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DER
'i'U'&iS^
STÄDTEBAU
MONATSSCHRIFT
FÜR DIE KÜNSTLERISCHE AUSGESTALTUNG DER STÄDTE
NACH IHREN WIRTSCHAFTLICHEN, GESUNDHEITLICHEN UND
SOZIALEN GRUNDSÄTZEN
BEGRÜNDET
VON
THEODOR GOECKE und CAMILLO SITTE
BERLIN WIEN .
NEUNTER JAHRGANG
VERLAG VON ERNST WASMUTH A.-G.
BERLIN W 8, MAR KGRAFENSTR ASSE 35
1912
V
'\ÖÖO
Herrosd & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg (Bez. Halle).
INHALTS-VERZEICHNIS.
I. TEXT-BEITRÄGE. s=it«=
Ansbach. Von Dipl.-Ing. Fr.
Reuter, Ansbach .... 77
Bebauung, Die Vorschläge zur,
der Frankfurter Wiesen
in Leipzig. Von Theodor
Goecke, Berlin 85
— Die, des Willmannschen Ge-
ländes in Schöneberg. Von
Stadtrat Dr.jur. Licht, Berlin-
Schöneberg 52
Bebauungsplan, Zum, der Stadt
Bunzlau. Von Theodor
Goecke-Berlin 61
— Der, fürdieNuhnen-Vorstadt
zu Frankfurt a. O. Von Hans
Bernoulli, Berlin (jetztBasel) 8
— für Fürsten walde, Entwurf
zum. Von Theodor Goecke,
Berlin 2
— -Wettbewerb, Zum, fürGIad-
beck in Westfalen. Von
Professor Rud. Eberstadt . 19
— für die Gemeinde Irchwitz
bei Greiz (Reuß). Von Theo-
dor Goecke. Berlin ... 73
— für das Städtische Gelände
zwischen der Hohenzollern-,
Töpfer-, Ziegelstraße und
der Mosel in Trier. Von
Dipl.-Ing. Paul Mauder,
Trier 37
— für Leipzig-Möckern. Von
Stadtbauinspektor Hans
Strobel, Leipzig .... 109
Bebauungspläne und Straßen-
bahnen. Nach einem Vor-
schlage des Verfassers auf
dem XVL Internationalen
Straßenbahn- und Klein-
bahn - Kongreß in Brüssel
im September igio. Von
Wattmann, Köln a. Rhein 3
Bedeutung, Die, der Gärten
für das Sommerklima der
Großstädte. Von Professor
Chr. Nußbaum, Hannover 78
Bodenpolitik, Städtische, Vor-
trag auf dem Hessischen
Städtetag zu Fulda am
21. Mai 1910. Von Stadt-
landmesser Groll, Hersfeld 16
Braunschweigs Plätze und Denk-
mäler in ihren planmäßig
überlegten Beziehungen.
Von Chr. Klaiber, Schwab.
Gmünd 102
Gartenkunst, Neuere. Von Dr.-
Ing. Hugo Koch in Ham-
burg 25
Gartenstadt, V/arum gibt es
noch keine, bei Berlin? Von
B. Wehl in Hermsdorf b.
Berlin 33
Gartenvorstadt, Die, Leipzig-
Marienbrunn. Von Stadt-
bauinspektor Hans Strobel,
Leipzig 55
Geländeplastik und Bebauungs-
plan. Von Abendroth, Berlin-
Friedenau 75
Geschichte, Die, des Berliner
Opernplatzes.Von B. Fischer,
Berlin 36
Grundlagen, Die, unseres Städte-
baues in neuer Beleuchtung.
Von Walter Lehwess, Berlin 12g
Haken-Terrasse in Stettin, Die. •'^''i'«
Von Stadtbaurat Meyer-
Schwartau, Stettin ... 7
Kunst und Großverkehr. Von Dr.
Hans Schmidkunz, Berlin-
Halensee 67
Landhausviertel ,,Fünfzehner-
wörth" der Stadt Straßburg
im Elsaß. Von Stadtbauinsp.
Ehlgötz-Mannheim . . . 136
Leipziger Plätze. Von Theodor
Goecke, Berlin 100
Mittelalterliches Städtchen, Ein.
Von Cornelius Gurlitt, Dres-
den 135
Normalgrundrisse für Miets-
häuser. Ein Beitrag zur Bau-
ordnungs- und Wohnungs-
frage. Von AI. Bohrer,
Aachen .... 97, iio, 123
Ordensstadt Marienburg, Die,
Ein Städtebild im Osten.
Von Konrad MetzeI,Dirschau 31
Preisausschreiben für eine Ring-
anlage in Hamm (Westfalen).
Von Dr.-Ing. Dondorff . . 133
Psychologie der Grundstücks-
preise. Von Dr. phil. Streh-
low, Oberhausen . . 103, 116
Riesentunnel , Der, unter derElbe.
Von Max A. R. Brünner,
Berlin 138
Siegesallee, Die, in Berlin. Von
Br. Schwan, Zabrze, Obrschl. 81
Stadtbaurat, Der rechte. Von
Theodor Goecke, Berlin . 63
Stadtbild, Das, von Bath. Von
Hans Bernoulli, früh. Berlin,
jetzt Basel 114
Stadtplan, Der, von Brügge im
16. Jahrhundert. Von Cor-
nelius Gurlitt, Dresden . . 65
Städtebaufragen in Karlsruhe
in Baden. Von Theodor
Goecke, Berlin 126
Städtebaugesetz, Das englische,
vom 3. Dezember 1909. Von
Dr.-Ing. Emerich Forbäth,
Budapest 44. 51
Umgestaltung, Zur, des Uni-
versitätsplatzes in Breslau.
Nach dem Vorschlage des
Architekten Baurat Grosser
Breslau 49
Unterneustädter, Die, Mühle in
Kassel 43
Wettbewerb, „Groß - Berlin".
Von Theodor Goecke, Berlin g
— Der, um die Ausgestaltung
des Parkringes auf dem Tem-
pelhofer Felde in Berlin.
Besprechung von Walter
Lehwess, Berlin-Zehlendorf 13
— Der, zur Ausgestaltung des
neuen Bahnhofsplatzes in
Karlsruhe i. Baden. Von
Theodor Goecke, Berlin . 121
Zum Neunten Jahrgange . . i
II. MITTEILUNGEN.
Ausbau, Zum, des Stadterweite-
rungsamtes in Leipzig . . 11
Baden-Baden, Aus .... 58
Erbbaurecht, Das, und die
Gartenstadt Leipzig-Marien-
brunn 82
Gartenstadtbewegung, Zur . .131
Hauptbahnhof, Der, der neuen Si-ite
Untergrundbahn in New
York 21
Kassel, Aus 132
Regensburg, Aus 119
Richtung, Eine neue, im Garten-
bau und ihr Einfluß auf den
Architekten 119
„Schicklersche Haus", Das; die
alte Forstakademie in Ebers-
walde 70
Wiener Straßenverkehr ... 11
Zweckverbandes für Groß-
Berlin, Vorbereitende Ge-
setzesvorlage zur Bildung
eines 35
III. CHRONIK.
Akademie für kommunale
Verwaltung in Düsseldorf
47. 71. 83, 132
Ausstellung, Die, neuer und
alter Gartenkunst .... 47
Bauausstellung, Größere, Flens-
burg 84
— Internationale, Leipzig 1913 60
Berichtigungen .... 60, 107
Bremen, Ausstellung im Ge-
werbe-Museum 107
Burnham f, Daniel H. . . . 108
City Club of Chicago ... 36
Congestion and its Canses in
Chicago 12
Entwässerung, Dauernde, der
Grunewaldseeen bei Berlin 107
Fortbildungskursus an der
Königl. Techn. Hochschule
zu Aachen 95
Gartenvorstadt, Einige Angaben
über die, in Britz .... 120
— im Käfertaler Wald . . . g6
Gärten, Moderne, auf der Inter-
nationalen Baufach - Aus-
stellung, Leipzig igi3 . . 142
Gliederungsplan für die Interna- 47
tionale Baufachausstellung
mit Sonderausstellungen
Leipzig igi3
Großstadtanlage und Klein-
wohnungsbau 142
Heimatschutzmitteilungen . . 72
Humboldt-Akademie, Die . . 132
Kongreß, Zweiter internatio-
naler, für Heimatschutz in
Stuttgart 71
Kongreß für Städtewesen in
Düsseldorf 84
Lehrgang über Fragen des neu-
zeitlichen Städtebaues an
der Technischen Hochschule
Dresden 120
Parkausschuß für Groß-Berlin 48
Park, Der, von Schloß Ruhwald 142
Protektorat, Das, über die
Deutsche Gartenstadtgesell-
schaft 84
Prüfung der ästhetischen Be-
rechtigung des flachen
Daches 83
Raumkunst, Die, auf der Bau-
ausstellung Leipzig 3913 • 71
Statistik, Aus der, der ersten
deutschen Gartenstadt Hel-
lerau bei Dresden .... 142
Städteausstellung Düsseldorf
igi2 23
Städtebaugesetz, Englisches, Seite
vom 3. Dezember igog . . 96
Studienreise, Soziale, nach Eng-
land 47, 84
Tagung. Dritte, der„Gesellschaft
für Hochschulpädagogik" in
Leipzig 107
Verband Deutscher Kunstge-
werbe-Vereine in München 108
Verbesserung der ländlichen
Bauwerke 132
Versteigerung eines zwischen
Swinemünde und Herings-
dorf belegenen Fiskalischen
Dünenwaldes 84
Volksparks. Die, der Zukunft . 60
Volkswohlfahrt, Die Zentral-
stelle für 12
Wissenschaftliche, Die, Abtei-
lung der Internationalen
Bauausstellung Leipzig igi3 72
Wohngebäude der Stadt Schöne-
berg 36
Wohnungs-Konferenz, Die erste
Österreichische 24
Wohnungsnachweise, Schaffung
geregelter 60
Wohnungspolitik in Berlin, Das .
letzte Aufflackern der . . 107
Wohnungsrefoim, Die Zentral-
stelle für, in Österreich . 108
Zweckverband ,, Groß-Berlin" . 96
IV. AUSGESCHRIEBENE
WETTBEWERBE.
Preisausschreiben für die Um-
gebung des neuen Bahn-
hofsplatzes in Karlsruhe . 12
— zur Erlangung von Ent-
würfen f ür einenVerbauungs-
plan von Reichenberg und
Vororten 36
— zur Erlangung von Ent-
würfen für die Parzellierung
und Bebauung eines in
Dresden-Süd gelegenen Ge-
ländes 60
V. ENTSCHIEDENE
WETTBEWERBE.
Wettbewerb um Entwürfe für:
die künstlerische Gestaltung der
Neubauten am altenSt. Peter-
Platz zu Straßburg i. E. . 24
zur Bebauung städtischen Ge-
ländes in Rixdorf b. Berlin 24
für die städtebauliche Aus-
gestaltung der Frankfurter
\A^iesen in Leipzig ... 48
für einen Urnenhain in Mainz 60
für die Bebauung des neuen
Bahnhofplatzes in Karls-
ruhe i. Baden .... 60, 71
eine Ringanlage in Hamm in
Westfalen 83
eines Gesamtbebauungsplanes
für Düsseldorf g6
VI. NEUE BÜCHER UND
SCHRIFTEN.
Besprochen von Theodor
Goecke, Berlin 10, 11, 22,
23. 34. 35. 46, 47. 59. 69, 70.
82, 83, 106, 107, 140, 141, 142
.-l
//.
t V f
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To.q
Herrosi & 2iemsen, G. m. b. H., Wittenberg (Bez. Halle).
INHALTS-VERZEICHNIS.
I. TEXT-BEITRÄGE. s<=it=
Ansbach. Von Dipl.-Ing. Fr.
Reuter, Ansbach , . , . Tj
Bebauung, Die Vorschläge zur,
der Frankfurter Wiesen
in Leipzig. Von Theodor
Goecke, Berlin 85
— Die, des Willmannschen Ge-
ländes in Schöneberg. Von
Stadtrat Dr. jur. Licht, Berlin-
Schöneberg 52
Bebauungsplan, Zum, der Stadt
Bunzlau. Von Theodor
Goecke-Berlin 61
— Der, fürdieNuhnen-Vorstadt
zu Frankfurt a. O. Von Hans
Bernoulli, Berlin (jetzt Basel) 8
— für Fürstenwalde, Entwurf
zum. Von Theodor Goecke,
Berlin 2
— -Wettbewerb, Zum, für Glad-
beck in Westfalen. Von
Professor Rud. Eberstadt . ig
— für die Gemeinde Irchwitz
bei Greiz (Reuß). Von Theo-
dor Goecke, Berlin ... 73
— für das Städtische Gelände
zwischen der Hohenzollern-,
Töpfer-, Ziegelstraße und
der Mosel in Trier. Von
Dipl.-Ing. Paul Mauder,
Trier 37
— für Leipzig-Möckern. Von
Stadtbauinspektor Hans
Strobel, Leipzig .... 109
Bebauungspläne und Straßen-
bahnen. Nach einem Vor-
schlage des Verfassers auf
dem XVL Internationalen
Straßenbahn- und Klein-
bahn - Kongreß in Brüssel
im September igio. Von
Wattmann, Köln a. Rhein 3
Bedeutung, Die, der Gärten
für das Sommerklima der
Großstädte. Von Professor
Chr. Nußbaum, Hannover 78
Bodenpolitik, Städtische, Vor-
trag auf dem Hessischen
Städtetag zu Fulda am
21. Mai ig 10. Von Stadt-
landmesser Groll, Hersfeld 16
Braunschweigs Plätze und Denk-
mäler in ihren planmäßig
überlegten Beziehungen.
Von Chr. Klaiber, Schwab.
Gmünd 102
Gartenkunst, Neuere. Von Dr.-
Ing. Hugo Koch in Ham-
burg 25
Gartenstadt, V/arum gibt es
noch keine, bei Berlin? Von
B. Wehl in Hermsdorf b.
Berlin 33
Gartenvorstadt, Die, Leipzig-
Marienbrunn. Von Stadt-
bauinspektor Hans Strobel,
Leipzig 55
Geländeplastik und Bebauungs-
plan. Von Abendroth, Berlin-
Friedenau 75
Geschichte, Die, des Berliner
Opernplatzes. Von B. Fischer,
Berlin 36
Grundlagen, Die, unseres Städte-
baues in neuer Beleuchtung.
Von Walter Lehwess, Berlin 12g
Haken-Terrasse in Stettin, Die. ^''t«:
Von Stadtbaurat Meyer-
Schwartau, Stettin ... 7
Kunst und Großverkehr. Von Dr.
Hans Schmidkunz, Berlin-
Haiensee 67
Landhausviertel „Fünfzehner-
wörth" der Stadt Straßburg
im Elsaß. VonStadtbauinsp.
Ehlgötz-Mannheim . . . 136
Leipziger Plätze. Von Theodor
Goecke, Berlin 100
Mittelalterliches Städtchen, Ein.
Von Cornelius Gurlitt, Dres-
den 135
Normalgrundrisse für Miets-
häuser. Ein Beitrag zur Bau-
ordnungs- und Wohnungs-
frage. Von AI. Bohrer,
Aachen .... 97, 110, 123
Ordensstadt Marienburg, Die,
Ein Städtebild im Osten.
VonKonradMetzel, Dirschau 31
Preisausschreiben für eineRing-
anlage in Hamm (Westfalen).
Von Dr.-Ing. Dondorff . . 133
Psychologie der Grundstücks-
preise. Von Dr. phil. Streh-
low, Oberhausen . . 103, 116
Riesentunnel,Der. unterderElbe.
Von Max A. R. Brünner,
Berlin 138
Siegesallee, Die, in Berlin. Von
Br. Schwan, Zabrze, Obrschl. 81
Stadtbaurat, Der rechte. Von
Theodor Goecke, Berlin . 63
Stadtbild, Das, von Bath. Von
Hans Bernoulli, früh. Berlin,
jetzt Basel 114
Stadtplan, Der, von Brügge im
16. Jahrhundert. Von Cor-
nelius Gurlitt, Dresden . . 65
Städtebaufragen in Karlsruhe
in Baden. Von Theodor
Goecke, Berlin 126
Städtebaugesetz, Das englische,
vom 3. Dezember 1909. Von
Dr.-Ing. Emerich Forbäth,
Budapest 44, 51
Umgestaltung, Zur, des Uni-
versitätsplatzes in Breslau.
Nach dem Vorschlage des
Architekten Baurat Grosser
Breslau 4g
Unterneustädter, Die, Mühle in
Kassel 43
Wettbewerb, „Groß - Berlin".
Von Theodor Goecke, Berlin 9
— Der, um die Ausgestaltung
des Parkringes auf dem Tem-
pelhofer Felde in Berlin.
Besprechung von 'Walter
Lehwess, Berlin-Zehlendorf 13
— Der, zur Ausgestaltung des
neuen Bahnhofsplatzes in
Karlsruhe i. Baden. Von
Theodor Goecke, Berlin . 121
Zum Neunten Jahrgange . . i
II. MITTEILUNGEN.
Ausbau, Zum, des Stadterweite-
rungsamtes in Leipzig . . 11
Baden-Baden, Aus .... 58
Erbbaurecht, Das, und die
Gartenstadt Leipzig-Marien-
brunn 82
Gartenstadtbewegung, Zur . . 131
Hauptbahnhof, Der, der neuen Seite
Untergrundbahn in New
York 21
Kassel, Aus 132
Regensburg, Aus ng
Richtung, Eine neue, im Garten-
bau und ihr Einfluß auf den
Architekten iig
„Schicklersche Haus", Das; die
alte Forstakademie in Ebers-
walde 7°
Wiener Straßenverkehr ... 11
Zweckverbandes für Groß-
Berlin, Vorbereitende Ge-
setzesvorlage zur Bildung
eines 35
III. CHRONIK.
Akademie für kommunale
Verwaltung in Düsseldorf
47, 71, 83, 132
Ausstellung, Die, neuer und
alter Gartenkunst .... 47
Bauausstellung, Größere, Flens-
burg 84
— Internationale, Leipzig igi3 60
Berichtigungen .... 60, 107
Bremen, Ausstellung im Ge-
werbe-Museum 107
Burnham -f, Daniel H. . . .108
City Club of Chicago ... 36
Congestion and its Canses in
Chicago 12
Entwässerung, Dauernde, der
Grunewaldseeen bei Berlin 107
Fortbildungskursus an der
Königl. Techn. Hochschule
zu Aachen gs
Gartenvorstadt, Einige Angaben
über die, in Britz .... 120
— im Käfertaler Wald . . . g6
Gärten, Moderne, auf der Inter-
nationalen Baufach - Aus-
stellung, Leipzig igi3 . . 142
Gliederungsplan für die Interna- 47
tionale Baufachausstellung
mit Sonderausstellungen
Leipzig igi3
Großstadtanlage und Klein-
wohnungsbau 142
Heimatschutzmitteilungen . . 72
Humboldt-Akademie, Die . . 132
Kongreß, Zweiter internatio-
naler, für Heimatschutz in
Stuttgart 71
Kongreß für Städtewesen in
Düsseldorf 84
Lehrgang über Fragen des neu-
zeitlichen Städtebaues an
der Technischen Hochschule
Dresden 120
Parkausschuß für Groß-Berlin 48
Park, Der, von Schloß Ruhwald 142
Protektorat, Das, über die
Deutsche Gartenstadtgesell-
schaft 84
Prüfung der ästhetischen Be-
rechtigung des flachen
Daches 83
Raumkunst, Die, auf der Bau-
ausstellung Leipzig 1913 . 71
Statistik, Aus der, der ersten
deutschen Gartenstadt Hel-
lerau bei Dresden .... 142
Städteausstellung Düsseldorf
igi2 23
Städtebaugesetz, Englisches, Seite
vom 3. Dezember igog . . g6
Studienreise, Soziale, nach Eng-
land 47, 84
Tagung. Dritte, der„Gesellschaft
für Hochschulpädagogik" in
Leipzig 107
Verband Deutscher Kunstge-
werbe-Vereine in München 108
Verbesserung der ländlichen
Bauwerke 132
Versteigerung eines zwischen
Swinemünde und Herings-
dorf belegenen Fiskalischen
Dünenwaldes 84
Volksparks. Die, der Zukunft . 60
Volkswohlfahrt, Die Zentral-
stelle für 12
Wissenschaftliche, Die, Abtei-
lung der Internationalen
Bauausstellung Leipzig 1913 72
Wohngebäude der Stadt Schöne-
berg 36
Wohnungs-Konferenz, Die erste
Österreichische 24
Wohnungsnachweise, Schaffung
geregelter 60
^Vohnungspolitik in Berlin, Das
letzte Aufflackern der . . 107
Wohnungsrefoim, Die Zentral-
stelle für, in Österreich . 108
Zweckverband ,, Groß-Berlin" . 96
IV. AUSGESCHRIEBENE
WETTBEWERBE.
Preisausschreiben für die Um-
gebung des neuen Bahn-
hofsplatzes in Karlsruhe . 12
— zur Erlangung von Ent-
würfen für einenVerbauungs-
plan von Reichenberg und
Vororten 36
— zur Erlangung von Ent-
würfen für die Parzellierung
und Bebauung eines in
Dresden-Süd gelegenen Ge-
ländes 60
V. ENTSCHIEDENE
WETTBEWERBE.
\Vettbewerb um Entwürfe für:
die künstlerische Gestaltung der
Neubauten am altenSt. Peter-
Platz zu Straßburg i. E. . 24
zur Bebauung städtischen Ge-
ländes in Rixdorf b. Berlin 24
für die städtebauliche Aus-
gestaltung der Frankfurter
Wiesen in Leipzig ... 48
für einen Urnenhain in Mainz 60
für die Bebauung des neuen
Bahnhofplatzes in Karls-
ruhe i. Baden .... 60, 71
eine Ringanlage in Hamm in
Westfalen 83
eines Gesamtbebauungsplanes
für Düsseldorf 96
VI. NEUE BÜCHER UND
SCHRIFTEN.
Besprochen von Theodor
Goecke, Berlin 10, 11, 22,
23. 34. 35. 46, 47. 59. 69, 70,
82, 83, 106, 107, 140, 141, 142
\[l
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
TAFELN.
Städtebilder.
Tafel 23 Dresden.
„ 24 Meißen.
„ 32, 33 Bunzlau.
„ 38, 39 Ansbach.
„ 55, 56 Braunschweig.
„ 69 Neunkirch (Schweiz).
„ 71, 72 Königsberg i. Pr.
Straßen- und Platzanlagen.
Tafel 3 Straßenbahnen.
„ 7—18 Parkringauf demTem-
pelhofer Felde b.Berlin.
ig, 20 Trier.
21, 22 Leipzig-Marienbrunn.
25, 26 Breslau.
27 — 30 Scnöneberg.
36, 37 Irchwitz bei Greiz
(Reuß).
