Zweck 
lassen  sich  die  Park-  und  Waldränder  ausnützen,  und  es 
empfiehlt  sich,  größere  Wiesenflächen  in  ihrem  Innern  zu 
belassen,  die  mit  Wegen  umrandet  und  von  ihnen  durch- 
schnitten werden.  Für  die  zwischen  diesen  Flächen  ge- 
legenen Teile  der  Gärten  und  Waldungen  aber  sollte  Sorge 
getragen  werden,  daß  die  Wege  Sonnenschutz  bieten.  Und 
daß  die  Kühle  sich  tagsüber  zu  erhalten  vermag. 

Die  reichliche  Bewässerung  der  Gärten  ist  in  den  Städten 
ganz  besonders  nützlich,  weil  die  hierdurch  hervorgerufene 
lebhafte  Wasserverdunstung  der  Pflanzen  der  hohen  Wärme- 
aufspeicherung in  den  Gebäudemassen  kraftvoll  entgegen- 
wirkt. Die  Parkwege  bedürfen  ihrer  im  gleichen  JWaße,  um 
der  Staubbildung  entgegenzuwirken  und  so  die  Luft  staub- 
arm zu  erhalten. 

An  und  für  sich  bildet  das  Grün  der  Gärten  bekannt- 
lich ein  wii'ksames  Mittel  zur  Verbesserung  der  Stadtluft. 
Das  Blattwerk  und  die  Nadeln  der  Bäume  und  Büsche 
sowie  der  Graswuchs  der  Wiesenflächen  und  Rasen  ent- 
ziehen der  Luft  den  Staub,  weil  die  Luft  an  ihnen  sich 
reibt,  dadurch  ihre  Bewegung  verringert  und  nun  den  Staub- 
gehalt fallen  läßt.  Sprengen  und  Regen  sorgen  für  die 
Fortschaffung  der  niedergeschlagenen  Staubmengen.  Ferner 
entwickeln  die  grünenden  Pflanzen  im  Sonnenlichte  Sauer- 
stoff, so  daß  sie  dem  Sauerstoffverbrauch  durch  die  Atmung 
und  Hauttätigkeit  der  Menschen  sowie  durch  Verbrennungs- 
und Verwesungsvorgänge  entgegenwirken. 

Der  Nutzen  der  Gärten  für  das  Wohlergehen  und  das 
Wohlbehagen  der  Städter  ist  daher  ein  vielseitiger  und  er- 
heblicher. Die  für  sie  erforderliche  Platzhergabe  und  die 
für  ihre  Instandhaltung  aufzuwendenden  Geldmittel  müssen 
daher  als  wohlangebracht  bezeichnet  werden,  sobald  die 
Gärten  in  zweckmäßiger  Weise  gestaltet  werden. 


80 


b£R  STÄDTEBAU 


DIE  SIEGESALLEE  IN  BERLIN. 


Hierzu  Tafel  4Ö. 


Von  BR.  SCHWAN,  Zabrze,  O.-S.  —  Eine  Studie. 


Als  sich  in  den  ersten  Jahren  des  Entstehens  der  Sieges- 
allee die  Gemüter  erhitzten  und  die  Kritik  besonders  in  der 
Tagespresse  jede  neue  Denkmalsenthüllung  zum  Anlaß  nahm, 
um  die  Idee  dieser  Schmuckanlage  als  unkünstlerisch  in 
Bausch  und  Bogen  zu  verurteilen,  da  handelte  man  nicht 
nur  undankbar,  sondern  beging  auch  den  Fehler,  von  der 
unrechten  Seite  an  das  Werk  heranzutreten.  Man  kritisierte 
die  einzelnen  Bildwerke  als  selbständige  Kunstwerke  und 
vergaß  dabei,  daß  sie  nichts  als  Elemente  einer  Gesamt- 
anlage waren,  weil  man  die  Gesamtanlage  nicht  sah. 
Gewiß  ist  es  richtig,  daß  jedes  dieser  Denkmäler  fälsch- 
licherweise beanspruchte,  als  plastisches  Kunstwerk  ge- 
nommen zu  werden,  und  es  soll  nicht  bestritten  werden, 
daß  manches  von  ihnen  die  herbe  Kritik,  die  es  fand,  auch 
verdiente. 

Man  wurde  aber  mit  dieser  Einzelbewertung  dem 
in  der  Gesamtanordnung  steckenden  Gedanken  nicht 
gerecht. 

Daß  man  dies  nicht  konnte  und  auch  heute  noch  nicht 
kann,  mag  wohl  in  der  Hauptsache  in  der  Art  dieser  Gesamt- 
anordnung begründet  sein.  Gerade  die  Tatsache,  daß  die 
Architekten  weniger  an  dem  Streit  um  dieses  Thema  teil- 
nahmen, scheint  mir  dafür  zu  sprechen,  daß  man  den 
Grundgedanken  dieser  Gesamtanordnung  nicht  als  einen 
architektonischen,  einen  gartenkünstlerischen,  oder,  wenn 
man  will,  städtebaulichen  erkannte,  sondern  daß  man  die 
ganze  Frage  für  eine  Sache  der  Plastik  hielt. 

Stellt  man  ein  Denkmal  ins  Grüne,  so  wird  dieses  eine 
Denkmal  mit  Recht  beanspruchen  können,  als  einzelnes 
gewürdigt  und  auf  seinen  Wert  als  Plastik  beurteilt  zu 
werden. 

Setzt  man  aber  vor  grüne  Wände  zwei  Reihen  von 
Plastiken  von  gleicher  Höhe  und  gleicher  Grundanordnung 
in  gleichen  Zwischenräumen,  so  muß  das  einzelne  zum 
Element  einer  Gesamtidee  werden,  und  es  ist  nicht  durch- 
aus erforderlich,  ihm  mit  dem  ganzen  schweren  Geschütz 
ästhetischer  Anforderungen  zu  Leibe  zu  gehen,  wie  sie  das 
isolierte  Kunstwerk  mit  Recht  befriedigen  muß. 

Die  Siegesallee  ist  ein  barocker  Parkgedanke  und  nichts 
weiter.  Ihr  Wert  als  eine  Art  Ahnengalerie  kann  hierbei 
völlig  in  den  Hintergrund  treten. 

Die  Wirkung  derartiger  Parkalleen  mit  ihren  weißen 
Akzenten  auf  grünem  Grunde  kann  aber  dem  Beschauer 
nur  zur  Empfindung  kommen,  wenn  er  das  Ganze  als 
Ganzes  zu  überschauen  vermag,  und  hier  liegt,  glaube  ich, 
das  Haupthindernis. 

Die  Siegesallee  ist  leider  keine  Parkallee,  sondern  eine 
regelrechte  Straße  mit  Asphalt  und  Reitweg,  mit  Bürger- 
steigen und  Baumreihen,  erfüllt  von  großstädtischem 
Verkehr. 

Man  mute  so  etwas  alten  Fürstenparks  zu,  und  die 
Harmonie  wird  auch  dort  zerrissen  sein. 

Der  Hauptfehler  der  gegenwärtigen  Anordnung  scheint 
mir,  ganz  zu  schweigen  von  der  Unruhe  des  Verkehrs,  darin 
zu  liegen,  daß  es  völlig  ausgeschlossen  ist,  von  einem  Ende 
der  Allee  die  Gesamtwirkung  der  Fülle  weißer  Figuren  vor 


dunklen  Wänden  in  sich  aufzunehmen,  ja  sie  überhaupt  nur 
zu  sehen.  Die  doppelten  Baumreihen  auf  beiden  Seiten 
schieben  sich  schon  in  kurzer  Entfernung  vom  Blickpunkte 
zu  einer  festen  Wand  zusammen  und  lassen  allenfalls  die 
ersten  vier  bis  fünf  Figuren,  nie  aber  das  Ganze  sichtbar 
werden. 

In  die  Siegesallee  gehören  keine  Bäume,  kein  Asphalt, 
keine  Reitwege  und  kein  hastender  Verkehr. 

Man  denke  sich  zwischen  den  beiden  grünen  Wänden 
des  Parks  einen  freien  Raum  und  sämtliche  Bäume  beseitigt. 
An  der  Stelle  der  Asphaltbahn,  in  etwas  geringerer  Breite, 
ziehe  sich  ein  langgestreckter,  durch  einige  Querwege  und 
Grünanlagen  unterbrochener  Wasserstreifen  hin.  Goldig 
spiegelt  sich  die  Viktoria  darin. 

Rechts  und  links  davon  „glänzt  der  Tulpenflor"  und 
niedrige  Kugelbuxbäume  begrenzen  die  Beete  in  regelmäßigen 
Intervallen.  Dann  folgen  hüben  und  drüben  Kieswege,  so- 
weit von  den  Denkmälern  entfernt,  daß  ein  Gesamtüberblick 
möglich  ist,  und  dann  wieder  niedriger  Rasen,  aus  dem  die 
weißen  Statuen  emporwachsen. 

Ich  glaube,  die  Siegesallee  könnte  so  zu  harmonischer 
Wirkung  gehoben  werden. 

Wollte  man  diesem  Vorschlage  verkehrstechnische  Be- 
denken entgegenhalten,   auch  die   sind  zu   beschwichtigen. 

Die  beiden  vor  Kroll  und  zwischen  Siegessäule  und 
Bismarckdenkmal  angelegten  Fahrstraßen  lassen  sich  ohne 
Schwierigkeit  schnurgerade  nach  Süden  zu  verlängern.  Die 
eine  bis  zur  Bellevueallee,  oder,  wenn  man  will,  zur  Matthäi- 
kirchstraße;  die  andere  bis  zur  Lennestraße.  Es  würde  so 
nicht  nur  zugunsten  des  Verkehrs  eine  Teilung  des  Nord- 
Süd-Verkehrs  und  damit  eine  Entlastung  des  Kemper- 
platzes  geschaffen  werden,^  es  läge  auch  ein  willkommener 
Anlaß  vor,  dem  Königsplatz  einmal  tatkräftig  auf  den  Leib 
zu  rücken. 

Fehlt  die  Fahrverbindung  in  der  Richtung  der  Sieges- 
allee, so  sind  die  Kreiswege  um  die  Siegessäule  entbehrlich 
und  es  ergibt  sich  so  vielleicht  endlich  einmal  die  Möglich- 
keit, dem  Königsplatz  zu  einer  Platzwirkung  zu  verhelfen, 
die  nicht  nur  der  zu  genießen  imstande  ist,  der  die  Sieges- 
säule erklettert  oder  den  Platz  im  Ballon  überfliegt.  Es 
sind  das  natürlich  nur  Vorschläge  und  der  Anspruch  auf 
eine  endgültige  Lösung  soll  damit  gewiß  nicht  erhoben 
werden.  Aber  es  schien  mir  wünschenswert,  dieses  Steinchen 
des  Anstoßes  und  Ärgernisses  einmal  ins  Rollen  zu  bringen. 
Möge  ihm  ein  Kräftigerer  den  zweiten  Stoß  versetzen.  Wenn 
wir  erreichen,  daß  der  in  der  Siegesallee  niedergelegte  Ge- 
danke rein  herausgearbeitet  wird,  daß  auch  der  naive  Be- 
trachter den  Eindruck  eines  Kunstwerks  mit  hinwegnimmt, 
dann  haben  wir  nicht  nur  der  Stadt  Berlin  genützt,  wir 
haben  auch  ein  klein  wenig  vielleicht  unserer  Anstands- 
und Dankespflicht  genüge  getan,  denn  es  ist  nicht  ganz 
vornehm,  dem,  der  einem  ein  wertvolles  Geschenk  in  der 
unrichtigen  „Aufmachung"  überreicht,  mit  liebloser  Kritik 
zu  antworten. 

Wir  wollen  es  richtig  „aufmachen"  und  es  kann  uns 
allen   eine  Quelle    des  Genusses   und    der  Freude    werden. 


81 


t)ER  STÄDTEBAU 


MITTEILUNGEN. 


DAS  ERBBAURECHT  UND  DIE  GARTENVORSTADT 
LEIPZIG-MARIENBRUNN.  Über  dieses  Thema  hielt 
Herr  Geheimer  Justizrat  Professor  Dr.  Erman  aus  Münster  folgenden 
Vortrag : 

Die  Internationale  Baufach-Ausstellung  Leipzig  1913  soll  durch  die 
Gartenvorstadt  Marienbrunn  der  TA^elt  zeigen,  daß  in  dem  Deutschland 
der  Mietskasernen-Straßen  auch  Keime  besseren  Siedelungswesens  sich 
entwickeln.  Leipzig  als  Heimat  der  Schrebergärten  und  Sitz  schöpferisch- 
tatkräftigen Bürgersinnes  ist  dazu  berufen,  auch  in  der  Gartenstadt- 
bewegung vorbildlich  mitzuwirken.  Wie  groß  die  Sehnsucht  nach 
Ansiedelung  im  Freien  an  grünen  Wohnstraßen  ist,  zeigt  die  Zahl  der 
Anmeldungen  für  Marienbrunn,  noch  bevor  eine  eigentliche  Aufforderung 
ergangen  ist.  Wer  in  Marienbrunn  als  „Erbmieter"  sich  ansiedelt,  soll 
durch  Mitwirken  an  der  Geldbeschaffung  für  die  Gartenstadt  seine  Über- 
zeugung von  der  Nützlichkeit  des  Unternehmens  betätigen. 

Die  Gartenstadt  als  weiträumige  Siedelung  beschafft  sich  ihren 
Boden  am  vorteilhaftesten  durch  bloße  Pachtung,  d.  h.  im  Erbbaurecht. 
Das  Erbbaurecht  ist  das  Recht,  auf  einem  (fremden)  Grundstück  ein 
Bauwerk  zu  bauen,  meist  nur  auf  Zeit  und  gegen  ein  Jahresentgelt 
(Erbbauzins).  Es  ist  ein  grundbuchmäßiges  Recht,  das  vererbt,  ver- 
äußert und  —  z.  B.  zur  Baugeldbeschaffung  —  durch  Hypothek  ver- 
pfändet werden  kann.  Seiner  Einbürgerung  steht  noch  entgegen,  daß 
es  uns  ungewohnt  und  im  Gesetzbuch  unzureichend  geregelt  ist.  Trotz- 
dem ist  sie  anzustreben  wegen  der  sozialen  und  volkswirtschaftlichen 
Vorteile  des  Erbbaurechtes.  Es  ist  vor  allem  die  allein  sachgemäße 
Form,  um  öffentlichen  Bauboden  von  Reich,  Staat,  Gemeinden  der 
privaten  Bebauung  zu  erschließen,  denn  ihn  zu  veräußern  ist  oft  ein 
Frevel  gegen  unsere  Nachkommen.  Sodann  soll  das  Erbbaurecht  mit- 
wirken in  dem  Kampf  für  das  Einfamilienhaus  gegen  die  unser  Volkstum 
gefährdenden  Mietskasernen  und  gegen  deren  Hauptursache,  die  Höhe 
unserer  Baubodenpreise  und  unserer  Baubodenverschuldung. 

Das  Erbbaurecht  fördert  die  weiträumige  Bebauung,  weil  es  die 
Baunutzung  des  Bodens  verbilligt,  denn  da  dem  Grundherrn  mit  dem 
Eigentum  des  Grundstückes  auch  dessen  ganzer  Zukunftswert  verbleibt, 
ist  dieser  bei  Bemessung  des  Erbbauzinses  außer  Betracht  zu  lassen. 

Das  Erbbaurecht  behandelt  den  Boden  nicht  als  veräußerliche  Ware, 
sondern  nur  als  Rentenquelle;  nur  der  Nutzungswert  des  Bodens  wird 
auf  Zeit  vom  Eigentümer  weggegeben  und  vom  Erbbaupächter  erworben. 
Daher  die  in  Deutschland  vorwiegend  übliche  Ansetzung  des  Erbbau- 
zinses auf  4°/o  vom  Nutzungswert,  der  auf  etwa  's  des  Veräußerungs- 
wertes oder  Gemeinwertes  angenommen  wird,  also  2,4  "/o  des  Gemeinwertes. 

Die  Mietskaserne  wird  uns  aufgezwungen  durch  unsere  Bauboden- 
preise, die  außergewöhnlich  hoch  sind  gegenüber  denen  viel  reicherer 
und  länger  industrialisierter  Länder  (England,  Belgien).  Diese  Ver- 
teuerung entspringt  großenteils  unserem  technisch  vollendeten,  volks- 
wirtschaftlich aber  gefährlichen  Grundbuch-  und  Bodenkreditrecht,  ins- 
besondere unserer  Kaufpreishypothek  und  der  untilgbaren  Hypothek 
für  den  vergänglichen  Bauaufwand.     Beide  fallen  beim  Erbbaurecht  fort, 


da  hier  der  Bauende  den  Boden  nicht  (auf  Kredit)  kauft,  sondern  ihn  nur 
pachtet  —  also  keine  Kaufpreishypothek!  —  und  da  die  Baugeldhypothek 
hier  notwendig     Tilgungshypothek  ist. 

Gegen  das  Erbbaurecht  werden  vor  allem  seine  Rechtsschwierigkeiten 
ausgespielt.  Der  neue  österreichische  Erbbaugesetzentwurf  zeigt,  daß  diese 
auf  gesetzlichem  Wege  unschwer  zu  heben  sein  würden.  Aber  auch  die 
Rechtsanwendung  allein  kann  ihrer  Herr  werden  durch  geeignete  Fassung 
der  Verträge  und  durch  eine  Auslegung  der  dürftigen  Sätze  des  BGB., 
die  mit  Rudolf  Sohm,  dem  Mitschöpfer  des  BGB.  erklärt:  „Das  Erb- 
baurecht soll  nach  dem  BGB.  sein,  so  sollen  nach  dem  Willen  des 
BGB.  auch  die  Rechtsätze  sein,  welche  das  Dasein  des  Erbbaurechts 
praktisch  bedingen."  Sodann  macht  man  gegen  das  Erbbaurecht  geltend 
die  Beleihungsschwierigkeiten,  aber  für  den  Eigentümer  selbst  bestehen 
sie  auf  jeden  Fall  nicht;  er  kann  ohne  jede  Gefahr  die  auf  seinem  Boden 
errichteten  Erbbauhäuser  beleihen.  Aber  daß  auch  Dritte  auf  Erbbau- 
hypotheken mit  Sicherheit  Geld  leihen  können,  zeigt  das  Vorgehen  der 
Landesversicherungsanstalten  Sachsen,  die  die  Posadowsky- Wehner-Häuser 
in  Dresden  belieh,  und  Rheinland,  die  Arbeiterhäuser  in  Essen  bis  zu 
83°/o  belieh,  ohne  jede  andere  Sicherung  durch  Bürgschaft  oder  sonst. 
Der  Gefahr  der  Hausverschlechterung  durch  schlechte  Unterhaltung  gegen 
Ende  des  Erbbaurechts  wird  in  den  meisten  deutschen  Erbbauverträgen 
durch  Zusicherung  einer  Entschädigung  je  nach  dem  Werte  der  Häuser 
bei  Ablauf  der  Erbbaufrist  vorgebeugt.  Demselben  Zwecke  dient  in  dem 
Marienbrunner  Erbbauvertrag  die  von  der  Stadt  Leipzig  geforderte  An- 
sammlung eines  Unterhzdtungsfonds  und  die  Aufsicht  der  Stadt  über  die 
Unterhaltung  der  Häuser.  Dem  gleichen  Zwecke  dient  die  Marienbrunn 
gegenüber  in  Aussicht  genommene  Gewährung  eines  Vorzugsrechts,  falls 
das  Erbbaurecht  nach  Ablauf  der  Frist  aufs  neue  bestellt  wird. 

Die  Leipziger  Stadtverordneten  haben  seit  1899  zu  wiederholten 
Malen  sich  eingehend  mit  dem  Erbbaurecht  beschäftigt  und  1901,  1907 
und  1910  bedeutenden  Erbbauverträgen  zugestimmt.  Bei  Erörterung  des 
vorliegenden  Marienbrunner  Erbbauvertrages  wird  zu  berücksichtigen  sein, 
daß  er  nicht  nur  wie  jede  Erbbauausgabe  der  Stadt  den  zukünftigen 
Wertzuwachs  jenen  Bodens  sichert,  auch  der  Boden  selbst  kann  bei  der 
eigenartigen  Lage  gerade  dieses  Grundstückes  sehr  wohl  einst  von  hoher 
Bedeutung  für  die  Stadt  sein. 

Für  den  Augenblick  spricht  zugunsten  des  Vertrages,  daß  Leipzig 
durch  Förderung  dieser  Gartenvorstadt  den  die  Zeit  beherrschenden  Zug 
zur  Ansiedelung  im  Grünen,  der  mehr  und  mehr  den  Vororten  zustrebt, 
auf  das  eigene  Stadtgebiet  dadurch  hinlenkt.  Sodann  befördert  und  be- 
schleunigt die  Stadt  die  Besiedelung  der  weiten  umliegenden  Gebiete  und 
endlich  fördert  sie  durch  eine  weitere  Anwendung  des  Erbbaurechtes  dessen 
Einbürgerung  und  damit  die  zukünftige  Verwertung  des  weit  ausgedehnten 
Baubodenbesitzes  der  Stadt. 

Anstatt  der  dieser  Nummer  fehlenden  Tafel  wird  der  nächsten,  in 
der  wir  als  Ergebnis  des  Wettbewerbs  um  einen  Entwurf  zur  Bebauung 
der  Frankfurter  Wiesen  zu  Leipzig  zu  veröffentlichen  beabsichtigen,  eine 
Tafel  mehr  beigegeben  werden. 


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Verlegt  bei  Eugen  Diederichs  in  Jena  1912. 


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DER  STÄDTEBAU 


Dazu  schreibt  Dr.  E.  Jäckh  (Geschäftsstelle  des 'Werkbundes  zu  Berlin): 

Fünf  Jahre  sind  es  her,  daß  der  Deutsche  Werkbund  zusammen- 
getreten ist,  um  damals  „feindliche  Brüder"  zu  gemeinsamem  Werk  zu 
einigen  und  Industrie  und  Kunst  zu  verbünden,  dem  Ziel  entgegen,  die 
Güte  der  deutschen  Arbeit  zu  steigern,  sowohl  in  werklicher  Gediegenheit 
wie  in  geschmacklicher  Sicherheit.  Daß  dieser  Gedanke  grundsätzlich 
richtig  und  praktisch  notwendig  war,  dafür  spricht  unter  anderem  die 
erfreuliche  Tatsache,  daß  die  Mitgliederzahl  stetig  wächst  und  daß  sie 
beute  bereits  alle  führenden  und  maßgebenden  Persönlichkeiten  ver- 
einigt, die  des  künstlerischen  Schaffens  gewiß,  die  des  Wirtschaftslebens 
in  Bälde.  Diese  Tatsache  gewinnt  an  besonderer  Bedeutung  dadurch, 
daß  die  Mitgliedschaft  nicht  durch  Anmeldung,  sondern  durch  Einladung 
erworben  werden  kann. 

In  den  Gedankenkreis  des  Deutschen  Werkbundes  will  dieses  Jahr- 
buch hineinführen,  das  von  jetzt  an  in  regelmäßiger  Folge  erscheinen  wird. 

Zur  Andeutung  des  weltwirtschaftlichen  Grundgedankens,  der  in 
dieser  Arbeit  Künstler  und  Kaufleute,  Volkswirtschaftler  und  Wissen- 
schaftsvertreter vereinigt,  mögen  einige  kurze  Anführungen  aus  dem 
Beitrag  „Der  \Verkbund  und  die  Großmächte  der  deutschen  Arbeit"  und 
aus  dem  Kapitel  „Wo  stehen  wir?"  gestattet  sein: 

„Wir  glauben  an  die  jüngste  Lehre  der  Volkswirtschaft:  ein  großes 
Industrievolk  kann  auf  die  Dauer  nicht  davon  leben,  daß  es  die  anderen 
unterbietet;  es  muß  sie  überbieten  durch  die  Güte  seiner  Arbeit.  Die 
deutschen  Geschmacksindustrien,  wie  einst  die  französischen  und  eng- 
lischen, werden  nur  dann  eine  ^ATeltmacht  werden,  wenn  wir  zu  unserem 
technischen  Geschick,  unserem  Unternehmungsgeist  und  unserer  Wissen- 
schaft auch  einen  eigenen  reifen  Nationalgeschmack  einzusetzen  haben, 
gegründet  auf  einer  zeitgemäßen  nationalen  Kultur.  Ohne  die  Kunst 
bleiben  wir  Stümper;  mit  ihr  sind,  wir  jedem  Gegner  gewachsen.  Daß 
solcher  Wille  zur  Güte,  zur  Vorzugsarbeit,  zur  Auslese  nicht  nur  Ehre, 
sondern  auch  Gewinn  bringt,  beginnt  die  Handelsstatistik  zu  beweisen  .  .  . 
Stile  pflegen  zu  entstehen,  wenn  eine  nationale  Kulturarbeit  sich  ihre 
Form  zu  prägen  sucht.  Es  ist  kein  Trugschluß,  wenn  wir  zu  hoffen 
wagen,  daß  aus  dem  hinreißenden  wirtschaftlichen  Aufschwung  des 
deutschen  Volkes  eine  eigene  Kunst,  ein  deutscher  Stil  sich  werde  bilden 
können  .  .  .  Alles  deutet  darauf  hin,  daß  eben  jetzt  eine  solche  Stunde 
des  Schicksals  für  den  deutschen  Geschmack  geschlagen  hat.  Seit  einem 
Jahrzehnt  stehen  wir  im  Entscheidungskampf  um  einen  zeitgemäßen 
Ausdruck  unseres  nationalen  Lebens.  Es  ist  eine  Ehrensache  für  das 
deutsche  Volk,  daß  es  die  große  Stunde  nicht  verpasse  .  .  .  Denn  große 
Werte  stehen  auf  dem  Spiel.  Deutschland  ist  das  Land,  auf  dessen 
Arbeit  es  bei  der  Stilentwicklung  der  Zukunft  ankommen  wird." 


Der  Nachweis  wird  in  diesem'  Jahrbuch  versucht,  dessen  mannig- 
faltige Reichhaltigkeit  ein  Blick  in  das  Inhaltsverzeichnis  und  da«  Ver- 
fasserverzeichnis dartun  kann.  Dieses  Jahrbuch  wendet  sich  an  das 
ganze  deutsche  Volk,  insbesondere  an  Reichs-  und  Staatsbehörden,  an 
Stadtverwaltungen  und  Gemeindevertretungen,  an  Industrie,  Handel  und 
Handwerk,  an  Produzenten  und  Konsumenten.  Über  die  Organisation 
des  Deutschen  Werkbundes  und  über  den  Berufscharakter  seiner 
tausend  Mitglieder  gibt  das  letzte  Kapitel  Auskunft. 

PRISEN-  UND  EISENBETONBAU.  Gemeinverständliche  Einzel- 
^— '  darstellungen  aus  Theorie  und  Praxis  beider  Bauweisen  von  Prof, 
Dr.  J.  Kollmann,  Prof.  H.  Kayser,  Baurat  V.  Wendt  u.  a.  bedeutender 
Fachmänner.  Mit  zahlreichen  Abbildungen.  Verlag  der  Technischen 
Monatshefte  (Franckh'sche  Verlagshandlung),  Stuttgart,  gr.  8°.  igi2. 
80  S.     Geh.  2,—  Mk.,  geb.  2,80  Mk. 

Überall  sehen  wir  heute  großartige  Geschäftshäuser,  industrielle 
Anlagen  und  kühne  Brückenbauten  in  Eisen  und  Eisenbeton  entstehen. 
Die  Verwendung  des  Eisens  als  Baumaterial  begann,  als  unsere  Eisen- 
werke den  Gebrauch  des  Flußeisens  in  Form  von  Trägern  u.  a.  ermög- 
lichten. Der  Eisenbetonbau  jedoch  ist  ein  Kind  der  allerjUngsten  Zeit 
und  beginnt  trotzdem  jetzt  schon  andere  Bauweisen  zu  verdrängen;  Vor- 
teile wie  erhöhte  Feuersicherheit  und  größere  Dauerhaftigkeit  —  denen 
allerdings  auch  wieder  Nachteile,  wie  z.  B.  Abbruchsschwierigkeit  und 
dadurch  bedingte  Entwertung  des  Baugrundes  gegenüberstehen  —  werden 
ihm  nach  der  unter  den  Architekten  überwiegenden  Anschauung  bald  die 
Vorherrschaft  sichern.  Wer  sich  über  die  Geschichte,  die  verschiedenen 
Anwendungsmöglichkeiten  des  Eisen-  und  Eisenbetonbaues  im  Hoch- 
und  Brückenbau  unterrichten  will,  greife  zu  dieser  reich  mit  Abbildungen 
ausgestatteten  Einführungsschrift.  Von  ersten  Fachmännern  auf  diesen 
Gebieten  findet  er  dort  in  gemeinverständlicher  Darstellung  beide  Bau- 
weisen theoretisch  und  ihrem  praktischen  Wert  nach  gewürdigt.  Die 
Abbildungen  lassen  auch  die  architektonische  Schönheit  dieser  Bauten 
erkennen  und  erklären  konstruktioneile  Einzelheiten  fachlich.  —  Das 
Büchlein  ist  eine  der  vier  Beigaben,  die  die  Zeitschrift  „Technische 
Monatshefte"  ihren  Lesern  neben  den  reich  illustrierten  Monatsheften 
liefert.     (Abonnementspreis  vierteljährlich  3,50  Mk.) 

WOHNUNGSGESELLSCHAFT,  G.  m.  b.  H.,  Frankfurt  a.  M., 
Höfergasse  40.  Bericht  über  das  13.  Geschäftsjahr  igii.  Die 
Gesellschaft  verwaltete  mit  Erfolg  außer  Privathäusem  76  Häuser  der 
Frankenallee-Aktiengesellschaft,  160  Wohnungen  der  Mietheim-Aktien- 
gesellschaft und  761  Wohnungen  der  Aktiengesellschaft  Hellerhof. 


CHRONIK. 


Die  Herren  Professor  Th.  Goecke  in  Berlin    und  Professor  G.  Högg 
in  Dresden  haben  an  dem  Preisgerichte  des  Wettbewerbes,   der  zur 

PRÜFUNG  DER  ÄSTHETISCHEN  BERECHTIGUNG  DES 
FLACHEN  DACHES  von  der  Hauptstelle  für  Bau-  und  Kunst- 
beratung des  Werdandi-Bundes  zu  Berlin  ausgeschrieben  war,  nicht  teil- 
genommen, vielmehr  gegen  die  überstürzte  Einberufung  des  Preis- 
gerichtes, die  den  Herren  die  Teilnahme  am  Preisgericht  unmöglich 
machte,  Einspruch  erhoben. 

Im     WETTBEWERBE    UM    ENTWÜRFE    FÜR    EINE 
RINGANLAGE    IN    HAMM  in  Westf.  sind  folgende  Preise  ver- 
teilt worden: 

I.  Preis  —  3000  Mk.  —  Entwurf  No.  21  mit  dem  Kennwort:  „Bürger- 
sinn schmücke  die  Stadt  mit  des  Ringwalls  grünendem  Kranze;  weiser 
Lenker  Beschluß  preiset  das  fernste  Geschlecht." 

Verfasser:  Regierungsbaumeister  a.  D.  Dr.-Ing.  Dondorff  in  Hamm, 
Architekt  Hermann  Neuhaus  in  Köln,  Gartenarchitekten 
Rud.  Rausch  und  Karl  Reinhard,  in  Firma  Rausch  &  Reinhard 
in  Köln. 


II.  Preis  —  2000  Mk.  —   Entwurf  No.  64    mit   dem   Kennwort:    „Stadt- 
wappen." 

Verfasser:    Architekt    B.  D.  A.  Paul  Bender    in    Dresden,    Garten- 
architekt C.  Krause  in  Dresden. 

III.  Preis  —   1000  Mk.  —  Entwurf  No.  24    mit    dem   Kennwort:    „Denkt 
an  die  Zukunft." 

Verfasser:     Stadtbaumeister     Förster     in    Hamm,     Gartenarchitekt 
H.  Foeth  und  Architekt  P.  Recht  in  Köln. 

Ankauf  zu  500  Mk.   Entwurf  No.  6   mit  dem  Kennwort:    „Für   arm   und 
reich!" 

Verfasser:    Gartenarchitekt    Hermann    Foeth    und    Architekt    Peter 
Recht  in  Köln,  Stadtbaumeister  Förster  in  Hamm. 

Ankauf  zu  500  Mk.  Entwurf  No.  22  mit  dem  Kennwort:  „Um  die  Altstadt." 
Verfasser:    Stadtbauingenieur   Brocke   in   Essen,    Gartenarchitekten 
Hoddenkamp  und  Petznick  in  Essen. 

AKADEMIE    FÜR    KOMMUNALE    VERWALTUNG    IN 
■•  DÜSSELDORF.     Nachdem  nunmehr  die  Aufnahmefrist  für  das 
Sommersemester  abgelaufen  ist,  stellt  sich  die  Besucherzahl  der  Akademie 


83 


DER  STÄDTEBAU 


für  kommunale  Verwaltung  in  Düsseldorf  auf  132  (im  Wintersemester  129) 
ordentliche  Hörer  und  47  Gasthörer. 

SOZIALE  STUDIENREISE  NACH  ENGLAND.  Die  für 
August  geplante  Studienreise  der  Deutschen  Gartenstadt-Gesellschaft 
nach  England  ist  auf  Grund  der  bereits  vorliegenden  Meldungen  gesichert. 
Diese  Reise,  die  über  die  Städte  York,  Liverpool,  Birmingham  und 
London  führt  und  dem  Studium  der  englischen  Wohnungs-  und  An- 
siedelungsweise gewidmet  ist,  sowie  reiche  Gelegenheit  zu  eingehender 
Kenntnisnahme  anderer  sozialer  und  kommunaler  Einrichtungen  und 
auch  des  englischen  gesellschaftlichen  und  öffentlichen  Lebens  bietet, 
scheint  sich  zu  einer  dauernden  gemeinnützigen  Einrichtung  zu  ent- 
wickeln. Dies  ist  auch  aus  dem  von  der  Gesellschaft  veröffentlichten 
i,Rückblick"  über  die  bisher  veranstalteten  Reisen  ersichtlich,  in  dem  sich 
eine  Reihe  im  öffentlichen  Leben  stehender  früherer  Reiseteilnehmer  — 
Architekten,  Bau-  und  Medizinalbeamte,  Gemeindebeamte  usw.  —  über 
die  Anregungen  und  Kenntnisse  äußern,  die  ihnen  diese  Reise  auf 
sozialem,  künstlerischem  und  gesundheitlichem  Gebiet  vermittelt  haben, 
und  der  zeigt,  daß  die  Teilnahme  der  kulturtragenden  behördlichen  wie 
privaten  Kreise  für  eine  gründliche  Umgestaltung  unseres  Wohnungs- 
wesens im  erfreulichen  \A^achstum  begriffen  ist.  Das  Programm  wird 
vom  Generalsekretär  A.  Otto  in  Berlin-Schlachtensee  gern  abgegeben. 

Die  Frau  Kronprinzessin  des  Deutschen  Reiches  und  von  Preußen  hat 
geruht,  das  PROTEKTORAT  ÜBER  DIE  DEUTSCHE 
GARTENSTADTGESELLSCHAFT  zu  übernehmen.  Die  gemein- 
nützigen Bestrebungen  dieser  Gesellschaft  auf  dem  Gebiete  des  Wohnungs- 
und Ansiedelungswesens  erfahren  hierdurch  eine  hocherfreuliche  An- 
erkennung und  Förderung.  Das  Protektorat  bezieht  sich  auf  den 
Hauptverein  (Geschäftsstelle  in  Berlin-Schlachtensee)  und  dessen  Ideen- 
propaganda, doch  nicht  auf  die  von  diesem  ins  Leben  gerufenen  Orts- 
gruppen und  wirtschaftlichen  Unternehmungen. 

Während  der  Monate  Juni  und  Juli  wird  in  FLENSBURG  EINE 
GRÖSSERE  BAUAUSSTELLUNG  veranstaltet,  die  in 
umfassender  Weise  einen  Überblick  bieten  soll  über  die  neuzeitliche 
Bewegung  in  Baukunst  und  Bauhandwerk.  Der  dazu  gebildete  Ausschuß 
setzt  sich  zum  Ziel,  in  weite  Kreise  der  Öffentlichkeit  von  Stadt  und 
Land  Verständnis  hinauszutragen  für  die  großen  und  mannigfachen  Auf- 
gaben, die  auf  dem  Gebiet  der  Baukunst  zu  lösen  sind.  —  Nach  einem 
Rückblick  auf  das,  was  an  guten  alten  Wohn-  und  Nutzbauten  im  Lande 
ehemals  geschaffen  wurde,  soll  gezeigt  werden,  daß  auch  in  der  Gegenwart 
diese  Aufgaben  schönen  Lösungen  entgegengeführt  werden  können.  ■ — 
Die  erfolgreichen  Versuche  zur  Hebung  der  Bauweise,  welche  in  den 
letzten  Jahren  unternommen  wurden,  werden  gruppenweise  vorgeführt. 
Dieser  Abteilung  schließt  sich  eine  Ausstellung  von  Photographien  und 
Modellen  nach  neuzeitlichen  Bauwerken  in  Schleswig-Holstein  an.  Eine 
Reihe  von  Vorträgen  über  den  S.-H.-Heimatschutz,  heimische  Kirchen- 
bauten, die  Gartenstadt,  moderne  Backsteinbauten,  landwirtschaftliche 
Nutzbauten,  das  moderne  Mietshaus,  Bebauungspläne,  die  Aufgaben  der 
Baugenossenschaften  und  über  Bauberatungsstellen  soll  anschließend  an 
die  Ausstellung  Verständnis  und  Teilnahme  wecken. 

Vorträge,  die  aus  Anlaß  der  Bauausstellung  im  Museum  statt- 
finden sollen. 

4.  Juni  nachm.  6  Uhr:    v.  Hedemann-Heespen,    Deutsch-Nienhof:    „Der 

S.-H.  Landesverein  für  Heimatschutz". 
8.  Juni  nachm.  6  Uhr:  Prof. Dr. Haupt,  Preetz :  „Kirchenbau  in  Schleswig- 
Holstein". 
15.  Juni  nachm.  6  Uhr:    Prof.  Stiehl,    Charlottenburg:    „Moderne^ Back- 
steinbauten". 
22.  Juni  nachm.  6  Uhr:  Architekt  Voß,  Fehmarn:  „Ländliche  Wohn- und 

Nutzbauten". 
26.  Juni  nachm.  6  Uhr:  Architekt  Endeil,  Berlin:  „Das  moderne  Mietshaus". 
6.  Juli  abends   8  Uhr:     Prof.    v.    Berlepsch-Valendäs,     München:     „Die 

Gartenstadt". 
13.  Juli  nachm.  6  Uhr:  Architekt  Jansen,  Berlin:  „Bebauungspläne". 


20.  Juli  nachm.  6  Uhr:  Landesversicherungsrat  Hansen,  Kiel:  „Klein- 
wohnungsbau". 

27.  Juli  nachm.  6  Uhr:  Landesbaurat  a.  D.  und  Beigeordneter  Rehorst, 
Köln:  „Aufgaben  der  Bauberatungsstellen". 

Während  der  vom  i.  Juli  bis  Ende  Oktober  d.  J.  dauernden  Städte- 
Ausstellung  für  Rheinland,  Westfalen  und  benachbarte  Gebiete  in 
Düsseldorf  wird  ein  KONGRESS  FÜR  STÄDTEWESEN  ver- 
anstaltet, und  zwar  vom  23.  bis  28.  September  d.  J.  mit  verschiedenen 
Abteilungen. 

Für  die  Teilnahme  an  den  Veranstaltungen  einer  Abteilung  des 
Kongresses  sind  12  Mk.  zu  zahlen,  für  jede  weitere  Abteilung  6  Mk.  Alle 
Teilnehmer  erhalten  eine  Karte,  die  sie  persönlich  berechtigt,  an  den 
Sitzungen  und  Besichtigungen  teilzunehmen  und  die  Städte-Ausstellung 
während  des  Kongresses  zu  besuchen. 

Die  Leitung  des  Kongresses  liegt  in  den  Händen  des  geschäfts- 
führenden Ausschusses  der  Städte-Ausstellung  Düsseldorf  1912.  Es  sollen 
Vorträge  von  besonders  aufzufordernden  Personen  gehalten  werden,  außer- 
dem dürfen  die  Teilnehmer  des  Kongresses  Vorträge  anmelden  und  sich 
an  den  Verhandlungen  beteiligen. 

Die  Veranstaltungen  innerhalb  des  Kongresses  vollziehen  sich  in 

a)  Gesamtsitzungen, 

b)  Abteilungssitzungen, 

c)  Besuchen  städtischer  Anstalten  und  industrieller  Anlagen. 

Die  in  den  Sitzungen  zulässigen  Sprachen  sind  Deutsch,  Englisch  und 
Französisch.  Die  Verhandlungssprache  ist  Deutsch,  in  der  auch  die 
Sitzungsberichte  abgefaßt  werden. 

Der  geschäftsführende  Ausschuß  wird  über  die  Zulassung  der  Vor- 
träge Beschluß  fassen.  Die  Mitglieder,  die  Vorträge  oder  Mitteilungen 
vorzulegen  wünschen,  müssen  diese  mindestens  drei  Monate  vor  der  Er- 
öffnung des  Kongresses  mit  einer  Inhaltsangabe  anmelden.  Die  Dauer 
der  Vorträge  soll  so  kurz  als  möglich  sein  und  im  allgemeinen  die  Zeit 
von  30  Minuten  nicht  übersteigen;  während  der  Erörterung  sollen  die 
Redner  das  Wort  nicht  länger  als  fünf  Minuten  haben  und  nicht  mehr 
als  zweimal  über  denselben  Gegenstand  sprechen. 

Um  eine  sorgfältige  Abfassung  der  Niederschriften  der  Sitzungen 
zu  ermöglichen,  werden  alle  Redner  ersucht,  dem  Schriftführer  spätestens 
zwei  Stunden  nach  Schluß  der  Sitzung  einen  kurzen  Auszug  ihrer  Aus- 
führungen zu  übermitteln.  Dieser  Auszug  kann  in  einer  der  drei  zulässigen 
Sprachen  abgefaßt  werden.  Wird  der  Auszug  in  der  angegebenen  Zeit 
nicht  eingereicht,  so  setzt  die  Leitung  den  Wortlaut  endgültig  und  selb- 
ständig fest.  Auch  ist  der  Leitung  gestattet,  die  Auszüge,  wenn  nötig 
und  angängig,  sinnentsprechend  zu  kürzen.  Der  geschäftsführende  Aus- 
schuß behält  sich  das  Recht  vor,  die  Vorträge  und  Niederschriften  drucken 
zu  lassen.  Im  Falle  einer  Veröffentlichung  erhält  jeder  Vortragende  auf 
seinen  VS^unsch  kostenlos  zehn  Sonderabdrücke. 

Durch  die  Meldungen  werden  diese  Satzungen  anerkannt.  Die  in 
diesen  Satzungen  nicht  vorgesehenen  Fragen  werden  von  dem  geschäfts- 
führenden Ausschuß  entschieden. 

Die  auf  den  Kongreß  sich  beziehenden  Mitteilungen  sind  an  die 
Geschäftsstelle  der  Städte- Ausstellung  Düsseldorf  19 12,  Kunstpalast,  Cecilien- 
allee  zu  richten. 

Zur  VERSTEIGERUNG  eines  mehr  als  81 100  qm  umfassenden 
Teiles  des  zwischen  Swinemünde  und  Heringsdorf-Ahlbeck 
belegenen  FISKALISCHEN  DÜNEN^A^ALDES  war  auf  den 
14.  Mai  d.  J.  von  der  Königl.  Regierung  zu  Stettin  ein  Termin  angesetzt. 
Das  Verkaufsgelände  grenzt  im  Norden  mit  rund  448  m  an  den 
Ostseestrand,  im  Osten  mit  rund  70  m  an  die  Admiralstraße  von  Bad 
Swinemünde  und  mit  161  m  an  die  Hinterfront  der  Hardenbergstraße, 
im  Süden  und  Westen  an  meilenweiten  Hochwald.  Bestanden  ist  es 
mit  20 — 130jährigen  Kiefern,  Erlen  und  Aspen,  die  mit  an  den 
Käufer  übergehen.  Bebauungsplan  ist  vorhanden,  Eingemeindung  nach 
Swinemünde  bereits  vereinbart.  Das  Mindestgebot  war  auf  415000  Mk. 
festgesetzt.  Demnach  beträgt  der  Mindestpreis  5  Mk.  für  i  qm.  Der 
Staat  scheint  jetzt  allerorten  mit  dem  Verkauf  von  Waldungen  Ge- 
schäfte zu  machen. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  66.  —  Gedruckt  bei  Herros^  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W^. 


n 


Bebauungspläne  Frankfurter  Wiesen,  Leipzig. 


9.  Jahrgang 


1912 


8.  Heft 


FÜR-  DiE-  KÜNSTLQdSCMEAUyöKTAl: 
TUNQDER -STÄDTE-  hACtt-  iHRENWiRT 
SCMAFTÜChEM-  ÖES^NDMEITÜOIEN-  UND 
S9Z.IALEN-  QRUNDVVTZEN:  QEQRONDET-VON 

TriEODORnnrcKF-c^MiLLgsinfri 

^giV£RLAQ^ERNyrWA\MUTti.  BERLIN. 

**  NEBST  EINER  SONDERBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  ** 

INHALTSVERZEICHNIS:    Die  Vorschläge    zur  Bebauung  der  Frankfurter  Wiesen    in  Leipzig.     Von  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


DIE  VORSCHLÄGE  ZUR  BEBAUUNG  DER 
FRANKFURTER  WIESEN   IN   LEIPZIG. 

Von  THEODOR  GOECKE,   Berlin. 


Die  Bedingungen  des  Wettbewerbes,  der  Vorschläge 
zur  Bebauung  der  Frankfurter  'Wiesen  in  Leipzig  in  reich- 
licher Fülle  gebracht  hat,  sind  auf  Seite  96  und  107  des  vorigen 
Jahrganges  unserer  Zeitschrift  ausführlich  mitgeteilt  worden. 
Beim  Anblicke  der  den  gegenwärtigen  Zustand  der  Frank- 
furter Wiesen  wiedergebenden  Abbildungen  schon,  die  dem 
die  Bedingungen  enthaltenden  Heftchen  in  vortrefflicher  Dar- 
stellung beigefügt  waren,  wird  manch  einem  mit  dem  Be- 
dauern, daß  die  reizvolle  Wiesenlandschaft  der  Bebauung 
geopfert  werden  soll,  die  Frage  aufgestiegen  sein,  muß  das 
sein?  Zugleich  aber  mit  dieser  Frage  auch  die  Überzeugung, 
daß,  wenn  es  sein  muß,  eine  möglichst  weitgehende  Scho- 
nung der  die  Wiesen  schmückenden  Baumgruppen,  Allee- 
wege und  Wasserläufe,  vor  allem  der  das  ganze  Gelände 
umrahmenden  Randwälder  geboten  sei.  Und  doch  stand 
gerade  dem  das  Programm  in  manchen  Punkten  entgegen. 

Das  Hochwasser  der  Elster  und  Pleiße,  das  diese  Wiesen 
zuzeiten  zu  überfluten  pflegt  und  der  Stadt  den  im  Liede 
verherrlichten  Beinamen  der  großen  Seestadt  verschafft  hat, 
soll  in  einer  breiten  geradlinigen  Flutrinne  zusammengefaßt 
werden.  Ob  dies  notwendig  ist,  wenn  keine  Bebauung  be- 
absichtigt wäre,  vermag  ich  nicht  zu  beurteilen  —  bejahenden- 
falls könnte  sich  der  Naturfreund  aber  wohl  eine  der  Er- 
haltung der  Landschaft  günstigere  Lösung  vorstellen  Die 
dem  Programm  zugrunde  gelegte  bringt  so  einschneidende 


Veränderungen  der  Natur  mit  sich  und  hat  eine  so  starre 
architektonische  Form,  daß  eine  Bebauung  der  Wiesen  fast 
folgerecht  erscheinen  möchte.  Die  weitere  Folge  ist  dann 
die  Höherlegung  der  Straßen  und  damit  verschwinden  ganz 
von  selbst  so  manche  schöne  Baumgruppe,  die  Alleewege 
und  grünen  Uferböschungen,     Schade  darum! 

44  Entwürfe  waren  eingegangen,  davon  ein  unvollstän- 
diger No.  10  „Salus  rei  publicae",  der  sich  selbst  außer 
Wettbewerb  gestellt,  in  seinem  Erläuterungsbericht  übrigens 
sehr  beachtenswerte  Gedanken  ausgesprochen  hat.  Ist  auch 
die  Aufgabe  nicht  entfernt  von  dem  Umfange  gewesen,  wie 
die  vor  2  Jahren  zur  Beschaffung  eines  Grundplanes  für 
Groß-Berlin,  so  doch  eine  wegen  der  örtlichen  Verhältnisse, 
die  ein  eingehendes  Studium  erforderten,  immerhin  außer- 
gewöhnliche. Dieser  entspricht  die  verhältnismäßig  große 
Beteiligung  und  der  verhältnismäßig  große  Reichtum  in  den 
Entwürfen  niedergelegter  Anregungen. 

Von  den  nicht  mit  Preisen  bedachten  Entwürfen  sind 
es  namentlich  No.  6  „Die  Zukünftige  suchen  wir",  No.  36 
„Kultur"  und  No.  44  „Groß-Leipzig"  (II),  die  in  dieser 
Hinsicht  besondere  Erwähnung  verdienen.  Der  erst-  und 
letztgenannte  haben  mit  No.  29  „Leipzig  1911"  auch  zur 
engeren  Wahl  gestanden.  Als  Verfasser  von  No.  6  „Die 
Zukünftige  suchen  wir"  hat  sich  der  Stadtbauinspefctor 
Paul  Wolf  in  Berlin-Schöneberg  bekannt;    den  Lage- 


85 


DER  STÄDTEBAU 


viT)" 


Abb.  I  und  2.     Architekten  Oscar  Lange,  Berlin- Wilmersdorf  und  Carl  Lörcher,  Stuttgart. 


86 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  3  und  4.     Architekt    Professor  Bruno  Möhring,  Berlin. 


87 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  5.     Architekt  Professor  Bruno  Möhring,  Berlin, 


plan  und  zwei  Schaubilder  —  besonders  schön  die  Fest- 
halle in  der  Achse  des  Hauptwasserbeckens  -  geben  die 
Tafel  49  a  bzw.  die  Textbilder  10  und  11  wieder.  Der  Ent- 
wurf No.  44  „Groß-Leipzig"  (II)  rührt  von  den  Erbauern 
des  großartigen  neuen  Leipziger  Bahnhofs-Empfangs- 
gebäudes,  Architekten  Loßow  &  Kühne  in  Dresden  her. 
Von  diesem  ist  ein  Schaubild  auf  Tafel  48  hier  beigefügt, 
mit  einer  Architektur,  die  freilich  erheblich  über  den  aus- 
führbaren Maßstab  hinausgeht. 


Die  Verfasser  von  No.  29  „Leipzig  1911"  sind  Architekt 
Professor  Franz  Seeck  in  Berlin  und  Gartenarchitekt  Paul 
Freye  in  Charlottenburg;  den  Lageplan  gibt  Tafel  49b,  ein 
Schaubild  Abb.  14  im  Text  wieder.  No.  36  „Kultur"  ist  vom 
Architekten  Gottfried  Wehling  in  Düsseldorf  eingesandt 
worden.  Siehe  den  Lageplan  und  zwei  Schaubilder  auf  Tafel  51 
bzw.  Abb.  15  und  16  im  Text.  Schaubilder  waren  bis  zu  fünf 
im  Programm  gefordert.  Auch  bei  dieser  Gelegenheit  ist  die 
Frage  wieder  erörtert  worden,  ob  Schaubilder  notwendig  sind. 


Abb.  6.     Ingenieur  Carl  Mürdel,  Architekt  Hans  Rummel  und  Architekt  Dipl.-Ing.  Christoph  Rummel,  Frankfurt  a.  M. 


88 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  7.     Architekt  B.  D.  A.'  Henry  Groß,  Charlottenburg. 


In  den  Leipziger  Neuesten  Nachrichten  wurde  es  sogar  —  an- 
geblich von  fachmännischer  Seite  darauf  hingewiesen  —  als 
bedauerlich  bezeichnet,  daß  überhaupt  Schaubilder  bei  einem 
derartigen  Wettbewerbe  gefordert  und  zugelassen  worden 
seien,  weil  solche  Bilder  keinen  Anspruch  auf  die  Verwirk- 
lichung erheben  könnten.  Als  ob  es  nur  darauf  ankäme! 
Die  Städtebaukunst  ist  Raumkunst  im  großen  —  wie  jede  Bau- 


kunst auf  Grund  wirtschaftlicher  Notwendigkeiten.  Der  Zu- 
schnitt der  Baublöcke,  die  Gestaltung  der  Straßenecken,  die 
Aufteilung  der  Baugrundstücke  und  ihre  Ausnutzung  nach 
Fläche  und  Höhe  sind  entscheidend  für  den  Aufbau  der  Stadt. 
Das  ist  nicht  nach  dem  Lageplan  allein  zu  beurteilen,  so  wenig 
wie  der  Hausbau  nach  dem  Grundrisse.  Der  Verfasser  muß 
sich    selber  Rechenschaft  ablegen  über    die  Folgen  seiner 


Abb.  8.     Architekt  B.  D.  A.  Henry  Groß,  Charlottenburg. 


89 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  9.     Architekten  Emil  Bercher,  Friedrich  Veil  und  Dipl.-Ing.  Carl  Magenau,  Stuttgart. 


Planung,  er  muß  seine  Auftraggeber  von  ihrer  Zweckmäßig- 
keit zu  überzeugen  suchen.  Dazu  bieten  Schaubilder  das 
Mittel;  ob  diese  nachher  in  der  Wirklichkeit  erstehen  werden, 
ist  nebensächlich.  Die  Möglichkeit  zu  ihrer  Entstehung 
muß  geboten  und  nachgewiesen  werden,  die  Anregung  dem 
später  zum  Bauen  Berufenen,  wie  er  am  vollkommensten 
zu  seinem  Ziele  gelangen  kann.  Ob  und  wie  dieser  dann 
davon  Gebrauch  macht,  bleibt  seine  Sache!  Andernfalls 
würden  wir  wieder  in  die  alte  Plantechnik  zurückfallen,  die 
eben  ohne  Rücksicht  auf  den  Aufbau  gewirtschaftet  hat  und 
deren  Folgen  wir  sowohl  vom  ästhetischen  als  vom  prak- 
tischen Standpunkte  in  unseren  modernen  Städten  zu  be- 
klagen leider  so  vielfach  Ursache  haben.  Nur  das  kann 
die  Frage  sein,  wie  weit  man  mit  der  Forderung  von  Schau- 
bildern gehen  soll?  Vielleicht  ist  man  in  dem  Leipziger 
Wettbewerb  darin  zu  weit  gegangen.  Schon  mit  Rücksicht 
darauf,  daß  nicht  mehr  Arbeit  von  den  Teilnehmern  des 
Wettbewerbes  verlangt  werden  soll,  als  gerade  zur  Lösung 
der  Aufgabe  notwendig  ist,  wird  man  sich  eine  gewisse 
Beschränkung  in  der  Zahl  sowohl,  als  auch  in  der  Größe 
und  Darstellungsart  der  Schaubilder  auferlegen  müssen  — 
unter  Umständen  können  einfache  Handskizzen  schon 
genügen ! 

Im  vorliegenden  Falle  waren  wie  gesagt  Schaubilder 
verlangt  bis  zu  5  Stück.  Damit  war  es  den  Bewerbern 
überlassen,  ob  sie  den  Schwerpunkt  ihrer  Vorschläge  in  den 


Lageplan  oder  in  die  Schaubilder  verlegen  wollten.  Tat- 
sächlich ist  dies  auch  ganz  verschieden  gemacht  worden. 
Es  werden  deshalb  je  nachdem  das  als  wesentlich  Er- 
scheinende, gleichviel  ob  Schaubild  oder  Lageplan  bzw.  mehr 
oder  weniger  Schaubilder  mit  dem  Lageplan  hier  wieder- 
gegeben. Von  No.  8  mit  dem  Kennzeichen  O  '^  O  (Architekt 
Schumann  in  Dresden)  werden  noch  der  Lageplan  auf 
Tafel  50a  und  zwei  Schaubilder,  im  Texte  No.  12  und  13, 
endlich  No.  16  „Groß-Leipzig"  (Architekt  Wünschmann) 
der  Lageplan  auf  Tafel  50b  beigegeben.  No.  11  „Achse" 
und  No.  34  „Elsterterrasse"  hatte  sich  durch  liebenswürdig 
durchgebildete  Einzelheiten  ausgezeichnet. 

Und  nun  zu  den  Preisgekrönten !  Im  allgemeinen  folgen 
wir  dem  im  Auszug  abgedruckten  Urteil  des  Preisgerichtes, 
das  in  drei  Punkten  gegenüber  dem  strengen  Wortlaute  des 
Programms  insofern  eine  mildere  Auffassung  bekundet  hat, 
als  es  erstens  auch  bessere  Lösungen  als  die  in  den  Unterlagen 
angegebene  Achsenverschiebung  der  Frankfurter  Straße  vor 
der  unteren  Flutrinnenbrücke  mit  bogenförmigem  Übergange, 
zweitens  auch  eine  weniger  unmittelbar  auf  die  obere  Flut- 
rinnenbrücke der  Leutzscher  Allee  auftreffende  Straßen- 
verbindung mit  dem  Anfangspunkte  der  Frankfurter  Straße 
und  drittens  auch  eine  mehr  stumpfwinkelig  von  der  unteren 
Flutrinnenbrücke  der  Frankfurter  Straße  abgehende  Straßen- 
verbindung mit  den  Vororten  Lindenau  und  Leutzsch  als 
zulässig  erachtet  hat. 


90 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  10.     Stadtbauinspektor  Paul  Wolf,  Schöneberg. 


s 


Die  beiden  Entwürfe  No.  26  „Natur  und  Kunst"  der 
Architekten  Oscar  Lange  in  Berlin-Wilmersdorf  und 
Carl  Lörcher  in  Stuttgart  —  siehe  Tafeln  41  und  Text- 
bilder 1  und  2  —  sowie  No.  32  „Blau  und  grün"  des 
Architekten  Professor  Bruno  Möhring  in  Berlin  —  siehe 
Tafel  42  und  Textbilder  3  bis  5  —  hat  das  Preisgericht  als 
gleichwertig  erklärt,  so  daß  der  I.  und  IL  Preis  von  15000 
bzw.  10000  Mk.  zu  zwei  gleichen  Preisen  von  je  12500  Mk. 
zusammengelegt  wurden.  Die  geringere  Rücksicht  auf  den 
vorhandenen  Baumbestand  bei  der  Planung  des  Landhaus- 


viertels an  der  Leutzscher  Allee  und  die  unvorteilhafte  An- 
ordnung eines  schmalen  zur  Landhausbebauung  bestimmten 
Streifens  zwischen  zwei  Straßen  längs  der  Flutrinne  in  dem 
nach  der  Nummer  des  Einganges  zuerst  genannten  Entwürfe 
lassen  den  Möhringschen  Entwurf,  der  sorgfaltig  den  vorr 
handenen  Baumbestand  schont,  aber  doch  als  den  für  die 
Ausführung  reiferen  erscheinen.  Als  einen  besonderen  Vor- 
zug desselben  erblicke  ich  ferner  in  dem  Vorschlage  einer 
dritten,  zwischen  die  untere  und  obere  noch  einzuschiebenden 
Brücke  über  die  Flutrinne. 


Abb.  II.     ArchitektStadtbauinspektor  Paul  Wolf,  Schöneberg. 


91 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  12  und  13.     Architekt  Fritz  Schumann,  Dresden-Plauen. 


Die  beiden  gleichwertigen  III.  Preise  sind  an  No.  20 
„S.  V.  B.  E."  des  Regierungsbaumeisters  Edmund  Neue, 
Berlin-Schmargendorf,  in  Verbindung  mit  dem  Archi- 
tekten M.  Vogeler  in  Weimar  —  siehe  Tafel  43  —  und  an 
No.  35  „Elsterufer"  der  Herren  Ingenieur  Carl  Mürdel 
und  Architekten  Hans  und  Dipl.-Ing.  Christoph  Rummel 
in  Frankfurt  a.  M.  —  siehe  Tafel  44  und  Schaubild  im  Text 
No.  6  —  gefallen.     Beide  sind  tüchtige  Arbeiten. 


Unter  den  mit  einem  IV.  Preise  bedachten  Entwürfen 
ragt  No.  12  „Groß-  und  Klein-Paris"  von  Architekt  Her- 
mann Jansen  in  Berlin  besonders  hervor.  Er  würde 
sicher  höher  bewertet  worden  sein,  wenn  er  nicht  die  ver- 
langte unmittelbare  Verbindung  mit  Lindenau  zu  arg  ver- 
nachlässigt hätte,  zumal  die  an  der  Elster  entlang  geplanten 
Grünanlagen  eine  reizvolle  Ausbildung  gestatten  und  die 
Heranschiebung  des  Ausstellungsparkes  an  das  Waldgebiet 


i'''^'',«v«i»iiiiliiiJi(Siiiiii;i;iU)ii  ^s, 


Abb.  i^.     Architekt  Professor  Fraiiz  Seeck,  Steglitz  und  Gartenarchitekt  Paul  Freye,  Charlottenburg. 


92 


ÖER  STÄDTEBAU 


Abb.   15.     Architekt  B.  D.   A.  Gottfried  Wehling,  Düsseldorf. 


einen  beachtenswerten  Gedanken  enthält  —  vgl.  Tafel  45. 
Der  Entwurf  No.  25  „Forum  Aquarum"  des  Architekten 
B.D.A.  Henry  Groß  in  Charlottenburg  bietet  in  fast  phan- 
tastische Stimmung  getauchte  Städtebilder  —  vgl.  Tafel  46  und 
Schaubilder  im  Text  7  und  8  —  in  merkwürdigem  Gegensatze 
zu  dem  zwar  großzügigen,  aber  doch  fest  im  Boden  der  Wirk- 
lichkeit wurzelnden  Geiste  des  Leipziger  Großkaufmanns. 

Endlich  der  Entwurf  No.  43  „Fax  vobiscum"  der 
Architekten  Emil  Bercher,  Friedrich  Veil  und  Karl  Ma- 
genau  in  Stuttgart,  dessen  Lageplan  auffallend  wenig  von 


der  künstlerischen  Auffassung,  die  sich  in  den  Schaubildern 
betätigte,  beeinflußt  zeigt.    Vgl.  Tafel  47  und  Textbild  No.  9. 

AUSZUG  AUS   DER  NIEDERSCHRIFT  DER 
VERHANDLUNGEN  DES  PREISGERICHTS. 

Entwurf  No.   12,    Kennwort  „Groß-  und  Klein-Paris".     (Architekt 
Hermann  Jansen  in  Berlin.) 

Ein  vermittelnder  Übergang  vom  großen  Vorflutbett  zum  Wasser- 
becken fehlt;  damit  ist  gegen  die  Bedingung  verstoßen,  wonach  schroffe 
Querschnittsänderungen  zu  vermeiden  waren. 


Abb.  16.     Architekt  B.  D.  A.  Gottfried  Wehling,  Düsseldorf. 


93 


ÖER  STÄDTEBAU 


Die  in  der  Planunterlage  mit  rot  gestrichelten  Linien  als  wichtige 
Verkehrsverbindung  nach  dem  nördlichen  Teile  von  Lindenau  hin  an- 
gedeutete Straße  hat  die  ihr  zukommende  Bedeutung  nicht  erhalten.  Die 
Aufteilung  des  Geländes  erscheint  vorteilhaft  und  großzügig. 

Der  zweckmäßig  angelegte  Ausstellungspark  und  die  Festhalle  sind 
in  gute  Beziehungen  zueinander  gebracht.  Die  Stellung  der  öffentlichen 
Gebäude,  besonders  der  Ausstellungshalle  in  ihrer  Beziehung  zu  den 
Hauptstraßen  und  der  Wasserfläche  ist  wohl  überlegt.  Auch  die  An- 
ordnung des  Ausstellungsparkes  in  ungeteilter  Fläche  ist  als  ein  Vorzug 
zu  bezeichnen.  Die  Aufteilung  des  Meßplatzes  ist  durch  die  Anlage  von 
Ost-  und  Weststraßen  ungünstig  und  der  Vorschlag,  den  Neubau  eines 
Gymnasiums  und  einer  Kirche  an  das  äußerste  Ende  des  Geländes  zu 
verlegen,  nicht  unbedenklich.  Besonders  zu  loben  ist  die  Anordnung  des 
Schulgebäudes  und  der  durch  die  Turnhalle  getrennten  Spielplätze  inner- 
halb des  Baublocks. 

Bei  der  Frankfurter  Straßenbrücke  liegen  die  Kämpfer  etwa  1,5  m 
unter  dem  Hochwasserspiegel;  dies  ist  einerseits  mit  Rücksicht  auf  den 
dadurch  vergrößerten  Rückstau,  andererseits  wegen  der  Kämpfergelenkfugen 
untunlich.  Die  lichte  Weite  in  Normalwasserhöhe  ist  von  30  auf  28,5  m 
eingeschränkt;  dies  ist  mit  Rücksicht  auf  den  Rudersport  nicht  angängig 
und  verstößt  gegen  die  gestellten  Bedingungen. 

Der  Anschluß  an  die  Staatsbahn  ist  nicht  dargestellt,  wenn  auch 
die  Möglichkeit  dazu  gegeben. 

Die  Grünverbindung  von  Norden  nach  Süden  ist  reichlich  vor- 
handen; namentlich  ist  deren  Parallelführung  zur  Elster  zu  loben. 

Das  Vogelschaubild  zeugt  von  künstlerischem  Können. 

Entwurf  No.  20,  Kennwort  „S.V.  B.  E."    (Regierungsbaumeister  Eduard 
Neue,  Berlin-Schmargendorf  und  Architekt  M.  Vogeler,  W^eimar.) 

Die  Frankfurter  Straße  sowie  die  Mittelallee  sind  verkehrstechnisch 
und  städtebaulich  hervorragend  angeordnet.  Die  Bebauung  der  rechts 
der  Flutrinne  gelegenen  Gebietsteile  ist  trotz  weitgehender  Ausnutzung 
des  Geländes  sehr  gut  gelöst. 

Die  Lage  der  öffentlichen  Gebäude  ist  eine  glückliche,  die  Straßen- 
verbindung mit  bestehenden  Stadtteilen  auf  der  rechten  Seite  der  Flut- 
rinne eine  zweckmäßige,  die  landschaftliche  Verbindung  der  südlichen  mit 
der  nördlichen  Grünfläche  gut  durchgeführt. 

Die  an  sich  vorteilhafte  Verbindung  des  Ausstellungsparkes  mit  dem 
künftigen  Spiel-  und  Sportplatz  verschiebt  das  Hauptwasserbecken  in 
unerwünschter  Weise  von  der  Frankfurter  Straße  und  erschwert  die 
Zugänglichkeit  der  Ausstellung.  Zu  bemängeln  ist  die  durch  die  Form 
des  Hauptwasserbeckens  gegebene  sprungweise  Querschnittsänderung  der 
Wasserfläche. 

Es  fehlt  die  gewünschte  Schrägverbindung  mit  Lindenau  und 
Leutzsch.  Das  seitlich  angeordnete  Wasserbecken  ist,  so  schön  es  städte- 
baulich gedacht  ist,  technisch  wegen  der  Wasserverteilung,  wirtschaftlich 
wegen  der  4  Brücken,  kaum  durchführbar. 

Im  ganzen  gibt  der  Entwurf  einen  gut  durchdachten  Plan  von  groß- 
zügiger Auffassung. 

Entwurf  No.  25,  Kennwort  „Forum  aquarum".    (Architekt  B.  D.  A. 
Henry  Groß,  Charlottenburg.) 

Die  Hauptverkehrsstraßen  sind  beiderseits  der  Flutrinne  zweckmäßig 
und  schön  angeordnet. 

Die  Lage  des  Ausstellungsplatzes  sowie  die  Richtung  des  Aus- 
stellungsgebäudes zum  Hauptbecken  ist  gut,  die  Teilung  des  Ausstellungs- 
geländes in  zwei  Teile  aber  weniger  praktisch. 

Die  Bebauung  ist  wirtschaftlich  gut  gedacht,  die  Aufstellung  eines 
öffentlichen  Gebäudes  an  der  Hauptverkehrsstraße  dagegen  nicht  zu 
empfehlen. 

Die  nördlichen  und  südlichen  Grünflächen  sind  zweckmässig  und 
schön  miteinander  verbunden  und  überschreiten  nicht  das  durch  eine 
gesunde  'Wirtschaftlichkeit  bedingte  Maß. 

In  der  Variante  ist  die  Verbreiterung  des  Beckens  über  die  Frank- 
furter Straße  hinaus  wegen  der  dadurch  bedingten  längeren  Überbrückung 
unwirtschaftlich. 

Der  Gedankenreichtum  im  architektonischen  Aufbau  hat  manche 
Überschwenglichkeiten  gezeitigt  (Insel  im  Hauptbecken,  Turm  und  Pylonen- 


bauten),  die   die  erwünschte   Ruhe   beeinträchtigen    und    den   Entwurf   im 
ganzen  als  unausführbar  erscheinen  lassen. 

Entwurf  No.  26,  Kennwort  „Natur  und  Kunst".      Oscar   Lange    in 
Berlin-Wilmersdorf  und  Carl  Lörcher,  Stuttgart,  (Architekten). 

Die  Führung  der  Verkehrszüge  ist  vorzüglich;  die  Frankfurter 
Straße  wird,  ohne  daß  spitzwinklige  Blöcke  entstehen,  in  sehlanker  Linie 
in  der  Richtung  nach  dem  Norden  Lindenaus  geführt,  die  Ersatzlinie  der 
Leutzscher  Straße  wird  im  Flutbett  der  alten  Elster  in  die  Leutzscher 
Allee  eingeleitet.  Der  Gleisanschluß  für  das  Ausstellungsgebäude  ist  in 
einer  Nebenstraße  glücklich  angeordnet. 

Die  Blockaufteilung  ist  im  allgemeinen  zweckmäßig  und  wirschaftlich. 
Die  für  offene  Bauweise  bestimmten  Blöcke  erscheinen  reichlich  tief.  Als 
Fehler  ist  die  Aufteilung  des  Geländes  im  Nordwesten  am  Leutzscher 
Holz  anzusprechen. 

In  künstlerischer  Beziehung  weist  der  Entwurf  eine  Fülle  schöner  Ge- 
danken auf.  Besonders  glücklich  ist  die  Achsenverschiebung  der  Frankfurter 
Straße  gegen  die  Brücke  vermittelst  einer  platzartigen  Erweiterung  vor 
dem  Eingang  zur  Ausstellungshalle.  Die  Anordnung  der  öffentlichen 
Bauten  ist  zweckmäßig  und  gewährleistet  die  Bildung  schöner  Städtebilder. 
Die  Beziehung  der  Bebauung  zu  der  großen  Wasserfläche  ist  günstig, 
insbesondere  ist  die  Erweiterung  des  Wasserbeckens  vor  dem  Ausstellungs- 
gebäude und  deren  Einfassung  durch  Hallenbauten  in  künstlerischer  und 
praktischer  Beziehung  ein   guter  Gedanke. 

Die  dem  Entwürfe  beigegebenen  Schaubilder  zeigen  große  Begabung 
für  Raumschöpfungen. 

Entwurf  No.  32,  Kennwort  „Blau  und   Grün".     (Architekt  Professor 
Bruno  Möhring  in  Berlin). 

Die  Verkehrsbedingungen  sind  glücklich  erfüllt.  Besonders  lobenswert 
ist  der  Eisenbahnanschluß  des  Hauptgebäudes  des  Ausstellungsgeländes 
an  den  Bahnhof  Gohlis-Möckern.  Die  Verbindung  mit  den  Wäldern  im 
Norden  und  im  Süden  sowie  mit  dem  Albertpark  ist  an  den  schön  aus- 
gebildeten Ufern  der  Flutrinne  hergestellt.  Die  Ausbuchtungen  der  Wasser- 
fläche an  und  gegenüber  dem  Ausstellungsgelände  sind  in  ruhiger  Linien- 
führung gehalten.  Die  Baublöcke  haben  gute  Form  und  sind  vom  wirt- 
schaftlichen Standpunkt  aus  als  gelungen  zu  bezeichnen. 

Der  Vorschlag  in  der  Variante,  an  der  Flutrinne  eine  offene  Bau- 
weise im  Rücken  einer  geschlossenen  Bauweise  anzuordnen,  kann  auf 
allseitige  Billigung  nicht  rechnen. 

Ausstellungspark,  Festhalle  und  Meßplatz  sind  in  gute  Beziehungen 
zueinander  gebracht.  Hervorzuheben  ist  die  günstige  Lage  der  Festhalle 
zum  ungeteilten  Ausstellungsplatz,  zur  Flutrinne  und  zur  Frankfurter 
Straße.  Kirche  und  öffentliche  Gebäude  sind  im  Bebauungsplane  günstig 
eingefügt. 

Im  ganzen  zeigt  der  Entwurf,  wie  auch  die  Schaubilder  dartun,  eine 
reife  künstlerische  Auffassung. 

Entwurf  No.  35,  Kennwort  „Elsteruler".    (Ingenieur  Karl  Mürdel  und 
Architekten  Hans  und  Dipl.-Ing.  Christoph  Rummel,  Frankfurt  a.  M.) 

Die  Verkehrsverbindung  als  Ersatz  für  den  Leutzscher  Weg  nach 
der  oberen  Flutrinnenbrücke  erscheint  zwar  genügend,  doch  ist  die  Ver- 
bindung nach  Lindenau  nicht  unmittelbar  genug.  Die  Aufteilung  des 
Geländes  ist  gut  gelöst,  die  Himmelsrichtung  der  Straßen  einwandfrei, 
die  Gestaltung  der  Baublöcke  im  allgemeinen  gut  angeordnet,  in  einzelnen 
Fällen  jedoch  weniger  glücklich. 

Die  Zweiteilung  des  Ausstellungsplatzes  ist  zu  bemängeln,  die  An- 
ordnung einer  Gruppe  öffentlicher  Gebäude  am  Ufer  der  alten  Elster 
dagegen  zu  billigen. 

Die  Schaubilder  zeigen  gutes  Verständnis  und  Feingefühl  für  städte- 
bauliche Anlagen.    Die  wirtschaftliche  Ausnutzung  erscheint  gewährleistet. 

Entwurf    No.  43,    Kennwort    „Pax    vobiscum".     (Architekten    Emil 
Bercher,  Friedrich  Veil  und  Karl  Magenau,  Stuttgart.) 

Den  Verkehrsbedürfnissen  ist  im  allgemeinen  genügt.  Die  Verbindung 
von  der  Frankfurter  Straße  nach  dem  Norden  von  Lindenau  ist  in  anderen 
Entwürfen  zwar  besser  gelöst,  jedoch  bietet  der  vorliegende  Entwurf  dafür 


94 


DER  STÄDTEBAU 


günstigere  Baublöcke.  Unschön  und  unpraktisch  dagegen  sind  die  im 
übrigen  vielfach  verwendeten  dreieckigen  Baublöcke  und  spitzen  Winkel. 

Als  Folge  davon,  daß  zu  wenig  zwischen  Verkehrs-  und  Wohnstraße 
unterschieden   ist,  geht  reichlich  viel  als  Straßenland  verloren. 

Das  Flutrinnenbecken  ist  vom  Wasserbau  technischen  Standpunkt 
sehr  gut  gelöst. 

Die  in  der  Variante  dargestellte  Aufteilung  des  Meßplatzes  ist  in  Folge 
der  erzwungenen  Beibehaltung  des  Leutzscher  Weges  ungünstig  geworden. 

Im  nordwestlichen  Bezirk  ist  die  Schule  gegenüber  der  Festhalle 
glücklich  angeordnet.  Die  Bebauung  des  Geländes  bei  den  Teichgrund- 
stücken  ist  dagegen  nicht  genügend  durchgearbeitet. 

Die  Stellung  der  Ausstellungshalle  teilt  den  Platz  in  zwei  getrennte 
Hälften.  Die  Zuführung  von  der  Frankfurter  Straße  entbehrt  einer 
beherrschenden  Hauptachse.  Die  Schaubilder  sind  von  beträchtlichem 
künstlerischen  Werte  und   geben  schätzenswerte  Anregungen. 

Unliebsames  Aufsehen  hat  es  erregt,  daß  der  Königliche 
Baurat  Tscharmann  in  Dresden  die  mit  einem  der  beiden 
ersten  Preise  ausgezeichneten  Architekten  Lange  und  Lörcher 
eines  an  seinem  Entwürfe  für  die  Ausgestaltung  des  Königs- 
ufers in  Dresden  begangenen  geistigen  Diebstahls  be- 
schuldigte —  das  Preisgericht  ist  zur  Prüfung  dieser  Be- 
schuldigung nochmals  zusammengetreten,  Die  Tatsache, 
daß  Herr  Lörcher  den  Entwurf  des  Herrn  Tscharmann 
gesehen  und  gut  im  Gedächtnis  behalten  hat,  zugegeben, 
hat  das  Preisgericht  doch  nicht  veranlaßt,  an  seiner  Beur- 
teilung etwas  zu  ändern.  Da  jedoch  bei  dieser  Gelegenheit 
die  Äußerung  gefallen  ist,  daß  es  bei  städtebaulichen  Wett- 
bewerben üblich  sei,  ohne  weiteres  gerade  in  den  Plan 
passende  fremde  Städtebilder  zu  verwenden  und  daß  selbst 
der  Altmeister  der  Städtebaukunst  Henrici  es  s.  Zt.  nicht 
verschmäht  habe,  in  seinem  preisgekrönten  Plan  für  München 
das  gleiche  zu  tun,  zwingt  mich  auf  den  gewaltigen  Unter- 
schied hinzuweisen  zwischen  der  Verwendung  der  Öffent- 
lichkeit angehöriger  Bauwerke  und  Situationen  der  Ver- 
gangenheit, die  allgemein  bekannt  sind  und  der  Verwendung 
von  Entwurfsarbeiten,  deren  Verfasser  noch  leben  und 
nicht  genannt  werden. 

Auch  diesmal  sind  wieder  Zweifel  laut  geworden  über 
den  Wert  städtebaulicher  Wettbewerbe.  Besonders  haben 
gewisse  Übertreibungen  der  Phantasie  und  der  Darstellung 
dazu  beigetragen,  bei  den  Laien  ein  Vorurteil  zu  wecken. 
In  dieser  Hinsicht  kann  nur  zu  einem  weisen  Maßhalten 
gemahnt  werden.  Daß  im  vorliegenden  Falle  der  Wett- 
bewerb zu  keinem  praktischen  Ergebnisse  führen  dürfte, 
hat  allerdings  außerhalb  aller  Berechnung  gelegen,  da  in- 
zwischen beschlossen  worden  ist,  das  Ausstellungsgebäude 
in  der  Nähe  des  Völkerschlachtdenkmals  zu  errichten  und 
zu  einer  Festhalle  das  alte  Stadttheater  umzugestalten. 
Damit  scheiden  die  Hauptmotive  für  die  Bebauung  der 
Frankfurter  Wiesen  aus.  Derartige  Programmänderungen 
sprechen  aber  nicht  gegen  die  Veranstaltung  von  Wett- 
bewerben überhaupt ;  umgekehrt  können  gerade  diese  wohl 


die  Notwendigkeit  einer  Programmänderung  erweisen.  Vom 
Standpunkte  des  Fachmanns  verdient  indes  die  Frage  er- 
wogen zu  werden,  was  leisten  uns  städtebauliche  Wett- 
bewerbe und  in  welchen  Fällen  erscheinen  sie  empfehlens- 
wert? Ganz  allgemein  läßt  sich  darauf  antworten,  daß  wie 
bei  baukünstlerischen  Wettbewerben  überhaupt  ein  all- 
gemeiner öffentlicher  Wettbewerb  nur  für  bedeutende,  groß- 
zügige, das  ganze  Volk  angehende  Aufgaben  veranstaltet 
werden  sollte  mit  der  Einschränkung,  daß  im  Falle  ein- 
gehende, zeitraubende  Studien  an  Ort  und  Stelle  die  not- 
wendige Voraussetzung  zu  ihrer  gedeihlichen  Lösung  bilden 
oder  ungewöhnlich  schwierige,  die  besten  Kräfte  zu  ihrer 
Überwindung  erfordernde  Verhältnisse  vorliegen,  der  öffent- 
liche auf  bestimmte  Landesteile  bzw.  der  engere  auf  be- 
stimmte Personen  beschränkte  Wettbewerb  den  Vorzug 
verdienen  kann,  doch  immer  als  Ideenwettbewerb,  während 
im  übrigen,  wo  die  Aufgabe  eine  schon  mehr  ins  einzelne 
gehende  Bearbeitung  verlangt,  der  örtlich  beschränkte  öffent- 
liche Wettbewerb  oder  der  freihändige  Auftrag  die  Regel 
zu  bilden  hätte. 

Wenn  irgend  möglich,  sollten  die  Preisträger  an  der 
weiteren  Bearbeitung  des  Entwurfs  beteiligt  werden ;  können 
sie  doch  nur  selten  auf  eine  Mitwirkung  bei  der  meist  sich 
in  die  Länge  ziehenden,  vielleicht  Jahrzehnte  oder  noch 
länger  dauernden,  immerfort  wieder  Veränderungen  mit  sich 
bringenden  Verwirklichung  des  Planes  rechnen.  Drum 
müssen  die  Forderungen  des  Wettbewerbes  auf  das  un- 
bedingt notwendige  Maß  eingeschränkt,  die  Preise  aber  für 
die  Mühen,  die  nur  ausnahmsweise  volle  Befriedigung  ge- 
währen und  angemessenen  Lohn  erhalten  können,  reichlich 
bemessen  werden.  Ein  guter  Städtebauplan  kann  der  Ge- 
meinde wie  der  Bevölkerung  viel  Geld  ersparen,  ein  schlechter 
viel  vergeuden. 

Bei  der  wirtschaftlichen  Bedeutung  des  Planes  und  des 
zu  seiner  Erlangung  veranstalteten  Wettbewerbes  ist  demnach 
eine  sorgfältige  Vorbereitung,  ein  fest  umrissenes  Programm 
die  erste  Vorbedingung.  Der  Rat  der  Stadt  Leipzig  hat  mit 
Hilfe  seines  trefilich  geleiteten  Stadterweiterungsamtes  (Stadt- 
rat Hofmann  und  Stadtbauinspektor  Hans  Strobel)  dafür 
ausgiebig  gesorgt.  Das  Preisgericht  hat  infolgedessen  auch 
zum  Schlüsse  sagen  können,  daß  ein  großer  Teil  der  mit 
Preisen  ausgezeichneten  Bewerber  in  dieser  städtebaulich 
hervorragenden  Aufgabe  eine  große  Fülle  für  die  weitere 
Bearbeitung  und  Ausführung  ausgezeichnete  Gedanken 
hineingetragen  habe. 

Weitgehendes  Entgegenkommen  der  Stadt  und  ihres 
Oberbürgermeisters  Dr.  Dittrich  haben  es  ermöglicht,  diese 
dem  Leipziger  Wettbewerbe  in  erster  Linie  gewidmete  Num- 
mer unserer  Zeitschrift  reicher  und  besser  auszustatten,  was 
Herausgeber  und  Verleger  und  mit  ihnen  auch  wohl  die 
Leser  dankbar  anerkennen. 


CHRONIK. 


EIN  FORTBILDUNGS-KURSUS  für  Baubeamte,  Lehrer  der 
technischen  Schulen  und  Ingenieure  industrieller  Werke  auf  den 
Gebieten  der  STATIK  des  EISENBETON-  und  des  STÄDTE- 
BAUES an  der  Königl.  Technischen  Hochschule  zu  Aachen  vom  7.  bis 
26.  Oktober  1912  soll  eine  abgeschlossene  Darstellung  der  Theorie  und 
Praxis  des  Eisenbetonbaues  bieten.  Der  Teil  über  die  Statik  wird  sich 
besonders    mit    den  Tragwerken    befassen,   die  im  Eisenbetonbau  wichtig 


sind.  Da  Fragen  des  Städtebaues  und  der  kommunalen  Politik  heute 
allseitigem  Interesse  begegnen,  haben  wir  einige  Vorträge  über  diese 
wichtigen  Gebiete  auf  das  Programm  gesetzt. 

Die  Vorträge  finden  täglich  vormittags  und  nachmittags  im  Architektur- 
gebäude der  Königl.  Technischen  Hochschule  (Templergraben)  statt.  In 
der  ersten  Woche  wird  die  Statik,  in  der  zweiten  Woche  die  Statik  und  der 
Eisenbeton   und   in   der  letzten  Woche   der  Eisenbeton   behandelt,   damit 


95 


DER  STÄDTEBAU 


der  Statikvortrag  die  Grundlagen  für  die  Eisenbetonvorlesungen  schaffen 

kann. 

Die   Vorträge    über   Städtebau  sind    über  die   ersten   zwei   Wochen 

verteilt. 

Anmeldungen  zur  Teilnahme  werden  möglichst  bald  an  das  Sekretariat 
der  Hochschule  zu  Aachen  erbeten.  Die  Gebühr  für  den  Kursus  beträgt 
loo  Mark.  Die  Teilnehmerkarten  werden  nach  der  Anmeldung  den 
Herren  zugestellt  werden  mit  der  Bitte,  die  Gebühr  an  das  Sekretariat 
einzusenden.  Nähere  Auskunft  erteilen  Professor  Domke  und  Professor 
Hertwig,  Königl.  Techn.  Hochschule  zu  Aachen. 

An  verschiedenen  Nachmittagen  werden  Bauten,  industrielle  Werke 
und  Baudenkmäler  der  Stadt  Aachen  unter  sachverständiger  Führung  be- 
sichtigt. Für  die  Sonntage  sind  Ausflüge  in  die  Eifel  und  die  weitere 
Umgebung  von  Aachen  geplant. 

Verzeichnis  der  Vorträge. 

1.  Professor  Domke:  Theorie,  Entwerfen  und  Konstruktion   der   Eisen- 

betonbauten.    30  Stunden. 

2.  Professor  Dr.  Gemünd:  Bau-  und  Bodenpolitik   der  Städte    in    ihrer 

Bedeutung  für  das  Wohnungswesen.     4  Stunden. 
■  3.  Geh.    Regierungsrat    Professor    Dr.-Ing.    Henrici:       Die    Grundlagen 
für  das  Entwerfen  von  Bebauungsplänen.     6   Stunden. 

4.  Professor  Hertwig:  Statik  der  Baukonstruktionen  mit  besonderer  Be- 

rücksichtigung der  Aufgaben  im  Eisenbetonbau.    30  Stunden. 

5.  Professor  Dr.  Kahler:  Industrieansiedlungen  und  Stadterweiterungen. 

4  Stunden. 

6.  Privatdozent  Dr.  techn.  Mautner,  Oberingenieur  der  Firma  C.  Brandt 

in  Düsseldorf:  Moderne  Eisenbetonbauten.     4  Stunden. 

7.  Professor  Dr.  Passow:    Neue  Entwicklungstendenzen  in  der  Organi- 

sation der  kommunalen  Erwerbsbetriebe.     4  Stunden. 

8.  Regierungsbaumeister  Petry,   Direktor  des  Deutschen  Beton-Vereins, 

Oberkassel:  Ergebnisse  der  neueren  Eisenbeton- Versuche. 
4  Stunden. 
g.  Regierungsbaumeister  Riepert,  Vorsitzender  der  Zentrale  zur  Förde- 
rung der  Deutschen  Zement-Industrie,  Charlottenburg:  Her- 
stellung und  Eigenschaften  der  neueren  Zementarten. 
4  Stunden. 
io;  Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  M.  Schmid:  Künstlerische  Behand- 
lung der  Eisenbetonbauten.     2  Stunden. 

Der  ZWECKVERBAND  „GROSS-BERLIN"  hat  sich  bei  der 
Wahl  seiner  ersten  Beamten  —  des  Direktors  und  des  Städtebau- 
künstlers —  die  Gelegenheit  entgehen  lassen,  der  Architekten  zu  gedenken, 
die  zuerst  den  Gedanken  gefaßt  und  verbreitet  haben,  ein  einheitliches 
„Groß-Berlin"  zu  schaffen  und  letzten  Endes  somit  als  die  geistigen 
Urheber  des  Zweckverbandes  angesehen  werden  müssen.  Die  einleitenden 
Vorträge  in  der  Vereinigung  Berliner  Architekten,  der  Wettbewerb  um 
einen  Grundplan  für  die  bauliche  Ausgestaltung  von  Groß-Berlin,  die 
Städtebau-Ausstellung  igio  in  Berlin  waren  wichtige  Glieder  in  dieser 
von  der  idealen  Begeisterung  freiwilliger  Mitarbeiter  getragenen  sechsund- 
einhalbjährigen Entwicklungsreihe,  die  nunmehr  in  amtliche  Bahnen  ge- 
lenkt werden  soll.  Es  wäre  wohl  natürlich  gewesen,  dem  vornehmlich 
mit  künstlerischen  und  technischen  Aufgaben  bedachten  Verbände  auch 
eine  dementsprechende  sachverständige  Spitze  mit  einem  Syndikus  zur  Seite 
zu  geben.  Daran  hat  aber  der  Gesetzgeber  nicht  gedacht  —  ist  es  doch 
nun  einmal  so  hergebracht  in  Preußen,  dem  Fachmann  ein  juristisches 
Mundstück  aufzupfropfen.  In  üblicher  ^Veise  sind  deshalb  dem  leitenden 
Direktor  die  notwendigen  Sachverständigen  beizugesellen.  Anfangs 
schien  es  so,  als  ob  ein  Verkehrsingenieur  als  der  wichtigere  Fachmann 
angesehen  würde.  Dankbar  ist  es  darum  zu  begrüßen,  daß  der  Städte- 
baukünstler den  Vorrang  —  zunächst  wenigstens  in  der  Zeitfolge  der 
Anstellung  erhalten  hat.  Seine  Wahl  ist  ausdrücklich  als  die  dringlichere 
bezeichnet  worden.  Dies  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  die  demnach  auch 
in  Zukunft  wohl  sich  durchsetzen  dürfte,  denn  auch  die  Verkehrsfragen 
bedürfen  der  künstlerischen  Beurteilung  und  der  Einordnung  in  die 
Ziele  des  Gesamtplanes. 

Auf  diesen  wichtigen  Posten  hat  der  Verband  nun  einen  „homo 
novus"  gesetzt,  der  in  seinem  bisherigen  Wirkungskreise  als  Stadtbaurat 
von   Neukölln    kaum    Gelegenheit    zur   Lösung   so   großer   städtebaulicher 


Aufgaben  gehabt  hat,  wie  sie  ihn  jetzt  erwarten.  Trotzdem  düifen  wir 
auf  ihn  große  Hoffnungen  setzen  —  hat  er  doch  neben  seiner  starken 
Begabung  für  die  Bewältigung  rein  architektonischer  Aufgaben  schon  in 
mannigfachen  Einzellösungen  ein  nicht  geringes  Verständnis  für  die 
Förderungen  des  Städtebaus  gezeigt,  denen  er  mit  Heranziehung  der 
besten  auf  diesem  Gebiete  tätigen  Kräfte  gerecht  zu  werden  sucht.  : 

Der  Stadtrat  von  Mannheim  hat  die  vom  Vorstand  der  Gartenstadt- 
Genossenschaft  vorgelegten  Pläne  über  die  für  die  GARTEN- 
VORSTADT IM  KÄFERTALER  W^ALD  zunächst  in  Aussicht 
genommenen  Bautypen  (Einfamilienhäuser  von  3  Zimmern  und  Küche 
nebst  Zubehör  und  von  5  Zimmern  und  Küche  nebst  Zubehör)  genehmigt. 
Zugleich  wurde  der  vom  Bürgerausschuß  bereits  im  vergangenen  Jahre 
angenommenen  Kundgebung  entsprechend  beschlossen,  100  Geschäfts- 
anteile der  Gartenstadtgenossenschaft  im  Betrage  von  20000  Mk.  durch 
die  Stadtgemeinde  zu  übernehmen. 

Zum  Aufsatze  des  Herrn  Dr.-Ing.  Emerich  Forbäth  über  das  ENG- 
LISCHE STÄDTEBAUGESETZ  ist  uns  folgende  Zuschrift  des 
Oberbürgermeisters  von  Karlsruhe  i.  B.,  Herrn  Siegrist,  zugegangen,  für 
die  wir  auch  an  dieser  Stelle  verbindlichen  Dank  abstatten: 

Im  5.  Heft  der  sehr  geschätzten  Zeitschrift:  ,,Der  Städtebau"  ist  in 
dem  Aufsatz  über  das  Englische  Städtebau-Gesetz  vom  3.  Dezember  igog 
darauf  hingewiesen,  daß  das  englische  Gesetz  das  Bauen  von  ^Vohnungen, 
deren  Rückseiten  als  Brandmauern  Rücken  an  Rücken  gestellt  werden,  ver- 
bietet; dazu  wird  bemerkt,  daß  diese  Bestimmungen  in  den  meisten  Ländern 
des  Kontinents  ,, leider  noch  zu  den  unerreichbaren  Idealen  gerechnet 
werden  müßten".  Mit  Bezug  hierauf  interessiert  Sie  vielleicht  die  Mitteilung, 
daß  die  soeben  erlassene  Bauordnung  für  die  Haupt-  und  Residenzstadt 
Karlsruhe  in  Baden  in  Paragraph  64  folgende  Bestimmung  enthält: 

„Jede  Familienwohnung  muß  einen  eigenen,  nicht  über  den  Gang 
einer  anderen  ^A?ohnung  führenden  Zugang  haben. 

Jeder  zum  dauernden  Aufenthalt  von  Menschen  be- 
stimmte Raum  muß  so  angelegt  werden,  daß  er  durchlüftet 
werden  kann.  Dazu  wird  verlangt,  daß  durch  Öffnen  von 
Fenstern  und  Türen  eine  Verbindung  mit  Straßen,  Höfen  oder 
Lichthöfen,  die  dem  §  24  der  Landesbauordnung  und  dem  §  31  dieser 
Bauordnung  entsprechen,  nach  zwei  verschiedenen  Himmels- 
richtungen hergestellt  werden  kann." 

Damit  dürfte  das  gleiche  erreicht  sein,  wie  es  dem  englischen 
Gesetz  nachgerühmt  wird.  Diese  Bestimmung  ist  übrigens  für  Karlsruhe 
nicht  neu,  sondern  bestand  in  etwas  anderer  Fassung  hier  schon  seit 
einigen  Jahren. 

IM    WETTBEW^ERBE    UM    DEN    ENTWURF    EINES 
GESAMTBEBAUUNGSPLANES    FÜR    DÜSSELDORF 

sind  folgende  Preise  verteilt  worden: 
I.  Preis    für    No.   ig    „Berge  romeryke"    an    Professor    Dr.-Ing.    Bruno 
Schmitz  in  Charlottenburg  und  Professor  Dr.-Ing.  Blum  in  Hannover. 
II.  Preis    für  No.   14    „Am  grünen  Rhein"    an   Professor  Bruno  Möhring 
in  Berlin,    Stadtbaurat    Piel    in    Bonn    und    Regierungsbaumeister 
Rogg  in  Düsseldorf. 
III.  Preis    für   No.  27  „Und  neues  Leben"   an  Architekt   Max  Wöhler   in 
Düsseldorf,  Regierungsbaumeister  Gustav  Langen  in  Berlin-Grune- 
wald und  Betriebsdirektor  Stahl  in  Düsseldorf. 
rV.  Preis  für  No.   12    „Jean  Weilern"    an    Geheimen    Oberbaurat   Dr.-Ing. 
J.  Stubben  in  Berlin-Grunewald,  Architekt  Pfaffendorf  in  Köln  a.  Rh. 
und  Dipl.-Ing.  Strach  in  Berlin. 
V.  Preis  für  No.  8  „Heimat"  an  Architekt  vom  Endt  in  Düsseldorf. 

Angekauft  wurden  die  Entwürfe: 
No.   10  „Die  Stadt  der  Zukunft"   von  Architekten   Recht    und    Bachmann 

sowie  Gartenarchitekt  Foeth  in  Köln  a,  Rh. 
No.  17  „Durchführbar"    von    Dr.-Ing.   Heinigenthal    und    Stadtingenieur 

Brocker  in  Essen-Ruhr. 
No.  28  „Städtebautaktik"  von  Regierungsbaumeister  Gabriel  und  Dr.-Ing. 

Hecker  in  Düsseldorf,  und  endlich  der  Teilentwurf 
No.  26  „Kismet"  von  Dipl.-Ing.  Hocheder  in  München. 
Im   ganzen  waren  48  Entwürfe  eingegangen. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung :  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Marigrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  66.  —  Gedruckt  bei  Herros^  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W. 


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9.  Jahrgang 


1912 


9.  Heft 


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**  NEBST  EINER  SONDERBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  ** 


INHALTSVERZEICHNIS:    Normalgrundrisse   für   Mietshäuser.     Von   AI.  Bohrer,    Stadtbaurat    in   Aachen.    —    Leipziger   Plätze.     Von   Theodor  Goecke, 

Berlin.    —    Braunschweigs  Plätze  und  Denkmäler   in    ihren  planmäßig  überlegten  Beziehungen.     Von  Chr.  Klaiber,  Schwäbisch-Gmünd.    —    Psychologie 

der  Grundstückspreise.     Von  Dr.  phil.  et  rer.  pol.  Strehlow,  Oberhausen.  —  Neue  Bücher  und  Schriften.  —  Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


NORMALGRUNDRISSE  FÜR  MIETSHÄUSER. 

Veranlassung  und  Ergebnis  einer  Rundfrage  der  Stadt  Aachen. 

EIN  BEITRAG  ZUR  BAUORDNUNGS-  UND  WOHNUNGSFRAGE. 
Von  AL.  BOHRER,  Stadtbaurat  in  Aachen. 


Die  Entwicklung  des  neueren  'Wohnhauses  strebt,  wie 
jede  andere,  aus  der  Bewegung  zur  Ruhe.  Im  allgemeinen 
pflegt  diese  Ruhe  einzutreten,  sobald  die  Ursachen,  die  eine 
Entwicklung  hervorgerufen  und  lebendig  gehalten  haben, 
infolge  von  Erfüllungen  und  Ausgleichungen  verschwunden 
sind,  und  eine  Klärung  der  Verhältnisse  dadurch  entstanden 
ist,  daß  die  wirksamen  Kräfte  ein  in  anbetracht  der  vor- 
handenen Bedingungen  vollkommenstes  Ergebnis  herbei- 
geführt haben. 

Die  Kräfte,  die  bei  der  Schaffung  des  neueren  Mietshauses 
tätig  waren,  entspringen  der  wirtschaftlichen  Entwicklung 
des  vorigen  Jahrhunderts  mit  ihren  neuartigen  Wohn- 
bedürfnissen sowie  der  Notwendigkeit,  die  aus  der  An- 
häufung großer  Menschenmassen  und  ihren  mangelhaft  sich 
entwickelnden  Wohnungsverhältnissen  herausgewachsene 
Gefahr  für  Leben  und  Gesundheit  zu  beschränken.  Sie 
erscheinen  als  ein  Bestreben  des  Bauunternehmers,  das 
Bedürfnis  nach  W^ohnungen  in  einer  für  ihn  möglichst  vorteil- 
haften Weise  zu  befriedigen  und  als  ein  Bemühen  der  Be- 
hörde, dieses  an  sich  berechtigte  Streben  in  Bahnen  zu 
halten,   die  dem  durch   das  Allgemeinwohl  umschriebenen 


Wohnungsbedürfnis  entsprechen,  das  heißt:  die  ein  sicheres 
und  gesundes  Wohnen  verbürgen. 

Die  wirksamen  Kräfte  sind  also  Wohnbedürfnis,  Unter- 
nehmersinn und  behördliche  Fürsorge.  Das  Ergebnis  ihres 
Zusammenarbeitens  ist  in  den  neuentstandenen  Häuserarten 
zu  finden,  deren  Vertreter  als  Typen  erscheinen,  wenn  die 
erwähnten  Kräfte  häufiger  in  demselben  Stärkeverhältnis 
miteinander  arbeiteten  und  dadurch  ein  Ergebnis  von  höchst- 
möglicher Ausgeglichenheit  und  Vollkommenheit  erzielt 
wurde.  Das  Stärkeverhältnis  bestimmt  den  Typ  in  der  Weise, 
daß  sich  eine  Kraft  besondere  Geltung  verschafft  und  einer 
Hausart  ihren  Stempel  aufprägt. 

Danach  kann  man  drei  Haupttypen  unterscheiden.  Zu- 
nächst einen  Typ  von  oft  unbedingter  Vollkommenheit,  der 
entsteht,  wenn  vorwiegend  das  Wohnbedürfnis  wirksam  ist, 
wie  manchmal  bei  Wohnungsgenossenschaften  und  Arbeiter- 
siedelungen; dann  den  Unternehmertyp,  der  sich  heraus- 
bildet, wenn  bei  herrschender  Wohnungsnot  infolge  mangel- 
hafter behördlicher  Fürsorge  der  Erwerbssinn  der  Unter- 
nehmer sich  fast  schrankenlos  entfalten  kann.  Das 
klassische   Beispiel   ist   die    Berliner   Arbeitermietskaserne. 


97 


DER  STÄDTEBAU 


Endlich  den  Bauordnungstyp,  der  erscheint,  wenn  bei 
durchgebildeter  Bauordnung  ein  wirtschaftlicher  Druck 
überall  zwingt,  bei  dem  Bauen  bis  an  die  Grenze  der  Zu- 
lässigkeit  zu  gehen. 

Die  Haustypen  erscheinen  natürlich  nicht  immer  in  ab- 
geklärter Form,  auch  nicht,  wenn  die  genannten  Entstehungs- 
bedingungen vollständig  gegeben  sind.  Vor  allen  Dingen 
muß  auch  die  Stärke  der  Entwicklung  alle  Kräfte  geschärft 
und  Wohnbedürfnis,  Unternehmertum  und  behördliche  Für- 
sorge auf  die  richtige  Höhe  gebracht  haben.  Daher  sehen 
wir  die  echten  Haustypen  nur  in  großen  Städten  mit  leb- 
haftester Bautätigkeit  sich  bilden.  Hier,  wo  die  Kräfte  sofort 
bei  ihrem  Entstehen  in  den  ernstesten  Kampf  miteinander 
geraten,  wird  das  Gleichgewicht  schnell  gefunden.  Durch 
Verstärkung  oder  Beschränkung  gelangen  die  wirksamen 
Kräfte  sehr  bald  von  selbst  in  ein  klares,  beständiges  Ver- 
hältnis, um  dann  die  ziemlich  gleichartigen  Häuser  hervor- 
zubringen. Als  Haupttriebkraft  ist,  von  Einzelfallen  ab- 
gesehen, der  Unternehmersinn  zu  betrachten.  Die  behördliche 
Fürsorge  verhält  sich  ebenso  wie  das  Wohnbedürfnis  zunächst 
mehr  passiv.  Das  letztere  kommt  nur  so  weit  zur  Geltung, 
als  es  dem  Erwerbstrieb  einen  Anreiz  gibt.  Dabei  stellt 
sich  der  Unternehmersinn  das  eine  Mal  freiwillig  in  den 
Dienst  des  reinen  Wohnbedürfnisses,  und  zwar  dann,  wenn 
dieses  von  dem  wirtschaftlich  Starken  ausgeht;  das  andere 
Mal,  wenn  es  sich  um  die  Wohnungen  der  Unbemittelten 
handelt,  gestattet  er  dem  Wohnbedürfnis  nur  eine  recht  be- 
schränkte Mitwirkung.  In  dem  ersten  Falle  kommt  es 
manchmal  so  weit,  daß  die  wirtschaftlichen  Forderungen 
den  Unternehmer  zwingen,  dem  Wohnbedürfnis  in  seinen 
leisesten  Regungen  nachzuspüren  und  sogar  zu  seiner  Ent- 
wicklung und  Verfeinerung  beizutragen.  W^enn  aber 
Unternehmervorteile  dem  wirtschaftlich  Schwachen  gegen- 
übertreten, dann  wirken  sie,  wie  die  Geschichte  des 
Wohnungswesens  zeigt,  fast  stets  verkümmernd  auf  das 
Wohnbedürfnis,  indem  das  Maß  seiner  Befriedigung  nach 
Möglichkeit  gedrückt,  das  Bedürfnis  selbst  allmählich 
geschwächt  und  die  Wohnungskultur  der  weniger  Bemittelten 
auf  einen  so  tiefen  Stand  heruntergesetzt  wird,  daß  Sicherheit 
und  Gesundheit  der  Hausbewohner  nicht  mehr  ausreichend 
verbürgt  erscheinen.  Ein  Vorwurf  kann  den  Unternehmer 
nicht  treffen.  Er  steht  mehr  oder  weniger  willenlos  in  der 
großen  Wirtschaftsordnung.  Dem  vielfach  auftretenden 
Baulandmangel  und  der  damit  verbundenen  Bodenpreis- 
steigerung entsprang  in  den  großen  Städten  für  den  Unter- 
nehmer die  wirtschaftliche  Notwendigkeit,  in  der  Grund- 
stücksausnutzung und  in  der  Billigkeit  des  Häuserbaues 
so  weit  wie  möglich  zu  gehen.  Der  Erfolg  war,  daß  die 
hergebrachten  Ansprüche  an  die  Wohnung  immer  mehr  in 
den  Hintergrund  gegenüber  den  Unternehmervorteilen  traten 
und  die  Grundstücksausnutzung  und  die  Billigkeit  der  Her- 
stellung an  die  Spitze  aller  bei  einem  Neubau  anzustellenden 
Erwägungen  gesetzt  wurde.  Die  Zahl  der  Räume  wurde 
wichtiger  als  deren  Güte. 

Die  Erkenntnis  dieses  dem  Gemeinwohl  schädlichen 
Vorganges  hat  die  neuzeitlichen  Bauordnungen  sich  weiter 
entwickeln  lassen.  Diese  sollten  mit  ihren  eingehenden 
Vorschriften  und  Anforderungen  als  Schutzwall  dienen  gegen 
die" Ausschreitungen,  die  das  Unternehmertum  teils  schiebend, 
teils  geschoben  bei  der  Befriedigung  des  Wohnbedürfnisses 
der  großen  Menge  begangen  hatte  oder  noch  plante.  Der 
Versuch  der  Behörde,  Verbesserungen  der  Wohnungen  durch 


Vorschriften  herbeizufuhren,  war  anfangs  etwas  schüchtern, 
weil  sie  sich  nicht  klar  war  über  das  Maß  des  Einflusses, 
der  ausgeübt  werden  konnte  und  sollte.  Das  Gesetz  erlaubte 
der  Polizei  die  Baufreiheit  nur  so  weit  einzuschränken,  als 
Sicherheit  und  Gesundheit  der  Bürger  es  unumgänglich  not- 
wendig machten.  Die  Grenzen,  die  durch  Vorschriften 
zunächst  gezogen  wurden,  waren  daher  recht  weit  gesteckt. 
Sie  gingen  von  der  Voraussetzung  aus,  der  Unternehmer 
werde  sie  nur  im  Ausnahmefall  berühren;  in  der  Regel 
werde  er  die  Abmessungen  der  Höfe  und  Konstruktionsteile 
reichlicher  und  die  Gebäude  niedriger  machen,  wie  in  der 
Bauordnung  für  zulässig  erklärt  war.  Dieser  Voraussetzung 
wurde  auch  dort  entsprochen,  wo  bei  langsamer  Entwicklung 
reichliches  Bauland  zur  Verfügung  stand.  Wo  aber  das 
Zuströmen  der  Bevölkerung  einen  ständigen  Mangel  an 
Bauland  und  die  bekannte  riesige  Bodenpreissteigerung 
hervorrief,  hatten  die  Bauordnungen  eine  ganz  andere 
Wirkung,  als  ihnen  zugedacht  war.  Dem  reinen  Wohn- 
bedürfnis, das  in  erster  Linie  ausschlaggebend  für  die  Ge- 
staltung des  Wohnhauses  sein  sollte,  wurde  der  so 
berechtigte  Einfluß  nicht  wiedergewonnen.  Der  noch  vor- 
handene wurde  sogar  noch  geschmälert,  indem  unter  dem 
Druck  der  wirtschaftlichen  Entwicklung  die  Anordnung  und 
Ausbildung  der  Wohnungen  vorwiegend  einem  Werdegange 
überwiesen  wurde,  den  Unternehmersinn  und  Bauordnung 
fast  allein  miteinander  durchmachten.  Die  Bauordnung,  die 
als  Schranke  gedacht  war,  innerhalb  deren  sich  die  Baulust 
frei  dem  Bedürfnis  entsprechend  betätigen  konnte,  die  Raum 
für  alles  Gute  und  Schöne  in  der  Baukunst  ließ,  erwies 
sich  immer  mehr  als  eine  Linie,  hinter  der  Unternehmer- 
gewinn lockte.  Der  Unternehmer  wurde  mit  zentrifugaler 
Gewalt,  mochte  er  wollen  oder  nicht,  infolge  wirtschaftlicher 
Not  an  die  äußerste  Grenze  der  polizeilichen  Zulässigkeit 
gedrückt  und  der  letzteren  ein  beherrschender  Einfluß  auf 
die  Gestaltung  fast  aller  Häuser  gegeben,  die  der  großen 
Masse  der  Bevölkerung  Wohnung  bieten  sollten.  Der 
Umstand,  daß  die  Bauordnungen  von  dem  Begriff  der  Bau- 
freiheit beeinflußt  waren  und  auf  einem  Gesetz  sich  aufbauten, 
das  der  Polizei  nur  die  Abwehr  unmittelbarer  Gefahr  zuwies, 
zeigte  sich  um  so  mehr  als  ein  Unglück  für  das  Wohnungs- 
wesen, je  mehr  die  Schranken  und  Vorschriften  bei  der 
Verteidigung  gegen  die  Unternehmerangriffe  im  Einzelnen 
ausgebildet  wurden.  Durch  ihre  Mindestmaße,  die  zu  sehr 
an  der  Grenze  des  baulich  Schlechten  lagen,  haben  sich  die 
Bauordnungen  gewissermaßen  auf  das  gerade  Hinreichende 
in  bezug  auf  Höhe,  Mauerstärke,  Hofgröße  usw.  abgestimmt. 
Der  natürliche  Fortschritt  zum  Guten  ist  durch  diese  Polizei- 
maße gehemmt,  eine  Entwicklung  zum  Bessern  abgeschnitten, 
ja  vielerorts  ist  die  Bauausführung  auf  das  Minderwertige 
zurückgedrängt  worden.  Die  Behörde  hat  diesen  Erfolg 
weder  gewollt  noch  unmittelbar  herbeigeführt.  Sie  hat  ihn 
zu  ihrem  Schrecken  mittelbar  erreicht,  indem  sie  den  Blick 
auf  das  Hinreichende,  das  Minderwertige,  lenkte  und  ihn 
vom  Reichlichen,  dem  Erstrebenswerten,  abzog. 

Sogar  dem  höher  Strebenden  wurde  das  Notdürftige  auf- 
gezwungen, wo  die  wirtschaftliche  Entwicklung  der  Bau- 
ordnung den  maßgebenden  Einfluß  auf  die  Gestaltung  der 
Wohnhäuser  brachte. 

Die  ungeheuere  Macht  der  Wirtschaftlichkeit  fand  zu- 
fällig einen  Bundesgenossen  in  einem  Hauptgedanken  der 
Bauordnung,  der  sich  in  den  Mindestmaßen  kundgibt. 
Beide  zusammen  dienten  der  Genügsamkeit,   die  mit  dem 


98 


DER  STÄDTEBAU 


Hinreichenden  zufrieden  sein  möchte,  als  Hilfskräfte  im 
Kampfe  gegen  die  Kulturtriebe  der  Menschheit,  die  kein 
Genügen  kennen,  denen  der  Fortschritt  zum  Reichlichen  ein 
unabweisbares  Bedürfnis  ist.  Ähnliches  ist  in  neuerer  Zeit 
auch  bei  der  Warenerzeugung  beobachtet  worden.  Was 
die  Behörde  mit  ihrer  Bauordnung  ohne  Absicht,  haben  die 
Warenhäuser  mit  Bewußtsein  getan.  Sie  haben  auch  das 
Hinreichende  auf  den  Schild  erhoben  und  marktgängig 
gemacht,  indem  sie  das  Augenblicksbedürfnis  billig  be- 
friedigten. Das  Bedürfnis  an  sich  wurde  nebensächlich 
behandelt.  Durch  die  Mangelhaftigkeit  seiner  Befriedigung 
wurde  es  zu  einem  dauerndenübel,  dessen  Behandlung  unaus- 
gesetzt Geld  in  die  Kasse  der  Warenhäuser  brachte.  Dabei 
wurde  die  gesamte  Warenherstellung  auf  einen  niedrigeren 
Stand  gedrückt  und  durch  Preisvorschriften  viele  nur  auf  das 
Gute  gerichtete  Kräfte  in  Gewerbe  und  Handel  geschwächt 
oder  gar  ausgeschaltet.  Die  Bauordnungen  mit  ihren  Mindest- 
forderungen wirkten  genau  so.  Wer  diese  am  knappsten 
erfüllte,  verdiente  das  meiste  Geld.  Die  schlechteste,  polizei- 
lich zulässige  Wohnung  war  natürlich  nur  neu  und  für 
kurze  Zeit  brauchbar,  und  wie  ein  Regenschirm  aus  dem 
Warenhaus;  und  der  erschreckend  häufige  Wohnungs- 
wechsel zeigt,  daß  auch  das  Wohnungsbedürfnis  ein 
ständiges  Übel  geworden  war. 

Als  die  polizeilichen  Baubestimmungen  allmählich  ihre 
passive,  vorbeugende  Eigenschaft  verloren  und  eine  un- 
mittelbar gestaltende  Kraft  gewannen,  so  daß  sie  zuletzt  nur 
noch  die  Form  bildeten,  in  die  die  Bauspekulation  ihre 
Werke  hineinzudrücken  brauchte,  entstanden  die  ersten  nor- 
malen Bauordnungshäuser,  die  zum  Leidwesen  unserer 
Künstler  und  Ärzte  zu  Hunderten  und  Tausenden  die  langen 
Straßenzeilen  unserer  Großstädte  füllen.  Infolge  der  oben 
geschilderten  Umstände  waren  diese  Häuser  zum  Teil  mangel- 
hafter als  diejenigen,  die  ohne  eine  ins  einzelne  durchge- 
bildete Bauordnung  entstanden  waren,  die  gebaut  waren, 
ohne  daß  eingehende  Bestimmungen  den  Fingerzeig  gegeben 
hatten,  wie  schlechte  Wohnungen  geschaffen  werden  dürften. 
Das  Schlimmste  war,  daß  die  Bauweise,  die  den  kleinsten 
Hof,  die  größte  Geschoßzahl,  die  schlechteste  erlaubte  Aus- 
führung und  Einrichtung  mit  sich  brachte,  auch  dort  Platz 
griff,  wo  ein  wirtschaftlicher  Druck  gar  nicht  vorhanden 
war  oder  erst  künstlich  eingeschleppt  wurde.  Sie  wanderte 
von  der  Innenstadt  in  die  Außengelände,  von  der  Großstadt 
in  das  Dorf  und  verseuchte  im  Wohnwesen  weite  Gebiete 
des  Landes.  Die  Ruhe,  mit  der  man  eine  Zeit  lang  der 
Entstehung  der  höchst  mangelhaften  Normalhäuser  zusah, 
wurde  durch  die  Erkenntnis  der  immer  deutlicher  in  die 
Erscheinung  tretenden  Übelstände  gestört.  Das  öffentliche 
Gewissen  verlangte  nach  einer  anderen  Bauweise.  Be- 
sonders in  der  Provinz,  wo  eine  gesündere  Bau-  und 
Wohnweise  üblich  gewesen  war,  bevor  von  Berlin  die 
schlechte  Bauordnung  mit  ihren  üblen  Folgen  übertragen 
wurde,  fing  die  Baupolizei  an,  mit  Erfolg  für  die  Ausdehnung 
Ihrer  Rechte  zu  kämpfen.  Durch  die  Entscheidungen  der 
höchsten  Gerichte  erfuhren  die  Befugnisse  der  Baupolizei 
eine  bedeutende  Erweiterung,  so  daß  die  Bauordnungen  ihre 
Zulässigkeitsgrenzen  um  ein  erhebliches  Stück  vom  Schlechten 
nach  dem  öuten  hin  verschieben  konnten.  Die  Polizeiver- 
waltungen kamen  dadurch  in  die  Lage,  sich  in  erhöhtem 
Maße  zu  Anwälten  des  wirklichen  Wohnungsbedürfnisses, 
insbesondere  desjenigen  der  minderbemittelten  Bevölkerung, 
zu    machen,    wie    es    dem   Allgemeinwohl   entsprach.     Die 


Vorschriften  wurden  vielfach  so  verbessert  und  verschärft, 
daß  die  Entstehung  erträglicher,  ja  sogar  guter  Verhältnisse 
als  verbürgt  betrachtet  werden  konnte. 

Es  fragt  sich  aber,  ob  man  alle  Möglichkeiten,  die  für 
die  Verbesserung  des  Wohnungswesens  bei  dem  heutigen 
Stande  der  polizeilichen  Befugnisse  gegeben  sind,  erschöpft 
hat  oder  ob  man  die  wichtigste  Eigenschaft  der  Bau- 
ordnungen, ihre  Eigenschaft,  der  Bauspekulation  die  Form 
der  meisten  Wohnhausbauten  zu  liefern,  in  ihrer  grund- 
legenden Bedeutung  vielleicht  noch  nicht  richtig  gewürdigt 
hat.     Hier  muß  gesagt  werden: 

Man  hat  sich  noch  zu  sehr  der  Erkenntnis  verschlossen, 
daß  jede  Bauordnung  heute  infolge  der  wirtschaftlichen  Ver- 
hältnisse zwangsläufig  für  den  weitaus  größten  Teil  der  Be- 
völkerung ganz  bestimmte  Wohnhausarten  entstehen  läßt, 
daß  mit  einem  Wort  jede  Bauordnung  wesentlich  eine 
Häusermaschine  ist.  Diese  Tatsache  mag  man  bedauern, 
aber  man  kann  sie  nicht  aus  der  Welt  schaffen  und  muß 
sich  damit  abfinden.  Um  die  durch  die  Entscheidungen 
der  höchsten  Gerichte  der  Baupolizei  zugebilligten  Befug- 
nisse voll  auszunutzen  und  zu  einer  gesunden  Reform  der 
Bauordnung  zu  gelangen,  kann  es  daher  nur  gelten,  sie 
einerseits  des  Maschinencharakters  nach  Möglichkeit  zu 
entkleiden  oder  die  sich  daraus  ergebenden  Nachteile  zu 
mildern,  sie  aber  andernteils  als  Maschine  bewußt  zu  be- 
handeln und  sie  auf  die  Höhe  der  neuzeitlichen  Maschinen- 
konstruktion zu  bringen. 

Die  Nachteile,  die  sich  aus  der  Maschineneigenschaft 
der  Bauordnungen  ergeben,  sind  offenkundig.  Die  Bau- 
ordnungen ergehen  sich  heute  fast  ausnahmslos  in  aus- 
führlichen Vorschriften  über  alle  nur  erdenklichen  im 
bürgerlichen  Bauwesen  vorkommenden  Konstruktionen  und 
Anordnungen,  die  zur  Stand-  und  Feuersicherheit,  sowie 
aus  Gesundheitsrücksichten  nötig  sind,  die  aber  als  selbst- 
verständliche Voraussetzung  jeder  ordnungsmäßigen  Bau- 
ausführung zu  gelten  haben.  Diese  vielen  Einzelvorschriften, 
die  zum  Teil  den  Maschinencharakter  der  Bauordnungen 
bedingen,  sind  geeignet,  den  Architekten  unnötigerweise 
in  seiner  Freiheit  zu  beschränken  und  eine  mechanische 
Herstellung  der  meisten  Wohnhäuser  zu  fördern.  Um  die 
architektonische  Freiheit  so  wenig  wie  möglich  anzutasten, 
hat  man  durch  diese  Einzelbestimmungen  den  Baumeister 
nicht  an  Arm  und  Bein  gefesselt,  aber  man  hat  ihn  ge- 
wissermaßen in  ein  Gehäuse  gesperrt,  in  dem  er  sich  gerade 
noch  bewegen  kann.  Die  wunderbaren  Ausnutzungs-  und 
Mittelungsmöglichkeiten,  die  die  Bauordnungen  meistens 
gewähren,  lassen  so  viel  Freiheit,  daß  die  Architekten  immer 
wieder  den  Versuch,  sich  zu  bewegen,  wagen,  um  stets 
wieder  schmerzhaft  an  die  Lüge  dieser  Bewegungsfreiheit 
erinnert  zu  werden,  indem  sie  mit  ihrer  durch  langes 
Studium  gewonnenen  Weisheit  fortgesetzt  mit  den  groben 
Bestimmungen  in  Widerspruch  geraten.  Es  gibt  kaum  einen 
studierten  Architekten,  den  die  heutigen  Bauordnungen  nicht 
unangenehm  berührt  hätten. 

Dagegen  ist  festzustellen,  daß  ungelernte  Elemente 
sich  mit  den  heutigen  Bauordnungen  und  den  sie  hand- 
habenden Behörden  vortrefflich  abfinden.  Sie  schöpfen 
ihre  gesamte  Baukunst  aus  der  Bauordnung  und  lassen 
sich  fügsam  durch  die  Baupolizei  belehren,  wie  schlecht 
gebaut  und  wie  weit  die  Grundstücksausnutzung  getrieben 
werden  darf.  Die  Häusermaschine,  die  Bauordnung,  ver- 
langte   zu    ihrer   Bedienung   keine    gelehrten   Künstler;    sie 


99 


DER  STÄDTEBAU 


verlangte  nur  Leute,  die  das  Wesen  ihrer  Arbeitskraft 
erfaßten  und  auszunutzen  verstanden.  Solche  fanden  sich 
aus  allen  Ständen.  Grundbesitzer,  Schreiner,  Klempner 
und  Handlanger  fingen  erfolgreich  an,  mit  der  Bauordnung 
zu  arbeiten.  Sie  holten  zwar  nicht  das  beste  Erzeugnis  aus 
der  Maschine,  die  gewissermaßen  auf  Halbzeug  eingestellt 
war,  heraus,  aber  sie  schafften  doch  marktgängige  Ware. 
Die  Bauherren  fühlten  bald  heraus,  daß  mit  dem  Bauunter- 
nehmer bequemer  und  wenigstens  scheinbar  oder  für  den 
Augenblick  wirtschaftlicher  arbeiten  war  als  mit  dem  Bau- 
meister und  nahmen  die  mangelnde  Güte  der  Bauten  mit  in 


den  Kauf.  Wie  bei  der  Ausbreitung  der  Dampfmaschine  die 
tüchtigen  Handwerker  zum  großen  Teil  ausgeschaltet  wurden, 
so  bei  der  Ausgestaltung  der  Bauordnung  zu  einer  Anleitung 
zum  notdürftigen  Bauen  der  studierte  Baumeister,  wenigstens 
für  die  große  Zahl  der  landläufigen  Wohnhausbauten.  Nur 
diejenigen,  die  sich  den  Eigenarten  der  neuen  Bauordnungen 
unterwarfen  und  sie  sich  zunutze  machten,  kamen  weiter, 
während  die  anderen  beiseite  geschoben  wurden  wie  die 
Handwerker,  die  bei  dem  Aufkommen  der  Maschine  sich 
den  neuen  Herstellungsmitteln  nicht  anpaßten. 

(Fortsetzung  folgt.) 


LEIPZIGER  PLÄTZE. 


Von  THEODOR  GOECKE,  Berlin. 


Leipzig  ist  in  deutschen  Landen  die  Stadt  der  weit  sich 
dehnenden  freien  Plätze.  Bekannt  ist  die  übermäßige  Größe 
des  Augustusplatzes,  dessen  Querteilung  durch  die  Baum- 
reihen des  Grimmaischen  Steinweges  und  die  Aufwölbung 
seiner  Bodenfläche,  anscheinend  infolge  immer  wieder- 
holter Kiesschüttungen,  das  Platzbild  nicht  gerade  ver- 
bessern. Mehr  unförmlich  sind  die  anderen  meist  doppel- 
platzartigen  Gebilde  auf  dem  früheren  Festungsgelände  am 
Ringe,  der  Königs-  und  Roßplatz,  der  Schul-  und  Fleischer- 
platz, der  Blücher-  und  der  neue  Bahnhofsplatz.  Nur  der 
Königsplatz  hat  eine  geschlossene  Form;  er  bildet  eine  tiefere 
Staffel  des  am  Panorama  wieder  gestaffelten  Roßplatzes  und 


kann  deshalb  wie  ein  selbständiger  Platz  betrachtet  werden. 
Das  gut  aufgestellte,  wenn  auch  beiderseitig  eingebaute 
Grassi-Museum  gibt  dem  rechteckigen  Tiefenplatze  Haltung. 
Doch  auch  seine  Bodenfläche  hat  einen  Buckel,  hinter  dem, 
von  der  Petersstraße  aus  gesehen,  der  Sockel  des  Grassi- 
Museums  verschwindet.  Der  Roßplatz  ist  im  übrigen  ein 
den  Grünanlagen  der  Schillerstraße  vorgelagerter  langer 
Geländestreifen  mit  unregelmäßig  hin  und  her  fluchtender 
Bebauung  am  südlichen  Rande,  in  den  die  Einmündung 
der  wichtigen  Kurprinzenstraße  im  Zusammenschnitt  mit 
der  Sternwarten-  und  Seeburgstraße  ein  Loch  reißt.  Die  vor 
den    früheren   Festungswällen   entstandenen  Vorstädte   mit 


100 


DER  STÄDTEBAU 


ihren  radial  zum  Tore  oder  parallel  zu  den  Basteien  ge- 
richteten Straßen  haben  ohne  weiteres  die  Platzwände  ab- 
gegeben, hier  sowohl  wie  am  Fleischerplatze,  der  sich  in 
langgestreckter,  annähernd  dreieckiger  Grundform  an  den 
Schulplatz  anreiht,  nurdurch den StraßenzugBrühl-Ranstädter 
Steinweg  davon  getrennt.  Zum  Überfluß  öffnet  sich  gegen 
den  an  der  Nordseite  gut  begrenzten  Schulplatz  auch  noch 
der  Theaterplatz  am  alten  Stadttheater,  das  seinerzeit  mitten 
in  den  verschütteten  Stadtgraben  gesetzt  worden  ist. 

Sehr  zu  begrüßen  ist  der  Beschluß  der  Stadtbehörden, 
das  alte  Theater,  dem  im  Laufe  der  Zeit  zwar  übel  mit- 
gespielt worden  ist  (die  später  hinzugefügten  Schornsteine 
könnten  wohl  leicht  wieder  beseitigt  oder  wenigstens  in  ihrer 
Erscheinung  dem  Bauwerke  besser  angepaßt  werden),  aber 
doch  immer  noch  ein  erheblicher  Denkmalwert  innewohnt, 
zu  erhalten  und  zur  Abhaltung  von  Kongressen  und  Fest- 
lichkeiten zu  verwenden  —  statt  dessen  aber  einen  Neubau 
an  anderer  Stelle  zu  errichten.  Dazu  wäre  vielleicht  der 
Schulplatz  geeignet,  um  dem  Fleischerplatz  einen  Schluß  zu 
geben.  Zeitungsnachrichten  sprechen  indessen  von  einem 
Platze  an  der  Töpferstraße  —  das  wäre  also  an  der  Grün- 
anlage längs  dem  Fleischerplatze?  Wenn  nur  dadurch  nicht 
der  malerische  Rest  der  Bastei  an  der  Matthäikirche  verdeckt 
wird!  Wie  alte  Stadtpläne  und  das  prächtige,  von  1816 — 22 
angefertigte  Modell  der  Stadt  in  dem  zum  Leipziger  Stadt- 
museum eingerichteten  alten  Rathause  erkennen  lassen,  ist 
die  vorgeschobene  Nase,  auf  der  die  Matthäikirche  sich 
erhebt,  an  der  Westseite  der  sonst  ziemlich  geradlinig  im 
Rechteck  herumgeführten  älteren  Stadtbefestigung  —  nur  die 
Pleißenburg,  an  deren  Stelle  jetzt  das  neue  Rathaus  steht, 
an  der  Südwestecke  der  Stadtbefestigung,  bildet  einen  zweiten 
ähnlichen  Vorsprung  —  wohl  als  der  Steilrand  des  alten  Pleiße- 
tals  anzusprechen,  an  dem  der  Stadtgraben  parallel  zur  hier 
gekrümmten,  den  Fleischerplatz  in  einem  Knick  umfließenden 
Pleiße  entlanggeführt  wurde.  An  den  Fleischerplatz  schließt 
sich  nach  Süden  am  Thomasring  wieder  ein  Dreiecksplatz  an. 

Die  heutigen  Großstädter  können  es  den  Stadtvätern,  die 
Wall  und  Graben  zu  einem  Grünringe  umschufen,  nicht 
genug  danken,  daß  sie  das  alte  Festungsgelände  von  der 
Bebauung  möglichst  frei  gehalten  haben.  Nur  Verbesserungen, 
Ergänzungen  sind  notwendig,  um  schöne  Platzräume  ent- 
stehen zu  lassen.  Die  stellenweise  Leere  dieser  weiten 
Plätze  zu  mildern,  sind  hier  und  da  Denkmäler  und  Brunnen 
(namentlich  aus  neuerer  Zeit  einige  reizvolle  Stücke)  auf- 
gestellt worden,  die  jedoch  über  die  unvollkommene  Platz- 
gestaltung nicht  hinwegzutäuschen  vermögen.  Kräftigere 
Mittel  bieten  die  Verbesserung  der  Fluchtlinien,  die  Ein- 
schiebung  größerer  und  kleinerer  Bauwerke,  eine  architek- 
tonisch zu  gestaltende  Bepflanzung  zur  scheinbaren  Ver- 
kleinerung der  Flächen  bzw.  zur  Schaffung  von  wirklichen 
Doppelplatzanlagen.  Soweit  die  Bepflanzung  in  Frage  kommt, 
wäre  allerdings  eine  glücklichere  Schöpferhand  zu  wünschen, 
als  sich  in  den  meisten  Grünanlagen  bisher  betätigt  hat.  Nur 
am  Roßplatze  sind  diese  gelungen,  in  den  zwischen  Gebüsch- 
wandungen zusammengehaltenen  Rasenflächen,  über  die  der 
Blick  von  der  Mitte  der  die  Universitätsstraße  zur  Kurprinzen- 
straße herüberführenden  Querverbindung  aus  zum  neuen 
Rathause  und  seinem  Turme  herüberschweift. 


Bessere  Verhältnisse  zeigt  schon  der  Platz  vor  dem  neuen 
Rathause  —  der  Rathausring  —  infolge  guter  Gruppierung 
der  Baumassen  des  Rathauses  selbst  mit  der  die  Höhen- 
unterschiede ausgleichenden  Rathausterrasse.  Noch  ge- 
lungener ist  der  Burgplatz  hinter  dem  Rathause  mit  dem 
köstlichen  Ratsbrunnen,  den  Wrba  und  Licht  geschaffen 
haben,  an  der  einen  Seite  schön  abgeschlossen  durch  den 
Schwibbogen,  der  das  Rathaus  mit  dem  benachbarten  Ver- 
waltungsgebäude über  die  Lotterstraße  hinweg  verbindet. 
An  der  anderen  Seite  beeinträchtigt  die  Neigung  zu  großen 
Öffnungen  wieder  etwas  den  Eindruck  —  die  Eckver- 
brechungen an  der  Markgrafen-  und  Burgstraße  sind  recht 
böse !  Einen  guten  Anlauf  zeigt  auch  der  Platz  am  Thomas- 
kirchhof mit  der  seitlich  aufgestellteu  Kirche,  die  mit  dem 
Pfarrhause  zu  einer  malerischen  Gruppe  verbunden  und  durch 
Terrassen  nebst  Freitreppe  sich  über  den  Ring  erhebt. 
Weniger  günstig  erscheint  dagegen  wieder  der  Platz  vor  dem 
Reichsgerichtsgebäude,  das  sich  nicht  hoch  genug  über  der 
Platzfläche  erhebt.  Auch  dieser  Platz  ist  fast  übergroß  und 
erscheint  noch  größer  dadurch,  daß  er  sich  seitlich  auf  ein 
weiteres  Platzanhängsel,  den  Vorplatz  des  Gewandhauses, 
öffnet,  mit  der  unschönen  Bebauung  an  der  schief  einfallenden 
Lampestraße. 