40 Berlin.
41—51 Leipzig.
55, 56 Braunschweig.
57 — 59 Leipzig-Möckern.
62 — 66 Karlsruhe.
67, 68 Ringanlage in Hamm
i. Westf.
„ . 70 Straßburg i. Elsaß.
Bebauungspläne.
Tafel I, 2 Fürstenwalde.
„ 6 Nuhnen-Vorstadt Frank-
furt a. O.
„ 7 — 18 Parkring auf dem Tem-
pelhof er Felde b.Berlin.
„ 21, 22 Leipzig-Marienbrunn.
„ 27 — 30 Schöneberg.
Tafel 31 — 33 Bunzlau.
,1 36, 37 Irchwitz bei Greiz
(Reuß).
„ 57—59 Leipzig-Möckern.
„ 67, 68 Ringanlage in Hamm
i. Westf.
„ 70 Straßburg i. Elsaß.
Grundrisse.
Tafel 52, 54. Normalgrundrisse für
Miethäuser.
Stadtpläne.
Tafel 31 Bunzlau.
>, 34, 35 Brügge.
„ 60, 61 Bath.
Naturaufnahmen.
Tafel 4, 5 Hakenterrasse in Stettin.
„ 71, 72 Königsberg i. Pr.
Parkanlagen und Friedhöfe.
Tafel 7 — 18 Parkring auf dem Tem-
pelhoferFelde b.Berlin.
„ 27, 28, 30 Schöneberg.
„ 41—51 Leipzig.
Kolonien und Gartenstädte.
Tafel 21, 22 Leipzig-Marienbrunn.
Wettbewerbe.
Tafel 7 — 18 Parkring auf dem Tem-
pelhofer Felde b.Berlin.
„ 19, 20 Trier.
„ 31—33 Bunzlau.
Tafel 41 — 51 Leipzig.
„ 62—66 Karlsruhe.
„ 67, 68 Ringanlage in Hamm
i. Westf.
TEXTABBILDUNGEN.
Straßen- und Platzanlagen.
Seite 4, Abb. i.
„ 6, „ 2, 3.
7, „ 4-
„ 7, „ 5 Stettin.
„ 14, „ I, 2 Tempelhofer
Feld b.Berlin.
„ 4t, » 5 Berlin.
,, 42, „ 6 Berlin.
„ 53, „ I, 2 Schöneberg.
„ 62 Bunzlau.
„ 74, Abb. I Irchwitz b. Greiz
(Reuß).
77, „ 2, 3 Ansbach.
„ 86 — 93, Abb. I — 16 Leipzig.
„ 100 Leipzig.
„ 115, Abb. I — 4 Bath.
Grundrisse.
Seite 38, Abb. 1—4 Trier.
123,
124,
125,
1 Elberfeld.
2 Aachen.
3 Prag-
4 Essen.
5 Düsseldorf.
6 Bremen.
7 Elberfeld.
8 Aachen.
9 Brunn.
10 Nürnberg.
11 Aachen.
Garten-
, Pai
k- und Friedhofs-
anl
agen.
Seite 14,
Abb.
I, 2 Tempelhofer
Feld b. Berlin
„ 27,
I Boston.
„ 87,
4 Leipzig.
„ 88,
5
„ 89,
8
„ 92,
12, 13 Leipzig.
,. 93,
IS, 16 "
Kolonien und Gartenstädte.
Seite 56, Abb. 3 Marienbrunn-
Leipzig.
Bebauungspläne.
Seite 9, Abb. 6 Frankfurt a. O.
„ 54, „ 2 Schöneberg.
„ 56, ,, 3 Marienbrunn-
Leipzig.
„ 127, Karlsruhe i. B.
Stadtpläne
Seite 32, Abb. 2 Marienburg.
„ 136 Neunkirch (Schweiz).
Städtebilder.
Seite 43 Kassel.
„ 136 Neunkirch (Schweiz).
Naturaufnahmen.
Seite 43 Kassel.
„ 138 — 140, Abb. I — 4 Riesen-
tunnel unter der Elbe.
Wettbewerbe.
Seite 14, Abb. i — 2 Tempelhofer
Feld b. Berlin.
„ 86 — 93, Abb. I — 16 Leipzig.
MITARBEITER.
Abendroth, Berlin-Friedenau,S. 75.
Bercher, Emil, Stuttgart, S. 90,
Taf. 47. BernouUi, Hans, früher
Berlin, jetzt Basel, S. 8, 114, Taf. 6,
60, 61. Bock, Fr., Berlin-Charlotten-
burg, S. 21. Boeck, Wilhelm, Ham-
burg, Taf. 18. Bohrer, AI., Aachen,
S. 97, iio, 123, Taf. 52, 53, 54.
Bräuning, Templin, Taf. 7, 8, 9.
Brünner, Max A. R., Berlin, S. 138.
Dondorff, Dr.-Ing., S. 133, Taf.
67, 68.
Eberstadt, Dr. Rud., S. ig. Ehl-
götz, Stadtbauinspektor, Mannheim,
S. 136, Taf. 70.
Fischer, B., Berlin, 3g. Foeth,
Hermann, Köln a. Rhein, Taf. 15.
Forbith, Dr.-Ing. Emerich, Buda-
pest, S. 44, 51. Freye, Paul, Char-
lottenburg, S. 92, Taf. II, 49.
Goecke, Theodor, Berlin, S. 2, 9,
10, 61, 63, 73, 85, 100, 121, 126,
Taf. 1/2, 36, 37. Groll, Hersfeld,
S. 16. Groß, Henry, Charlottenburg,
S. 89, Taf. 46. Grosser, Karl, Breslau,
S. 49, Taf. 25, 26. Gurlitt, Cor-
nelius, Dresden, S. 65, 69, Taf. 34,
35, 135-
Hensel, Berlin, Taf. 11. Hensel-
mann, Dresden, Taf. 23, 24. Herwede,
Heinrich, Köln a. Rhein, Taf. 17.
Jacob, Dipl.-Ing. A. Max, Leipzig,
Taf. 31, 32, 33. Jansen, Hermann,
Berlin, Taf. 45.
Klaiber, Chr., Schwäbisch-Gmünd,
S. 102, Taf. 55, 56. Koch, Dr.-Ing.
Hugo, Hamburg, S. 25. Kühne,
Max Hans, Dresden, Taf. 48.
Lange, Oskar, Berlin -Wilmers-
dorf, S. 86, Taf. 41. Lehwess,
Walter, Berlin -Zehlendorf, S. 13,
12g. Leibig, Josef, Köln a. Rhein,
Taf. 17. Licht, Dr. jur., Berlin-
Schöneberg, S. 52. Lossow, William,
Dresden, Taf. 48. Lörcher, Carl,
Stuttgart, S. 86, Taf. 41.
Magenau, Dipl.-Ing. Carl, Stutt-
gart, S. 90, Taf. 47. Mauder, Dipl.-
Ing. Paul, Trier, S. 37, Taf. 19, 20.
Metzel, Konrad, Dirschau, S. 31.
Meyer - Schwartau, Stettin, S. 7,
Taf. 4, 5. Michel, Ernst, Berlin,
Taf. 16. Moser, Professor, Karls-
ruhe i. Baden, Taf. 66. Möhring,
Bruno, Berlin, S. 87, 88, Taf. 42.
Müller, Dipl.-Ing. Siegfried Werner,
Halle a. S., Taf. 31, 32, 33. Mürdel,
Ing. Carl, Frankfurt a. Main, S. 88,
Taf. 44.
Neue, Edmund, Berlin -Schmar-
gendorf, Taf. 43. Nußbaum, H. Chr.,
Hannover, S. 78.
Recht, Peter, Köln a. Rhein, Taf.
15. Reuter, Dipl.-Ing. Fr., Ansbach,
S. 77, Taf. 38, 39. Rummel, Dipl.-
Ing. Christoph, Frankfurt a. Main,
S. 88, Taf. 44. Rummel, Hans,
Frankfurt a. Main, S. 88, Taf. 44.
Schmidkunz, Dr. Hans, Berlin-
Halensee, S. 67. Schumann, Fritz,
Dresden -Plauen, S. 92, Taf. 50.
Schwan, Br., Zabrze, Oberschles.,
S. 81, Taf. 40. Seeck, Franz, Steg-
litz, S. 92, Taf. II, 12, 4g. See-
mann, Oskar, Karlsruhe i. Baden,
Taf. 64, 65. Spindler, Ernst, Berlin,
Taf. 7, 9, 10. Straumer, H., Berlin,
Taf. 13, 14. Strehlow, Dr. phil.,
Oberhausen, S. 103, 116. Strobel,
Hans, Leipzig, S. 55, 109, Taf. 21,
22, 57, 58, 59.
Veil, Friedrich, Stuttgart, S. go,
Taf. 47. Vittali, W., Karlsruhe in
Baden, Taf. 62, 63. Vogeler, Max,
Weimar, Taf. 43.
\Vattmann, Köln a. Rhein, S. 3,
Taf. 3. Wehl, B., Hermsdorf bei
Berlin, S. 33. Wehling, Gottfried,
Düsseldorf, S. g3, Taf. 51. Wer-
nicke, H., Breslau, Taf. 16. Wolf,
Paul, Schöneberg, S. gl, Taf. 27,
28, 29, 30, 49. Wünschmann, Georg,
Leipzig, Taf. 50.
9. Jahrgang
1912
1. Heft
ManaT^5CnRIFT
FÜR- DIE- KÜNSTLEl^lSaiEAUyQKrAl!
TU/MQ DER -STÄDTE • hAÜI- iHRm-WlRT
SaiAFTÜCMEN- QESUNDhElTüCMEN- UND
SoZiALEN-GRUISD^AlZENiQEQRÜNDET-VON
.TriEQPORnnrcKr<^MiLLqsi^f
fegJVERLAQ^ERISyrWA^MUTri. BERLIN.'^'
I ** NEBST EINER S0NDLRBEILA6E; LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT ** 1
INHALTSVERZEICHNIS : Zum neunten Jahrgange ! — Entwurf zum Bebauungsplan für Fürstenwalde. Von Theodor Goecke, Berlin. — Bebauungs-
pläne und Straßenbahnen. Von Wattmann, Direktor der Straßenbahnen in Köln a. Rh. — Die Haken -Terrasse in Stettin. Architekt: Stadtbaurat
Meyer-Schwartau, Stettin. — Der Bebauungsplan für die Nuhnenvorstadt zu Frankfurt a. O. Von Hans BernouUi, Architekt, Berlin. — Wettbewerb
„Groß-Berlin". Von Theodor Goecke. — Neue Bücher. Besprochen von Theodor Goecke. — Mitteilungen. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
ZUM NEUNTEN JAHRGANGE!
Nichts Besseres glauben Herausgeber und Verleger zur Einleitung des neuen Jahrganges
sagen zu können, als das, was Herr Baurat Weiß in seiner mit einem Preise der Strauch-Stiftung
ausgezeichneten Arbeit über die Wohnungsfrage ausgesprochen hat:
Einen wesentlichen Aufschwung verdankt das ganze Gebiet der seit 1904 erscheinenden,
von Th. Goecke herausgegebenen Zeitschrift „Der Städtebau". Wie durch die seit 1893 erschienenen
deutschen Konkurrenzen, d. h. durch die Vorführung zahlreicher Schöpfungen unserer besten Bau-
künstler unsere ganze Architektenwelt neu belebt und auch die Augen der Laien auf dieses Gebiet
gelenkt wurden, so haben auch die zahlreichen Beispiele, die „Der Städtebau" aus dem Gebiete des
Städtebaues mit jeder neuen Nummer zur Kenntnis einer großen Lesergemeinde brachte und bringt,
hier einen völligen Umschwung herbeigeführt. Wer von unseren jüngeren Staatstechnikern hat
sich noch vor einem Jahrzehnt mit Städtebaufragen beschäftigt? W^ieviel mittlere Techniker und
Verwaltungsbeamte gab es seinerzeit, die überhaupt nur daran gedacht haben? Und heute? W^er
beschäftigt sich heute nicht mit dem Städtebau, und wer von den Technikern und Verwaltungs-
beamten, namentlich bei den Kommunen, durchstöbert nicht jede neue Nummer dieser Zeitschrift
von Anfang bis zu Ende? Ohne die stetig aufklärende Kleinarbeit dieser Zeitschrift wäre man
wohl kaum auf den Gedanken gekommen, „Städtebauliche Seminare" zu errichten. Auch ein Wett-
bewerb „Groß-Berlin" hätte ohne diese Zeitschrift wohl weder die zum Wettbewerb nötigen Mittel,
noch die große Zahl der Bearbeiter und sonstigen Interessenten gefunden. —
Wir danken für diese Anerkennung in dem Bewußtsein, keine Mühe und Kosten gescheut
zu haben, den Zielen der Zeitschrift näher zu kommen. Wenn uns dies noch nicht durchweg ge-
lungen ist, so liegt es nicht am Mangel guten Willens oder besserer Einsicht, sondern lediglich
daran, daß wir noch nicht überall eine ausreichende Unterstützung gefunden haben. Diese uns
zu erwerben, wird unsere weitere Sorge sein; namentlich an die Stadtverwaltungen richten wir die
Bitte, uns durch Abnahme einer größeren Zahl von Exemplaren den Bestand der Zeitschrift zu
erleichtern und Verbesserungen, insbesondere in der Herstellung von Tafeln, zu ermöglichen.
DER STÄDTEBAU
ENTWURF ZUM BEBAUUNGSPLAN
FÜR FÜRSTEN WALDE. Hierzu Ooppeuafel 12.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Schon oft bin ich um die Veröffentlichung von Be-
bauungsplänen mittlerer und kleiner Städte, auch von
Dörfern, angegangen worden. Diesem Wunsche gern nach-
kommend, beabsichtige ich, im Laufe des Jahrgangs einige
besonders bezeichnende Beispiele städtischer und dörflicher
Siedelungen aus der Praxis vorzuführen. Im folgenden be-
ginne ich mit dem Plan für Fürstenwalde.
Die alte Stadt Fürstenwalde, südlich derNiederschlesisch-
Märkischen Staatsbahn an der Spree beziehungsweise
Spree -Oder -Wasserstraße gelegen, hat sich zunächst nach
dem Bahnhofe hin weiter ausgedehnt. Ihrer Entwicklung
nach Osten hin haben die Kasernen und der Exerzierplatz
der Garnison Grenzen gesetzt, nach W^esten hin der Stadt-
park. Infolgedessen drängte die Bebauung nach Norden
hin über die Eisenbahn hinaus gegenüber den hier
im Nordwesten befindlichen Fabrikanlagen der Firma
Julius Pintsch A.-G. und nach Süden hin bei der nun ein-
mal gegebenen Lage der Spreebrücke in die Nachbar-
gemeinde Ketschendorf hinein.
Die Erweiterungen sind von Fall zu Fall vom Be-
dürfnisse gedrängt entstanden, so daß auch jenseits der
Spree im Südwesten sich Fabriken niederlassen konnten.
Bei dieser Sachlage hatte die Aufstellung eines die weitere
Entwicklung leitenden Bebauungsplanes mit besonderen
Schwierigkeiten zu kämpfen. Sieht man daraufhin das
ganze der Stadt gehörige Gebiet an, so findet man es in
drei Streifen scharf getrennt: in einen nördlich der Eisen-
bahn gelegenen mit der Barrikade der Pintschschen Fabrik,
einen mittleren mit der alten Stadt und einen dritten südlich
der Spree, von Ketschendorf bis in den Kreis Beeskow-
Storkow hineinreichend. Zu beachten ist hierbei, daß in
neuester Zeit die Anlage eines Hafens an der Spree und
die Erbauung der Kleinbahnen nach Beeskow einerseits
und Müncheberg -Wriezen andererseits mit Anschluß-
gleisen zum Hafen Gelegenheit zur Verwertung des Ge-
ländes im Osten nördlich und südlich des Exerzierplatzes
für Industriezwecke geboten haben.
Mit Rücksicht auf die Hauptwindrichtung — Westen,
Nord- und Südwesten — ist diese Lage als eine günstige zu
bezeichnen; deshalb empfiehlt es sich, in Zukunft etwaige
städtische Betriebe, wie eine Gasanstalt, einen Schlachthof
usw. ebenfalls im Osten anzulegen und die jetzt im Südwesten
befindlichen Fabriken nach dem Osten zu verlegen bzw.
ihre weitere Ausdehnung zu verhindern.
Denn dieses jetzt von ihnen eingenommene, bis an den
Wald reichende Gebiet an der Spree gegenüber dem schönsten
Teile des Stadtparkes und dem reizvollen Ufergelände eignet sich
wie sonst kaum ein anderes für eine Bebauung mit frei stehenden
Landhäusern oder auch Doppel- und Reihenhäusern in
Gruppen für mehr Bemittelte, Beamte und Pensionäre.
In der Richtung auf Ketschendorf zu wird man eine Bebauung
mit Kleinwohnungen vorzusehen haben, ebenso wie im Norden
hinter der Fabrik von Pintsch, in angemessenem Abstände
davon, um dem Fabriklärm zu entgehen. Hier muß auch
dem Arbeiter Gelegenheit zur Erbauung seines eigenen
Häuschens gegeben werden, wie sie -- wenn auch in un-
vollkommener Weise — jetzt schon an der Trebuser Land-
straße entstanden sind. Darin spricht sich ein soziales
Bedürfnis aus. Dagegen wird hinter dem Parke an dem
Steinerweg eine landhausmäßige Bebauung am Platze sein.
Außer diesen beiden Wohnvierteln ist dann zwischen der
Fabrik von Pintsch und dem zukünftigen Fabrikviertel im
Osten im Anschluß an die hier schon vorhandene Be-
bauung eine Miethausbebauung vorzusehen, für die es
sich aber empfehlen würde, nicht über drei W^ohngeschosse
hinauszugehen und Kellerwohnungen überhaupt auszu-
schließen.
Demnach müßten durch Ortsstatut Fabrik- und Wohn-
viertel festgelegt werden, wozu dann noch besondere Be-
stimmungen über die Bebauung am Parke kommen würden.
Die Verteilung der Bevölkerung nach diesen Vorschlägen
einerseits und die Notwendigkeit alle diese Teile unter-
einander sowohl als mit dem Bahnhofe und der alten Stadt
gut zu verbinden andererseits, verlangen eine sorgfältige
Überlegung der Verkehrsstraßen.
Die vorhandene Hauptstraße, die Eisenbahnstraße, die
sich in der Müncheberger Chaussee mit der davon ab-
zweigenden Trebuser Landstraße fortsetzt," überkreuzt die
Eisenbahn in Schienenhöhe; es kann der zukünftigen Ent-
wicklung überlassen bleiben, hier neben der bereits vor-
handenen Unterführung für den Fußverkehr auch eine solche
für den Fahrverkehr anzulegen — die Möglichkeit dazu^ist
auf beiden Seiten der Bahn durch die reichliche Straßen-
breite bzw. durch Grünanlagen gegeben. Dicht bei der
Kreuzungsstelle liegt der Bahnhof, von dem die Schützen-
straße ausgeht. Zur unmittelbaren Verbindung mit dem
Bahnhof und der dadurch erst möglich werdenden Er-
schließung des Geländes südwestlich der Spree (Landhaus-
viertel) ist die Verlängerung der Schützenstraße und ihre
Überführung über die Spree mit einer Brücke Voraussetzung.
Hier schließt diese neue Verbindung an die vorhandene
Braunsdorfer Straße an.
Im Osten ist bereits eine Straßenüberführung über
die Staatseisenbahn gesichert. Von hier aus wird einer-
seits das Fabrikviertel aufgeschlossen, andererseits die Ver-
bindung mit der frühereren Kolonie Fürstenwalde an der
Spree am Exerzierplatze vorbei bis zur Lindenstraße her-
gestellt, um in Zukunft auch noch bis an die Spree heran-
geführt zu werden.
Zwischen diesen beiden Verkehrszügen ist aber am
städtischen Bauhof in der Nähe des Seilerplatzes, un-
gefähr da, wo sich jetzt ein Übergang in Schienenhöhe be-
findet, eine neue Hauptverkehrsstraße nebst ihrer schienen-
freien Kreuzung mit der Staatsbahn und der daneben liegenden
Kleinbahn unbedingt zu fordern. Damit würde erst das Herz
der alten Stadt, und zwar unter Benutzung der Kirchhof-
und Gröbenstraße und Durchbrechung der vorhandenen
Bebauung bis zum Marktplatze mit dem Schwerpunkt der
DER STÄDTEBAU
nördlichen Stadterweiterung verbunden. Nach Süden hin
bildet dann die Mühlenstraße mit der durch einen Neubau
zu ersetzenden Mühlenbrücke die unmittelbare Fortsetzung ;
nach Norden hin würde ein straßenförmig auszubauender
Feldweg, von dem im Schnittpunkte mit der Nordstraße
eine Diagonale zur Wriezener Straße abzweigt, das Gelände
aufschließen. Die südliche Rampe der Überführung gibt
Gelegenheit zu einer Vervollständigung des jetzt nur ein-
seitig bebauten dreieckigen Baublockes an der Kirchhof-
und Feldstraße. Unterhalb der Überführung soll die Seelower
Straße über den städtischen Bauhof hinweg an der Eisen-
bahn entlang weitergeführt werden, um darin die Grün- und
Waldstraße einmünden zu lassen, sowie eine Verbindung mit
der Gartenstraße herzustellen.
Eine vierte Stelle, an der die Eisenbahn gekreuzt werden
muß, befindet sich in Verlängerung des Steinerwegs. Hier
ist im Plane Vorsorge getroffen, daß im Falle des Bedarfes
auch einmal eine Über- oder Unterführung hergestellt werden
kann. Das sonst durch die Pintschsche Fabrik abgeschnürte,
nach Trebus sich erstreckende Gelände erhält hierdurch
die notwendige Verbindung mit der Stadt, und zwar unter
möglichster Schonung des Parkes derartig, daß die Park-
straße bis zum Steinerweg verlängert wird. Diese Straße
ist auf jeden Fall erforderlich, gleichviel, ob hinter dem
Parke sich eine Bebauung entwickeln wird oder nicht.
Zu dieser Gesamtplanung ist im einzelnen noch zu be-
merken :
1. Ein neuer Friedhof ist im Osten zwischen der Staats-
bahn und dem Exerzierplatz vorgesehen, da sich hier
schwerlich jemand anbauen dürfte. Sollte dieser nicht
mehr ausreichen, so ist im Norden jenseits der Staatsbahn
reichlich städtisches Forstgelände vorhanden, um einen
weiteren, von der neuen Verkehrsstraße (mit Überführung
am städtischen Bauhof) auch von der alten Stadt her be-
quem zugänglichen Friedhof im Anschluß an eine öffent-
liche Grünanlage zu schaffen.