Nun  scheint  aber  mit  dem  neuen  Zentralbahnhofe  ein 
neuer  Geist  in  die  Platzgestaltung  einzuziehen.  Denn  auch 
der  Bahnhofsvorplatz  mit  dem  Blücherplatz  soll  wieder  zu 
einer  fast  übermächtigen  Platzanlage  zusammengeschmolzen 
werden,  die  von  der  Halleschen  Straße  bzw.  der  Börse  bis 
zum  Georgiringe  reicht  (siehe  Textbild).  Ein  Bild  von  der 
zukünftigen  Wirkung  kann  man  sich  allerdings  noch  nicht 
machen,  weil  das  den  Platz  beherrschende,  langgestreckte 
Empfangsgebäude  noch  nicht  viel  über  die  Hälfte  fertig  ist. 
Immerhin  verspürt  man  den  Willen  einer  einheitlichen  Aus- 
gestaltung, zunächst  um  die  hier  vielfach  verschlungenen 
und  sich  kreuzenden  Verkehrslinien  übersichtlich  zu  ordnen 
und  dann  die  Grünanlage,  die  gewissermaßen  nach  der  Stadt 
hin  den  Abschluß  gibt,  mit  der  darüber  noch  hinausragenden 
hohen  Bebauung  der  höher  liegenden  Parkstraße  der  Platz- 
fläche anzupassen.  Ungünstig  wirkt  freilich  die  breite  Öffnung 
der  Blücherstraße  mit  der  wenig  bedeutenden,  im  Maßstabe 
zu  kleinen  Architektur  der  Preußischen  Güterabfertigungs- 
stelle nebst  aufdringlich  ausgeputztem  Dampfschornstein. 
Auch  die  neue,  vom  Brühl  zum  Blücherplatz  herüberführende 
Durchbruchstraße  (Nikolaistraße)  hätte  mit  einer  leisen 
Schwenkung  auf  den  Haupteingang  zur  preußischen  Seite 
des  Empfangsgebäudes  zu  glücklicher  in  Beziehung  zum 
Platze  gesetzt  werden  können;  das  mit  Baumborken  be- 
kleidete Aborthäuschen  endlich  an  der  Ecke  des  Georgi- 
ringes  wird  nun  wohl  bald  durch  ein  dem  Platze  zum 
Schmuck  gereichendes  Bauwerk  nach  dem  Vorbilde  von 
Dresden  und  München  ersetzt  werden. 

Eine  verantwortungsvolle  Aufgabe  erwächst  dem  Stadt- 
erweiterungsamte noch  mit  der  Umgestaltung  der  Ring- 
plätze. Wird  die  Weiträumigkeit  richtig  ausgenutzt,  so 
kann  einmal  aus  dem  Ringe  etwas  werden,  was  sich  kühn 
den  Wallanlagen  Bremens  oder  Frankfurts  als  ein  wahr- 
haft modern-großstädtischer  Freiluftgürtel  an  die  Seite  zu 
setzen  vermöchte. 


101 


DER  STÄDTEBAU 


BRAUNSCHWEIGS  PLÄTZE  UND  DENKMÄLER 
IN  IHREN  PLANMÄSSIG  ÜBERLEGTEN 
BEZIEHUNGEN. 


Von  CHR.  KLAIBER,  Schwäbisch-Gmünd. 


Wenn  P.  J.  Meier  in  Braunschweig  in  seinen  „Städtebau- 
lich-entwicklungsgeschichtlichen Vorträgen    und  Studien"*) 
einwandsfrei  nachgewiesen  hat,  daß  die  einzelnen  Weichbilder 
„Altstadt",  „Neustadt"  und  „Hagen"  der  Stadt  Braunschweig 
im  12.  und  13.  Jahrhundert  planmäßig  angelegt  worden  sind, 
so  ist,  darauf  fußend,  eine  Untersuchung  der  Platzbildungen 
dieser  Weichbilder  wie   der  Stellung   der  Denkmäler  zum 
Platze  gerechtfertigt,  indem  die  Planmäßigkeit  der  Gesamt- 
anlage auch  hier  rein  theoretisch  zum  Ausdruck  kommen 
muß.     Fassen  wir  zunächst  den  Markt  der  Altstadt  ins  Auge 
(Abb.  1),  so  sind  die  beiden  nicht  schraffierten  Baublöcke  die 
kleinsten  des  Altstadtweichbildes,  was  entsprechend  anderen 
mittelalterlichen    Stadtgrundrissen    (Aschersleben)    mit    der 
nachträglichen  Überbauung  des  überflüssigen  Platzes  infolge 
Platzmangels    erklärt   werden  kann.     Kommt  nun  noch  in 
unserem  Falle  hinzu,  daß  bei  Weglassung  der  beiden  Bau- 
blöcke ein  ideal  rechtwinkliges  Rechteck  als  Platzgrundform 
entsteht,  so  erscheint  diese  Annahme  späterer  Bebauung  er- 
wiesen, auch  im  Blick  auf  dieselben  Erscheinungen  bei  den 
übrigen  Plätzen  Braunschweigs.     Eine  urkundliche  Beweis- 
führung sei  dem  Geschichtsforscher  überlassen,  als  nicht  zum 
eigentlichen  Gebiete   des  Architekten  gehörend.     Sämtliche 
Platzwände   sind  nun  mit  der  Martinikirche  genau  gleich- 
laufend gerichtet.     Altstadtmarkt,  wie  der  für  die  Martini- 
kirche vorgesehene  Platz  sind  durchaus  regelmäßige  Platz- 
anlagen,  mit  der  Poststraße   als  Hauptachse   und  mit  dem 
Altstadtrathaus  an  dem  linken  einspringenden  Platzeck.    Die 
Westfront  der  Martinikirche  liegt  genau  in  der  Bauflucht  der 
Turnierstraße  (Abb.  2).    In  späterer  Zeit  wurde  der  gotische 
Zierbrunnen  mathematisch  genau  auf  die  Straßenachse  ge- 
stellt, auf  welche  künstlerisch  überlegte  Art  das  geschlossene 
Zusammenwirken    von   Martinikirche    und    Altstadtrathaus 
(Straßenabschluß)  zurückzuführen  ist  (Abb.  3).  Um  1595  wird 
das  Gewandhaus   erbaut  mit  dem  bekannten  Renaissance- 
giebel, der  wiederum  in  mathematisch  genauer  axialer  Stellung 
die  Poststraße  abschließt  (Abb.  4).   Alles  zusammengefaßt,  ist 
beim  Altstadtmarkt  bewußte  rechtwinklige  Platzaussparung 
vor  der  Bebauung,  wie  überlegendes  Vorgehen  in  städtebau- 
künstlerischem Sinne  bei  der  Stellung  der  Denkmäler  zum 
Platze  zweifellos  anzunehmen. 

Begeben  wir  uns  nun  in  das  später  angelegte  Neustädter 
Weichbild,  so  tritt  uns  in  seinem  Wollmarkt  (Abb.  5)  die 
namentlich  in  Süddeutschland  (Maximilianstraße  in  Augsburg, 
Hauptstädter  Straße  in  Stuttgart)  vielverbreitete  langgestreckte 
Platzform  (analog  Marktstraße)  entgegen,  deren  Entstehungs- 
ursache im  mittelalterlichen  Verkehrsbedürfnis  nach  den 
langgestreckten  Warenzügen  angepaßten  Aufstellungsstraßen 


*)  Die  Grundrißbildungen  der  deutschen  Städte  des  Mittelalters  in 
ihrer  Bedeutung  für  Denlimälerbeschreibung  und  Denkmalpflege.  (X.  Denk- 
mälertag. Vortrag  von  P.  J.  Meier;  Stätten  der  Kultur,  Braunschweig. 
Von  P.  S.  Meier. 


(Stapelrecht)  zu  suchen  ist.  Von  dem  1543  erfolgten  späteren 
Einbau  „der  Wage"  abgesehen,  finden  wir  die  durch  die 
Ostung  bedingte  Schrägstellung  der  Andreaskirche,  da  die 
Straßenzüge  vor  dem  Kirchbau  festgelegt  worden  sein  mußten 
für  den  zuerst  notwendigen  Wohnungsbau.  In  bezug  auf 
die  wirkungsvolle  Stellung  aber  ist  das  Vorspringen  der 
Westfront  mit  den  beiden  Türmen  mit  annähernder  Turm- 
breite über  die  Fluchtlinie  des  Wollmarktes  als  bewußt 
künstlerische  Art  zu  betrachten,  indem  dadurch  einmal  der 
Südturm  die  Straßenachse  beherrscht  (Abb.  6),  während 
der  Nordturm  genau  vor  die  Bauflucht  gestellt  ist  (Abb.  7), 
damit  der  Schrägstellung  die  echt  gotische*)  Platz  und 
Straßen  beherrschende  Bildwirkung  sichernd.  Das  planmäßig 
Überlegte  dieser  Aufstellung  wird  nun  durch  nichts  mehr 
bewiesen  als  durch  die  Tatsache,  daß  die  Achse  der  Westfront 
(Kircheneingang)  mit  der  leicht  geschwungenen  Achse  der 
Weberstraße  zusammenfällt  (Abb.  8).  Ein  Blick  auf  den 
für  den  Kirchbau  ausgesparten  Platz  zeigt  wiederum  im 
Osten  den  kleinsten  Baublock  des  Weichbildes,  wie  die 
übereinstimmende  genaue  Richtung  von  Platzwänden  und 
Kirche,  so  daß,  wie  beim  Altstadtmarkt,  die  ideale  Recht- 
eckform als  Platzgrundform  zutage  tritt.  Ob  nicht  das  ge- 
samte Straßenviereck  als  ursprünglich  von  Bebauung  frei 
gehaltener  Platz  anzusprechen  ist  (Reservebauplatz  der 
ostelbischen  Kolonialstadt),  sei  anregungsweise  für  weitere 
Studien  eingefügt. 

Das  auffallendste  und  für  die  Beurteilung  mittelalterlich- 
städtebaukünstlerischer  Überlegung  geradezu  grundlegend 
ist  die  Tatsache,  daß  die  Stellung  der  Katharinenkirche  im 
Weichbild  Hagen  zu  Platz,  Straßenflucht  und  -achse  genau 
nach  denselben  Grundgedanken  erfolgt  ist,  wie  die  der 
Andreaskirche.  Zunächst  haben  wir  wieder  die  ideale 
Rechteckform  des  Gesamtplatzes  mit  dem  östlich  gelegenen, 
kleinsten  (und  damit  als  spätere  Bebauung  gekennzeichneten) 
Baublocke  des  Weichbildes  Hagen  (Abb.  9).  Die  Kirche 
selbst  zeigt  die  durch  die  Ostung  bedingte  Schrägstellung, 
das  Vorspringen  der  zweitürmigen  Westfront  in  die  Straßen- 
achse des  Bohlweges  die  Beziehung  zwischen  Straßenbau- 
flucht und  Westfront  (Vorspringen  um  Turmbreite)  ist  genau 
dieselbe  wie  beim  Wollmarkt  (Abb.  10  und  11),  wie  auch 
die  Mittelachse  (Kircheneingang)  genau  auf  der  Straßenachse 
(der  Hagenbrücke)  sitzt  (Abb.  12). 

Hier  von  mittelalterlich-zufälliger  Willkür  zu  sprechen, 
ist  rein  verstandesgemäß  unberechtigt;  vielmehr  ist  anzu- 
nehmen, daß  auch  der  mittelalterliche  Städtebau,  wenigstens 
in  einzelnen  Städten,  zu  bewußt  angewandten,  dem  gotischen 
Zeitgeist  (Ostung)  entsprungenen  städtebaukünstlerischen 
Regeln    durchgedrungen    war,     deren    ästhetische    Wert- 


*)  Die  Stellung  der  gotischen  Kirchtürme  zu  Platz  und  Straße.    Von 
Chr.  Klaiber.     (Denkmalpflege  Jahrg.  XIII,  No.  9.) 


102 


DER  STÄDTEBAU 


Schätzung  nicht  in  diesen  Zusammenhang  gehört.  Die 
künstlerische  Schulung  des  Blickes  für  die  bestmöglichste 
bildmäßige  Wirkung  eines  Denkmales  darf  unter  allen  Um- 


ständen vorausgesetzt  werden,  da  aus  obigem  hervorgeht, 
daß  für  die  Denkmäler  auf  den  vorhandenen  Plätzen  die 
allseitig  wirkungsvollste  Stellung  gesucht  wurde. 


PSYCHOLOGIE  DER  GRUNDSTÜCKSPREISE. 


Von  Dr.  phil.  et  rer.  pol.  STREHLOW,   Oberhausen. 

Grundstückspreise  unterliegen  keinem  Gesetze,  man  muß 
sich  an  die  Preise  nur  gewöhnen,  sagte  einst  ein  gewiegter 
Grundstücksspekulant.  Er  sagte  dies  in  einer  Zeit,  in  der 
eine  hochstehende  Konjunktur  gewaltige  Menschenmassen  in 
die  städtischen  Schwerpunkte  hineinzog,  und  unter  dem  Druck 
dieser  Entwicklung  die  Grundstückspreise  fast  sprungweise 
anstiegen,  und  für  eine  solche  Zeit  scheint,  das  ist  nicht  zu 
verkennen,  wenigstens  bei  oberflächlicher  Beobachtung  der 
obige  Ausspruch  zuzutreffen.  Und  doch  wirken  auch  hier 
bei  der  Entstehung  der  Grundstückspreise  Gesetze  mit, 
haben  diese  auch  hier  eine  Psyche,  entstanden  aus  der 
spekulativen  Erwägung  derer,  die  sich  hier  gegenüberstehen, 
aus  ihrer  Wertung  aller  der  wirtschaftlichen  Faktoren,  die 
hier  zusammenwirken,  eine  Psyche,  die  allerdings  weniger 
gut  zu  erkennen  ist  in  Zeiten  höchster  Wirtschaftskonjunktur, 
in  Zeiten,  in  denen  der  Käufer  allein  rechnet,  der  Boden- 
besitzer nur  fordert,  die  aber  deutlicher  zu  Tage  tritt  in 
Zeiten  langsameren  Fortschrittes,  in  denen  Erwägung  und 
Wertung  beiderseits  in  differenzierterer  Form  auftreten  und 
sich  ausgleichen. 

Die  erste  Voraussetzung  für  die  Entstehung  von  Wert- 
zuwachs, von  Grundrente,  ist  das  Vorhandensein  einer  Ent- 
wicklung. Erst  als  unter  der  Herrschaft  des  Freizügigkeits- 
gesetzes die  frei  beweglichen  Massen  sich  auf  die  Stellen 
des  geringeren  wirtschaftlicheren  Druckes,  in  die  Städte,  zu- 
sammenzogen, und  als  dadurch  fortschreitend  die  Inanspruch- 
sahme  ungünstiger,  den  Schwerpunkten  ferner  gelegener 
Flächen  erforderlich  wurde,  entstand  für  die  günstiger  ge- 
legenen Flächen  Grundrente,  die  ihren  Besitzern  mühelos 
in  den  Schoß  fiel.  Der  Wertzuwachs  oder  die  Grundrente 
ist  deshalb  eine  Folge  der  Monopolstellung  des  Bodens,  die 
ganz  allgemein  die  Voraussetzung  jeder  Rentenbildung  ist. 
Dies  zeigt  das  städtische  Bodenproblem  in  seinem  ganzen 
Umfang:  Belastung  der  Allgemeinheit  zugunsten  einzelner 
Grundbesitzer. 

Der  Wertzuwachs  ist  also  eine  Funktion  der  städtischen 
Entwicklung.  Solange  letztere  besteht,  wird  der  erstere 
nicht  beseitigt  werden  können.  Die  Lösung  der  Bodenfrage 
kann  deshalb  nicht  in  einer  Beseitigung  der  Grundrente  be- 
stehen, sondern  nur  darin,  diese  der  Allgemeinheit  wieder 
zuzuführen.  Nach  dieser  Richtung  ist  man  bereits  durch 
Einführung  der  Wertzuwachssteuer  vorgegangen.  Weit 
besser  wird  das  Ziel  aber  dadurch  erreicht,  daß  die  Ge- 
meinden den  Grundstücksumsatz  selbst  in  die  Hand  nehmen, 
und  noch  besser  dadurch,  daß  sie  den  erworbenen  Boden  im 
Erbbaurecht  verpachten  und  so  den  Wertzuwachs  dauernd 
der  Allgemeinheit  erhalten. 

Das  Monopol  des  städtischen  Bodens  ist,  wie  überhaupt 
jedes  Monopol,  kein  absolutes,  zunächst  schon  deshalb  nicht, 
weil  es  sich  um  viele,  wirtschaftlich  verschieden  starke 
Grundbesitzer  handelt,  die  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
gegenseitig    in   Wettbewerb    treten.     Andererseits    ist    aber 


nicht  zu  vergessen,  daß  Sitte,  Gewohnheit  und  Forderungen 
des  Geschäfts  für  den  Käufer  Grenzen  ziehen,  die  das  Monopol 
des  Grundbesitzes  einzelner  Lagen  verschärfen  und  in  hohem 
Maße  wertzuwachsbildend  wirken.  Die  Leistungsfähigkeit 
der  für  die  betreffende  Lage  in  Frage  kommenden  Be- 
völkerung, die  z.  B.  in  der  Arbeiterwohnlage  geringer  ist 
als  in  der  besseren  Wohnlage,  und  die  Frage  der  Aus- 
nutzungsfähigkeit des  Bodens,  die  durch  Sitte  und  Gewohnheit, 
durch  besondere  Lage  und  durch  zwingende  Bestimmungen 
in  den  Bauordnungen  bedingt  sein  kann,  bilden  andererseits 
für  das  Monopol  des  Grundbesitzes  Grenzen,  die  allerdings 
mehr  oder  minder  dehnbar  sind  und  im  Kampfe  um  den 
Wertzuwachs  ständig  Erweiterungen  erfahren.  Aus  dieser 
Tatsache  entstehen  den  Gemeinden  bedeutsame  Aufgaben, 
die  man  als  Bodenpolitik  im  Bebauungsplan  und  durch  die 
Bauordnungen  zu  bezeichnen  pflegt.  Dem  Bebauungsplan 
muß  eine  gute  Anordnung  zugrunde  liegen,  die  für  jede  Lage 
und  für  jeden  Bedarf,  mit  der  Entwicklung  fortschreitend, 
stets  ein  genügendes  Angebot  stellt,  und  die  Bauordnungen 
sollen,  nach  Zonen  abgestuft,  die  Ausnutzungsmöglichkeit 
unter  Druck  halten. 

In  der  Ausnutzung  bildet  der  Boden  je  nach  seinem 
Werte  einen  Faktor  von  sehr  verschiedener  Bedeutung.  Bis 
zu  einer  gewissen  Grenze  ist  der  Wertzuwachs  auf  die 
Ertragfähigkeit  der  Ausnutzung  von  relativ  geringem  Einfluß, 
Erst  jenseits  dieser  Grenze,  die  natürlich  nicht  fest  gegeben 
ist  und  auch  abgestuft  sein  kann,  entsteht  ihm  aus  sich  selbst 
heraus  eine  Beschränkung.  Ein  Grundstück  kann  schon 
leicht  und  schnell  von  2000  Mk.  auf  4000  Mk.,  also  um  100°/o 
im  Werte  steigen,  während  ein  zweites  in  der  gleichen  Zeit 
wohl  von  10000  auf  12000  Mk.,  also  um  den  gleichen  ab- 
soluten Betrag,  kaum  aber  von  10000  auf  20000,  also  auch 
um  100  "/o  steigen  wird.  Der  absolute  Wertzuwachs  ist  dann 
der  gleiche,  die  Volkswirtschaft  wird  durch  ihn  in  gleichem 
Maße  belastet;  der  privatwirtschaftlich  bedeutsame  relative 
Zuwachs  nimmt  aber  mit  steigenden  Werten  ab. 

Das  sind  die  Grundlagen,  auf  denen  sich  der  Kampf  um 
den  Wertzuwachs  in  der  Praxis  abspielt,  ein  Kampf,  der, 
wie  hieraus  schon  hervorgeht,  mit  sehr  ungleichen  Waffen 
geführt  wird. 

Vom  Standpunkt  des  Käufers  aus  sind  zwei  Fälle  zu 
unterscheiden.  Entweder  kauft  er,  um  das  Grundstück  selbst 
auszunutzen,  um  es  zu  bebauen,  oder  er  kauft  zum  Zwecke 
des  Wiederverkaufes,  um  aus  diesem  einen  Gewinn  zu  er- 
zielen, sich  den  Wertzuwachs  anzueignen. 

In  dem  ersten  Falle  macht  sich  der  Käufer  eine  Ertrag- 
rechnung; er  rechnet  aus,  ob  er  bei  der  Forderung  des 
Grundbesitzers  und  bei  der  beabsichtigten  Ausnutzung  auf 
seine  Kosten  kommt.  In  dieser  Rechnung  sind  nun  sehr 
viele  schwankende  Faktoren.  Der  geforderte  Grundstücks- 
preis ist  zwar  fest  gegeben,  aber  schon  beim  einfachen  Miet- 
hause sind  die  Baukosten  und  die  eingehenden  Mieten  nicht 


103 


DER  STÄDTEBAU 


auf  Heller  und  Pfennig  zu  berechnen.  Beim  Bau  zum  Eigen- 
wohnen spielt  dabei  Liebhaberei,  beim  Geschäftshaus  der 
Zwang  der  geschäftlichen  Lage  eine  erhebliche  Rolle,  die 
dem  Grundstückspreis  der  beabsichtigten  Nutzung  gegenüber 
oft  zurücktreten  und  den  Grundbesitzer,  der  die  Sachlage  meist 
überblickt,  hohe,  durch  die  normale  Nutzung  nicht  gerecht- 
fertigte Preise  einheimsen  läßt.  Alle  diese  schwankenden 
Faktoren  macht  sich  der  Grundbesitz  zu  nutze  und  schraubt 
die  Preise,  und  damit  natürlich  im  Laufe  der  Entwick- 
lung auch  die  Nutzungspreise,  die  Mieten,  immer  höher. 
Zwischen  Grundstückspreis  und  der  Ertragsfähigkeit  der 
Grundstücksnutzung  herrscht  immer  äußerste  Spannung. 
Daraus  folgt  in  erster  Linie  die  geringe  wirtschaftliche  Kraft 
unseres  großstädtischen  Hausbesitzes. 

In  diesem  ersten  Fall  hat  also  der  Käufer  zunächst  nur 
den  Nutzungswert  im  Auge,  Auf  den  Wertzuwachs  spekuliert 
er  erst  in  zweiter  Linie,  indem  er  hofft,  daß  dieser  ihm  die 
Nutzung  mit  der  Zeit  ertragreicher  gestaltet  und  ihm  zuletzt 
auch  einen  Gewinn  beim  Verkauf  sichert.  Hat  er  richtig 
gerechnet  und  verkäuflich  gebaut,  so  ist  für  ihn  der  Wert- 
zuwachs Reingewinn,  da  sich  der  Grundstückspreis  in  dem 
Nutzungseinkommen  verzinst.  Leider  wird  aber  beim  Mangel 
einer  Tilgung  des  Hypothekenkapitals  der  Wertzuwachs  meist 
durch  den  Verschleiß,  den  unmittelbaren  wie  den  mittelbaren, 
durch  das  Unmodernwerden  des  Hauses  aufgesaugt  und  die 
geringen  Verdienste,  mit  denen  von  vornherein  gerechnet 
wurde,  gehen  im  Wirtschaftsleben  des  Einzelnen  fast  un- 
bemerkt unter. 

Der  Preis,  der  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Nutzung 
bezahlt  wird,  ist  unter  normalen  Verhältnissen  jederzeit  und 
immer  der  höchste.  Er  stellt  im  Grundstücksverkehr  den 
Einzelpreis  dar;  er  bildet  den  Maßstab  für  die  Wertung  des 
Bodens  sowohl  im  allgemeinen,  als  auch  bei  der  steuerlichen 
Einschätzung. 

Im  zweiten  Falle,  beim  Kauf  eines  Grundstückes  zum 
Zwecke  des  Wiederverkaufes,  um  den  Wertzuwachs  sich  an- 
zueignen, ist  die  Rechnung  des  Käufers  eine  wesentlich 
andere.  Hier  geht  der  Kauf  unter  rein  spekulativen  Gesichts- 
punkten vor  sich.  Die  erste  Voraussetzung  für  das  Zustande- 
kommen des  Kaufes  ist  die,  daß  der  Käufer  annimmt,  daß 
der  Wertzuwachs  in  jedem  Falle  mindestens  die  normale 
Verzinsung  des  Kaufpreises  deckt.  Ist  nur  diese  Deckung 
vorhanden,  so  hat  er  zwar  keinen  Verlust,  aber  auch  keinen 
Gewinn,  keine  Entschädigung  für  sein  Risiko.  Ein  Risiko 
ist  in  diesem  Falle  tatsächlich  vorhanden,  weil  es  sich  hier 
nicht  darum  handelt,  daß  überhaupt  ein  Wertzuwachs  vor- 
handen ist,  sondern  darum,  daß  er  genügend  groß  ist,  so- 
daß  kein  Verlust  herauskommt.  In  den  teueren  Lagen,  wo 
der  relative  Wertzuwachs  verhältnismäßig  klein,  jedenfalls 
kleiner  als  in  den  billigeren  Lagen,  in  den  Außengebieten, 
ist,  kann  es  sich  deshalb  nur  um  eine  Spekulation  auf  den 
einzelnen  Fall,  auf  besondere  Verhältnisse  handeln.  In  den 
Außengebieten  bleibt  immer  noch  die  Abhängigkeit  von  der 
Entwicklung  als  Risiko. 

Unter  diesen  Umständen  kommt  hier  nur  im  vereinzelten, 
je  nach  den  Verhältnissen  aber  nicht  ganz  seltenen  Falle 
der  Kauf  einer  einzelnen  Parzelle  mit  dem  Nebengedanken 
etwaiger  Eigennutzung  in  Frage,  vielleicht  auch  um  den 
Kauf  einer  mittleren  Besitzung,  die,  mit  einem  veralteten 
Hause  bebaut  und  schlecht  ausgenutzt,  von  dem  Besitzer 
aus  bestimmten  Gründen  verkauft  werden  muß  zu  einem 
Preise,   der  in  der  vorhandenen  Nutzung  eine  kümmerliche 


aber  doch  eine  Verzinsung  gewährt,  die  den  Wertzuwachs 
als  Reinverdienst  erscheinen  läßt. 

Im  allgemeinen  handelt  es  sich  beim  spekulativen  Grund- 
stückskauf nur  um  den  Ankauf  größerer  und  großer  Be- 
sitzungen. Hier  stehen  sich  Käufer  und  Verkäufer  in  vollständig 
veränderter,  durch  die  Verhältnisse  bedingter  Sachlage  gegen- 
über. Nehmen  wir  einmal  an,  ein  Grundbesitzer  habe  eine 
Besitzung,  die  sich  in  rund  200  Baugrundstücke  aufteilen 
ließe,  und  er  habe  für  vereinzelte  Grundstücke  bereits  durch- 
schnittlich 5000  Mk.  erzielt,  so  hat  seine  Besitzung,  aus  diesen 
Einzelpreisen  abgeleitet,  einen  Wert  von  einer  Million. 
Kommt  nun  ein  Käufer  und  bietet  ihm  für  seinen  Besitz 
400000  Mk.,  so  wird  er  folgendermaßen  rechnen  müssen: 
Diese  Summe  ergibt  bei  nur  4°/o  Verzinsung  eine  jährliche 
Einnahme  von  16000  Mk.  Ich  spare  beim  Verkauf  die 
Grundsteuer  vom  gemeinen  Wert  in  Höhe  von,  sagen  wir  S^/oo, 
also  von  3000  Mk.  Ich  spare  ferner  alle  ortsstatutarischen 
Verpflichtungen,  deren  Erfüllung  mir  für  die  bauliche  Nutz- 
barmachung zufallen  würde,  in  Höhe  von  rund  1000  Mk. 
im  Jahr.  Beim  Verkaufe  zum  Preise  von  400000  Mk.  habe 
ich  also  alljährlich  eine  Einnahme  bzw.  ersparte  Ausgabe 
in  Höhe  von  durchschnittlich  20000  Mk.  Die  Vergangenheit 
hat  mich  gelehrt,  daß  ich  alljährlich  im  Durchschnitt  nur 
vier  Baustellen  zum  Preise  von  je  5000  Mk.  verkaufen  konnte. 
Fahre  ich  so  weiter  fort,  so  habe  ich  in  50  Jahren  meinen 
Besitz  verkauft,  dann  habe  ich  aber,  wenn  ich  es  überhaupt 
erlebe,  nichts  mehr  in  der  Hand,  während  beim  Verkauf 
die  400000  Mk.  immer  noch  mein  eigen  bleiben.  Ich  bin 
alt  und  weiß  nicht,  wie  es  nach  meinem  Tode  gehen  wird; 
unter  diesen  Umständen  könnte  ich  selbst  mit  einem  Kauf- 
preis von  300000  Mk.  zufrieden  sein. 

Und  der  Käufer  rechnet  folgerdermaßen :  Ich  zahle 
400000  Mk.  für  den  Besitz,  also  2000  Mk.  für  eine  Baustelle. 
Es  sind  bereits  für  einzelne  Baustellen  5000  Mk.  bezahlt 
worden.  Wenn  ich  mit  meiner  Forderung  auf  3000  Mk. 
herabgehe,  hoffe  ich,  bereits  im  ersten  Jahre  30  Baustellen 
zu  verkaufen;  für  die  ersten  20  habe  ich  bereits  mehr  oder 
minder  sichere  Käufer.  Durch  diesen  Verkauf,  der  mir  ja 
schon  Verdienst  einbringt,  hoffe  ich,  Entwicklung  in  das 
Ganze  zu  bringen,  und  werde  dann  schon  reichlich  auf 
meine  Kosten  kommen. 

Der  Käufer  geht  von  der  meist  richtigen  Voraussetzung 
aus,  daß  der  Wertzuwachs  höher  ist  als  die  normale  Ver- 
zinsung, und  daß  ihm  deshalb  ein  Gewinn  in  sicherer  Aus- 
sicht steht.  Durch  eine  geschickte  Preispolitik  hofft  er  diesen 
Gewinn  bald  einheimsen  zu  können.  Der  Verkäufer  schätzt 
das  bare  Geld  höher  als  den  Grundbesitz  in  seiner  Ab- 
hängigkeit von  der  Entwicklung.  Er  sagt  sich,  selbst  wenn 
ich  10000  Mk.  für  jede  Baustelle  erhalte,  alljährlich  aber 
nur  zwei  Baustellen  verkaufe,  stehe  ich  mich  beim  Verkauf 
besser. 

Die  verschiedene  Wertung  von  Grundrente  und  Kapital 
ist  es,  die  hier  den  Ausgleich  schafft.  Auch  hier  zeigt  sich 
wieder  die  Macht  des  Kapitals  in  unserem  Wirtschaftssystem; 
sie  zwingt  die  Grundrente  unter  ihre  Herrschaft  und  preßt 
dann  alles  aus  ihr  heraus,  was  sie  zu  geben  vermag. 

Den  Grundstückspreis,  der  in  dieser  Art  unter  der  Macht 
des  Kapitals  zustande  kommt,  nennen  wir  Großpreis.  Er 
ist  wesentlich,  unter  Umständen  bis  zur  Hälfte,  niedriger 
als  der  Einzelpreis. 

Die  Praxis  bietet  reichlich  Beispiele  für  den  Unterschied 
zwischen  Groß-  und  Einzelpreis.    In  Oberhausen  bot  ein 


104 


DER  STÄDTEBAU 


Großgrundbesitzer  der  Stadt  seinen  ganzen  Besitz  zum  Preise 
von  860000  Mk.  an.  Für  die  Grundsteuer  war  dieser  Besitz 
zu  1400000  Mk.  eingeschätzt.  Die  Einschätzung  blieb  im 
allgemeinen  etwas  unter  den  bislang  erzielten  Einzelpreisen, 
so  daß  man  sagen  kann,  das  Angebot  umfaßte  nur  etwa  die 
Hälfte  des  Einzelpreiswertes.  Trotzdem  hat  es  die  Stadt- 
verordnetenversammlung als  zu  hoch  abgelehnt.  Dies  Beispiel 
mag  genügen,  obwohl  sich  noch  sehr  viele  angeben  ließen. 

Die  Macht  des  Kapitals  ist  besonders  groß  da,  wo  es 
sich  zum  größten  Teil  um  Rohland  handelt,  dessen  Auf- 
schließung noch  erhebliche  Barmittel  erfordert,  die  der 
Grundbesitzer  entweder  nicht  hat  oder  nicht  in  den  Boden 
hineinstecken  will. 

Die  Entwicklung  der  Grundstückswerte  vollzieht  sich 
also  unter  dem  Unterschied  von  Einzel-  und  Großpreis  genau 
wie  jeder  andere  Handel  und  in  noch  verstärktem  Maße. 
Unter  diesen  Umständen  muß  man  den  Zwischenhandel  beim 
Grundstücksgeschäft,  soweit  er  sich  darauf  beschränkt,  im 
großen  einzukaufen,  in  Einzelparzellen  zu  verkaufen  und  so 
den  auf  dem  Baumarkt  auftretenden  Einzelbedarf  zu  be- 
friedigen, als  berechtigt  anerkennen.  Der  Zwischenhandel 
in  dieser  Form  braucht,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Volks- 
wirtschaft nicht  zu  belasten.  Wenn  eine  Bodengesellschaft 
aus  ihrem  Unternehmen  Millionen  herauszieht,  so  geht  daraus 
noch  nicht  hervor,  daß  die  Allgemeinheit  nun  durch  ihre 
Tätigkeit  um  diese  Summe  höher  belastet  worden  ist;  da 
müßte  man  erst  beweisen,  daß  der  Urbesitz  sich  mit  ge- 
ringerem Verdienst  begnügt  hätte,  wenn  er  in  Einzelparzellen 
verkauft  hätte. 

Der  Zwischenhandel  muß  eine  geschickte  Preispolitik 
treiben,  um  seinen  Zweck  zu  erreichen.  Er  muß  suchen 
die  Entwicklung  nach  seiner  Besitzung  zu  ziehen,  und  er 
wird  alle  bei  der  Preisbildung  wirksamen  Faktoren  zu 
seinen  Gunsten  auszunutzen  und  sie  zu  einem  Höchstmaß 
zu  steigern  suchen,  denn  sein  Zweck  ist  möglichst  hoher 
Gewinn.  Unter  der  Herrschaft  des  Grundstückshandels 
werden  so  alle  jene  Kräfte  zu  einem  Höchstmaß  aufgepeitscht, 
die  der  Grundrente  bei  der  Monopolstellung  des  Bodens  die 
ständig  ansteigende  Richtung  geben.  Der  Einsatz  ist  beim 
Grundstückshandel  höher  als  beim  Urbesitz.  Dadurch  wird 
der  Kampf  um  die  Grundrente  schärfer  da,  wo  er  vorherrscht, 
und  die  Folge  ist  dann  äußerste  Spannung  in  den  Einzel- 
preisen durch  äußerste  Ausnutzung  der  Konjunkturen, 
durch  äußerste  Ausnutzung  aller  Faktoren  auf  dem  Grund- 
stücksmarkt. 

Wir  werden  also  sagen  müssen:  Der  Zwischenhandel, 
auch  der  in  unserem  Sinne,  an  sich  berechtigt  und  durch 
die  Verhältnisse  gegeben,  in  vielen  Fällen  geradezu  ein  Be- 
dürfnis zur  Mobilisierung  des  Bodens,  wirkt  in  letzter  Linie 
durch  äußerste  Anspannung  aller  Kräfte  verderblich  auf  die 
Preisbildung. 

Die  Folgerung  ist  eine  gegebene.  Wenn  der  Grundstücks- 
zwischenhandel ein  Bedürfnis  ist,  und  wenn  er  hohe  Gewinne 
erzielen  läßt  ohne  die  Allgemeinheit  überzubelasten,  wenn 
er  dies  aber  in  dem  heutigen  System  trotzdem  tut,  so  muß 
eben  das  System  geändert  werden,  die  Mobilisierung  des 
Bodens  muß  eine  öffentliche  Aufgabe,  eine  Aufgabe  der 
Gemeinden  werden. 

Es  ist  dabei  durchaus  nicht  nötig,  daß  die  Gemeinde 
die  Trägerin  der  gesamten  Stadterweiterung  wird.  Ihr  Grund- 
besitz in  den  Außengebieten  muß  nur  groß  genug  und  gut 
verteilt  sein,  so  daß  sie  den  Grundstücksmarkt  in  genügendem 


Maße  und  für  jeden  Bedarf  beherrscht  und  ihn  stets  be- 
weglich erhalten  kann.  Daß  der  Erwerb  solcher  Flächen, 
genügend  große,  noch  nicht  aufgeteilte  Außengebiete  voraus- 
gesetzt, die  im  einzelnen  Falle  noch  durch  umfangreiche  Ein- 
gemeindungen in  die  Stadtbegrenzung  einbezogen  werden 
müßten,  auch  ohne  Hilfe  der  Enteignung  möglich  ist,  das 
hat  die  Industrie,  vor  allem  der  Großindustrielle  Thyssen 
bewiesen,  der  in  dem  schon  stark  zur  Stadtbildung  neigenden 
Kreise  Dinslaken  annähernd  3000  ha  in  kurzer  Zeit  zu  recht 
mäßigen  Preisen  freihändig  angekauft  hat. 

Wenn  trotzdem  von  den  Städten  nach  dieser  Richtung 
hin  noch  recht  wenig  geschehen  ist,  so  ist  dies  auf  ihre 
Verwaltungsorganisation  zurückzuführen,  die  sie  abhängig 
macht  von  der  Zustimmung  einer  Wirtschaftsgruppe,  die 
ein  Interesse  hat  an  der  Erhaltung  der  bestehenden  Ver- 
hältnisse. Hier  können  nur  gesetzliche  Maßnahmen  helfen 
etwa  dahingehend,  daß  bestimmte  Einnahmen,  wie  die  aus 
der  Wertzuwachssteuer,  zum  Ankauf  von  Grundstücken 
verwendet  werden  müssen. 

Die  Selbstkosten  ergeben  auch  auf  dem  Grundstücks- 
markt die  unterste  Grenze,  unter  die  das  Angebot  nicht 
gehen  kann.  Nehmen  wir  einmal  an,  ein  Spekulant  habe 
in  einem  Außengebiet  eine  Fläche  von  3  ha  zu  dem  billigen 
Preis  von  2  Mk.  für  1  Quadratmeter,  also  für  60000  Mk.  an- 
gekauft. Die  Aufteilungsverhältnisse  sind  sehr  günstige.  Die 
Fläche  kann  durch  eine  300  m  lange  Straße  sehr  wirtschaftlich 
aufgeschlossen  werden.  Die  Stadt  fordert  als  Bedingung  für 
die  Erteilung  von  Bauerlaubnissen  an  dieser  Straße  außer 
der  Übereignung  der  Straßenfläche  in  Breite  von  15  m  noch 
die  kostenlose  Auflassung  einer  Fläche  von  55  ar  als  Teil 
einer  Platzanlage.  Sie  fordert  ferner  den  sofortigen  Ausbau 
der  Straße  mit  einer  6  m  breiten  chaussierten  Fahrbahn,  mit 
Rinnenpflaster  und  Bordsteinanlagen.  Dieser  Ausbau  kostet 
dem  Spekulanten  rund  60  Mk.  pro  laufenden  Meter,  also  rund 
18000  Mk.  Beim  Kaufe  mußte  der  Erwerber  l'/o  Landes- 
stempel, '/3  "/o  Reichsstempel  und  2  »/o  Kommunalsteuer,  also 
einschließlich  der  Umschreibungskosten  rund  4''/o  Umsatz- 
kosten  zahlen.  Die  Verhandlungen  mit  der  Stadt  zogen  sich 
in  die  Länge,  so  daß  erst  ein  Jahr  nach  dem  Erwerb  das 
baureife  Gelände  vorlag.  Einschließlich  des  Zinsverlustes 
kosteten  dann  die  verbleibenden  2  ha  Bauland  dem  Speku- 
lanten rund  83000  Mk.  Sein  Selbstkostenpreis  beträgt  also 
4,15  Mk.  für  1  Quadratmeter. 

Der  Spekulant  muß  also  jetzt  mit  einem  jährlichen  Zins- 
verlust von  3320  Mk.  rechnen;  mit  anderen  Worten,  setzt  er 
jährlich  nur  für  diese  Summe  Flächen  um,  so  ist  er  am 
Schluß  sein  Kapital  los,  ohne  eine  andere  Gegenleistung  er- 
halten zu  haben  als  die  Zinsen  während  der  Verkaufszeit. 
Verkauft  er,  mit  4,15  Mk.  beginnend,  die  rund  40  Baustellen 
in  20  Jahren  und  beträgt  der  durchschnittliche  Wertzuwachs 
für  1  Jahr  nur  4°/o,  so  wird  er  die  letzten  Baustellen  zu 
8,30  Mk.  für  1  Quadratmeter  verkaufen  müssen  und  hat  dabei 
noch  keine  Entschädigung  für  seine  Mühe  und  für  sein  Risiko. 
Er  wird  also  mit  einem  Preis  von  5  Mk.  für  1  Quadratmeter 
anfangen  müssen  und  sucht  dann  im  Laufe  der  Entwicklung 
aus  seinem  Besitz  möglichst  viel  herauszuschlagen.  Meist 
wird  er  auch  einen  reichlichen  Gewinn  erzielen,  wenn  ihm 
die  Verhältnisse  einigermaßen  günstig  sind. 

Durch  die  Aufteilungskosten  ist  also  der  Selbstkosten- 
preis reichlich  verdoppelt  worden.  Der  Selbstkostenpreis 
bildet  die  untere  Grenze  für  das  Angebot.  Er  verschiebt 
ferner   diese    Grenze    ständig   nach    oben   infolge   des   An- 


105 


DER  STÄDTEBAU 


Wachsens  durch  die  Verzinsung  und  bildet  so  einen  starken 
Antrieb  für  die  Wertsteigerung  des  Bodens.  Durch  die  Selbst- 
kosten wird  die  Wertsteigerung  unter  Druck  gestellt;  sie 
sind  ein  wesentlicher  Faktor,  der  in  das  Grundstiicksgeschäft 
ein  gewisses  Risiko  hineinbringt  und  deshalb  auch  ein 
bedeutsames  psychologisches  Moment  für  das  Ansteigen  der 
Grundstückspreise. 

In  den  Außengebieten  werden  die  Selbstkosten,  wie  wir 
gesehen  haben,  in  erheblichem  Maße  durch  die  Aufteilungs- 
kosten und  diese  wieder  besonders  durch  die  Straßenbau- 
kosten bedingt.  Diese  Straßenbaukosten  auf  ein  Mindestmaß 
hinabzudrücken,  ist  deshalb  außerordentlich  bedeutsam  für 
die  Preisbildung  der  Grundstücke  in  der  Staderweiterung.  Das 
Mindestmaß  ist  hier  relativ  je  nach  der  Zweckbestimmung 
der  Straße;  seine  praktische  Auslösung  erfordert  deshalb 
eine  unterchiedliche  Behandlung  der  Straßen  im  Bebauungs- 
plan je  nach  ihrer  Zweckbestimmung,  die  scharfe  Trennung 
von  Wohn-  und  Verkehrsstraße  mit  den  für  erstere  gegebenen 
Erleichterungen  des  Ausbaues. 

In  ähnlicher  Weise  wie  die  Selbstkosten  wirkt  die 
hypothekarische  Belastung  als  untere  Grenze,  über  die 
hinaus  ein  Rückgang  der  Werte   nur  über  den  Ruin  wirt- 


schaftlicher Daseinbedingungen  möglich  ist.  Sie  ist  auf  dem 
gesamten  Grundstücksmarkt  wirksam  und  infolge  ihres 
ständigen  Steigens  die  Schraube,  die  die  Grundstückspreise 
immer  höher  schraubt. 

Bei  dem  Mangel  jeglicher  Tilgung  einerseits  und  dem  in 
unserem  Wirtschaftssystem  immer  stärker  fortschreitenden 
Verschleiß  der  Gebäude,  dem  mittelbaren  und  unmittel- 
baren, durch  Unmodernwerden  usw.  andererseits  entsteht 
infolge  der  Höhe  der  Belastung  eine  Lücke  für  die  Sicherheit, 
die  nur  durch  das  Ansteigen  der  Grundstückswerte  gedeckt 
werden  kann  und  bei  der  allgemein  hohen  Belastung  um- 
gekehrt auch  meist  wirklich  gedeckt  wird.  Das  ständige 
Ausfüllen  dieser  Lücke  durch  das  Ansteigen  der  Grundwerte 
beim  bebauten  Boden  ist  mit  der  Wirkung  des  Ansteigens 
der  Selbstkosten  durch  den  Zugang  der  Zinsen  beim  un- 
bebauten Boden  in  Parallele  zu  setzen.  In  diesem  Sinne  ist 
die  allgemeine  Einführung  der  Tilgung  außerordentlich 
bedeutsam  für  die  Wert-  und  Preisbildung  des  städtischen 
Bodens,  wenn  sie  auch  nicht  geeignet  erscheint,  das  Problem 
der  Bodenverschuldung,  auf  das  wir  hier  nicht  näher  ein- 
gehen können,  in  seinem  ganzen  volkswirtschaftlichen 
Umfang  zu  lösen.  (Schluß  folgt.) 


NEUE  BÜCHER  UND  SCHRIFTEN. 


Nummer  23  der  Mitteilungen  der  ZENTRALSTELLE  FÜR 
WOHNUNGSREFORM  IN  ÖSTERREICH  enthält  an 
leitender  Stelle  ein  Gutachten  der  Zentralstelle  zur  Reform  der  Gebäude- 
steuer. In  eingehender  Erörterung  werden  hierauf  die  Durchführungs- 
vorschriften zu  den  Wohnungsfürsorgegesetzen  vom  28.  Dezember  igii 
besprochen.  Aus  dem  übrigen  reichen  Inhalte  des  Heftes  seien  Aufsätze 
über  die  Einführung  des  Erbbaurechtes  in  Österreich,  eine  Statistik  der 
gemeinnützigen  Bauvereinigungen  und  über  die  Neugründung  von  Bau- 
genossenschaften, endlich  eine  an  das  Abgeordnetenhaus  gerichtete 
Petition  betreffend  die  Gewährung  vollständiger  Gebührenfreiheit  für 
Eigenhäuser  erwähnt. 

Der  von  der  KAISER  FRANZ  JOSEPH  I.-JUBILÄUMS- 
STIFTUNG  FÜR  VOLKSWOHNUNGEN  UND  WOHL- 
FAHRTSEINRICHTUNGEN veröffentlichte  16.  Jahresbericht 
für  das  Jahr  igii  enthält  statistische  Nachweise  über  die  Besiedelung 
der  Männerheime  (XVII.  \A/urlitzergasse  89  und  XX.  Meldemannstr.  27) 
und  der  Breitenseer  Kolonie  im  XVI.  Bezirk  Bernhardstr.  5.  Die  in 
den  beiden  Männerheimen  eingerichteten  zusammen  1450  vermietbaren 
Schlafabteile  wurden  im  Berichtsjahre  von  10837  Schlafgästen  benutzt; 
die  von  diesen  gelösten  148870  Schlafabteilanweisungen  hatten  für  zu- 
sammen 512885  Betten  bzw.  Nächte  Gültigkeit.  Die  durchschnittliche 
Wohndauer  der  einzelnen  Schlafgäste  erreichte  fast  50  Tage.  Von  den 
10837  Schlafgästen  standen  6055  im  Alter  von  21  bis  35  Jahren,  2227 
im  Alter  von  36  bis  50  Jahren,  1648  waren  noch  nicht  20  und  907  über 
50  Jahre  alt.  1386  Schlafgäste  waren  verheiratete  Männer,  von  denen 
viele  angaben,  daß  die  große  Wohnungsnot  in  Wien  sie  zwinge,  ihre 
Familien  auswärts  wohnen  zu  lassen.  Die  Einkommensangaben  der 
Schlafgäste  zeigen  gegen  das  Vorjahr  günstigere  Verhältnisse,  welche  auf 
die  allgemeinen  Lohnerhöhungen  zurückzuführen  sind.  Den  Hauptanteil 
der  Schlafgäste  stellen  gewerbliche  Arbeiter  (5075)  und  Hilfsarbeiter 
(2909),  doch  sind  auch  viele  andere  Berufe  vertreten. 

Die  400  Familienwohnungen  in  der  Breitenseer  Kolonie,  die  durch 
den  gegenwärtig  im  Zuge  begriffenen  Ausbau  des  Lobmeyrhofes  eine 
Ausgestaltung  um  100  Wohnungen  erfährt,  waren  von  zusammen 
1752  Personen  bewohnt,  darunter  864  Kinder  im  Alter  bis  zu  14  Jahren. 
In  der  Kolonie  starben  19  Personen,  geboren  wurden  g  Kinder  gegen  15 
im  Jahre  1910,   21    im  Jahre  1909   und   26   im  Jahre  1908.     Die   für  die 


Mieter  der  Wohnungsanlagen  der  Stiftung  geschaffenen  Wohlfahrts- 
einrichtungen wurden  stark  benutzt.  In  den  Badeanlagen  wurden  ver- 
abreicht 91 318  Bäder,  hiervon  46950  Brause-,  37553  Fuß-  und 
6815  Wannenbäder.  Die  für  die  Kolonie  unentgeltlich  tätigen  Ärzte 
Dr.  Josef  Winterberg,  Dr.  Franz  Josef  Beer  und  Dr.  Emil  Berggrün 
wurden  von  2174  Personen  4325  mal,  die  rechtsfreundliche  Sprechstunde 
des  Mitgliedes  des  Verwaltungs-Komitees  Dr.  Friedr.  Frey  wurde  von 
32  Parteien  in  Anspruch  genommen.  Der  Vortragssaal  in  der  Kolonie 
wurde  368  mal  zur  Abhaltung  von  Vorträgen,  Gesangsübungen  u.  dgl. 
von  32382  Personen  benutzt.  Die  im  Lobmeyrhof  bestehenden  Nutz- 
gartenbeete, die  Übungen  der  Turnsektionen,  die  Kinderbeschäftigungskurse 
des  Fräulein  Helene  Goldbaum  lieferten  gleichfalls  den  Nachweis  der 
großen  Nützlichkeit  der  Wohlfahrtseinrichtungen. 

Der  Rechnungsabschluß  der  Stiftung  weist  nach  Vornahme  der 
üblichen  Abschreibungen,  Rücklagen  und  Reserven  einen  reinen  Ge- 
bahrungsüberschuß  von  69248  Kronen  für  das  Jahr  igii  aus.  Das  Rein- 
vermögen der  Stiftung  beträgt  2739636  Kronen.  Die  nächste  Bauführung 
der  Stiftung  dürfte  die  Errichtung  eines  weiteren  großen  Männerheimes 
in  Verbindung  mit  einer  Gruppe  von  Familienwohnungen  im  X.  Bezirk 
Favoriten  betreffen. 

SOZIALE  KULTUR  Der  Zeitschrift  Arbeiterwohl  und  der  Christ- 
lich-sozialen Blätter  neue  Folge.  32.  Jahrgang.  1912.  Redigiert 
in  Verbindung  mit  Prof.  Dr.  Franz  Hitze  von  Dr.  Wilhelm  Hohn. 
M.-Gladbach,  Volksvereins- Verlag  G.  m.  b.  H.  Monatlich  ein  Heft  im 
Umfang  von  vier  Bogen  Großoktav.     Vierteljährlich  1,50  Mk. 

Auch  das  vierte  Jahresheft  der  alteingeführten,  wegen  ihrer  Viel- 
seitigkeit und  Gediegenheit  bekannten  Hitzeschen  Zeitschrift  „Soziale 
Kultur"  zeigt,  daß  sie  nach  wie  vor  bestrebt  und  befähigt  ist,  aus  dem 
weiten  Gebiete  des  sozialen  Wissens  und  der  sozialen  Praxis  in  muster- 
hafter Form  dauernd  Wertvolles  zu  bringen. 

Ein  Blick  auf  das  Inhaltsverzeichnis  lehrt,  daß  die  Auswahl  der  be- 
handelten Stoffe  derart  getroffen,  daß  auch  weitgehenden  Ansprüchen 
Genüge  geschieht,  wie  denn  auch  die  durchweg  klangvollen  Namen  der 
Verfasser  für  sachkundige  und  tiefgründige  Durcharbeit  der  Materie  bürgen. 

Wir  linden  da  folgende  Abhandlungen: 

Ist  der  Luxus  nützlich  oder  schädlich  ?  Von  Professor  Dr.  A.  Mayer, 
Heidelberg.    Das  Genossenschaftswesen.    Von  Hofrat  Prof.  Dr.  E.  Schwied- 


106 


DER  STÄDTEBAU 


land,  Wien.  Arbeitslosenfürsorge.  Von  Generalsekretär  J.  Weydmann, 
Straßburg  i.  Eis.  Rundschau:  Vereinswesen:  Das  caritativ-soziale  Leben 
(von  Dr.  W.  Liese,  Paderborn).  Wohlfahrtseinrichtungen:  Ein  muster- 
gültiges Londoner  Setüement  (von  L.  Katscher,  London).  Soziale 
Hygiene,  Mäßigkeit:  Saluti  senectutis!  (von  Dr.  Schulten,  Waldbreitbach). 
Erziehung  und  Bildung:  Lehrlingsausbildung  (von  Dr.  Honnef,  Bonn). 
Die  soziale  Herkunft  der  bayerischen  Mittelschüler  (von  Dr.  H.  Rost, 
Augsburg).  Amerikanische  Sommer-  und  Ferienschulen  (von  H.  Pudor, 
Leipzig).  Jugendfürsorge:  Sammelvormundschaft  der  Stadt  Berlin  (von 
Berufsvormund  Georg  Pieper,  Essen).  Die  Kinderarbeit  in  Österreich. 
Kinder-  und  Jugendlichenschutz  in  England.  Schulzahnkliniken  in 
Schweden.  Wohnungswesen:  Staatliche  Wohnungsfürsorge  in  Spanien 
(von    L.  Loydold,  Wien).      Berufsorganisationen:    Über    den    Stand    der 


katholischen  Arbeiterorganisationen  in  Italien.  Steuerwesen:  Über  das 
Einkommensverhältnis  im  Großherzogtum  Baden.  Soziale  Zustände, 
Statistik:  Die  weiblichen  Staatsbeamten  in  Frankreich  (von  A.  R.  Erlbeck, 
Leipzig).     Literaturbericbte. 

BAUORDNUNG  UND  BEBAUUNGSPLAN  -  ihre  Bedeutung 
für  die  Gartenstadtbewegung.  Vorträge,  gehalten  auf  der  Jahres- 
versammlung der  Deutschen  Gartenstadt-Gesellschaft  igii.  Preis  2  Mk. 
Renaissance-Verlag  Robert  Federn,  Paris  und  Leipzig. 

HEIMATSCHUTZ  UND  VERUNSTALTUNGSGESETZ- 
GEBUNG. Von  Baurat  Ochs,  Berlin.  Vortrag,  gehalten  in  4er 
Hauptversammlung  191 1  der  Sektion  der  Dachziegelfabrikanten.  Berlin 
1911.     Druck  von  R.  F.  Funcke,  Berlin  O. 


CHRONIK. 


BERICHTIGUNG.  Zu  unserem  Bedauern  ist  übersehen  worden, 
daß  als  Verfasser  des  Wettbewerbsentwurfes  „Groß-Leipzig"  zur 
Bebauung  der  Frankfurter  Wiesen  in  Leipzig  nicht  nur  Herr  Architekt 
■Wünschmann  in  Leipzig,  sondern  auch  Herr  Gartenarchitekt  J.  P.  Groß - 
mann  in  Berlin  genannt  war. 

BREMEN.  Im  Gewerbe-Museum  zu  Bremen  war  bis  Mitte  August 
eine  Ausstellung  der  Bremer  Gartenarchitekten  Chr.  Roselius  und 
Fr.  Gildemeister  zu  sehen,  die  neben  ansprechenden  Lösungen  für 
Einzelgärten  auch  Fragen  des  Städtebaues  streifte.  Einmal  war  be- 
merkenswert, mit  welchem  Geschick  beide  Künstler  für  die  durch  den 
Bremer  Villentypus  des  Reihenhauses  gegebenen,  an  sich  oft  ungünstigen 
Gartenausschnitte  gute  Lösungen  finden,  und  wie  durch  solche  Arbeiten 
allmählich  Gesichtspunkte  der  Einheitlichkeit,  Einfachheit  und  gegen- 
seitigen Rücksichtnahme  verbreitet  werden.  Daneben  aber  verdienen  im 
Rahmen  unserer  Zeitschrift  einige  größere  Geländeaufteilungen  Gilde- 
meisters einen  besonderen  Hinweis.  Hier  arbeitet  ein  sicheres  und 
praktisch  geschultes  Raumgefühl,  das  auf  gärtnerischem  Wege  Fragen 
der  Gruppierung  und  Raumausnutzung  löst  und  Gesichtspunkte  des  Tief- 
baues mit  denen  des  Hochbaues  zu  verbinden  weiß.  Besondere  Fähig- 
keit zeigt  er  für  die  Aufteilung  größerer  Grundstücke  zu  parkartigen 
Besitzungen  mit  großzügigen  Anlagen,  vor  allem  aber  hat  er  auch  für 
Villenviertel  das  Problem  möglichster  Abtrennung  des  einzelnen  bei 
organischem  Zusammenschluß  des  Ganzen  stets  mit  Verständnis  gelöst. 

3  TAGUNG  DER  „GESELLSCHAFT  FÜRHOCHSCHUL- 
•  PÄDAGOGIK"  in  Leipzig,  Donnerstag  den  17.  bis  Sonntag  den 
20.  Oktober  igi2.  Die  Sitzungen  finden  im  allgemeinen  in  den  Räumen 
der  Universität  bzw.  in  Universitäts-Instituten  statt.  Aus  dem  Programm 
erwähnen  wir  die  Ausstellungen  hochschulgeschichtlicher  Literatur,  neuerer 
akademischer  Lehrmittel,  für  akademische  Leibespflege  (Turnen,  Sport, 
Spiel)  und  der  Akademie  für  graphische  Künste  und  Buchgewerbe  (in 
den  Räumen  der  Akademie),  sowie  die  Vorträge  „Wandlungen  im  Wesen 
der  Universitäten  seit  100  Jahren"  von  Professor  Dr.  E.  Spranger-Leipzig. 
„Akademischer  Unterricht  und  Charakterbildungen",  Dozent  Dr.  A.  Fischer- 
München,  und  die  Berichte  über  die  Formen  des  akademischen  Unterrichts 
(Vorlesungen,  Übungen,  Praktika  usw.)  Anmeldungen  bei  dem  Schriftführer 
des  Leipziger  Ausschusses:  Professor  Dr.  W.  Boettger-Leipzig-Stötteritz, 
Ludolf-Colditzstr.  21,  oder  bei  dem  Geschäftsführer  Dr.  H.  Schmidkunz, 
Berlin-Halensee,   Joachim-Friedrichstr.  6. 

Eine  große  Zahl  von  Mitgliedern  der  medizinischen  und  philoso- 
phischen Fakultät  der  Kgl.  Friedrich-Wilhelms-Universität  zu  Berlin 
und  Mitgliedern  der  Deutschen  Gesellschaft  für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege sieht  in  der  DAUERNDEN  ENTWÄSSERUNG  DER 
GRUNEWALDSEEN  BEI  BERLIN  —  Nikolassee,  Schlachten- 
see, Krumme  Lanke,  Riemeistersee  —  und  der  dadurch  bedingten  Ver- 
sandung   ihrer  Ufer    und  Vernichtung   einer  eigenartigen   Flora  und   be- 


sonders schöner  landschaftlicher  Reize  sowie  der  damit  verbundenen 
schweren  mittelbaren  und  unmittelbaren  Gefährdung  der  öffentlichen  Ge- 
sundheitspflege, eine  schwere  Schädigung  des  Volkswohls,  durch  welche 
unersetzliche  Werte  für  jetzt  und  die  Zukunft  verloren  gehen.  Sie  bitte 
den  Zweckverband  von  Groß-Berlin,  mit  allen  ihm  zu  Gebote  stehenden 
Mitteln  der  drohenden  Gefahr  entgegentreten  zu  wollen,  insbesondere  eine 
Kommission  einzusetzen,  die  unter  Heranziehung  von  Sachverständigen 
die  Mittel  und  Wege  klarstellt,  deren  schnelle  Anwendung  die  Rettung 
der  gefährdeten  Seen  sichert. 

DAS  LETZTE  AUFFLACKERN  DER  WOHNUNGS- 
POLITIK IN  BERLIN.  Anläßlich  des  Hinscheidens  des 
früheren  Staatsministers  Hobrecht  erinnert  der  Propagandaausschuß 
für  „Groß-Berlin"  an  eine  Vorlage,  die  Hobrecht  im  Jahre  1872  als  Ober- 
bürgermeister von  Berlin  an  die  Stadtverordneten  gelangen  ließ  und  in 
der  er  dringend  zu  energischer  städtebaulicher  Politik  aufforderte,  der 
Teuerung  des  Baulandes  entgegenzutreten  durch  schleuniges  Aufschließen 
städtischen  Geländes  und  durch  seine  Vergebung  in  Erbpacht  unter  der 
Bedingung  sofortiger  Bebauung.  Er  verwahrte  sich  dabei  auf  das  leb- 
hafteste dagegen,  in  irgend  einer  Weise  die  private  Bauunternehmung 
lähmen  zu  wollen;  er  versicherte  sogar,  daß  er  die  Bodenspekulation 
nicht  tadeln,  sondern  vielmehr  in  ihr  nur  den  Ausdruck  unabänderlicher 
wirtschaftlicher  Gesetze  sehen  könne,  aber  er  fuhr  fort:  „Was  jedoch  die 
rasche  Ausdehnung  der  Bebauung  in  Berlin  am  meisten  erschwert,  ist 
der  übermäßig  gesteigerte  Preis  des  Baugrundes.  Die  Bauplätze  des 
engeren  Ringes,  welcher  sich  unmittelbar  an  die  schon  bebaute  Fläche 
schließt,  sind  so  teuer,  daß  auch  bei  der  billigsten  Bauart  und  den  auf 
das  Notwendigste  beschränkten  Anforderungen  an  ihre  Brauchbarkeit 
Wohnungen  für  den  ärmeren  Teil  der  Bevölkerung  nicht  mehr  zu  den 
Preisen  hergestellt  werden  können,  welche  den  sonstigen  wirtschaftlichen 
Verhältnissen  derselben  entsprechen.  Kann  die  Kommune  diesem  in  der 
Teuerung  des  Baugrundes  liegenden  Hindernisse  der  Gründung  neuer 
Ansiedelungen  entgegentreten  und  kann  sie,  ohne  die  Grenzen  der  ihr 
im  öffentlichen  Rechte  angewiesenen  Tätigkeit  zu  überschreiten,  ins- 
besondere also,  ohne  lähmend  in  die  Privatspekulation  einzugreifen  oder 
sich  selbst  an  einer  Spekulation  zu  beteiligen,  dahin  wirken,  daß  weitere 
Flächen  mit  geringerem  Kapitalaufwande  für  die  Bebauung  nutzbar 
werden,  so  wird  sie  hiermit  am  erfolgreichsten  zu  einer  Besserung  der 
bestehenden  Zustände  beitragen.  In  diesem  Sinne  haben  wir  zunächst 
unsere  Anträge  gestellt;  die  Anträge  gehen  auf  geeignete  Verwertung 
solchen  städtischen  Grundbesitzes,  welcher  voraussichtlich  auch  in  Zukunft 
zu  einer  Verwendung  für  kommende  Zwecke  keine  Gelegenheit  bietet. 
Daß  es  vor  allem  erforderlich  ist,  für  die  Herstellung  guter,  bequemer 
und  billiger  Verbindungswege  und  Mittel  für  den  Verkehr  der  neuen  An- 
siedelungen mit  der  Stadt  zu  sorgen,  sowie  die  zum  Aufschluße  von 
Bauplätzen  notwendigen  Querstraßen  innerhalb  des  Bauterrains  selbst 
anzulegen  und  für  dessen  Entwässerung  die  erforderlichen  Einrichtungen 
zu  treffen,   liegt  auf  der  Hand.     Wir  haben   bereits  unsere  Bemühungen 


107 


DER  STÄDTEBAU 


auf  erhebliche  Erleichterung  der  baupolizeilichen  Vorschriften  in  Ansehung 
des  Baues  von  Wohnungen  gerichtet  und  sind  versichert,  daß  das  König- 
liche Polizeipräsidium  auf  unsere  Vorschläge  wenigstens  teilweise  ein- 
gehen werde.  Wir  haben  uns  sowohl  mit  der  Direktion  der  Verbindungs- 
(Ringbahn)  als  auch  der  Görlitzer  Bahn  in  Korrespondenz  gesetzt  und 
dürfen  von  beiden  auf  ein  Entgegenkommen  rechnen,  sofern  wir  ihnen 
das  zur  Einrichtung  einer  Haltestelle  beziehungsweise  einer  Anschluß- 
kurve erforderliche  Terrain  hergeben.  Was  die  sofort  zu  pflasternden, 
zu  chaussierenden  oder  sonst  zu  befestigenden  Wege  betrifft,  so  nehmen 
wir  auf  die  Beilage  Bezug  (die  das  zunächst  ins  Auge  gefaßte  Terrain 
hinter  Treptow  planmäßig  bearbeitet),  die  wenigstens  einen  ungefähren 
Anhalt  gewährt,  welcher  für  den  Augenblick  genügen  dürfte.  Wir 
würden  aber  fürchten,  den  Zweck  der  vorgeschlagenen  Aufwendungen 
zu  verfehlen,  wenn  wir  einen  Verkauf  des  Grund  und  Bodens,  gleichviel 
ob  in  größeren  oder  kleineren  Parzellen,  ob  im  Wege  der  Lizitation  oder 
freihändig,  nach  einer  Taxe  in  Aussicht  nähmen.  Wir  würden  nicht  zu 
hindern  imstande  sein,  daß  auch  diese  Bauflächen  in  den  Kreis  derselben 
Spekulation  hineingezogen  würden,  welche  die  hohen  Preise  des  Bau- 
grundes in  unmittelbarer  Nähe  der  Stadt  normiert.  Wir  wissen,  daß 
diese  Spekulation  nicht  zu  tadeln,  daß  sie  vielmehr  nur  der  Ausdruck 
unabänderlicher  wirtschaftlicher  Gesetze  ist.  Aber  wenn  wir  uns  auch 
bei  der  Hingabe  der  städtischen  Grundstücke  nicht  verleiten  lassen  wollen, 
die  Wege  zu  verlassen,  welche  uns  nach  allgemeinen  wirtschaftlichen 
Grundsätzen  angewiesen  sind,  so  glauben  wir  doch  unter  den  zulässigen 
Wegen  gerade  den  wählen  und  empfehlen  zu  müssen,  welcher  den  Druck 
der  augenblicklichen  Spannung  für  die  Obdachsuchenden  am  billigsten 
zn  verteilen  und  die  harten  Konsequenzen  der  jetzigen  Übergangszeit 
am  meisten  zu  mildern  verspricht.  Wir  glauben,  daß  dies  der  V/eg  der 
Verpachtung  auf  längere  Zeit  zum  Zwecke  und  unter  der  Bedingung  so- 
fortiger Bebauung  ist,  für  welchen  auch  der  Umstand  spricht,  daß  er  das 
Bauen  erleichtert,  insofern  die  Kapitalanlage  für  den  Grund  und  Boden 
erspart  wird.  Die  letztere  scheint  insbesondere  wichtig  im  Hinblick  darauf, 
daß  sich  Genossenschaften  zur  Beschaffung  von  Wohnhäusern  aus  den 
gewerbetreibenden  Kreisen  bereits  mehrfach  gebildet  haben,  während 
andere  in  der  Vorbereitung  begriffen  sind,  und  daß  für  diese  die  Durch- 
führung ihrer  Zwecke  mit  möglichst  geringen  Kapitalsanlagen  ein  wesent- 
liches Moment  gedeihlicher  Entwicklung  ist.  Die  Not  des  Augenblickes 
zwingt  zu  raschem  Handeln.  Was  wir  vorgeschlagen  haben,  ist  auf  alle 
Fälle  erforderlich  und  nimmt  so  viel  Zeit  in  Anspruch,  daß  inzwischen 
eine  Erörterung  und  Festsetzung  des  Fehlenden  erfolgen  kann.  Dagegen 
würde  jede  weitere  Tätigkeit  unsererseits  nutzlos  sein,  wenn  die  Stadt- 
verordnetenversammlung, was  wir  indessen  nicht  glauben  befürchten  zu 
müssen,  im  Prinzip  sich  gegen  unsere  Vorschläge  erklären  sollte.  Wir 
bitten  daher  schließlich,  diese  Vorlage  als  eine  dringliche  zu  behandeln, 
damit  womöglich  zum  i.  Oktober  wenigstens  eine  teilweise  Verpachtung 
disponibler  Grundstücke  stattfinden  könne.  Magistrat  hiesiger  Königl. 
Haupt-  und  Residenzstadt,     gez.  Hobrecht." 

"pVlE  ZENTRALSTELLE  FÜR  WOHNUNGSREFORM  IN 
■*-'  ÖSTERREICH  hat  auf  Ersuchen  des  Vereines  für  Denkmalpflege 
und  Heimatschutz  in  Niederösterreich  einer  wechselseitigen  Vertretung  in 
den  beiderseitigen  Ausschüssen  zugestimmt.  Ferner  wurde  die  Bildung 
eines  wirtschaftlichen  Reichsverbandes  der  Baugenossenschaften  in  Aus- 
sicht genommen. 

'pVer22.Delegiertentag  des  VERBANDES  DEUTSCHER  KUNST- 
•*--'  GEWERBEVEREINE  ist  am  24.  Juni  in  München  im  Kunst- 
gewerbehause durch  den  Vorsitzenden  Geheimen  Regierungsrat  Dr.-Ing. 
Muthesius  eröffnet  worden.  Von  45  dem  Verbände  angeschlossenen 
Vereinen  mit  72  Stimmen  waren  39  mit  61  Stimmen  vertreten.  Die  Bei- 
tragseinheit mit  32  Mark  wurde  beibehalten.  Ein  Antrag  Plauen  auf 
einen  niedrigeren  Satz  für  kleinere  Vereine  wurde  dem  Ausschusse  über- 
wiesen. Die  Gebührenordnung  wurde  den  im  Vorjahre  geäußerten 
Wünschen  entsprechend,  nach  den  vom  Ausschusse  vorgelegten,  von  Prof. 
Dr.  Lehnert  vertretenen  Vorschlägen  geändert,  besonders  in  der  Richtung 
der  möglichsten  Ausschaltung  der  Materialkosten.  Die  Flugschriften- 
kommission   schlug    vor,    zu     versuchen,     aus     den    Vereinen    heraus 


3000  Abonnenten  für  jährlich  4  bis  5  gut  ausgestattete  Hefte  im  Jahre 
zum  Preise  von  30  Pfennigen  zu  gewinnen.  Infolge  einer  Reihe  von  Be- 
denken, die  geltend  gemacht  wurden,  wurde  der  Kommission  aufgetragen, 
weitere  Vorschläge  auszuarbeiten. 

Die  Frage  des  Wettbewerbswesens  wurde  für  das  nächste  Jahr 
zurückgestellt.  Beim  Bericht  über  Submissionswesen  wurde  vom 
Referenten  Baurat  Prof.  Dr.  Haupt-Hannover  auf  die  Verhandlungen  im 
Preußischen  Abgeordnetenhause  zu  diesem  Gegenstande  und  auf  den 
Entwurf  eines  Gesetzes,  das  Submissionswesen  betreffend,  den  der  Hansa- 
bund herstellte,  hingewiesen.  Mit  den  Grundzügen  der  Entwürfe  erklärte 
sich  der  Delegiertentag  im  wesentlichen  einverstanden,  verlangte  jedoch 
Beseitigung  einer  Reihe  von  Übelständen  im  Submissionswesen,  die  im 
Interesse  des  Handwerks,  seiner  Erhaltung  und  Förderung  gelegen  ist. 
Die  hauptsächlichsten  Wünsche  beziehen  sich  auf  die  Behandlung  von 
kunstgewerblichen  Arbeiten,  die  Ausschreibung  und  Abnahme,  die  Ein- 
führung von  Überwachungsämtern,  die  Regelung  des  Submissionswesens 
durch  Reichs-  oder  mindestens  Landesgesetz.  Eine  entsprechende  Reso- 
lution wurde  einstimmig  angenommen. 

Zum  Punkte:  Hebung  der  Friedhofskunst  teilte  Prof.  Dr.  Lehnen 
die  Bestrebungen  mit,  die  aus  einer  Reihe  von  deutschen  Städten  zu 
verzeichnen  sind.  Man  einte  sich  dahin,  die  Vereine  aufzufordern,  die 
wichtige  Aufgabe  der  Förderung  der  Friedhofskunst  nicht  zu  vernachlässigen, 
Meisterausstellungen  zu  veranstalten,  das  Publikum  aufzuklären,  auf 
Kirchen-  und  städtische  Behörden  einzuwirken  und  auf  geschichtlich  be- 
gründete örtliche  Gewohnheiten  Rücksicht  zu  nehmen.  Auch  der  Schaffung 
künstlerischer  Beratungsstellen  wurde  zugestimmt.  Hofrat  Peter  Bruck- 
mann-Heilbronn  referierte  über  „Ehrengeschenke",  deren  künstlerische 
Haltung  häufig  eine  sehr  niedrige  ist.  An  der  Hand  zum  Teil  sehr 
drastischer  Beispiele  verlangte  der  Berichterstatter,  daß  durch  Flugblätter, 
die  Tagespresse  und  die  Sportpresse  darauf  hingearbeitet  wird,  für  Ge- 
schenke und  Preise  nur  gute  Qualitätsarbeit  herstellen  zu  lassen.  Die 
Herren  Bruckmann-Heilbronn  und  Prof.  Groß-Dresden  werden  die  Leit- 
sätze hierzu  aufstellen.     Der  Delegiertentag  stimmte  zu. 

Zum  Austausch  vonErfahrungen  über  die  Weltausstellung 
Brüssel  1910  teilte  Dr.  Wolff-Halle  mit,  daß  seine  Anfragen  bei  den 
Ausstellern  gezeigt  haben,  wie  gering  der  materielle  Erfolg  für  den  Aus- 
steller war,  was  Geheimrat  Dr.  Muthesius  teilweise  darauf  zurückführte, 
daß  wir  noch  unter  dem  Vorurteil  leiden,  geschmacklose  Arbeiten  zu  liefern. 
Das  könne  nur  dadurch  beseitigt  werden,  daß  wir  das  denkbar  Beste  und 
Geschmackvollste  bieten.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurde  auch  gewarnt, 
sich  ohne  Sicherungen  an  amerikanischen  Ausstellungen  zu  beteiligen, 
da  dort  keinerlei  Schutz  geistigen  Eigentums  vorhanden  ist.  Über  die 
Wiederbelebung  und  Fortentwicklung  deutscher  Eigenart  in 
Baukunst  und  Baugewerbe  sprach  Stadtbauinspektor  Labes-Görlitz. 
Er  verlangte  Förderung  des  deutschen  nationalen  Stilgefühles,  das  schon 
von  der  Schule  gepflegt  werden  muß.  Der  Kosmopolitismus  ist  in  diesen 
Dingen  nicht  unsere  Sache,  die  germanische  Rasse  hat  auch  germanische 
Kunst. 

Als    Versammlungsort    des    Delegiertentages    1913    wurde    die    Stadt 
Breslau  gewählt. 

DANIEL  H.  BURNHAM,  der  nordamerikanische  Städtebau- 
künstler, geboren  1846,  ist  am  i.  Juni  d.  J.  in  Heidelberg  gestorben. 
Bekannt  geworden  als  der  Schöpfer  der  „Außen-Stadt  am  See"  von  Chikago 
des  Jahres  1892  hat  seine  Haupttätigkeit  der  Entwicklung  von  San  Fran- 
cisco, Chikago  und  Washington  gegolten.  Ehre  seinem  Andenken.  Die 
Teilnehmer  des  Siebenten  Internationalen  Architektenkongresses  (in 
London  1906)  werden  sich  noch  mit  Vergnügen  der  Lichtbilder  erinnern, 
die  Mr.  Frank  Miles  Duy  aus  Philadelphia  unter  anderen  von  den  Arbeiten 
Burnhams  vorführte. 


Die  Unterlagen  aller  zur  Ausschreibung  gelangenden  Wettbewerbe 
können  in  den  Geschäftsräumen  des  Verlags  Ernst  Wasmuth  A.-G., 
Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35,  wochentäglich  in  den  Stunden  von 
10 — 4  Uhr  unentgeltlich  eingesehen  werden. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  66.  —  Gedruckt  bei  Herros^  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W. 


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9.  Jahrgang 


1912 


10.  Heft 


PER  STÄDTEBAU. 


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FÜR-  DJE-  KÜNSTLBZlSaiEAUyQESTAl: 
TUNQ  DER -STÄDTE  •  fiAOI  IhRm-WlRT 
SQIAFTÜChEN-  QESUNDMQTüChEN-  UND 
S0Z.)ALEN-  üRUISDV!VTZEN:  GEQRÜNDET-y/ON 

THEODOR  fiorfKr-cAMiugsiTf 

l^glVERLAQ^ERN;TWA\nUTH.BERÜN.t 


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** 


NEBST  EINER  SONDERBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT 


** 


INHALTSVERZEICHNIS:   Bebauungsplan  für  Leipzig-Möckern.    Von  Stadtbauinspektor  Hans  Strobel,  Vorstand  des  Leipziger  Stadterweiterungsamtes.  — 

Normalgrundrisse   für  Mietshäuser.     Von  AI.  Bohrer,    Stadtbaurat    in   Aachen.     (Fortsetzung.)    —    Das  Stadtbild    von  Bath.     Von  Hans  BernouUi,    früher 

Berlin,  jetzt  Basel.  —  Psychologie  der  Grundstückspreise.     Von  Dr.  phil.  et  rer.  pol.  Strehlow,   Oberhausen.     (Schluß.)   —  Mitteilungen.  —   Chronik. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


BEBAUUNGSPLAN  FÜR  LEIPZIG-MÖCKERN. 

Von  Stadtbauinspektor  HANS  STROBEL,  Vorstand   des  Leipziger  Stadterweiterungsamtes. 


Der  im  folgenden  erläuterten  Bebauungsplan  betrifft  ein 
Gebiet,  für  das  der  Verfasser  bei  Antritt  der  neugegründeten 
Stelle  eines  Stadtbauinspektors  für  Bebauungspläne  am 
1.  April  1910  eine  bereits  genehmigte  Planung  vorfand. 

Das  Plangebiet  liegt  im  Nordwesten  der  Stadt,  im  Mittel 
4  km  vom  Marktplatz  entfernt,  und  hat  in  der  Preußischen 
Eisenbahn,  der  Heerstraße  nach  Halle,  den  Infanteriekasernen 
und  der  Stadtgrenze  eine  bebauungsplantechnisch  zweck- 
mäßige Abgrenzung  erhalten.  Weniger  zweckmäßig  war 
der  von  der  Gemeinde  Möckern  vor  der  Einverleibung  auf- 
gestellte und  samt  Bauvorschriften  und  einem  Bauabgaben- 
ortsgesetz  am  4.  Juli  1907  genehmigte  Bebauungsplan.  Siehe 
Bebauungsplan  Tafel  57  rechts  oben.  Trotzdem  in  diesem 
verhältnismäßig  kleinen  Plangebiete  von  61,3  ha  Höhen- 
unterschiede von  bis  zu  17  m  vorkommen,  war  man  auf 
das  früher  übliche  Schachbrettsystem  verfallen.  Ihm  zu- 
liebe wurde  sogar  die  Völkerschlachtstraße  (jetzt  Trachen- 
bergstraße)  hinwegliniiert,  die  von  alters  her  als  Marienweg 
aus  dem  Rosentale  kommend,  das  Plangebiet  schräg  durch- 
quert und  nordöstlich  nach  Wiederitzsch  hinausführt. 

Wenn  man  nun  diese  rücksichtslosen  „Fluchtlinien" 
dem  welligen  Gelände  in  Wirklichkeit  als  Straßen  auf- 
gezwungen hätte,  dann  wären,  abgesehen  von  den  städtebau- 
künstlerischen  Nachteilen,  an  vielen  Stellen  ganz  unzu- 
lässige Steigungsverhältnisse  entstanden.  Vom  wohnungs- 
technischen und  wirtschaftlichen  Standpunkte  aus  wäre  es, 


neben  den  vielen  gleich  breiten  Straßen,  verfehlt,  daß  außer 
der  bereits  viergeschossig  bebauten  Hallischen  Straße  durch- 
weg die  dreigeschossige  offene  Bauweise  mit  Zulassung 
gewerblicher  Betriebe  vorgesehen  war  in  einem  Gelände, 
das  ausschließlich  für  kleine  und  mittlere  Wohnungen  in 
betracht  kommen  kann,  und  wo  die  teilweise  tief  ein- 
geschnittene und  teilweise  über  dem  Gelände  liegende  Bahn- 
linie Gleisanschlüsse  nur  mit  großen  Kosten  ermöglichen 
würde. 

Zur  Aufhebung  und  Neubearbeitung  des  Planes  war 
gesetzmäßig  das  Einverständnis  sämtlicher  Grundbesitzer 
notwendig.  Nachdem  einige  Eigentümer  von  vornherein 
für  die  Änderung  eintraten,  gelang  es  unter  Vorlage  eines 
neuen  Entwurfes  nach  langen  Verhandlungen  diese  Bedingung 
zu  erfüllen. 

Die  Verkehrsverhältnisse  waren  im  neuen  Entwürfe 
durch  die]an  der  Randbebauung  und  bei  den  Bahnkreuzungen 
gegebenen  Verkehrsquellen  leicht  zu  'lösen.  Unnötig  ge- 
schlängelte Straßen  wurden  absichtlich  vermieden.  Auf  die 
Erzielung  konkaver  Längsprofile  gerader  Straßen  im  An- 
schluß an  das  Gelände  und  Straßenabschlüsse  bei  konvexen 
Brechpunkten  ist  besonderer  Wert  gelegt  worden,  wie  über- 
haupt für  die  Einzelbearbeitung  des  Entwurfes  das  für  Leip- 
ziger Verhältnisse  stark  bewegte  Gelände  von  ausschlag- 
gebender Bedeutung  war.  Durch  Anlage  von  Treppen  und 
Rampen  werden  einerseits  kostspielige  Erdmassenbewegungen 


109 


DER  STÄDTEBAU 


erspart  und  andererseits  reizvolle  Städtebilder  geschaffen. 
Die  eingeschriebenen  Höhenzahlen,  die  meist  ungefähr  den 
jetzigen  Geländehöhen  entsprechen,  beziehen  sich  auf  das 
künftige  Straßenniveau. 

Die  in  der  Mitte  des  Bebauungsplanes  eingezeichnete 
Kirche  ist  als  späterer  Ersatz  der  städtebaulich  ungünstig 
gelegenen  Interimskirche  an  der  Hallischen  Straße  gedacht. 
Sie  wird  in  dieser  Höhenlage  mit  ihrem  Turm  als  Zielpunkt 
mehrerer  Straßen  erscheinen.  Durch  die  Überbrückung 
zum  Pfarrhaus  an  der  Stelle  des  höchsten  Punktes  der 
schlank  durchgeführten  Katzlerstraße  wird  eine  gute  Abschluß- 
wirkung für  Straße  und  Platz  erzielt.  (Siehe  Tafel  58  b  und 
39b,  sowie  Ortsgesetz  §  2,  Ziff.  4.) 

Naturgemäß  hat  sich  um  die  Kirche  herum,  unter  Aus- 
schaltung der  sonst  unvermeidlichen  spitzwinkeligen  Bau- 
blöcke eine  Platzgruppe  ergeben.  Die  Höhenunterschiede 
sind  hier  durch  Böschungsmauern  und  Treppen  überwunden, 
die  den  Reiz  der  Platzwirkung  erhöhen  und  die  durch  Ein- 
bau einer  öffentlichen  Bedürfnisanstalt  und  eines  Brause- 
bades unter  der  Straße  und  einer  Unterstandshalle  mit 
kleinen  Läden  im  Aufbau  zu  werbenden  Anlagen  gemacht 
werden  können.  Außerdem  entsteht  auf  diese  Weise  ein 
benutzbarer  und  vom  Verkehre  nur  umspülter  Platzkern. 
(Tafel  58b.) 

.  Der  früher  ostwestlich  gerichtete  Schulhausblock  wurde 
zugunsten  einer  besseren  Lage  der  Schule  abgeändert  und 
diese  durch  Grünanlagen  und  Hof  von  der  Verkehrsstraße 
abgerückt.  Die  Ausgänge  wurden  nach  ruhigen  seitlichen 
Plätzen  zu  angeordnet.  In  deren  Nähe  ist  der  Haupteingang 
zu  einem  7200  qm  großen,  vom  Straßenlärm  und  Staub  ab- 
geschlossenen Kinderspielplatz,  der  von  drei  Seiten  her 
leicht  zugänglich  ist.     In  §  8  des  Ortsgesetzes  (in  Leipzig 


wird  für  jeden  Bebauungsplan  ein  besonderes  Ortsgesetz 
aufgestellt)  sind  für  diesen  Platz  besondere  Vorschriften 
ästhetischer  Art  gemacht  worden.  Die  städtebaukünst- 
lerischen und  bebauungsplantechnischen  Absichten  ver- 
schiedener anderer  Lösungen  in  dem  Entwürfe  sind  ohne 
Erläuterung  aus  dem  Plane  unschwer  zu  erkennen. 

Das  Verhältnis  des  bebauten  zum  nicht  bebauten  Lande 
ist  fast  das  gleiche  geblieben  wie  im  alten  Plane.  Die  ge- 
sundheitlich wertvollen  grünen  Anlagen,  die  in  Herstellung 
und  Unterhaltung  viel  weniger  kosten  als  die  Straßen,  sind 
aber  jetzt  mit  einem  höheren  Prozentsatz  vertreten,  während 
das  gesamte  Straßenland  kleiner  geworden  ist.  An  Stelle  der 
ursprünglich  im  Plangebiet  allenthalben  vorgesehenen  teuren 
Lückenbauweise,  die  für  Kleinwohnungen  unbrauchbar  ist 
und  beim  Spekulationsbau  stets  die  sogenannte  „Westen- 
architektur" erzeugt,  ist  fast  durchweg  die  geschlossene  Bau- 
weise angenommen.  Die  vorhandene  Bebauung  in  der  Um- 
gebung des  Plangebietes  ist  meist  viergeschossig  geschlossen. 
Im  Entwürfe  wurde  in  der  Hauptsache  die  dreigeschossig 
geschlossene  ohne  Dachwohnung  und  die  zweigeschossig 
geschlossene  Bauweise  mit  ausgebautem  Dach  gewählt. 

Der  hier  veröffentlichte  Plan  entspricht  in  der  Dar- 
stellung nicht  dem  zum  Ortsgesetze  gehörigen  Plane,  in 
dem  die  Baustelleneinteilung,  die  nur  einen  Vorschlag  dar- 
stellt, nicht  mit  festgesetzt  ist.  Dagegen  werden  die  Bau- 
höhen durch  Eintragung  der  Geschoßzahlen  in  den  be- 
hördlichen Plan  mit  festgesetzt;  dies  hat  gegenüber  den 
sogenannten  Staffelbauordnungen  den  Vorzug  einfacherer 
Handhabung  und  weiter  ausgedehnter  Gestaltungsmöglich- 
keiten in  künstlerischer  Beziehung.  Man  kann  zum  Beispiel 
so  den  Übergang  von  einer  höheren  zu  einer  niederen 
Bauweise  innerhalb  eines  Hauses  bedingen. 


NORMALGRUNDRISSE  FÜR  MIETSHÄUSER. 

Veranlassung  und  Ergebnis  einer  Rundfrage  der  Stadt  Aachen. 

EIN  BEITRAG  ZUR  BAUORDNUNGS-  UND  WOHNUNGSFRAGE. 
Von  AL.  BOHRER,  Stadtbaurat  in  Aachen.     (Fortsetzung.) 


Zur  Einschränkung  dieser  Übelstände,  die  also  darin 
bestehen,  daß  die  Fachleute  von  der  Arbeit  gedrängt  werden 
und  die  ungelernten  Unternehmer  polizeilich  zulässige,  aber 
vielfach  im  ganzen  höchst  mangelhafte  Werke  in  die  Welt 
setzen,  können  verschiedene  Maßnahmen  dienen.  Zunächst 
müssen  die  Bauordnungen  von  den  oben  erwähnten  vielen 
Einzelbestimmungen,  die  dem  Bäcker  und  Metzger  angeben, 
wie  mit  Hilfe  von  Handlangern  so  schlecht  wie  eben  zulässig 
gebaut  werden  darf,  befreit  werden.  Sie  sind  zu  ersetzen 
durch  neue  kurze  Bestimmungen,  die  in  allgemeiner  Form 
möglichst  genau  sagen,  was  die  Baupolizei  in  bezug  auf 
die  Ausführung,  die  Zugänghchkeit,  die  Standsicherheit,  die 
Feuersicherheit,  die  Schönheit,  die  Vorbauten  und  die  Ab- 
stände will,  die  aber  auch  eine  Handhabe  zum  Einschreiten 
bieten.  Sie  sollen  dem  Architekten  zur  Erfüllung  der  Polizei- 
forderungen eine  größere  Freiheit  gewähren  als  die  starren 
Einzelvorschriften,  die  die  freie  Architektentätigkeit  [mehr 
oder  weniger  ausschalten  und  dem  eingelernten  Unternehmer 


das  Eindringen  in  die  Bautätigkeit  erleichtern.  Als  eine 
besonders  wirksame  Maßnahme  zum  Ersatz  der  in  die  Form 
von  verbindlichen  Vorschriften  gekleideten  Bauregeln  ist  die 
Erhöhung  der  Anforderungen  an  die  Güte  und  Ausführlichkeit 
der  Bauvorlagen  zu  betrachten.  Vielfach  hat  die  Baupolizei 
sich  mit  Zeichnungen  begnügt,  die  geradezu  als  mangelhaft 
zu  bezeichnen  waren.  Der  schlimme  W^ettlauf  in  betreff 
der  Billigkeit  eines  Baugesuchs  ist  dadurch  sehr  unterstützt 
und  der  Untüchtige  mittelbar  zuungunsten  des  Tüchtigen 
bevorzugt  worden.  Man  hat  zu  wenig  berücksichtigt,  daß. 
eine  gute,  vollständige  Zeichnung  die  erste  Vorbedingung 
einer  sachgemäßen  Ausführung  ist  und  daß  auch  die  Wirt- 
schaftlichkeit einer  Bauausführung  eine  genaue  Zeichnung 
verlangt,  da  diese  allein  nachweisen  kann,  daß  der  Bau  bis 
in  die  Einzelheiten  überlegt  ist. 

Dann  darf  nicht  länger  geduldet  werden,  daß  die  Bau- 
ordnung, die  Häusermaschine,  auf  Halbzeug  eingestellt  bleibt, 
weil  dadurch  der  Durchschnitts-Unternehmer,  der  nun  einmal 


110 


DER  STÄDTEBAU 


vom  Häuserbau  nicht  ferngehalten  werden  kann,  gehindert 
wird,  das  Vollkommenere  zu  liefern.  Sie  muß  mehr  auf 
Fertigware  eingestellt  werden,  und  dazu  müssen  für  die 
landläufigen  Wohnhäuser  Normalien  geschaffen  werden,  die 
der  Bauordnung  fix  und  fertig  entspringen,  an  denen  der 
Stümper  nicht  mehr  viel  verderben  kann,  an  denen  der 
Techniker  und  Künstler  aber  noch  reichlich  zeigen  kann, 
was  er  vermag. 

Diese  Art,  die  Bauordnung  bewußt  als  modernste 
Maschine  zu  behandeln  und  sie  als  solche  zu  erhöhter 
Leistungsfähigkeit  zu  bringen,  wird  den  Baumeistern,  die 
freie  Künstler  sein  und  bleiben  wollen,  zunächst  nicht 
sympathisch  sein.  Sie  werden  einwenden,  eine  noch  voll- 
kommenere Maschine  werde  dem  Baufach  noch  mehr  den 
Kunstcharakter  nehmen,  indem  die  Möglichkeit  der  indivi- 
duellen Gestaltung  des  Hauses  weiter  beschränkt  werde. 
Der  Einwand,  der  auf  den  ersten  Blick  einleuchtend  scheint, 
erweist  sich  bei  näherer  Untersuchung  nicht  als  stichhaltig. 
Die  heute  noch  manchmal  gestellte  Forderung  der  Indivi- 
dualität für  jedes  Haus  hat  doch  nur  eine  beschränkte 
Berechtigung. 

Eigenart  ist  notwendig  und  gut  wie  das  Salz.  Sie  ist 
aber  auch  wie  das  Salz  nur  in  geringen  Mengen  und  am 
richtigen  Platze  zu  verwenden.  Zu  viel  Eigenart  wirkt  wie 
versalzene  Speise.  Zu  viel  Eigenart  ist  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten auch  auf  dem  Gebiet  des  Bauw^esens  geboten  worden; 
dadurch  erscheinen  die  neueren  Stadtbilder  oft  so  wenig  ge- 
nießbar. Die  Gründe,  die  zum  Verlust  des  Gefühls  für  das 
Normale  auf  künstlerischem  Gebiet  geführt  haben,  zum  Ver- 
gessen der  Tatsache,  daß  Eigenart  nur  eine  Schattierung  des 
Normalen  sein  darf,  um  nicht  zur  verletzenden  Unart  zu 
werden,  sind  verschiedenartig.  Zunächst  können  diese  Vor- 
gänge angesehen  werden  als  Gegenwirkung  gegen  eine 
akademisch-eklektizistische  Versumpfung  auf  künstlerischem 
Gebiet  und  gegen  die  gleichmachende  Richtung  des  19.  Jahr- 
hunderts, des  Maschinenzeitalters,  das  manche  berechtigte 
Eigenart  unterdrückte ;  dann  aber  auch  als  Spiegelbild  des  in 
unserer  Zeit  herrschenden  freien  Wettbewerbes,  der  im  all- 
gemeinen zum  Vordrängen  zwingt  und  Zurückhaltung  und 
Unterordnung  mit  Mißachtung  und  geschäftlichen  Nachteilen 
bestraft.  Die  heutige  Vorliebe  für  die  Ausschreitungen,  die 
Künstler  und  Kunstschriftsteller  bei  der  Pflege  des  Individu- 
alismus begingen,  die  sich  nicht  scheuten,  den  hergebrachten 
Geschmack  links  und  rechts  zu  ohrfeigen,  war  wohl  auch 
von  einem  ehrlichen  Drang,  die  Fesseln  der  Überlieferung 
abzustreifen,  hervorgerufen;  aber  wie  überall  spielte  das 
Geschäft,  die  Reklamesucht,  auch  keine  geringe  Rolle. 

Das  Grobindividuelle  in  der  Kunst  darf  aber  nur  als 
eine  vorübergehende  Erscheinung  angesehen  werden;  denn 
in  der  allgemeinen  Entwicklung  strebt  alles  zum  Normalen, 
d.  h.  zu  vollkommenen  Rasseeigenschaften.  Es  ist  nicht 
natürlich,  daß  Menschen,  die  sich  mit  Recht  fürchten,  durch 
Schlitzaugen  oder  rote  Haare  oder  die  kleinste  Anormalität 
in  Kleidung  oder  Gesellschaftsform  aus  der  Reihe  zu  treten, 
auf  die  Dauer  in  der  Kunst  einen  sogenannten  verrückten 
Geschmack  betätigen  und  sich  insbesondere  mit  ihren  Häusern 
in  unfeiner  Weise  vordrängen.  Es  wird  sich  sicher  wieder  die 
alte  Lehre  Bahn  brechen,  daß  das  Vollkommene  nur  in  der 
Züchtung  der  Art,  in  der  Pflege  der  Überlieferung,  in  der 
Achtung  vor  der  guten  Schule  erreicht  werden  kann.  Wenn 
eine  große  Bewegung  Neues  gebracht  hat,  muß  auch  eine  Zeit 
des    Ausreifens    kommen   zur  Vervollkommnung   und    Be- 


festigung des  Erreichten.  Was  von  alten  Kunstwerken  heute 
Geltung  hat,  ist  auch  nicht  grob  individuell.  Die  größten 
Werke  des  menschlichen  Geistes  auf  dem  Gebiete  der 
bildenden  Kunst  sind  verfeinerte  Normalien.  Der  griechische 
Tempel,  die  gotische  Kathedrale  sind  Typen,  an  denen  der 
Laie  eigenartige  Züge  schwer  entdeckt.  Dem  Kölner  Dom 
hat  man  mit  großem  Unrecht  vorgeworfen,  sein  Chor  habe 
denselben  Grundriß  wie  die  ältere  Kathedrale  von  Amiens. 
Das  sind  schwächliche  Ästheten,  die  in  der  Kunst  die  persön- 
liche Willkürlichkeit  mit  ihrem  Stimmungsreiz  über  klares 
Zielbewußtsein  stellen.  Die  Alten  hatten  einen  zu  gesunden 
Sinn,  um  aus  Furcht  wegen  Nachahmung  angezeigt  zu 
werden,  das,  was  für  den  Zweck  als  das  Vollkommenste 
anerkannt  war,  nicht  zu  wiederholen.  Sie  zeigten  ihre 
Schöpferkraft  nicht  an  unpassender  Stelle,  an  dem,  was 
fertig,  was  vollendet  war.  Sie  bauten  auf  dem  Fundament 
des  klar  als  richtig  und  schön  Erkannten  weiter,  ohne  an 
den  glücklich  gefundenen  Normalien  eine  unberechtigte 
Originalitätssucht  auszulassen.  Auch  die  Angriffe,  die  der 
Baumeister  des  Berliner  Domes  erfahren  hat,  können  nur 
in  geringem  Maße  als  berechtigt  anerkannt  werden,  wenn 
man  sich  aus  der  Zeitströmung  auf  einen  erhöhten  Stand- 
punkt begibt.  Raschdorf  wollte  eine  Kuppel  bauen  und  mußte 
dieselbe  Erfahrung  machen,  die  die  Baumeister  des  Parthenon 
und  des  Kölner  Domes  gemacht  hatten.  Wie  Iktinus  die 
dorische  Säulenordnung  und  Meister  Gerhard  den  Grundriß 
von  Amiens,  so  fand  Raschdorf  die  Kuppel  von  St.  Peter 
vor,  die  die  Kuppel  an  sich,  die  Normalie,  darstellt. 

Bildhauer  und  Maler  haben  sich  darin  gefunden,  mit 
dem  Menschen  als  einer  Normalform  zu  rechnen.  Wenn  sie 
einen  Menschen  darstellen  müssen,  versuchen  sie  nicht  ihre 
Originalität  dadurch  zu  beweisen,  daß  sie  ihm  etwa  einen 
Rüssel  ansetzen.  Sie  formen  ihm  immer  wieder  eine  Nase. 
Ebenso  kann  sich  auch  kein  Kuppelbauer  dem  Vorhandensein 
von  Michelangelos  Werk  entziehen,  wenn  bei  Raschdorfs 
Berliner  Dom  auch  nicht  mit  Unrecht  die  persönliche  Note, 
die  manche  andere  Kuppel  trotz  St.  Peter  besitzt,  vermißt  wird. 

Das  Grobindividuelle  wird  also  in  Zukunft  wohl  nicht 
mehr  die  allgemeine  Wertschätzung  finden,  sondern  eher 
das  zur  Vollendung  durchgebildete  Normale.  Darum  wird 
es  kein  zu  großes  Unglück  sein,  wenn  die  Bauordnung  den 
Schrullen  ungebildeter  Bauherren  und  der  unkünstlerischen 
Willkür  unreifer  Architekten  etwas  weniger  Spielraum  läßt. 

Die  Häuser,  um  die  es  sich  bei  dieser  ganzen  Erörterung 
hauptsächlich  handelt,  haben  auch  das  geringste  Recht, 
individuell  behandelt  zu  werden ;  sie  müssen  in  Massen  her- 
gestellt werden  und  sind  deshalb  schon  in  anbetracht  der 
ganzen  wirtschaftlichen  Entwicklung  dazu  bestimmt, 
Maschinenfabrikat  zu  werden.  Aber  auch  die  künstlerische 
Einsicht  verlangt  mit  Recht  die  Abwendung  von  dem  Streben, 
Reihenhäuser  eigenartig  zu  gestalten,  in  denen  alltägliche 
Menschen  Drei-,  Vier-,  F'ünfzimmerwohnungen  füllen,  die 
froh  sind,  wenn  sie  ein  leidlich  gesichertes  Dasein  haben, 
denen  jedes  Individualitätsgelüst  fernliegt.  Die  üble  Sucht 
bei  Bauherren  und  Architekten,  entgegen  jeder  guten  Sitte 
mit  seinem  Hause  durch  Äußerlichkeiten  aufzufallen,  hat 
die  Kunst  der  Fassadengestaltung  sich  veräußerlichen  und 
anker-  und  steuerlos  in  Willkürlichkeiten  und  Anarchie 
ausarten  lassen.  Wie  oft  sieht  man  Häuserreihen,  die  auf 
beschränkter  Fläche  sämtliche  Bauformen  und  Bau- 
stoffe zur  Schau  tragen,  die  nicht  nur  alle  denkbaren 
Fenster-,  Erker-  und  Giebelformen  aufweisen,  sondern  auch 


111 


DER  STÄDTEBAU 


Werksteine,  Bruchsteine,  glasierte  und  unglasierte  Ziegel, 
verschiedene  Putzarten,  Zink,  Kupfer,  Schiefer,  Pfannen  und 
schließlich  noch  Holzschindeln  zeigen.  Auch  der  Edelputz 
und  die  Mansarden  haben  keine  Besserung  gebracht,  ja  man 
ist  bald  froh,  aus  der  „edel"  geputzten  und  wild  begiebelten 
neuesten  Neustadt  in  die  alte  Neustadt  zu  gelangen  mit  ihren 
Renaissance-Fassaden,  die  wenigstens  straßenformende  Ge- 
simse und  keine  „abwechselungsreichen"  Aufbauten  haben. 
Auch  die  etwas  künstlichen  Versuche  mancher  Bauberatungs- 
stellen, die  Häuserzeilen  aus  individuellen  Elementen  zu- 
sammenzusetzen, müssen  als  vielfach  mißglückt  bezeichnet 
werden. 

Bei  dem  Anblick  so  mancher  neuen  Straße  wird  man 
an  die  Sammlung  eines  Hundefangers  erinnert,  nicht  an  die 
erquickliche  Meute  des  Hundezüchters.  Wir  sehen  ein  mit 
Annoncen  gefülltes  Zeitungsblatt,  nicht  die  auch  äußerlich 
bei  aller  Einfachheit  reizvolle  Seite  eines  guten  Buches.  Es 
bieten  sich  uns  Varietäten,  aber  keine  Qualitäten.  Wer 
durch  eine  Villenkolonie  schreitet,  erschreckt,  daß  für  viel- 
fach dieselben  Zwecke  noch  so  wenig  Einheitliches  gefunden 
ist,  daß  noch  so  wenig  Klarheit  über  das  einzig  Vollkommene 
herrscht,  daß  die  Schrullen  der  Bauherren  und  die  künst- 
lerischen Schlacken  der  Architekten  so  wenig  das  lautere 
Gold  der  vollkommenen  Zweckerfüllung  zu  Tage  treten 
lassen,  wie  dies  in  der  alten  Zeit  der  Fall  war.  Eine  Ein- 
schränkung der  Individualität  der  Reihenhäuser  wäre  also 
sicher  kein  Nachteil;  sie  wäre  sogar  zu  begrüßen.  Denn 
die  verständige  Gleichartigkeit  der  gewöhnlichen  Häuser 
bringt  erhebliche  künstlerische  Vorteile.  Wenn  wir  eine 
Schweizer  Kuhherde,  eine  Meute  echter  Hunde,  ein  Regiment 
Soldaten  oder  ein  altes  Dorf  besehen,  so  sind  wir  trotz  der 
fast  vollständigen  Gleichheit  der  Einzelglieder  künstlerisch 
befriedigt.  Wir  werden  nicht  müde,  das  Ganze  zu  schauen, 
und  sind  nicht  enttäuscht,  wenn  wir  das  Einzelne  vor- 
nehmen. Im  allgemeinen  ergötzt  die  Verschiedenartigkeit 
der  Stellung,  der  Gruppierung,  oder  ein  aus  irgendeinem 
berechtigten  Grunde  hervortretender  Einzelteil ;  im  Besonderen 
immer  wieder  die  äußerste  Zweckmäßigkeit  und  die  in  der 
Schattierung  sich  zeigende  Liebe  der  Durchbildung.  Es 
schadet  also  nichts,  wenn  die  Bauordnung  davon  absieht, 
jedem  Alltagsbauherrn  oder  Architekten  Raum  zu  gewähren, 
sein  unberechtigtes  Individualitätchen  zur  Geltung  zu  bringen 
oder  sein  unsympathisches  Bedürfnis,  sich  vorzudrängen,  zu 
befriedigen.  Das  gewöhnliche  Wohnhaus  soll,  wie  der 
Soldat,  unauffällig  in  der  Reihe  stehen  und  das  Leuchten 
und  Glänzen  den  Gebäuden  überlassen,  deren  Zweck  und 
deren  Bedeutung  ein  Recht  dazu  gibt.  Dann  wird  auch 
von  selbst  der  so  schmerzlich  entbehrte  Rhythmus  den 
Städtebildern  wieder  eigen  werden. 

Damit  kommen  wir  zu  dem  Hauptvorteil,  den  das 
Normalhaus  bietet,  dem  Vorzug,  der  dem  Städtebau  zugute 
kommt.  Man  kann  wohl  sagen,  daß  der  Städtebauer  heute 
in  mancher  Beziehung  sehr  im  Dunkeln  tappt.  Er  legt 
Straßen  an,  er  schafft  Baublöcke  und  weiß  nicht,  welcher 
Art  Häuser  daran  gebaut  werden  sollen.  Die  Baupolizei 
setzt  hintere  Baufluchtlinien  fest  und  ist  im  unklaren  da- 
rüber, was  für  Grundrisse  in  die  oft  willkürlichen  Be- 
grenzungen der  Baufläche  hineingezwungen  werden  können. 
Baublöcke  und  hintere  Baufluchtlinien  können  nur  richtig 
geschnitten  und  angeordnet  werden,  wenn  Normalgrundrisse 
zugrunde  gelegt  werden.  Die  Hausnormalien  liefern  die 
eigentlichen    Elemente,    die  Urzellen    des    Städtebaues,    aus 


denen  mit  Hilfe  der  Statistik  Bewohnerzahl  und  Bedürfnisse 
an  öffentlichen  baulichen  Anlagen  sich  außerordentlich  sicher 
ergeben.  Sie  geben  die  Möglichkeit,  die  Neustadt  von  innen 
nach  außen  zu  bauen,  während  es  heute  mangels  der  Normal- 
häuser gang  und  gäbe  ist,  eine  Schale,  ein  Gerippe  durch 
Straßen  zu  bilden  und  zu  warten,  ob  und  mit  welchem 
bisher  unbekannten  Inhalt  sie  sich  füllen  wird,  einen  Inhalt, 
der  natürlich  oft  zu  wenig,  manchmal  zu  viel  Platz  darin 
hat.  Das  Normalhaus,  das  einerseits  dem  Techniker  Arbeit 
erspart,  gibt  ihm  anderseits  wieder  Arbeit,  indem  die  Er- 
schließung der  Baugelände,  die  Zusammenstellung  von 
Normalhäusem,  der  Aufbau  kleiner  Stadtteile  ihm  eine  reiz- 
volle neue  Aufgabe  stellt.  In  der  Bauordnung  ist  daher  auch 
die  Möglichkeit  vorzusehen,  alle  Arten  von  Normalhäusern 
durcheinander  zu  bauen,  weil  sie  sich  in  jeder  Hinsicht 
vorzüglich  ergänzen  können.  Diese  Möglichkeit  soll  dazu 
reizen,  die  freie  Architektentätigkeit  häufiger  für  die  Ge- 
staltung kleiner  Stadtteile  heranzuziehen. 

In  dem  Vorstehenden  ist  versucht  worden,  darzulegen, 
weiche  Zusammenhänge  zur  Bildung  der  heute  üblichen 
Haustypen  geführt  haben,  und  nachzuweisen,  daß  der  fest- 
gestellte Maschinencharakter  der  Bauordnungen  als  etwas 
Notwendiges,  aus  den  Verhältnissen  Herausgewachsenes 
und  daher  Natürliches  anzusehen  ist.  Ferner  ist  gezeigt 
worden,  wie  die  Möglichkeit  und  Natürlichkeit  der  me- 
chanischen Benutzung  der  Bauordnung  Nachteile  und  Vor- 
teile dem  Bauwesen  gebracht  hat.  Nachteile,  indem  un- 
gelernte Unternehmer  die  Ausführung  des  größten  Teiles 
aller  Bauten  an  sich  reißen  konnten  unter  Zurückdrängung 
der  Fachleute  und  der  individuellen  Lösung  der  Bau- 
aufgaben; Vorteile,  indem  die  berechtigten  Ansprüche  der 
Wohnungsbedürftigen  klargestellt  und  die  Mittel  ihrer  Be- 
friedigung in  der  Erhöhung  der  baupolizeilichen  Befugnisse 
gefunden  wurden.  Zur  Verringerung  der  Nachteile  und  zur 
Erhöhung  der  Vorteile  wurde  vorgeschlagen,  die  Verbesserung 
der  Bauordnungen  auf  der  Grundlage  ihrer  natürlichen 
Eigenschaften,  die  aus  ihrem  Maschinencharakter  sich  er- 
geben, zu  versuchen;  dabei  wurde  daraufhingewiesen,  daß  die 
verständige  Gleichförmigkeit  des  Maschinenerzeugnisses  bei 
Massenbedarf,  insbesondere  die  Beschränkung  der  Möglich- 
keit einer  übertrieben  individuellen  Gestaltung  landläufiger 
Wohnhäuser  aus  wirtschaftlichen  und  künstlerischen  Gründen 
etwas  Gutes  und  bei  der  Häuserherstellung  geeignet  ist,  die 
Bauherren  von  dem  schlechten  Einfluß  der  baulich  Halb- 
gebildeten zu  befreien  und  den  Fachleuten  neue  dankbare 
Aufgaben  zuzuführen.  Aus  dem  bisher  Gesagten  ergibt  sich, 
daß  es  sich  nur  darum  handeln  darf,  die  Bauordnungen 
als  eine  Häusererzeugungsmaschine,  die  vom  Wohnbedürfnis 
und  dem  Erwerbssinn  der  Bauunternehmer  getrieben  wird, 
richtig  zu  bewerten  und  auszubilden,  sie  in  eine  Verfassung 
zu  bringen,  die  ein  einwandfreies  Erzeugnis  verbürgt,  das 
nicht  Halbzeug,  sondern  einigermaßen  Fertigfabrikat  ist.  Die 
Mängel  der  alten  Bauordnungen  sind  dieselben,  an  denen  die 
ersten  Maschinen  gelitten  haben.  Bei  deren  Entstehen  galt  es, 
zunächst,  die  Möglichkeit  auszunutzen,  irgend  etwas  Brauch- 
bares billig  in  großen  Mengen  herzustellen.  Billig  und  in 
Masse,  wenn  auch  schlecht,  war  notgedrungen  die  Parole. 
Das  Bedürfnis  mußte  sich  mit  der  Fabrikware  auseinander- 
setzen und  sich  zufrieden  geben  mit  dem,  was  die  Maschine 
unter  den  gegebenen  Bedingungen  leisten  konnte.  Der 
Maschine  gegenüber  konnte  das  Bedürfnis  sich  zunächst 
nicht  einfach  mit  seinen  Wünschen  durchsetzen,   es  mußte 


112 


DER  STÄDTEBAU 


sich  beschränken  und  Vergleiche  schließen.  Um  die  Billigkeit 
zu  gewinnen,  mußte  es  auf  die  Güte  verzichten.  Darum 
erschien  die  Maschinenarbeit  zunächst  gegenüber  der  Hand- 
arbeit, die  in  langer  Entwicklung  alle  Wünsche  in  weit- 
gehendster Weise  zu  erfüllen  gelernt  hatte,  so  minderwertig. 
Aber  die  Zeiten  haben  sich  geändert.  Während  man  früher 
von  der  Maschine  nehmen  mußte,  was  sie  gab,  ist  die 
Maschinenkonstruktion  heute  so  weit  gediehen,  daß  man  fast 
der  Maschine  vorschreiben  kann,  was  sie  geben  soll.  Das 
anspruchsvolle  Bedürfnis  braucht  sich  heute  nicht  mehr 
zurückzuziehen;  es  darf  kühn  seine  Beschaffenheitsansprüche 
geltend  machen.  Die  Maschine  wird  heute  so  konstruiert, 
daß  die  Fabrikate  genau  den  Anforderungen,  seien  sie  mehr 
oder  weniger  hoch,  entsprechen. 

Wenn  die  Baupolizei  heute  ihre  Befugnisse  richtig  aus- 
nutzt und  sie  in  Verbindung  mit  dem  Fluchtliniengesetz 
und  dem  Verunstaltungsgesetz  bringt,  kann  durch  die 
Bauordnungen  die  Entstehung  fast  vollkommener  Wohn- 
hausbauten gewährleistet  werden.  Heute  darf  das  reine 
W^ohnbedürfnis,  sogar  auch  das  der  Minderbemittelten,  mit 
seinen  Forderungen  hervortreten,  und  es  darf  sicher  sein, 
daß  es  Aussicht  auf  Befriedigung  hat.  Es  ist  nur  not- 
wendig, daß  diese  Forderungen  gestellt  und  klar  aus- 
gesprochen werden.  Dies  geschieht  am  besten  durch 
die  Schaffung  von  amtlichen  Normalhäusern,  die  den  voll- 
kommensten Ausgleich  zwischen  den  gegebenen  Faktoren 
darstellen.  Nun  entsteht  allerdings  die  Frage:  Sind  wir 
dazu  imstande  und  wissen  wir,  was  wir  wollen  und  müssen, 
besonders  auf  dem  Gebiete  des  Kleinwohnungswesens? 
Werden  wir  mit  der  Festlegung  auf  bestimmte  Wohnhaus- 
arten nicht  die  Entwicklung  zum  Bessern  aufhalten?  Hier 
müssen  wir  sagen:  Durch  die  soziale  und  wirtschaftlich- 
bauliche  Entwicklung  hat  sich  das  Bedürfnis  in  bezug  auf  die 
Wohnungen  nach  jeder  Richtung  geklärt.  Der  Streit  zwischen 
den  Ansprüchen  von  Behörde  und  Publikum  einerseits  und 
der  Leistungsfähigkeit  von  Publikum  und  Unternehmertum 
anderseits  hat  zahlreiche  Normalwohnungen  jeder  Art  ent- 
stehen lassen,  die  immer  in  mehr  oder  weniger  guter  Form 
wiederkehren  und  in  ihrer  Grundgestalt  durch  die  freie 
Architektentätigkeit  in  absehbarer  Zeit  nicht  mehr  zu  ver- 
bessern sind.  Diese  Normalgrundrisse  leiden  heute  nur 
noch  unter  dem  Übelstande,  daß  die  eine  scheinbare  Freiheit 
lassenden,  vielfach  verschiedenen  Einzelbestimmungen  der 
Bauordnungen  die  Grundform  verhältnismäßig  selten  wirklich 
abgeklärt  in  die  Erscheinung  treten  lassen.  Hier  werden 
die  Möglichkeiten,  die  die  Bauordnung  gewährt,  von  unzu- 
länglichen Kräften  ausgenutzt,  dort  wird  immer  wieder  der 
vergebliche  Versuch  gemacht,  der  Bauordnung  eine  neue 
Möglichkeit  abzuringen  und  dabei  die  Vervollkommnung 
des  glücklich  Erreichten  vernachlässigt.  Ferner  ist  zu  be- 
achten, daß  Einzelbestimmungen  nicht  alle  Nebenumstände 
berücksichtigen  können  und  sie  infolgedessen  zuweilen  gute 
Anlagen  ausschließen  oder  zur  Entstehung  mangelhafter 
baulicher  Gebilde  drängen. 

Aber  trotz  aller  Mängel  des  heutigen  Systems  dürfen 
wir  kühn  behaupten:  Manches  ist  hier  und  dort  entstanden, 
was  wir  als  vollkommen,  als  erstrebens-  und  nachahmungs- 
wert freudig  anerkennen  dürfen.  Heute  können  wir  zahl- 
reiche Wohnhäuser  als  gut,  als  normal  im  weitesten  Sinne 
hinstellen,  so  daß  wir  wohl  in  der  Lage  und  auch  berechtigt 
sind,  bei  der  Abfassung  von  Bauordnungen  von  bestimmten 
W^ohnhaustypen  auszugehen  und  die  Häusermaschine,   die 


bis  heute  meistens  Halbzeug  lieferte,  für  Fertigfabrikate  zu 
konstruieren,  ohne  fürchten  zu  müssen,  eine  glückliche 
Weiterentwicklung  zu  unterbinden.  Wie  bereits  ausgeführt, 
hat  heute  die  Baupolizei  durch  ihre  ausgedehnten  Befugnisse 
die  Fähigkeit,  die  Bauordnung  einzurichten,  fast  wie  sie 
will,  und  die  Entstehung  bestimmter  Wohnhausarten  zu  er- 
zwingen. Eine  Schwierigkeit  liegt  allerdings  darin,  die 
richtigen  Häusertypen  für  die  einzelnen  Gegenden,  die  ver- 
schiedenartige wirtschaftliche  Verhältnisse  und  Wohnsitten 
haben,  zu  finden;  hinzukommt,  daß  manchmal  eine  vor- 
zügliche Wohnungsart  in  dem  einen  Ort  nicht  aufkommen 
und  die  Wohnsitten  nicht  beeinflussen  konnte,  weil  eine  an 
sich  vielleicht  gute  Bauordnungsbestimmung  in  dem  be- 
sonderen Falle  ein  Hindernis  bildete.  Die  Überwindung 
der  erwähnten  Schwierigkeit  könnte  versucht  werden  durch 
einen  öffentlichen  Wettbewerb.  Hierbei  ist  zu  bedenken,  daß 
die  einheimischen  Architekten  zu  sehr  in  den  Fesseln  der 
geltenden  Bauordnung  und  der  herrschenden  Sitte  liegen, 
während  die  auswärtigen  zu  wenig  mit  den  örtlichen  Ver- 
hältnissen vertraut  sind.  Außerdem  lehrt  die  Erfahrung, 
daß  bei  solchen  Gelegenheiten  mehr  Architekten-  als  Unter- 
nehmerarbeiten einlaufen.  Die  ersteren  sind  natürlich  in 
vieler  Hinsicht  besser,  leiden  aber  oft  an  dem  Fehler  der 
UnWirtschaftlichkeit  und  dem  Mangel  nüchterner  Sach- 
lichkeit. 

Die  Stadt  Aachen  wählte  einen  anderen  Weg,  um  vor 
dem  Erlaß  einer  neuen  Bauordnung  eine  Übersicht  darüber 
zu  erhalten,  wie  in  deutschen  Landen  heute  tatsächlich  ge- 
wöhnliche Wohnhäuser  unter  einem  möglichst  vollkommenen 
Ausgleich  der  Interessen  gebaut  werden.  Sie  sandte  ein 
Rundschreiben  an  eine  Reihe  von  deutschen,  österreich- 
ungarischen und  schweizerischen  Städten,  dessen  wesent- 
licher Inhalt  wie  folgt  lautete: 

„Um  für  die  Stadt  Aachen,  welche  zurzeit  mit  der  Um- 
arbeitung ihrer  Bauordnung  beschäftigt  ist,  zu  guten,  d.  h. 
zweckentsprechenden  und  rentablen  Grundrissen  für  Miet- 
häuser zu  gelangen,  die  eine  nach  jeder  Richtung  hin  ein- 
wandfreie Aufschließung  von  Baugelände  ermöglichen,  ge- 
statte ich  mir  die  Bitte,  mir  die  Skizzen  von  typischen 
Grundrissen,  die  sich  durch  die  dortige  Bauordnung  für 
Mietwohnungen  jeder  Art  herausgebildet  haben,  übersenden 
zu  wollen.  Ich  gehe  hierbei  auch  von  der  Erwägung  aus, 
daß  manche  guten  Grundrisse  nach  der  einen  Bauordnung 
möglich  sind,  nach  der  anderen  nicht,  und  möchte  für  Aachen 
vermieden  sehen,  daß  anerkannt  Gutes  ausgeschlossen  würde. 
Meine  Anfrage  bezieht  sich  nur  auf  rentable  ortsübliche 
Planbildungen,  die  dort  gewissermaßen  Allgemeingut  ge- 
worden sind." 

Das  Rundschreiben  hat  bei  den  Stadtverwaltungen 
natürlich  eine  recht  verschiedenartige  Aufnahme  gefunden. 
Die  einen  hatten  keine  Zeit  oder  keine  Arbeitskräfte,  die 
anderen  kein  Material,  weil  die  Bautätigkeit  zu  wenig  lebhaft 
sei  oder  eine  neue  Bauordnung  ihre  Wirkung  noch  nicht 
ausüben  konnte.  Eine  große  Stadt  behauptete  sogar,  es  sei 
nicht  Aufgabe  der  Baupolizei,  für  gute  Grundrisse  zu  sorgen. 
Die  meisten  Städte  haben  aber  die  Bedeutung  der  Umfrage 
anerkannt  und  lehrreiche  Beiträge  eingeliefert,  die  nunmehr 
einem  weiteren  Kreise  zugänglich  gemacht  werden. 

Die  zahlreichen,  dem  praktischen  Leben  entnommenen, 
verschiedenen  Grundrisse,  die  auf  den  Tafeln  eine  möglichst 
systematische,  allerdings  auch  durch  die  gebotene  Raum- 
ausnutzung   bedingte    Zusammenstellung    gefunden    haben, 


113 


DER  STÄDTEBAU 


beweisen  eindringlich  die  Richtigkeit  der  Voraussetzungen, 
von  denen  die  Rundfrage  ausgegangen  war.  Wir  sehen  verhält- 
nismäßig wenige  Grundrisse,  die  als  klassisch  anzusprechen 
wären,  bei  denen  jener  wohltuende,  vollkommene  Ausgleich 
zwischen  dem  Möghchen  und  dem  Wünschenswerten, 
zwischen  dem  Notwendigen  und  dem  Willkürlichen,  zwischen 
der  Wirtschaftlichkeit  einerseits  und  bestverstandenem  Wohn- 
bedürfnis, Sicherheit  Gesundheit  und  Schönheit  andererseits 
gefunden  wäre. 

Wir  sehen  meistens  Ideen  vertreten,  die  noch  nicht  zur 
vollen  Reife  gediehen  sind,  sei  es  infolge  der  Bauordnungs- 
bestimmungen, des  mangelhaften  Schnitts  der  Grundstücke 
sowie  der  Unfähigkeit  oder  der  Willkür  der  Architekten, 
Bauherren  und  Unternehmer.  Es  dürfte  bei  der  Mannig- 
faltigkeit der  Grundrisse  kaum  zu  bestreiten  sein,  daß,  wenn 
man  sich  die  Sammlung  weiter  ergänzt  denkt,  neue 
Wohnungsgedanken^durch  die  freie  Architektentätigkeit  für 


kleine  und  mittlere  Wohnungen  schwer  zu  finden  sind  und 
daß  es  angebracht  ist,  auf  die  Unzweckmäßigkeit  des 
Versuchs  hinzuweisen,  neue  Gedanken  auszuklügeln.  Es 
leuchtet  vielmehr  ein,  daß  es  fürderhin  für  Behörde,  Architekt, 
Unternehmer  und  Bauherr  zweckmäßig  ist,  von  einem  in  der 
Idee  als  gut  anerkannten  Grundriß  auszugehen  und  in  dessen 
vollendeter  Einzeldurchbildung  den  wirtschaftlichen  und 
künstlerischen  Reiz  zu  suchen.  Die  Tafeln  lehren  ohne 
weiteres,  daß  die  Behörden  in  ihren  Anforderungen  sich 
vielfach  ohne  Not  widersprechen;  daß  einerseits  die  Bindung 
durch  Einzelvorschriften  dem  Ungelernten  das  mangelhafte 
Bauen  erleichtert  und,  wie  in  Preußen,  die  Entwicklung  zur 
Vollkommenheit  gehemmt  hat,  daß  wahrscheinlich  anderer- 
seits eine  größere  Freiheit,  wie  in  Böhmen  und  Sachsen, 
die  feinere  Durchbildung  der  Grundrisse  gefördert  und  dem 
Architekten  ein  größeres  Arbeitsfeld  belassen  hat. 

(Schluß  folgt.) 


DAS  STADTBILD  VON  BATH. 


Dazu  Doppeltafel  60/61. 


Von  HANS  BERNOULLI,  früher  Berlin,  jetzt  Basel. 

Die  Stadt  Bath  bei  Bristol  ist  ein  hervorragendes  Bei- 
spiel für  die  stadtbildende  Kunst  des  18.  Jahrhunderts.  Das 
Zusammentreten  einer  ganzen  Reihe  von  günstigen  Vor- 
bedingungen ließ  im  Laufe  eines  Jahrhunderts  eine  ansehn- 
liche Stadt  entstehen,  die  heute  noch  trotz  mancher  herber 
Verluste  und  —  meist  durch  die  Anglisierung  der  Parks  — 
hervorgerufenen  Wirkungsverschiebungen  einen  guten 
Begriff  gibt  von  der  Städtebaukunst  im  Geist  der  palladi- 
anischen  Schule.  Das  vorzügliche  Werk  „XVIII "'  Century 
architecture  of  Bath"  des  Bather  Architekten  M.  A.  Green, 
eine  Ortsarchitekturgeschichte,  ergänzt  den  Augenschein  zu 
einem  klaren  Bild  des  ursprünglich  Gewollten. 

Unter  den  Römern  ein  ansehnlicher  Badeort,  wie  die 
noch  vorhandenen  Bäder  dartun,  vermochte  Bath  seine 
Bedeutung  in  der  Folgezeit  nicht  zu  wahren.  Bis  an  die 
Schwelle  des  18.  Jahrhunderts  war  die  Stadt  auf  den  geringen 
Umfang  des  mittelalterlichen  Mauergürtels  beschränkt.  Erst 
durch  den  Besuch  der  Königin  Anna  im  Jahre  1702  wurde 
Bath  zum  beliebten  Badeort,  wie  er  in  den  älteren  eng- 
lischen Romanen  geschildert  wird.  Um  den  anströmenden 
Fremden  Unterkunft  zu  bieten,  ließen  nun  hervorragende 
Bürger,  denen  bald  gewerbsmäßige  Unternehmer  folgten, 
ganze  Häuserzeilen  erbauen,  zum  Teil  innerhalb  der  alten 
Umwallung,  vorzugsweise  aber  vor  den  Toren,  an  den  alten 
Landstraßen  und  später  zwischen  diesen  auf  freiem  Felde. 
Bezeichnenderweise  tragen  noch  heute  eine  Anzahl  dieser 
Straßen  (auch  in  anderen  englischen  Städten)  keine  Straßen- 
namen. Die  Straßenschilder  zeigen:  Westgatebuildings, 
Fountainbuildings,  Axfordbuildings  usw.;  die  Gebäude  sind 
die  Hauptsache,  die  Straße  selbst  ist  nur  Mittel  zum  Zweck. 
Es  handelt  sich  dabei  ausschließlich  um  das  bekannte  Drei- 
fensterhaus, das  hier  in  der  Form  des  Einfamilienhauses 
auftritt. 

Nachdem  bisher  der  mittelalterliche  Bautypus  geherrscht 
hatte,  waren  nun  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  das 
Schiebefenster  und  das  Ziegeldach  eingeführt  worden;  die 
neu  erschlossenen  Steinbrüche  gestatteten,  die  ganzen 
Fassaden  in  Haustein  herzustellen,  die  fünfgeschossige  Bau- 


weise wurde  (für  das  Einfamilienhaus!)  zugelassen.  Diese 
Neuerungen  wurden  folgerecht  durchgeführt  und  verfehlen 
nicht,  durch  ihre  gleichmäßige  Anwendung  einen  gewissen 
architektonischen  Eindruck  hervorzurufen,  zumal  ja  der 
Aufreihung  vollkommen  gleichartiger  Einzelhäuser  an  sich 
ein  architektonisches  Moment  innewohnt. 

Das  Haupt  des  Badewesens,  der  unternehmende  und 
weitsichtige  Zeremonienmeister  Nash  erkannte  die  Sachlage ; 
er  veranlaßte  1725  den  damals  erst  21jährigen  Architekten 
John  Wood,  einen  Bebauungsplan  für  den  Nordosten  und 
den  Südwesten  der  Stadt  auszuarbeiten.  Die  Planungen 
zeigen  einen  von  der  Nordwestecke  der  Stadt  ausgehenden, 
bergan  führenden  Straßenzug,  dem  sich  in  seinem  unteren 
Lauf  ostwärts  ein  Rechteckplatz,  Queensquare,  anlehnt.  Seinen 
hochgelegenen  Abschluß  bildet  ein  kreisrunder  Platz,  „der 
Circus".  Zwischen  dieser  Achse  und  der  nordwärts  führenden 
Landstraße  die  parallel  liegende  Milsomstreet  ungefähr  recht- 
winklig geschnitten.  Vom  Circus  nordostwärts  in  hori- 
zontaler Lage  Brookstreet,  an  die  sich  weiterhin  talwärts 
offen  der  Royal  Crescent  anlehnt,  eine  mächtige  Anlage  über 
korbbogenförmigem  Grundriß. 

Die  Erweiterung  im  Südosten  der  Stadt  sieht  die  Anlage 
zweier  rechtwinkliger  Blöcke  vor,  die  sich  nordwärts  an 
der  „Grand  Parade"  gegen  das  tiefliegende,  triangelförmige 
Bowling  Green  stattlich  aufbauen.  Alle  diese  Planungen 
sind  in  einem  —  durch  die  Ausführung  zum  Teil  überholten  — 
Stadtplane  vom  Jahre  1735  niedergelegt. 

Die  umfangreichen  und  bedeutenden  Neuanlagen  wurden 
nun  aber  nicht  der  beliebigen  Bebauung  freigegeben:  1728 
siedelt  Wood  selbst  nach  Bath  über  und  führt  als  Architekt 
und  Unternehmer  zugleich  die  Bebauung  der  von  ihm  ge- 
planten Blöcke  aus.  Anlage  und  Aufbau  liegen  also  in 
einer  Hand,  und  für  die  langen  Platz-  und  Straßenfronten 
ist  nur  ein  Bauherr  maßgebend,  der  Architekt  selbst.  Wood 
bringt  die  Straßenfluchten  und  Platzwände  in  ein  architek- 
tonisches System,  wie  es  Inigo  Jones  als  erster  in  England 
durchgeführt,  ohne  indes  in  den  auf  dem  Kontinent  so  viel- 
geübten Fehler  zu  verfallen,   einzelne  Teile  um   des  archi- 


114 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.   I. 


tektonischen  Ausdrucks  willen 
besonders  stark  zu  betonen. 
Er  schafft  vielmehr  Anlagen, 
die  eine  Ebenbürtigkeit  der 
einzelnen  Bauten  zum  Grund- 
satz erheben.  Wenn  Queens- 
square noch  leise  Betonungen 
der  Eck-  und  Mittelbauten 
zeigt,  so  ist  doch  im  Royal 
Crescent  und  vollends  im 
Circus  die  gleichmäßige  Wer- 
tung der  Einzelhäuser  in  bezug 
auf  die  Lage  wrie  Architektur 
Das  gegebene  Thema:  gleich 
eine    architektonische    Idee    zu 


vollkommen   durchgeführt. 

große    Einzelbauten    unter 

bringen,  ohne  in  den  Stil  öffentlicher  Gebäude  zu  verfallen, 

ist  hier  glänzend  gelöst. 