2. Diese aus der städtischen Forst auszuschneidende
Grünanlage soll einesteils das Industriegelände von dem
Wohnviertel scheiden, anderenteils Gelegenheit zur Erholung
und zur Einrichtung von Spielplätzen usw. der hier anzu-
siedelnden Bevölkerung dienen, für die der Stadtpark schon
zu weit abliegt. Diese Grünanlage ist möglichst nach dem
Trebuser See hin fortzusetzen und soll am anderen Ende bei
der Wriezener Straße sich mit Hilfe der als Alleestraße aus-
zugestaltenden Diagonale, die zur Überführung am städtischen
Bauhof führt, zu einem Ringe zusammenschließen.
3. Eine Bebauung hinter dem Parke ist nur möglich,
wenn eine bebaute Straße dorthin führt. Deshalb ist der
Parkrand an der Promenade bzw. Berliner Landstraße für
die Bebauung mit Landhäusern in Aussicht genommen.
4. Spielplätze sind außerdem auf der Spreewiese südlich des
Stadtparks vorgesehen. Von der Altstadt an der Ablage ab ist
ferner ein Promenadenweg zur Spree geplant, der an dieser
entlang weitergehend bis zum Niederlagstor reicht. Die hier
befindlichen Wiesen müssen schon aus technischen Gründen
unbebaut bleiben, was aber auch im Interesse des Stadt-
bildes erwünscht ist. An der Stelle, wo eine Fährverbindung
angedeutet ist, bietet sich namentlich ein schöner Blick auf
den Turm der Domkirche.
Der Plan ist entstanden nach vielfachen Verhandlungen
innerhalb der Bauplankommission und auf Grund ein-
gehender örtlicher Studien, die möglichst auch einzelnen
Wünschen und Bedürfnissen gerecht zu werden suchen,
ohne den großen Zusammenhang der zukünftigen Stadt aus
dem Auge zu verlieren.
Der Oberbürgermeister Zeidler hat sich durch tatkräftige
Förderung der Planung den besonderen Dank des Verfassers
erworben.
BEBAUUNGSPLÄNE UND STRASSENBAHNEN.
NACH EINEM VORTRAGE DES VERFASSERS AUF DEM XVI. INTERNATIONALEN
STRASSENBAHN- UND KLEINBAHN-KONGRESS IN BRÜSSEL IM SEPTEMBER 1910.
Von WATTMANN, Direktor der Straßenbahnen in Köln a. Rh.
Der Straßenbahntechniker, der auf den Städtebauaus-
stellungen in Berlin und Düsseldorf die Fülle von Plänen
und Modellen durchforscht hat, um für sein Sonderfach etwas
zu finden, wird eine Enttäuschung erlitten haben. So reich-
haltig diese Ausstellungen beschickt waren, fast nirgendwo
waren in den Plänen die Straßenbahnanlagen mit zur Dar-
stellung gebracht.
Man könnte demgegenüber versucht sein zu glauben,
daß die Straßenbahnen eine unwichtige Rolle in unseren
städtischen Daseinsbedingungen spielen.
Und doch wäre das sicher ein großer Irrtum, denn schon
ein ganz kurzer Einblick in eine Statistik unserer Straßen-
bahnen lehrt das Gegenteil. In unseren mittleren Groß-
städten entfallen auf jeden Einwohner etwa 150—200 Straßen-
bahnfahrten im Jahr. Die Ausgaben hierfür bewegen sich
ungefähr zwischen 60 — 100 "Z,, der Abgaben, die für Ein-
kommensteuer an die Gemeinde entrichtet wird. Der Per-
sonenverkehr in den von Straßenbahnen durchzogenen
städtischen Straßen wird ungefähr zum fünftenTeil bis zur Hälfte
und bei besonderen Verhältnissen in noch größerem Umfange
durch die Straßenbahn vermittelt. Diese wenigen Zahlen
schon lassen zur Genüge erkennen, welche große Bedeutung
die Straßenbahnen in dem Kulturleben der Großstädte bean-
spruchen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß diese
Bedeutung in Zukunft noch erheblich wachsen wird.
Das allgemeine Streben unserer Städtebauer und Sozial-
reformer geht heute dahin, in der Bebauung unserer Städte
eine größere Dezentralisation zu erreichen und für die
Folge mehr in die Breite zu bauen als in die Höhe. Alle
diese Bestrebungen, welche die Schaffung von Landhaus-
vororten, Gartenstädten, ländlichen Arbeitersiedlungen usw.
bezwecken, lassen sich aber nur verwirklichen, wenn man
grosse Gebiete weiter ausserhalb der Stadt der Bebauung
erschliesst und durch geeignete Verkehrsmittel mit der Stadt
verbindet. Infast allen Fällen kommen, wenn man von denWelt-
städten absieht, als Verkehrsmittel nur Straßenbahnen in Frage.
DER STÄDTEBAU
Unsere Eisenbahnen können dem Vorortverkehr nur dort
dienen, wo sie bereits vorhanden sind, da kaum darauf zu
rechnen ist, daß in größerem Umfange Eisenbahnen auf neuen
Linien in die Städte geführt werden. Aber auch selbst dort,
wo die Eisenbahnen einen Vorortverkehr vermitteln, ent-
sprechen sie doch niemals den Anforderungen, die wir an
einen solchen heute zu stellen gewohnt sind, weil die Eisen-
bahnen immer nur einen, oder besten Falles eine sehr be-
schränkte Zahl von Bahnhöfen in der Stadt berühren.
Man glaubt vielfach, die Hoch- und Untergrundbahnen
als das Verkehrsmittel der Zukunft für grössere Städte an-
sehen zu sollen. Studiert man jedoch die Betriebsergebnisse
solcher Bahnen, so wird man bald zu der Überzeugung
gelangen, daß sie nur in 'Weltstädten mit ihren riesigen Ver-
kehrsziffern eine Rente geben können. Nur ausnahmsweise,
wo ganz besondere örtliche Verhältnisse (wie z. B. in Elber-
feld-Barmen) dazu drängen, kann in mittleren Großstädten
an Hoch- oder Untergrundbahnen gedacht werden; gänzlich
ausgeschlossen erscheint es aber, daß die weitere Umgebung
einer Stadt mittlerer Größe durch ein System von unter-
oder oberirdischen Stadtbahnen, die radial vom Stadtinnern
ausstrahlen, in ihrer ganzen Fläche erschlossen werden kann.
Somit bleiben immer die Straßenbahnen als das einzige Ver-
kehrsmittel übrig, das in allen Fällen geeignet erscheint, in
wirtschaftlicher Weise, d. h. zu mäßigen Preisen, den Ver-
kehr der Aussenorte mit der inneren Stadt zu vermitteln.
Nun haftet leider der Straßenbahn aber die Eigenschaft ihrer
verhältnismäßig geringen Geschwindigkeit an, die ihrem
Wirkungskreis eine Grenze setzt und die es verhindert,
daß sie über einen bestimmten Umkreis hinaus als wirt-
schaftlich und zweckmäßig anzusehen ist. Die Geschwindig-
keit der Straßenbahn ist es also, die in gewissem Grade die
flächenmäßige Ausbreitung einer Stadt begrenzt und ihre
Wachstumsmöglichkeit einschränkt! Betrachtet man unter
diesem Gesichtswinkel das Streben unserer Städtebauer nach
weiträumiger Bebauung der Vororte, so richtet sich not-
wendigerweise die Frage vor uns auf, ob denn nun auch
alles geschehen sei und auch jetzt geschehe, um den Straßen-
bahnen die denkbar größte Schnelligkeit zu ermöglichen.
Wer die Städtebauausstellungen in Berlin und Düsseldorf
gesehen hat, die ja ein außerordentlich vollständiges Bild
des auf diesem Gebiete Geschaffenen und zu Schaffenden
gaben, wird diese Frage kaum bejahen können. Zeit ist
Geld! Heute mehr als je zuvor und in unseren großen Städten
mehr als irgend wo anders. Welcher ungeheure Gewinn
für den Verkehr, für die Stadt und für die Erwerbskraft
ihrer Bürger, wenn es gelingt die Geschwindigkeit der Straßen-
bahn zu steigern! Es erscheint nicht müßig, die Mittel, die
dazu führen können, zu erörtern.
Wodurch wird die Geschwindigkeit unsererStraßenbahnen
so eng begrenzt? Einzig und allein durch die hohe Betriebs-
gefahr, welche die inmitten des flutenden Verkehrs von Fuß-
gängern, Wagen, Automobilen, Fahrrädern usw. laufende
Bahn diesen bringt, und die um so größer wird, je größer
die Geschwindigkeit der Bahn ist. Je stärker der Verkehr
auf einer Straße ist, desto mehr wird der Verkehr auf die
Gleise gedrängt, desto größer ist die Betriebsgefahr und desto
geringer muß die Geschwindigkeit der Bahn sein.
Wo sich heute eine Bahn durch enge gewundene Gassen
zw^ängt, da wird kaum viel an den Verhältnissen zu ändern
sein. Zwar ist man wohl überall bestrebt, durch Zurück-
setzung der Baufluchtlinien die Verbreiterung der Straßen
anzubahnen, aber meist wird die Wirkung lange auf sich
warten lassen. Aber auch unter solchen ungünstigen Ver-
hältnissen gibt es immer Punkte, die ganz besonders ge-
fahrlich sind. Solche Stellen sind überall dort, wo entweder
dem Straßenbahnführer die Übersicht über das Gleis fehlt,
oder wo man aus seitwärts mündenden Gassen, hinter hervor-
springenden Ecken usw. plötzlich auf das Gleis tritt. Das
sind Gefahrpunkte, die den Wagen oft zwingen, im
Schneckenzeitmaße zu fahren, und die in häufigerer Folge
oftmals zu einer Fahrgeschwindigkeit nötigen, welche den
Wert der Bahn als Verkehrsmittel beinahe hinfällig macht.
Hier die bessernde Hand einzulegen, sollten die Städte
um so mehr bestrebt sein, als das häufig mit verhältnismäßig
noch bescheidenen Mitteln möglich ist. Wie es zu machen
ist, hängt selbstverständlich immer gänzlich von den örtlichen
Verhältnissen ab, doch ergibt sich in jedem Falle der Weg,
wenn man das Ziel im Auge behält: einerseits dem Wagen-
führer, andererseits dem Fußgänger und Fuhrmann die
möglichst weite Übersicht über das Gleis zu verschaffen.
Für eine seitwärts einmündende Gasse ergibt sich z. B.
eine Änderung der Bauflucht wie im Textbild 1 als zweckmäßig.
W//M/W//M//yW//V///////V//////M'/'^////.
Abb. I. Sehr gefährliche Straßenmündung, bei der zur Verminderung
der Gefahr die rechte Ecke etwa in der punktierten Form abgeschnitten
werden muß.
Sie ist geradezu eine Notwendigkeit, wenn die Quergasse im
Gefälle auf die Hauptstraße mündet! Wenn es möglich ist,
das Gefälle der Querstrasse so zu ändern, daß sie eine Strecke
vor der Einmündung horizontal oder gar in leichter Steigung
verläuft, wird in noch höherem Grade die Betriebsgefahr
vermindert. Ganz anders liegen die Verhältnisse an den
Haltesteflen. Dort ist es notwendig, ein schnelles und sicheres
Ein- und Aussteigen der Fahrgäste zu ermöglichen. In her-
vorragendem Maße sind hierzu Rettungsinseln geeignet, die
seitwärts der Gleise an den Haltestellen angeordnet werden.
Zwar sind unsere Straßen oft so schmal, daß sich dies von
selbst verbietet. Aber es gibt doch auch viele Fälle, wo
eine Rettungsinsel — und wäre sie nur 1 m breit, so würde
das schon zur Not genügen — sich sehr wohl herstellen läßt,
wenn man sich nur entschließt, den Gehsteig entsprechend
zu verschmälern. In solchen Fällen sollte man nicht zögern,
die Änderung vorzunehmen. Die Verschmälerung des Geh-
steiges läßt sich meist gut ertragen, weil er durch Anlage
der Rettungsinsel von den auf die Straßenbahn wartenden
Personen entlastet wird. Andererseits ist für die Sicherheit
der Fahrgäste viel erreicht, die sonst ständig der Gefahr des
Überfahrenwerdens durch Automobile und Fuhrwerke aus-
gesetzt sind. Wichtig ist es auch, daß die schnellere Ab-
fertigung der Straßenbahnwagen ermöglicht wird, da für diese
oftmals dadurch Verzögerungen entstehen, daß durch vor-
überfahrende Wagen das Aus- und Einsteigen verhindert
bzw. aufgehalten wird. Wenn das im einzelnen auch nur
Verzögerungen von Sekunden sind, so ist doch nicht zu
DER STÄDTEBAU
vergessen, daß diese Verzögerungen sich am Tage oft Hunderte
von Malen wiederholen.
Es würde hier zu weit führen, die mancherlei kleinen
Mittel im einzelnen zu besprechen, die unter verschiedenen
Verhältnissen geeignet sein können, die Betriebssicherheit
und die Geschwindigkeit der Bahnen zu erhöhen. Die an-
geführten Beispiele dürften beweisen, daß auch in bebauten
Gebieten sich häufig Gelegenheit finden wird, den Städtebau
in den Dienst der Straßenbahnen zu stellen. Viel weitere
Ziele lassen sich erreichen, wo unbebaute Gebiete der Be-
bauung und dem Verkehr noch erst erschlossen werden sollen.
Dort kann eine ausgiebige Berücksichtigung der Straßenbahn
dazu führen, für diese Geschwindigkeiten zu ermöglichen,
die heute kaum irgendwo zugelassen sind und zugelassen
werden könnten. Wenn überhaupt in einem Bebauungsplane
auf künftige Straßenbahnen Rücksicht genommen werden
soll, so erscheint es selbstverständlich, daß eine bestimmte
Linienführung der Bahn von vornherein in Aussicht ge-
nommen wird.
Das aber führt wiederum zu der Notwendigkeit, für die
Erschließung des gesamten Baugeländes durch und für den
Straßenbahnverkehr einen einheitlichen Plan aufzustellen,
der hinreichende Straßenbahnverbindungen vorsieht, die auch
bei völligem Ausbau des ganzen Geländes dem Verkehr ge-
nügen. Tut man das nicht, so steht man eines Tages vor
der Notwendigkeit, Straßenbahnen anlegen zu müssen, wo
von vornherein solche nicht beabsichtigt waren, und dann
wiederholt sich das Schauspiel, das wir leider in unseren
Städten mehr oder weniger überall erleben, daß für die
Bahnen „passende" Wege und Straßen erst gesucht werden
müssen! Daß diese dann niemals wirklich „passen" können,
versteht sich von selbst.
Da die überwiegende Verkehrsrichtung in den Vororten
unserer Städte regelmäßig eine radiale annähernd nach dem
Stadtmittelpunkt führende ist, so hat man in erster Linie
ein Netz von Radiallinien vorzusehen. In welcher Entfernung
diese voneinander anzunehmen sind, wird in hohem Maße
von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen, insbesondere von
der Art der künftigen Bebauung und der hiervon abhängigen
Dichtigkeit der Bevölkerung abhängen. Als untere Grenze
wird man ungefähr 600 m annehmen können, während als
obere Grenze, die in Landhausgegenden mit offener Bauweise
und großen Gärten angebracht scheint, 1200 — 1500 m sehr
wohl zulässig erscheinen. Neben den Radiallinien wird aber
auch durch ein oder zwei „Ringe" in einer die Stadt um-
kreisenden Richtung für ein zweites Verkehrssystem Vorsorge
getroffen werden müssen. Die Entfernung solcher „Ring-
linien" voneinander sollte nicht unter 1,5 km gewählt werden,
da hier das Verkehrsbedürfnis ein viel geringeres ist. An
den Ausbau solcher Linien kann meist erst gedacht werden,
wenn die umliegenden Gelände ganz oder mindestens zum
größten Teil voll bebaut sind.
Was die Führung der einzelnen Bahnlinie betrifft, so
wird ein möglichst geradliniger Verlauf schon deshalb anzu-
streben sein, weil jede Krümmung und jeder W^inkel einen
Umweg bedeutet und deshalb eine unnötige Verlängerung der
Fahrzeit bedingt. Von viel größerem Einfluß auf die Fahrzeit
ist es aber, daß stärkere Kurven nur mit geringer Geschwin-
digkeit durchfahren werden können und daher Aufenthalte
verursachen. Deshalb muß die Forderung erhoben werden,
daß Straßenbahnen nur in geraden Linien oder ganz schlanken
Kurven zu führen, jede schärfere Gleiskrümmung, insbeson-
dere wirkliche Winkel und S-Kurven ganz zu vermeiden sind.
Im Zeitalter des Automobils und der Straßenbahn, der Hoch-
und Untergrundbahnen können Stadtanlagen nicht mehr vor-
bildlich sein, die einst in den Tagen des reisigen Reiters
und der Postkutsche nicht nur schön, sondern auch zweck-
mäßig waren. Heute im Zeitalter des Verkehrs heißt es vor
allem, diesem freie Bahn zu schaffen.
Neben der Linienführung der Bahn ist das Querprofil
der Straße als besonders wichtig anzusehen und von be-
dingendem Einfluß auf die Geschwindigkeit der Bahn. Man
muß hier die Forderung erheben, daß die Straßenbahnen von
dem übrigen Verkehr getrennt werden und ihnen ein eigenes
Bahnplanum zugewiesen wird.
Es bedarf weiter keines Beweises, daß mit solcher An-
ordnung die Betriebssicherheit der Bahn ganz erheblich ge-
steigert wird, insbesondere wenn das Bahnplanum in geeig-
neter Weise von den übrigen Straßen abgegrenzt ist und
wenn Übergänge und Überfahrten über die Bahn sparsam
und in jedem Falle recht übersichtlich angeordnet werden.
Unter solchen Umständen ist ein zufälliges und unbewußtes
Betreten bzw. Befahren des Bahnkörpers beinahe unmöglich
und man wird daher die Geschwindigkeit der Bahn erhöhen
können, ohne die Betriebsgefahr größer werden zu lassen
als sie heute bei den Straßenbahnen ist.
In den Figuren 1 — 19 der Tafel 3 sind eine Reihe von
Querprofilen ausgeführter Straßen mit besonderem Bahn-
planum wiedergegeben, sowie auch verschiedene Vorschläge
weiterer Möglichkeiten für zweckmäßige und günstige Profil-
gestaltung gemacht. Die Beispiele lassen zur Genüge er-
kennen, daß die Herstellung eines eigenen Bahnplanums sich
in einer Fülle von Kombinationen verwirklichen läßt und
daß man dieser Forderung gerecht werden kann, auch ohne
daß übermäßige Straßenbreiten gewählt werden müssen.
Es muß betont werden, daß daher auch die Kosten solcher
Straßenanlagen keineswegs so sehr viel höher sein werden,
als wenn auf ein eigenes Bahnplanum verzichtet wird.
Zu berücksichtigen ist dabei, daß die Fahrdämme
schmäler gemacht werden können, wenn sie keine Gleise auf-
zunehmen haben und daß man daher Einiges an der kost-
spieligen Straßenbefestigung in Steinpflaster oder Asphalt
spart. Für die Befestigung des Bahnplanums genügt entweder
Kleinpflaster oder eine noch sehr viel billiger herzustellende
Rasendecke, wie sie in der Hardenberg- und Bismarckstraße
in Charlottenburg zur Ausführung gekommen ist. Eine solche
hat nicht nur den Vorzug billiger Herstellung und guten
Aussehens, sie ermöglicht auch einen Gleisbau auf Quer-
schwellen und damit ein viel sanfteres und geräuschloseres
Fahren als auf Gleisen in Steinpflaster oder gar auf Beton-
unterlagen im Asphaltpflaster möglich ist. Sehr wichtig ist
es ferner, den Abschluß des Bahnplanums von der übrigen
Straße so herzustellen, daß außerhalb der Übergänge ein
unabsichtliches Betreten des Bahngeländes ausgeschlossen
ist. Niedrige Zäune, Hecken, girlandenartig gezogene Schling-
pflanzen usw. erfüllen sehr gut diesen Zweck. Die einzigen
Gefahrpunkte, die dann noch bleiben, sind die Übergänge
und Überfahrten über das Bahngleis, und es wird daher
der Anordnung dieser besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden
sein. Von vornherein ist es klar, daß es zweckmäßig ist,
so wenig Übergänge wie möglich anzulegen. Wenn man
diesen Gesichtspunkt bei Aufstellung des Bebauungsplanes
im Auge behält, so wird man die Zahl der Übergänge in
Schienenhöhe ausserordentlich beschränken können, ja es
DER STÄDTEBAU
wird in den weitaus meisten Fällen gelingen, die notwendigen
Übergänge mit den Straßenbahnhaltestellen zu vereinigen
und außerdem das Planum ununterbrochen durchzuführen.
Es ist schon vorher darauf aufmerksam gemacht, daß der
Verkehr in der Richtung um die Stadt heru mim allgemeinen
ein sehr geringer ist. Für durchgehende längere Verkehrs-
straßen in dieser Richtung besteht also nur ein geringes Be-
dürfnis, und es würde vollauf genügen, wenn etwa in Ent-
fernungen von 5 600 m voneinander solche Verkehrsstraßen
vorgesehen werden. Das ist aber im höchsten Falle als
Haltestellenentfernung anzunehmen. Zwischen diesen Ver-
kehrsstraßen würden lediglich „Wohnstraßen" anzulegen sein.
Mit solchen Straßen aber die Hauptstraße, welche die Bahn
aufnimmt, zu kreuzen, ist vollkommen überflüssig, und man
kann solche Straßengestaltung gänzlich vermeiden ohne Miß-
stände irgendwelcher Art befürchten zu müssen.
Aber auch die Zahl der einseitigen Einmündungen von
Wohnstraßen auf die Hauptstraße wird man sehr vermindern
können, wenn man von dem Gedanken ausgeht, möglichst
lange Häuserblöcke seitwärts der Hauptstraße anzuordnen.*)
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Abb. 2.
Auch hierdurch wird eine Verkehrsbehinderung nicht ein-
treten! Im Gegenteil ergibt sich dabei von selbst die Not-
wendigkeit, die Querstraßen bis zu einem gewissen Grade
nach den Haltestellen zu verlaufen zu lassen, und gerade
das würde in besonderem Maße dem Verkehr zugute kommen,
weil die Haltestellen für die überwiegende Mehrzahl der
Fußgänger das Ziel bilden. Andererseits wird aber auch der
aus den W^ohnvierteln kommende Wagenverkehr fast stets
einer der großen Verkehrsstraßen, sei es der radialen, sei
es der ringförmigen, zustreben, und auch ihm würde damit
sehr wohl gedient sein, wenn die Wohnstraßen ungefähr
nach dem Kreuzungspunkt der Hauptverkehrsstraßen ge-
richtet sind.