Den  Ausbau  des  Circus,  1745,  hat  Wood  noch  erlebt. 
Der  Royal  Crescent  wurde  nach  seinem  Tode  auf  Grund 
der  schon  fertigen  Pläne  von  seinem  Sohn  ausgeführt. 
Neben  dem  jüngeren  Wood  war  Robert  Adam  als  Architekt 
tätig,  dann  Baldwin  und  Harcourt. 

Der  Ausbau  der  im  Herzen  der  Stadt  gelegenen  Bath- 
straße  von  Baldwin  zeigt  eine  schmale,  nur  12  m  breite, 
50  m  lange  Straße,  von  zwei  überbauten  Säulenhallen  ein- 
gefaßt, die  sich  an  beiden  Seiten  halbkreisförmig  gegen 
bedeutende  Bauten  öffnen.  Bemerkenswert  ist  ferner  die 
Anlage  von  Pulteney  Bridge  von  Robert  Adam,  deren  kräftige 
Bogen  zu  beiden  Seiten  der  Fahrbahn  zweigeschossige  Bauten 
von  einheitlicher  Komposition  tragen.  Ungleich  bedeutender 
ist  indes  die  Weiterentwicklung,  die  der  neu  geschaffenen 
Form  des  Halbmondes  (Crescent)  erblühte: 

Royal  Crescent,  der  Ausgangspunkt  aller  jener  Bil- 
dungen, ist  eine  Weiterbildung  der  hufeisenförmigen  Cour 
d'Honneur  (Abb.  1):  Zwei  Flügelbauten  binden  einen  großen, 
korbhenkelförmigen  Bogen  in  das  Straßensystem  und  lassen 
die  ganze  Anlage  als  Teil  der  ganzen  Stadt  erscheinen. 
Der  nach  dem  grünen  Tal  weit  geöffnete  Halbmond  gibt 
einen  befreienden  Gegensatz  zu  dem  geschlossenen  Kreis 
des  Circus.  Nach  dem  Tod  des  älteren  Wood  wurde 
indessen  der  Crescent  zur  frei  wuchernden  Pflanze.  Ohne 
allen  Zusammenhang  mit  der  Umgebung  lagern  sich  diese 
Halbmonde  als  in  sich  abgeschlossene  Bildungen  nach 
dem  Belieben  des  Bauherrn  in  das  Gelände.  Wo  Straßen 
beiderseitig  von  Gebäuden  eingefaßt  werden,  entstehen 
immer  noch  jene  Reihungen  gleichartiger  Bauten,  meist 
ohne  zusammenfassende  Gliederungen.  Aber  abschüssiges 
Gelände,  das  nur  einseitige  Bebauung  erlaubt,  wird  nur 
mit  Halbmonden  bebaut  (Abb.  2).  Jene  die  beiden  Enden 
abschließenden  Flügel,  die  bei  Royal 
Crescent  der  gewaltigen  Rundung  als 
Grundlinie  dienen,  gehen  verloren.  Der 
Halbmond  läuft  in  förmliche  Spitzen  aus, 
die  jede  Angliederung  unmöglich  machen. 
So  entsteht  im  Tal,  mit  dem  linken  Flügel 
an  den  Avon  gelehnt,  der  Norfolk 
Crescent,  ein  Segment  von  etwa  100  m 
Seitenlänge  (57  Fensterachsen),  die  archi- 
tektonische Haltung  bescheidener  und 
kühler  als  Royal  Crescent  mit  Pilastern 
anstatt  Säulen  (Abb.  3);  dafür  sind  die 
Abb.  3.  fünf  Mittel-  und  je  drei  Endachsen  durch 


Abb.  2. 


schwache  Risalite  aus- 
gezeichnet und  durch 
Giebel  und  Attiken  ver- 
stärkt. Camden  Cres- 
cent, eine  Anlage  von 
Baldwin,  1794,  liegt 
hoch  über  der  Stadt  am 
Südabhang  von  Beacon 
Hill,  sich  gegen  eine 
herrliche  Talsicht  aus- 
breitend. Der  Scheitel 
des  Halbmondes  liegt 
höher  als  die  auslaufen- 
den Enden,  weil  der  Bau 
an  den  Abhang  gelehnt 
ist.  Das  führt  den 
Architekten  zu  dem  fa- 
belhaften Unterfangen, 
die  Pilasterarchitektur 
mit  Gurt  und  Haupt- 
gesims von  den  Enden 
gegen  die  Mitte  an- 
steigen zu  lassen.   Weil 

der  rechte  Flügel  nicht  ausgeführt  ist,  fehlt  dem  Bau  das 
für  die  gewagte  Anlage  doppelt  nötige  Gleichgewicht. 
Cavendish  Crescent,  eine  Anlage  kleineren  Umfanges, 
gegen  den  tiefliegenden  Viktoriapark  geöffnet,  beschreibt 
einen  Viertelkreisbogen,  eine  Staffel  höher  der  weiter  aus- 
gezogene Halbmond  von  Somerset  Place.  Diese  beiden 
Anlagen  sind  trotz  ihres  geringen  Abstandes  durch  keinerlei 
architektonische  Beziehungen  verknüpft.  Die  konkaven 
Flächen  mit  ihren  scharf  auslaufenden  Enden  scheinen 
sich  eher  abzustoßen,  und  die  ihnen  eigene  architektonische 
Wirkung  verpufft  ungenützt  im  weiten  Raum.  In  unmittel- 
barer Nähe  von  Somerset  Crescent,  wiederum  ohne  sicht- 
baren Zusammenhang  mit  diesem,  erhebt  sich  Landsdown 
Crescent,  der  Höhepunkt  der  Halbmondbildungen  von  Bath 
(Abb.  4).  An  den  140  m  weiten,  horizontal  gelagerten  Halb- 
mond schließen  sich  rechts  und  links  auf  stark  ansteigendem 
Gelände  zwei  konvexe  Anlagen :  Landsdown  Place  West  und 
Landsdown  Place  East,  beide  an  100  m  lang,  Landsdown  Place 
W^est  durch  einen  Bogengang  mit  dem  Halbmond  verbunden. 
Der  späten  Entstehungszeit  entsprechend,  sind  hier  die 
Pilaster  auf  die  Mittel-  und  Flügelbauten  beschränkt.  Die 
Reihungen  der  Fenster  werden  durch  zwei  Gurtgesimse  und 
eine  sich  über  dem  Hauptgesims  erhebende  Balusterbrüstung 
verstärkt.  Auch  hier  wieder  fällt  das  Gelände  unmittelbar 
jenseits  der  Straße  ab  an  einem  von  Wiesen  und  schönen 
Baumgruppen  bedeckten  Abhang.  Die  späteren  Halbmond- 
anlagen er- 
heben sich 
nicht  mehr 
zu  der  Größe 
und  Schön- 
heit von 
Landsdown 

Crescent. 
Der      Wille 
zur      archi- 
tektonischen 
Gestaltung 
großer  Mas- 


Abb.  4. 


115 


DER  STÄDTEBAU 


sen,  der  sich  dort  noch  deutlich  kundgegeben,  erlischt;  der 
Halbmond  wird  zur  mechanisch  wiederholten  Form,  die, 
in  ihrer  Durchbildung  im  einzelnen  nicht  ohne  Reiz,  ohne 
Bedeutung  bleibt  für  die  Entwicklung  des  Stadtganzen. 

Eine  große  Achse  im  Zuge  der  Pulteney  Bridge,  die 
Pulteneystreet,  mit  einem  Gartenplatz  von  mächtigen  Ab- 
messungen, wurde  1792  von  Baldwin  begonnen,  ist  aber  durch 
die  Anlage  der  Bahn  in  ihrer  Entwicklung  gestört  worden. 


Von  Wichtigkeit  für  die  Stadt  ist  die  1830  angelegte 
Royal  Avenue  geworden,  eine  Promenade  von  der  Nordwest- 
ecke von  Greensquare  ausgehend,  parallel  mit  Brookstreet 
die  mächtige  Entwicklung  des  hochliegenden  Royal  Crescent 
vollnützend  in  den  Viktoriapark  führt.  Dieser  Straßenzug 
sichert  Queenssquare  die  Bedeutung  im  Straßenbild,  die 
ihm  als  Ausgangspunkt  der  Woodschen  Schöpfungen  zu- 
kommt. 


PSYCHOLOGIE  DER  GRUNDSTÜCKSPREISE. 

Von  Dr.  phil.  et  rer.  pol.  STREHLOW,   Oberhausen.    (Schluß.) 


In  ähnlicher  Weise  wie  der  Selbstkostenpreis  wirkt 
ferner  psychologisch  das  Ansteigen  des  Grundstückspreises 
selbst  beim  Einzelumsatz,  der  nicht  so  sehr  an  die  Finan- 
zierung eines  größeren  Ganzen  gebunden  ist.  Das  allgemeine 
Vertrauen  auf  das  Steigen  der  Preise  ist  es,  das  in  erster 
Linie  das  Monopol  des  Bodens  selbst  bei  sehr  zersplittertem 
Besitz  stärkt.  Es  ist  die  Stütze,  an  die  sich  der  einzelne 
Besitzer  bei  niedergehender  Konjunktur  klammert.  Nur  der 
wirtschaftlich  Schwache  ist  dann  im  einzelnen  Falle  ge- 
zwungen, seinen  Besitz  zu  niedrigen  Preisen  zu  verkaufen 
oder  vielmehr  meist  seinen  hoch  belasteten  Besitz  an  einen 
Gläubiger  abzutreten.  Wer  es  irgendwie  kann,  der  hält 
seine  Preise  im  Vertrauen  auf  das  Besserwerden  der  Zeiten, 
denn  er  weiß,  daß  die  fortschreitende  Entwicklung  ihm  den 
Wertzuwachs  in  die  Arme  treiben  muß. 

Dies  Vertrauen  auf  das  Ansteigen  der  Preise  stellt  sich 
dar  als  ein  ständiges  Hinaufschrauben.  Die  Kraft  ist  die 
Entwicklung;  die  Schraubengänge,  die  das  Zurückgehen 
selbst  unter  Druck  unmöglich  machen,  sind  die  bisher 
erzielten  Preise.  Hohe  Selbstkosten,  die  beim  Einzelbesitz 
sich  ja  fast  ausschließlich  auf  die  Preise  gründen  und  die 
fortschreitende  Belastung  verstärken  die  schraubende  Kraft. 
Wird  ein  Grundstück  verkauft,  so  stellt  der  Nachbar  sofort, 
bewußt  oder  unbewußt,  sein  Grundstück  mit  demselben 
Preis  zu  Buche.  Wie  der  Preis  für  den  Erwerber  Selbst- 
kosten darstellt,  so  wird  dieser  Preis  nun  für  gleichgelegene 
Grundstücke  Wert.  Das  Bedenkliche  hierbei  ist,  daß  kraft 
des  allgemeinen  Vertrauens  auf  die  Wertsteigerung  und  der 
dadurch  gestärkten  Monopolstellung  des  Bodens,  die  Weiter- 
entwicklung der  Preise  stets  an  die  höchsten  zuletzt  erzielten 
Preise  anschließt,  unbekümmert  um  die  Verhältnisse  des 
einzelnen  Falles,  unbekümmert  darum,  ob  die  Art  der 
Nutzung  in  diesem  einzelnen  Falle  nun  auch  den  bezahlten 
Preis  im  allgemeinen  rechtfertigt.  Psychologisch  ist  dies 
wohl  verständlich.  Der  Grundbesitzer  sucht  aus  seinem 
Besitz  möglichst  viel  herauszuschlagen  und  muß  dies  als 
„homo  oeconomicus"  auch  tun.  Der  Nachbar  hat  für  sein 
Grundstück  von  einem  Arzt  oder  Rechtsanwalt  oder  von 
einem  Geschäftsmann,  der  an  die  Lage  gebunden  ist,  einen 
besonders  hohen  Preis  erzielt.  Warum  soll  er  billiger  ver- 
kaufen? Hat  doch  sein  Grundstück  auch  Lage!  So  wird 
dieser  Preis  für  ihn  und  im  Laufe  der  Zeit  auch  für  die 
Allgemeinheit  Wert,  an  den  sich  die  weitere  Entwicklung  der 
Grundpreise  anschließt,  nachdem  er  ein  Ansteigen  der  Grund- 
rente, des  Nutzungswertes  des  Bodens,  der  Mieten  zur  Folge 
gehabt  und  dadurch  seine  wirtschaftliche  Rechtfertigung 
erfahren  hat. 


Gegen  diesen  Gang  der  Dinge  ist  im  allgemeinen  wenig 
zu  machen.  Er  ist  als  natürliche  Folge  der  durch  das  Ver- 
trauen auf  die  Wertsteigerung  gestärkten  Monopolstellung 
des  Bodens  gegeben.  Nur  durch  Trennung  der  einzelnen 
Lagen  nach  ihrer  Zweckbestimmung  im  Bebauungsplan 
lassen  sich  die  Höchstwirkungen  beschränken.  Trennung 
von  Wohn-  und  Verkehrslage  bzw.  von  Wohn-  und  Ver- 
kehrsstraße ist  deshalb  auch  hier  wieder  die  erste  Forderung, 
damit  die  Möglichkeit  geschäftlicher  Ausnutzung  nicht  Ein- 
fluß erlangt  auf  die  Preisbildung  des  Bodens  für  Wohn- 
zwecke und  dadurch  auch  auf  die  Miethöhe.  Es  muß  ferner 
durch  den  Bebauungsplan  ein  genügendes  Angebot  für  alle 
Abstufungen  im  Bedarf,  für  Arbeiterwohnlage,  bessere  und 
beste  Wohnlage  vorgesehen  sein,  und  ein  städtisches  Grund- 
stücksgeschäft muß  dafür  Sorge  tragen,  daß  im  Rahmen  jeder 
dieser  einzelnen  Abstufungen  das  Angebot  in  genügendem 
Maße  flüssig  bleibt. 

Die  Einzelpreise  richten  sich  also  nach  der  Ausnutzungs- 
fähigkeit der  Grundstücke,  und  zwar  nach  der  spezifischen 
Höchstausnutzung,  wobei  sie  dies  Höchstmaß  immer  mehr 
nach  oben  zu  verschieben  suchen.  Nun  ist  aber  die  Aus- 
nutzungsfähigkeit eines  Grundstückes  ein  außerordentlich 
relativer  Begriff  und  in  ihrer  realen  Berechnung,  der  Er- 
tragsrechnung des  Käufers,  nicht  allein  von  dem  Grund- 
stückspreis, sondern  auch  noch  von  vielen  anderen  zum  Teil 
recht  unsicheren  Faktoren  abhängig.  Es  entstehen  dadurch 
bei  der  Ertragsrechnung  zwischen  diesen  Faktoren  und  dem 
Grundstückspreis  einerseits  und  zwischen  beiden  und  der  Er- 
tragsfähigkeit andererseits  Lücken,  die  der  Grundpreis  zu 
seinen  Gunsten  auszufüllen  strebt.  Die  Abhängigkeit  von  dem 
Grundstückspreis  ist  um  so  geringer,  je  niedriger  dieser  ist. 

Ob  ein  Grundstück  2000  Mk.  oder  SO",,,  mehr,  also 
3000  Mk.  kostet,  das  macht  bei  der  Bebauung  mit  einem 
Hause  im  Werte  von  30000  Mk.  für  den  Ertrag  wenig 
aus;  weit  bedeutsamer  ^wird  dies  aber  bei  einem  Preis- 
unterschied von  SO^/d  in  teurerer  Lage,  etwa  von  10000  Mk. 
auf  15000  Mk.  Dies  ist  der  innere  Grund  für  die  vielfach 
bewiesene  Tatsache,  daß  der  relative  Wertzuwachs  am 
größten  ist  bei  niedrigen  Grundstückspreisen  und  mit 
deren  Wachsen  abnimmt.  Der  Gründstückspreis  sucht 
also  mit  dem  Nutzungswert  stets  in  die  äußerste  Spannung 
zu  kommen.  In  den  billigen  Lagen  hat  er  noch  großen 
Spielraum,  den  er  rasch  ansteigend  durchschreitet.  Mit 
zunehmenden  Preisen  nimmt  der  Spielraum  ab;  es  wächst 
die  Spannung,  die  sich  zum  Schluß  aus  der  Lage  des 
Wohnungsmarktes  heraus  in  eine  Mietserhöhung  auslöst. 
Dann  beginnt  das  Spiel  von  neuem. 


116 


DER  STÄDTEBAU 


Das  eigene  Steigen  bietet  also  den  Grundstückspreisen 
bei  ihrer  Entwicklung  Widerstand  aus  der  Notwendigkeit 
heraus,  die  Nutzungspreise  zu  erhöhen,  einen  Widerstand, 
der  größer  oder  kleiner  ist,  je  nach  der  wirtschaftlichen 
Leistungsfähigkeit  der  für  die  Nutzung  in  Frage  kommenden 
Bevölkerungsgruppe,  je  nach  der  augenblicklichen  Lage  des 
Wohnungsmarktes  und  vor  allem  je  nach  dem  absoluten 
Maße  der  zulässigen  Ausnutzung.  Wäre  der  letztere  Wider- 
stand nicht  vorhanden,  so  würden  alle  anderen  wirkungslos, 
weil  die  Nutzung  durch  ständiges  Höherbauen  ins  Unge- 
messene gesteigert  werden  könnte.  Das  Einlegen  solcher 
Widerstände  in  einer  den  örtlichen  Verhältnissen  ent- 
sprechenden Abstufung  vermittels  einer  Zonenbauordnung 
ist  deshalb  eine  der  wichtigsten  bodenpolitschen  Maßnahmen 
zur  Beeinflussung  der  Grundstückspreise. 

Bei  dem  Fortschreiten  der  städtischen  Bebauung  macht 
man  stets  die  Erfahrung,  daß  die  am  wenigsten  tiefen  Grund- 
stücke zuerst  in  Anspruch  genommen  werden.  Besonders 
in  den  Industriestädten,  wo  die  Entwicklung  die  Bebauung 
den  örtlichen  Bedürfnissen  entsprechend  gleich  auf  große 
Flächen  überträgt,  wo  also  eine  unterbrochene,  lückenhafte 
Bebauung  das  Bild  beherrscht,  kann  man  dies  in  aus- 
gesprochener Deutlichkeit  beobachten.  Es  ist  dies  sehr 
verständlich,  denn  die  weniger  tiefen  Grundstücke  sind 
immer  auch  relativ  billiger  als  die  tieferen.  Bei  diesen 
wenig  tiefen  Grundstücken  kann  nun  der  Einheitspreis 
infolge  seiner  geringen  Wirkung  auf  die  kleine  Fläche 
munter  steigen,  ohne  in  der  gegebenen  Nutzung  einen  wesent- 
lichen Widerstand  zu  finden.  Bei  einem  Grundstück  in 
Größe  von  20  Quadratruten  macht  ein  Steigen  des  Preises 
um  100  Mk.  für  1  Quadratrute  nur  2000  Mk.  aus,  wodurch 
bei  der  Möglichkeit  einer  Bebauung  mit  drei-  und  vier- 
stöckigen Häusern  die  Ertragsrechnung  kaum  wesentlich 
belastet  wird.  Muß  nun  die  Bebauung  beim  Fortschreiten 
der  Entwicklung  auch  auf  die  tieferen  Grundstücke  über- 
greifen, so  werten  die  Besitzer  dieser  Grundstücke  die 
größere  Tiefe  nicht  etwa  als  Gartenland,  sondern  sie  fordern 
im  Vertrauen  auf  ihre  Stellung  meist  dieselben,  selten  er- 
heblich niedrigeren  Einheitspreise  als  für  die  weniger  tiefen 
Grundstücke  bezahlt  wurde.  Wo,  wie  in  den  Industrie- 
städten, dieser  Übergang  auf  breiter  Fläche  vor  sich  geht, 
ist  die  Stellung  des  Grundbesitzes  eine  besonders  starke. 
Ich  konnte  wiederholt  beobachten,  daß  sich  dieser  Übergang 
nach  einem  kurzen  zögernden  Aussetzen  der  baulichen  Ent- 
wicklung als  natürliche  Folge  durch  eine  Mieterhöhung 
kennzeichnete,  denn  der  Übergang  von  einer  Grundstücks- 
tiefe von  20  m  zu  einer  solchen  von  60  m  bedeutet  in  diesem 
Sinne  eine  Erhöhung  des  Grundstückspreises  auf  den  fast 
dreifachen  Betrag,  die  auch  durch  die  wirtschaftlichste  Aus- 
nutzung der  größeren  Tiefe  nicht  ausgeglichen  werden  kann. 

Das  treibende  Moment  ist  auch  hier  psychologisch  in 
der  bewußt  starken  Stellung  des  Grundbesitzes,  in  dem  Ver- 
trauen auf  die  Entwicklung  der  Zukunft  gegeben;  es  wird 
gestärkt  zur  Kraft  eines  zusammengefaßten  Monopols  durch 
die  allgemeine  Gewohnheit  des  Verkaufs  nach  Einheits- 
preisen. Der  Verkauf  nach  dem  wichtigeren  Faktor  des 
Grundstückes  nach  der  Frontlänge  unter  Abstufung  der  Preise 
nach  der  Tiefe  würde  einen  viel  richtigeren  Maßstab  für 
die  Preisfeststellung  oder  besser  gesagt  für  die  Wertfest- 
stellung ohne  die  bedeutete  Nebenwirkung  abgeben.  So 
erwünscht  die  Einführung  dieses  Maßstabes  aber  auch 
wäre,   so   ist  doch  kaum  Aussicht  vorhanden,   ihn  jemals 


in  der  Praxis  zur  Geltung  zu  bringen.  Ist  es  doch  selbst 
in  drei  Jahrzehnten  und  trotz  behördlichen  Druckes  nicht 
möglich  gewesen,  die  neuen  Maße,  das  Rechnen  nach  Ar 
und  Quadratmeter,  im  Grundstückshandel  einzubürgern. 

Will  man  also  die  schädliche  Nebenwirkung  der  unter- 
schiedlichen Grundstückstiefen  auf  die  jPreisbildung  aus- 
schalten, so  bleibt  «nichts  anderes  übrig,  als  diese  Tiefen 
im  Bebauungsplan  möglichst  gleich  groß  anzuordnen.  Es 
kann  dies  natürlich  keine  starre  Regel  sein,  die  zum  Schema- 
tismus führen  würde.  Man  würde  diesen  Grundsatz  viel- 
mehr etwa  dahin  fassen  müssen,  daß  in  derselben  Lage 
starke  Unterschiede  in][den  Grundstückstiefen  nach  Möglich- 
keit zu  vermeiden  sind.  Da  diese  Unterschiede  an  den  Ecken 
der  Baublöcke,  an  den  Straßenkreuzungen  bei  der  Aufteilung 
nicht  zu  umgehen  sind,  so  spricht  unser  Grundsatz  für  die 
möglichste  Einschränkung  solcher  Ecken  auf  gegebener 
Fläche  also  in  letzter  Linie  für  den  langgestreckten,  recht- 
eckigen Baublock. 

Es  wäre  nun  noch  die  Frage  zu  erörtern,  wie  die  Be- 
steuerung des  Grund  und  Bodens,  'die  Steuer  nach  dem 
gemeinen  Wert  und  die  W^ertzuwachssteuer  auf  die  Preis- 
bildung der  Grundstücke  wirkt.  Die  Beantwortung  dieser 
Frage  ist  außerordentlich  schwierig,  weil  die  Wirkung  je 
nach  der  örtlichen  Gestaltung  und  je  nach  der  zeitlichen 
Lage  des  Marktes  sehr  verschieden  sein  kann.  Die  Be- 
hauptung, daß  diese  Steuern  nicht  übergewälzt  werden 
können,  weil  der  Grundbesitzer  aus  der  jeweiligen  Markt- 
lage immer  das  Höchstmaß  herausschlägt  und  von  diesem 
Höchstmaß  also  den  Steuerbetrag  abgegeben  hat  oder  abgeben 
muß,  ist,  wie  mich  eine  langjährige  Erfahrung  gelehrt  hat, 
allgemein  nicht  zutreffend.  Dieses  Höchstmaß  ist  doch  ein 
zu  relativer  Begriff,  als  daß  es  nicht  auch  durch  eine  steuer- 
liche Belastung  beeinflußt  werden  könnte. 

Was  zunächst  die  Steuer  nach  dem  gemeinen  Wert 
betrifft,  so  wirkt  sie  wie  eine  Erhöhung  der  Selbstkosten. 
Wo  dieser  und  die  Preisforderung  nur  in  losem  Zusammen- 
hang und  meist  in  weitem  Abstand  stehen  wie  beim 
Einzelverkauf,  wird  der  Einfluß  der  Steuer  auf  den  Preis 
nur  ein  geringer,  vielleicht  auch  gar  keiner  sein.  Wo  also 
wie  im  Stadtinnern  und  in  der  Stadterweiterung  der  Einzel- 
besitz vorherrscht  oder,  besser  gesagt,  der  Umsatz  unter 
der  Herrschaft  der  Einzelpreise  vor  sich  geht,  ist  diese 
Steuer  durchaus  berechtigt  und  kann  sogar  durch  die  Auf- 
lockerung des  Marktes  infolge  des  Druckes  preismindemd 
wirken. 

In  den  weiteren  noch  landwirtschaftlich  genutzten 
Außengebieten,  wo  nach  städtischem  Maßstabe  noch  Groß- 
besitz vorherrscht,  kann  diese  Steuer  aber  nur  schädlich 
wirken,  da  sie  die  Selbstkosten  in  die  Höhe  treibt.  Der 
Bauer,  der  100  Morgen  Land  besitzt  und  landwirtschaftlich 
nutzt,  das  durch  die  Ausstrahlung  eines  städtischen  Mittel- 
punktes einen  durch  vereinzelte  Verkäufe  begründeten  Wert 
von  6000  Mk.  hat,  wird  nun  zu  '"/oo  veranlagt,  muß  also  jähr- 
lich 1800  Mk.  Steuer  zahlen.  Das  Gut  bringt  ihm  bei  gründ- 
licher Nutzung  vielleicht  4000  Mk.  jährlichen  Reingewinn. 
Ist  es  unbelastet,  so  kann  er  den  Druck  der  Steuer  wohl 
tragen,  aber  sie  macht  ihn  zum  Spekulanten,  der  nur  auf  den 
Augenblick  wartet,  in  dem  er  zu  guten  Preisen  verkaufen 
kann,  oder  sie  treibt  ihn  zur  Belastung  und  immer  höheren 
Belastung  seines  wertvollen  Besitzes.  Ist  dieser  von  vorn- 
herein schon  belastet,  so  wird  der  Druck  unerträglich  und 
zwingt  ihn  schon  bald  zum  Verkauf.    Der  Käufer  zahlt  ihm 


117 


DER  STÄDTEBAU 


vielleicht  nur  3000  Mk.  für  den  JWorgen,  weil  er  weiß,  daß  er 
verkaufen  muß.  Dieser  bekommt  etwa  20  Mk.  für  den  JVIorgen 
an  Pacht  und  muß  18  JVlk.  Steuer  bezahlen.  Der  Buchwert 
seines  Besitzes  läuft  ihm  also,  da  er  keine  Einnahme  erzielt, 
alljährlich  um  die  Zinsen  an,  und  er  wartet  mit  Schmerzen 
auf  den  Zeitpunkt,  der  seinen  Besitz  in  die  Stadterweiterung 
einbezieht  und  ihm  gestattet,  den  bisher  angenommenen  Wert 
und  noch  reichlich  mehr  einzuheimsen.  Mit  kurzen  Worten, 
die  Steuer  nach  dem  gemeinen  Wert  auf  landwirtschaftlich 
benutzten,  in  die  Stadterweiterung  auf  lange  Zeit  noch  nicht 
einzubeziehende  Flächen  pflanzt  auf  dieselben  die  städtische 
Wertentwicklung  mit  allen  ihren  Schattenseiten  über  und 
führt  den  Boden  bereits  hoch  belastet  der  baulichen  Nutzung 
zu.  In  jedem  Falle  ist  sie  ungerecht,  denn  sie  belastet  den 
Besitzer  nach  einem  Maßstab,  der  durch  die  zurzeit  einzig 
mögliche  Nutzung  nicht  gerechtfertigt  ist. 

Wenn  mit  Recht  die  Forderung  gestellt  wird,  den  Städten 
durch  Eingemeindung  große  Flächen  mit  weiten  Feldmarken 
zu  geben,  die  es  ihnen  ermöglichen,  ein  jederzeit  reichliches 
Angebot  in  der  Stadterweiterung  zu  bieten  und  durch  Ankauf 
von  Großbesitz  in  der  Feldmark  fortschreitend  zu  erhalten, 
so  entsteht  ihnen  aus  allgemeinwirtschaftlichen  und  boden- 
politischen Rücksichten  die  Pflicht  einer  differenzierten  Be- 
handlung des  Bodens  bei  der  Besteuerung  mit  der  Maßgabe : 
Steuer  nach  dem  gemeinen  Wert  in  der  Stadt  und  ihrer  — 
im  weitesten  Sinne  —  nächsten  Erweiterung,  Steuer  nach 
dem  Nutzungswert  in  der  Feldmark. 

Die  Wirkung  der  Wertzuwachssteuer  auf  die  Preisbildung 
des  städtischen  Bodens  ist  noch  wenig  klar,  weil  sie  noch 
zu  kurze  Zeit  besteht.  Ihre  Einführung  hat  eine  allgemeine 
Bestürzung  auf  dem  Grundstücksmarkt  zur  Folge  gehabt, 
die  auch  heute  noch  nachwirkt.  Durch  diese  Steuer  wurde 
in  erster  Linie  der  an  die  Finanzierung  gebundene  Groß- 
handel betroffen,  da  sie  diese  Finanzierung  in  erheblicher 
und  unsicherer  Art  und  Weise  beeinflußt  und  das  Risiko 
wesentlich  erhöht.  Die  Folge  davon  ist  ein  außerordentlich 
großes,  preisdrückendes  Angebot  beim  Großhandel  besonders 
da,  wo  die  Bautätigkeit  gleichzeitig  darniederliegt.  Diese 
Marktlage  sollten  sich  die  Städte  durch  Tätigung  großer  An- 
käufe zunutze  machen. 

Die  vielerörterte  Frage,  ob  die  Wertzuwachssteuer  über- 
gewälzt werden  kann,  läßt  sich  heute  noch  nicht  und  viel- 
leicht nie  mit  voller,  zahlenmäßig  belegbarer  Sicherheit 
beantworten.  Jedenfalls  ist  die  Behauptung,  daß  die  Über- 
wälzung unmöglich  ist,  die  sich  auf  die  Theorie  von  der 
steten  äußersten  Anspannung  der  Preise  gründet,  in  dieser 
Allgemeinheit  nicht  richtig.  Die  unverkennbar  vorhandene 
Psychologie  der  Grundstückspreise,  die  sich  bei  dem 
Großkauf  in  der  spekulativen  Finanzierung  und  beim 
Kleinkauf  in  der  psychologischen  Zusammenfassung  und 
daher  monopolstärkenden  Macht  aller  bei  der  Preisbildung 
mitwirkenden  Faktoren  äußert,  vermag  zweifellos  auch 
steuerliche  Belastungen  nicht  nur  überwälzend,  sondern 
je  nach  den  Umständen,  je  nach  der  örtlichen  Entwick- 
lung und  Marktlage  sogar  zu  Gunsten  des  Verkäufers  zu 
wenden. 

Bei  annähernd  80°/o  der  Grundstücksumsätze,  die  mir 
hier  im  Industriebezirk  bekannt  geworden  sind,  wurde  die 
Wertzuwachssteuer  vertraglich  übergewälzt,  und  die  Unter- 
lassung der  Überwälzung  bei  einem  Teil  der  übrigen  20°/o 
ist  nachweisbar  auf  die  Unkenntnis  von  der  beabsichtigten 
Einführung  der  Steuer  seitens  des  Verkäufers  zurückzuführen. 


Ob  es  sich  in  allen  diesen  Fällen  um  eine  tatsächliche  Über- 
wälzung handelt  oder  ob  sie  nur  auf  Kosten  der  Preise 
möglich  war,  das  läßt  sich  allerdings  bei  der  Unübersicht- 
lichkeit der  Marktlage  in  dieser  Zeit  mit  Bestimmtheit  nicht 
sagen. 

Aus  meiner  Erfahrung  heraus  möchte  ich  die  Wirkung 
der  Steuer  folgendermaßen  skizzieren:  Sie  wird  zweifellos 
den  Verkauf  größerer  Besitzungen,  also  den  Großhandel 
erschweren,  weil  die  Finanzierung  des  Ankaufs  schwieriger, 
unsicherer  und  deshalb  spekulativer  wird.  Die  Boden- 
gesellschaften werden  also  in  erster  Linie  getroffen  und  ihre 
Weiterbildung  erschwert.  Es  wird  dies  volkswirtschaftlich 
erwünscht  sein  und  die  Preisentwicklung  mäßigend  beein- 
flussen da,  wo  sie  den  Grundstücksmarkt  beherrschen  und 
in  wildem  W^ettbewerb  die  Preise  in  die  Höhe  treiben.  Ihr 
Wirken  kann  aber  auch  zur  Auflockerung  des  Marktes 
erwünscht  sein,  besonders  im  vereinzelten  Auftreten,  denn 
auch  der  Urbesitz  wird  unter  dem  Druck  der  Wertzuwachs- 
steuer spekulativer  und  ist  dabei  noch  von  der  Finanzierung 
unabhängiger,  also  mehr  auf  das  Monopol  gestellt.  Im  all- 
gemeinen wird  er  aber  bei  der  erhöhten  Unsicherheit  lieber 
und  billiger  im  ganzen  verkaufen.  Im  Großhandel  wird  also 
wohl  der  Verkäufer  die  Wertzuwachssteuer  tragen. 

Wenn  so  durch  diese  die  Weiterbildung  der  Boden- 
gesellschaften erschwert  wird  und  dadurch  im  einzelnen 
Falle  sogar  eine  Lücke  im  Grundstückshandel  entsteht,  wenn 
ferner  zu  erwarten  ist  —  was  auch  heute  schon  beobachtet 
werden  kann  — ,  daß  unter  dem  Drucke  dieser  Steuer  die 
Preise  für  größere  Besitzungen  heruntergehen,  so  gewinnt 
die  Aufgabe  der  Städte  als  Vermittlerinnen  beim  Grundstücks- 
verkehr dadurch  an  Bedeutung  und  wird  durch  die  Ein- 
führung dieser  Steuer  außerordentlich  erleichtert,  um  so 
mehr  als  sie  als  Verkäuferin  durch  das  Gesetz  von  der  Steuer 
freigestellt  ist.  Sie  gewinnt  also  durch  diese  Steuer  doppelt, 
einmal  als  Teilhaberin  an  ihr  oder  in  anderer  Form  durch 
die  Nutznießung  der  durch  sie  gemäßigten  Preise,  dann  als 
Verkäuferin  des  Bodens  im  Einzelverkauf  oder  als  Ver- 
pächterin der  Nutzung  durch  die  Freistellung  von  der  Steuer 
oder  durch  den  Gewinn  des  Überwälzungsanteils. 

Denn  ich  kann  mich  aus  meinen  bisherigen  Beobachtungen 
heraus  des  Eindrucks  nicht  erwehren,  daß  die  Wertzuwachs- 
steuer von  dem  Käufer  mittel-  oder  unmittelbar  im  Klein- 
handel überall  da  und  immer  dann  getragen  werden  muß, 
wo  und  wenn  eine  starke  Entwicklung  die  monopolbildenden 
Kräfte  besonders  wirksam  macht  und  das  Höchstmaß  der 
Forderungen  auf  der  durch  das  Zusammenwirken  sämt- 
licher Faktoren  und  nicht  zuletzt  dieses  steuerlichen 
Faktors  zusammengefaßten  ganzen  Linie  im  steten  Sieges- 
zug fortschreitet.  Es  wird  aber  immer  schwierig  sein, 
aus  dem  Zusammenwirken  aller  dieser  Faktoren  den  An- 
teil auszulösen,  der  auf  die  Wertzuwachssteuer  zurück- 
zuführen ist. 

Das  ist  ja  eben  der  Kern  der  Bodenfrage,  daß  der  Boden 
und  besonders  der  städtische  Boden  in  unserem  Wirtschafts- 
system alle  Faktoren  der  Entwicklung  zu  seinen  Gunsten  zu 
werten  vermag.  Die  restlose  Lösung  des  Problems  wird 
deshalb  nur  in  der  Veränderung  des  Systems  selbst  oder  in 
einer  veränderten  Stellung  des  Bodens  in  dem  bestehenden 
möglich  sein.  Bis  dahin  kann  es  sich  nur  um  eine  Beein- 
flussung der  bei  der  Preisbildung  wirksamen  Faktoren 
handeln,  wie  sie  sich  aus  der  Psychologie  dieser  Preisbildung 
ergibt. 


118 


DER  STÄDTEBAU 


MITTEILUNGEN. 


AUS  REGENSBURG.  Bange  Sorge  um  die  Erhaltung  des  wunder- 
^  ^  baren  Brückenbildes  an  der  Donau  hat  schon  lauten  Ausdruck  ge- 
funden. Sie  ist  nur  zu  sehr  berechtigt,  denn  die  Steinerne  Brücke,  die 
fast  acht  Jahrhunderte  hindurch  dem  Verkehr  zwischen  Regensburg  und 
der  gegenüberliegenden  Stadtamhof  gedient  hat,  soll  fallen,  weil  sie  mit 
ihren  engen  Bögen  (10,3 — 16,6  m)  und  breiten  Pfeilern,  zwischen  denen 
sich  die  Donau  in  reißenden  Strudeln  hindurchzwängt,  eine  Sperre  für 
die  heutige  Schiffahrt  bildet.  Bekannt  sind  die  Bestrebungen  des  Prinzen 
Ludwig  von  Bayern,  eine  das  Deutsche  Reich  durchquerende  Schiffahrts- 
straße zu  schaffen,  das  Schwarze  Meer  mit  der  Nordsee  zu  verbinden. 
Wer  vermöchte  sich  dieser,  dem  gesteigerten  Verkehrsbedürfnisse  ent- 
springenden Forderung  entgegenzustemmen?!  Vorausgesetzt,  daß  das 
Bedürfnis  als  ein  unabweisbares  anzuerkennen  und  auf  keine 
andere  Weise  zu  befriedigen  ist.  Die  Begründung  eines  Neubaues 
würde  dann  noch  stärkere  Durchschlagskraft  haben,  als  seinerzeit  zum 
Neubau  der  Augustusbrücke  in  Dresden  geführt  hat.  Wer  wollte  leugnen, 
daß  dieser  Neubau  ein  gut  gelungener  ist,  daß  er  das  altberühmte  Stadt- 
bild nicht  geschädigt  hat?!  Es  käme  also  nur  darauf  an,  wieder  ein  gutes 
^Verk  zu  schaffen,  das  dem  Vergleich  mit  dem  zu  vernichtenden  standhält. 

Doch  so  einfach  liegen  die  Verhältnisse  in  Regensburg  nicht!  In 
Dresden  ist  die  neue  Brücke  an  die  Stelle  der  alten  getreten  —  in  Regens- 
burg gilt  dies  als  unmöglich.  Denn  niemand  will  die  Verantwortung 
dafür  übernehmen,  die  durchaus  unzulänglichen  Zugänge  zur  Brücke  am 
Regensburger  Ufer  unverändert  zu  lassen.  Auch  der  Vejkehr  über  die 
Brücke,  die  bei  einer  Gesamtbreite  von  7  m  sogar  noch  einer  Straßenbahn 
Raum  gibt,  ist  ein  beängstigend  reißender  Strom  geworden,  der  nur  auf 
Umwegen  von  der  Stadt  zur  Brücke  gelangen  kann  —  durch  schmale 
Gassen  des  vor  der  alten  Römermauer  besiedelten  Uferstreifens.  Diese 
Gassen  fallen  zur  Donau  hin  ab.  und  von  dort  steigt  die  Brücke  wieder 
an.  Die  Stadtgemeinde  hat  deshalb  schon  den  Häuserblock  westlich  der 
Hahnengasse  angekauft,  um  diese  zur  Anlage  einer  Brückenrampe  zu  be- 
nutzen, die  die  Weiße-Lamm-Gasse  und  die  Thundorfer  Straße  am  Ufer 
überschreitet.  Hier  ist  demnach  die  Stelle  für  die  neue  Brücke  gegeben, 
etwa  60  m  weiter  abwärts  von  der  vorhandenen.  Damit  wäre  aber  der 
Zusammenhang  von  Brücke  und  Tor,  in  das  die  Brückstraße  einmündet, 
zerstört,  und  im  Zusammenklange  beider  liegt  jetzt  ein  wesentlicher  Teil 
der  Bildwirkung. 

So  war  die  Sachlage,  als  der  Architekt  Otto  Lasne  in  München  mit 
der  Verfassung  des  Generalbaulinienplans  für  Regensburg  betraut  wurde, 
zu  dessen  wichtigsten  Aufgaben  die  Bearbeitung  der  inneren  Stadt 
gehört.  —  Regensburg  ist  eine  der  Römerstädte,  die  uns  fast  planlos  an- 
muten. Die  Fröhliche  Türkenstraße,  die  an  der  porta  decumana  (später 
Peterstor)  eintritt,  gibt  ungefähr  noch  die  Richtung  der  früheren  bis  zur 
porta  praetoria,  von  der  bekanntlich  noch  Bruchstücke  stehen,  durch- 
gehenden Hauptstraße  an.  Mittenhinein  ist  später  der  Dom  gestellt 
worden.  Und  die  Gesandtenstraße,  die  an  der  verschwundenen  porta 
sinistra  eintritt,  trifft,  quer  durch  die  Stadt  verlängert,  gerade  auf  die 
frühere  porta  dextra.  Die  Neupfarrkirche  verstellt  auch  hier  die  alte 
Straße.  Die  moderne  Stadt,  zu  der  sich  nun  auch  Regensburg  um- 
gestaltet, braucht  aber  klarere  Verkehrszüge,  wenn  sie  nicht  bloß  ein 
Museumsstück  der  Vergangenheit  bleiben  will. 

Es  war  mir  nun  eine  Freude,  mit  Herrn  Lasne  durch  Gassen  und 
AVinkel  zu  kriechen,  um  zu  sehen,  wie  zart  er  die  Aufgabe  anfaßt,  die 
alte  Stadt  in  das  Verkehrsnetz  einzugliedern.  Haus  bei  Haus,  Hof  bei 
Hof  wurde  daraufhin  angesehen  —  das  erste  war  ein  Verzeichnis  all  der 
unbedingt  zu  schonenden  alten  Schönheiten,  seien  es  nun  einzelne  Bau- 
werke oder  ganze  Straßenzüge.  Und  mit  derselben  Ehrfurcht  vor  dem 
Gewordenen  geht  er  auch  an  die  Brückenplanung  heran!  Das  erste 
Brückenjoch  vor  dem  Tore  soll  stehen  bleiben  und  mit  der  neuen  Brücke 
durch  eine  Rampe  verbunden  werden,  die  vorlängs  des  an  den  Brücken- 
turm sich  anschließenden  Speichergebäudes,  des  jetzigen  Städtischen 
Pfandhauses,  also  parallel  zum  Ufer,  im  Strome  durch  ein  Brückenkai  zu 
verbinden  wäre.  Eine  neue  Brücke  soll  dann  also  den  Verkehr  möglichst 
glatt    über    die    verbreiterte   Hahnengasse   zum    Krauterermarkt   und   zum 


Domplatz  führen,  mit  Hilfe  der  ebengenannten  Rampe  aber  auch  die  Er- 
haltung des  Verkehrs  zur  Goldenen-Bären-Gasse  und  der  Straße  „Beim 
Goliath"  zu  ermöglichen,  und  damit  dürfte  außerdem,  wenn  auch  nicht 
dasselbe,  so  doch  ein  ähnliches  und,  wenn  gut  gelöst,  jedenfalls  wieder 
ein  malerisches  Brückenbild  geschaffen  werden  können.  Damit  soll  selbst- 
verständlich nur  ein  erster  Vorschlag  gegeben  werden;  vor  und  zur  Ver- 
wirklichung des  Gedankens  wird  voraussichtlich  noch  manches  Gutachten, 
insbesondere  auch  der  zur  Denkmalpflege  berufenen  Behörde,  eingeholt 
und  schließlich  ein  \Vettbewerb  ausgeschrieben  werden,  der  die  besten 
Künstler  aufrufen  dürfte,  um  diese  ebenso  verantwortungsvolle  wie  groß- 
monumentale Aufgabe  zu  lösen.  T.  O. 

T^INE  NEUE  RICHTUNG  IM  GARTENBAU  UND  IHR 
'■-'  EINFLUSS  AUF  DEN  ARCHITEKTEN.  Von  Major  von 
Spitzel,  München. 

Es  gibt  in  Deutschland  eine  große  Menge  Fachzeitschriften  für 
Ingenieure  und  Architekten,  für  Baukunst,  Innenausstattung  und  Häuser- 
schmuck und  weit  über  hundert  Monatshefte  und  Sonderblätter  für 
Gartenkunst,  Obstbau  und  Gemüsezucht,  für  Gartenfreunde  und  Berufs- 
gärtner. Will  man  sich  nun  für  eine  Sache,  welche  diese  Berufe  angeht, 
ins  Zeug  legen,  so  ist  es  notwendig,  daß  die  gesamte  Fachpresse  und  die 
ihr  nahestehenden  Zeitschriften  einmütig  dafür  gewonnen  werden.  Doch 
nicht  nur  die  Fachblätter  müssen  in  Bewegung  gesetzt  werden,  sondern 
erst  recht  die  Tageszeitungen,  große  und  kleine,  die  Weltblätter  so  gut 
wie  die  Ortsblättchen.  Dieses  Massenaufgebot  von  Papier  und  Drucker- 
schwärze ist  denn  auch  notwendig,  wenn  wir  für  eine  neue  Richtung  im 
Gartenbauwesen,  die  eine  weitergehende  Förderung  des  Obstbaues  und 
der  Spalierzucht  ins  Auge  faßt,  Erfolg  erzielen  wollen.  Wir  kommen 
deshalb  auch  zum  „Städtebau"  in  dem  Bestreben,  daß  möglichst  viele 
Leute  veranlaßt  werden,  in  richtiger  Weise  möglichst  viel  tadellose  Obst- 
gärten anzulegen  und  zu  halten,  daß  möglichst  viele  Quadratmeter  Wand- 
flächen mit  Obstspalieren  bekleidet  werden. 

Bisher  bevorzugte  man  Zierbäume  und  -sträucher,  Waldbäume,  Efeu 
und  Kletterrosen,  jetzt  sollen  die  Obstbäume  und  Beerensträucher  wieder 
in  allen  Formen  und  Arten,  als  Pyramiden  und  Spaliere  mehr  beachtet 
werden.  Die  Baumschulen  liefern  Obstbäume,  die  in  Form,  Wuchs  und 
Kronenbildung,  in  Hinsicht  auf  Schlankheit,  Eleganz  den  reinen  Zier- 
bäumen mindestens  gleichwertig,  ja  vielfach  überlegen  erscheinen;  der 
Blütenreichtum  der  Obstbäume  übertrifft  meist  die  Blütenschönheit  der 
Zierbäume,  dann  kommt  im  Sommer  das  saftige  Grün  der  meisten  Obst- 
bäume, während  im  Herbst  der  herrliche  Anblick  der  reifenden  Früchte 
des  Menschen  Auge  erfreut.  Doch  nicht  bloß  das  Auge,  auch  der  Gaumen 
kommt  zu  seinem  Recht  und  mit  dem  Gaumen  auch  der  Stolz  der  Haus- 
frau, daß  sie  in  der  Lage  ist,  ihrer  Familie,  ihren  Gästen,  ihren  Freun- 
dinnen köstliche  Früchte,  auserlesenes  Eigengewächs  vorsetzen  zu  können. 
Aber  nicht  nur  der  Genuß  des  Obstes  ist  gesund,  es  ist'  dies  auch  die 
Pflege  des  Obstes,  die  Bewegung  und  Hantierung  in  freier  Luft  stärkt 
und  kräftigt  uns,  während  die  Entwickelung  der  Früchte  uns  auch  geistig 
anzuregen  im  stände  ist.  Es  ist  also  sehr  begreiflich,  warum  der  Obst- 
bau am  eigenen  Haus,  im  eigenen  Garten  eine  so  große  und  immer 
größere  Rolle  spielt,  so  daß  bereits  ein  geflügeltes  Wort  entstand:  „Die 
Zukunft  der  Kunst-  und  Landschaftsgärtnerei  liegt  auf  dem 
Gebiete  des  Obstbaues".  Durch  den  Liebhaberbau  wird  aber  ferner 
die  Verbreitung,  Ausdehnung  und  Verbesserung  des  Obstbaues  mächtig 
angeregt  und  gefördert  und  diese  Ausdehnung  ist  um  so  notwendiger,  da 
wir  jährlich  für  über  100  Millionen  Mark  Obst  einführen  müssen,  obwohl  der 
Durchschnittsdeutsche  nur  17  Pfd.  im  Jahre  genießt,  was  ungemein  wenig 
ist  im  Vergleich  zum  Fleisch  (154  Pfd.)  und  zu  250  1  Bier.  Aus  Gesund- 
heitsrücksichten sollte  nach  ärztlichem  Rat  das  Zehnfache  des  jetzigen 
Obstgenusses  dem  Körper  zugeführt  werden,  dann  gäbe  es  nicht  so  viele 
Magen-  und  Darmkrankheiten,  Verdauungs-  und  Stofiwechselbeschwerden, 
Gicht,  Rheumatismus  und  Podagra  usw.  Wo  von  Jugend  auf  viel  Obst 
gegessen  wird,  da  ist  dem  Teufel  Alkohol  keine  Heimstätte  bereitet  und  die 
Zigarettenleidenschaft,  jene  nervenzerrUttende  Begierde,  kommt  nicht  auf. 


119 


DER  STÄDTEBAU 


Wie  aber  der  Baumeister  die  Wohnstätten  mit  Licht  und  Luft  ver- 
sehen soll,  BO  soll  er  auch  auf  den  Obstgenuß  verweisen,  den  ObstgenuB 
erleichtem  dadurch,  daß  im  Garten  die  Obstbäume  und  Beerensträucher 
vorherrschen  und  daß  er  die  Mauern  und  Wände  —  und  zwar  alle  —  mit 
Obstspalieren  bekleidet.  Es  eignen  sich  für  die  Südseite  frühreife  Reben, 
Pfirsiche,  Tafelbimen,  weiße  Kalvillen,  für  die  Ostseite  Äpfel,  für  die  West- 
seite Birnen,  für  die  Nordseite  die  Schattenmorelle.  Man  wähle  aber  keine 
gewöhnlichen  Sorten,  sondern  feine  auserlesene.  Die  beste  Auskunft  er- 
teilen kostenlos  die  ^Vanderlehre^  für  Obstbau,  die  Bezirksbaumwarte  usw. 

Die  Kunst-  und  Landschaftsgärtner  sollten  aber  die  Bauleiter,  die 
Herren  vom  Baufach,  in  diesem  Tun  unterstützen,  denn  wenn  der  ein- 
zelne Baum  schön  ist,  so  läßt  sich  auch  eine  schöne  Cesamtwirkung 
erzielen,  zumal  bei  der  Vielseitigkeit  der  Obstarten  und  -Sorten.    Es  wird 


in  Zukunft  aber  notwendig  sein,  daß  der  Architekt  und  Ingenieur  des 
Bauwesens  den  Obstbau  und  die  Spalierzucht  nach  der  dekorativen  Seite 
hin  kennen  lernt;  er  muß  die  Vielseitigkeit  ihrer  Anwendung  erfahren, 
was  durch  einige  Lichtbilder-Vorträge  leicht  zu  erzielen  ist.  Diese  Vor- 
träge sollten  auf  den  Technischen  Hochschulen  und  in  den  Fachvereinen 
gehalten  werden.  Die  verschiedenen  Arten  des  Gärtnerberufes  aber  müssen 
eine  eingehende  und  genaue  Kenntnis  des  Obstbaues  erhalten,  welche  sich 
insbesondere  auf  die  praktische  Ausübung  und  Anwendung  des  Obstbaues 
zu  beziehen  hat.  Die  Vorliebe  für  Obstbau  und  Spalierzucht  wird  nicht 
vorübergehender  Natur  sein,  sondern  sie  wird  bleiben,  sie  wird  vielmehr 
sich  noch  weiter  ausdehnen  und  vertiefen.  Dieser  neuen  Richtung  muß 
in  den  Kreisen  der  Architekten  und  Ingenieure,  wie  in  den  Kreisen  der 
Gärtner  und  Gartenkünstler  Rechnung  getragen  werden. 


CHRONIK. 


LEHRGANG  ÜBER  FRAGEN  DES  NEUZEITLICHEN 
•*  STÄDTEBAUES  AN  DER  TECHNISCHEN  HOCH- 
SCHULE DRESDEN.  Vom  7.  bis  19.  Oktober  dieses  Jahres  ver- 
anstaltet das  Seminar  für  Städtebau  an  der  Technischen  Hochschule 
Dresden  einen  Lehrgang  über  Fragen  des  neuzeitlichen  Städtebaues,  der 
in  Vorträgen  von  Dozenten  der  Hochschule,  daran  sich  anschließenden 
Besprechungen  und  in  der  Besichtigung  mustergültiger  Anlagen  und 
Einrichtungen  bestehen  wird.  Der  Lehrgang  will  Technikern  und  Ver- 
waltungsbeamten,  die  entweder  selbst  in  der  Gemeindeverwaltung  stehen 
oder  zu  ihr  Beziehungen  haben,  Gelegenheit  geben,  sich  mit  einer  Reihe 
von  wichtigen  Aufgaben  des  modernen  Städtebaues  näher  bekannt  zu 
machen.     Sein  Programm  ist  im  einzelnen  folgendes: 

Montag,  7.  Oktober,  vormittags  9  Uhr:    Vortrag  über  Gemeindeverbände 
von   Prof.  Dr.  phil.  Fr.  Schäfer,   Direktor   des   Statistischen   Amtes 
der  Stadt  Dresden;    nachmittags  4  Uhr:   Vortrag  über  Wohnungs- 
politik von  Geheimrat  Prof.  Dr.  jur.  et  phil.  R.  Wuttke. 
Dienstag,  8.  Oktober,   vormittags  9  Uhr:    Vortrag  über  Eingemeindungs- 
fragen  von    Prof.  Dr.  Schäfer;    nachmittags    4  Uhr:    Vortrag    über 
gemeinschaftliche  ^Vasserwerke  für  mehrere  Ortschaften  (Gruppen- 
wasserversorgung)   von    dem   Direktor  des   Städtebauseminars  Ge- 
heimrat Prof.  Ewald  Genzmer,    Stadtbaurat  a.  D.,    in  Verbindung 
mit    Geheimrat    Prof.    Dr.  med.    F.  Renk,    Präsident    des    Landes- 
Gesundheitsamtes. 
Mittwoch,  g.  Oktober,  vormittags  9  Uhr:  Vortrag  über  Ansiedelungspolitik 
von  Prof.  Dr.  Wuttke;  nachmittags  Dampferfahrt  zur  Besichtigung 
der  Dresdener  \Vasserwerke    in   Hosterwitz    und   Tolkewitz,    sowie 
des  Krematoriums;  abends  9  Uhr  zwanglose  Besprechung. 
Donnerstag,     10.  Oktober,    vormittags    9    Uhr:     Vortrag     über    verkehrs- 
technische Fragen    beim  Bebauungsplan    von    Geheimrat   Prof.  Dr. 
Dr.-Ing..C.  Gurlitt;    nachmittags   4  Uhr:    Vortrag  über  die  Durch- 
bUdung  der  Straßen   im  Bebauungsplan  von  Prof.  Genzmer. 
Freitag,    11.  Oktober,    vormittags  9  Uhr:    Vortrag    über    die  Bekämpfung 
des   Straßenstaubes   von   Privatdozent  Dr.-Ing.  Fz.  Niedner,    Stadt- 
baumeister; nachmittags  4  Uhr:  Vortrag  über  die  Eigentumsgrenzen 
im  Bebauungsplan  von  Prof.  Genzmer. 
Sonnabend,    12.  Oktober,   vormittags  g  Uhr:    Vortrag  über  die  Kunst  im 
Bebauungsplan    von   Prof.  Gurlitt;    nachmittags   Besichtigung    der 
Gartenstadt  Helleran. 
Montag,    14.  Oktober,    vormittags  9  Uhr:    Vortrag   über  Erbbaurecht  und 
und    andere  Wege   zu    gleichem  Ziel   von  Prof.  Dr.  jur.  A.  Esche; 
nachmittags    4    Uhr:     Vortrag    über    Ausnahmebewilligungen    von 
Bauvorschriften  von  Baurat  Prof.  K.  Diestel. 
Dienstag,    15.  Oktober,    vormittags   9  Uhr:    Vortrag    über   Denkmalpflege 
und    Heimatschutz    von    Prof.  Dr.  R.  Brück;    nachmittags    4  Uhr: 
Vortrag  über   neuere  Erfahrungen   auf  dem  Gebiet   der  Abwässer- 
reinigung  von   Prof.  Genzmer;    abends   9  Uhr:    Besprechung   aus- 
geführter Bebauungspläne  durch  die  Professoren  Diestel,  Genzmer, 
Gurlitt. 


Mittwoch,  16.  Oktober:  Dampferfahrt  nach  Meißen  mit  Besichtigung  des 
Dresdener  Schlachthofes  und  der  Dresdener  Abwässerkläranlage 
zu  Kaditz. 

Donnerstag,  17.  Oktober,  vormittags  9  Uhr:  Vortrag  über  Anpassung  der 
Straßendecke  an  die  neuzeitlichen  Verkehrsmittel  (Straßenbahnen, 
Automobile)  von  Geheimrat  Prof.  G.  Lucas;  nachmittags  4  Uhr: 
Vortrag  über  die  Beziehungen  zwischen  Bebauungsplan  und  Bau- 
ordnung von  Prof.  Diestel;  abends  9  Uhr:  Besprechung  ausgeführter 
Bebauungspläne  durch  die  Professoren  Diestel,  Genzmer  und 
Gurlitt. 

Freitag,  18.  Oktober,  vormittags  9  Uhr:  Besprechung  ausgeführter  Be- 
bauungspläne durch  die  Professoren  Diestel,  Genzmer  und  Gurlitt; 
nachmittags  Besichtigung  der  Posadowsky-Häuser,  der  Desinfektions- 
anstalt und  der  Kadaververnichtungsanstalt. 

Sonnabend,    19.  Oktober,    vormittags   g   Uhr:    Besprechung    ausgeführter 

Bebauungspläne  durch  die  Professoren  Diestel,  Genzmer  und  Gurlitt; 

nachmittags  Besichtigung   des   neuen  Rathauses    und   im  Anschluß 

daran  gemeinsames  Essen  im  Ratskeller. 

Die   sämtlichen  Vorträge   werden   so    eingerichtet,    daß   sie  auch  für 

Nichttechniker  verständlich  sind. 

Die   Anmeldungen    zur   Teilnahme   an   dem    Lehrgang    sind    an   die 

Direktion  des  Städtebauseminars  (Technische  Hochschule,  Zimmer  No.  47, 

Dresden-Altstadt,  Bismarckplatz  18)   zu  richten.     Die  Gebühr   beträgt   für 

jeden  Teilnehmer  50  Mk. 

PEINIGE   ANGABEN    ÜBER    DIE    GARTENVORSTADT 

■^■^  IN  BRITZ.  Die  Kleinhaussiedelung  der  Baugenossenschaft  „Ideal" 
in  Neukölln  stellt  eine  erste  Verwirklichung  des  Siedelungsgedankens 
Eberstadt-Goecke,  Kuczynski-Lehweß,  nämlich  Verbindung  höherer  Rand- 
bebauung mit  Kleinhausbebauung  im  Innern  des  Blockes  dar.  Sie  liegt 
auf  verhältnismäßig  teurem  großstädtischen  Boden  zu  260  Mk.  die  D  Rute 
netto.  Für  die  endgültige  Bebauung  sind  120  Wohnungen  im  Geschoß- 
haus (Randbebauung;  Erdgeschoß  und  zwei  Stockwerke),  30  ^Vohnungen 
im  Zwei-  und  4  Wohnungen  im  Vierfamilienhaus  (Erdgeschoß  und  ein 
Stockwerk)  und  382  Wohnungen  im  Einfamilienreihenhaus  geplant.  Der 
erste  Block,  der  am  i.  Oktober  bezogen  wird,  enthält  50  'Wohnungen  im 
Einfamilienhaus  und  33  Wohnungen  im  Geschoßhaus  und  4  Wohnungen 
im  Vierfamilienhaus  und  7  Läden.  Die  Miete  für  die  kleinste  Wohnung 
im  Einfamilienhaus  beträgt  40  Mk.  im  Monat  für  Küche,  kleines  Zimmer, 
großes  Zimmer,  Badezimmer,  Kammer,  eigene  Waschküche,  Bodenraum, 
Keller  und  50  qm  Garten.  Die  Wohnungen  des  ersten  Blockes  sind  bereits 
vermietet.  Die  Genossenschaft  genießt  keinerlei  gemeinnützige  Unter- 
stützung, sondern  zahlt  bereits  für  die  erste  Hypothek  4';2"(i  Zinsen. 


Die  Unterlagen  aller  zur  Ausschreibung  gelangenden  Wettbewerbe 
können  in  den  Geschäftsräumen  des  Verlags  Ernst  Wasmuth  A.-G., 
Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35,  wochentäglich  in  den  Stunden  von 
10 — 4  Uhr  unentgeltlich  eingesehen  werden. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W^.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,   Berlin  W.  66.  —   Gedruckt  bei  Herros^  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W. 


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9.  Jahrgang 


1912 


11.  Heft 


*  * 


STÄDTEBAU. 


305 


FÜR  DiE-  KÜNSTLQZiSaiEAU5t3KT-Ab 
TUNQ  DER  STÄDTE  •  flACtt-  IMROSWIRT 
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NEBST  EINER  SONDERBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  ** 


INHALTSVERZEICHNIS:     Der  Wettbewerb    zur   Ausgestaltung    des   neuen   Bahnhofsplatzes    in    Karlsruhe    in  Baden.     Von  Theodor  Goecke,    Berlin.  — 

Normalgrundrisse  für  Mietshäuser.    Von  AI.  Bohrer,  Stadtbaurat  in  Aachen.    (Schluß.)  —  Städtebaufragen   in  Karlsruhe  in  Baden.    Von  Theodor  Goecke, 

Berlin.   —   Die  Grundlagen  unseres  Städtebaues  in  neuer  Beleuchtung.     Von  AValter  Lehweß,  Berlin.  —  Mitteilungen.  —  Chronik. 


Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


DER  WETTBEWERB  ZUR  AUSGESTALTUNG 
DES  NEUEN  BAHNHOFPLATZES 
IN  KARLSRUHE  IN  BADEN. 


Von  THEODOR  GOECKE,   Berlin. 


Das  Programm  sagte  kurzweg: 

Um  die  Umgebung  des  neuen  Bahnhofs  in  Karlsruhe 
möglichst  zweckmäßig  und  schön  zu  gestalten,  sind  die 
Großherzoglich  Badische  Eisenbahnverwaltung  und  die 
Stadt  Karlsruhe  übereingekommen,  gemeinsam  einen  Ent- 
wurf zu  beschaffen,  und  zwar  im  Wettbewerbe  Karlsruher 
Architekten  und  Ingenieure. 

Es  sind  die  Bau-  und  Straßenfluchten  des  Bahnhof- 
vorplatzes und  des  anstoßenden  Baugebiets,  dessen  Grenzen 
in  dem  beigefügten  Lageplan  (vgl.  Abb.  a  Tafel  62)  eingetragen 
sind,  anzugeben;  dabei  ist  davon  auszugehen,  daß  der  Platz 
ungefähr  die  Ausdehnung  und  Gestalt  erhalten  soll,  wie  sie 
in  dem  Lageplan  angegeben  sind;  Änderungen,  die  verkehrs- 
technisch einwandfrei  und  in  wirtschaftlicher  Hinsicht  nicht 
wesentlich  ungünstiger  wirken,  sind  zulässig.  In  den  Bau- 
fluchtenplan sind  auch  die  Fahrbahnen,  Gehwege,  die  Linien, 
Haltestellen  und  etwaige  Warteräume  der  elektrischen  Straßen- 
bahn, Droschkenhalteplätze  und  die  sonstige  Ausstattung  des 
Platzes  einzutragen.  Es  sind  Fassadenentwürfe  für  sämtliche 
an  dem  Platze  und  an  den  in  dem  Lageplan  mit  A— B  und 
C— D  bezeichneten  Straßenstrecken  zu  errichtenden  Bauten 
aufzustellen.     Es    ist   ein  Eingang  in   den  ^Stadtgarten  von 


der  Bahnhofseite  aus  vorzusehen.  Auf  eine  harmonische 
Gesamtwirkung  des  Platz-  und  Straßenbildes  mit  Be- 
rücksichtigung des  bereits  erstellten  Aufnahmegebäudes 
und  des  in  Ausführung  begriffenen  Postgebäudes  sowie  auf 
einen  günstigen  Abschluß  der  Südseite  des  Stadtgartens 
wird  ausschlaggebender  Wert  gelegt. 

Dazu  werden  zwei  Schaubilder  verlangt  von  den  in 
Augenhöhe  gelegenen  Punkten  x  und  y  des  Lageplans  nach 
einem  Maßstab  1  :  100.  Die  entsprechenden  Bildebenen  sind 
durch  die  Kanten  Kx  und  Ky  zu  legen. 

Wie  bekannt,  waren  32  Entwürfe  eingegangen,  darunter 
ein  unvollständiger;  außer  W^ettbewerb  hatte  die  General- 
direktion der  Staatseisenbahn  ein  Modell  nebst  Erläute- 
rungen zu  einer  Studie  dem  Preisgerichte  zur  Verfügung 
gestellt.  Diese  Studie  geht  von  dem  Gedanken  aus,  das 
neue  Aufnahmegebäude  der  Eisenbahn  zum  Mittelpunkt 
einer  symmetrischen  Platzanlage  zu  machen,  dessen  Breite 
mit  50  m  bei  einer  Länge  von  223  m  als  ausreichend  zu 
erachten  sei.  Die  Beschränkung  der  Breite  auf  50  m  würde 
es  nämlich  ermöglichen,  auf  [einem  dem  Stadtgarten  vor- 
gelagerten Zwickel  noch  einen  Baublock  zu  gewinnen,  um 
die  Platzanlage   allseitig  durch  Bebauung  zu  umschließen. 


121 


DER  STÄDTEBAU 


Offenbar  hat  dieser  Grundgedanke  seinerzeit  schon  zur 
Auswahl  des  Bauplatzes  für  das  inzwischen  entstandene 
Aufnahmegebäude  geführt  und  damit  eine  Schwierigkeit 
geschaffen,  an  der  viele  Wettbewerbsentwürfe  ge- 
scheitert sind. 

Denn  die  tatsächhch  gegebenen  Verhältnisse  sind  eben 
andere,  eine  symmetrisch  geschlossene  Platzanlage  fast 
ausschließende.  Im  Nordosten  erhebt  sich  der  Lauterberg 
38  m  über  den  Stadtgarten;  selbst  eine  viergeschossige 
Bebauung  davorgesetzt,  ließe  ihn  also  für  den  auf  dem 
Platze  Stehenden  nicht  verschwinden.  Demnach  muß  eine 
etwaige  Bebauung  an  dieser  Stelle  in  Harmonie  zu  ihm 
gesetzt,  d.  h.  unter  Umständen  eine  niedrigere  werden  als 
sonst  am  Platzrande.  Es  Ist  aber  auch  nicht  einzusehen, 
warum  der  Stadtgarten  [vom  Platze  abgeschnitten,  der 
landschaftlichej  Hintergrund  zur  Platzgestaltung  nicht  mit- 
benutzt werden  soll.  Es  scheint,  als  ob  die  Eisenbahn- 
direktion 'sowohl,  als  auch  mancher  der  am  Wettbewerb 
Beteiligten,  selbst  Preisgekrönte  den  Begriff  der  Platz- 
geschlossenheit zu  eng  gefaßt  haben.  Auf  Raumgestaltung 
kommt  es  an  und  auf  die  Mittel  zur  Raumgestaltung,  die 
nicht  nur  von  der  Architektur  geboten  werden.  Auch  der 
Gärtner  gestaltet  Räume,  und  der  Gartenplatz  ist  eine  der 
modernen  Städtebaukunst  sonderlich  eigene  Schöpfung.  Es 
wäre  drum  nicht  zu  verstehen,  wenn  der  Stadtgarten  aus  der 
Platzanlage  ausgeschaltet  werden  sollte.  Schon  Professor 
Dr.  Brinckmann  hat  in  seinem  Buche  „Platz  und  Monument" 
auf  die  Einbeziehung  der  Landschaft  in  die  Barockplätze 
hingewiesen.  Das  Programm  des  Wettbewerbes  endlich 
hat  ausdrücklich  einen  günstigen  Abschluß  der  Südseite 
des  Stadtgartens  gefordert,  einen  Abschluß,  keine  Ver- 
deckung  der  Stadtgarten  sollte  mit  in  die  Erscheinung 
treten. 

Freilich  muß  dann  auf  strenge  Symmetrie  und  gleich- 
mäßig geschlossene  Umbauung  verzichtet  werden.  Für 
eine  mehr  oder  weniger  unsymmetrische  Gestaltung  war 
aber  der  als  Unterlage  gegebene  Lageplan  etwas  zu  eng  be- 
grenzt, so  daß  die  Bearbeiter  in  bezug  auf  die  Verbindung 
des  Platzes  mit  der  Stadt,  die  Einführung  des  Verkehrs  in 
den  Platz,  die  Durchbrechung  der  Platz  Wandungen  mit 
Straßen  nicht  weit  genug  ausholen  konnten.  Trotz  alledem 
sind  treffliche  Lösungen  erzielt  worden,  von  denen  wir 
leider  nur  die  beiden  mit  je  einem  L  Preise  gleichmäßig 
bewerteten  Entwürfe  No.  6  „März"  (Hauptentwurf)  des 
Architekten  Oskar  Seemann  und  No.  27  „Residenz"  des 
Architekten  W.  Vittali  auf  Tafel  62  bis  65  bringen  können. 

Von  ersterem  sagt  das  Preisgericht:  „In  dem  Entwurf 
tritt  dem  Beschauer  ein  bedeutungsvolles  starkes  künst- 
lerisches Wollen  und  Können  entgegen.  Die  von  der 
Natur  gegebene  Unsymmetrie  der  Umgebung  ist  durch 
eine  lebhafte  Gliederung  des  Platzgrundrisses  mit  gutem 
Geschick  zu  lösen  versucht.  Dasselbe  trifft  auf  die 
Architektur  zu,  wenn  auch  die  Massenentwicklung  der 
Fronten  gegenüber  dem  Aufnahmegebäude  zu  mäßigen 
wäre";  und  von  letzterem:  „Der  Entwurf  zeichnet  sich 
durch  äußerste  Einfachheit  und  Klarheit  aus.  Die  den 
Platz  rings  umgebenden  Kolonnaden  mit  Terrassenbildung 
sichern  dem  Platzraum  eine  vornehme  Ruhe  und  bieten 
das  Mittel  zu  wirkungsvollster  Dekoration  bei  festlichen 
Empfängen.  Auch  die  Beziehungen  des  Platzes  zum  Stadt- 
garten haben  in  diesem  Entwurf  die  beste  Berücksichtigung 
gefunden." 


Hierin  sind  die  beiden  Hauptmöglichkeiten  zur  Lösung 
gegeben,  in  dem  einen  die  dem  verschiedenartigen  Aufbau 
des  Platzrandes  entsprechende  Dreiteilung  des  Platzes  in 
einen  Tiefenplatz  als  Vorplatz  zum  Stadtgarten,  in  einen 
symmetrisch  vor  dem  Aufnahmegebäude  ausgestalteten 
Querplatz  als  Hauptplatz  und  in  einen  die  drei  Verkehrs- 
richtungen vermittelnden  Viereckplatz  als  Verkehrsplatz  — 
in  dem  anderen  ein  ungeteilter  langgestreckter  Platz,  doch 
mit  wechselnder  Umrahmung  im  Aufbau  und  in  den  Flucht- 
linien. Die  mit  dem  III.  und  IV.  Preise  ausgezeichneten 
Entwürfe  No.  3  „Doris"  der  Architekten  Curjel  und  Moser 
und  No.  10  „Residenzeingang"  des  Großherzoglichen  Ober- 
bauinspektors Weinbrenner,  eines  Enkels  des  seinerzeit  um 
das  Städtebild  von  Karlsruhe  hochverdienten  Architekten, 
hat  das  Preisgericht  wie  folgt  beurteilt:  „Der  Entwurf 
zeigt  eine  ruhige,  natürliche  Ausbildung  der  Platzumwandung 
und  betont  die  Beziehung  des  Platzes  zum  Stadtgarten  in 
befriedigender  Weise.  Zu  loben  ist  auch  der  Gedanke  der 
Schutzhalle  im  Anschluß  an  diesen  zweiten  Ausgang.  Ferner 
der  breite  westliche  Abschluß  des  Platzes;  die  Anlage  des 
Albtalbahnhofes  enthält  ebenfalls  einen  sehr  guten  Gedanken, 
der  aber  leider  wegen  der  zu  kurzen  Gleiskrümmung  am 
Tunnel  nicht  ausführbar  sein  wird"  bzw.  „Lobend  anzu- 
erkennen ist  der  Versuch,  den  Straßenbahnverkehr  von 
dem  übrigen  Verkehr  in  den  Zugangsstraßen  zum  Bahn- 
hofsplatz zu  trennen.  Ferner  erfreut  innerhalb  der  durch- 
w^eg  würdigen  Architektur  der  stattliche  Eingang  in  die 
dem  Bahnhofportal  gegenüber  mündende  Straße.  Die 
Öffnung  zum  Stadtgarten  läßt  dagegen  unbefriedigt,  um  so 
mehr,  als  es  aus  Verkehrsrücksichten  unwahrscheinlich 
sein  dürfte,  daß  die  hier  wie  auf  der  anderen  Seite  entworfenen 
Kolonnaden  zur  Ausführung  kommen  werden." 

Wie  stark  die  Verkehrsfragen  in  die  Platzgestaltung 
hineinspielen,  geht  auch  aus  der  Beurteilung  des  zum  An- 
kauf empfohlenen  Entwurfes  No.  1  „mit  dem  Kennzeichen 
einer  Lokomotive"  hervor,  von  dem  das  Urteil  sagte:  „Eine 
sehr  reizvolle  Arbeit,  welche  namentlich  die  Forderung 
des  Programms,  daß  die  Begrenzung  des  Stadtgartens  in 
gute  Beziehung  zu  dem  Bahnhofsplatz  gebracht  werden 
solle,  in  sehr  glücklicher  Weise  erfüllt.  Ferner  enthält  der 
Entwurf  die  anerkennenswerte  Anregung,  in  dem  zwischen 
Stadtgarten  und  Beiertheimer  Wäldchen  belegenen  Bau- 
gebiet eine  Verkehrsstraße  in  die  Mitte  zu  legen,  um  die 
beiden  Randstraßen  als  bevorzugte  W^ohnstraßen  auftreten 
zu  lassen.  Befriedigen  konnte  nicht  der  Charakter  der 
Architektur,  der  nach  Ansicht  der  Preisrichter  den  An- 
forderungen der  Repräsentation  der  Residenzstadt  nicht 
genügt  und  einen  zu  kleinbürgerlichen  Eindruck  hervor- 
ruft." Der  Entwurf  No.  2  „Tradition"  endlich  hat  folgendes 
Zeugnis  erhalten:  „Die  Stärke  des  Entwurfs  liegt  in  seiner 
ruhigen  und  vornehmen  Architektur  der  Fassaden,  die 
im  allgemeinen  befriedigt.  Fühlbar  ist  der  Mangel  einer 
ausreichenden  Durchbildung  der  Beziehung  zwischen  Platz 
und  Stadtgarten."  Von  den  übrigen  Entwürfen  boten 
noch  No.  7  „Stadttor",  8  „Ostereier  (I)",  11  mit  dem  Kenn- 
zeichen X  und  18  „Im  Einklang"  bemerkenswerte  Einzel- 
heiten. 

Im  ganzen  dürfen  Staat  und  Stadt  mit  dem  Ausgange 
des  Wettbewerbes  wohl  zufrieden  sein,  wenn  auch  damit 
noch  keine  endgültige  Lösung  gefunden  ist.  Aber  die  Situa- 
tion, um  ein  in  diesem  Falle  unübersetzbares  Wort  zu 
gebrauchen,  erscheint  nach  jeder  Richtung  hin  geklärt! 


122 


DER  STÄDTEBAU 


NORMALGRUNDRISSE  FÜR  MIETSHÄUSER. 

Veranlassung  und  Ergebnis  einer  Rundfrage  der  Stadt  Aachen. 

EIN  BEITRAG  ZUR  BAUORDNUNGS-  UND  W^OHNUNGSFRAGE. 
Von  AL.  BOHRER,  Stadtbaurat  in  Aachen.     (Schluß.) 


Über  die  zur  Darstellung  gebrachten  Pläne  wird  im 
allgemeinen  folgendes  bemerkt: 

Die  verschiedenen  Grundrisse  kennzeichnen  sich  zu- 
nächst durch  Zimmer-  und  Wohnungszahl,  sowie  durch 
Zahl,  Anordnung  und  Einrichtung  der  Nebenräume,  zu  denen 
zu  zählen  sind:  Treppenhaus,  Vorraum,  Flur,  Garderobe, 
Klosett,  Baderaum,  Mädchenkammer,  Küchenspind,  Besen- 
spind und  Balkon.  Ferner  sind  folgende  Unterscheidungs- 
male zu  finden:  Es  gibt  Pläne  für  eingebaute  und  freistehende 
Häuser,  für  solche  mit  und  ohne  Anbau,  mit  und  ohne  Licht- 
schacht, Lichthof  oder  Lichtgasse.  Bald  hat  das  Treppen- 
haus Podestfenster,  bald  hat  es  Oberlicht. 

Aus  der  Anzahl  der  Kennzeichen  ergibt  sich  ohne  weiteres 
eine  außerordentliche  Mannigfaltigkeit  der  Planbildungen; 
um  so  erstaunlicher  ist  es,  wie  wenig  manche  Gegenden  an 
dieser  Mannigfaltigkeit  teilhaben.  Der  Grund  liegt  darin, 
daß  die  verschiedenartigen  polizeilichen  Bestimmungen  eine 
Menge  der  Lösungen  ausschließen,  daß  Bedürfnis,  Wohnsitte 
und  Wirtschaftlichkeit  eine  strenge  Auslese  halten  und  daß 
endlich  die  auf  Unkenntnis  beruhende  Unbeweglichkeit  von 
Bauherren  und  Unternehmern  sich  Neuerungen  widersetzt. 
Bei  dem  einfachsten  Miethause  erscheinen  drei  bis  sechs 
Räume  in  einem  Geschoß,  die  an  eine  oder  auch  an  mehrere 
Parteien  vermietet  werden  können. 
Klosett  und  Zapfhahn  sind  auf  dem 
Treppenpodest  angebracht  (Fig.  1).  Die 
Häuser  sind  7 — 11  m  breit  und  besitzen, 
je  nach  der  Grundstückstiefe,  einen 
Anbau  (Fig.  2).  Diese  Grundrisse 
weisen  keine  Wohnungen  auf,  die  den 
heute  von  den  Wohnungsreformern 
gewöhnlich  gestellten  Anforderungen 
entsprechen.  Sie  sind  nicht  abge- 
schlossen, sie  haben  keine  eigenen 
Bequemlichkeiten.  Es  ist  aber  nicht  zu  verkennen,  daß 
sie  die  Eigenschaften  eines  guten  Typs  haben.  Sie  sind 
einfach  und  klar  und  bieten  trotz  der  bestimmten  Betonung 
des  wirtschaftlichen  Standpunktes  keinen  Anlaß  zur  Be- 
anstandung aus  Gründen  der  Sicherheit  und  der  Gesundheit. 
Im  allgemeinen  wird  heute  erst  eine  abgeschlossene  Wohnung 
von  drei  Räumen  mit  eigenem  Klosett  als  menschenwürdig 
bezeichnet,  und  Wohnungsgenossenschaften  stellen  in  der 
Regel  keine  geringeren  Wohnungen  her.  Es  ist  jedoch  zu 
bedenken,  daß  billigste  Ein-  und  Zweizimmerwohnungen 
für  unabsehbare  Zeit  ein  absolutes  Bedürfnis  sind.  10—15  "/„ 
aller  Wohnungen  sind  heute  in  deutschen  Großstädten  Ein- 
zimmer-,  25 — 35"  q  Zweizimmer -Wohnungen.  Wenn  man 
alle  Umstände  erwägt,  kann  es  auch  durchaus  nicht  als  das 
absolute  Ideal  angesehen  werden,  diese  billigen  W^ohnungen 
aus  dem  Markt  zu  drängen.  In  vielen  Fällen,  die  immer 
wiederkehren  werden,    solange   es   einzelstehende  Personen 


*%.! 

a_ 

Anm.:  Maßstab  der  Zeichnungen   i  :  400. 


und  Jungverheiratete  sparsame  Arbeiter  und  kleine  Beamte 
gibt,  wird  die  billigste  Einzimmerwohnung  aus  wirtschaft- 
lichen Gründen  oder  weil  das  richtig  abgewogene  Bedürfnis 
so  bescheiden  ist,  gesucht  werden.  Und  die  Billigkeit  dieser 
Ein-  und  Zweizimmerwohnungen  sollte  auch  den  Wohnungs- 
reformer veranlassen,  nicht  ohne  weiteres  den  Stab  darüber 
zu  brechen,  denn:  Wie  soll  sonst  der  Mittellose  das  Geld  zu- 
sammensparen, um  später,  wenn  Kinder  vorhanden  sind,  ein 
gewisses  W^ohnungsideal  verwirklichen  zu  können?    (Fig.  2.) 

Die  Räume  sind  bei  den  primitiven  Grundrissen,  die 
nach  Bedarf  Wohnungen  von  ein  bis  fünf  Zimmern  bieten, 
die  das  aus  den  verschiedensten  Gründen  notwendige  und 
auch  wünschenswerte  Untervermieten  gestatten,  sehr  hell 
und  luftig  und  nicht  klein.  Die  Lage  des  Klosetts  auf  dem 
Treppenpodest  wird  von  mancher  Seite  beanstandet.  Dem- 
gegenüber [muß  betont  werden,  daß  das  Klosett  innerhalb 
einer  echten  Kleinwohnung  immer  ein  gesundheitlicher  und 
ästhetischer^^  Übelstand  bleibt,  der  durch 
eine  kleine  Bequemlichkeit  nicht  auf- 
gewogen werden  kann.  Die  Feuersicher- 
heit dürfte  bei  nicht  mehr  als  zwei  Ober- 
geschossen als  befriedigend  anzusehen 
sein.  Vom  sozialen  Standpunkte  bieten 
die  Gebäude  den  weiteren  Vorteil,  daß 
sie  infolge  der  Billigkeit  ihrer  Herstellung 
auch  dem  weniger  Bemittelten  die  Mög- 
lichkeit geben,  Hausbesitzer  zu  werden. 
Da  der  kleine  Hausbesitzer  in  der  Regel 
in  seinem  Eigentume  wohnt,  wird  dabei 
auch  der  Mieter  auf  seine  Rechnung 
kommen,  indem  in  dem  Eigentümerhause 
stets  besser  geordnete  Verhältnisse  zu 
finden  sind,  wie  in  einem  Hause,  das 
von  draußen  verwaltet  wird. 

Sobald  Wohnräume  durch  Zapfhahn,  Klosett  und  den 
dadurch  notwendigen  Flur  zur  einfachsten  abgeschlossenen 
Wohnung  zusammengefaßt  werden,  treten  neben  die  Be- 
quemlichkeiten gewisse  Mängel,  die  die  primitiven  Wohnungen 
nicht  aufweisen.  Die  stetig  wirksame  Wirtschaftlichkeit 
verlangt  unerbittlich,  daß  dort,  wo  etwas  gegeben,  auch 
etwas  genommen  wird.  Die  einfachste  Form  dieses  Nehmens 
ist  natürlich  die  Erhebung  einer  höheren  Miete.  Da  diese 
oft  nicht  zur  Verfügung  steht,  suche  die  bedrängte  Wirt- 
schaftlichkeit sich  in  anderer  Weise  zu  helfen.  Die  Be- 
quemlichkeit wird  auf  Kosten  der  Zimmergröße  gewonnen, 
oder  es  wird  eine  größere  Zahl  von  Wohnungen  an  eine 
Treppe  gelegt,  wodurch  die  Sicherheit  und  die  Annehmlichkeit 
beeinträchtigt  wird.  Bei  Wohnungen  von  ein  und  zwei 
Zimmern  dürfte  jedenfalls  im  allgemeinen  die  Zweckmäßig- 
keit der  Anlage  eigener  Bequemlichkeiten  zweifelhaft  sein. 

In  Deutschland  hat  man  klar  ausgesprochene  Einzimmer- 
wohnungen nicht  hergestellt,  kaum  Zweizimmerwohnungen; 
wohl  aber  in  Österreich  und  in  der  Schweiz  (Fig.  3).    Hier 


cfiacfyn 


123 


DER  STÄDTEBAU 


liegen  denn  auch  nicht  drei  bis  fünf  Räume,  sondern  sieben 
bis"^wölf  Räume,'  mit  derselben  Wohndichtigkeit  in  dem 
einzelnen  Zimmer,  an  derselben  Treppe,  weil  sonst  die 
Kosten  der  Bequemlichkeiten  nicht  aufzubringen  wären. 

Die  ausgesprochene  Etagen- 
wohnung, die  Zimmer  und  Bequem- 
lichkeiten an  einem  besonderen, 
abgeschlossenen  Flur  vereinigt,  be- 
sitzt in  Deutschland,  von  Berlin  ab- 
gesehen, drei  Aufenthaltsräume.  Sie 
wird  in  annehmbarer  Form  nicht 
nur  von  gemeinnützigen  Gesell- 
schaften, sondern  auch  vielfach  von 
Unternehmern  hergestellt,  da  die 
Anlage  von  Nebenräumen  anfängt, 
rentabel  zu  werden  (Fig.  4).  Bei 
diesen  Wohnungen  ist  es  auch  schon 
angängig,  wegen  der  abnehmenden 
Wohndichtigkeit  die  Zimmer  zu- 
gunsten des  Zubehörs  etwas  zu 
verkleinern.  Der  Angriff  auf  die  Wirtschaftlichkeit  der 
Wohnungen  von  drei  Räumen  mit  Bequemlichkeiten  geht 
oft  von  der  Bauordnung  aus,  indem  die  Grundstücks- 
ausnutzung durch  Beschränkung  der  bebauungsfähigen 
Fläche  und  der  Geschoßzahl  oder  durch  Verbot  von  Anbauten 
vermindert  wird  (Fig.  5).  Alsdann  wehrt  sich  die  Wirt- 
schaftlichkeit    durch    Verschlechterung     der     Nebenräume 

bezüglich    der   Licht-    und   Luft- 
zuführung. Klosett,  Spind  und  Flur 
werden    ins    Innere    an    Schächte 
gelegt,  was  in  bezug  auf  Sicher- 
heit  und    Gesundheit    bei    vielge- 
schossigen  Bauten  seine  Bedenken 
hat.    Die  Treppe  erhält  Oberlicht, 
um  so  die  ganze  Möglichkeit  der 
unmittelbaren    Licht-    und    Luft- 
zuführung für  die  Aufenthaltsräume 
auszunutzen. 
Die     lehrreichste     Wohnung     ist     diejenige     von     vier 
Räumen;    sie    erscheint   in    den   vielfaltigsten  Formen   und 
zeigt  die  Kräfte,  die  bei  der  Entstehung  des  neueren  Wohn- 
hauses tätig  sind,   in   ihrer  Wechselwirkung    am   klarsten. 
Der  Grund  dafür  ist  darin  zu  suchen,  daß  alle  Bevölkerungs- 
schichten,  ob  reich,   ob   arm,    auf  dem  Lande  und   in  der 
Stadt,  unter  Umständen  der  Vierzimmerwohnung  bedürfen. 
Bei  dem  Studium    der  Pläne   sehen   wir, 
wie  Wohnungsbedürfnis,  Bauordnung  und 
Unternehmersinn    typische    Wohnungen 
jeder  Art  hat  entstehen  lassen,   hier  die 
einfache  Arbeiterwohnung  im  Kleinhaus 
oder    in    der  Mietkaserne    mit    wenigen 
Bequemlichkeiten,     dort     die     auf    das 
vollkommenste     ausgebaute     Großstadt- 
wohnung.   Die  gedrückteste  Vierzimmer- 
wohnung    besitzt     wohl    Bremen.      Es 
scheint,  daß  die  herrschende  Wohnsitte, 
die  vier  Räume  für  eine  Familie  in  einem 
Kleinhause  verlangte,  die  Form  wesentlich  bestimmt  hat.  Die 
Abneigung  gegen  die  Mietskaserne  und  der  zur  Verfügung 
stehende,  im  Verhältnis  zur  beanspruchten  Zimmerzahl  ge- 
ringe Mietpreis  zwang  den  Unternehmer,   die  Zimmergröße 
auf  das  äußerste,    bis   auf  7—12  qm,   zu   beschränken,   und 


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*9-7 


eine  weitere  Verbilligung  der  Wohnungen  darin  zu  suchen, 
daß  er  ein  fensterloses  Klosett  in  das  nur  mit  Oberlicht  ver- 
sehene, gegen  die  Wohnung  nicht  abgeschlossene  Treppen- 
haus setzte  (Fig.  6).    Der  außerordentliche  Vorteil,  der  durch 
die  große  Zimmerzahl  und  das  Zusammenleben  von   nicht 
mehr  als  zwei  Familien   in  einem  Hause  geboten  ist,    wird 
außerhalb  Bremens  nirgends  so  hoch  gewertet,  als  daß  die 
Bauordnungen  die  Nachteile  in  den  Kauf  nähmen.    Dieselben 
Bevölkerungsschichten  wohnen  daher  in  anderen  Städten  in 
zwei  und  drei  größeren  Zimmern  oder  zu  drei 
bis   acht  Familien   an   einem  Treppenhaus   in 
abgeschlossenen  Wohnungen   mit  mehr   oder 
weniger  unmittelbar  an  der  freien  Luft  liegen- 
den Klosetts.  Im  allgemeinen  sind  typische  Vier- 
zimmerwohnungen überhaupt    abgeschlossen. 
Sie  unterscheiden  sich  durch  Zahl  und  Anord- 
nung   der    Bequemlichkeiten.     Die    einfachste 
W^ohnung   zeigt   vier    Räume    an    einem    ab- 
geschlossenen Flur  mit   dem  Klosett  auf  dem 
Treppenpodest  (Fig.  7).     Die  besten  Typen  für 
Arbeiterwohnungen    liefert    das    rheinisch-westfälische    In- 
dustriegebiet, insbesondere  die  Stadt  Essen.     Die  günstigen 
Vorbedingungen  sind  gegeben  in  dem  von  altersher  üblichen 
Kleinhause,  in  der  weit  auseinander  gezogenen  Städteanlage 
mit   billigem  Baugrund,    in    dem   guten  Verdienst  der  Be- 
völkerung und  in  der  behördlichen  und  privaten  Wohnungs- 
fürsorge.   Wo  die  Bodenwerte  in  Rheinland  und  Westfalen 
besonders  hoch  sind,  kann  das  Kleinhaus 
sich    nicht    halten,    und    es   entsteht   das 
Mietshaus  mit  vier  bis  acht  Wohnungen 
an    einer   Treppe.     Die    Zimmer   werden 
zum  Teil  in  einem  Anbau  untergebracht, 
seltener  in  einem  Hinterhaus.     Das  An- 
bauhaus  leitet  seinen  Ursprung  aus  dem 
Dreifensterhaus     her,     das    zuerst    zum 
Einfamilienhaus    bestimmt    wrar,     später 
aber  bei  der  großen  Vermehrung  der  Be- 
völkerung an  verschiedene  Parteien  ver- 
mietet   und    dann    zu    dem    ausgesprochenen    Etagenhause 
fortgebildet  wurde.    An  Bequemlichkeiten  werden  höchstens 
geboten:  eigenes  Klosett,  Spind,  Vor- 
raum und  Balkon  (Fig.  8). 

Die  Anordnung  der  Bequemlich- 
keiten wird  wesentlich  bestimmt  durch 
die  Bauordnungen,  insbesondere 
durch  deren  Bestimmungen  über 
Treppenentlüftung  und  Belichtung 
und  über  Lichtschachte.  In  Köln  ist 
die  Anlage  von  Oberlichttreppen  und 
Lichtschächten  so  erschwert,  daß 
sie  bei  Kleinwohnungen  kaum  vor- 
kommen. In  Düsseldorf  sind  vor- 
treffliche Typen  mit  Lichtschacht  und 
Oberlichttreppe  entstanden.  In  Süd- 
deutschland scheint  die  Sitte  der 
offenenBauweise  und  die  Bauordnung 
die  Entstehung  von  Lichtschacht  und 

Oberlichttreppe  nicht  begünstigt  zu  haben.  Die  Nachteile 
dieser  Einrichtungen  sind  nicht  zu  verkennen,  weil  Feuer- 
und  Schallübertragung  dadurch  gefördert  werden;  aber  es 
fragt  sich,  ob  diese  Nachteile  nicht  überschätzt  worden  sind 
und  ob  es  nicht  richtiger  ist,   anstatt  durch  Bestimmungen 


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124 


DER  STÄDTEBAU 


die  Unterdrückung  herbeizuführen,  den  Versuch  der  Ver- 
ringerung zu  machen.  Man  wird  daran  nicht  vorbeikommen, 
wenn  man  nicht  die  weitere  Ausgestaltung  der  Kleinwohnung 
hemmen  will.  Die  strengen  deutschen  Bestimmungen  über 
Lichthöfe  können  für  teuere,  sogenannte  hochherrschaftliche 
Wohnungen  wirtschaftlich  überwunden  werden;  nicht  aber 
für  die  Arbeiterwohnungen. 

In  Deutschland  hat  sich  noch  nicht  so  sehr  das  Be- 
dürfnis nach  Vierzimmerwohnungen  mit  allen  denkbaren 
Bequemlichkeiten  herausgestellt,  kaum  in  Berlin.  In  viel 
höherem  Maße  anscheinend  in  Böhmen,  wo  in  Prag  und 
Brunn  wirklich  vollendete  Typen  sich  gebildet  haben.  Die 
Pläne  zeichnen  sich  aus  durch  eine  helle  und  geräumige 
Treppe  mit  Podestfenstern;  durch  große  Zimmer  und  durch 

weitgehendste  Ausnutzung 
des  Luftschachtes.  Hier  ist 
man  bezüglich  der  Licht- 
und  Luftversorgung  der 
Nebenräume  nicht  von  dem 
Standpunkt  der  deutschen 
Bauordnungen  „Alles  oder 
Nichts"  ausgegangen,  man 
scheint  vielmehr  folgendes 
erwogen  zu  haben.  „Zu 
einer  vollendeten  Wohnung 
gehört  Vorraum,  Kleider- 
ablage, Klosett,  Baderaum, 
Spinde,  Mädchenkammer 
Ä™"»  und     Balkon.     Auf    nichts 

darf  verzichtet  werden ; 
eher  muß  der  Anspruch  auf  Güte  der  Einzelheiten  ein- 
geschränkt werden."  Hierbei  berücksichtigte  man  auch, 
daß  die  Zuführung  des  Tageslichtes  zu  den  Nebenräumen 
bei  der  Verbreitung  des  elektrischen  Lichtes  nicht  mehr 
von  durchschlagender  Wichtigkeit  ist,  und  daß  enge  Schächte 
sogar  ohne  Ventilator  vorzüglich  die  Luft  absaugen.  Bei 
der  Durchführung  des  Wohnungsprogramms  ist  man  wohl 
dort  etwas  zu  weit  gegangen,  wo  Mädchenkammern  von 
dem  allerdings  sehr  geräumigen  Treppenhaus  mit  Luft  ver- 
sorgt sind  und  auf  die  unmittelbare  Lage  der  Kammer  an 
einer  Außenwand  verzichtet  ist  (Fig.  9).  Man  vergleiche 
die   böhmischen  Grundrisse,   deren  Einfluß   sich  auch  nach 

Sachsen   hin   geltend   macht, 
'       '  mit    dem    Nürnberger    Plan, 

der  die  Anordnung  der  Be- 
quemlichkeiten in  denkbar 
einfacher,  aber  unschöner 
und  kostspieligster  Form 
zeigt  (Fig.  10). 

Die  Nachteile  der  Licht- 
schächte und  Oberlicht- 
treppen werden  schon  bedeu- 
tend eingeschränkt,  sobald 
die  Geschoßzahl  vermindert  und  der  Wohnungsflur  nicht 
unmittelbar  an  einen  Lichtschacht  gelegt  wird.  Ein  falscher 
W^eg  ist  darin  zu  erblicken,  daß  die  Bauordnungen  willkür- 
liche Mindestmaße  für  jedes  Geschoß  festlegen.  Dadurch  tritt 
der  Lichthof  gegenüber  den  wesentlichen  Erfordernissen  der 
Wohnung  zu  sehr  in  den  Vordergrund.  Bei  einer  Planbildung 
müssen  die  notwendigen  Räume  zunächst  geschaffen  werden. 
Der  Lichtschacht  muß  sich  mit  seinen  Abmessungen  möglichst 
anpassen,  nicht  umgekehrt.    Wenn  schon  Mindestmaße  fest- 


inürn(S?rg 


gesetzt  werden  sollen,  dürfen  sie  nicht,  wie  vielfach  heute, 
willkürlich  sein,  sondern  sie  müssen  von  bestimmten  Grund- 
rissen ausgehen. 

Die  Luft-  und  Lichtzuführung  zur  Treppe  spielt  bei 
der  Plangestaltung  auch  eine  wesentliche  Rolle.  Es  ist 
richtig,  daß  eine  einwandfreie  Treppe  kaum  hoch  genug 
gewertet  werden  kann.  Aber  die  Anforderungen  an  die 
Treppe  gehen  doch  vielerorts  zu  weit.  Sie  gründen  sich 
auf  die  Bestimmungen  der  Berliner  Bauordnung,  die  damit 
zu  rechnen  hatte,  daß  zwölf  und  mehr  W^ohnungen  in 
fünf  Geschossen  an  eine  Treppe  gelegt  ^wurden.  Bei  der 
Verkehrsbedeutung  einer  solchen  Treppe  müßte  die  Sicherung 
noch  weiter  gehen  und  jede  unmittelbare  Verbindung  von 
Aufenthalts-  oder  Lagerräumen  mit  dem  Treppenhause  ver- 
boten werden.  Wo  aber  die  Verkehrs- 
bedeutung der  Treppe  zurücktritt  infolge  der 
Beschränkung  der  Zahl  der  Geschosse  und 
der  Wohnungen  auf  einer  Etage,  sollte  über- 
legt werden,  ob  nicht  bei  weniger  guter 
Treppenanlage  nicht  erhebliche  Vorteile  für 
die  eigentliche  Wohnung  erzielt  werden 
können  (Fig.  11).  In  dem  Treppenhause  wohnt 
man  doch  nicht.  Vielleicht  dürfte  es  vor- 
zuziehen sein,  in  einem  Hause  mit  nur  zwei 
Obergeschossen  und  nur  drei  bis  vier 
Wohnungen  die  Treppe  etwas  weniger  gut 
zu  beleuchten  und  zu  belüften,  wenn-  dafür 
der  Wohnungsflur  ein  Fenster  erhalten  kann 
oder  eine  wirtschaftlichere  und  glücklichere 
Gesamtanlage   der  Wohnung  zu  erzielen  ist. 

Die  vorstehenden  allgemeinen  Bemerkungen  mögen  zur 
Beleuchtung  des  gebrachten  Planmaterials,  das  im  übrigen 
für  sich  selbst  spricht,  genügen. 

Das  Material  ist  natürlich  bei  weitem  nicht  vollständig. 
Manche  Städte,  die  über  ausgesprochene  gute  Normalgrund- 
risse verfügen,  sind  nicht  vertreten.  Die  Pläne  nach  altem 
Berliner  Muster,  die  den  ganzen  Osten  beherrschen,  sind 
nicht  gebracht,  weil  sie  heute  als  überwunden  gelten  können. 
Auch  die  sogenannten  herrschaftlichen  Wohnungen  sind 
weniger  berücksichtigt.  Die  vorliegende  Veröffentlichung 
soll,  abgesehen  davon,  daß  sie  den  Städten,  die  Pläne  bei- 
gesteuert haben,  eine  Entschädigung  für  ihre  Mühe  gewährt, 
nur  die  Anregung  geben  zu  einem  vollkommenen,  vielleicht 
von  Reichs  oder  Staats  wegen  erscheinenden  Werk,  das 
die  am  Wohnungsbau  interessierte  Kreise,  Grundstücks- 
besitzer, Bauunternehmer  und  Wohnungsbedürftige,  über 
das  Beste  autoritativ  unterrichtet,  was  auf  dem  Gebiete 
geleistet  wird. 

Durch  ein  solches  Werk,  dem  weiteste  Verbreitung 
zu  geben  [wäre,  [könnte  die  Entstehung  guter  Wohnungen 
sicherer  'gefördert  werden  als  durch  ein  Wohnungsgesetz, 
das  uns  möglicherweise  wieder  mit  Mindestforderungen  be- 
glückt, die,  wie  wir  gesehen  haben,  eine  nicht  geringe  Schuld 
an  den  heutigen  schlechten  Wohnungsverhältnissen  tragen. 

W^enn  das  vielfach  erstrebte  Reichsgesetz  zur  Ver- 
besserung der  Wohnungen  kommen  soll,  so  dürfte  es  in  der 
Hauptsache  nur  dreierlei  bringen: 

1.  Die  gesetzliche  Sicherstellung  der  Herausgabe  des  oben 
angeregten  Werkes  über  Normalwohnungen,  das,  um 
Fortschritte  zu  ermöglichen,  wenigstens  alle  fünf 
Jahre  die  Wohnungsinteressenten,  also  Behörden, 
Grundstücksbesitzer,    Architekten,    Unternehmer    und 


125 


DER  STÄDTEBAU 


Wohnungsuchende  darüber  unterrichtet,  welche  Woh- 
nungsarten als  empfehlenswert  von  Reichs  wegen 
erachtet  werden,  wobei  es  den  Ortsbehörden  über- 
lassen bleiben  muß,  entsprechend  örtlicher  Sitte  und 
bestehendem  Recht,  Rückschritte  auf  dem  Gebiete 
des  Wohnungswesens  durch  Ausschluß  einzelner  oder 
Vorschrift  bestimmter  Wohnungsarten  zu  verhindern. 

2.  Die  Ermöglichung  der  billigen  Baulandproduktion, 
indem  bei  dem  Erwerb  von  Straßenland  durch  Ent- 
eignung nur  der  Nutzungswert,  also  nicht  der  heutige 
gemeine  Wert  zugrunde  gelegt  werden  darf. 

3.  Die  Ermöglichung  der  Grundstücksumlegung  und  des 
billigen  Erwerbs  eines  gewissen  Geländeteils  für 
öffentliche  Zwecke,  wenn  ein  Gebiet  für  baureif  er- 
klärt ist. 

INHALT  DER  TAFELN. 

Die  Abkürzungen  haben  folgende  Bedeutung:  K.  =  Küche;  Bd.  =  Bad; 
M.  =  Mädchenkammer;  Sp.  =  Speisekammer;  Clbd.  =  Abort  mit  Bad; 
Kl.  =  Kleiderablage;  Cl.  =  Abort;  V.  =  Vorraum;  B.  =  Balkon. 


Tafel  52. 


3- 
4- 
5- 
6. 

7- 
8. 

9- 

IG. 


12. 
13' 

14 


15' 

i6. 

i7. 
i8, 
ig, 

20 
21 


Nürnberg 

Leipzig 

Nürnberg 

Leipzig 

Nürnberg 

Kiel 

Brunn 

Mannheim 

München 
Düsseldorf 

Elberfeld 
Nürnberg 
Elberfeld 
Genf 


Posen 

Genf 

Mannhelm 
Düsseldorf 
Mannheim 
Düsseldorf 
München 


22 

23 


München 
_^,  Düsseldorf 
24.  Mannheim 
25.{  Kiel 

26.  Prag 

27.  j  Essen 
28.!  Brunn 
29.'  Essen 


2  mal 
2  mal 
2  mal 
2  mal 
2  mal 
2  mal 


2  mal 


2  mal 


2  mal 


2n'ial 


2  mal 
2  mal 

2  mal 


2  mal 


SZimm. 
3Zimm. 
4Zimm, 
3Zimm, 
3Zimm 
sZimm. 
4Zimm 
4Zimm 
3  Zimm 
3Zimm 
3  Zimm. 

2  Zimm. 

5  Zimm, 

3  Zimm 
3  Zimm 
iZimm. 

2  Zimm, 

3  Zimm 

4  Zimm. 
2  Zimm 
2  Zimm. 
2  Zimm, 
8  Zimm, 
2  Zimm 

2  Zimm 
4  Zimm 
4  Zimm 

3  Zimm 

6  Zimm. 

2  Zimm, 
2  mal  2  Zimm 

7  Zimm 
3mali2Zimm, 

4  Zimm 

3  Zimm 
'2  mal!  2  Zimm 


K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

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M. 

Kl. 

B.  ' 

K. 

Sp. 

Cl. 

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— 

B. 

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K. 

K. 

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Cl. 
Cl. 

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V, 

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— 

B. 

Sp. 



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B. 

K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

B. 

K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 



— 

— 

— 

B. 

K. 

Cl. 

Bd. 

— 

— 



— 

B. 

K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

B. 

K. 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

_ 

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B. 

K. 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

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B. 

— 

Cl. 

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2B. 

K. 

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Cl. 

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B. 

K. 

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Cl. 

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B. 

K. 

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Cl. 

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B. 

K. 

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Cl. 

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B. 

K. 

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Cl. 

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B. 

K. 

K. 

Sp. 

Cl. 

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M. 

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B. 

K. 
K. 

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Cl. 

Cl. 

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Sp. 

Cl. 

Bd. 

■  — 

V. 

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V. 

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Bd. 

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Sp. 

Cl. 

Bd. 

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.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

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— 

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.  K. 

Sp. 

2C!. 

— 

— 

V. 

M. 

--, 

B. 

.K. 
-K. 
.K. 

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Cl. 

2C1. 

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— 

— 

— 

— 

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Sp. 

Bd. 



V. 

M. 

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z 

.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

— 



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.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

— 

— 

— 

B. 

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Sp. 

Cl. 

Bd. 



V. 

M. 

^ 

— 

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ISp. 

Cl. 

— 

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- 

— 

— 

— 

Schrank 


i.j  Prag 

2.  Essen 

3.  Essen 

4.  Essen 

5-  Prag 

6.1  Essen  ?  ? 

7.'  Dresden 

8.  Dresden 

I 

g.  Brunn 

IG.!  Brunn 
ii.j  Triest 

12.'  Triest 

13.  Triest 


14, 


Triest 


5 

6. 

?■ 
8 

9 

IG 
II 
12 
13 
14. 

'5- 
16. 

17- 
18. 

ig, 
20. 


Bremen 
Bremen 
Prag 

Prag 

Prag 

Prag 

Dresden 
Aachen 

Aachen 

Aachen 

Dresden 

Mannheim 

Frankfurt 

Aachen 

Altena 
Aachen 

Aachen 
Posen 

Aachen 
Aachen 


15.  Straßburg 

16.  Düsseldorf 

17.  Straßburg 

18.  Straßburg 
ig.  Bremen 

20.  Bremen 

21.  Brunn 

22.  Prag 


T 

afel  53. 

3  mal  iZimm.  K. 

Sp., 

Cl. 

— 

—  ; 

V.  - 

— 

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I  Zimm. — 

Sp.! 

Cl. 

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v.l  — 

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— 

2  mal 

2Zimm.  K.j 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

— 

— 

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B. 

SZimm.K.' 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

_ 

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— 

B. 

2  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

— 

— 

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B. 

2  Schränke 

4  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

B. 

2  mal 

4  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 



V. 

M. 

Kl. 

2B. 

4  Zimm.  K. 

Sp.; 

Cl. 

— 

— 

V. 

M. 

Kl. 

2B. 

3  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

V. 

M. 

Kl. 

2B. 

4Ziram.  K. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

B. 

3  Zimm.  K. 



Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

B. 

2  mal 

3  Zimm.  K. 

Sp.! 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

B. 

4  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

— 

— 

B. 

3  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

_ 

— 

B. 

5  Zimm.  K. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

B. 

7  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

B. 

6  Zimm.  K. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

B. 

4Zimm.'K. 

— 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

B. 

3  mal 

I  Zimm.  K. 

— 

Cl. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

2Zimm.'K. 

— 

Cl. 

— 

— 

_ 

— 

— 

— 

2  mal  2  Zimm.  K. 

— 

Cl. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

2  mal  iZimm.  K. 

— 

cl. 

— 

— 

— 

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7  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

— 

— 

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2B. 

jeZimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

2B. 

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Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

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— 

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2B. 

5  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

— 

— 

2B. 

2  mal  2  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

— 

— 

B. 

3  Zimm.  K. 

Cl. 

— 

— 

— 

— 

— 

B. 

12  mal  2  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

- 

— 

2  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

— 

3  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl. 

Bd. 

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V.M. 

Kl. 

B. 

Tafel  54. 

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Sp. 

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M. 



B. 

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B. 

1 3  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

— 

Kl. 

— 

3  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

— 

— 

— 

4  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

— 

Kl. 

— 

3  Zimm. 

K. 

__ 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

B. 

14  Zimm.  K. 



Cl.  Bd. 

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V. 

M. 

Kl. 

B. 

I5  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

B. 

2  mal  3  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

— 

Kl. 

B. 

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K. 

Sp. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

— 

Kl. 

— 

Schrank 

2  mal  3  Zimm. 

K. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

— 

Kl. 

— 

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K. 

— 

Cl.   Bd. 

— 

V. 

M. 

Kl. 

— 

2  mal 

5  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl.  Bd. 

— 

V. 

M. 

— 

— 

3  Zimm. 

K. 

— 

Cl. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

I  Zimm.jK. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

4  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

— 

— 

— 

B. 

4  Zimm. 

K. 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

V. 

— 

— 

B. 

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2  Zimm. 

K. 

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Cl. 

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— 

V. 

— 

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B. 

(   Cl.  mit 

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Cl.  Bd. 

— 

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M. 

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7  Zimm.  K. 

Sp. 

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V. 

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B. 

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\  Terrasse 

5  Zimm.  K. 

Sp. 

Cl.  Bd 

— 

V. 

— 

— 

B. 

2  mal  5  Zimm.  K. 



Cl.  Bd 

— 

— 

M 

— 

B. 

Schrank 

!4Zimm.|K 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

V. 

— 

— 

— 

2  Zimm.  K 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

V 

— 

— 

— 

4  Zimm.  K 

Sp. 

Cl. 

— 

— 

V 

— 

— 

— 

SZimm.lK 

Sp 

Cl.  Bd 

— 

— 

M 

— 

2B 

Schrank 

6  Zimm. 'k 

Sp 

1  Cl.  Bd 

'    — 

— 

M 

— 

2B 

Schrank 

4  Zimm. 

K 

Sp 

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— 

- 

— 

— 

B. 

5  Zimm. 

K 

Sp 

Cl. 

Bd 

1 

— 

V- 

— 

— 

2B 

Schrank 

STÄDTEBAUFRAGEN  IN  KARLSRUHE  in  baden. 

Von  THEODOR  GOECKE,  Berlin. 


Auch  in  Karlsruhe  ist  schon  manches  von  alter  Schön- 
heit abgebröckelt,  insbesondere  von  dem  früher  einheitlich 
gestalteten  Halbrund  des  Schloßplatzes.  Einzelne  den 
schlichten  Arkadenbauten  nachträglich  vorgehängte  Balkone 
sind  noch  erträglich;  doch  durchbrechen  die  Horizontale 
der   zweigeschossigen  Bebauung   schon    an   einigen  Stellen 


drei-  und  viergeschossige  Häuser  mit  kahlen  Brandmauern, 
mit  zum  Teil  gestelzten  Arkaden  —  Neubauten,  anders  in 
Form  und  Farbe  unter  sich  und  als  die  der  ursprünglichen 
Anlage. 

An  sich  könnte  der  weitgedehnte  Schloßplatz  wohl  eine 
höhere  Bebauung  ertragen,  wenigstens  in  den  bis  zur  Kunst- 


126 


DER  STÄDTEBAU 


Bebauungsplan  für  den  Ettlingertorplatz. 


halle  bzw.  zum  Marstalle  reichenden  Flügeln  des  Halbrundes, 
soweit  dichtes  Gebüsch  und  hohe  Baumkronen  der  beider- 
seitigen Parkanlagen  die  Beziehungen  zum  Schloß  fast  auf- 
gehoben haben  und  in  beschränktem  Maße  auch  in  der 
Mitte  zwischen  Lamm-  und  Kreuzstraße,  wo  sich  der  Platz 
frei  nach  dem  Schlosse  hin  öffnet  —  doch  Einheitlichkeit 
wäre  für  die  einzelnen  Blöcke  zu  fordern  und  im  mittleren 
Teile  auch  Unterordnung  unter  den  Schloßbau.  Eine  neue 
Bauordnung  soll  nun  dafür  sorgen,  daß  keine  neuen  Ver- 
sehen begangen  werden,  und  wie  man  hört,  trägt  sich  der 
Großherzog  sogar  mit  dem  Gedanken,  begangene  Sünden 
wieder  gutzumachen  und  dazu  bei  Gelegenheit  die  im  Privat- 
besitz befindlichen  Grundstücke  anzukaufen. 

Es  war  höchste  Zeit  für  den  Erlaß  der  neuen  Bau- 
ordnung, deren  Schutz  sich  auch  auf  den  Marktplatz  erstreckt, 
dessen  Gleichgewicht  schon  durch  den  über  einem  hohen 
Sockel  mit  drei  hohen  Geschossen  aufsteigenden  Bezirksamts- 
gebäude gegenüber  der  Kirche  und  dem  Rathause,  die  sonst 
nur  niedrigere,  wenn  auch  mehrgeschossige  Bauten  um- 
geben, an  der  Ecke  der  Hebelstraße,  insbesondere  auch 
durch  die  vordringliche  Form  der  halbrunden  Ecklösung 
dieses  Baues  und  durch  seine  Erbauung  in  andersfarbigen 
aufwändigeren  Baustoffen  gestört  ist.  Schön  sind  auch 
gerade    nicht    die    nachträglich    eingebauten  Verkaufsläden 


an  beiden  Seiten  des  Marktplatzes,  immerhin  erträglich  und 
auch  wohl  unvermeidlich  —  es  muß  nur  dafüi  gesorgt 
werden,  daß  dieses  Bedürfnis  dem  nun  einmal  gegebenen 
Rahmen  eingepaßt  wird.  Ähnlich  ist  es  dem  Rondell  ge- 
gangen, dem  dritten  Schmuckstücke  vom  Schlosse  aus 
gerechnet.  Dem  Markgrafenschlosse  gegenüber  durchbricht 
ein  etwa  in  den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts 
erbautes  nüchternes,  doch  überladenes  Geschäftshaus  die 
Einheitlichkeit  der  Anlage.  Das  vierte  und  letzte  Schmuck- 
stück, das  Ettlinger  Tor  endlich,  ist  seit  längerer  Zeit  gänzlich 
verschwunden. 

Auch  das  Karlstor  wird  nunmehr  verschwinden;  kann 
es  auch  kaum  zu  den  Glanzstücken  der  Stadt  gerechnet 
werden,  so  erscheint  es  doch  zweifelhaft,  ob  die  Niederlegung 
der  an  sich  wenig  bedeutenden  Torhäuser  die  Ecke  der 
Kriegsstraße  und  Karlstraße  verbessern  wird,  da  ein  dem 
Großherzoglichen  Garten  vorgelegter  Neubau  weit  über  die 
jenseits  der  Karlstraße  an  der  Kriegsstraße  eingehaltene 
Bauflucht  vorspringt  und  auf  der  gegenüberliegenden  Seite 
der  Ausblick  auf  den  an  der  Ecke  der  Sophienstraße  stehende 
sympathische  Bau  des  Künstlerhauses  zugebaut  werden  soll. 
Allzuviel  Ehrfurcht  vor  dem  Alten  scheint  überhaupt  nicht 
gerade  die  starke  Seite  der  Bevölkerung  zu  sein  —  denn 
sonst  würde  man  sicherlich  nicht  ein  zwar  schlichtes,  aber 


127 


DER  STÄDTEBAU 


wohlgestaltetes  Kapellchen  in  Grünwinkel,  das  ein  wenig  vor 
die  Flucht  der  Durmersheimer  Straße  vorspringend,  den 
langen  Straßenzug  belebend  unterbricht,  als  ein  vermeint- 
liches Verkehrshindernis  abbrechen  wollen! 

Karlsruhe  ist  auf  dem  Wege  zur  Großstadt,  da  bleiben 
Umwandlungen  nicht  aus;  insbesonders  verlangen  Handel 
und  Wandel  Berücksichtigung,  Wohnhäuser  werden  zu 
Geschäftshäusern,  niedrige  Geschosse  und  Gebäude  zu  hohen. 
Derartigen  Umwandlungen  begegnet  man  fast  bei  jedem 
Schritt,  den  man  in  der  Altstadt  tut.  Das  moderne  Waren- 
haus hält  auch  hier  seinen  Einzug.  Eine  besondere  Rolle 
wird  dabei  vielleicht  noch  die  Frage  spielen,  ob  und  in 
welcher  Umformung  die  früher  beliebten  Laubengänge  ver- 
wendbar sind.  Für  gewisse  Geschäftszwecke  scheinen  sie 
kein  Hindernis  zu  bilden  —  am  Friedrichsplatze  haben 
sich  an  ihnen  Bankhäuser,  Antiquitätenhändler,  Modewaren- 
geschäfte, Buch-  und  Kunsthandlungen  niedergelassen  — 
am  Neuen  Friedrichsplatze  in  Mannheim,  der  allerdings 
weiter  draußen  liegt,  außer  einer  Musterausstellung  für 
Haus-  und  Küchengerät,  Drogen-  und  Zigarrengeschäften 
2  Friseurläden  und  5  Gastwirtschaften ;  doch  stehen  von  ins- 
gesamt 15  Läden  deren  4  leer,  während  die  im  jetzigen  Rat- 
hause, früheren  Kaufhause  alle  besetzt  sind.  Bei  vorsichtiger 
Abschätzung  der  Verwendungsmöglichkeiten  dürfte  also  auch 
dieses  schöne  Motiv  noch  eine  Zukunft  haben. 

Die  ganze  Übergangszeit  ist  freilich  nicht  angenehm; 
damit  aber  später  einmal  wieder  etwas  Schönes  heraus- 
kommt, ist  ein  einheitlicher  Plan  vonnöten,  der  die  Altstadt 
mit  der  in  sie  hineingewachsenen  Vorstadt,  dem  früheren 
Dörfle  —  östlich  der  Kronen-  und  südlich  der  Markgrafen- 
straße —  sowohl  als  auch  die  neuen  Gebietserweiterungen 
mit  umfaßt. 

Ein  ruhiges  Viertel  mit  landhausmäßiger  Bebauung 
ist  am  Rande  des  Haardtwaldes  westlich  des  Schlosses 
entstanden,  daran  schließend  derHaydnplatz,  den  die  Deutsche 
Bauzeitung  im  Jahre  1909  in  No.  96  veröffentlichte.  Herr 
Dipl.-  Ing.  Ehlgötz  in  Mannheim,  dem  wir  auch  den  nach- 
stehenden Auszug  aus  der  neuen  Bauordnung  verdanken, 
schreibt  uns  dazu,  daß  Kunstmaler  Albert  Lang  in  München 
sich  bereit  erklärt  habe,  der  Stadt  Karlsruhe  zur  künstle- 
rischen Ausgestaltung  des  vom  Architekten  Sexauer  an- 
gelegten Haydnplatzes  einen^Springbrunnen,  den  zwei  Roß- 
bändiger auf  Sockelsteinen  schmücken  sollen,  zu  schenken, 
wenn  ihm  der  dafür  aufzuwendende  Betrag  von  100000  Mk. 
vom  Tage  der  Übergabe  des  Brunnens  an  durch  eine  jährliche 
Leibrente  von  5000  Mk.  vergütet  wird.  Mit  dem  gleichen 
Vorbehalt  wurde  schon  ein  Vertrag  mit  dem  Architekten 
Sexauer  geschlossen,  dem  die  übrige  architektonische  Aus- 
gestaltung des  Platzes  nach  Maßgabe  seines  Entwurfes  über- 
tragen ist. 

Nunmehr  möge  der  erwähnte  Auszug  aus  der  Bau- 
ordnung als  Beispiel  für  den  Einfluß  der  Bauordnung  auf 
das  Stadt-  und  Straßenbild  folgen: 

3.  Von  dem  Äußeren  der  Bauten. 

§  43- 
Die  Ausführung  von  Bauten  und  baulichen  Änderungen  kann  unter- 
sagt werden,  wenn  die  von  Straßen  oder  Plätzen  aus  sichtbaren  Bauteile 
keinen  ästhetisch  befriedigenden  Eindruck  machen  oder  sich  nicht  har- 
monisch in  das  Straßen-  oder  Platzbild  eingliedern  würden;  sie  dürfen 
sich  nicht  in  einem  verwahrlosten  oder  sonst  das  Straßen-  oder  Platzbild 
verunzierenden  Zustande  befinden. 


Den  Straßen  sind  die  von  Personenzügen  benutzten  Eisenbahnlinien 
gleichzuachten. 

§  46- 
Im  Gebiete  der  offenen  Bauweise  muß  die  architektonische  Behand- 
lung  der   Seitenfronten   eines   Gebäudes,   soweit  sie  von   der  Straße   aus 
sichtbar  sind,  diejenigen  der  Straßenfront  entsprechen. 

§  47- 

Es  ist  untersagt,  so  zu  bauen,  daß  dauernd  kahle  Mauern  oder 
Mauerteile  von  Straßen  oder  Plätzen  aus  in  auffallender  Weise  sichtbar 
bleiben  würden. 

Vermittelt  ein  Gebäude  den  Übergang  von  einer  höheren  zu  einer 
niederen  Bauweise  (siehe  z.  B.  §  27  Abs.  i  Satz  3  der  Landesbauordnung, 
§  110  dieser  Bauordnung),  so  muß  in  ästhetischer  einwandfreier  Weise 
daiür  gesorgt  werden,  daß  der  Übergang  nicht  störend  in  Erscheinung  tritt. 

§  48. 

Verboten  sind  unschöne  und  blendende  Anstriche  sowie  alle  das 
Straßen-  oder  Landschaftsbild  störende  Reklamevorrichtungen,  Firmen- 
schilde und  -tafeln,  Reklametafelaufschriften,  -bilder  u.  dgl.  an  Gebäuden, 
Einfriedigungen  oder  frei  stehenden  Gerüsten.  Das  Verdecken  und  Über- 
schneiden von  Architekturteilen  ^durch  dergleichen  Reklamevorrichtungen 
oder  Auslegekasten  ist,  wenn  hierdurch  [der  Eindruck  des  Bauwerks  ge- 
stört wird,  zu  vermeiden. 

Diese  Vorschrift  findet  auch  auf  bestehende  Vorrichtungen  der  ge- 
dachten Art  Anwendung. 

§  50. 

Bilden  mehrere  Gebäude  eine  architektonisch  einheitliche  Baugruppe, 
so  dürfen  einseitige  Veränderungen  nur  vorgenommen  werden,  wenn  sie 
das  Gesamtbild  nicht  stören.  Diese  Bestimmung  bezieht  sich  auch  auf 
den  Anstrich  der  Gebäude. 

§  51. 

Jede  Änderung  an  den  Bauten,  die  am  Schloß-,  Markt-,  Rondell-, 
Friedrichsplatz,  beim  Karlstor  und  an  dem  Platze  bei  der  Kirche  St.  Stephan 
stehen,  oder  der  Ersatz  dieser  Bauten  durch  Neubauten  ist  untersagt, 
wenn  dadurch  die  ästhetische  Wirkung  oder  das  charakteristische  Gepräge 
des  Platzbildes  beeinträchtigt  würde. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  bestimmt  sich  namentlich  auch,  und 
zwar  unabhängig  von  der  Breite  des  Platzes  und  der  Vorschrift  der  be- 
treffenden Baukiasse,  welche  Höhe  und  Geschoßzahl  die  Gebäude  erhalten 
dürfen.  Für  die  Höhenentwicklung  und  Dachform  etwaiger  Bauten  am 
Schloßplatz  ist  das  Gebäude  des  Ministeriums  des  Innern  maßgebend. 

Die  Wandelgänge  am  Schloß-  und  Friedrichsplatz  müssen  erhalten 
bleiben.     Vor  Erteilung  des  Baubescheides   ist  der  Stadtrat  zu  hören. 

§  52- 

Die  Bauten,  die  am  Haydnplatz  nördlich  der  Hildapromenade  noch 
errichtet  werden  sollen,  müssen  sich  in  ihrer  äußeren  Erscheinung,  der 
Architektur  und  den  Baustoffen  den  bestehenden  Bauten  vollständig 
anpassen. 

Auf  der  Südseite  dürfen  nur  solche  Bauten  erstellt  werden,  die  die 
einheitliche  und  geschlossene  Wirkung  des  Platzbildes  nicht  beeinträchtigen. 

Auf    die    bestehenden    Bauten   findet   Abs.   i   des   §  51    Anwendung. 

Vor  Erteilung  des  Baubescheides  ist  der  Stadtrat  zu  hören. 

§   53. 

Für  die  Höhenentwicklung,  den  Baucharakter  und  die  Silhouette  der 
Privatbauten  am  TuUaplatz  ist  das  von  dem  Städtischen  Hochbauamt 
ausgearbeitete  schematische  Fassadenbild  vom  15.  September  191 1,  für  die 
Baustoffe   die  diesem  Projekt  beigegebene  Beschreibung  maßgebend. 

An  den  vier  Eckhäusern  bei  der  Einmündung  der  TuUastraße  in  den 
Tullaplatz  ist  auf  der  in  der  TuUastraße  liegenden  Seite,  soweit  an  dieser 
Stelle  die  Bauflucht  mit  der  Straßenflucht  zusammenfällt,  der  Gehweg  in 
einer  Breite  von  3,50  m  durch  einen  terrassenförmigen  Vorbau  unter  Frei- 
lassung des  Durchganges  ein  Stockwerk  hoch  nach  Maßgabe  des  er- 
wähnten Projektes  zu  überbauen. 

Vor  Erteilung  des  Baubescheides  ist  der  Stadtrat  zu  hören. 

Zurzeit  beschäftigt  die  Gemüter  am  meisten  die  Ver- 
wertung des  gegenwärtig  noch  benutzten  alten  Bahnhofsge- 
ländes, nachdem  das  neue  Empfangsgebäude  weiter  heraus 


128 


DER  STÄDTEBAU 


verlegt  sein  wird.  Schon  der  mit  dem  I.  Preise  gekrönte 
Wettbewerbsentwurf  von  Professor  Hermann  Billing  und 
Architekt  'Wilhelm  Vittali  für  die  südliche  Stadterweiterung 
(vgl.  Jahrgang  1906  unserer  Zeitschrift  S.  100  bzw.  Tafel59) 
hatte  vor  dem  früheren  Ettlinger  Tore  eine  monumentale 
Platzanlage  in  ovaler  Grundform  vorgeschlagen,  nach  der 
sich  hier  ein  der  Festhalle  und  dem  Sommertheater  vor- 
gelagerter Festplatz  öffnet.  Es  mag  sein,  daß  eine  so 
weitgehende  Freilassung  des  Geländes  von  jeglicher  Be- 
bauung nicht  zugestanden  werden  kann,  daß  vielmehr  eine 
bessere  Ausnutzung  des  kostbaren  Bodens  geboten  ist.  Der 
Grundgedanke  aber,  an  dieser  bedeutsamen  Stelle  einen 
Platz  anzulegen,  war  sicherlich  richtig  und  ist  deshalb 
auch  in  den  Vorschlag  zu  einem  Bebauungsplan  für  das 
alte  Bahnhofsgelände  und  den  Festplatz  der  Stadt  Karlsruhe 
vom  hochbautechnischen  Referenten  des  Großherzoglich 
Badischen  Finanzministeriums  Architekten  Moser  über- 
gegangen -  vgl.  die  ebenso  bezeichnete  Veröffentlichung 
die  in  der  C.  F.  Müllerschen  Hofbuchdruckerei  in  Karlsruhe 
1912  erschienen  ist. 

Doch  ist  der  Platz  erheblich  kleiner,  wenn  auch  noch 
stattlich  genug  geplant  und  von  fast  quadratischer  Grundform, 
leider  aber  auch,  um  rundum  geschlossene  Platzwandungen 
zu  erhalten,  unter  Verzicht  auf  die  Einbeziehung  der  dahinter 
liegenden  Festhalle  im  Stadtpark  (vgl.  das  Textbild).  Hoffent- 
lich wird  die  weitere  Bearbeitung  auch  in  dieser  Hinsicht 
auf  den  Grundgedanken  von  Billing  und  Vittali  zurück- 
gehen, was  möglich  erscheint  trotz  der  teilweisen  Ver- 
bauung des  damals  geplanten  großen  Festplatzes.  Im  übrigen 
bietet  aber  dieser  Vorschlag  so  viel  des  Anziehenden,  daß 
wir  glauben,  darauf  noch  mit  wenigen  Worten  näher  ein- 
gehen zu  müssen. 

Der  Zeitabschnitt  der  Umwälzung  und  starker  Ent- 
wicklung in  Karlsruhe  ist  vornehmlich  durch  Verlegung  der 
Eisenbahn    mit  dem  Empfangsgebäude   eingeleitet  worden. 


Dieser  Punkt  ist  in  der  Besprechung  des  letzthin  ent- 
schiedenen Wettbewerbes  um  die  Ausgestaltung  des  Bahn- 
hofvorplatzes schon  erörtert  worden.  Dadurch  ist,  wie  der 
Verfasser  ausführt,  Anlaß  gegeben,  das  Neue  vorurteilsfrei 
und  liebevoll  mit  dem  Alten  zu  verbinden  was  in  Karlsruhe 
wegen  der  Eigenart  seiner  Anlage  doppelt  notwendig  sei. 
Das  hier  wiedergegebene  Vogelschaubild  (Abb.  a  der  Tafel  66) 
läßt  erkennen,  wie  sich  der  Verfasser  diese  Verbindung  denkt. 
Er  erörtert  zu  dem  Zwecke  die  schwebenden  Baufragen, 
die  er  kurz  dahin  zusammenfaßt,  daß 

1.  das  bisherige  Bahnhofsgelände  in  Bauplätze  aufgeteilt 
werden  soll, 

2.  ein  Festplatz  in  die  Neuordnung  mit  einbezogen 
werden  muß, 

3.  der  Staat  in  absehbarer  Zeit  Neubauten  für  das  Landes- 
gewerbeamt und  das  Landesmuseum  zu  erstellen  haben 
wird, 

4.  die  Stadt  die  Ausführung  der  von  Curjel  und  Moser 
1905  geplanten  Neubauten  einer  Ausstellungshalle  und 
eines  Sommertheaters  mit  Konzertsaal  beabsichtigt. 

Die  Lösung  dieser  großen  Aufgabe  verlangt  unter  Wahrung 
der  Verkehrsanforderungen  eine  möglichst  vorteilhafte  Ver- 
wertung des  frei  werdenden  Bahnhofsgeländes,  die  Aufrecht- 
erhaltung der  Beziehungen  zur  alten  Stadt,  insbesondere 
zur  Karl-Friedrich-Straße,  und  die  Zusammenfassung  der 
öffentlichen  staatlichen  und  städtischen  Gebäude  zu  bau- 
künstlerisch eindrucksvollen  Gruppen.  Von  mehr  neben- 
sächlicher Bedeutung  ist  dem  Verfasser  dabei  die  Frage 
der  Erhaltung  des  alten  Empfangsgebäudes  in  seinem 
Bebauungsplan  macht  er  Vorschläge  für  beide  Fälle.  Seine 
Vorschläge  werden  von  Lageplänen,  Gebäudegrundrissen  und 
durch  Schaubilder  wirkungsvoll  unterstützt  —  siehe  z.  B. 
Abb.  b  der  Tafel  66.  Damit  dürfte  in  der  Tat  die  [zukünftige 
Entwicklung  nach  dem  neuen  Bahnhofe  hin  in  gangbare 
Wege  zu  leiten  sind. 