Werden diese Gesichtspunkte bei der Aufstellung des
Bebauungsplanes im Auge behalten, so ergibt sich ganz von
selbst eine sehr strenge und scharfe Trennung zwischen
Verkehrs- und Wohnstraßen. Während die ersteren breit
und in schlanken Linien geführt sein sollen, können nicht
nur, sondern müssen auch die letzteren schmal und wink-
lich gebaut sein. Sie sollten so angelegt werden, daß sie
von vornherein für jeden durchgehenden Verkehr unmöglich
sind. Dabei kann durch größte Beschränkung in den bau-
lichen Anlagen der Straßen nicht nur viel Geld gespart werden,
*) Auch aus praktischen und ästhetischen Gründen für die Be-
bauung erwünscht. D. S.
sondern es wird auch gleichzeitig den Bewohnern ein Gut
gesichert, daß jeder Großstädter zu Hause leider heute oft
vergeblich sucht, nämlich Ruhe! Die vorstehenden Erwä-
gungen zeigen, daß bei Aufstellung des Bebauungsplanes
nicht nur die Straßen, welche zur künftigen Aufnahme von
Bahnen bestimmt sind, für diesen Zweck besonders einge-
richtet und angeordnet sein sollten, sondern daß auch über
die Haltestellen von vornherein Bestimmung getroffen werden
sollte und daraufhin der ganze Bebauungsplan sich aufbauen
müßte. Die Entfernung der Haltestellen ist dabei nicht zu
enge zu wählen. Je geschwinder eine Bahn fährt, desto
größer ist offenbar die Zeit, welche nötig ist, um aus der
größten Geschwindigkeit den Wagen zum Halten zu bringen,
und desto größer ebenfalls die Zeit, um ihm wieder seine
volle Geschwindigkeit zu geben. Mit der größeren Geschwin-
digkeit der Bahn wächst also der Zeitverlust, den sie durch
jedes Anhalten erleidet.
Wenn eine geringe Entfernung der Haltestellen vonein-
ander den Anwohnern die Annehmlichkeit kurzer Zu- und
Abgangswege zur und von der Haltestelle gewährt, so wird
doch oftmals der dadurch gewonnene Zeitgewinn mehr als
eingebüßt durch die längere Fahrzeit, welche die Bahn in-
folge der vielen Halte-
stellen hat. Man sollte
daher dort, wo man
für die Möglichkeit
einer besonders großen
Fahrgeschwindigkeit
der Bahn Sorge ge-
tragen hat, Halte-
stellenentfernungen
von mindestens 450
bis 500 m, unter Um-
ständen auch darüber
hinaus, wählen.
Wo Übergänge
oder Überfahrten über
die Gleise außerhalb der Haltestellen nicht zu umgehen
sind, wird unter allen Umständen für eine möglichste Über-
sichtlichkeit des Übergangs Sorge getragen werden müssen!
Wo Querstraßen münden, vermeide man, den Übergang
unmittelbar in die Flucht der Querstraße zu legen. Man
versetze den Übergang gegen die Achse der Querstraße, so
daß es den Fuhrwerken überhaupt unmöglich gemacht
wird, in flotter Fahrt die Gleise zu kreuzen.
Die Textbilder 2 u. 3 zeigen Beispiele, wie man durch die
vorerwähnten Mittel die Gefahr der Bahnkreuzung so außer-
ordentlich herabmindern kann, daß Unfälle nur bei über-
großer Unvorsichtigkeit der Beteiligten möglich erscheinen.
Faßt man alle die vorbesprochenen Mittel zusammen,
welche geeignet sind, die Betriebsgefahr einer Straßenbahn
zu vermindern und ihre Geschwindigkeit zu erhöhen, also
die schlanke Linienführung, die Herstellung eines eigenen
Planums, die Abgrenzung des Bahnplanums von der Straße,
die Vermeidung von Übergängen in Schienenhöhe außerhalb
der Haltestellen, und wo solches untunlich, die übersichtliche
und zweckmäßige Ausgestaltung der Übergänge, die Anord-
nung von Haltestellen in angemessenen Entfernungen und
die Herrichtung von Rettungsinseln daselbst zum schnellen
Aus- und Einsteigen, so unterliegt es wohl keinem Zweifel,
daß ohne Gefahr erheblich größere Fahrgeschwindigkeiten
der Bahn eingeführt werden könnten, als sie heute üblich
Abb. 3.
6
DER STÄDTEBAU
sind. Dann ließen sich sehr wohl Höchstgeschwindigkeiten
von 35—40 km pro Stunde und Reisegeschwindigkeiten von
20 — 25 km erreichen.
Vergegenwärtigt man sich, daß in den Innenstädten die
Reisegeschwindigkeit in der Regel kaum über 10, in den
Vororten kaum über 12 km kommt, so erscheint das hier
gesteckte Ziel sicher in hohem
Maße erstrebenswert.
Es gilt jedoch nicht nur für
künftige Straßenbahnen tunlichst
große Geschwindigkeiten zu er-
möglichen, es kommt an vielen
Stellen auch darauf an, bestehenden
Bahnen ihre Geschwindigkeiten zu Abb. 4,
erhalten. Fast überall fahren heute
nach mehr oder weniger entfernten Nachbarorten großer
Städte elektrische Bahnen — Vorortbahnen, Überlandbahnen
usw. — , die außerhalb der Bebauung ihr eigenes Bahnplanum
oder vorhandene Landstraßen benutzen.
Diese Bahnen fahren meist mit Geschwindigkeiten
von 25—35 km. Die fortschreitende Bebauung schließt nach
und nach diese Bahnen ein, und zwar in ziemlich schnellem
Fortschritt, da aus naheliegenden Gründen sich die Bebau-
ung am ehesten und schnellsten um die vorhandenen Bahnen
gruppiert. Es ist keine Frage, daß, wenn hier nicht besondere
Rücksicht bei Aufstellung des Bebauungsplanes auf die vor-
handenen Bahnen genommen wird, die fortschreitende Be-
bauung um die Bahn auch die fortschreitende Verlangsamung
ihrer Fahrgeschwindigkeit mit sich bringen muß. Welche
weittragenden Folgen solche Verkehrsverschlechterung im
Gefolge haben würde, bedarf hier
keiner näheren Ausführung. Daher
ist es eine unabweisbare Notwendig-
keit, bei der Aufstellung von Be-
bauungsplänen in der Umgebung
von Vorort- und Überlandbahnen
all die Rücksichten walten zu
lassen, die vorher besprochen
sind.
Es sei endlich noch ganz kurz darauf hingewiesen, daß
die Anordnung breiter und schlank geführter Straßenbahn-
straßen in fernerer Zukunft auch die Möglichkeit gewährt,
einem etwaigen Massenverkehr durch den Bau einer Hoch-
bahn oder einer Einschnittbahn (siehe Abb. 4 im Text) mit
Überführungen an Straßenkreuzungen gerecht zu werden.
Auch diese wenn auch vielleicht recht fernen Bedürfnisse
unserer Städte werden in unseren Städtebauplänen nicht
unberücksichtigt bleiben dürfen.
DIE HAKEN-TERRASSE IN STETTIN.
Architekt: Stadtbaurat MEYER-SCHWARTAU, Stettin.
Die mittels steiler Straßen von der Oder her eine 20 m
hohe Plattform erklimmende Altstadt Stettin schützte gegen
Norden, den Strom völlig beherrschend, ein Außenwerk der
Stadtbefestigung, das Fort Leopold. Es bedeckte bei etwa
500 m Seite eine annähernd quadratische Fläche, die nach
Aufgabe der Festung anderen Zwecken nutzbar gemacht
werden sollte. Ein Fluchtlinienplan aus dem Jahre 1876
wollte das Fort schonungslos und ohne Rücksicht auf die
ungeheuren Abtragsarbeiten
durch eine von der Ufer-
straße an gleichmäßig an-
steigende Fläche ersetzen,
die der Schiffahrt und dem
Handel hätte dienen können.
Dieser Plan ist nicht zur
Ausführung gekommen,
auch nicht ein im Jahre 1884
an seine Stelle getretener,
der das Handelsviertel auf
einen tief am Strom liegen-
den Uferstreifen beschrän-
ken und auf einer 450 m
langen, 17 m hohen, gerad-
linigen Terrasse ein hoch-
liegendes Wohnviertel
schaffen wollte. Immerhin
war damit schon die Er-
haltung des Höhenunter-
schiedes ins Auge gefaßt,
wozu nicht allein die von
der Natur gegebene Gestalt
des Uferrandes, als auch die Rücksicht auf die geschicht-
liche Verwendung als Fort herausfordert.
Der in den Jahren 1894—98 ausgeführte Bau des Frei-
hafens und die Erkenntnis, daß infolge der Unausführbar-
keit eines Gleisanschlussses der Uferstreifen für den große
Räume erfordernden Frachtverkehr nur untergeordnete Be-
deutung haben könne, veranlaßten dann den Verfasser, einen
neuen Fluchtlinienplan zu entwerfen, bei dem das Handels-
viertel ganz aufgegeben
wurde, und die restlose
Ausschöpfung der von dem
hochgelegenen Fort sich
bietenden wundervollen
Aussicht auf den Strom mit
seinem bunten Treiben, die
weite, grüne, von Wasser-
flächen durchzogene Oder-
niederung und die blaue
Feme den leitenden Ge-
sichtspunkt abgab. Nach
Norden und Westen von
altem Baumbestand und
Schmuckanlagen umsäumt,
mußte das Fort bei der
landschaftlich so hervor-
ragenden und im Verhält-
nis zu Groß-Stettin günsti-
gen zentralen Lage für den
Bau vornehmerer Wohn-
häuser und öffentlicher Ge-
Abb. 5. bäude besonders geeignet
Ang«f«rtl9(
Snttin, /*» Stpti ttrt .
StadlvirmtssunjSimtJ
DER STÄDTEBAU
erscheinen. Dieser Entwurf schiebt die Hochfläche des
Forts bis auf durchschnittlich 80 m an den Strom vor
und schließt sie hier mit einer 480 m langen, rund 18 m
über Mittelwasser liegenden, in dreimal gebrochener Linie
dem Bogen des Stromes folgenden Terrassenstraße ab. Vgl.
Textbild 5. Von den darauf vorgesehenen drei Baublöcken
wurde der mittlere, schmalere zum Bau eines städtischen
Museums zurückbehalten. Davor sollte eine monumentale
Treppenanlage mit seitlich ansteigenden Fahrrampen das
Ufer mit der Hochplatte verbinden. Die Führung der
Rampen ergab auf den äußersten Flügeln der Terrassen-
promenade vorspringende Basteien, die stromauf und
stromab und auf die Terrasse mit ihren Bauwerken selbst
besonders schöne Ausblicke gewähren. Ein Anlagenstreifen
hinter dem Museum stellt die Verbindung der Terrasse mit
einem grünen Gürtel her. Sehr ungünstige Gründungs-
verhältnisse ließen es geraten erscheinen, für die Terrasse
den Bau hoher Futtermauern tunlichst zu beschränken und
durch Rasenböschungen zu ersetzen.
Der Fluchtlinienplan wurde in ständiger Fühlung mit
dem Reichsschatzamt als Grundeigentümer des Forts be-
arbeitet. Das Reichsschatzamt darf es sich ebenso zum
Ruhm anrechnen, wie der um die Stadt hochverdiente
Oberbürgermeister Dr. Haken, daß nach vieljährigen Ver-
handlungen und Überwindung mancher in den Verhält-
nissen begründeten Schwierigkeiten im Jahre 1901 ein Vertrag
mit der Stadt abgeschlossen werden konnte, der beide Teile be-
friedigte und den Fluchtlinienplan sogleich verwirklichen ließ.
Mit Ablauf des Jahres 1906 war die Terrassenanlage
— vgl. Tafel 4 — fertig bis auf die Ausgestaltung der oberen
Fläche des großen Rundteils vor dem Museum, die erst in
den Jahren 1909,10 fertiggestellt wurde, nachdem die Ab-
sicht, hier ein Denkmal Kaiser Friedrichs aufzustellen, end-
gültig aufgegeben war.
Über den ursprünglichen Plan hinaus wurden die Leucht-
türme und die beiden Pavillons (Taf. 5) hinzugefügt, die
den Antritt der großen Treppen betonen. Sie dienen zu-
gleich zum Abschluß der von der Stadt her zu beiden Seiten
des Museums senkrecht auf die Terrasse geführten Straßen-
züge und maskieren die Knickpunkte der Terrasse.
Die Kosten der Terrassenanlage einschl. der Fahrrampen,
aller Leitungen, Böschungen und der seitlichen Stützmauern
hat einen Aufwand von rund einer Million Mark erfordert,
ausschl. der namhaften Zuwendung eines kunstsinnigen,
nicht genannt sein wollenden Stettiner Ehepaares.
Die Terrasse ist insofern übrigens noch nicht als fertig
anzusehen, als die für die vorspringenden Endbasteien der
Terrasse geplanten Erfrischungshallen noch fehlen. Auch
die große Nische der Stützmauer des mittleren Halbrunds
und das Wasserbecken davor ermangeln noch des
bildhauerischen Schmuckes und der Wasserkünste; aber
voraussichtlich nur noch auf kurze Zeit, da der Herr Kultus-
minister sich entschlossen hat, auf Vorschlag der Landes-
kunstkommission, die noch fehlenden Bildwerke zu stiften.
Die Modelle zu den Bildhauerarbeiten fertigte zum größten
Teil der Bildhauer von Ruedorffer und besorgte deren Aus-
führung in Stein, im übrigen Bildhauer Folke. Garten-
direktor Schulze hüllte die Anlage in ihr grünes Gewand
und verstand es, die ausgedehnten Rasenflächen der
Böschungen in tadellosem Zustande zu erhalten.
DER BEBAUUNGSPLAN FÜR DIE NUHNEN
VORSTADT ZU FRANKFURT A. O.
Von HANS BERNOULLI, Architekt, Berlin.
Ein Blick auf den Plan der Stadt Frankfurt a. O.
belehrt unzweideutig über Anlage und Entwicklung der
Stadt: als Kern ein Rechteckschema, in der Mitte eines
offenen Rechtecks das Rathaus, das typische Bild
einer ostelbischen Städtegründung des 13. Jahrhunderts.
Einzig im Umriß weicht die Anlage vom Üblichen ab:
die örtliche Lage zwischen der Oder und dem Steilabfall
eines früheren Oderufers drängte zur Längsentwicklung, die
Hauptstraßen führen der Länge nach durch die ganze Stadt.
Die Querverbindungen sind schwächer entwickelt, selbst
der Zugang zur alten Brücke, die Brücktorstraße, ist nur
eine kurze Stichstraße. Der heute über die Ringmauern
hinausgetührte Straßenzug, Kaiserstraße Breite Straße--
Oderbrücke, bildete vordem einen deutlichen Einschnitt
zwischen der ersten Anlage und der unmittelbar darauf-
folgenden Erweiterung nach Süden. Dem Straßennetz ent-
sprechend bestanden nur drei Tore : am Nordende, am süd-
lichen Ende und am Brückenzugange. Erst vor den Toren
zweigen die westwärts führenden Verbindungen von dem
nordsüdwärts verlaufenden Straßenzug ab. Die Verbindung
mit dem Osten vermittelt einzig die Oderbrücke.
Vor den Toren der mittelalterlichen Stadt entstanden
nach und nach ein Karthäuserkloster, die Spitäler Sankt
Georg und Heilig-Geist, dazwischen locker gebaute Vor-
städte. Zu einer Erweiterung des alten Mauergürtels ist
es indessen nie gekommen. Die Mauern selbst sind im
Laufe des 16. Jahrhunderts durch Basteien verstärkt worden,
die jedoch im heutigen Stadtplan nicht mehr erkennbar sind.
Die Ansiedelung von Emigranten, die an anderen Orten zu
Gründung von neuen Vierteln Veranlassung gab, beschränkte
sich in Frankfurt fast ausschließlich auf die Bebauung der
Lücken in der inneren Stadt. So übernahm in der Folge-
zeit auch in Frankfurt das Bauen längs der Landstraßen
die Rolle der Stadterweiterung. Jenseits der Brücke
zwischen den Oderdämmen wuchsen sich die Feld- und
Gartenwege zu einem unentwirrbaren Netz von Straßen
und Gäßchen aus, das an die Grundrisse der schlimmsten
Zufallsbildungen erinnert.
Die Umwandlung des Mauergürtels in eine ununter-
brochene Promenade in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts wurde bestimmend für den heutigen Charakter
der Stadt: zusammen mit dem Anger und dem vor dem
südlichen Tor gelegenen ehemaligen Friedhofe bildet diese
Promenade eine Parkkette von 2 km Länge.
Allmählich gewann nun die Bebauung die Höhe der
Platte, die die alte Stadt im Westen begrenzt; die Ver-
8
DER STÄDTEBAU
kehrsverhältnisse verschoben sich dadurch vollständig. Es
traten die Bahnanlagen dazu, die alle alten Verbindungen
im Süden und Westen kreuzen. Die bisher so klaren Be-
ziehungen wurden gestört, es entstanden jene unsicheren,
wenig glücklichen Straßenanlagen, die fast in allen Stadt-
plänen die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kennzeichnen.
Dem Schreiber fiel die Aufgabe zu, auf Grund der vom Ver-
messungsinspektor M.MöllenhofFgeschafFenenwertvoUenVor-
arbeiten, einen Bebauungsplan für das im Westen der Stadt jen-
seits der Bahn gelegene Gelände
aufzustellen. Vgl. Textbild 6.
Eine einzige Unterführung im
Zuge der Fürstenwalder Straße
vermittelt den Verkehr dieses
Gebietes mit der jetzigen Stadt.
Die Unterführung im Nord-
osten führt in ein am Nord-
ende der Stadt ausmündendes,
noch schwach bebautes Tal.
Im Süden konnten zwei Über-
führungen vorgesehen werden.
Das Gelände bildet einen nach
seinen durch die Bahn ge-
gebenen Grenzen rings ab-
fallenden Rücken. In seinem
südlichen Teil, parallel der
Bahn, liegt eine Talsenkung
mit einer Wasserrinne.
Die bestehenden Wege
beschränken sich auf die ge-
nannte Fürstenwalder Straße,
die den Schmuck einer
prächtigen Eichenallee auf-
weist, und den nächst der
Bahn führenden Lichtenberger
Weg. An Gebäuden bestehen
zwei große Kasernenkomplexe an der Fürstenwalder Straße.
An der Nuhnenstraße, der westlichen Grenze, liegen einige
Gehöfte, sodann drei Ziegeleien, die durch ihre zum Teil
recht tiefen Lehmgruben bei der Planung eine wichtige
Rolle spielten.
Das neue Verkehrsnetz stellt im wesentlichen eine Ver-
bindung der Bahnübergänge dar, wobei die Richtung nach
der Stadt am stärksten betont ist. Die zwischen den Ver-
kehrsstraßen eingelegten Wohnstraßen haben, wo immer
möglich, Nordsüdrichtung erhalten. Eine Promenadenstraße
führt zwischen den Verkehrsstraßen über den höchsten
Abb. 6
Punkt weg westwärts zur Neustadt hinaus; nach Norden
steht sie durch eine als Park ausgebaute Talsenkung mit
dem ebenfalls mit einer Promenadenstraße versehenen Tal
des Klingegrabens in Verbindung. Die Lehmgruben sind,
weil unbebaubar, in die Plätze und Freiflächen einbezogen.
Höhenpunkte sind für öffentliche Gebäude vorgesehen — da
der größte Teil des Geländes im städtischen Besitz ist, stand
die Wahl der Bauplätze frei.
Die Einteilung der Bauklassen ist in der Weise vor-
genommen, daß die längs
des Verschiebebahnhofes ent-
stehenden industriellen An-
lagen durch 3'/ 2 geschossige
Bebauung gedeckt werden,
während der größere Teil des
Geländes für die 2 ' '2 gc-
schossige, offene wie ge-
schlossene, Bebauung be-
stimmt ist. Die Anlage der
Straßenfluchten geht darauf
aus, für die Bebauung mög-
lichst normale Bedingungen
zu schaffen. Rücksprünge,
Knicke, Ausbuchtungen, die
bekanntlich bei ungeschickter
Bebauung unerträglich und
bei guter Bebauung selten
überzeugend wirken, sind
durchaus vermieden. Er-
fahrungsgemäß hat man mit
einer, künstlerisch genommen,
mittelmäßigen Bebauung zu
rechnen. Die Gruppierung
und Gliederung wurde deshalb
dem einzelnen Haus abge-
nommen und in die höhere
Einheit, den Baublock, verlegt. Eine gewisse rhythmische
Wirkung wird z. B. beim großen Promenadenplatz auch
bei ungeschickter Bebauung nicht ausbleiben können.
Überall sind Bauplätze vorbereitet, in Ausnutzung der Ge-
ländeverhältnisse und Stellung der öffentlichen Gebäude,
denen eine geschickte Hand leicht einen schönen zum Teil
sogar bedeutenden Ausdruck wird schaffen können.
Eine so zurückhaltende Stellung schien vor allem auch
deshalb geboten, weil sich die Bebauung des Geländes vor-
aussichtlich über einen längeren Zeitraum hin erstrecken
wird.
WETTBEWERB „GROSS-BERLIN."
Noch vor Jahresschluß sind im Verlage von E. Wasmuth
A.-G. „Die preisgekrönten Entwürfe mitErläuterungsberichten
des Wettbewerbes Groß-Berlin 1910" erschienen, von vielen
mit Ungeduld erwartet, insbesondere auch vom Unterzeich-
neten, der die Abbildungen als die notwendige Ergänzung zu
dem Abdrucke seines gelegentlich der „Allgemeinen Städte-
bau-Ausstellung Berlin 1910" gehaltenen Vortrages : „Welche
Erwartungen dürfen wir an das Ergebnis des Wettbewerbes
„Groß-Berlin" knüpfen?" in No. 1 bis 3 des laufenden Jahr-
ganges unserer Zeitschrift herbeigesehnt hatte. Auf diesen
Vortrag wird hiermit Bezug genommen, um Wiederholungen
zu vermeiden. Mit dem im Auftrage der Stadt Berlin heraus-
gegebenen Werke, das 20 zum Teil farbige Tafeln (darunter
5 Doppeltafeln) und 170 Seiten Text mit 77 eingedruckten
Abbildungen enthält, ist das im 7./8. Hefte des vorigen Jahr-
ganges in Aussicht gestellte Sonderheft entbehrlich geworden.
Die Verlagshandlung hat stattdessen den Abnehmern un-
serer Zeitschrift einen Vorzugspreis von 25 Mk. (sonst
30 Mk.) zugebilligt.
Dank den für die Veröffentlichung zur Verfügung ge-
9
DER STÄDTEBAU
sloUtoii Mitteln ist es möglich gewesen, die 32,48 cm ßroßen
In einer Mappe vereinigten Blätter, auf das vornehmste aus-
zustatten und insbesondere die Tafeln durchweg so herzu-
stellen, wie es unsere Zeltschrift schon seit langem anstrebt
und bisher nur ausnahmsweise mit Rücksicht auf die hohen
Kosten hat durchführen können. Den Abnehmern des Werkes
erwächst daher auch in dieser Beziehung noch ein besonderer
Genuß.
Den Entwürfen lind die E^läuterungsberichte beigegeben,
die Ja einen wesentlichen Bestandteil des Wettbewerbes
bildeten. Dagegen fehlt, was vielleicht mancher erwartet
haben mag, die Wiedergabe der Beurteilung durch das
Preisgericht; man muß jedoch sagen, zum Vorteil des Werkes,
das nun für sich selber sprechen kann. Denn abgesehen
davon, daß sich das Urteil auch über alle andern nicht mit
veröffentlichten Wettbewerbsentwürfe erstreckt, hätte es bei
dem im vielgliedrigen Preisgericht unausgeglichen gebliebenen
Widerstreite der Meinungen nur verwirrend wirken können.
Treten wir also an das Werk heran, so wie es uns ge-
geben ist. Die Anerkennung über sein Erscheinen und seine
äußere Erscheinung hat schon ihren Ausdruck gefunden.
Auch der sachliche Inhalt entspricht durchaus der Höhe,
die vom Programme eingenommen war. Dieses Programm
wieder mit abzudrucken, wäre wohl erwünscht gewesen.
Denn darüber hinausgehend ist den Verkehrsfragen eine
breitere Behandlung eingeräumt worden als erfordert war.
In diesem Punkte lag vielleicht eine Schwäche des Programms,
das verlangte: Grundlinien für die Bebauung von Groß-
Berlin, und zwar für
1. durchgehende HauptverkehrszUge,
2. die Teilung der Wohn- und Landhausviertel von den
Geschäfts- und Industrievierteln,
3. die Freilassung großer Flächen von der Bebauung,
4. Neuanlagen, Ergänzungen und Verbesserungen der
Eisenbahnen usw., die skizzenhaft einzuzeichnen
waren,
5. den Ausbau und die Erweiterung der Wasserstraßen,
abgesehen von den Teilplänen und Einzelvorschlägen
also in der Hauptsache einen großzügigen Gesamtplan für
die Zusammenfassung von Groß-Berlin und eine den sozialen
Anforderungen entsprechende Bebauung. Danach war also
der Plan nicht getrennt nach einer verkehrstechnischen Seite
und nach einer künstlerischen Seite hin zu beurteilen, sondern
als ein großes Ganzes, als eine einheitliche Gesamt-
leistung. Dementsprechend dürfte doch - und dieser Mei-
nung ist von vielen Besuchern der Berliner Städtebau-Aus-
stellung Ausdruck gegeben worden — der mit dem III. Preise
ausgezeichnete Entwurf von Professor Bruno Möhring, Pro-
fessor Dr. Rudolf Eberstadt und Oberingenieur Petersen nicht
nach seinem vollen Werte gewürdigt worden sein. Wie
stark die Verkehrsfragen mitgesprochen haben, tritt selbst
in der vorliegenden Veröffentlichung noch in die Erscheinung,
in der die Tafeln des mit dem IV. Preise bedachten Ent-
wurfes lediglich Verkehrspläne darstellen, während die präch-
tigen Städtebilder von Bruno Schmitz sich mit kleinen Dar-
stellungen im Text haben begnügen müssen.
Der Schwerpunkt des Jansenschen Entwurfes liegt in
der Bebauungsfrage und dies mit vollem Recht — denn Ver-
kehrsverbesserungen, die fast stets große Mittel erfordern,
lassen sich eher nachholen als eine verpfuschte Bebauung,
die nie wieder gut zu machen ist. Und bei der großen Zahl
minderwertiger Bebauungspläne, die noch bis in die letzte
Zeit hinein festgesetzt worden sind, ist immer wieder, um
überhaupt noch einmal vom Mietkasernensystem da draußen
loszukommen, die Notwendigkeit einer vernünftigen Aufteilung
des Geländes insbesondere für Klein-Wohnungen 90 'V,, aller
Wohnungen sind Klein- und kleine Mittelwohnungen bis zu
4 Zimmern! — zu betonen.
Von demselben Grundgedanken ist der Entwurf von Eber-
stadt-Möhring-Pctersen ausgegangen, indem er eine höhere
Bebauung an den Verkehrsstraßen vorsieht, dazwischen aber
eine niedrigere Reihenbebauung um eine öffentliche Grün-
anlage herum, ohne mehr an Freifläche zu fordern, als bau-
polizeilich jetzt festgesetzt ist.
Doch das nur nebenbei! Auf Einzelheiten soll hier
nicht weiter eingegangen werden, jeder aufmerksame Be-
trachter des Werkes wird sie selber schon zu finden wissen.
Um jeder Mißdeutung vorzubeugen hätte es sich wohl
empfohlen, die Erläuterungsberichte wortgetreu zum Abdruck
zu bringen. Immerhin muß anerkannt werden, daß die Än-
derungen im Wortlaute und in der Einteilung einer größeren
Klarheit und Übersichtlichkeit Vorschub leisten, die sach-
lichen Verbesserungen aber keinen Anlaß zu wesentlichen
Einwendungen bieten.
Somit kann das ganze Werk als ein bedeutsames
Denkzeichen in der Geschichte städtebaulicher Entwicklung,
als eine reiche Fundgrube für den Städte anlegenden Archi-
tekten, hoffentlich auch als ein Hindernisse brechendes An-
triebsmittel für die Ausgestaltung von Groß-Berlin nur warm
empfohlen werden. Das Studium ist wesentlich erleichtert
dadurch, daß die zur Erläuterung des Textes notwendigen
Abbildungen, statistischen Tafeln, Verkehrs- und Durch-
bruchspläne, Straßenproflle überall an die passende Stelle
eingerückt worden sind. Th. Goecke.
NEUE BÜCHER.
Besprochen von THEODOR GOECKE.
TÄNDLICHE UND STÄDTISCHE KLEINWOHNUNGEN.
"-" Kine SttmmluuK mustergültiger PlKne unii Entwürfe herausgegeben
im Kill vernehmen mit dem Königlich SKchslschen Ministerium des Innern
vom l..->ndesvcrcin Sächsischer Heimatschuti. Bearbeitet von
L. K. KaiI Schmidt, Obrrbaurat im Königlich SKchsischen Finani-
mlnistcrium. Diese Sammlung enthält KleinwohnungsplSne für das Ein-
familienhaus bis »um Zwölf (am ilienhause. Die Entwürfe, die teils aus der
BaubeviitunR^stelle des Säclin'schcn Heimatschuties, teils von namhaften
Architekten stammen, wurden sorgfältig ausgewählt, so daß das Werk nur
solche Plfine bietet, die in praktischer, zweckmäßiger, wirtschaftlicher,
gesundheitlicher und schönheitlicher Hinsicht als mustergültig angesehen
werden können. Die Tafeln sind um so wertvoller, als die Bnukosten
überall im einzelnen angegeben sind. Gerade zur jetzigen Zeit, wo der
Kleinwohnungsmangel — besonders auf dem Lande — sich stark fühlbar
macht, dürfte das Werk allen denen, die sich mit der Wohnungsfürsorge
und Wohnungsreform beschüftigen, sowie allen Bauenden und Bauaus-
fUhrenden ein wertvoller Berater sein.
So sagt die Aufforderung des Verlages von H. von Keller in Dresden,
10
DER STÄDTEBAU
der hiermit eine prächtige Veröffentlichung allen denen bietet, welche mit
dem Kleinwohnungsbau zu tun haben, Behörden und Bauberatungsstellen,
Architelttcn wie Bauherren. Auf 50 stattlichen Tafeln sind zunächst die
Klcinwohnungsbauten dargestellt, die auf dem Gelände der Internationalen
Hygiene-Ausstellung in Dresden die zahlreichen Besucher entzückt haben,
dann Entwürfe und Bauausführungen von freistehenden, zu Gruppen
geordneten, oder aneinandergereihten Wohnhäusern in vielfachen Ab-
wandlungen vom Ein- bis zum Zwölffamilienhause, die namhafte Architekten
zum Verfasser haben, oder im Atelier des Sächsischen Heimatschutzes ent-
standen sind. Besonders wertvoll sind darunter auch die Einzelheiten der
Kochofcnanlage mit Sammelheizung im Einfamilienhause des Verbandes
Sächsischer Industrieller, Dresden, und des Ausbaues einer Wohnküche für
die Gemeinnützige Baugesellschaft in Neugersdorf i. S.
Es ist erfreulich, daraus zu ersehen, wie sich Grundriß und Aufbau
schon vervollkommnet haben, wie treffliche Lösungen auch innerhalb
der wirtschaftlichen Grenzen erzielt werden, wie wenig berechtigt also das
Vorurteil erscheint, daß die Architekten nicht zweckmäßig und zu teuer
bauten! Darin liegt ein außerordentlicher Fortschritt, denn wenn erst
überall Architekten bauen, dann werden wir wieder auf zweckmäßige und
schöne Städte und Dörfer, Gartenstadt- und Kleinwohnungssiedelungen
rechnen können! Dem rührigen, zielbewußten Oberbaurat Schmidt
kann man für die Förderung dieser Bestrebungen nicht dankbar genug
sein.
TTNSER GARTEN. Von F. Zahn, Abteilungavortteher und Lehrer
*— ' der Gartenkunst an der Königl. Gärtner-Lehranstalt zu Dahlem.
Mit 25 Abbildungen, igii. Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig.
Einzeldarstellung aus „Wissenschaft und Bildung", herausgegeben
von Privatdozent Dr. Paul Herre, also in gemeinverständlichem Sinne den
Hausgarten behandelnd, wobei Verfasser das Hauptgewicht auf ein Zu-
sammenwirken von Bau- und Gartenkunst legt von Anfang an, schon
beim Entwürfe des Hauses und seines Gartens. Den Architekten, ins-
besondere auch den Städte anlegenden Architekten werden zunächst die all-
gemeinen Gedanken über den Garten des I. Teils am meisten zu sagen haben.
Sie betreffen die Lage, Größe und Form des Grundstücks, Aufstellung seine
Oberfläche, die Besonnung, Umgebung und Begrenzung, Lage und Bau-
art des Hauses und seiner Zugänge, und was besonders wichtig erscheint,
den etwa zu schonenden alten Baumbestand. Dann aus Teil II „Anlage
und Pflanzung" der Abschnitt „Wege und Gartenarchitekturen". Be-
handelt werden dann weiter die Pflanzung (geschnittene Hecken) die
Blumen und der Rasen, endlich im III. Teil die Pflege und Unterhaltung
des Gartens. Auch das Schmerzenskind städtischer Gartenanlagen, der
sogenannte Vorgarten, fällt mit darunter; er sowohl wie die übliche
Parzellierungsart, die auf die Unebenheiten des Bodens keine Rücksicht
nimmt, geben dem Verfasser vielfach Gelegenheit zu treffenden, der Er-
fahrung entnommenen Bemerkungen. Anschaffungspreis 1,25 Mk. für
Bfindchen in Leinen.
MITTEILUNGEN.
y UM AUSBAU DES STADTERWEITERUNGSAMTES IN
^^ LEIPZIG. Der Stadtgemeinde Leipzig stehen zahlreiche und große
Aufgaben auf dem Gebiete der Stadterweiterung bevor, wie ja auch schon
der für die Bebauung der Frankfurter Wiesen ausgeschriebene Wettbewerb
(siehe N0.8 und g v.J. unserer Zeitschrift) verratenhat. Insbesondere bringen
die neu einverleibten Vororte und künftige Eingemeindungen noch großer,
städtebauliche Arbeiten mit sich. Einen Anhaltspunkt für den Umfang
dieser Arbeiten geben schon die Zahlen über die Vergrößerung des Stadt-
gebietes durch die Einverleibung. Vor der Einverleibung der sechs Vor-
ortsgemeinden am I. Januar 1910 war das Stadtgebiet etwa 5850 ha groß,
jetzt umfaßt es ein Gebiet von 7780 ha. Durch eine etwaige Einverleibung
von Schönefeld und Leutzsch würde das Stadtgebiet eine weitere Vergröße-
rung um etwa 950 ha erfahren.
Außerdem hat der Bau des Hauptbahnhofs eine umfängliche Um-
wälzung in der inneren Stadt hervorgerufen. Es werden viele alte Bauten
abgebrochen und neue errichtet. Hier bietet sich eine gute Gelegenheit,
notwendige städtebauliche Verbesserungen durchzuführen. Die Inangriff-
nahme der Arbeiten ist zudem sehr dringlich.
Die Feststellung der neuen Ausfallstraßen nach den Vororten, die
auch die künftigen Schnellbahnen für den Nahverkehr aufzunehmen haben
würden, und der neuen und unmittelbaren Verbindungen zwischen den
Vororten muß sobald als möglich in Angriff genommen werden, wenn ihre
Durchführung nicht immer mehr erschwert werden soll. Die Einarbeitung
der Kanalplanung im Westen, die Bebauung der Frankfurter Wiesen im
Anschluß an die Hochwasserregulierung, die Schaffung eines Grüngürtels
und eines Ausstellungsplatzes, und nicht zuletzt die Beeinflussung des
Mangels an Kleinwohnungen sind Aufgaben, die ebenfalls dringend der
Bearbeitung harren. Dringlich Ist ferner die Erledigung zahlreicher Teil-
bebauungspläne.
Diese zweifach durch umfassendere Arbeitsweise und Ausdehnung
des Arbeitsgebietes gesteigerte Arbeit zu bewältigen, fällt in erster Linie
dem Architekten des Stadterweiterungsamtes, Stadtbauinspektor Strobel, zu.
Denn es liegt in der Natur der Sache, daß von diesen, vielfache Verhand-
lungen erfordernden, von langer Hand vorzubereitenden und oft nur durch
schnelles Zugreifen bei passender Gelegenheit zu erledigenden Arbeiten
nicht allzu viele an Privatarchitekten abgegeben werden können. Das Stadt-
erweiterungsamt muß in sich selber so gestaltet und mit so zahlreichen
Kräften besetzt sein, daß es eine organische Stadterweiterung auf Grund
eines Gesamtbebauungsplans leiten kann.
Die Stadterweiterung, die nur Stadtteil an Stadtteil anreiht, ohne die
Stadt als eine wirtschaftliche Einheit zu begreifen, bedingt, wie die Er-
fahrungen gelehrt haben, mitunter erhebliche und kostspielige Änderungen.
Es ist deshalb auch aus finanzwirtschafllichen Gründen ein systematisches
Vorgehen wünschenswert. Wenn ein solches auch zunächst größere Auf-
wendungen erfordert als die bisherige Arbeitsweise, so handelt es sich doch
um wirtschaftliche Ausgaben. Es ist vorteilhafter, voraussehend Aufwen-
dungen für Planungen zu machen, die eine systematische Stadterweiterung
gewährleisten, als später Unvollkommenes mit wesentlich höheren Kosten
verbessern zu müssen. Versäumtes nachzuholen ist auf diesem Gebiete
besonders schwierig und kostspielig, oft ist es überhaupt nicht möglich.
Deshalb hat der Rat der Stadt Leipzig eine sorgfältig begründete
Vorlage den Stadtverordneten zugehen lassen mit dem Antrage auf Gewäh-
rung der zum Ausbau des Siadterweiterungsamts notwendigen Mittel.
Darunter befinden sich auch Forderungen für die Ausgestaltung der mit dem
Stadterweiterungsamte verbundenen Bauberatungsstelle. Denn nach den
bei allen Bauberatungsstellen gemachten Erfahrungen ist nur auf dem
zeitraubenden Wege der persönlichen Aussprache mit dem Bauherrn oder
dem Architekten und durch tätige Unterstützung mit Gegenvorschlägen
zum Ziele zu kommen.
Sehr erschwerend für die Bauberatung ist namentlich der Umstand,
daß die Bauakten kein klares Bild über das Aussehen der Nachbarhäuser
geben. Aus diesem Grunde werden andererorts vielfach Schlußzeichnungen
verlangt. Da aber auf diesem Wege ein richtiges Fassadenbild nicht mit
Sicherheit zu gewinnen ist, so wird vorgeschlagen, Schlußphotographien zu
fordern und diese bei der Baupolizeibehörde gegen eine Gebühr herzustellen.
Da die Zweckmäßigkeit dieser Vorschläge durchaus einleuchtet,
und die Persönlichkeit des Stadtbauinspektors Strobel volles Vertrauen
verdient, so kann die Schriftleitung nur den Wunsch aussprechen, die Stadt-
verordneten möchten der Vorlage des Rates folgen! Sie wUrden es sicherlich
nicht zu bereuen haben. München hat längst ein derartig organisiertes
Stadterweiterungsamt, dessen Vorstand früher Professor Theodor Fischer
war, jetzt der Bauamtmann Bertsch ist. — Strobel hat darauf verzichtet,
seine Person in den Vordergrund zu schieben; die Sache aber läßt ihn
nicht ruhen um Erfolge zu erringen, wie sie München bereits tatsächlich
zu verzeichnen hat.
WIENER STRASSENVERKEHR. Fahrvorschriften und
Verkehrsregeln für Fußgänger. Zusammengestellt von der
k. k. Polizeidirektion Wien. 191 1. Im Selbstverlage der k. k. Polizei-
direktion Wien. Oktav, 34 Seiten. Von Regierungsbaumeister Rappaport.
11
DER STÄDTEBAU
Unter dem Titel „Wiener Straßenverkehr" hat die k. k. Polizei-
direktion Wien ein recht beachtenswertes Heft in einer Viertelmillion
Exemplaren unentgeltlich verteilt. Es bestehen wohl allgemein, besonders
in größeren Orten, bestimmte Fahrvorschriften und Verkehrsregeln, aber
sie sind leider nicht allgemein bekannt. Gerade in der allgemeinen
Kenntnis beruht aber ihr Wert. Was nützt eine noch so weite und
sorgsame Anlage städtischer Straßen, wenn sich nicht jeder bei deren
Benutzung an bestimmte Regeln halten will.
Das Wiener Verkehrsheft bringt im ersten Teil Fahrvorschriften.
Entsprechend der allgemeinen Verkehrssitte in Österreich — und
fast in allen außerdeutschen Staaten — lauten die Hauptregeln:
,, Links fahren, links ausweichen, rechts vorfahren." Von den
Einzelvorschriften ist folgende beachtenswert: ,,Bei der Durchfahrt von
Straßenbahnhaltestellen ist langsam zu fahren oder anzuhalten, um die
ein- und aussteigenden Passagiere nicht zu gefährden." Sehr fürsorglich
ist die gesperrt gedruckte Vorschrift: „Vor Schulen ist zur Zeit des Be-
ginnes und des Schlusses des Unterrichtes im Schritt zu fahren."
Neuartiger ist die im zweiten Teil enthaltene Gehordnung. Die
Hauptregel lautet hier: „Links gehen, links ausweichen, rechts vorgehen."
In der Beachtung dieser Vorschrift beruht der Erfolg jeder Geh-
ordnung. Der Zustand in der ^Viene^ Rothenturm- oder Kärnthner Straße
würde bei Nichtbeachtung dieser Regel zu gewissen Stunden beängstigend
werden. In dem Eingangssatze zur Gehordnung bekommt der arme Fuß-
gänger zunächst eine nicht mißverständliche Ermahnung: „Der Groß-
städter hat sich stets vor Augen zu halten, daß die Fahrbahn der Straße
zunächst dem Wagenverkehr zu dienen hat . . ."
Die im weiteren gegebenen einzelnen Bestimmungen sind aber nicht
als Zwangsmaßregeln aufgestellt, sondern als Anregungen zum freiwilligen
Befolgen im eigensten Interesse. Unbedingt richtig ist, daß das Gehen auf der
Fahrstraße in der Längsrichtung grundsätzlich zu unterlassen ist, daß das
Umkehren inmitten des Fahrdammes leicht gefährlich sein kann. Nicht
unbedingt zustimmen wird man der Vorschrift, die Straße von einer Seite
zur anderen möglichst an Straßenkreuzungen zu überqueren. Eine Reihe
von Regeln betrifft das Gehen hart am Hochsteigrande, das Überschreiten
befahrener Straßenbahngleise, das Abspringen von der Straßenbahn, das
Spielen von Kindern auf der Straße usw.
Die im dritten Teil enthaltenen besonderen Vorschriften für Auto-
mobile und Radfahrer bieten nichts Besonderes.
Die ganze Kunst des Städtebaues, das Anlegen der Straßen ist
umsonst, wenn bei der späteren Benutzung ein wirres und rücksichtsloses
Durcheinander herrscht. Die Vorschriften der Wiener Polizeidirektion
in ihrer für die breiteste Allgemeinheit bestimmten Form müssen daher
dem Städtebau sehr willkommen sein. Kein Architekt ist erfreut, wenn
die von ihm geschaffenen Räume durch falsche und unsachgemäße Be-
nutzung nicht entsprechend zur Geltung kommen. Wieviel weniger der
für jedermann schaffende Städtebauer!
Das Heft bringt die Vorschriften in deutscher, französischer und
englischer Sprache. Im deutschen Text fallen neben einer Reihe leicht
vermeidbarer Fremdwörter einige recht gute, rein deutsche Ausdrücke
auf; so ist der Versuch, das Wort Trottoir durch „Gehsteig" zu ersetzen,
nicht übel, denn die alte Bezeichnung „Bürgersteig" hat in einer
modernen Großstadt kaum mehr Berechtigung.
CHRONIK.
TTTettbewerb: Um die UMGEBUNG DES NEUEN BAHN-
HOFS IN KARLSRUHE möglichst zweckmäßig und schön
zu gestalten, sind die Großherzoglich Badische Eisenbahnverwaltung und
die Stadt Karlsruhe übereingekommen, einen Entwurf für die Gestaltung
und Bebauung dieses Geländes aufstellen zu lassen. Zu diesem Zwecke
hat der Stadtrat der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe die in Karls-
ruhe ansässigen Architekten und Ingenieure zur Einreichung
von Skizzen aufgefordert, denen folgende Aufgabe gestellt ist:
1. Für die Bau- und Straßenfluchten des Bahnhofvorplatzes und des
anstoßenden Baugebietes in i : looo ist davon auszugehen, daß der Platz
ungefähr die Ausdehnung und Gestalt erhalten soll, wie sie in einem,
den Teilnehmern des Wettbewerbes zur Verfügung gestellten Lageplan
(vom Sekretariat des Hochbauamts erhältlich!) angegeben sind; Änderungen,
die verkehrstechnisch einwandfrei und in wirtschaftlicher Hinsicht nicht
wesentlich ungünstiger wirken, sind zulässig. Die Lage des Albtal-
bahnhofs ist als ein unverbindlicher Vorschlag anzusehen.