DIE  GRUNDLAGEN  UNSERES  STÄDTEBAUES 
IN  NEUER  BELEUCHTUNG. 


Von  WALTER  LEHWESS,  Berlin. 


Wohl  noch  keine  Zeit  hat  sich  so  viel  theoretisch  mit 
dem  Städtebau  beschäftigt  wie  die  unsrige.  Seit  wir  er- 
kannten, daß  unsere  schnellwachsenden  Städte  bei  diesem 
Wachstum  an  Schönheit  nicht  gewannen,  sondern  viel- 
mehr manche  schönen,  alten  Städtebilder  verloren,  ohne 
daß  dafür  Ersatz  geschaffen  wurde,  haben  wir  uns  bemüht, 
zu  ergründen,  worauf  die  Schönheiten  und  der  eigenartige 
Zauber  der  alten  Städte  beruhten;  wir  haben  uns  für  die 
malerischen  Reize  mittelalterlicher  Städte  mit  ihren  krummen 
Straßen  und  überraschenden  oft  zufällig  erscheinenden  Platz- 
bildern erwärmt,  wir  haben  auch  die  strengere  Schönheit 
barocker  Stadtanlagen  mit  ihrer  auf  einen  fürstlichen 
■Willen  hindeutenden  Straßenführungen  und  ihren  architek- 
tonisch gestalteten  Platzwandungen  wieder  schätzen  gelernt. 
W^ir  sind  den  Regeln  und  Grundsätzen  nachgegangen,  die 
von  den  Alten  befolgt  wurden,  und  die  sie  zu  so  meister- 
haften Schöpfungen  befähigt  haben.  Aber  eines  ist  dabei, 
wie  mir  scheinen  will,  meistens  nicht  genügend  gewürdigt 


worden,  wenigstens  von  den  Architekten  nicht,  die  sich 
mit  Städtebau  befaßten  und  ihn  selbstverständlich,  wie  es 
ihrem  Berufe  entspricht,  zunächst  mehr  von  der  künstle- 
rischen Seite  betrachteten:  das  sind  die  wirtschaftlichen 
und  die  verwaltungstechnischen  Grundlagen  des 
Städtebaues. 

Wenn  wir  "nun  heute,  wie  es  fast  durchweg  der  Fall 
ist,  mit  dem  äußeren  Bilde  unserer  Stadterweiterungen 
und  Vorstädte  nicht  zufrieden  sind;  wenn  wir,  statt  uns 
an  den  hübschen,  neuen  Anlagen  zu  erfreuen,  eigentlich 
bei  der  Ausbreitung  fast  jeder  Großstadt  immer  nur  das 
Bedauern  empfinden,  daß  wieder  ein  Stück  freier  Natur, 
und  sei  es  auch  nur  ein  schlichter  Kartoffelacker,  „der 
Bausucht  des  Großstädters",  wie  der  Laie  es  gern  'nennt, 
zum  Opfer  fällt,  dann  nützt  es  nichts  oder  doch  nur  wenig, 
wenn  wir  die  alten,  schönen,  malerischen  oder  großartigen 
Stadtbilder  studieren  und  nachzumachen  versuchen.  Wir 
müssen  vielmehr  ernsthafter  und  tiefer,   als  es   bisher  die 


129 


DER  STÄDTEBAU 


meisten  von  uns  getan  haben,  den  wirtschaftlichen  Be- 
dingungen auf  den  Grund  zu  kommen  suchen,  denen  die 
verschiedenen  Formen  der  Stadtbildung  und  der  Stadt- 
erweiterung ihre  Entstehung  verdanken  und  ebenso  den 
Verwaltungsmaßnahmen,  die  sie  hervorgerufen  oder  be- 
einflußt haben.  Wenn  wir  dann  diese  Grundlagen  mit 
denen  vergleichen,  auf  denen  unsere  heutige  Wohnungs- 
herstellung beruht  und  von  denen  sie  geleitet  wird,  dann 
werden  wir  vielleicht  klarer  sehen,  woran  es  uns  fehlt, 
warum  es  unseren  neuen  Stadtteilen  noch  so  sehr  an  künstle- 
rischer Kultur  gebricht,  und  welche  Mittel  es  gibt,  um 
das  Übel  an  der  Wurzel  zu  packen  und  nicht  nur  seine 
äußere  Erscheinungsform  zu  beeinflussen. 

Für  solche  Bemühungen  eröffnet  ein  Buch  von  Professor 
Rudolf  Eberstadt  durchaus  neue  Gesichtspunkte,  das  er 
nicht  ohne  [Bedeutung  „Neue  Studien  über  Städtebau 
und  Wohnungswesen"*)  genannt  hat.  Der  Verfasser 
hat  sich  darin  zur  Aufgabe  gestellt,  das  Wohnungswesen 
in  zwei  voneinander  sehr  verschiedenen  Gebieten  zu  unter- 
suchen, in  denen  es  in  durchaus  verschiedener  Form 
auftritt,  die  aber  doch  miteinander  vergleichbar  sind,  weil 
sie  zweierlei  gemeinsam  haben:  Eine  Bevölkerung  von 
vorwiegend  germanischer  Abstammung,  so  daß  nicht  so 
starke  Rassenunterschiede  zu  berücksichtigen  sind,  wie 
etvva  zwischen  England  und  Italien,  und  eine  lebhafte 
Industrie,  die  seit  Jahrzehnten  bedeutende  Volksmassen  zu 
sich  herangezogen  hat.  Belgien  und  Wien  sind  die  beiden 
Gebiete,  denen  Professor  Eberstadts  Studium  galt;  ihnen 
hat  er  vergleichende  Betrachtungen  über  die  deutschen 
Verhältnisse  angefügt.  Das  Wohnungswesen  hat  sich  in 
beiden  ganz  verschieden  entwickelt.  In  Belgien  finden  wir 
das  kleine  Haus  vorherrschend,  ein-  oder  zweigeschossig, 
4  bis  6  m  breit  und  eine  Wohnung  von  2  bis  4  Zimmern 
enthaltend.  Zweiwohnungshäuser  bilden  schon  die  Aus- 
nahme. Häufig  sind  die  Häuser  an  Privatstraßen  oder 
Wohnhöfen  errichtet,  die  ihnen  eine  ruhige,  vom  Verkehr 
abgeschlossene  Lage  gewährleisten  und  die  denkbar  ge- 
ringste Belastung  des  Baulandes  mit  Straßenkosten  ge- 
statten. Trotz  des  starken  Anwachsens  der  Bevölkerung 
scheint  die  Wohnungsherstellung  mit  ihr  gleichen  Schritt 
gehalten  zu  haben,  denn  die  Mietpreise  dieser  Häuschen 
sind  für  unsere  Begriffe  erstaunlich  billig :  In  der  Industrie- 
stadt Gent  z.  B.  beträgt  der  Mietpreis  für  ein  Haus  von 
drei  Zimmern,  Küche,  Keller  und  allem  Zubehör  169  bis 
208  Franken  im  Durchschnitt  jährlich.  Dabei  sind  die 
Grundrisse  durchaus  gut,  wenn  auch  die  einzelnen  Räume 
von  bescheidenen  Abmessungen  sind. 

In  Wien  dagegen  herrscht,  wie  in  fast  sämtlichen  Groß- 
städten Deutschlands,  die  Mietskaserne,  die  durchweg 
nicht  an  schmalen  bescheidenen  Wohnstraßen,  sondern  an 
aufwändig  hergestellten  Straßen  von  25  bis  30  m  Breite 
liegt.  Man  glaubt  dort,  daß  es  nicht  möglich  sei,  billige 
Kleinwohnungen  anders  als  in  dieser  Form  zu  errichten. 
Eberstadt  führt  einzelne  Beispiele  von  kleinen  Wohnungen 
vor,  die  aus  einem  Zimmer  und  Küche  bestehen.  Sie 
liegen  im  Vordergebäude  und  Hofflügel  eines  großen  Hauses 
und  sind  alle  von  einem  langen,  mit  Fenstern  versehenen 
Gang  aus  zugänglich,  der  sie  mit  dem  in  der  Mitte  liegenden 
Treppenhaus   verbindet.     Von   diesem    Gang   gelangt   man 


*)  Neue  Studien  über  Städtebau  und  ^Vohnungswesen  von  Professor 
Dr.  Rud.  Eberstadt.    Jena.    Verlag  von  Gustav  Fischer.    igi2. 


unmittelbar  in  die  sehr  kleine  Küche,  die  nur  von  ihm 
durch  eine  Glastür  Licht  und  Luft  empfängt.  Hinter  der 
Küche  liegt  dann  das  Zimmer,  das  unmittelbar  ins  Freie 
führende  Fenster  hat.  Die  für  mehrere  Wohnungen 
gemeinsamen  Aborte  liegen  ebenfalls  an  diesem  Gange 
und  werden  durch  einen  kleinen  Lichthof  beleuchtet  und 
entlüftet.  Dieser  vorgelagerte  Korridor  ist  typisch  für  die 
Wiener  Kleinwohnung,  und  dabei  kosten  diese  Wohnungen 
324  bis  336  Kronen  jährlich,  also  ungefähr  einhalb  mal  so 
viel   als  in  Belgien  ein   kleines  Haus  mit  3  bis  4  Räumen. 

Woher  erklären  sich  diese  ungeheuren  Unterschiede  in 
der  Art  und  den  Preisen  der  Kleinwohnung?  Zunächst  zu 
einem  geringen  Teil  aus  den  niedrigeren  Arbeitslöhnen,  die 
in  Belgien  gezahlt  werden.  Es  dürfte  dies  vielleicht  einen 
zehnten  Teil  des  wirklichen  Unterschieds  im  Preise  aus- 
machen. Im  übrigen  sieht  Eberstadt  den  Hauptgrund  für 
die  günstigen  Verhältnisse  Belgiens  in  den  gesetzlichen  Ein- 
richtungen des  Landes.  Das  belgische  Wohnungsgesetz 
von  1889  ist  der  Entwicklung  des  Kleinwohnungswesens 
ungemein  förderlich  gewesen.  Die  W  ohnungsausschüsse, 
die  auf  Grund  dieses  Gesetzes  in  jedem  Verwaltungsbezirk 
gebildet  worden  sind,  haben  das  Wohnungswesen  im  ganzen 
Lande  günstig  beeinflußt.  Eine  national-belgische  Einrich- 
tung von  nicht  geringer  Tragweite  ist  das  Enteignungs- 
gesetz, das  den  Behörden  das  Recht  der  Enteignung  nicht 
nur  für  bebaute  Bezirke  zum  Zwecke  der  Säuberung  und 
Umgestaltung,  sondern  auch  für  die  Sadterweiterung  all- 
gemein zum  Zweck  der  Baulanderschließung  verleiht. 
Dieses  Enteignungsgesetz  ist  aus  französischen  Anregungen 
hervorgegangen,  jedoch  gerade,  was  den  wichtigsten  Punkt, 
die  Baulanderschließung  für  Stadterweiterungszwecke  be- 
trifft, weit  über  das  Vorbild  hinaus  gewachsen.  Von  größerer 
Bedeutung  als  dieses  Gesetz  sind  für  das  Wohnungswesen 
die  Einrichtungen  des  Realkredits  geworden,  die  das 
Entstehen  einer  großen  Anzahl  von  Kreditgesellschaften, 
Baugesellschaften  und  Kreditgenossenschaften  hervorriefen 
und  beförderten.  Diese  Gesellschaften  und  Genossenschaften 
befassen  sich  ganz  ausschließlich  mit  der  Beleihung  oder 
mit  dem  Bau  kleiner  Häuser  unter  sehr  günstigen  Be- 
dingungen, die  den  Erwerb  eines  Kleinhauses  dem  Arbeiter 
ermöglichen.  Es  würde  zu  weit  führen,  die  Einzelheiten 
dieser  Regelung  des  Hypothekenwesens  hier^|näher  zu  er- 
örtern. 

Neben  diesen  Einrichtungen  befördert  ein  weitverzweigtes 
Netz  von  Eisenbahnen  und  ein  sehr  ausgebildetes  System 
von  Abonnementskarten  die  Ansiedelung  auf  billigem  Lande 
außerhalb  der  großen  Städte.  Die  Eisenbahnfahrt  des 
Arbeiters  von  und  zu  seiner  Arbeitsstelle  ist  daher  in 
Belgien  zu  einer  Volkssitte  geworden,  die  für  das  Wohnungs- 
wesen sicherlich  große  Vorteile  hat,  auf  das  Familienleben 
allerdings   vielleicht  hier  und  da  nachteilig  einwirken  mag. 

Ein  wichtiges  Ziel  für  den  neueren  Städtebau  ist  es, 
von  dem  Schema  des  Straßennetzes  loszukommen  und  zu 
günstigen,  wirtschaftsgemäßen  Aufteilungsformen  zu  gelangen. 
Eberstadt  gibt  [hierfür  verschiedene  Mittel  und  W^ege  an. 
Besonders  eingehend  wird  der  „Wohnhof"  behandelt,  der 
eine  empfehlenswerte,  auch  für  den  Bodenbesitzer  vorteil- 
hafte Form  der  Bodenerschließung  darstellt.  Wir  sehen, 
daß  eine  der  besten  planmäßigen  Anlagen  dieser  Art  —  dem 
Jahre  1513  entstammt,  wie  denn  der  Wohnhof  für  einzelne 
ältere  Städte  geradezu  eine  typische  Form  der  Aufteilung 
von  Wohngelände  gebildet  hat. 


130 


DER  STÄDTEBAU 


In  einem  besonderen  Abschnitt  behandelt  Eberstadt  die 
Einrichtungen  des  Realkredits  und  ihre  Bedeutung  für  den 
Städtebau  und  die  Bodenwertentwicklung.  Der  Verfasser 
zeigt,  wie  sich  in  Deutschland  aus  den  hier  bestehenden 
Verhältnissen  Zustände  entwickelt  haben,  die  kurz  so  zu 
schildern  sind,  daß  ein  ungeheurer  Überfluß  an  Kapital  für 
die  Bodenbeleihung  vorhanden  ist,  während  es  an  Kapital 
für  Bauzwecke,  an  Baugeld,  mangelt.  Der  Gewinn  am 
Bodengeschäft  und  aus  der  Wohnungsherstellung  und  Ver- 
mietung fallt  zum  allergrößten  Teil  dem  spekulativen  Grund- 
besitz zu.  Dieser  spekulative  Grundbesitz  erblickt  seinen  Vor- 
teil nur  in  großen  Gebäuden,  also  in  Massenmietshäusern,  für 
die  er  Scheinkäufer  findet,  die  jeden  Bodenpreis  bewilligen, 
so  daß  er  Bodenpreis  und  hypothekarische  Belastung  un- 
beschränkt in  die  Höhe  treiben  kann.  Unter  diesen  Um- 
ständen haben  sich  ungemein  ungesunde  Verhältnisse  ent- 
wickelt, die  zu  schlechten  Haustypen,  zu  dem  falschen 
Prunk  in  den  Fassaden  und  zu  dem  ganzen  städtebaulichen 
Elend  führen,  das  wir  heute  beklagen.  Die  Baupolizeigesetze 
können  die  Sache  nicht  von  Grund  aus  bessern,  sie  müssen 
sich  auf  Vorbeugungsmaßnahmen  beschränken,  die  neben 
dem  Nutzen,  den  sie  stiften,  fast  immer  eine  Verteuerung  des 
Baues  herbeiführen,  der  wieder  auf  die  Miete  abgewälzt 
wird.  Helfen  kann  bloß  eine  grundlegende  Änderung  der 
staatlichen  Einrichtungen  des  Realkredits  und  eine 
Änderung  des  bisherigen  Bausystems.  Es  muß  durch 
gesetzliche  Maßnahmen  verhindert  werden,  daß  Häuser  durch 
übertriebene  Schätzungen  über  eine  Normalbeleihungsgrenze 
hinaus  belastet  werden,  und  es  muß  eine  Tilgung  gesetzlich 
verlangt  werden.  Außerdem  sollte  durch  alle  Maßnahmen, 
die  den  Behörden  zur  Verfügung  stehen,  der  Kleinhausbau 
gefördert  werden,  weil  sich  für  kleine  Häuser  genügend  wirk- 
liche Käufer  finden  würden,  so  daß  der  ungesunden  Hypo- 
thekenspekulation der  Boden  entzogen  würde.  Hierfür  gibt 
es  verschiedene  Mittel:  Bebauungsplan  und  Bauordnung 
müssen  sich  von  dem  „Kultus  der  Straße"  freimachen  und 
eine  sparsame  Landaufteilung  und  Bauausführung  herbei- 
führen; die  Gemeinden  können  überdies  selbst  die  Sache  in 
die  Hand  nehmen  und  Bauland  für  Kleinhäuser  bereitstellen, 
oder  sie  können  Genossenschaften  unterstützen,   die  solche 


Ziele  verfolgen.  In  der  Hauptsache  aber  würde  sich  hierbei 
für  das  private  Baugewerbe  eine  lohnende  regelmäßige  Be- 
schäftigung und  die  Gesundung  seines  Geschäftsbetriebes 
ergeben. 

Ich  glaube  nicht,  daß  ich  in  dieser  kurzen  Schilderung 
der  Eberstadtschen  Schrift  jemandem,  der  diese  Dinge  noch 
nicht  kennt,  die  schwierigen  Verhältnisse^  habe  klarmachen 
können,  die  hier  herrschen.  Das  ist  auch  nicht  der  Zweck 
meiner  Zeilen.  Ich  möchte  nur  alle  Fachgenossen,  die  sich 
mit  Städtebau  beschäftigen,  auf  die  Bedeutung  hinweisen, 
die  die  behördlichen  Einrichtungen  und  die  geschäftliche 
Übung  für  den  Städtebau  haben;  ihnen  vor  Augen  führen, 
daß  es  nicht  genügt,  über  das  Wohnungswesen  und  über 
das  äußere  Bild  unserer  Stadterweiterungen  zu  klagen,  und 
daß  es  vergeblich  ist,  all  dies  durch  künstlerische  Maßnahmen 
oder  durch  den  Bebauungsplan  allein  bessern  zu  wollen, 
sondern,  daß  es  gilt,  sich  eingehend  mit  den  Grundlagen 
zu  befassen,  auf  denen  unser  Städtebau  beruht.  Hierfür  ist 
das  Eberstadtsche  Buch  ein  Wegweiser  und  Anreger.  Es 
ist  dabei  so  fesselnd  geschrieben,  daß,  wer  sich  überhaupt 
gern  mit  diesen  Dingen  beschäftigt,  es  nicht  wieder  aus  der 
Hand  legen  kann,  nachdem  er  die  ersten  Kapitel  gelesen  hat. 

Das  Ergebnis  seiner  Studien  faßt  Eberstadt  am  Schluß 
des  ersten  Teils  folgendermaßen  zusammen:  „Der  Vergleich 
mit  den  verwandten,  in  jeder  Vorbedingung  mit  uns  über- 
einstimmenden Völkern  führt  zu  dem  gleichen  Ergebnis 
wie  die  Untersuchung  'der  heimischen  Zustände:  Daß  es 
sich  bei  uns  um  eine  gewaltsame  Beugung  der  naturgemäßen 
und  wirtschaftsgemäßen  Enwicklung  handelt.  Nicht  Belgien 
und  England,  sondern  Deutschland  zeigt  die  gekünstelte 
Ausgestaltung  unseres  Gebietes."  Sollten  wir  aber  einmal 
zu  gesunden  wirtschaftlichen  Zuständen  auf  unserm  Gebiete 
kommen,  dann  wird  sich  daraus  alles  andere,  was  wir  jetzt 
erstreben,  von  selbst  ergeben.  Die  städtebauliche  Schön- 
heit werden  wir  dann  nicht  künstlich  auf  Gebäude  auf- 
pfropfen müssen,  deren  Gesamtanlage  ein  Zerrbild  einer 
guten  Wohnungsanlage  ist,  sondern  sie  wird  ganz  von  selbst 
aus  den  Häuserreihen  emporwachsen,  die  den  mannigfachen, 
wechselnden,  wirklichen  Bedürfnissen  des  Wohnens  und 
des  Lebens  angepaßt  sind. 


MITTEILUNGEN. 


^UR  GARTENSTADTBEWEGUNG.  Zahlreiche  Studien- 
^^  fahrten,  Versammlungen,  Kundgebungen,  Aufsätze,  Verhandlungen 
usw.  haben  nach  so  vielen  Jahren,  in  welchen  die  Gartenstadtbewegung 
rührig  einsetzte,  nur  einen  verhältnismäßig  so  überaus  bescheidenen 
Erfolg  gehabt,  daß  ich  versuchen  möchte,  in  aller  Kürze  den  Gründen 
dafür  nachzugehen.  Es  sollte  mich  freuen,  wenn  meine  Ausführungen 
sine  ira  et  studio  zu  Gegenäußerungen,  vor  allem  aber  zu  praktischen 
Fortschritten  führen  würden. 

1.  Eine  Gartenstadt  muß  eine  häufige,  bequeme,  schnelle  und  billige 
Verbindung  (lo  Pf.-Strecke)  mit  den  Arbeitsstätten  der  Bewohner 
haben. 

2.  Gas,  Wasserleitung,  Entwässerungsanlage,  gute  Einkaufsmöglich- 
keiten, sowie  höhere  und  Gemeindeschulen  am  Ort,  mäßige  Ge- 
meindesteuern sind  weitere  Erfordernisse. 

3.  Das  Publikum  muß  zum  Reihenhausbau  durch  gute  Beispiele  er- 
zogen werden. 


4.  Die  untere  Preisgrenze  für  Kleinwohnungen  in  Kleinhäusern  be- 
trägt 360  Mk.  bis  400  Mk.  auch  bei  allerbilligsten  Boden- 
preisen. 

5.  Es  ist  nicht  zu  widerlegen,  daß  für  den  gleichen  Mietspreis  im 
Zinshaus  größere  Räume  geboten  werden  können.  Die  sonstigen 
Vorteile  des  Eigenhauses  sind  unbestritten. 

6.  An  den  Baukosten  und  an  der  Bauweise  kann  in  unserem  Klima 
nicht  gespart  werden,  ohne  die  Lebensdauer  des  Bauwerks  abzu- 
kürzen und  die  Gesundheit  der  Bewohner  zu  gefährden. 

7.  Der  Geldgeber  ist  der  Beleihung  kleiner  Häuser  so  entfremdet 
worden,  daß  Gartenstädte  zurzeit  nur  auf  genossenschaftlicher 
Grundlage  denkbar  sind.  Besonders  sind  einzelne  Reihenhäuser 
unbeleihbar.  Dem  Provisions-  und  Damnounwesen  der  Geldgeber 
und  Agenten  muß  entgegengetreten  werden. 

8.  Der  sogenannte  „Parzellenschwindel"  entzieht  der  Gartenstadt- 
bewegung viele  Millionen  an  Sparkapital  kleiner  Leute,  die  oft  nach 
Jahrzehnten  statt  einer  vermeintlichen  ,, Baustelle"  noch  immer  nur 


131 


DER  STÄDTEBAU 


eine     teure     (nicht     anbaufähige)    „Parzelle"    besitzen.       Ständige 
Warnungen  wären  hier  am  Platze, 
g.  Unsere    Baupolizeiverordnungen    sind    heute    kein    Hemmnis    mehr 
für     den    Kleinwohnungsbau.       Begründete    Dispense    haben    gute 
Aussicht   auf  Genehmigung. 

10.  Es  ist  unzutreffend,  daß  die  angeblich  zu  teuren  Bodenpreise  die 
Errichtung  von  Gartenstädten  unmöglich  machen.  Ungeregeltes 
Nettobauland  ist  zum  Preise  von  3  bis  4  Mk.  für  i  Quadratmeter  und 
geregeltes  Nettobauland  zum  Preise  von  6  bis  8  Mk.  für  i  Quadrat- 
meter in  geeigneter  Lage  noch  überreichlich  vorhanden  und  nicht 
teurer  als  z.  B.   in  England. 

11.  Wenn  es  möglich  wäre,  Gartenstädte  zu  schaffen,  in  denen  das 
eingebrachte  Kapital  einen  sicheren  Zinsbetrag  von  4''/(,  oder  gar 
5  "0  erbringt,  gäbe  es  bereits  eine  weit  größere  Zahl.  Ohne  Hypo- 
theken zu  außergewöhnlichen  Vorzugsbedingungen  ist  ein  solcher 
Gewinn  indessen  schwerlich  zu  erzielen.  Der  Nachweis  dauernder 
Lebensfähigkeit  der  in  der  Regel  äußerst  knapp  finanzierten 
Gartenstädte  ist  noch  nicht  erbracht.  Wenn  die  Instandhaltungs- 
kosten der  Bauten  allmählich  immer  höher  werden,  kann  sich  erst 
die  Lebensfähigkeit  erweisen. 

12.  Wenn  es  gelinge,  ein  beleihbares  und  befriedigendes  Erbpacht- 
system zu  schaffen,  würden  Gartenstadtgründungen  dadurch  oftmals 
erleichtert  werden.  Auch  in  England  wird  der  Kauf  der  Erbpacht 
stets  vorgezogen,  wo  er  geboten  wird,  und  wenn  Lage  und  Beruf 
des  Käufers  dessen  Seßhaftmachung  gestatten. 

13.  Die  Gemeinden  fürchten  in  den  Gartenstädten  die  Zuwanderung 
schlechter  Steuerzahler.  Die  untere  Grenze  des  Mietspreises  (vgl. 
zu  4)  scheidet  ärmere  Bevölkerungsschichten  aus.  Diese  wohnen 
nach  wie  vor  in  den  Vororten  in  den  ungesunden  Keller-  und 
Dachwohnungen,  die  unzweckmäßige  (höhere)  Bauklassen  geradezu 
großgezogen  haben. 

14.  Organisation  und  Leitung  von  Gartenstadtgründungen  jeder  Art 
gehören  in  die  Hände  sachkundiger  Fachleute  mit  nachweislichen 
Erfahrungen  und  Erfolgen  auf  diesem  Gebiet.  Unter  inneren 
Krisen  jeglicher  Art  hat  bisher  jede  dieser  Gründungen  schwer  zu 
leiden  gehabt. 

15.  Es  ist  in  der  Praxis  erwiesen,  daß  die  gemeinnützige  Bautätigkeit 
nur  einem  sehr  beschränkten  Teile  der  Bevölkerung  Nutzen  bringen 


karin.  Der  unendliche  Aufwand  an  Mühe  und  (oft  ehrenamtlicher) 
Arbeit  steht  in  der  Regel  nicht  recht  im  Verhältnis  zu  den  prak- 
tischen (materiellen  und  ideellen)  Ergebnissen.  Von  Angebot  und 
Nachfrage,  sowie  von  wirtschaftlichen  Gesetzen,  ist  alles  ab- 
hängig. 

AUS  KASSEL.  Durch  die  Zeitungen  ging  die  Nachricht,  daß  die 
'  Königliche  Regierung  zu  Kassel  die  Genehmigung  zum  Abbruch  der 
Unterneustädter  Mühle  in  Kassel  —  siehe  den  betreffenden  Aufsatz  auf 
S.  43  des  laufenden  Jahrganges  —  versagt  habe.  So  erfreulich  es  wäre, 
wenn  sich  damit  das  schöne  Fleckchen  Erde  hätte  retten  lassen,  um  so 
betrüblicher  ist  die  Tatsache,  daß  das  Stadtbauamt  die  Zwischenzeit  emsig 
benutzt  hat  —  die  Bäume  sind  gefällt,  die  Baulichkeiten  abgebrochen; 
die  Trümmer  der  einstigen  Schönheit  könnten  nun  auch  ohne  Schaden 
verschwinden.  Bei  dem  seinerzeit  veranstalteten  Wettbewerbe  um  Ent- 
würfe für  die  neue  Fuldabrücke  —  siehe  S.  gg,  vierter  Jahrgang  unserer 
Zeitschrift  —  war  in  dankenswerter  Weise  Rücksicht  auf  das  Landschafts- 
bild gefordert,  und  diese  Rücksicht  ist  auch  beim  Bau  der  Brücke  ge- 
nommen worden  —  doch  wozu,  wenn  hinterher  das  beste  Stück  aus  der 
Landschaft  —  ein  Edelstein  im  Vordergrunde  —  ausgebrochen  wird?! 
Der  Fall  lehrt  wieder,  wie  notwendig  es  ist,  dem  draufgängerisch  sein 
Ziel  verfolgenden  Ingenieur  ästhetische  Zügel  anzulegen.  Man  braucht 
sich  nur  nach  der  anderen  Seite  der  Fuldabrücke  zu  wenden,  wo  eine 
Drahtbrücke  den  Auegarten  häßlich  zerschneidet,  oder  bei  der  Ein- 
fahrt in  den  Hauptbahnhof  zum  Hange  des  Tannenwäldchens  empor- 
zublicken, der  jetzt  durch  einen  hohen  Straßendamm  verschüttet  wird 
—  um  dies  bei  aller  Achtung  vor  einer  vollendeten  Technik  bestätigt 
zu  finden. 

Doch  auch  Besseres  ist  aus  der  Hessenhauptstadt  zu  melden:  Die 
obere  Königstraße  steigt  zuin  Wilhelmshöher  Platz  an,  auf  dem  jetzt  ein 
guter  Neubau  mit  vorspringendem  Turm  in  der  Mitte  einen  stolzen  Ab- 
schluß der  Straße  bildet.  Nach  der  entgegengesetzten  Seite  bewirkt  dies 
der  Neubau  eines  Warenhauses  an  der  umgeknickten  Unteren  Königstraße 
im  Verein  mit  dem  darüber  emporragenden  Turmpaar  der  St.  Martins- 
kirche. Am  Königsplatze  fügt  sich  ferner  der  Neubau  der  Hessischen 
Bank,  der  mit  seinem  mittleren,  das  Mansarddach  durchbrechenden  Giebel- 
aufbau an  die  alte,  wenn  auch  bescheidenere  Bauweise  des  Platzes  wieder 
anklingt,  vortreftlich  in  die  Platzwandung  ein. 


CHRONIK. 


Der  Stadtrat  von  Freiburg  i.  Br.  hat  im  Interesse  der  VERBESSE- 
RUNG DER  LÄNDLICHEN  BAUWERKE  in  der  Um- 
gebung der  Stadt  beschlossen,  daß  künftig  minderwertige  Baupläne  im 
Einverständnis  mit  den  Bauwerbern  zu  brauchbaren  Entwürfen  umgestaltet 
werden.  Die  für  diesen  Zweck  erforderlichen  Mittel  sollen  in  den  Vor- 
anschlag eingestellt  werden.  E. 

"pviE   AKADEMIE    FÜR  KOMMUNALE  VERWALTUNG. 

^"^  Die  Akademie  für  kommunale  Verwaltung  in  Düsseldorf  veröffent- 
licht jetzt  das  Verzeichnis  der  Vorlesungen  im  Wintersemester  igi2,i3. 
Es  ist  kostenlos  vom  Sekretariat,  Bilker-AUee   129,  zu   beziehen. 

Der  Lehrplan  der  Akademie  für  das  neue  Studienjahr  ist  nach  den 
bisher  bewährten  Grundsätzen  und  nach  den  im  ersten  Studienjahr  ge- 
machten Erfahrungen  aufgestellt.  Die  Akademie  wUl  eine  Fachhochschule 
sein.  Deshalb  ist  der  Lehrplan  streng  systematisch  zugeschnitten  auf  die 
Zwecke,  welche  die  Akademie  verfolgt.  Sie  will  nicht  ein  buntes,  den 
Hörer  verwirrendes  Vielerlei  von  Wissenswertem  geben,  sondern  die  Er- 
weckung einer  einheitlichen  und  klaren  Auffassung  bei  den  Hörern  ist 
ihr  Ziel.  Den  Grundstock  des  Jahreslehrplanes  bilden  umfangreichere, 
fünf-,  drei-  und  zweistündige,  von  Theoretikern  gehaltene  Vorlesungen 
und  Übungen  über  Gebiete  des  kommunalen  und  staatlichen  Verfassungs- 
und Verwaltungsrechts  und  der  Volkswirtschaftslehre.  Die  für  die 
kommunale  Praxis  wichtigsten  rechtlichen  und  volkswirtschaftlichen 
Gegenstände  werden  dann  von  lehrerfahrenen  Praktikern,  welche  für  den 
betreffenden  Verwaltungszweig  Spezialisten  sind,  behandelt.  Der  Grund- 
satz der  Düsseldorfer  Akademie  ist:  „Non  multa  sed  multum!"  Falls  die 
Hörer   neben    ihren    akademischen    Studien    noch   Zeit   erübrigen    können. 


ist  ihnen  zwar  in  den  Akademischen  Kursen  für  allgemeine  Fortbildung 
und  Wirtschaftswissenschaften  die  Möglichkeit  gegeben,  an  allgemein 
bildenden  Vorlesungen  und  Übungen  teilzunehmen  und  das  Vorlesungs- 
verzeichnis weist  auf  die  Möglichkeit  und  die  besonderen  für  die  Teil- 
nahme gewährten  Vergünstigungen  auch  ausdrücklich  hin,  einen  Teil  des 
Lehrprogrammes  der  Akademie  bilden  jene  Vorlesungen  aber  nicht. 

An  den  Grundsätzen  festhaltend,  welche  im  ersten  Jahre  ihres  Be- 
stehens sich  bewährt  haben,  und  mit  dem  festen  Willen,  im  Sinne  des 
für  richtig  Erkannten  ihre  Tätigkeit  auszugestalten,  tritt  die  Akademie 
zu  Düsseldorf  in   ihr  zweites  Lebensjahr  ein. 

•pVlE  HUMBOLDT- AKADEMIE  veröffentlicht  ihr  Programm  für 
^-^  das  vierte  Lehrvierteljahr  igi2,  das  240  Vortragsreihen  enthält.  Die 
Vorlesungen  umfassen  die  Gebiete  sämtlicher  Wissenschaften  und  ihrer 
praktischen  Anwendung.  Neu  hinzugetreten  sind  u.  a.  Vorlesungen  über 
Landwirtschaft,  Tierarzneikunde,  Biologie,  Geologie  und  Völkerkunde. 
Vorlesungsverzeichnisse  und  Hörerkarten  sind  im  Hauptbureau,  Kurfürsten- 
straße 166,  I,  ibis3  (Lützow  8794),  in  den  Geschäftsstellen  mehrerer  Ver- 
eine sowie  in  zahlreichen  Buchhandlungen  in  allen  Stadtteilen  erhältlich. 
Wir  machen  unsere  Leser  auf  folgende  Vorlesungen  besonders 
aufmerksam : 

Diplom-Ingenieur  Leo  Nachtlicht:  Einführung  in  die  Architektur  und  das 
Kunstgewerbe.  W.  i  Lützowstraße  84 d,  Dienstags  6  bis  7,  und 
Architektenhaus,  Dienstags   12  bis  i. 

Dr.  "Werner  Hegemann:  Einführung  in  die  städtebaulichen  Fragen  von 
Groß-Berlin.     Georgenstraße  30  31,  Donnerstags  9  bis  lo. 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  66.  —  Gedruckt  bei  Herros^  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W^. 

/51- 


9.  Jahrgang 


1912 


12.  Heft 


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DER  STÄDTEBAU. 


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ManAT^SCMRIFT 

FÜR-  DiE-  KÜNSTLSÜSOIEAUyQESTAb 
TUNQ  DER -STÄDTE  •  MAm  JHRm-WlRT 
SOIAfTÜCHEM-  QESL/NDIIEITÜOIEN-  UND 
SOZ.IALEN- ÖRUND^TZEN:  QEQRÜNDETVON 

[rriEODORfinrCKF'C^MfLiqSiTi 

l^g)  V£RLAQ^ERNp  WA^UTH.  BERÜN. 

V*  NEBST  EINER  SONDtRBEILAGE:  LITERATURBERICHT,  HERAUSGEGEBEN  VON  RUDOLF  EBERSTADT  ** 


INHALTSVERZEICHNIS:  Preisausschreiben  für  eine  Ringanlage  in  Hamm  (Westfalen).  Von  Regierungsbaumeister  a.  D.  Dr.-Ing.  Dondorff.  —  Ein 
mittelalterliches  Städtchen.  Von  Cornelius  Gurlitt,  Dresden.  —  Landhausviertel  „Fünfzehnerwörth"  der  Stadt  Straßburg  im  Elsaß.  Von  Stadtbau- 
inspektor Ehlgötz,   Mannheim.    —    Der  Riesentunnel   unter   der  Elbe.     Von  Zivilingenieur  Max  A.  R.  Brünner,    Berlin.    —    Bücherbesprechungen.     Von 

Theodor  Goecke,  Berlin.  —   Chronik.   —  Inhalts-Veizeichnis. 

Nachdruck  der  Aufsätze  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  der  Schriftleitung  verboten. 


PREISAUSSCHREIBEN  FÜR  EINE  RINGANLAGE 

IN  HAMM  (WESTFALEN). 


Von  Regierungsbaumeister  a.  D.  Dr.-Ing.  DONDORFF. 

Hamm  liegt  an  der  Mündung  der  Ahse  in  die  Lippe. 
Beiden  Flüssen  werden  im  Bezirk  der  Stadt  zurzeit  neue 
Betten  geschaffen:  die  Stadtverwaltung  beseitigt  die  Ahse 
aus  dem  bebauten  Teil  der  Stadt  —  hauptsächlich  zum 
Schutz  gegen  Hochwasser,  worunter  Hamm  bisher  sehr 
zu  leiden  hatte,  dann  aber  auch  zur  Beseitigung  gesundheits- 
schädlicher Zustände,  die  bei  niedrigem  Wasserstande  durch 
die  Verunreinigung  der  Ahse  und  insbesondere  den  mit  ihr 
in  Zusammenhang  stehenden  Gräben  herbeigeführt  wurden; 
von  Staats  wegen  wird  das  Lippebett  im  Zusammenhang  mit 
der  Ausführung  des  Lippe-Seiten-Kanals  etwa  100  m  parallel 
verlegt.  Mit  der  Verlegung  der  Ahse  fallen  die  erwähnten 
Gräben  —  „Stadtgraben"  und  „Verbindungsgraben"  zwischen 
Ahse  und  Lippe  — ,  welche,  die  Altstadt  umgebend,  in  frühern 
Zeiten  zusammen  mit  den  beiden  Flüssen  zum  Schutze  der 
Festung  Hamm  dienten,  fort. 

Diese  Umwälzungen  begründen  —  zunächst  ganz  ab- 
gesehen von  der  Verwendungsart  des  freiwerdenden  Gebietes 
der  bisherigen  Wasserläufe  -  in  städtebaulicher  Beziehung 
eine  neue  Entwicklungsperiode  für  die  in  stetem  Aufschwung 
befindliche  Industriestadt. 

Während  bisher  nur  an  den  vier  nach  der  Windrose 
benannten  „Toren",   die   tatsächlich  nicht  mehr  vorhanden 


Nebst  2  Tafeln  No.  67  u.  68. 


sind.  Brücken,  welche  den  Forderungen  des  zunehmenden 
Verkehrs  nicht  mehr  entsprechen.  Alt-  und  Neustadt  über 
den  Wassergürtel  miteinander  verbinden,  können  künftig 
längst  geplante,  aber  wegen  der  kostspieligen  Brücken 
bisher  unausgeführte  Straßenverbindungen  ohne  weiteres 
durchgeführt  werden.  In  dem  Westen  des  Stadtgebietes, 
dem  insbesondere  die  beiden  großen  Drahtwerke  von  Krupp 
und  Phönix  den  Stempel  des  Industrieviertels  aufdrücken, 
wird  zurzeit  im  Zusammenhang  mit  dem  Kanalbau  der 
großzügige  Entwurf  eines  städtischen  Hafens  ausgeführt. 
Was  aber  wäre  für  Hamm  ein  Hafen  —  abgesehen  vom 
Eisenbahnanschluß  —  ohne  angemessene  Straßenverbin- 
dungen mit  der  Stadt?  Die  Hauptverbindung  des  Hafens 
mit  der  Altstadt  wird  aber  erst  möglich  durch  die  Verlegung 
der  Ahse,  in  deren  Zuge  auf  der  Mündungsstrecke  vom 
Westentor  ab  sich  die  Hafenstraße  hinziehen  wird.  Das 
Industrieviertel  im  Westen  ist  von  der  übrigen  Stadt  durch 
die  Eisenbahn  getrennt,  und  für  die  bisherige  einzige  Ver- 
bindung zwischen  beiden  Stadtteilen  im  Zuge  der  west- 
östlichen Verkehrsader  bietet  die  neue  Hafenstraße  die 
dringend  erwünschte  Entlastung. 

Im  Osten  der  bebauten  Stadt  schließlich,  zwischen  der 
in  der  Niederung  hochwasserfrei  eingedeichten  neuen  Ahse 


133 


DER  STÄDTEBAU 


und  der  Altstadt,  wird  durch  die  Verlegung  des  Flusses  ein 
ausgedehntes,  bisher  der  jährlichen  Überschwemmung  aus- 
gesetztes Gelände  der  spätem  Bebauung  erschlossen. 

Wenn  es  auch  unter  diesen  Umständen  nahelag,  das 
unmittelbar  um  die  Altstadt  herum  frei  werdende  Gebiet 
nicht  ohne  weiteres  der  Bebauung  freizugeben,  so  ist 
darum  nicht  weniger  die  einmütige  Opferwilligkeit  an- 
zuerkennen, mit  welcher  die  städtischen  Körperschaften 
trotz  der  nicht  gerade  günstigen  Finanzlage  Hamms 
beschlossen,  das  Gebiet  der  bisherigen  Wasserläufe  in 
schwankender  Breite  von  30  bis  70  m  durch  Schaffung  einer 
würdigen  Ringanlage  der  Nachwelt  als  „Lunge  der  wer- 
denden Großstadt"  zu  erhalten. 

Zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  die  Ringanlage 
schrieb  die  Stadt  Hamm  Anfang  dieses  Jahres  einen  öffent- 
lichen Wettbewerb  für  deutsche  Städtebauer  und  Garten- 
künstler aus.  Das  Programm  gab  die  Teilstrecken  an,  längs 
deren  die  Bebauung  des  anstoßenden  Geländes  gestattet 
werden  soll,  ferner  andere  Strecken,  auf  denen  durch  Fest- 
setzung rückwärtiger  Baufluchtlinien  eine  Ergänzung  der 
Anlagen  durch  die  anstoßenden  Gärten  gewährleistet  werden 
soll.  Für  bestimmte  öffentliche  Gebäude  sollten  zweck- 
mäßige Plätze  auf  dem  reichlich  zur  Verfügung  stehenden 
.  städtischen  Grund  und  Boden  vorgesehen  werden.  Die 
eigentliche  Ringanlage  sollte  sich  vom  Westentor  über 
Süden-  und  Ostentor  zum  Nordentor  erstrecken.  Vom 
Nordentor  zum  Westentor  sollte  der  Ring  wegen  der  hohen 
Bodenpreise  lediglich  in  Form  einer  Ringstraße  mit  Grün- 
flächen und  beiderseitiger  Bebauung  geschlossen  werden. 
Zu  dem  Zweck  sollte  das  Gebiet  nordwestlich  der  Altstadt 
möglichst  günstig  aufgeteilt  werden  durch  einen  Bebauungs- 
plan, der  unter  anderm  die  erwähnte  Verkehrsstraße  zum 
Hafen  enthalten  sollte.  Im  übrigen  war  den  Bewerbern 
möglichst  Bewegungsfreiheit  gelassen. 

Das  Preisausschreiben  fand  großen  Anklang.  69  Ent- 
würfe gingen  ein.  Der  Erfolg  zeigte,  daß  hier  nur  ein  ge- 
meinsames Arbeiten  des  Städtebauers  mit  dem  Garten- 
künstler zum  Ziele  führen  konnte.  Nach  einstimmigem 
Beschluß  des  Preisgerichts  wurde  mit  dem  I.  Preis  von 
3000  Mk.  bedacht  und  ohne  weiteres  zur  Ausführung  emp- 
fohlen der  Entwurf  mit  dem  Kennwort:  „Bürgersinn 
schmücke  die  Stadt  mit  des  Ringwalls  grünendem  Kranze; 
Weiser  Lenker  Beschluß   preiset  das  fernste   Geschlecht". 

Die  Verfasser,  Regierungsbaumeister  a.  D.  Dr.-Ing.  Don- 
dorff  in  Hamm,  Architekt  Herm.  Neuhaus  und  Garten- 
architekten Rausch  und  Reinhard  in  Cöln  a.  Rh.,  sind  in 
diesem  Entwürfe  von  dem  Grundsatze  ausgegangen,  die 
bestehenden  Verhältnisse  —  Höhenlage,  Grünflächen, 
Wasserflächen  —  nach  Möglichkeit  beizubehalten.  So  sind, 
während  die  Fahrstraße  mit  Rücksicht  auf  die  Querstraßen 
hochgelegt  worden  ist,  die  Anlagen  im  allgemeinen  in  der 
Niederung  angeordnet,  wodurch  praktische  und  schönheit- 
liche Vorteile  in  glücklicher  W^eise  vereinigt  werden  konnten. 
Eine  Fahrstraße  und  ein  Reitweg  sind  im  Gegensatz  zu 
allen  übrigen  Entwürfen  im  ganzen  Umkreise  durchgeführt. 
Rhythmischer  Wechsel  zwischen  einfach  gärtnerischer  und 
streng  architektonischer  Gestaltung  der  Anlagen  gewähr- 
leistet eine  reizvolle  Gesamtwirkung.  Als  belebendes 
Moment  ist  dabei  im  Süden  in  beschränktem  Umfange  die 
Ahse  beibehalten  und  zur  Betonung  öffentlicher  Gebäude 
mehrmals  beckenartig  erweitert  worden;  im  Norden  ist 
das    breite  Lippebett   als  Wasserpark    ausgebildet   und   die 


alte  Schleuseninsel  in  eine  „Roseninsel"  mit  Inselkaffeehaus 
umgewandelt  worden.  Im  übrigen  bringen  bei  aller  Ruhe 
und  Einfachheit  der  Anlagen  Spielplätze,  Brunnenanlagen 
und  Springbrunnen  Abwechslung  in  das  Bild. 

Städtebaulich  ist  von  besonderer  Bedeutung  die  Ver- 
bindung der  Anlagen  mit  der  Architektur.  Wichtig  und  — 
wie  viele  ungeeignete  Vorschläge  zeigen  —  schwierig  zu 
lösen  war  da  zunächst  der  Westentorplatz  als  „Eingang  in 
die  Anlage".  Hierfür  enthält  der  vorliegende  Entwurf  zwei 
Vorschläge:  soll  das  den  Platz  beherrschende  Gebäude  des 
Landratsamtes  in  seinen  unschönen  Formen  beibehalten 
werden,  so  können  nur  gärtnerische  Hilfsmittel  zur  Er- 
zielung einer  geschlossenen  Raumwirkung  benutzt  werden 
—  Vorschlag  a;  entschließt  man  sich  aber  zu  einer  äußern 
Umgestaltung  des  Gebäudes  in  einfachen  Formen,  so  kann 
der  Platz  seiner  Bedeutung  entsprechend  durch  archi- 
tektonische Aufwendungen  Säulengang  mit  Eingangs- 
pforte, ferner  Brunnenbecken  mit  hoher  Säule  besonders 
betont  werden  —  Vorschlag  b.  Ein  zweiter  wichtiger 
Punkt  der  Anlage  ist  am  „Südentor".  Hier  haben  die  Ver- 
fasser über  das  Programm  hinaus  einen  Rathausneubau 
mit  abseits  von  der  lebhaften  Südstraße  liegendem,  intimem 
Rathausplatz  vorgeschlagen.  Schaubild  4  zeigt,  wie  die 
Bebauung  von  dem  hohen  Hauptbau  des  Rathauses  an  der 
Südstraße  über  den  spätem  Erweiterungsbau  -  den  ein 
Ehrenhof  vom  Platze  trennt  zur  Bürgermeisterwohnung 
und  den  sich  daran  anschließenden  Villen  abgestuft  werden 
müßte.  Die  meisten  nur  von  wenigen  Bewerbern  über- 
wundenen Schwierigkeiten  bot  der  südöstliche  Eckpunkt 
der  Anlage.  Hier  konnte  offenbar  eine  befriedigende 
Lösung  nur  dadurch  erzielt  werden,  daß  der  Anlage  nach 
Osten  wie  auch  nach  Süden  ein  monumentaler  Abschluß 
durch  ein  hervorragendes  Gebäude  gegeben  wurde.  Hier 
war  also  —  auch  nach  dem  Urteil  des  Preisgerichts  —  der 
gegebene  Platz  zur  Planung  des  neuen  Landratsamts  und 
Amtsgerichts,  die  hier  mit  einem  neuen  Schulgebäude  zu 
einem  „akademischen  Viertel"  vereinigt  wird.  Zusammen 
mit  dem  am  Knickpunkt  des  Ostenwalls  vorgeschlagenen 
Gasthaus  „Ringterrasse",  bei  dem  der  Höhenunterschied 
zwischen  Wall-  und  Ringstraße  zu  terrassenförmiger  Ge- 
staltung des  Gartens  ausgenutzt  wird,  bildet  dieses  Viertel 
einen  hervorragenden  Punkt  der  Anlage.  Neue  Straßen 
verbinden  es  mit  den  bestehenden  unter  günstiger  Auf- 
schließung von  privatem  Baugelände.  —  Bei  dem  Be- 
bauungsplan für  das  Gebiet  nordwestlich  der  Altstadt  ist 
W^ert  gelegt  worden  auf  eine  schlanke  Linienführung  der 
Verkehrsstraße  zum  Hafen,  auf  tunlichste  Durchführung 
des  Ringcharakters  vom  Nordentor  bis  zum  Westentor 
durch  breite  Straßen  mit  Baumreihen  und  Grünflächen 
und  auf  praktische  Bebauung  des  Geländes.  —  Das  Preis- 
gericht betont  in  seinem  Urteil,  „daß  die  örtlichen  Ver- 
hältnisse mit  anerkennenswerter  Gründlichkeit  studiert  und 
in  weitestgehendem  Maße  beachtet"  worden  sind.  „Die 
städtebaulichen,  gartenkünstlerischen  und  wirtschaftlichen 
Gesichtspunkte  sind  so  gründlich  berücksichtigt,  daß  das 
Preisgericht  keinerlei  wesentliche  Ausstellungen  zu  machen 
hat  und  den  Entwurf  ohne  weiteres  zur  Ausführung  emp- 
fehlen kann."  „Die  sämtlichen  Platzanlagen  zeigen  ein 
treffsicheres  Gefühl  für  die  Verteilung  der  Massen  und  für 
die  Raumgestaltung." 

Mit  dem   II.  Preis    wurde    ausgezeichnet    der   Entwurf 
„Stadtwappen",  Verfasser  Architekt  P.  Bender  und  Garten- 


134 


DER  STÄDTEBAU 


architekt  C.  Krause,  Dresden.  Er  bietet  mit  seiner  ein- 
fachen, aber  folgerecht  durchgeführten  Gestaltung  eine  an- 
sprechende Lösung:  die  ganze  Anlage  ist  ein  „behagliches 
Wiesengelände",  meist  von  einer  Fußgängerallee  begrenzt, 
im  übrigen  „von  Baumgruppen  durchsetzt  und  von  gut  und 
praktisch  angelegten  Fußw^egen  durchzogen".  Dabei  ist 
hervorzuheben,  daß  die  vorhandenen  Höhenunterschiede 
nicht  mit  erheblichem  Kostenaufwand  ausgeglichen,  sondern 
zur  Hebung  der  Gesamtwirkung  beibehalten  wurden.  Nicht 
so  lobenswert  wie  in  gartenkünstlerischer  Beziehung  ist  die 
Aufgabe  jedoch  nach  der  städtebaulichen  Seite  hin  gelöst. 
Der  III.  Preis  fiel  auf  den  Entwurf  „Denkt  an  die 
Zukunft"  von  Stadtbaumeister  Förster  in  Hamm,  Garten- 
architekt Foeth  und  Architekt  Recht  in  Cöln.  Hierbei  fallt 
auf,  daß  die  grundlegende  Frage,  ob  die  Anlagen  hoch  oder 
tief  liegen  sollen,  von  den  Verfassern  nicht  beantwortet 
wird.  Aus  verschiedenen  Einzelheiten  muß  man  schließen, 
daß  das  ganze  Gelände  —  wirtschaftlichen  und  schönheit- 
lichen Gründen  entgegen  —  aufgehöht  werden  soll.  Das 
Preisgericht  nimmt  indes  anscheinend  an,  daß  die  Anlagen 
tiefliegend  gedacht  sind,  denn  es  findet  in  der  Führung 
einer  Allee  in  10— 15m  Abstand  von  der  streckenweise  ge- 
planten Fahrstraße  „eine  fehlerhafte  Zerstörung  der  Tal- 
wirkung" ;  „außerdem,"  sagt  es  weiter,  „läßt  die  Höhe  der  die 
Anlagen  durchführenden  Straßen  eine  künstlerisch  be- 
friedigende Gestaltung  der  Längenprofile  nicht  zu".  Der 
letztere  Tadel  trifft  offenbar  nicht  zu,  wenn  die  Anlagen 
hoch  liegen.  Dagegen  muß  es  als  verfehlt  bezeichnet  werden, 
wenn  z.  B.  beim  Südentor  die  westliche  Ringstraße  in  eine 
vorhandene  Straße  abgeleitet,  statt  in  die  östliche  Ringstraße 
stetig  übergeleitet  wird.  Zu  letzterem  Zweck  war  hier  frei- 
lich eine  kleine  Abweichung  von  einer  allgemein  gehaltenen 
Programmbestimmung  über  die  Führung  der  westlichen 
Ringstraße  erforderlich,  ebenso  wie  eine  solche  Abweichung 


zu  Beginn  dieser  Straße  am  Westentor  im  Interesse  einer 
würdigen  Einleitung  in  die  Anlagen  und  zur  Schonung  alten 
Baumbestandes  sehr  erwünscht  war.  Beide  Abweichungen 
sind  vom  I.  Preisentwurf  ausdrücklich  vorgenommen  und 
hier  vom  Preisgericht  gutgeheißen  worden.  Es  wäre  daher 
wohl  empfehlenswert,  bei  Preisausschreiben  mehr  zu  unter- 
scheiden zwischen  den  Vorschriften,  die  unbedingt  zu  be- 
folgen sind,  und  denjenigen,  von  denen  bei  triftiger  Be- 
gründung abgewichen  werden  kann,  —  Noch  zu  einer 
weiteren  allgemeinen  Bemerkung  gibt  der  Entwurf  An- 
laß. Das  Programm  verlangte  zwei  Schaubilder.  Hierbei 
konnte  es  sich  lediglich  um  die  Darstellung  von  Raum- 
wirkungen, nicht  aber  um  maßgebende  Vorschläge  für  die 
Gebäudearchitektur  handeln,  zumal  da  ja  die  Stadt  keinen 
Einfluß  auf  die  Gestaltung  von  staatlichen  Gebäuden  hat. 
Das  Gegenteil  sollte  man  meinen,  wenn  man  die  meisten 
eingereichten  Schaubilder  betrachtet.  Man  begegnet  da 
einem  auffallenden  Bestreben,  monumental  zu  wirken  und 
durch  aufwendige  Architekturbilder  zu  blenden,  freilich  auf 
Kosten  der  Berücksichtigung  der  örtlichen  Verhältnisse :  von 
vorhandenen  Gebäuden  ist  nichts  mehr  zu  sehen,  obschon 
mit  deren  Bestehen  noch  jahrzehntelang  zu  rechnen  ist, 
reine  Phantasiegebilde  ohne  jede  Beziehung  zur  örtlichkeit 
und  mit  Abmessungen,  die  häufig  in  einem  Mißverhältnis  zu 
den  vorhandenen  Platzgrößen  stehen,  sind  an  ihre  Stelle 
getreten.  So  kann  man  wohl  bei  jungfräulichem  Gelände 
planen,  nicht  aber,  wo  Neues  sich  in  Bestehendes  einfügen 
soll.  Mit  dem  Preisausschreiben  hat  die  Stadt  Hamm  nicht 
nur  den  angestrebten  Zweck  erreicht,  sondern  auch  vor- 
bildlich gewirkt:  in  dem  benachbarten  Soest  ist  angeregt 
worden,  ähnlich  wie  in  Hamm  einen  Wettbewerb  zur 
Planung  einer  Ringanlage  im  Zuge  der  alten  Wälle  und 
Gräben  zu  veranstalten.  Vom  städtebaulichen  Standpunkte 
aus  ist  dies  mit  Freuden  zu  begrüßen. 


EIN  MITTELALTERLICHES  STÄDTCHEN. 


Von  CORNELIUS   GURLITT,    Dresden.     Hierzu  Tafel  69. 


Ein  Teilnehmer  am  Dresdener  Städtebau-Seminar,  Herr 
J.  Baltißer,  hatte  die  Güte,  mir  einen  von  ihm  auf- 
gemessenen Plan  des  Schweizer  Städtchens  Neunkirch 
vorzulegen. 

Es  gehörte  dies  einst  dem  Bischof  von  Konstanz, 
liegt  jetzt  im  Kanton  Schaffhausen,  10  km  westlich  von 
der  Stadt,  an  der  Bahnlinie  nach  Basel.  Der  Plan  der 
Stadt  ist  so  eigenartig,  das  seine  Veröffentlichung  sich 
rechtfertigt. 

Ein  paar  Worte  zur  Geschichte  des  Ortes,  zu  der  Ober- 
lehrer Wildberger  in  der  Zeitschrift  „Randerschau"  (Schaff- 
hausen 1886)  Unterlagen  bietet. 

1155  wird  der  Ort  bereits  genannt,  er  lag  damals  auf 
einer  Anhöhe,  auf  der  noch  heute  die  Pfarrkirche  steht. 
Diese,  jetzt  Bergkirche  genannt,  erweist  sich  nach  der  mir 
vorliegenden  Photographie  als  ein  einschiffiger,  anscheinend 
frühgotischer,  rechteckiger  Bau  mit  schmalen  Maßwerks- 
fenstern und  ohne  Streben.  Daneben  steht  ein  wohl  gleich- 
zeitiger kräftiger  Turm.  Ich  mochte  aus  den  wenig  genauen 
Aufnahmen  auf  eine  Entstehung  in  der  ersten  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts   schließen.     Nach   der  Sage   soll   die    alte 


Stadt  abgebrannt  und  ein  neuer  Ort  auf  einer  tiefer  ge- 
legenen Wiese  erbaut  worden  sein.  Nach  verschiedenen 
Andeutungen  scheint  dies  vor  1330  geschehen  zu  sein. 
Namentlich  weist  darauf  ein  Ortsgesetz  von  diesem  Jahre, 
die  „Öffnung",  die  kulturgeschichtlich  wertvoll  genug  ist, 
daß  sie  in  den  Grimmschen  „Weistümern"  aufgenommen 
wurde. 

Man  kann  also  im  allgemeinen  annehmen,  daß  die  Stadt 
Neunkirch  nach  einheitlichem  Plan  geschaffen  wurde.  Auch 
ist  nur  die  alte  Anordnung  durch  den  Abbruch  der  Mauern 
und  dadurch  geändert  worden,  daß  mehrere  Häuser  nach 
Brandschäden  nicht  wieder  aufgebaut  wurden. 

Die  Mauer  war  4  Fuß  dick  und  bildete  ein  oblonges 
Rechteck  von  253  (resp.  255)  zu  136  (resp.  138)  m  im  Lichten. 
An  den  beiden  Schmalseiten  südlich  von  der  Achse  lagen 
die  beiden  Tore,  nach  Osten  das  Obertor,  nach  Süden  das 
Untertor.  Nur  das  erstere  ist  erhalten,  ein  stattlicher  recht- 
eckiger Turm  mit  spitzem  Zeltdach,  das  ein  Glockenturm 
bekrönt.  Beide  Tore  verbindet  die  etwa  12  m  breite  Vorder- 
gasse, mit  der  parallel  sich  nördlich  die  Mühlgasse  und 
die  Herrengasse,  südlich  die  Hintergasse  hinzieht.    Namen- 


135 


DER  STÄDTEBAU 


lose  Verbindungsgassen  befinden 
sich  nahe  den  Schmalseiten  der 
Ummauerungen.  Diese  Gassen 
haben  eine  Breite  von  zehn  und 
mehr  Meter,  werden  aber  dadurch 
außerordentlich  beengt,  daß  hinter 
den  Häusern  sich  Düngerstätten 
befinden,  die  den  landwirtschaft- 
lichen Betrieben  dienten.  Zollten 
doch  die  Bürger  unter  anderem 
dem  Bischöfe  jährlich  eine  An- 
zahl Schweine. 

Nahe  dem  Osttor  steht  der 
alte  Gasthof  zum  Hirschen,  eines 
der  ansehnlichsten  Grundstücke 
des  Städtchens.  In  der  Mitte  der 
Vordergasse  das  Gemeindehaus, 
durch  das  ein  Durchgang  nach 
der  bescheidenen  Kirche  führt. 
Das  Gemeindehaus  scheint  aus 
dem  16.  Jahrhundert  zu  stammen. 
An  die  Kirche  schließt  sich  Schule 
und  Pfarre,  über  die  mir  weitere 
Angaben  fehlen.  In  der  Nordost- 
ecke des  Städtchens  befindet  sich 
der  Oberhof,  in  dem  sich  die 
Verwaltung  des  Bischofs  befand. 

Vor  dem  Obertor  lag  die  Mühle,  deren  Besitzer  sich  ausdrück- 
lich damit  einverstanden  erklärt  hatte,  daß  sie  im  Kriegsfall 
niedergerissen  werden  dürfe.  Die  Stadt  umgab  ein  Graben 
und  ein  Glacis,  das  die  Bauten  der  Vorstadt  auf  etwa  30  m 
von  der  Mauer  entfernt  hielt.  Die  zum  Teil  reizvoll  ausge- 
statteten Brunnen  versahen  Bürger  und  Vieh  mit  Trinkwasser. 

So  war  das  kleine  Gemeinwesen  ganz  in  sich  ab- 
geschlossen. Es  umfaßte  etwa  140  Wohngrundstücke,  so 
daß  man  die  Bevölkerung  auf  etwa  600—700  Seelen  ansetzen 
darf;  vielleicht  etwas  mehr,  da  oft  ein  Haus  mehreren  Be- 
sitzern gehört.  Schon  aus  der  Aufteilung  der  Grundstücke 
erkennt  man,  daß  für  die  sich  mehrende  Bevölkerung  die 


Ummauerung  zu  eng  wurde:  die  Frontlängen  der  Häuser 
gehen  bis  auf  4  m  herunter;  es  gibt  Grundstücke  von  5  :  12 
=  60  qm  Fläche.  Die  Zufahrten  für  die  Heuwagen  sind 
außerordentlich  ungünstig,  so  daß  man  die  Anordnung  der 
heutigen  Bürger,  Brandstätten  zu  Plätzen  umzugestalten, 
wohl  versteht. 

Jedenfalls  ist  uns  in  Neukirch  ein  historisch  lehrreiches 
städtebauliches  Beispiel  aus  dem  Mittelalter  erhalten,  wenn 
auch  bescheidenster  Form,  jedoch  von  einheitlicher  Planung. 
Und  zwar  stammt  dies  nicht,  wie  so  viele  andere,  aus  dem 
Kolonisationsgebiet  des  deutschen  Osten,  sondern  mitten  aus 
altgermanischen  Landen. 


LANDHAUSVIERTEL  „FÜNFZEHNERWORTH" 
DER  STADT  STRASSBURG  IM  elsass. 


Von  Stadtbauinspektor  EHLGÖTZ,  Mannheim.     Hierzu  Tafel  70. 


Straßburg  im  Elsaß  bemüht  sich  mit  Erfolg,  seine 
Wohnungsverhältnisse  zu  bessern.  Der  Straßendurchbruch 
von  Alt-St.  Peter  nach  dem  Metzgertor  gibt  der  Altstadt  ihre 
hervorragendste  Verkehrs-  und  Geschäftsstraße  (vgl.  Städte- 
bau 1911  No.  12).  Für  die  kleinen  Leute  ist  gesunde  Wohn- 
gelegenheit in  der  Gartenstadt  Stockfeld  geschaffen  worden 
(vgl.  Städtebau  1911  No.  4);  diese  Gartenstadt  hat  sich 
glänzend  bewährt,  das  letzte  Häuschen  ist  vermietet.  Dem 
Bedürfnis  des  Mittelstandes  sieht  die  Stadtverwaltung  neuer- 
dings durch  die  bauliche  Erschließung  des  Fünfzehnerwörths 
gerecht  zu  werden.  Nächst  der  Orangerie,  vor  Nordwind 
geschützt,  mit  Blick  auf  die  Höhen  des  Schwarzwaldes  ist 
dieses  Gelände  für  ein  Landhausviertel  sehr  geeignet. 


Der  Baulinienplan  ist  vom  Stadtbauamt  (Beigeordneter 
Baudirektor  Eisenlohr)  entworfen;  es  sind  zwei  Verkehrs- 
straßen vorgesehen,  die  eine  an  der  Südseite  (die  Richard- 
Wagner-Straße),  die  zweite  mit  Straßenbahn  an  der  West- 
seite. Die  übrigen  Straßen  sind  als  Wohnstraßen  aus- 
gebildet. Ein  kleiner  freier  Platz  soll  das  Hauptschmuck- 
stück des  neuen  Stadtteils  geben. 