2. Es sind Fassadenentwürfe in i : 250 für sämtliche an dem Platze
und an den in dem Lageplan mit A-B und C-D bezeichneten Straßen-
strecken zu errichtenden Bauten aufzustellen. Es ist ein Eingang in den
Stadtgarten von der Bahnhofseite aus vorzusehen und auf eine harmonische
Gesamtwirkung des Platz- und Straßenbildes mit dem bereits erstellten
Aufnahmegebäude und dem in Ausführung begriffenen Postgebäude
sowie auf einen günstigen Abschluß der Südseite des Stadtgartens hin-
zuwirken.
Zwei SchaubUder in i : 100 sind von den in Augenhöhe gelegenen
Punkten x und y des Lageplans derart zu fertigen, daß die entsprechenden
Bildebenen durch die Kanten Kx und Ky gehen. Darstellungen nur in
Schwarzweiß zulässig, farbige Bilder werden von der Beurteilung aus-
geschlossen.
Frist bis zum 31. März 1912, nachmittags 6 Uhr beim Sekretariat
des städtischen Hochbauamts. Die preisgekrönten Zeichnungen werden
Eigentum der Stadt; diese ist berechtigt, sie nach Belieben für die
Ausführung zu benutzen. Das Recht der Veröffentlichung verbleibt dem
Vei fasser. Eine Zusicherung, daß die Bewerber bei der weiteren Aus-
arbeitung von Plänen oder der Ausführung beigezogen werden, ist nicht
gegeben.
Preisrichter: Minister der Finanzen Rheinbold, Exzellenz, und
Oberbürgermeister Siegrist in Karlsruhe, Professor Dr. Ing. Theodor
Fischer in München, Professor Th. Goecke, Landesbaurat, Hermann
Jansen, Architekt in Berlin.
An Stelle der beiden erstgenannten Herren treten unter Umständen
die von ihnen zu ernennenden Stellvertreter, an Stelle eines der anderen
drei Genannten wird Herr Geh. Regierungsrat Professor Dr. Ing. Karl
Henrici in Aachen als Ersatzmann treten.
Preise: Ein I. von 4000 Mk., ein II. von 3000 Mk., ein III. von
2000 Mk. und ein IV. von 1000 Mk.
Es bleibt dem Preisgericht überlassen, erforderlichenfalls die Preise
anders zu verteilen, doch soll die Gesamtsumme von 10 000 Mk. auf
höchstens vier Preise verteilt werden.
Im übrigen sind die vom Verbände deutscher Architekten- und
Ingenieurvereine aufgestellten Grundsätze für das Verfahren bei Wett-
bewerben maßgebend.
"p^IE ZENTRALSTELLE FÜR VOLKSWOHLFAHRT
^•^ hatte namens des Ausschusses für Bauberatungsstellen zu einer am
8. Dezember in der Urania in Berlin abgehaltenen Konferenz eingeladen,
in der über „Baupolizei und Bauberatung" verhandelt wurde, und
zwar vornehmlich über die Frage, ob es nicht zweckmäßig ist, die Tätig-
keit der Baupolizeiämter in der 'Weise zu erweitern, daß diese die ein-
gereichten Entwürfe nicht nur daraufhin prüfen, ob sie den Forderungen
der Polizeiverordnungen entsprechen, sondern auch daraufhin, ob den An-
forderungen an architektonische Zweckmäßigkeit und Schönheit genügt
ist, und daß sie gegebenenfalls dem bauenden Publikum in dieser Be-
ziehung geeignete Ratschläge geben. In dieser Versammlung gingen die
Meinungen so weit auseinander und wurden so viele neue Gesichtspunkte
aufgestellt, daß es zu einer völligen Klärung der wichtigen Frage nicht
gekommen ist.
CONGESTION AND ITS CAUSES IN CHICAGO. George
E. Hooker. Civic Secretary of City Club of Chicago. — From Pro-
ceedings of Second National Conferenz on City. Planing held at
Rochester May. ig 10.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W„ Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herrosö & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W.
9. Jahrgang
1912
2. Heft
FÜR- DlE- KÜNSTLEUlSCIlEAUYQESrAl!
TUNQ DER -STÄDTE • hACM iHREIS-WlRT
SOIAFTÜCHEN- QESUNDMQTÜCMEN- UNO
SOZIALEN- ÖRUND^TZEN: GEQRÜNDET-VON
.THEODOR finrrKF<^M[LLq^iTI
l^glVERLAQ^ERNiT WA\MUTti,BERÜN.
I ** NEBST EINER S0ND&RBEILA6E: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT ** |
INHALTSVERZEICHNIS: Der Wettbewerb um die Ausgestaltung des Parkringes auf dem Tempelhofer Felde in Berlin. — Städtische Bodenpolitik.
Von Stadtlandmesser Groll, Hersfeld. — Zum Bebauungsplan-Wettbewerb für Gladbeck in Westfalen. Von Professor Dr. Rud. Eberstadt. — Mitteilung. —
Neue Bücher und Schriften. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
DER WETTBEWERB UM DIE AUSGESTALTUNG
DES PARKRINGES AUF DEM TEMPELHOFER
FELDE IN BERLIN.
A. Vorbemerkung der Schriftleitung.
Der Kampf um das Tempelhofer Feld hatte im ver-
gangenen Jahre viel Staub aufgewirbelt. Vom Deutschen
Reiche hätte man nach der Meinung der Einen wohl
verlangen dürfen, daß es auf seinem Grundbesitze durch
eine von sozialem Geiste erfüllte, die Wohnbedürfnisse
Groß- Berlins voll befriedigende Bebauung vorbildlich zu
wirken habe, denn die Stadtgemeinde besitze in gleicher
Lage kein Gelände mehr und sei deshalb auf das Ent-
gegenkommen des Staates oder Reiches angewiesen, auch
wohl zu Opfern für diesen Zweck bereit gewesen. Dem-
gegenüber wiesen die Anderen und mit ihnen der glück-
liche Besitzer darauf hin, daß das Gelände nun einmal
durch die Bauordnung in die mit fünf Wohngeschossen
überbaubare Zone aufgenommen sei und dementsprechend
auch be- und verwertet werden müsse. Bekanntlich hat
sich der Reichstag dieser Meinung angeschlossen.
Damit war die wirtschaftliche Grundlage für die Be-
bauung des Tempelhofer Feldes gegeben und kam es nur
noch darauf an, eine sachliche Lösung für die großstädtische
Ausgestaltung zu finden. Demzufolge wurden von der Ge-
sellschaft, der die Gemeinde Tempelhof das in ihrem Gebiete
liegende Feld zur Aufschließung überlassen hatte, eine An-
zahl von Entwürfen eingefordert, von denen der Entwurf
des früheren Stadtbaurates der von der Planung mit-
berührten Stadt Schöneberg, Geheimen Baurats Gerlach,
unter Zustimmung der zuständigen Behörden von der Ge-
sellschaft zur Ausführung gewählt worden ist. Textbild 1
gibt diesen Entwurf in seiner für die Ausführung festgesetzten
Form wieder; dazu wird in Abbildung 2 der Wettbewerbs-
entwurf unseres Herausgebers gefügt. Beide enthalten
einen Parkring, der im Programm gefordert war und damit
die zu einer möglichst regelmäßigen Anlage hindrängende
Lösung der Aufgabe erschwert hat. Diese Schwierigkeit
ist noch schärfer in dem Wettbewerbe hervorgetreten, der
im folgenden besprochen wird. Die Aufgabe war zu eng
begrenzt, denn die Wandungen des Parkringes standen
unverrückbar fest, wenigstens auf dem Papier. Raum-
gestaltung war also fast ausgeschlossen, zum mindesten arg
beschränkt, es kam fast nur auf eine Flächendekoration an.
B. Besprechung von WALTER LEHWESS, Berlin-
Zehlendorf.
Es ist als ein bedeutungsvolles Zeichen zu betrachten,
daß die Gemeinde Tempelhof, der das Tempelhofer Feld
dem Namen nach gehört, oder besser die Gesellschaft, die
zur Verwertung des Geländes herangezogen worden ist, ein-
gesehen hat, daß mit der Ausnutzung des Landes bis auf
13
DER STÄDTEBAU
Abb. I. Zur Ausführung bestimmter Bebauungsplan des Tempelhofer Feldes von Gerlach,
den letzten Quadratmeter heute nichts mehr zu gewinnen
ist; daß vielmehr der Schönheit des Stadtbildes, dem Ruhe-
und Erholungsbedürfnis der Bewohner, der Sehnsucht
des Großstädters
nach einem Rest,
einer Andeutung von
Natur in der Stein-
wüste, weitgehende
Zugeständnisse ge-
macht und daß dazu
bedeutende Teile des
Landes geopfert wer-
den müssen, wenn
man gute Erträgnisse
aus der Bebauung
erzielen will. Und
es ' war ein neuer
Gedanke, diese ge-
opferten Flächen
nicht auf einzelne
grüne Plätze zu ver-
teilen, wie das noch
in dem ersten, vom
Kriegsministerium
aufgestellten Bebau-
ungsplan für das
Tempelhofer Feld
geschehen war, son-
dern sie zu einer zu-
sammenhängenden Anlage zu vereinigen und diese Anlage
ringförmig zu gestalten. Die Ringform bewirkt, daß die
Parkanlage von jedem Punkt des neuen Wohnviertels
aus in wenigen
Minuten erreicht
werden kann und
ermöglicht einen
längeren Spaziergang
im Grünen. Um dem
Parke außer dem die
nötige Abgeschlos-
senheit gegen den
Verkehr zu geben,
war schon im Pro-
gramm vorgeschla-
gen, ihn teilweise
vertieft anzulegen
und die belebtesten
Verkehrsstraßen mit
Brücken über ihn
hinwegzuführen ;
durch diese vertiefte
Lage würde gleich-
zeitig den beiden am
Parkgürtel gelegenen
Haltestellen der
Untergrundbahn der
Vorteil seitlichen
Lichteinfalls zu-
fallen.
Diese Grundform des Parkes, seine Umgebung mit
hohen fünfgeschossigen Mietshäusern und die Überführung
der verkehrsreichsten Straßen bestimmen seinen Charakter;
sie machen es unmöglich, einfach die Motive historischer
Gartenkunst auf dies Gelände zu übertragen. Vor allem
erschwert seine Einengung durch die mächtigen Haus-
fassaden die Auf-
gabe ungemein; ja,
es scheint fast, als
ob sie eine vollendete
Lösung überhaupt
unmöglich macht,
denn es darf nicht
verschwiegen wer-
den, daß der Park-
gürtel eigentlich zu
schmal geschnitten
ist. Seine Breite
wechselt zwischen
30 und 90 m zwi-
schen den Haus-
fronten, geht also im
Durchschnitt nicht
weit über das Maß
einer breiten Pracht-
straße hinaus. Wenn
man bedenkt, daß an
den Hausfronten ent-
lang überdies noch
Straßen mit Gehsteig
und Fahrdamm die
für die Parkanlage
so weiß man mit dieser in
Abb. 2. 'Wettbewerbsentwurf zur Bebauung des Tempelhofer Feldes von Th. Goecke.
verfügbare Fläche verringern,
der Tat nichts Rechtes anzufangen.
Das Ergebnis des Wettbewerbs, von dem einige Arbeiten
hier wiedergegeben
sind ist denn auch
sicherlich von dieser
Schwierigkeit be-
einträchtigt w^orden.
Die für den Archi-
tekten wegen der
Brücken, der Unter-
grundbahnhöfe und
der sonstigen archi-
tektonischen Um-
gebung, ebenso wie
für den Garten-
künstler sehr reiz-
volle Aufgabe hat
viele Bewerber auf
den Plan gelockt.
Aber nur wenige sind
sich, wie mir schei-
nen will, über die be-
sondere Schwierig-
keit, die darin liegt,
eine gärtnerische An-
lage in einen Ring
hoher Hauswände
hinein zu kompo-
nieren, klar ge-
worden. Wenigstens glaube ich das daraus schließen zu
können, daß viele in ihren Schaubildern die Hauswände ein-
fach fortgelassen haben, was mir ungefähr so vorkommt,
14
DER STÄDTEBAU
als wenn man bei der Perspektive eines Innenraumes die
Seitenwände fortläßt und nur den Blick auf eine einzige
Wand zeichnet, die sich scheinbar nach beiden Seiten ins
Unendlfche dehnt. Ich bin überzeugt, sie wären zu anderen,
brauchbareren Lösungen gekommen, wenn sie sich die
Hauswände, auch nur als große Massen, hineingezeichnet
hätten. So haben sie zum Teil sehr anmutige Parkaus-
schnitte, oft sehr reizvoll und mit künstlerischem Gefühl,
dargestellt — wie z. B. das Schaubild des Entwurfs
„Civibus" — , aber diese Ausschnitte könnten aus jedem
größeren Parke entnommen sein ; zur Lösung gerade dieser
Aufgabe tragen sie nichts bei.
Viele Bearbeiter sind auch in den Fehler verfallen, zu
viel in die Anlage hineinpacken zu wollen. Da finden sich
Inseln, Terrassenanlagen und alle nur denkbaren Motive der
Gartenkunst auf dem engen Räume zusammengedrängt.
Das muß natürlich zu unruhiger und zerrissener Wirkung
führen, die den Massen der Hausfronten gegenüber doppelt
kleinlich wirkt.
Das Preisgericht hat daher auch durch sein Urteil sehr
klar ausgesprochen, daß es die schlichtesten, klarsten
Lösungen, die mit den einfachsten Mitteln arbeiten, für die
besten hält; einige lange, möglichst wenig unterbrochene
Rasenstreifen, eine Wasserfläche, zu der die tiefe Lage des
Parkes erwünschten Anlaß bietet, von geschlossener Gesamt-
form, und in dem schmalen, östlichen Teil des Parkes
einige geometrisch angelegte Schmuckbeete, dazwischen die
Spiel- und Ruheplätze, alles in einfachen großen Linien —
mehr darf in den Parkstreifen nicht hinein. Es ist erstaun-
lich, wie ähnlich sich die preisgekrönten Entwürfe in ihren
Grundrissen sehen. Sie behandeln alle den westlichen
breiten Bogen symmetrisch, indem sie zwei lange Rasen-
flächen, die von Bäumen umgeben sind, hineinlegen; im
nördlichen Bogen schließt dann die Wasserfläche an, die
mit dem Kirchenplatz in Verbindung gebracht ist und mehr
oder weniger an den Untergrundbahnhof herantritt; östlich
des Untergrundbahnhofes dann ein Spielplatz. Der südliche
Bogen zeigt, der Wasserfläche entsprechend, eine freiere,
etwas mehr landschaftliche Gestaltung und endet nach
Osten wiederum in einen Spielplatz; das schmale östliche
Verbindungsstück ist mit geometrischen Blumenanlagen
geschmückt. Diese Anordnung findet sich bei Bräuning
(I. Preis, Tafel 7) fast genau so wie bei Hensel (ein
III. Preis, Tafel 11) und bei Spindler (II. Preis, Tafel 7).
Bei dem Entwurf von Seeck und Freye (ein III. Preis,
Tafel 11) fehlen die langen Rasenstreifen; der Grundriß
wirkt daher nicht ganz so ruhig wie die drei anderen.
Im einzelnen und im Charakter, den die Ausbildung
dieser Grundgedanken erfahren hat, bestehen natürlich
erhebliche Unterschiede. Bei Bräunings Entwurf
berührt die schlichte, zurückhaltende Darstellung be-
sonders angenehm. Er hat überhaupt keine Schaubilder
eingesandt; seine Architekturen sind sehr fein und zeugen
von hohem künstlerischen Geschmack, wenn mir auch die
auf Säulen ruhende Brückenbahn nicht so ganz einleuchten
will; vor allen Dingen versperren die vielen Säulen
doch auch Blick und Weg im tiefhegenden Park — vgl.
Tafeln 8 u. 9.
Spindler hat einen Grundplan, der wohl um keinen
Deut schlechter ist als der mit dem I. Preis gekrönte, und
daneben sehr gut durchgearbeitete farbige Schaubilder ge-
liefert — vgl. Tafeln 9 u. 10. An diesen gefällt mir am |
besten, daß sie durchaus ehrlich, den Park so zeigen,
wie er in Wirklichkeit aussehen wird. Eingefaßt, ja
etwas eingeengt von hohen Mietshäusern mit nüchternen
Fassaden. Vor diesen Bildern wird einem klar, daß es
falsch wäre, den Parkring ganz streng symmetrisch und
architektonisch anzulegen, wie es z. B. der Entwurf
mit dem Kennwort „Und in Poseidons Fichtenhain"
tut. Denn solche architektonische Anlage verlangt Be-
ziehungen zu einer sie beherrschenden Architektur,
wie es auch bei den Architekturgärten der Renaissance
und des Barock stets der Fall war. Es ist aber natür-
lich unmöglich, solche Beziehungen der Parkanlage zu
den vielen sie umgebenden verschiedenen Häusern her-
zustellen. Ebenso wäre aber eine völlig landschaftliche
Behandlung auf dem engen Räume ganz unmöglich; es
wird daher das Richtige sein, wie schon im Programm
empfohlen und in den preisgekrönten Entwürfen auch durch-
weg geschehen ist, eine gewisse Symmetrie nur in der
Massenverteilung zu erstreben, an den Hauptpunkten archi-
tektonischen oder gärtnerischen Schmuck in symmetrischen
Formen zusammenzufassen, im übrigen aber die Rasen-
und Wasserflächen weniger streng zu behandeln. In
Hensels Entwurf scheint mir diese Mischung landschaft-
licher und architektonischer Gartenkunst am besten
gelungen zu sein, doch stehen seine Schaubilder nicht
auf der Höhe der anderen. Seeck bringt sehr gewandt
dargestellte, geschmackvolle Architekturbilder, von denen
der ausgezeichnete Untergrundbahnhof in schlichten
Formen, die sich der gärtnerischen Umgebung gut ein-
fügen, die geradlinig materialmäßige Eisenbetonbrücke und
die Gruppe, die eine Kirche in Verbindung mit Schutz-
mauern und Straßenbrücke zeigt, hervorzuheben sind
(Tafel 12).
Von den anderen Entwürfen fallt der mit dem Kennwort
„von Knobeisdorf", zu dem sich Heinrich Straumer als
Verfasser bekennt, durch seine großen flotten Kohleschau-
bilder auf; mit seiner etwas gesuchten Planlösung jedoch
kann man sich nicht ganz befreunden (Tafeln 13 u. 14).
Der Entwurf „Blaue Blumen" bringt hübsche Bildchen, aber
der Plan, der einen Versuch darstellt, die geschwungenen
Formen des Parkes in gerade Linien zu fassen, erregt
Befremden. Überhaupt gibt's hier, wie so oft, mehr
Auswahl von guten Schaubildern, als von guten Plänen,
weil die zeichnerische Darstellung bei uns entschieden
besser entwickelt ist, als die Fähigkeit, sich sach-
lich mit einer neuen Aufgabe auseinanderzusetzen. Die
Tafeln zeigen einige dieser zeichnerisch vollendeten
Blätter: Aus dem Entwurf mit einigen Noten als Kenn-
zeichen ein Parkbild; ein ähnliches aus dem Entwurf
„Kraft und Wissen", dessen wirklich gute Architekturen
an Läuger erinnern und dessen Grundriß zwar etwas zu
zerschnitten erscheinen mag, sonst aber gute Gedanken
enthält, und endlich ein wohlabgewogenes Kirchenbild aus
dem Entwurf „Bewegung".
So weit wäre ja nun das Werden des Parkringes auf
dem Tempelhofer Feld in die besten Wege geleitet. Schöne
Gedanken genug dafür sind da. Wird aber die „Tempel-
hofer Feld" - Gesellschaft nun auch die preisgekrönten
Künstler zur Ausfuhrung heranziehen? Davon wird
es abhängen, ob der Park ein beachtenswertes
Denkmal neuzeitlichen Städtebaues wird oder
nicht.
16
DER STÄDTEBAU
STÄDTISCHE BODENPOLITIK.
VORTRAG AUF DEM HESSISCHEN STÄDTETAG ZU FULDA AM 21. MAI 1910.
Von Stadtlandmesser GROLL, Hersfeld.
Einleitung.
Ohne auf theoretische Streitfragen einzugehen, will ich
mich in folgendem darauf beschränken, die praktischen Maß-
nahmen darzulegen, die zur Durchführung einer zielbewußten
städtischen Bodenpolitik notwendig sind. Zweck einer solchen
Bodenpolitik muß es sein, die geeigneten Mittel und Wege
zu finden, um möglichst billig den für Zwecke der All-
gemeinheit nötigen Boden zu erwerben, den erworbenen
Boden zusammen mit dem Eigenbesitz nach bestimmten
Grundsätzen zu verwalten und zu verwerten und nach Mög-
lichkeit einer ungesunden Wertsteigerung der Bodenpreise
entgegenzuarbeiten.
Beschaffung der Unterlagen.
Eine planmäßige Durchführung der städtischen Boden-
politik ist aber nur möglich, wenn man die zur Beurteilung
der einschlägigen Verhältnisse geeigneten Planunterlagen
hat, und es muß die erste Aufgabe einer jeden einsichtigen
Verwaltung sein, sich die Bücher und Karten zu verschaffen,
die jederzeit Aufschluß über Größe, Eigentümer und Lage
eines jeden Grundstückes geben. Das erste Erfordernis
ist die Beschaffung eines Übersichtsplanes über das Weich-
bild der Stadt und ihre Umgebung, soweit sie jetzt oder
künftig für die Bebauung in Frage kommt. Die Wichtig-
keit der Forderung eines solchen Einheitsplanes kann nicht
eindringlich genug betont werden. Die meisten Gemeinden
besitzen Einzelpläne in verschiedenen Maßstäben. Bei dem
heutigen Stand der Technik ist es ein leichtes, mit Hilfe
der Lithographie und Photographie Übersichtspläne aus
den verschiedensten Maßstäben zu einem Maßstab etwa
1 : 2000 zusammenzustellen. Je größer der Maßstab der
Einzelpläne ist, desto besser ist es, denn eine Verkleinerung
ist stets möglich, sieht gut aus und wird genau, was für
Vergrößerungen viel weniger gilt. Erfreulicherweise sind
in der Beschaffung von Umdruckplänen schon große Fort-
schritte zu verzeichnen; die Katasterverwaltung hat sich
bereits das Gisalumdruckverfahren zunutze gemacht und
gibt jetzt Umdruckpläne zu billigen Preisen heraus, während
die Kopien früher viel Geld kosteten, da ihre Ausfertigung
mit einem großen Zeitaufwand verbunden war. Man wird
auch schon deshalb das Umdruckverfahren vorziehen, weil
man diese Umdruckpläne den verschiedensten Zwecken der
Verwaltung dienstbar machen kann.
Eigentums- bzw. Wertübersichten.
Einen Planumdruck wird man zunächst so vervoll-
kommnen, daß man den städtischen, fiskaUschen und
größeren Privatbesitz mit je besonderen Farben anlegt. Auf
dem Übersichtsplan der Stadt Hersfeld ist z. B. der
städtische Grundbesitz rot, der Grundbesitz der Hospital-
verwaltung gelb, der fiskalische Grundbesitz grün an-
gelegt; die Grundstücke in Privatbesitz sind weiß ge-
blieben. Schon um bei Feststellung der Grundstücks-
eigentümer nicht ständig auf die unmittelbare Mitwirkung
des Katasteramtes angewiesen zu sein, liegt es im eigenen
Vorteil jeder Stadtverwaltung, sich neben der Abschrift
der katasteramtlichen Gebäudesteuerrolle auch eine Abschrift
des Flurbuches zu beschaffen und für deren Fortführung
Sorge zu tragen; sind dies doch unentbehrliche Nach-
schlagewerke für den täglichen Gebrauch. Um nun auch
einen Anhalt für den Wert der Grundstücke zu haben,
trägt man zunächst etwa mit Hilfe der katasteramtlichen
Kaufpreissammlung die auf 1 qm berechneten Verkaufs-
preise in die einzelnen Grundstücke ein. In Klammern fügt
man zweckmäßig die Jahreszahl bei. Im allgemeinen wird
der Wert der Grundstücke im Preise zum Ausdruck kommen,
und der Kenner der Verhältnisse wird schon wissen, wann
und wie weit sich der Preis mit dem Werte deckt. Liebhaber-
preise etwa für einen Park von geschichtlicher Bedeutung
mit alten Baumgruppen wird man naturgemäß nicht für
die Bewertung des angrenzenden Ackergrundstückes heran-
ziehen. Je länger diese Bewertungen und Preiseintragungen
in die Übersichtspläne fortgeführt werden, um so mehr
steigt der Wert der so entstandenen Unterlagen ; der Beamte
sammelt wertvolle Erfahrungen und Sachkunde, und was
das wichtigste ist, die Bewertungen gewinnen an Zuver-
lässigkeit, man erhält mit jedem Jahr ein anschaulicheres
Bild, nicht nur von dem Besitzstande, sondern auch von
dem Besitzwechsel, den Bodenpreisen und ihrer Preissteige-
rung. Diese Übersichten lassen sich auch in Bänden ver-
einigen; es lassen sich verschiedene Bände nach be-
stimmten Zeitabschnittten und Gesichtspunkten anlegen.
Auch dem Nichtfachmann wird die Zuverlässigkeit solcher
Wertübersichten einleuchten. Man bedenke auch, wie
überaus wertvoll für das gesamte Schätzungswesen das
Vorhandensein von derartigen Übersichten sein wird, wie
auch jede sogenannte Gefälligkeitsschätzung bei einer
planmäßigen Handhabung solcher Bodenwertübersichten
ausgeschlossen ist. Solche Gefalligkeitsschätzungen liegen
durchaus nicht im Nutzen einer gesunden Lösung der
Bodenfrage ; sie verleiten manchen zu leichtsinnigem
Ankauf und verteuern damit den Grund und Boden.
Den Verwaltungen, die im Besitze geschilderter Über-
sichten sind, wird es auch viel leichter gelingen, die
Grundeigentümer von dem Werte eines Grundstückes zu
überzeugen, andererseits sichern sie den Käufer vor Über-
vorteilung durch den Spekulanten, der doch oft mit der
Unwissenheit des Käufers rechnet. Nicht zu vergessen ist,
ein wie wertvolles Material man durch Aufstellung solcher
Wertkatasterpläne auch für Enteignungszwecke bekommt,
wenn nicht überhaupt schon das Vorhandensein solcher
Wertübersichten jede Enteignung überflüssig macht oder
doch fast ganz aus der Welt schafft.
Stadterweiterung. Bebauungspläne.
Um nun weiter in dem Ankauf von Grundstücken zu
Zwecken der Allgemeinheit die richtigen Wege wandeln zu
können, wird es wichtig sein, unter sorgsamer Berück-
sichtigung der Örtlichkeit einen Stadterweiterungsplan zu
16
DER STÄDTEBAU
entwerfen. Ohne die Forderungen des zeitgemäßen Städte-
baues aus dem Auge zu lassen, wird man schon bei Auf-
stellung des Bebauungsplanes peinlichst darauf zu achten
haben, daß die alten Wege möglichst beibehalten werden,
die bestehenden Grundstücksgrenzen nach Möglichkeit be-
rücksichtigt, und vor allen Dingen jedes unnötige An-
schneiden von Gebäuden vermieden werde. Durchbrüche
sollen nur in den allerzwingendsten Fällen vorgesehen
werden, damit dem Stadtsäckel später große Ausgaben er-
spart bleiben. Auch ist bei Aufstellung der Stadterweiterungs-
pläne die Frage der Eingemeindung sorgfaltig zu prüfen.
Die Aufgabe einer guten Bodenpolitik wird es ferner sein
müssen, um den inneren Stadtkern mit seinen hohen Grund-
stückspreisen einen genügend breiten Ring mit niedrigeren
Grundstückspreisen zu schaffen, besonders durch Fest-
legung und Ausbau der Hauptverkehrswege. Ein guter
Bodenpolitiker wird auch bei Aufstellung des Bebauungs-
planes ängstlich darauf bedacht sein, die landschaftlichen
Reize seiner Stadt zu erhalten und ins richtige Licht zu
setzen, alte geschichtliche Baudenkmäler, malerische Fach-
werkbauten, schöne Baumgruppen, liebgewordene Ruhe-
plätzchen mit ihren Ausblicken auf stromdurchflossene
Täler und bewaldete Höhen zu schonen; erfüllt er doch
damit nicht nur die Forderungen des Heimatschutzes, der
Ehrfurcht, des ästhetischen Wohlbehagens und des Heimat-
gefühles, sondern bewahrt und fördert dadurch auch die
Anziehungskraft seiner Stadt auf Fremde, was sich gerade
dem nüchtern rechnenden Geschäftsmann in seinen Folgen
angenehm fühlbar machen wird.
Geheimhaltung des umfassenden Fluchtlinien-
planes.
Nicht mit Unrecht ist schon oft von den Stadtver-
waltungen geltend gemacht worden, daß gerade mit der
förmlichen Feststellung solcher Bebauungspläne eine er-
hebliche Steigerung der Grundstückspreise verbunden ist,
andererseits hat sich aber die Überzeugung durchgerungen,
daß man ohne umfassenden Erweiterungsplan, als Grundlage
jeder städtebaulichen Entwicklung, eine wirksame Boden-
politik nicht durchführen kann. Sie selbst wissen wohl
alle aus eigener Erfahrung, daß jeder Grundbesitzer, mag
sein Grundstück noch so weit abliegen vom Mittelpunkte
der Stadt, im Besitze wertvoller Bauplätze zu sein glaubt,
sobald sich eine neue Straßenfluchtlinie in der Nähe seines
Grundstückes zeigt, dieses wohl gar durchschneidet. Um
dieser unliebsamen Steigerung der Bodenpreise mit ihrer Be-
lastung des Stadtsäckels und mit ihren sonstigen schädigenden
Begleiterscheinungen zu entgehen, hat man vorgeschlagen,
den Übersichtsplan überhaupt nicht förmlich festzustellen,
sondern ihn zwar sorgfaltig auszuarbeiten, aber dann
schnell in der geheimsten Geheimschublade zu verschließen
und so jedem unberufenen Auge fernzuhalten. So wird von
vornherein jede Spekulation ausgeschaltet. Namhafte Boden-
politiker vertreten diesen Standpunkt und treten dafür ein,
nur von Fall zu Fall einzelne Teile aus dem umfassenden
Fluchtlinienplan herauszugreifen und förmlich festzustellen.
Hat man das feste Programm für die Entwicklung einer
Stadt in Gestalt eines wohldurchdachten Übersichtsplanes
in Händen, dann wird man also zunächst nur die Flucht-
linien der bebauten Innenstadt förmlich festlegen, wo nicht
etwa beabsichtigte Ankäufe ein frühzeitiges Veröffentlichen
auch dieser Pläne verbieten.
Enteignung.
Gelangt man so nicht zum Ziele und stößt man auf
Schwierigkeiten bei dem Erwerb unter der Hand, so muß
man schon, um die Enteignung einleiten zu können, die
Pläne für den in Frage kommenden Stadtteil förmlich fest-
stellen. Doch wird man gut tun, von der Enteignung mög-
lichst wenig Gebrauch zu machen und versuchen, nach
Möglichkeit in Güte auszukommen. Es ist grundsätzlich
anerkannt, daß dem von der Enteignung Betroffenen, nament-
lich, wenn es sich um Vertreiben von Haus und Hof handelt,
ein sogenannter Mitleidsmehrwert zugestanden werden muß,
und wird der Stadtsäckel selten gut dabei fahren. Die
Enteignung als bodenpolitische Maßregel ist also stets als
ein Notbehelf anzusehen und tunlichst zu vermeiden.
Zusammenlegung.
Nicht frühzeitig genug kann man dagegen die Fest-
stellung derjenigen Fluchtlinien betreiben, die baureifes
Gelände, durchschneiden und ganz besonders noch dann,
wenn die Zusammenlegung, Verkoppelung oder sogenannte
Baulandumlegung für dieses Gebiet geboten erscheint. Gibt
man den umfassenden Übersichtsplan nicht durch förmliche
Feststellung der Öffentlichkeit preis, so wird man viel leichter
und unauffälliger die für öffentliche Zwecke bestimmten Grund-
stücke für Schulen, Kirchen, Spiel- und Schmuckplätze,
Anlagen und sonstige öffentliche Gebäude erwerben können
und sicherlich ganz erheblich geringere Summen ausgeben,
als dies bei Bekanntsein der Erweiterungspläne der Fall
sein wird.
Vermittlung.
Nicht vergessen sei, daß man es nicht verschmähen
soll, nötigenfalls bei dem Grunderwerb sich der Vermitt-
lung der Mitbürger zu bedienen, die von altersher eine
besondere Gewandtheit im Handel an den Tag gelegt haben.
Das Grundstücksgeschäft ist oft nicht leicht, und nicht jeder-
mann eignet sich zum geschickten Einkauf. Bei den not-
wendigen Grunderwerbungen werden auch die eingangs so
warm empfohlenen Übersichtspläne mit der Darstellung
des Grundbesitzes und der Bodenpreise vorzügliche Dienste
leisten.
Grundstücks fonds.
Daß die wirklich wohlhabenden Gemeinden dies zumeist
der Größe ihres Grundbesitzes zu verdanken haben, bedarf
keiner besonderen Untersuchung, um so wichtiger ist es
für Gemeinden mit weniger Grundbesitz, diesen durch ziel-
bewußten Ankauf zu mehren. Um aber jederzeit Gelände
ankaufen zu können, ist es für jede Gemeinde, ob groß, ob
klein, von ungeheurem Werte, einen Grundstücksfonds zu
besitzen, aus welchem sie jederzeit Mittel nehmen kann, um
bei günstiger Konjunktur schnell zugreifen zu können, ohne
erst einen schwerfälligen Bewilligungsgang in Bewegung
setzen zu müssen. So haben verschiedene Städte des Rhein-
landes die gute Konjunktur des Jahres 1908 ausgenutzt und
für viele Millionen Gelände gekauft. Wie Sie wissen, hatte
der damalige wirtschaftliche Niedergang ein Emporschnellen
des Reichsbankdiskonts auf 8 "/o zur Folge, und gar mancher
mußte seine wirtschaftliche Existenz damit aufrechtzuer-
halten suchen, daß er Grundstücke billig abstieß. Selbst-
verständlich wird die Höhe eines solchen Fonds von den
Bedürfnissen und Mitteln einer Gemeinde abhängen; eine
Gemeinde, die in der glücklichen Lage ist, vielen wertvollen
17
DER STÄDTEBAU
Eigenbesitz zu haben, wird mit einem geringen oder gar
ohne Fonds auskommen.
Veräußerung von städtischem Grund und Boden.
Eine Gemeinde, die größeren Eigenbesitz hat und nur
eine solche, kann aber auch einer schädlichen Grundstücks-
spekulation dadurch entgegenarbeiten, daß sie billigen Grund
und Boden abgibt, selbstverständlich nur unter der Be-
dingung, daß der Boden innerhalb einer bestimmten Frist
bebaut wird, denn jeder Umsatz, der nicht zum Zwecke
der Bebauung getätigt wird, wirkt unberechtigt werterhöhend.
Bei einer Gemeinde mit wenig Eigenbesitz empfiehlt sich
der Verkauf nur in den Fällen der dringendsten Notwendig-
keit, denn gar zu leicht kann es vorkommen, daß die Ge-
meinde Gelände teuer zurückkaufen muß, welches sie erst
wenige Jahre vorher billig veräußert hat.
Erbbau und Erbpacht.
Man hat deshalb die Abgabe von Gelände in Erbpacht
oder Erbbau eingeführt, damit das Gelände nach einem
größeren Zeitraum wieder an die Stadt zurückfällt, um den
inzwischen wieder fühlbar gewordenen Forderungen des
Verkehrs nutzbar gemacht zu werden. Im größeren Stile
durchgeführt ist der Erbbau beispielsweise von der Stadt
Frankfurt ; durch Beleihung gegen mäßige Verzinsung wird
es auch weniger Bemittelten ermöglicht, für einige Menschen-
alter gemütliche Einfamilienhäuser mit Gärten zu be-
wohnen. Auch durch Anlage sogenannter Schrebergärten
hat man für städtisches Gelände eine bessere Verzinsung
erzielt und so dem Arbeiter Gelegenheit gegeben, in frischer
Luft sich der Pflege des Gartens zu widmen, sich allerlei
Nützliches für Küche und Keller selbst zu ziehen, ganz ab-
gesehen davon, daß solche Betätigungsmöglichkeit nicht zu
unterschätzende sittliche Werte darstellt.
Beschaffung der Geldmittel.
Frage ich nun nach der Beschaffung der zur Durch-
führung einer zielbewußten Bodenpolitik erforderlichen Geld-
mittel, so wird man diese naturgemäß aus solchen Abgaben
aufbringen, die aus der Besteuerung des Umsatzes an
Grund und Boden, aus der Besteuerung des Wertzuwachses
und schließlich aus der Besteuerung des Grund und Bodens
nach dem gemeinen Wert in den Stadtsäckel fließen oder
flüssig gemacht werden können.
Umsatzsteuer.
Die Umsatzsteuer ist wohl schon ziemlich allgemein
eingeführt; wir in Hersfeld haben durchschnittlich 10000 Mk.
jährlich bei einer Abgabe von 1% des Umsatzes vereinnahmt.
Das Katasteramt teilt uns jeden Grundstücks Wechsel nebst
den Kaufpreisen mit, so daß wir dadurch auch in der Lage
sind, eine laufende Übersicht über die Bodenpreise aufzu-
stellen. Die Umsatzsteuer bildet nicht zuletzt eine boden-
politische Maßregel, indem sie dem spekulativen häufigen
Wechsel der Grundstücke entgegenwirkt.
Wertzuwachssteuer.
Eine weitere Besteuerung, die auch als bodenpolitische
Maßregel allgemeine Anerkennung gefunden hat, ist die Be-
steuerung des Wertzuwachses. Wie Sie wissen, lag dem
Reichstag der Gesetzentwurf einer Reichswertzuwachssteuer
vor, wonach den Gemeinden 40''/„ aus den Einnahmen
dieser Steuer zufließen sollen. Diese Steuer soll den un-
verdienten Wertzuwachs treffen, d. h. den Wertunterschied,
um welchen ein Grundstück durch Einrichtungen der All-
gemeinheit gewonnen hat. Diese werterhöhenden Einrich-
tungen können staatlicher Natur sein, wie etwa die Anlage
eines Kanals für Schiffahrt oder das Verlegen einer Gar-
nison nach einem bestimmten Ort, sie können städtischer
Natur sein durch den Ausbau von Straßen, den Bau höherer
Gemeindeschulen oder durch die Schaffung von Anlagen usw.
Staat und Stadt haben also das Recht und die Pflicht,
Zuwendungen und Aufwendungen von denen wieder einzu-
bringen, die einen besonders großen Nutzen davon haben,
Besteuerung nach dem gemeinen Wert.
Die Reichswertzuwachssteuer setzt also die Einschätzung
der Grundstücke nach ihrem gemeinen Wert voraus und wird
naturgemäß nach Einführung einer dem gemeinen Wert der
Grundstücke entsprechenden Grundsteuer drängen. Diese
Art der Besteuerung wird jedenfalls bedeutsame Folgen
haben, sie wird besonders den Spekulanten treffen und
diesen zwingen, entweder den Boden der Bebauung zu-
gänglich zu machen oder aber einen Teil des Gewinnes
durch Abgabe der Allgemeinheit zuzuführen.*) Das von der
Steuer betroffene Grundstück wird also nicht einmal ver-
teuert, im Gegenteil, es wird billiger, denn das Angebot
von zur Bebauung geeigneten Grundstücken wird sich bei
Einführung der Besteuerung nach dem gemeinen Wert
zweifellos bedeutend vermehren. Die Besteuerung nach
dem gemeinen Wert trifft doch besonders den wertvollen
Grund und Boden und entspricht also etwa dem Wert,
der in dem Kaufpreis zum Ausdruck kommt. Allein in Frage
kommt also hier der Wert, den der nackte Grund und
Boden infolge seiner natürlichen Eigenschaften und seiner
von der Allgemeinheit geschaffenen Vorzüge besitzt. So
sehr auch die staatlich veranlagte Gebäudesteuer einen
Maßstab für die Beurteilung des gemeinen Wertes eines
Gebäudes abgeben mag, so wenig wird die staatlich ver-
anlagte Grundsteuer als Maßstab für die Beurteilung des
gemeinen Wertes herangezogen werden können; das land-
wirtschaftlich am schlechtesten ausnutzbare Grundstück
kann als Bauplatz den größten Wert haben. Zutreffen
wird die staatlich veranlagte Grundsteuer einigermaßen da,
wo die Grundstücke noch ausschließlich landwirtschaft-
lichen Zwecken dienen, also mehr in den vom Mittelpunkte
der Stadt abgelegenen Grundstücken.
Es wird wohl über diese Ausführung kein Zweifel be-
stehen, und man wird sich fragen, warum denn eine Be-
steuerung nach dem gemeinen Wert, die doch in ihren
Veranlagungsgrundsätzen eine so große Einfachheit und
Klarheit besitzt, sich so schwer einführt. Die Hindernisse
liegen wohl mehr in den Bestimmungen des Kommunalab-
gabengesetzes, besonders des § 54, der eine Ausnutzung der
Steuer für die Kommunen in nur ganz ungenügendem Maße
zuläßt. Wenn auch gemäß § 55 Ausnahmen mit besonderer
Genehmigung gestattet werden können, so hat man sich
doch vor Einführung der Besteuerung gescheut, zumal auch
die mit § 27 Absatz 2 des Kommunalabgabengesetzes ge-
stattete Zulässigkeit der Erhebung einer Steuer für die
Liegenschaften, die durch Festsetzung von Baufluchtlinien
in ihrem Werte erhöht werden, durch Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts als verfassungswidrig erkannt
worden ist und danach nicht einmal eingeführt werden darf.
*) Durch die Bestimmung, daß die Steuer bar bezahlt werden muß,
kann die Verwertung aber auch oft in weitere Ferne gerückt werden. D. S.
18
DER STÄDTEBAU
Trotzdem will es scheinen, als ob auch der Mangel an
geeigneten Unterlagen viel Schuld daran hat, daß die Steuer
nach dem gemeinen Wert sich nicht hat einfuhren können.
So komme ich wieder auf die eingangs gemachten Vor-
schläge zur Beschaffung eines Wertkatasters zurück; die
Einführung der Reichswertzuwachssteuer wird ja auch diese
Fragen in den Fluß bringen und von selbst einwandfreies
Material ansammeln helfen, ebenso wie die Umsatzsteuer
bereits die Werte für die von ihr betroffenen Grundstücke
festgelegt hat.
Sachverständige.
Ich brauche wohl auch nicht besonders zu unterstreichen,
daß man bei all diesen Fragen die Mitwirkung des Land-
messers in Anspruch nehmen wird, sei es des Gemeinde-
landmessers, sei es des Katasterbeamten. Er kennt Land
und Leute und versteht mit ihnen umzugehen, er kennt
auch die Bodenwerte am besten und wird Ihnen auch bei
Beschaffung der sämtlichen Unterlagen, deren man zur
Durchführung einer zielbewußten Bodenpolitik bedarf, mit
der nötigen Sachkenntnis und Erfahrung zur Seite stehen.
ZUM BEBAUUNGSPLAN -WETTBEWERB
FÜR GLADBECK IN WESTFALEN.
Von Professor Dr. RUD. EBERSTADT.
I.
Gladbeck, für dessen Bebauung ein im März v. J. ent-
schiedener Wettbewerb ausgeschrieben wurde, zählt zu den
schnell anwachsenden Gemeinden des rheinisch-westfälischen
Industriegebietes, die sich in kurzer Zeit aus einer land-
wirtschaftlichen Siedlung in ein städtisch-industrielles Ge-
meinwesen umgewandelt haben. Da es sich bei der Ent-
wicklung der Gemeinde um Voraussetzungen handelt, die
sich bei Mittelstädten mit rasch steigender Industrie
bevölkerung häufig finden mögen, seien hier einige allgemeine
Angaben über den Wettbewerb mitgeteilt. Das Weichbild
von Gladbeck hat eine erhebliche Ausdehnung und umfaßt
eine Gesamtfläche von 3600 ha. Die Mitte dieses Gebietes
wird eingenommen von der alten Dorflage, die noch heute
das Zentrum des geschäftlichen Verkehrs bildet. Die Wohn-
bauten schließen sich indes nur teilweise unmittelbar an
diesen Stadtkern an. An verschiedenen Stellen des Weich-
bildes zerstreut sind Zechenanlagen entstanden; an diese
sind wiederum umfangreiche Wohnsiedlungen angegliedert,
die indes zum großen Teil weder mit der Stadtmitte noch
untereinander in einem baulich geschlossenen Zusammen-
hang stehen. Der größere Teil des Stadtgebietes besteht
zurzeit noch aus unbebautem Gelände, und zwar Wald,
Wiesen, Ackerland, Halden, Bauland.
Wie in zahlreichen Städten bieten die Eisenbahn-
anlagen ein wesentliches Hindernis für die Stadterweiterung.
Bahndämme und Schienenkreuzungen erscheinen ohne Rück-
sicht auf die städtische Entwicklung angelegt und unter-
binden den Zusammenhang des städtischen Gebietes. Der
Bahnhof Gladbeck-Ost liegt unmittelbar an der Haupt-
verkehrsstraße (Hochstraße), die er durch eine viel be-
fahrene Schienenkreuzung durchschneidet. Eine zweite
Bahnlinie mit dem Bahnhof Gladbeck- West, sowie eine
Reihe von Zechenanschlußbahnen durchziehen das Stadt-
gebiet. Hier waren für den Bearbeiter ziemlich schwierige
Aufgaben zu lösen. — Was den Straßenverkehr anlangt, so
war eine Anzahl von Hauptverkehrsstraßen, insbesondere
die aus alten Provinzialchausseen entwickelten Straßenzüge,
bereits festgelegt. Für die Angliederung des Stadterweiterungs-
geländes waren dagegen neue bedeutende Verbindungen zu
schaffen, wie auch bei einigen durch die Innenstadt führenden
Straßen verkehrstechnisch wie städtebaulich eine bessere
Ausgestaltung erwünscht war.