Das  Gelände  umfaßt  eine  Fläche  von  etwa  12  ha  und 
ist  Eigentum  der  Stadt.  Für  seine  Bebauung  gelten  die 
Bestimmungen  der  Bauklasse  C  II  (offene  Bauweise  mit 
Einzel-,  Doppelhäusern  und  Gebäudegruppen),  nach  welchen 
40 "/o  des  Geländes  überbaut  und  nur  Eigenheime  mit  zwei 
Hauptgeschossen  (Erd-   und  Obergeschoß)  erstellt  werden 


136 


DER  STÄDTEBAU 


dürfen.    Der  Bau  der  Villen  wird  wesentlich  erleichtert  und 
verbilligt   durch    Herabsetzung    der    feuerpolizeilichen   und 
statischen  Anforderungen.      Zum  Zwecke   der  Verwertung 
dieses    Geländes    hat   die   Stadt    mit    der   Eigenheim-Bau- 
gesellschaft für  Deutschland  unterm  ^x."!!    einen    Vertrag 
abgeschlossen,  nach  welchem  die  Stadt  und  die  Gesellschaft 
die    bauliche  Erschließung   gemeinschaftlich   unternehmen. 
Das  Gelände  wird   zu   einem  die  Selbstkosten  kaum  über- 
steigenden,   äußerst  mäßigen   Preise,   welcher  je   nach  der 
Lage  20  Mk.  bis  26  Mk.  für  den  Quadratmeter  einschließlich 
der  Straßengebühren  beträgt,   abgegeben.     Die  Gesellschaft 
ist  verpflichtet,   das   ganze  Gelände  innerhalb  6  Jahren  an 
Dritte  zu  veräußen.    Der  Käufer  des  Geländes  hat  20  "/o  des 
Kaufpreises  bar  zu  entrichten  und  den  Rest  in  drei  Jahren 
nachzubezahlen.    Das  Grundstück  ist  innerhalb  drei  Jahren 
zu   bebauen,    wobei   das  Äußere   der  Gebäude   der  Begut- 
achtung der  städtischen  Kunstkommission  unterliegt.    Die 
Errichtung  von  Wirtschaften  oder  Geschäftsbetrieben  bedarf 
der    besonderen    Genehmigung;    störende    Gewerbebetriebe 
sind  ausgeschlossen.   W^ird  ein  Anwesen  vermietet,  so  darf 
die  Miete  nach  Abzug  aller  Abgaben  nicht  mehr  als  ö'/g^/o 
Verzinsung   der   Selbstkosten    abwerfen.     Zur  Vermeidung 
der  Spekulation  ist  das  Wiederkaufsrecht  für  die  Stadt  in 
der  Weise  ausbedungen,   daß   bei  jeder  Veräußerung,   sei  es 
durch  den  Käufer  oder  seine  Rechtsnachfolger,  die  Stadt  das 
Grundstück  übernehmen  kann  zu  dem  von  dem  Erwerber 
gebotenen    Preis,    wenn    dieser    hinter    dem    zugelassenen 
Höchstpreis    zurückbleibt,    und    wenn    er    diesem    gleich- 
kommt   oder    übersteigt,    zu    diesem    Höchstverkaufspreis. 
Der    Höchstverkaufspreis    wird    derart    bestimmt,    daß    der 
Käufer  von   der  Stadt  seinen  Kaufpreis  einschließlich  Un- 
kosten   und    Baukosten,    sowie    der  Verbesserungsarbeiten 
und  abzüglich  einer  gewissen  Tilgung  der  Bauherstellungs- 
kosten erhält;  außerdem  ist  aber  nach  Ablauf  von  5  Jahren 
die  Anrechnung  eines  gewissen  Gewinnes  von  l^/o  des  ur- 
sprünglichen Kauf-  und  Bauherstellungspreises  zugelassen. 
Um    den   Erwerb    des    eigenen   Heims    zu    erleichtern, 
übernimmt  die   Gesellschaft  die  Finanzierung   der  Bauten. 
Nach  dem  Vertrag  ist  die  Gesellschaft  verpflichtet: 

a)  Jeweils  mit  einer  Anzahlung  von  15  »/o  auf  die  Kauf- 
summe (Baukosten  und  Bodenpreis)  sich  zu  begnügen, 

b)  aus  diesen  15»/„  auf  Verlangen  des  Käufers  für  ihn  20  »/o 
auf  den  Geländepreis  an  die  Stadt  zu  bezahlen, 

c)  dem  Käufer  eine  möglichst  hohe  I.  Hypothek  zu 
günstigem  Zinsfuß  zu  beschaffen, 

d)  den  Restbetrag  der  Kaufsumme,  falls  er  vom  Käufer 
nicht  bar  bezahlt  wird,  ganz  oder  teilweise  als 
II.  Hypothek  zu  5"/o  gegen  Tilgung  von  jährlich 
mindestens  100  Mk.  auf  10  Jahre  stehen  zu  lassen, 

e)  das  Haus  nach  den  vereinbarten  Plänen  und  der  be- 
dungenen Baubeschreibung  schlüsselfertig  unter  Aus- 
schluß jeder  Nachforderung  zu  überliefern, 

f)  noch  auf  die  Dauer  von  2  Jahren,  vom  Tage  der  bau- 
polizeilichen Abnahme  an,  jegliche  Haftung  für  solide 
Ausführung  und  Güte  des  Materials  laut  Bau- 
beschreibung zu  übernehmen. 

Der  Kaufpreis  einer  jeden  Villa  setzt  sich  zusammen 
aus  den  Baukosten  und  dem  an  die  Stadt  zu  zahlenden 
Bodenpreise,  welchen  die  Gesellschaft  ohne  jeden  Gewinn 
in  Ansatz  bringen  muß. 

Die    Frage    der    Kapitalbeschaffung    ist    hiernach    ein- 


wandfrei gelöst;  aber  auch  die  Sorge  um  den  Bau  selbst 
nimmt  die  Gesellschaft  dem  Bauherrn  ab.  Vor  Kauf- 
abschluß erhält  dieser  genaue  Zeichnungen  und  Bau- 
beschreibungen, so  daß  er  sich  jederzeit  von  der  ord- 
nungsgemäßen Durchführung  des  Baues  überzeugen  kann; 
dagegen  bleibt  der  Bauherr  von  allen  Verhandlungen  mit 
der  Baupolizei,  mit  den  einzelnen  Unternehmern,  von  der 
gesamten  Abrechnung,  von  Überschreitungen  und  unvorher- 
gesehenen Bauhindernissen  usw.  gänzlich  unberührt,  ein 
nicht  zu  unterschätzender  Vorteil. 

Um  Vorentwürfe  für  die  Bebauung  des  Geländes  zu 
erhalten,  hat  die  Stadt  Straßburg  gemeinsam  mit  der 
Eigenheim-Baugesellschaft  einen  auf  Straßburger  Architekten 
beschränkten  Wettbewerb  ausgeschrieben.  Es  waren  ver- 
langt : 

1.  Eine  Aufteilung  des  Baugebietes  mit  vornehmen  und 
einfachen  Landhäusern, 

2.  Vorschläge  für  hintere  Baulinien, 

3.  Vogelschau  über  den  Platz, 

4.  Grundrisse,  Schnitte  und  Schaubilder  für  Landhäuser 
von  4  bis  8  Zimmern  als  Einzelhäuser  und  Gebäude- 
gruppen. 

Zum  Wettbewerb  waren  26  Entwürfe  eingelaufen; 
außerdem  hatten  die  seitens  der  Eigenheim-Baugesellschaft 
mit  der  Gesamtleitung  derAufschließung  betrauten  Architekten 
Dipl.-Ing.  Detert  &  Ballenstedt  in  Straßburg-Mannheim  eine 
umfangreiche  Arbeit  außer  Wettbewerb  eingereicht.  Das 
Preisgericht  erkannte  den  I.  Preis  dem  Entwurf  des  Architekten 
Joseph  Müller  zu.  Die  Aufteilung  des  Geländes  ist  bei  diesem 
Entwurf  geschickt  durchgeführt.  Die  Architektur  ist  schlicht 
und  dem  Charakter  des  Villengebietes  angepaßt.  Den  II.  Preis 
erhielt  der  Architekt  Eduard  Schimpf,  III.  Preise  die  Arbeiten 
von  Professor  Dr.  Vetterlein,  G.  Ulbricht,  Albert  Nadler  und 
Julius  Gilgenmann,  IV.  Preise  die  Arbeiten  von  Theo  Berst 
sowie  Emil  Werler  und  E.  Wolf.  Das  Preisgericht  hat  zum 
Schluß  die  Beachtung  nachfolgender  allgemeiner  Gesichts- 
punkte zur  baulichen  Erschließung  des  Fünfzehnerwörths 
empfohlen : 

„Es  sollte  eine  einheitliche  Dachform  und  Dach- 
eindeckung gewählt  werden,  so  daß  nicht  einmal  Giebel-, 
einmal  Walm-  und  einmal  Mansardendächer  erscheinen. 
Hinsichtlich  der  Dacheindeckung  seien  einfache,  heimische 
Biberschwänze  vorzuziehen. 

Die  Anwendung  von  Backstein-Rohbauten  sei  zu  ver- 
meiden. 

Die  Einfriedigungen  der  Vorgärten  seien  möglichst 
gleichmäßig  durchzuführen,  bestehend  aus  einer  1  m  hohen 
Brüstungsmauer  mit  darüber  befindlichem,  hellgestrichenem 
Holzzaun. 

Die  Verkaufsläden  wären  zweckmäßig  beisammen  an- 
zuordnen. 

Die  Wände  des  freien  Platzes  sollen  möglichst  ge- 
schlossen bebaut  werden,  ebenso  der  Hauptzugang  zum 
Villenviertel  von  der  Richard-W^agner-Straße  aus. 

Die  beiden  Hauptverkehrsstraßen  des  Geländes  sollten 
Baumpflanzungen  erhalten. 

Die  architektonische  Gestaltung  der  Reihenhäuser  sollte 
so  erfolgen,  daß  das  einzelne  Haus  unbeschadet  der 
architektonischen  Gesamtwirkung  sich  als  Einzelbesitz  zu 
erkennen  gibt." 

Unter  Beachtung  obiger  Gesichtspunkte  und  unter  Be- 
nützung einzelner  Motive  aus  den  preisgekrönten  Entwürfen 


137 


DER  STÄDTEBAU 


haben  die  Architekten  Detert  &  Ballenstedt  ihren  außer 
Wettbewerb  eingereichten  Entwurf  im  Einvernehmen  mit 
der  Stadt  (Beigeordneter  Dr.  Emerich)  Änderungen  unter- 
zogen; dieser  Bebauungsplan  ist  auf  Tafel  70  enthalten. 
Dem  Verkauf  und  der  Bebauung  des  Geländes  soll  dieser 
Plan    zugrunde    gelegt   werden.     Die  Aufteilung    zeigt   bei 


aller  Wirtschaftlichkeit  das  Bestreben  einzelne  Punkte  im 
Stadtplan  hervorzuheben;  besonders  seien  die  Lösungen  an 
einigen  Straßenkreuzungen  hier  erwähnt.  Zu  loben  sind 
auch  die  Baumpflanzungen  längs  der  rückwärtigen  Grund- 
stücksgrenzen, auch  die  Pflanzung  einzelner  Bäume  an  be- 
sonders hervorragenden  Punkten  im  Straßenbild. 


DER  RIESENTUNNEL  UNTER  DER  ELBE. 

Von  Zivilingenieur  Max  A.  R.  BRÜNNER,  Berlin.     Hierzu  4  Textbilder. 


Hamburg  hat  in  letzter  Zeit  zwei  großartige  Verkehrs- 
verbesserungen erfahren,  nämlich  den  vor  einigen  Monaten 
fertiggestellten  riesigen  Elbtunnel,   sowie  die   erst  teilweise 
eröffnete  Hoch-  und  Untergrundbahn.     Beide  verbinden  die 
Stadt  mit  verschiedenen  Vororten,  und  sind  dazu  berufen, 
einem  lange  Jahre  hindurch  gefühlten  Bedürfnis  abzuhelfen. 
Gegenüber   der  eigentlichen  Stadt   liegen    am    Südufer   der 
Elbe  die  Vororte  Grasbrook,  Kuhwärder,  Steinwärder  und 
Veddel,   zum  Teil   auf  Inseln.     In   der  Nähe  befinden  sich 
riesige  Werftanlagen  und  Fabriken,  die  viele  Tausende  von 
Arbeitern  beschäftigten,   welche   täglich  zweimal,    manche 
auch  viermal,  den  gewaltigen  Strom  zu  überqueren  haben. 
Dieser  Verkehr  wurde   bisher  durch  Fährendampfer  ver- 
mittelt,  die  sich  natürlich  als  völlig  ungenügend  erwiesen, 
wozu  noch  kam,  daß  bei  Nebel  und  Eisgang  die  Beförderung 
auf  Stunden  stockte.    So  waren  Verspätungen  bis  zu  einem 
halben  Tag  nicht  selten.    Der  einzige  feste  Landweg  ging 
über  die  alte  Eibbrücke  nach   der  Insel  Veddel,  was  einen 
Umweg  von   12  km   bedeutete.     Um   diesem   Zustande  ein 
Ende   zu   machen,   faßte   man  schon  vor  fast  einem  Jahr- 
zehnt den  Entschluß,  eine  feste  Verbindung  zwischen  jenem 
Industriebezirk,   besonders  der  Insel  Steinwärder,   und  der 
Stadt  Hamburg   zu  schaffen.     Es  waren  hierfür  drei  Mög- 
lichkeiten   vorhanden,    nämlich    eine    Schwebefähre,     eine 
Brücke  oder  ein  Tunnel.   Die  erste  hätte  der  Schiffahrt  große 
Schwierigkeiten 
verursacht ,     eine 
Brücke  hätte  min- 
destens 60  m  über 
denWasserspiegel 
führen       müssen, 
um      die      hohen 
Masten  der  Schiffe 
darunter  durchzu- 
lassen,  was  wie- 
derum       äußerst 
lange    und    kost- 
spielige    Anfuhr- 
rampen       verur- 
sacht   hätte.      So 
entschied        man 
sich      für      einen 
Tunnel.     Da  nun 
der    Tunnel     der 
Tiefe  des  Eibstro- 
mes wegen  in  be- 
trächtlicher Tiefe 
gebaut        werden 
mußte,   so  wären  Abb.  i. 


auch  hier  lange  und  kostspielige  Rampen  an  beiden  Ufern 
nötig  gewesen;  deshalb  hat  man  sich  dahin  entschieden, 
Fahrschächte  mit  Aufzügen  von  großer  Leistungsfähigkeit 
statt  dieser  zu  errichten.  So  haben  die  gesamten  Kosten 
rund  11  Millionen  Mk.  betragen,  während  ein  Rampentunnel 
20  Millionen  verschlungen  hätte,  eine  Brücke  noch  mehr. 
Der  erste  Plan  wurde  im  April  1904  dem  Senat  vorgelegt, 
der  die  vorerst  bewilligte  Summe  von  8  Millionen  Mk. 
später  auf  10'/4  Millionen  erhöhte. 

Erst  im  Sommer  1907  konnte   der  erste  Spatenstich  zu 
dem  gewaltigen  Werk   gemacht  werden  und  erst  kurz  vor 
Weihnachten  1911   konnten   die  Arbeiten  als  vollendet  an- 
gesehen   werden.     Die    gesamte    Anlage    besteht   aus   zwei 
nebeneinander  herlaufenden  Tunnelröhren,    von  denen  die 
westliche  für  den  Verkehr  nach  Steinwärder,   die  östliche 
für  den  Verkehr  nach  Hamburg   benutzt  wird,  und   einem 
Ein-  und  Ausfuhrschacht  auf  jeder  Seite.     In  diesem  Räume 
bewegen  sich  sechs  durch  elektrischen  Antrieb  in  Bewegung 
gesetzte  Fahrstühle,   die   die   Beförderung  nach  unten  und 
oben  besorgen,  und  zwar  je  drei  in  einer  Richtung.    Sie  sind 
von  verschiedener  Größe;  die  beiden  äußeren  sind  lediglich 
für  die  Personenbeförderung,  die  vier  inneren  hauptsächlich 
für  die  Beförderung  von  Fuhrwerken  und  Wagen  bestimmt. 
Jedoch   werden   zur  Zeit  des  Hauptandranges   der  Arbeiter 
alle  sechs  Fahrstühle  nur  für  die  Personenbeförderung  be- 
nutzt.   Die  beiden 
größten  der  Fahr- 
stühle    in    jedem 
Einfahrtschacht 
sind  10  m  lang  und 
3  m   breit,   haben 

eine  Tragkraft 
von  je  10000  kg 
und  können  auf 
einmal  135  Per- 
sonen fassen  und 
befördern.  Mittels 
dieser  Einrichtung 
ist  man  in  der 
Lage,      in      einer 

halben  Stunde 
7000  Personen  zu 
befördern.  Füralle 
Fälle  sind  dieEin- 

und  Ausfahrt- 
schächte auch  mit 
zweifacher 
Treppenanlage 
ausgestattet       die 


138 


DER  STÄDTEBAU 


Abb.  2. 


141  Stufen  haben. 
Sämtliche  für  die 

Bewegung  der 
Aufzüge  erforder- 
lichen Motore, 
Winden  und  Hilfs- 
maschinen sind  in 
einer  im  ersten 
Stock  der  Ein- 
fahrtshalle liegen- 
den Maschinen- 
halle vereinigt,  wo 
sie  mit  dem  ge- 
ringsten Aufwand 
an  Personal  be- 
dient und  beauf- 
sichtigt werden 
können.  Die  Fahr- 
körbe sind  bis  zur 
Höhe  von2,2m  mit 
Holz,  darüber  mit 

weitmaschigen 
Drahtnetzen    ver- 
kleidet     worden. 

Auch  die  Decke  besteht  aus  Drahtnetzen,  um  Sicherheit  gegen 
herabfallende  Gegenstände  zu  gewähren.  Von  der  Größe 
des  Einfahrtschachtes  erhält  man  eine  Vorstellung,  wenn 
man  das  Bismarckdenkmal  in  gleicher  Höhe  in  die  Funda- 
mentsohle hineinzeichnet.  Der  ganze  Sockel  des  Denkmals 
liegt  dann  innerhalb  des  Schachtes  und  das  Standbild  ragt 
gerade  mit  ihren  Schultern  aus  der  Erde  hervor. 

Die  eigentlichen  Tunnel  sind  726  m  lang  und  bedeuten 
den  schwierigsten  Teil  des  Baues.  Es  wurde  mit  einem 
sogenannten  Vortriebsschild  gearbeitet,  welches  in  unserem 
Falle  aus  einem  starken  zylindrigen  Mantel  aus  Eisen  besteht, 
die  durch  ver- 
schließbare Türen 

durchbrochen 
sind.  Dieses  Schild 
wurde  durch  hy- 
draulischePressen 
mit  einer  Kraft  von 
2000t  vorwärts  ge- 
schoben. Den  vor- 
deren Teil  nennt 
man  das  Schild- 
maul, das  durch 
senkrechte       und 

wagerechte 
Wände  in  Arbeits- 
zellen eingeteilt 
ist,  in  welchem 
die  Arbeiter  die 
Erde  fortschaffen. 
Hinter  dem  Schild 
bewegt  sich  ein 
Gerüst  hinter  dem 
ersteren  ständig 
vorwärts,  von  dem 
aus  die  Tunnel- 
ringe eingesetzt 
und     verschraubt  Abb.  3. 


werden.  Dieser 
gesamte  Arbeits- 
raum ist  unter 
Preßluft  gesetzt, 
weil      sonst     das 

Wasser  ein- 
dringen würde,  er 

ist  von  dem 
übrigen    Teil    des 

Tunnels  durch 
eine  Betonwand 
mit  einer  Schleuse 
zum  Durchlassen 
der  Arbeiter  und 
Geräte  abgetrennt. 
Dieser       Vortrieb 

bildete  den 
schwierigsten  Teil 
des  Baues,   wäh- 
rend     die      Ein- 
mauerung  der  ein- 
zelnen Ringe,  das 
Anlegen  der  Fahr- 
bahn,    das     Be- 
schweren des  Tunnels   mit  Eisenmassen  zur  Verhinderung 
des   Auftriebes,   Verkleiden    der  Wände    mit   Kacheln    und 
anderer  kleinerer  Arbeiten  verhältnismäßig  leicht  bewerk- 
stelligt wurde.    Es  waren  zur  Herstellung  5000  t  Profileisen 
nötig,  und  zwar  wurden  aus   den  Blechplatten  etwa  30  cm 
breite  Ringe  zusammengenietet,  die  dann  mit  Beton  hinter- 
gossen  wurden,   um  das  Rosten  zu  verhindern.    Die  Fahr- 
bahn hat  eine  Breite  von  182  cm.    Zu  beiden  Seiten  schließen 
sich  die  Bürgersteige,  125  cm  breit,  an.     Ehe  man  an  den 
Bau   der  beiden  Tunnelröhren    gehen   konnte,    mußten    die 
Zufahrtschächte  an  den  beiden  Enden  bis  auf  die   Sohlen 

niedergebracht 
werden.  Um  das 
in  den  oberen 
Schichten  befind- 
liche Grund- 
wasserabzuhalten 
wurde  in  einem 
Abstand  von  4  m 
von  der  eigent- 
lichen Baugrube 
ein  Fangedamm 
aus  Beton  bis  zur 
Tiefe  des  Ton- 
lagers niederge- 
bracht,     so      daß 

Grundwasser- 
einbrüche     nicht 
mehr     stattfinden 
konnten.        Dann 
wurde      bis      zur 
Tiefe    von    30    m 
ein     ringförmiger 
Schlitz       in      der 
Breite      der      zu- 
künftigen 
Schachtwand 
ausgehoben,        in 


139 


DER  STÄDTEBAU 


diesem  von  unten  auf  die  Schachtwand  hochgemauert  und 
nun  der  große  innere  Erdkern  in  einem  Durchmesser  von 
22  m  herausgehoben.  Am  Grunde  wurde  eine  Sohle  aus 
Beton  von  4  m  Mächtigkeit  eingespannt,  die  in  Höhe  der 
zukünftigen  Tunnelsohle  liegt.  Sehr  viel  schwieriger  war 
die  Herstellung  des  Einfahrtschachtes  auf  der  Steinwärder- 
seite,  der  eine  Tiefe  von  28  m  und  eine  lichte  Weite  von 
22  m  erhalten  hat.  Man  bediente  sich  hier  eines  großen 
Senkkastens,  wie  das  beim  Bau  von  Brückenpfeilern  auf 
Sand  und  sonstigen  wasserdurchlässigen  Boden  schon  mehr- 
fach geschehen  ist.  Die  Schachtwand  wurde  nicht  von 
unten  nach  oben,  sondern  von  oben  nach  unten  gebaut,  das 
heißt,  auf  einer  scharfen  stählernen  Schneide  wurde  ein 
Eisenmantel  errichtet,  der  innen  und  außen  in  der  nötigen 
Dicke  mit  Beton  umkleidet  war. 

Als  die  Schachtwandung,  die  nach  oben  immer,  je  nach- 
dem sie  tiefer  sank,  verlängert  wurde,  um  10  m  in  die  Tiefe 
gesunken  war,  wurde  in  dieser  Höhe  eine  Caissondecke  aus 
Eisen  in  die  Ringmauer  so  eingebaut,  daß  sie  mit  ihr  eine 
Art  Glocke  bildete.  Die  Arbeiter  räumten  aus  der  ganzen 
Weite  des  Schachtes  den  Sand  fort  und  ermöglichten  es 
dadurch,  daß  die  Ringmauer,  die  man  oben  fortgesetzt  er- 
höhte, tiefer  und  tiefer  sank.  In  etwa  16  Monaten  war  diese 
Arbeit  so  weit  gediehen,  daß  die  Druckluft  aus  dem  Ein- 
fahrtschacht abgelassen  und  am  Boden  ebenfalls  eine  dicke 
Betonsohle  eingespannt  wurde.  Nun  erst  konnte  mit  dem 
Vortrieb  der  eigentlichen  Röhren  begonnen  werden. 

Was  nun  die  großen  Einsteighallen  anbelangt,  so  ge- 
reichen sie  der  gesamten  Tunnelanlage  zur  größten  Zierde. 
Die  Halle  auf  der  Steinwärderseite  ist  aus  Backsteinen  auf- 
geführt, von  einer  mächtigen,  einfachen  Kuppel  mit  Kupfer- 
belag überwölbt  und  hat  die  Form  eines  fast  regelmäßigen 
Vierecks,  dessen  Wasserseite  entsprechend  der  Schacht- 
rundung eine  Ausbuchtung  zeigt.  Rechts  von  der  Halle 
erhebt  sich  das  Warendeklarationsgebäude,  hinter  dem  das 
Betriebsgebäude  nebst  Beamtenwohnungen  der  Tunnelanlage 
sich  befindet.  Die  Anordnung  der  auf  der  Steinwärderseite 
errichteten  Tunnelanlage  ist  so  getroffen,  daß  sie  einen 
großen,  weiten  Hofraum  umgeben,  in  dem  sich  der  Wagen- 
verkehr von  selbst  bequem  in  den  zu  nehmenden  Richtungen 
abwickeln  kann. 

Die  Einsteighalle  auf  St.  Pauli  stellt  einen  Monumental- 
bau dar,  der  von  dem  Architekten  Wöhlecke  entworfen,  sich 
der  langen  Fluchtlinie  des  Empfangsgebäudes  der  St.  Pauli- 
Landungsbrücken  symmetrisch  anschließt  und  dem  West- 
flügel der  Gebäudeflucht  einen  Abschluß  gibt.     Die  Einfahrt 


Abb.  4. 

zeigt  eine  Säulenhalle,  deren  Gipfel  das  Hamburger  Wappen 
trägt.  Die  beiden  Seitenwände  tragen  den  gleichen  Figuren- 
schmuck wie  die  der  Steinwärder-Halle.  Das  ganze  wird 
überwölbt  von  einer  mächtigen  Kuppel,  die  ebenfalls  mit 
Kupfer  bedeckt  ist. 

Bei  der  angewandten  äußersten  Vorsicht,  den  bis  in  die 
feinsten  Einzelheiten  wohldurchdachten  Bauplan  der  Bau- 
leitung, der  Vortrefflichkeit  aller  technischer  Einrichtungen 
und  der  großen  Erfahrung  der  die  Arbeiten  ausführenden 
Unternehmerflrma  konnte  das  gewaltige  Werk  glücklich  zu 
Ende  geführt  werden.  Nur  zweimal  traten  verhältnismäßig 
leicht  zu  bewältigende  Störungen  ein,  einmal  infolge  eines, 
durch  Unvorsichtigkeit  eines  Arbeiters  hervorgerufenen 
Brandes,  das  andere  Mal  infolge  zu  starken  Austretens  der 
Preßluft. 


BÜCHERBESPRECHUNGEN. 


Von  THEODOR  GOECKE,  Berlin. 


VORGARTEN-  UND  BALKONAUSSCHMÜCKUNG.  Von 
Arthur  Glogau,  Stadtobergärtner  in  Hannover.  Mit  23  in  den  Text 
gedruckten  Abbildungen  und  einer  farbigen  Umschlagzeichnung.  Verlag 
von  Adolf  Sponholz,  G.  m.  b.  H.,  Hannover. 

Im  Vorworte  weist  der  Verfasser  mit  Recht  darauf  hin,  daß  Art  und 
Einrichtung  der  Vorgärten  und  Balkone  noch  vielfach  im  Schema  stecken, 
aus  dem  sie  im  Hinblick  auf  das  von  ihnen  erheblich  beeinflußte  Straßen- 
bild erlöst  werden  müssen.  Die  zu  diesem  Zwecke  gegebenen  Ratschläge 
beruhen    auf    eigener    Erfahrung    und    Beobachtung    des    Verfassers    und 


werden  durch  gut  ausgewählte  Beispiele  unterstützt,  in  denen  auch  die 
Berankung  des  Hauses,  die  verschiedenartige  Bepflanzung  der  Garten- 
mauern und  sonstiger  Einfriedigungen,  der  Garteneingänge,  Lauben, 
Fensterkasten  und  Blumenampeln  mit  Angabe  der  je  nach  der  Lage  dazu 
zu  wählenden  Kletterpflanzen  und  Blumen  behandelt  wird. 

Mit  besonderer  Liebe  verbreitet  sich  der  Verfasser  über  die  Aus- 
schmückung der  Balkone  zu  jeder  Jahreszeit,  sowie  über  die  Bepflanzung 
der  Vorgärten  mit  Blumen,  Sträuchern,  BlUtengewächsen,  Rosen  usw., 
über  Beetanlagen  und  Steingärtchen,    über    die  Pflege    der   Pflanzen   und 


140 


DER  STÄDTEBAU 


befürwortet  endlich  bei  der  Anlage  der  Vorgärten  ein  Handinhandgehen 
mit  dem  Architekten,  wozu  letzterer  um  so  mehr  geneigt  sein  dürfte,  je 
mehr  er  sich  in  das  Büchlein  vertieft.    Das  kann  ich  nur  warm  empfehlen. 

DIE  PRAXIS  DES  VERMESSUNGSINGENIEURS.  Geo- 
dätisches Hand-  und  Nachschlagebuch  für  Vermessungs-,  Kultur-  und 
Bauingenieure,  Topographen,  Kartographen  und  Forschungsreisende.  Mit 
Unterstützung  durch  zahlreiche  Ministerien,  Behörden,  wissenschaftliche 
Institute  und  Vereine  bearbeitet  von  Alfred  Abendroth,  Kgl.  Ver- 
messungsdirigent bei  der  Landesaufnahme  in  Berlin.  Mit  12g  Text- 
abbildungen und  13  Tafeln.  Berlin,  Verlagsbuchhandlung  Paul  Parey, 
Verlag  für  Landwirtschaft,  Gartenbau  und  Forstwesen.     1912.    Preis  28  Mk. 

Der  fleißige  Verfasser  hat  bald  seinem  ersten  Buche  „Der  Land- 
messer im  Städtebau"  (Zweite  Auflage,  1909,  Verlag  von  Paul  Parey, 
Berlin)  ein  umfassendes  Werk  folgen  lassen,  das  sich,  um  der  Erläuterung 
des  Vorwortes  zu  folgen,  an  alle  diejenigen  wendet,  die  wissen  wollen, 
wie  man  sich  auf  den  verschiedensten  Gebieten  des  Vermessungswesens 
am  schnellsten  und  zweckmäßigsten  helfen  kann. 

Das  Buch  rechnet  also  mit  Lesern,  denen  die  allgemeinen  wissen- 
schaftlichen und  technischen  Grundbegriffe  der  Landraeßkunst  bekannt 
und  bis  zu  dem  Grade  geläufig  sind,  daß  ihnen  die  praktischen  Winke 
genügen,  überall,  wo  und  wann  es  not  tut,  das  Richtige  zu  treffen.  Für 
den  Städtebaukünstler  ist  die  Vermessung  freUich  nur  Voraussetzung  für 
seine  Arbeiten,  doch  eine  unerläßliche  Voraussetzung,  die  auch  von  Ein- 
fluß auf  die  Planung  selbst  sein  kann;  er  tut  deshalb  gut  daran,  sich 
unter  diejenigen  zu  zählen,  denen  an  praktischen  Winken  gelegen  ist  — 
damit  wird  ihm  oft  die  eigene  Arbeit  erleichtert  werden.  Hauptsächlich 
kommen  für  ihn  in  Frage:  Teil  III  „Landwirtschaft,  Ansiedelungs-  und 
Forstwesen";  Teil  IV  „Die  Vermessungen  im  Ingenieurbauwesen"  und,  was 
für  ihn  von  besonderer  Wichtigkeit  ist,  Teil  V  „Das  Vermessungswesen 
im  Städtebau".  In  dem  letztgenannten  Teile  werden  unter  A  die  Haupt- 
grundsätze für  Stadterweiterungen,  die  Örtlichkeit  und  Wirtschaftlichkeit 
usw.  betreffend,  sowie  die  Aufstellung  und  Durchführung  der  Bebauungs- 
pläne, unter  B  die  Stadtvermessungen  behandelt.  Im  Schlußteil,  dem 
achten,  —  das  ganze  Werk  bildet  einen  stattlichen  Band  von  815  Seiten  — 
ist  eine  Übersicht  über  die  Einrichtung  und  den  Geschäftsgang  der 
Vermessungsämter  gegeben.  Wenn  auch  die  Ausführungen  über  den 
künstlerischen  Bebauungsplan  nicht  allseitige  —  insbesondere  auch  wohl 
nicht  bei  den  Architekten  —  Zustimmung  finden  werden,  so  bietet  das 
Werk  im  übrigen  doch  so  viel  in  klarer  aus  dem  vollen  schöpfender, 
überflüssige  Worte  vermeidender  Darstellungsart,  daß  ihm  eine  wohl- 
verdiente weite  Verbreitung  gesichert  sein  dürfte. 

BERICHT  DES  INSTITUTS  FÜR  GEMEINWOHL  ZU 
FRANKFURT  A.  M.  ÜBER  DAS  FÜNFZEHNTE  GE- 
SCHÄFTSJAHR 1910/1911.  Frankfurt  a.  M.  Druck  von  C.  Adel- 
mann,      igii. 

Von  diesen  Berichten  habe  ich  schon  öfter  Vermerk  genommen. 
Der  letzte  enthält  unter  Anlage  II  einen  Auszug  aus  dem  Jahresberichte 
des  Sozialen  Museums  für  1910,  aus  dem  ich  über  das  Enteignungs- 
gesetz der  Stadt  New  York  folgendes  entnehme. 

„Die  wichtigen  Bestimmungen  des  Gesetzes  sind  folgende:  Die  Ver- 
waltung der  Stadt  New  York  hat  das  Recht,  zu  beschließen,  wann  und 
wo  Straßen  und  Plätze  angelegt  werden  sollen,  und  kann  erforderlichen- 
falls das  hierzu  benötigte  Gelände  im  Enteignungsverfahren  in  ihren 
Besitz  bringen.  Das  Gesetz  kennt  ein  gewöhnliches  und  ein  beschleunigtes 
Verfahren.  Letzteres  wird  eingeschlagen,  wenn  die  städtischen  Behörden 
es  als  im  Interesse  der  Allgemeinheit  liegend  erachten,  bestimmtes  Grund- 
eigentum zwecks  Straßenanlegung  in  ihren  Besitz  zu  bringen.  Das  Gelände 
geht  dann,  wenn  es  unbebaut  ist,  vom  Tage  der  Ernennung  der  Enteignungs- 
kommission, wenn  es  bebaut  ist,  sechs  Monate  später,  vorbehaltlich  der 
nachträglichen  Feststellung  der  Entschädigung,  in  den  Besitz  der  Stadt  über. 

Naturgemäß  sucht  die  Stadt  nur  dann  Ernennung  von  Kommissionen 
nach,  wenn  keine  Einigung  mit  den  Eigentümern  des  zu  enteignenden 
Geländes  zu  erzielen  ist;  nun  steht  aber  gegen  eine  freihändige  Ver- 
äußerung den  Nachbarn,  die  ihre  Interessen  bedroht  glauben,  Einspruch 
zu.  Ist  dies  der  Fall,  so  muß  die  Ernennung  der  Kommission  stattfinden 
und  das  Enteignungsverfahren  eingeleitet  werden. 


Alle  Miet-  und  Pachtverträge,  welche  auf  enteignetem  Land  lasten, 
werden  in  dem  Augenblick  hinfällig,  wo  die  Stadt  Besitz  ergreift. 

Alle  Zahlungen  für  Grundeigentum,  das  zwecks  Straßenanlegung 
enteignet  wurde,  werden  aus  dem  Straßenherstellungsfonds  oder,  wenn 
dieser  nicht  ausreicht,  durch  Ausgabe  von  Schuldverschreibungen  be- 
stritten. Die  ausgezahlten  Beträge  werden  dann  auf  die  Besitzer  derjenigen 
Grundstücke  umgelegt,  welche  durch  die  Straßenanlage  einen  Wertzuwachs 
erfahren.  Die  Zuschüsse,  die  von  den  einzelnen  Eigentümern  zu  leisten 
sind,  tragen  den  Charakter  einer  Grundschuld  und  sind  im  Verwaltungs« 
Zwangsverfahren  zwei  Monate  nach  Feststellung  beitreibbar.  Im  Falle 
der  Zahlungsunfähigkeit  des  Schuldners  kann  die  Stadt  nach  drei  Jahren 
das  Grundstück  im  Subhastationsverfahren  an  den  Meistbietenden  ver. 
steigern  lassen. 

Für  die  Erhebung  der  Straßenherstellungskosten  einschließlich  Ent- 
und  Bewässerung  gelten  die  gleichen  Bestimmungen  wie  für  die  Erhebung 
der  Zuschüsse  zu  den  Kosten  des  für  Straßenanlagen  enteigneten  Landes. 
Der  Vorzug  des  New  Yorker  Gesetzes  vor  unserer  einschlägigen  Gesetz- 
gebung liegt  nach  dem  Gesagten  in  der  Bestimmung,  daß  die  Kosten  der 
Straßenanlegung,  sowie  die  der  Straßenherstellung  innerhalb  kurzer  Zeit 
von  den  Anliegern  zurückerstattet  werden  müssen.  Die  Stoßkraft  dieser 
Verordnung  äußert  sich  darin,  daß  die  Stadt  durch  keine  Bedenken 
finanzieller  Art  davon  zurückgehalten  wird,  neue  Straßen  anzulegen, 
während  es  auf  der  anderen  Seite  wegen  der  hohen  Kosten  im  eigenen 
Interesse  der  Grundbesitzer  liegt,  ihr  Land  so  rasch  als  möglich  der 
Bebauung  zuzuführen." 

LÄNDLICHE  UND  STÄDTISCHE  KLEINWOHNUNGEN. 
Eine  Sammlung  mustergültiger  Pläne  und  Entwürfe,  herausgegeben 
im  Einvernehmen  mit  dem  Kgl.  Sachs.  Ministerium  des  Innern  vom  Landes- 
verein Sächsischer  Heimatschutz.  Bearbeitet  von  L.  F.  Karl  Schmidt, 
Oberbaurat  im  Kgl.  Sachs.  Finanzministerium.  50  Tafeln  in  Lithographie 
(48x35  cm)  nebst  Text  (28x22  cm)  mit  zahlreichen  Abbildungen.  In 
Originalmappe.     Preis  30  Mk.     Ferner: 

KLEINWOHNUNGEN  FÜR  MITTLERE  UND  GROSS- 
STÄDTE IN  GESCHLOSSENER  BAUWEISE.     Muster- 

gültige  Entwürfe  hervorgegangen  aus  einem  ^Vettbewerb,  auf  Veranlassung 
des  Landesvereins  Sächsischer  Heimatschutz  im  Einvernehmen  mit  dem 
Kgl.  Sachs.  Ministerium  des  Innern.  Bearbeitet  von  L.  F.  Karl  Schmidt, 
Oberbaurat  im  Kgl.  Sachs.  Finanzministerium.  60  Tafeln  in  Lithographie 
(48  x35  cm)  nebst  Text  (28  x22  cm)  mit  zahlreichen  Abbildungen.  In 
Originalmappe.     Preis  30  Mk. 

Die  Verlagsbuchhandlung  von  H.  von  Keller  in  Dresden  bietet  mit 
diesen  beiden  Werken  zwei  vortrefflich  ausgestattete  Veröffentlichungen 
allen  denen,  die  mit  dem  Kleinwohnungsbau  zu  tun  haben,  Behörden 
und  Bauberatungsstellen,  Architekten  wie  Bauherren.  Im  erstgenannten 
inzwischen  schon  in  II.  Auflage  erschienenen  sind  auf  50  (in  II.  Auflage 
um  6  vermehrt)  stattlichen  Tafeln  zunächst  die  Kleinwohnungsbauten  dar- 
gestellt, die  auf  dem  Gelände  der  Internationalen  Hygiene -Ausstellung 
in  Dresden  die  zahlreichen  Besucher  entzückt  haben,  dann  Entwürfe  und 
Bauausführungen  von  frei  stehenden,  zu  Gruppen  geordneten  oder  an- 
einandergereihten Wohnhäusern  in  vielfachen  Abwandlungen  von  Ein-  bis 
zum  Zwölffamilienhause,  die  namhafte  Architekten  zum  Verfasser  haben 
oder  im  Zeichensaale  des  Sächsischen  Heimatschutzes  entstanden  sind. 
Besonders  wertvoll  sind  darunter  auch  die  Einzelheiten  der  Kochofenanlage 
mit  Sammelheizung  im  Einfamilienhause  Sächsischer  Industrieller  in 
Dresden  und  des  Ausbaus  einer  Wohnküche  für  die  Gemeinnützige  Bau- 
gesellschaft in  Neugersdorf  i.  S. 

Das  letztgenannte  Werk  gibt  auf  47  seiner  60  Tafeln  das  Er- 
gebnis eines  öffentlichen  Wettbewerbes,  zu  dem  das  Ministerium  de» 
Innern  und  die  Mehrzahl  sächsischer  Städte  die  Mittel  bereitgestellt 
hatten.  Die  weiteren  13  Tafeln  ergänzen  diese  Sammlung  von  Ent- 
würfen durch  meist  der  Praxis  entnommenen  Beispiele  mit  Grundrissen 
und  Schauseiten  von  Häusergruppen  Sächsischer  Spar-  und  Bauvereine, 
Kleinwohnungsbauvereine  oder  städtische  Kleinwohnungsbauten,  die  von 
Architekten  wie  Lossow  &  Kühne,  Willing  &  Grabner,  von  städtischen 
Bauämtern  und  anderen  mehr  herrühren.  Diesen  ist  auch  die  Reihen- 
hausgruppe [einverleibt,'_mit   der   Professor   Bruno   Möhring  den  Grund- 


141 


DER  STÄDTEBAU 


gedanken  seines  Bebauungsplanes   für  das  Schöneberger  Südgelände  ver- 
deutlicht hatte. 

Es  ist  erfreulich,  zu  ersehen,  wie  sich  Onindriß  und  Aufbau  schon  ver- 
vollkommnet haben,  wie  treffliche  Lösungen  auch  innerhalb  enger  wirtschaft- 
licher Grenzen  erzielt  werden,  wie  wenig  berechtigt  also  das  Vorurteil 
erscheint,  daß  die  Architekten  nicht  zweckmäßig  und  zu  teuer  bauten! 
Darin  liegt  ein  außerordentlicher  Fortschritt;  denn  wenn  erst  überall 
Architekten  bauen,  dann  werden  wir  wieder  auf  zweckmäßige  und  schöne 
Städte,  Dörfer,  Gartenstädte  und  Kleinwohnungssiedelungen  rechnen 
können.  Dem  rührigen,  zielbewußten  Oberbaurat  Schmidt  in  Dresden 
kann  man  für  die  Bekundung  dieser  Auffassung  sowohl  als  auch  für  die 
Herausgabe  dieser  'Werke,  denen  eine  weit  über  Sachsens  Grenzen  hinaus- 
gehende  Bedeutung  zuzuerkennen  ist,  nicht  dankbar  genug  sein. 

NEUERE  LÄNDLICHE  VOLKSSCHULEN.  Herausgegeben 
mit  Unterstützung  des  Kgl.  Sachs.  Ministeriums  des  Kultus  und 
öffentlichen  Unterrichtes  vom  Landesverein  Sächsischer  Heimatschutz  in 
Dresden.  Bearbeitet  von  L.  F.  Karl  Schmidt,  Kgl.  Sachs.  Oberbaurat. 
31  Tafeln  mit  Text  und  22  Abbildungen.  Verlag  Gerhard  Kühtmann, 
Dresden.     Preis  in  Mappe  24  Mk. 

Auch  dieses  Mappenwerk  stellt  sich  in  vornehmer  Ausstattung  dar 
und  bietet  durchaus  gediegene  geschmackvolle  Lösungen,  die  ebenso  weit 
vom  Schema  einer  vorgeschriebenen  Norm  entfernt  bleiben,  als  von  der 
Aufgeblasenheit  städtischer  Schulpaläste,  wie  die  Einfügung  einiger  Gegen- 
beispiele in  den  Text  drastisch  erläutert.  Bauformen  und  Baustoffe  sind 
st^ts  der  Umgebung  angepaßt  beziehungsweise  entnommen,  Unterrichts- 
räume und  Lehrerwohnung  in  der  jeden  von  ihnen  entsprechenden  Zweck- 
erfüllung eingeordnet,  wobei  sich  reiche  Abwechslung  in  der  Gruppierung 
ergibt.  Besonders  wertvoll  ist  die  Angabe  der  Baukosten  sowohl  im 
ganzen  als  für  die  Einheit  der  bebauten  Fläche  oder  des  unbebauten 
Raumes.  Auch  den  Trinkbrunnen-  und  Spielplatzanlagen  sind  einige 
treffende  Ausführungen  gewidmet.  Bei  der  Bedeutung,  die  das  Schulhaus 
—  nächst  der  Kirche  meist    das   einzige  öffentliche  Gebäude  —   im  Dorf- 


plane einnimmt,  darf  auch  der  „Städtebau"  ein  derartiges  Werk  bestens 
empfehlen. 

T^RÄSA  NASEHO  DOMOVA  (Die  Schönheit  unseres  Heims) 
■^^  betitelt  sich  eine  Zeitschrift,  die  mir  schon  seit  einigen  Jahren 
regelmäßig  zugeht.  Sie  erscheint  in  Prag  und  wird  ausschließlich  in 
tschechischer  Sprache  gedruckt,  was  ihrer  Verbreitung  in  deutschen  Landen 
gerade  nicht  förderlich  sein  dürfte  und  mich  auch  verhindert,  mehr  von 
ihrem  Inhalte  mitzuteüen,  als  mir  die  Herren  Schriftleiter  Bsfet.  Jedlicka- 
Brodsky  und  J.  Emier  selbst  in  deutscher  Sprache  geschrieben  haben. 
Dies  will  ich  aber  tun,  um  meinen  Dank  abzustatten.  Wie  die  deutsche 
Übersetzung  des  Titels  schon  verrät,  ist  sie  dem  Schutze  und  der  Ver- 
schönerung der  Heimat  gewidmet;  als  Organ  des  Verbandes  böhmischer 
Verschönerungsvereine,  des  Klubs  „Alt -Prag",  des  Aufforstungs-  und 
Verschönerungsvereins  für  Prag  und  Umgebung  und  des  Böhmischen 
Landesverbandes  zur  Förderung  des  Fremdenverkehrs. 

Ursprünglich  als  Organ  von  350  Verschönerungsvereinen  in  Böhmen, 
Mähren  und  Schlesien,  fast  ausschließlich  dem  Verschönerungswesen,  dem 
Naturschutze  und  der  Denkmalpflege  dienend,  hat  sie  im  fünften  Jahr- 
gange (1909)  ihr  Arbeitsfeld  auch  auf  den  Städtebau  und  die  Wohnungs- 
reform erstreckt.  Sie  bringt  Aufsätze  und  Berichte  von  Fachleuten  und 
in  ihren  Bildern  eine  Fülle  von  Beispielen  zur  Regulierung  kleinerer 
Städte  und  Erhaltung  alter  Baudenkmäler,  erteilt  überdies  Ratschläge  und 
schreibt  Wettbewerbe  aus. 

Während  unser  Heimatschutz  oft  noch  im  Gegensatz  zur  Tätigkeit  der 
Verschönerungsvereine  steht,  scheint  es  den  tschechischen  Herren  gelungen 
zu  sein,  die  Verschönerungsvereine  in  den  Dienst  des  Heimatschutzes  zu 
stellen  —  dies  würde  Nachahmung  verdienen.  Im  übrigen  aber  mögen  die 
Herren  nicht  vergessen,  daß  die  Schönheit  ihrer  Städte  deutscher  Kulturarbeit 
mit  zu  verdanken  ist.  Ungerecht  erscheint  es  mir  deshalb,  daß  ein  mir  von 
denselben  Herren  freundlichst  übergebenes,  prächtig  ausgestattetes  Werk, 
wie  das  über  Prag  (erschienen  1909),  neben  einem  tschechischen  Texte  einen 
französischen  und  einen  englischen  aufzuweisen  hat,  aber  keinen  deutschen ! 


CHRONIK. 


"pVer  PARK  VON  SCHLOSS  RUHWALD,  das  von  Schwatlo 
^-^  1867  gebaut  wurde,  soll  dem  Hörensagen  nach  aufgeteilt  werden. 
Der  Park  ist  durch  Ludwig  v.  Schäffer-Voit  angelegt  und  wäre  wert, 
für  die  Stadt  Charlottenburg  erhalten  zu  werden.  Er  ist  etwas  über 
40  Morgen  groß  und  liegt  an  der  Spandauer  Chaussee. 

TUT  ODERNE  GÄRTEN  AUF  DER  INTERNATIONALEN 
'^"■*-  BAUFACH-AUSSTELLUNG,  LEIPZIG  1913.  Der  Ent- 
wurf und  die  Ausführung  der  Repräsentationsgärten  auf  der  Internationalen 
Baufach-Ausstellung  zu  Füßen  des  Völkerschlacht-Denkmals  ist  der  Firma 
Jakob  Ochs,  Gartenbau-Hamburg  I  (künstlerische  Leitung:  Lebrecht 
Migge)  übertragen  worden.  Es  soll  in  Übereinstimmung  mit  den  bau- 
leitenden Architekten  Weidenbach  und  Tschammer,  Königl.  Bauräten  in 
Leipzig,  nicht  nur  versucht  werden,  die  Architektur  mehr,  als  bisher  auf 
Ausstellungen  geschah,  zu  einem  Zusammenklang  mit  der  Bepflanzung 
zu  bringen,  sondern  es  wird  womöglich  auch  ein  neuer  Ausstellungs- 
gartentyp aufgestellt  werden.  Da  die  Ausstellung  schon  im  Frühjahr  191 3 
eröffnet  werden  soll  und  die  Arbeiten  erst  vor  kurzem  in  Angriff  ge- 
nommen werden  konnten,  so  stellt  die  Anlage  dieser  Gärten  auch  nicht 
geringe  organisatorische  Anforderungen. 

AUS  DER  STATISTIK  DER  ERSTEN  DEUTSCHEN 
■^*-  GARTENSTADT  HELLERAU  BEI  DRESDEN.  Ob- 
gleich die  Statistik  als  treues  Spiegelbild  der  wirklichen  Vorgänge  in 
einer  so  jungen  Siedelung  wie  Hellerau  in  den  ersten  Jahren  noch  durch 
mancherlei  Nebenumstände  beeinflußt  wird,  bieten  die  ersten  Feststellungen 
über  die  Sterblichkeit  und  den  Geburtsüberschuß  in  Hellerau  dem  Woh- 
nungsreformer doch  schon  interessante  Anhaltspunkte  und  beweisen  den 
unmittelbar  wohltätigen  Einfluß  des  Flachbaues    in  gesunder  Gegend  auf 


die  Gesundheit  der  Bewohner.  In  Hellerau  begann  die  Bautätigkeit  im 
Jahre  190g,  die  ersten  zehn  Familien  zogen  im  Herbst  in  ihre  Wohnungen 
ein.  Die  nachstehenden  Angaben  beziehen  sich  auf  das  ganze  Jahr  igii, 
wo  die  Einwohnerzahl  am  i.  Januar  652,  am  i.  Juli  iioo  und  am  31.  De- 
zember 1450,  im  Durchschnitt  also  ca.  1000  betrug.  Die  zum  Vergleich 
angeführten  Ziffern  aus  Dresden,  Chemnitz  und  Leipzig  stammen  aus  dem 
Jahre  1910  und  sind  dem  Statistischen  Jahrbuch  für  das  Königreich 
Sachsen  entnommen.  In  Hellerau  kamen  also  191 1  auf  1000  Einwohner 
sechs  Todesfälle  (Dresden  13,7,  Leipzig  13,8,  Chemnitz  15,  —  )  und  drei 
Totgeburten  (Dresden  0,9,  Leipzig  0,9,  Chemnitz  28,4).  Von  100  Lebend- 
geborenen sind  im  ersten  Lebensjahre  in  Hellerau  fünf  gestorben  (Dresden 
14,81,  Leipzig  17,12,  Chemnitz  22,3). 

/-^«ROSSSTADTANLAGE  UND   KLEINWOHNUNGSBAU. 

^^  (Mit  Lichtbildern.)  Geh.  Baurat  Goecke,  Professor  an  der  Tech- 
nischen Hochschule  zu  Berlin. 

Die  moderne  Stadt:  Geschichtliche  Einleitung,  allgemeine  Anforde- 
rungen in   gesundheitlicher  und  wirtschaftlich-sozialer  Hinsicht. 

Einteilung  der  Großstadt:  City-  und  Vorortsbildung,  Abstufung  der 
Bauweise   und  Freihaltung    gewisser  Flächen  von  jeder  Bebauung. 

Hausbau,  insbesondere  Kleinwohnungsbau:  Einfamilienhaus  und 
Massenmietshaus,  Reihenhaus  und  Wohnhof.  —  Grundrißbildung 
der  Kleinwohnung. 

Bebauungsplan:  Radial-,  Ring-  und  Parallelsystem,  Ausfallstraßen  und 
Verkehrsmittel.  —  Gestaltung  der  Baublöcke,  Verkehrs-  und  Wohn- 
straßen, Vorgärten. 

Stadtbild,  Grünanlagen  und  Gartenstadt. 

2  Stunden:    Donnerstag    vormittags   9^/2  Uhr   pünktlich    bis    11  Uhr 

(bis  Weihnachten). 


Verantwortlich  für  die  Schriftleitung:  Theodor  Goecke,  Berlin.  —  Verlag  von  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin  W.,  Markgrafenstraße  35. 
Inseratenannahme  C.  Behling,  Berlin  W.  66.  —  Gedruckt  bei  Herros^  &  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.  —  Klischees  von  Carl  Schütte,  Berlin  W. 


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Smar&no  Xoufn 


Jahrgang  IX 


Architekt:  The 


1913 


Gedruckt  und  verlegt  W 


Tafel  1/2. 


Yoecke,  Berlin. 


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Jahrgang    IX 


Bebauungsplan  für  die  Nuhnenvorstadt  zu  Frankfurt  a.  O. 
Architekt:  Hans  Bernoulli,  Berlin. 


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Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 


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Tafel  7. 


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L  PREIS:  ARCHITEKT  BRÄUNING,  TEMPLIN      KENNWORT  „STADTPARK" 


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Jahrgang  IX 


U.  PREIS:   BAURAT  ERNST  SPINDLER,  BERLIN      KENNWORT  „HOCH  UND  TIEF" 


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Gedruckt  und  veileg:t  bei  Ernst  Wasinuth  A.-G.,  Berlin. 


WETTBEWERBSENTWURFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 

Tafel  8. 


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SPIELPLATZ  MIT  HALLE 


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L  PREIS»  ARCHITEKT  BRÄUNING,  TEMPLIN      KENNWORT  „STADTPARK" 
jahrK«nc  DC  BAHNHOF  B  VOM  GROSSEN  WASSERBECKEN  AUS 


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Oednickt  und  vetlegt  bei  Bnwt  Waamuth  A.-G.,  Berlin. 


WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 


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I.  PREIS:   ARCHITEKT  BRÄUNING,  TEMPLIN      KENNWORT  „STADTPARK«« 


Jahrgang  DC 


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IL  PREIS:    BAURAT  ERNST  SPINDLER,  BERLIN      KENNWORT  ,4iOCH  UND  TIEF" 


0«<lruckt  und  verlegt  bei  Bmat  Waamuth  A.-G.,  Berlin. 


WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 

Tafel  10. 


KIRCHE  AM  WEIHER 


BRÜCKE  IM  ZUGE  DER  STRASSE  7 


Jahrgang  IX 


IL  PREIS:    BAURAT  ERNST  SPINDLER,  BERLIN      KENNWORT  „HCXM  UND  TIEF« 


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WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 

Tafel  11. 


EIN  III.  PREIS:   ARCHITEKT  HENSEL,  BERLIN 
KENNWORT  ,,DIE  KRONE  VON  TEMPELHOF« 


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EIN  III.  PREIS:   ARCHITEKT  PROFESSOR  SEECK  UND  GARTENARCHITEKT  FREGE 
BERLIN  UND  CHARLOTTENBURG      KENNWORT  „TEMPELHOF« 


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WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 

Tafel  13. 


Jahrgang  IX 


ARCHITEKT  STRAUMER,  BERLIN      KENNWORT  „V.  KNOBELSDORF* 


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Gedruckt  und  veilegt  bei  Ernst  Waamuth  A.-G.,  Bertin. 


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WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERUN 


Tafel  14. 


Jahrgang  IX 


ARCHITEKT  STRAUMER,  BERLIN      KENNWORT  „V.  KNOBELSDORF« 


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Ocdiuckt  und  vetlBft  bei  Ernst  Wastnuth  A.-G.,  Berlin. 


WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPÜLHÜPKRTELBn^ERH^ 


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Tafel  15. 


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Jahrg^ang  IX 


GARTENARCHITEKT  HERMANN  FOETH  UND  ARCHITEKT  PETER  RECHT,  CÖLN  A.  RA 

KENNWORTt  «OVIBUS'' 


WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 


Tafel  16. 


M.  It4000 


M.  )  1 4000 


j«hrg«ig  IX  ^)  ARCHITEKT  ERNST  MICHEL,  BERLIN       KENNWORT:  „UND  IN  POSEIDONS  FICHTENHAIN" 

b)  GARTENARCHITEKT  H.  WERNICKE,  BRESLAU        KENNWORT»   ,4-ARGHETTO« 


WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 


Tafel  J7. 


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Jahrgang  IX 


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GARTENARCHITEKT  JOSEF  LEIBIG,  MITARBEITER  HEINRICH  HERWEDE,  CÖLN  A.  RH. 

KENNWORTt  ,3LAUE  BLUMEN« 


WETTBEWERBSENTWÜRFE  ZUM  PARKRING  AUF  DEM  TEMPELHOFER  FELDE  IN  BERLIN 


Tafel  18. 


M.  J : 4000 


Jahrgang  IX 


GARTENARCHITEKT  WILHELM  BOECK,  HAMBURG 
KENNWORTi   „KRAFT  UND  WISSEN" 


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Tafel  20. 


Platz  aa  der  ZiegelstraBe.    Das  vordere  Eiozelwohnhaus  ist  des  Oberblicks  wegen  weggelassen. 


Eingang  zu  den  Kleinwohnungen  von  der  HohenzollemstraBe. 


Lageplan. 


Jahrgang  IX 


Wettbewerbsentwurf  zur  Bebauung  eines  städtischen  Geländes  in  Trier.    I.  Preis. 

Architekt:   Dipl.-Ing.  Paul  Mauder,  Trier. 


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Gedruckt  und  verlegt  bei  Bmst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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Tafel  23. 


1912 


Seestraße  in  Dresden. 
Aufnahme  von  Architekt  Henselmann,  Dresden. 

Verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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Tafel  24. 


Jahrgang  IX 


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Domberg  in  Meißen. 
Aufnahme  von  Architekt  Henselmann,  Dresden. 

Verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


Tafel  25. 


Abb.  a.     Gegenwärtiger  Zustand. 


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Abb.  c.     Lageplan  nach  dem  Vorschlage  von  Baurat  Großer. 
Jahrgang  IX 


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Abb.  b. 


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Abb.  d. 


Zur  Umgestaltung  des  Universitätsplatzes  in  Breslau. 
Architekt:    Baurat  Karl  Großer,  Breslau. 


Verlegt  bei  Ernst  Wasmuth 
A.-G.,  Berlin, 


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Tafel  28. 


Jahrgang  IX 


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Verlegt  bei  Ernst  Wasmuth 
A.-G.,  Berlin. 


Bebauung  des  Willmannschen  Geländes  in  Berlin-Schöneberg. 

c.  Vogelschaubild  der  ganzen  Anlage. 

d.  Blick  von  der  Straße  n  nach  dem  Platz  1  —  die  Straßenführung  durch  die  Erhaltung  des  alten  Baumes  bedingt. 

Architekt:  Stadtbauinspektor  Wolf,  Schöneberg. 


Tafel  29. 


Jahrgang  IX 


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Verlegt  bei  Ernst  Wasmuth 
A.-G.,  Berlin. 


Bebauung  des  Willmannschen  Geländes  in  Berlin-Schöneberg. 
Blick  von  der  Straß  2  o  durch  die  Kolonnaden  des  Bauwichs  nach  dem  gemeinschaftlichen  Innenpark  des  Baublocks  V 

f.  Blick  von  der  Staffelstraße  m  nach  dem  Platze  1. 
Architekt r.'Stadtbauinspektor  Wolf,  Schöneberg. 


Tafel  30. 


Verlegt  bei 

Ernst  Wasmuth  A.-G., 

Berlin. 


Bebauung  des  Willmannschen  Geländes  in  Berlin-Schöneberg. 

g.  Parkanlage  auf  dem  Platz  1  —  Wasserbecken  von  Hainbuchen  umgeben. 

h.  Blick  von  der  Straße  40  nach  dem  Platz  1. 

Architekt:   Stadtbauinspektor  Wolf,  Schöneberg. 


Tafel  32 


Jahrgang  IX 


Bebauungsplan  der  Stadt  Bunzlau 

I.  Preis 

Verfasser:  Architekten  Dipl.-Ing.  Siegfried  Werner  Müller,  Halle  a.  S. 
und  Dipl.-Ing.  A.  Max  Jacob  in  Leipzig 


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Qedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


Tafel  33 


Jahrgang  IX 


Bebauungsplan  der  Stadt  Bunzlau 

I.  Preis 

Verfasser:  Architekten  Dipl.-Ing.  Siegfried  Werner  Müller,  Halle  a.  S. 

und  Dipl.-Ing.  A.  Max  Jacob  in  Leipzig 


1912 


Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmutta  A.-G.,  Berlin. 


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Jahrgang  DC 


Bebauungsplan  für  die  Gerne 
Architekt:  Theo« 


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Gedruckt  und  verlegt  bei  1 


Tafel  36/37. 


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dl  Goecke,  Berlin. 


El    Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


Tafel  38. 


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Jahrgang  IX 


Ansbach:   a)  Maximilianstraße  und  Herrieder  Tor. 
b)  Ludwigsplatz  und  Schloßplatz. 
Aufnahmen  von  Dipl.-Ing.  Fr.  Reuter,  Ansbach. 


191a 


Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


Tafel  39. 


Jahrgang  IX 


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Ansbach:    Oberer  und  Unterer  Markt  mit  Hubertuskirche. 
Aufnahmen  von  Dipl.-Ing.  Fr.  Reuter,  Ansbach. 


Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


Tafel  40. 


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Jahrgang  IX 


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Die  Siegesallee  in  Berlin. 
Studie  von  Br.  Schwan,  Zabrze  O.-S. 


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Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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FRANKFURTER  WIESEN  IN  LEIPZIG 


Tafel  49 


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b) 


Jahrgang  IX 


a)  Verfasser:  Stadtbauinspektor  Paol  Wolf,  Bcrlin-Schöncberg 
Kennwort:  „Die  Zofcünftgfe  suchen  wir" 

b)  Verfasser:  Professor  Franz  Seeck,  Stegflitz  und  Gartenarchitekt  Paul  Freye, 

Charlottenburg 
Kennwort:  „Leipzig  i9 ii** 


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Gedruckt  und  verlecrt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


WETTBEWERBS  ENTWÜRFE  ZUR  AUSGESTALTUNG  DER 
FRANKFURTER  WIESEN  IN  LEIPZIG 


Tafel  50 


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b) 


Jahrgang  IX 


a)  Verfasser:  Architekt  Fritz  Schumann,  Dresden-PIauen 
Kennzeichen  t   GD 

b)  Verfasser:  Architekt  Georg-  Wünschmann,  Leipzig; 
Kennwort:  „Groß-Leipzigf** 


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Tafel  52 


Jahrgang  IX 


191a 


AUSGEFÜHRTE  NORMALGRUNDRISSE  FÜR  MIETHAUSER 

Ergebnis  einer  Rundfrage  der  Stadt  Aachen 
zusammengestellt  von  Stadtbaurat  Bohrer,  Aachen. 


Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  ^asmuth  A.-G.,  Berlin. 


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Tafel  53 


Jahrgang  IX 


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AUSGEFÜHRTE  NORMALGRUNDRISSE  FÜR  MIETHÄUSER 

Ergebnis  einer  Rundfrage  der  Stadt  Aachen . 
zosammengestellt  von  Stadtbaurat  Bohrer,  Aachen. 


Gedruckt  and  verlegt  bei  Ernst  ^Tasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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Tafel  54 


Jahrgang  IX 


1912. 


AUSGEFÜHRTE  NORMALGRUNDRISSE  FÜR  MIETHAUSER 


ErgfebnJs  einer  Randfrage  der  Stadt  Aachen 
zusammengestellt  von  Stadtbaurat  Bohrer,  Aachen. 


Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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TAFEL  58,  * 


Jahrgang  IX 


191a 


BEBAUUNGSPLAN  FÜR  LEIPZIG-MÖCKERN 

a)  Schulhaus  an  der  Völkerschlachtstraße 

b)  Kirchplatz  an  der  Katzlerstraßc 

Arch.  Hans  Strobel-Leipzig 


Gedruckt  and  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


TAFEL  59, 


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Jahrgang  IX 


BEBAUUNGSPLAN  FÜR  LEIPZIG-MÖCKERN 

a)  Terrasse  an  der  Völkerschlachtstraße 
h)  Katzlerstraße 

Arch.  Hans  Strobel-Leipzig 


1912 


Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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Jahrgang  IX 


Bebauungsplan  für  das  alte  Bahnhofsgelände  in  Karlsruhe  in  Baden. 

a.  Bebauungsplan  im  Zusammenhang  mit  der  Altstadt,     b.  Ettlingertorplatz. 
Architekt  Professor  Moser,  i.  Fa.  Curjel  &  Moser,  Karlsruhe  in  Baden. 


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Verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


Tafel  67 


a.  Westerpark  mit  Roscninsel 


b.  Lageplan 


Jahrgang  IX 


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WETTBEWERB  DER  STADT  HAMM:   RINGANLAGE 

J.  Preis.     Verfasser:  Reg.-Baumeister  a.  D.  Dr.-Ing-,  Dondorf f-Hamm, 

Architekt  Herrn.  Neuhaus-Cöln  und  Gartenarchitekten  Rausch  &  Reinhard-Cöln 

Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasinuth  A.-G.,  Berlin. 


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Tafel  69 


a.  Das  obere  Tor  b.  Vor  dem  oberen  Tort 

c.  Der  obere  Brunnen  mit  dem  Wahrzeichen  der  Stadt 

d.  Gemeindehaus 


Jahrgang  IX 


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NEUNKIRCH  I.  D.  SCHWEIZ 


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Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Vasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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Tafel  70 


a.  Lageplan 


b.  Schaubild  des  Platzes 


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Jahrgang  IX 


LANDHAUSVIERTEL  „FÜNFZEHNERWÖRTH"  DER  STADT  STRASSBURG  L  E. 
Architekten:    Dipl-lng.  Detert  &  Ballenstaedt,  Straßborg-Neuenheim. 


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Gedruckt  und  verlegt  bei  Ernst  Wasmuth  A.-G.,  Berlin. 


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Städtebau 


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