Für die Entwicklung des Wohnungsbaus liegen die ört-
lichen Voraussetzungen nicht ungünstig. In der Stadt-
mitte, deren Hauptstraßen mit Läden und Warenhäusern
besetzt sind und einen lebhaften Geschäftsverkehr auf-
weisen, werden für Grundstücke in bester Verkehrslage
Bodenpreise von fast großstädtischer Höhe, nämlich bis
zu 1000 Mk. die Rute gezahlt. In dem ausgedehnten
Stadterweiterungsgelände dagegen sind die Preise für
Wohngelände noch niedrig; je nach der Lage der Grund-
stücke dürften sie sich zwischen 25 bis 50 Mk. für die
Quadratrute an anbaufähiger Straße bewegen.
Die Herstellung der Wohnungen erfolgt in Gladbeck
teils durch die großen Werke und Kohlenzechen, teils durch
privatgewerbliche Spekulation. Unter den Industriesied-
lungen sind insbesondere die Bauten der Königlichen Berg-
werksinspektion bei den Möllerschächten zu erwähnen, eine
umfangreiche Anlage, die in ihren verschiedenen Haustypen
die allmähliche Fortbildung des Wohnungsbaus erkennen
läßt. Die älteren Jahrgänge der Siedlung zeigen noch die
schematischen Hausbauten in Anlehnung an die bekannten
„Normalien", während die jüngsten Bauten treffliche Straßen-
bilder aufweisen, in denen einige neue Einfamilienhäuser,
von Baumeister van de Sandt in Recklinghausen entworfen,
besonders günstig hervortreten. Das private Baugewerbe
baut zu Verkaufszwecken gerne Kleinwohnungsgebäude
kleinen und mittleren Umfangs. öfter findet sich das Haus
mit sechs Wohnungen im Preise von 18000 bis 20000 Mk.,
das von Bergarbeitern, die etwa 2000 Mk. Anzahlung leisten
können, erworben wird.
Die Verhältnisse im privaten Baugewerbe werden als
im allgemeinen gesund geschildert. Hierbei zeigt sich die
Bedeutung, die der Bodenpreis bzw. die Höhe der von dem
Bauunternehmer für den Boden aufzuwendenden Kapital-
summe für das Baugewerbe besitzt. Bei den mäßigen
Bodenpreisen für Wohngelände (siehe oben) ist der für den
Boden beanspruchte Kapitalbetrag gering und wird sich bei
der einzelnen Baustelle auf 500 bis 800 Mk. belaufen; eine
Summe, die es einem weiten Käufer- und Unternehmer-
kreise gestattet, in das Boden- und Hausbaugeschäft ein-
zutreten. Es muß hier auf die grundsätzliche Be-
deutung des Bodenpreises und der Hausform für die
städtische Entwicklung hingewiesen werden. Bei dem Viel-
wohnungshaus erfordern Baustelle und Baukosten Beträge,
19
DER STÄDTEBAU
über die die große Masse der kleinen Sparer und der keinen
Kapitalbesitzer nicht verfügt. Bei hohem Bodenpreis ist
ferner von der ersten Hypothek ein so großer Teil als An-
zahlung an den Bodenbesitzer abzuführen, daß der Rest,
wie zur Genüge bekannt, für die Vollendung des eigentlichen
Hausbaues nicht ausreicht. Anders beim Kleinhaus und bei
niedrigem Bodenpreis. Mit dem Betrag der ersten Hypo-
thek kann hier der Bauunternehmer den Bau fertigstellen,
da die für den Boden abzuzweigende Summe nur un-
bedeutend ist. Die erste Hypothek wird von den Spar-
kassen in zureichendem Maße gegeben. Die Aufnahme
einer zweiten Hypothek ist im soliden Baugeschäft aus
vorerwähnten Gründen selten; es handelt sich in solchem
Fall, nach Auskunft eines Gewährsmannes, meist „um ver-
zweifelte Sachen". —
Bezüglich der Bauformen verdient es eine Hervor-
hebung, daß für das Kleinhaus und das Kleinwohnungs-
haus die Bebauung in geschlossener Reihe (Reihenhaus)
in Gladbeck mitunter weniger beliebt scheint als das
freistehende Doppelhaus, das von dem Nachbarhaus
durch einen Bauwich getrennt ist. Allgemeine Schlüsse
lassen sich hieraus nicht ziehen. In dem vorliegenden
Falle wurde mir als Grund angegeben, daß der west-
fälische, häufig im Nebengewerbe noch Landwirtschaft
treibende Arbeiter gern die Möglichkeit haben will, um das
Haus herum in den Hof zu fahren; ferner will man ver-
meiden, daß der Hausflur zum Transportieren von Wirt-
schaftsgegenständen, zum Hindurchtragen von Müll, Ab-
fällen u. dgl., wie überhaupt als allgemeiner Zugang zum
Hof benutzt werden muß.
Um die architektonisch günstige Wirkung der geschlossenen Bau-
front beizubehalten und zugleich einen unmittelbaren Zugang zum Hof
unter Freihaltung des Hausflurs zu erzielen, ist bei neueren Bauten in
Rheinland und Westfalen das Mittel angewandt worden, daß die Neben-
gebäude (Waschküche, Abort, Stall) nicht hinter dem Hause, sondern
zwischen zwei Doppelhäusern angelegt und nach der Straße zu durch
eine Mauer abgeschlossen wurden; vgl. die Bauten in Emscher-Lippe
(Baurat Schmohl, Essen), Gronau und Husten (Hell weg, Münster).
Es entsteht auf diese Weise eine geschlossene Häuserreihe, während
doch die einzelnen Doppelhäuser freistehend gebaut sind.
II.
Für den Bebauungsplan-Wettbewerb hatte die Stadt-
verwaltung von Gladbeck ein Programm aufgestellt, das,
von gewissen örtlich begründeten Forderungen abgesehen,
den Bearbeitern im wesentlichen freie Hand ließ. Land-
schaftlich wertvolle Teile des Stadtgebietes sollten erhalten
und hinreichende Freiflächen sollten vorgesehen werden.
Im übrigen war darauf hingewiesen, daß der Bebauungsplan
die Unterlage für eine auf ihn zu gründende Bauordnung
abgeben solle. Spekulative Einflüsse, die an der Auftreibung
der Bodenwerte Interesse haben, sind in der Gemeinde-
verwaltung nicht vertreten. Die Gemeinde wünscht im
Gegenteil den Individualbesitz und die Ansiedlung einer
leistungskräftigen Bevölkerung durch Festhaltung des
Familienhauses und Femhaltung der Kasernierung zu be-
fördern.
Zu dem Wettbewerb waren siebzehn Entwürfe ein-
gegangen. Das Preisgericht, dem Beigeordneter Schmidt,
Essen, Regierungsbauraeister Hellweg in Münster, die Herren
Körte, Hahne, von Meer und Lienkamp in Gladbeck, sowie
Schreiber dieses angehörten, verteilte drei Preise, von denen
der erste an Herren Linnemann und Helbing in Mülheim
(Ruhr), der zweite an Architekt Recht und Gartenarchitekt
Föth in Köln, ein dritter an Beigeordneten Greiß in München-
Gladbach fiel.
Der Entwurf von Linnemann und Helbing zeichnet sich
aus durch gute Anordnung und Verteilung der Freiflächen,
durch übersichtliche und praktische Führung der Verkehrs-
straßen, sowie durch günstige Aufteilung des Wohngeländes.
Beachtenswert ist der dem Entwurf beigefügte Erläuterungs-
bericht, der wertvolle Erörterungen über Grundsätze der
Bodenpolitik, der Bodenaufschließung und des Straßenbaus
enthält. Die Wohnstraßen sind vollständig getrennt be-
handelt von den Verkehrsstraßen, die wiederum in ver-
schiedene Klassen geteilt werden. Für die Hauptverkehrs-
adern verlangen die Verfasser, daß sie „außerhalb des dicht
bebauten Bezirks" in einer Breite von 35 m angelegt
werden, damit Automobilverkehr und Straßenbahnlinien ge-
sondert von dem allgemeinen Fahrverkehr geführt werden
können. Für die Gliederung dieser Hauptverkehrsstraßen
befürworten die Verfasser, daß neben einer 8 m breiten
Fahrbahn ein erhöhter Streifen von 11,50 m Breite angelegt
wird, der zur Aufnahme von zwei seitlichen Straßenbahn-
gleisen und eines mittleren Automobilweges dienen soll.
Aus dem Entwurf von Recht und Föth ist die Ver-
teilung der Freiflächen lobend hervorzuheben, die in der
Weise vorgenommen ist, daß die bebauten Gebiete allge-
mein von Grünflächen durchzogen werden. Durch die An-
legung von Wasserflächen sind ferner ansprechende Wir-
kungen im Stadtbild erzielt. Zustimmung verdient der von
den Verfassern ausgesprochene Grundsatz, daß die einzelnen
Wohnsiedelungen, die sich innerhalb des großen Stadtge-
bietes entwickelt haben (siehe oben), möglichst geschlossen
gehalten und mit Umgangspromenaden versehen werden
sollten; eine Anschauung, deren Befolgung sich auch für
die größeren Maßstäbe der Außenbezirke unserer Großstädte
empfiehlt. — Der dritte Entwurf von Greiß zeigt eine gute
Anordnung der Freiflächen und eine zweckmäßige, den
praktischen Bedürfnissen entsprechende Einteilung der
Baublöcke.
Auf Wunsch der Gladbecker Mitglieder des Preis-
gerichts haben die drei auswärtigen Preisrichter, Beigeord-
neter Schmidt in Essen, Regierungsbaumeister Hellweg
in Münster und Schreiber dieses für die weitere Bearbeitung
des Bebauungsplanes und für andere kommunale Maß-
nahmen einige Grundsätze aufgestellt, die im Einverständnis
mit den Beteiligten nachstehend zum Abdruck gelangt.
III.
Für die weitere Bearbeitung des Bebauungsplanes wird
empfohlen, insbesondere folgende Gesichtspunkte als grund-
legende Faktoren für die Weiterentwickelung von Gladbeck
zu berücksichtigen:
1. Die Frei- und Grünflächen sollen nicht inselmäßig
angelegt, sondern zusammenhängend organisch in den Be-
bauungsplan eingegliedert werden in der Weise, daß eine
Hereinziehung und Durchdringung dieser Flächen durch
die Stadterweiterung bis in das Stadtinnere erfolgt, ein
Grundsatz, der sich bei der südlichen Stadterweiterung in
Essen bereits bewährt hat. Spiel- und Sportplätze sind in
genügender Zahl und Größe vorzusehen. Erstere in
höchstens 500 m Abstand.
2. Der Straßenplan soll nach folgenden Grundsätzen
angelegt werden:
20
DER STÄDTEBAU
a) Die Beseitigung der durch die Eisenbahnanlagen (bei
Bahnhof Gladbeck-Ost) bewirkten Unterbindung des
städtischen Verkehrs ist eine dringende Aufgabe.
b) Die Hauptverkehrsstraßen sind in dem Plan
zu charakterisieren, und zwar zunächst die radial
verlaufenden, dann die Verkehrsstraßen zweiter
Ordnung von Stadtteil zu Stadtteil in entsprechender
Führung.
Das Querprofil dieser Hauptverkehrsstraßen sollte
bei Neuanlage so bemessen werden, daß die Straßen-
bahnen möglichst unabhängig von dem übrigen Straßen-
verkehr auf eigenem Bahnkörper eingelegt werden
können. Hierdurch werden Straßenbau und Straßen-
unterhaltung wesentlich billiger, und die Verkehrs-
sicherheit und Schnelligkeit werden erhöht. Als
Querprofil sind mindestens 24 m Gesamtbreite er-
forderlich. Durch die charakteristische Führung der
Hauptverkehrsstraßen wird erreicht, daß
c) die reinen Wohnstraßen verkehrsfrei bleiben
und ruhige Lage erhalten und billig ausgebaut werden
können. Für sie soll im gesundheitlichen Interesse
die Ost-West-Richtung möglichst ausgeschlossen
werden. In den reinen Wohnstrassen soll in der
Regel mindestens auf einer Seite die Straßenfluchtlinie
verschieden sein von der Baufluchtlinie ; die eigentliche
Fahrdammbreite ist auf höchstens 5 m zu bemessen,
bei einer je nach Bedeutung der Straße wechselnden
Bürgersteigbreite. Die Vorgartenbreite soll nicht unter
5 m' betragen. Holzeinfriedigungen und Hecken müssen
zulässig sein. Auch verkehrsgesperrte Straßen
sind vorzusehen.
d) Die Straßen sollen in der Regel beiderseits anbaufähig
gemacht werden (Anliegerbeiträge). Ausnahmen nur
an öffentlichen Anlagen und Plätzen.
e) Baumpflanzungen sollen nur in den Straßen mit Vor-
gärten bei einem Abstand von mindestens 8 m von
den Gebäuden vorgenommen werden. Vorzuziehen
sind im praktischen und wirtschaftlichen Interesse
einzelne kleine Platzanlagen mit Baumgruppen.
3. Die Baublöcke sollen, soweit sie Wohnblöcke werden,
eine langgestreckte Form erhalten. Zu erwägen ist, ob die
Erhaltung zusammenhängender Gartenflächen im Block-
innern durch entsprechende Vorschriften der Bauordnung
sicherzustellen wäre.
4. Um die Entwässerungsanlagen möglichst billig zu
machen, sind die Hauptvorfluter als offene Bachläufe mit
Sohlschalen aus Beton auszubilden, entsprechend den bereits
bestehenden mustergültigen Anlagen im Emschergebiet. Sie
werden zweckmäßig in Baublockachsen verlegt, so daß nur
an den Straßenkreuzungen Überwölbung erforderlich wird.
Der Entwässerungsentwurf ist mit dem Bebauungsplan auf-
zustellen und die Bebauung ist so zu leiten, daß die Kanali-
sationsanlagen möglichst ausgenutzt werden.
5. Die Gemeinde Gladbeck wird ihr Budget kaum in
wesentlichem Umfang auf Einnahmen aus werbenden Be-
trieben (Gas- und Elektrizitätswerke, Straßenbahnen,Wasser-
versorgung) aufbauen können. Entscheidend für die Ge-
meinde flnanzen wird vielmehr sein, in welcher Weise bei der
weiteren Entwicklung die steuerliche Leistungsfähig-
keit der Einwohnerschaft sich gestaltet. Die Gemeinde hat
deshalb ein hohes Interesse daran, nicht eine proletarisierte
und leistungsunfahige, sondern eine tragkräftige Bevölkerung
zu erhalten. Als das Hauptmittel zu diesem Zweck ist die An-
siedlungs- und Baupolitik zu bezeichnen. Die wirtschaft-
lich ungünstigen Bauformen (Massenmietshaus, Mietskaserne)
proletarisieren die Bevölkerung, schwächen die Steuerkraft
und bewirken eine stetige Steigerung der öffentlichen Lasten.
Durch die günstigen Bauformen: Einfamilienhaus, Zwei-
familienhaus wird dagegen eine leistungsfähige Bevölkerung
geschaffen. Die Gemeinde sollte deshalb die kleinen Haus-
formen begünstigen durch Niedrighaltung der Bodenpreise
und des Aufwandes für die Bodenerschließung, den Straßen-
bau usw. Sie soll außerdem die Durchführung der für den
Bebauungsplan aufgestellten Forderungen sicherstellen:
a) durch eine Bauordnung, aufgestellt nach gesundheit-
lichen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten,
entsprechend der Eigenart der Gemeinde,
b) durch ein Ortsstatut auf Grund des Gesetzes gegen
die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich
hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907. Bau-
polizeiverordnung und Ortsstatut bedürfen einer be-
sonderen Beratung unter Hinzuziehung eines mit den
Verhältnissen des Bezirkes vertrauten Sachverständigen.
Es wird endlich empfohlen, den aufgestellten Bebauungs-
plan nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sondern
ihn als Unterlage für die jeweils notwendige Stadterweite-
rung, insbesondere die kommunale Bodenpolitik zu be-
nutzen.
MITTEILUNG.
TTVER HAUPTBAHNHOF DER NEUEN UNTERGRUND-
■■-' BAHN IN NEW YORK. Der unlängst vollendete Hauptbahn-
hof der Pennsylvania-Untergrundbahn in New York ist nicht allein das
größte und schönste Gebäude seiner Art, sondern schließt auch die
höchsten Errungenschaften moderner Entwicklung ein. Jede zweckmäßige
Bequemlichkeit, die genialsten Erfindungen der Technik, die neuesten
Vervollkommnungen der Elektrizität, jede nur denkbare Vorsichtsmaßregel
gegen Unglücksfälle werden von ihm in höchster Vollendung geboten.
Das klassischen Formen aus Granit aufgeführte Ernpfangs-
gebäude bedeckt den riesigen Flächenraum von 240 X 236,7 m. Die
außergewöhnlichen Schwierigkeiten der künstlerischen Durchführung
eines solchen monumentalen Bauwerkes, eines Bahnhofes, dessen Gleise
unterhalb der Erdoberfläche liegen, und dem der herkömmliche Bahnsteig
fehlt, wurden glücklich überwunden, so daß die Größe eines gewaltigen
Bahnhofes, sowie der Charakter einer monumentalen Eingangspforte in
die große Weltstadt in gleich großartiger Weise zum Ausdruck kommen.
Der Bau kann im eigentlichen Sinne als eine über die Gleise hin-
wegführende Monumentalbrücke angesehen werden, die in der Mitte und
nach allen vier Seiten Zugänge zu den Straßen hat. Auch mit dieser
durch so reichliche Ein- und Ausgänge für eine außerordentlich schnelle
Abwicklung des Verkehrs sorgenden Anordnung steht der Bahnhof einzig da.
Die Fassade an der 7. Avenue weist reichen dorischen Säulenschmuck
auf, die an der Einfahrtsseite und dem Haupteingang für Fußgänger in
der Mitte in doppelter Reihe zu Säulenhallen geordnet sind. Jede Säule
hat 1,35 m Durchmesser und ist 10,5 m hoch. Über der Mittelhalle er-
hebt sich ein von einer Uhr mit einem Zifferblatt von 2,1 m Durch-
messer gekröntes Gesims. Der Haupteingang führt durch eine 13,5 m
breite und 67,5 m lange Vorhalle in die Hauptwartehalle, die mit ihrer
21
DER STÄDTEBAU
Breite von 31m, der Länge von 83 m und einer lichten Höhe von 45 m
die größte der 'Welt genannt werden kann, und deren riesige Ab-
messungen man sich vorstellen kann, wenn man sich vergegenwärtigt,
daß das Mittelstück des New Yorker Rathauses mit Turm und darauf
befindlichem Flaggenmast in dieser Halle bequem Platz hat, ja noch 2,1 m
Raum bis zur Decke frei läßt. An diese Halle schließen sich zwei kleinere
Warteräume von je 17,4 X 30 m an, sowie weiter die Erfrischungsräume,
die Dienst- und Aborträume. In gleicher Ebene liegt der Hauptgepäck-
raum von 135 m Länge. Das Gepäck wird mittels elektrisch betriebener
Gepäckwagen und Gepäckaufzüge befördert. Aus der Hauptwartehalle ge-
langt der Reisende in eine mächtige Bahnsteighalle, die sich über die
ganze Breite des Bahnhofes parallel zur Wartehalle hinzieht. Von hier
aus führen Treppen nach den in der Tiefe belegenen 21 Bahnsteigen mit
ebensovielen Gleisen, die sich 12 m unterhalb des Straßenpflasters befinden.
Die 102 m lange Bahnsteighalle überdeckt ein hohes Dach aus Stahl-
konstruktion und Glas. Zwischen dieser Halle und den Bahnsteigen liegt
eine zweite Bahnsteighalle von 18 m Breite, die nur von mit den Unter-
grundbahnzügen ankommenden Reisenden benutzt wird, während die
erstere den abfahrenden dient.
Fr. Bock, Berlin-Charlottenburg.
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
Wir bitten um gefällige Zusendung aller einschlägigen neuen
Bücher und Schriften, die wir unter dieser Übersicht regelmäßig an-
zeigen werden; wir übernehmen aber keine Verpflichtung zur Be-
sprechung und Rücksendung.
DENKSCHRIFT ÜBER DEN WETTBEWERB ZUR
VERWERTUNG DES AUFGELASSENEN FESTUNGS-
GELÄNDES VON ANTWERPEN. Besprochen von Theodor
Goecke, Berlin.
In flämischer und französischer Sprache, den beiden Landessprachen,
ist von dem Ausschusse, den der König zum Studium der Frage berufen
hatte, wie das aufgelassene Festungsgelände am besten für die Stadt mit
ihren Vorstädten zu verwerten sein würde, eine Denkschrift über einen
im vergangenen Jahre ausgefochtenen internationalen Wettbewerb ver-
öffentlicht worden, von dessen Ergebnis wir in No. 12 des Jahrganges
1910 und in No. 5 des Jahrganges 1911 der Zeitschrift bereits kurze Mit-
teilung gemacht haben. Die Denkschrift enthält außer den preisgekrönten
und angekauften Entwürfen nebst Erläuterungen die wichtigsten Vorgänge,
die "zum Wettbewerb geführt haben, das Programm für den Wettbewerb
und die allerdings sehr knapp gehaltene Verhandlung des Preis-
gerichts.
Bekanntlich hatte der aus der französischen Akademie zu Rom
hervorgegangene Architekt Henri Prost in Paris den I., Marcel Auburtin,
Staatsarchitekt in Paris, den II. Preis errungen, während der III. Preis
zur Hälfte unserem ständigen Mitarbeiter Dr.-Ing. Emerich Forbith in
Verbindung mit den Architekten Eugen Lechner und Ladislaus Warga
in Budapest und zur anderen Hälfte dem Architekten Alexis van Mechelen
in Antwerpen zugefallen war. Angekauft wurde endlich der Entwurf des
Architekten P. A. Hansen in München.
Im ganzen waren 27 Entwürfe eingelaufen, man weiß nicht, wie
viele davon aus dem Deutschen Reiche. Gut die Hälfte, nämlich 14, sind
in die engere Wahl gekommen und davon wieder 6 in die engste. Der
Erfolg der Franzosen ist um so auffälliger, als diesen der Stillstand im
Volkswachstum wenig Gelegenheit zu großen Aufgaben auf dem Gebiete
des Städtebaues im eigenen Lande bietet. Die Vorzüge der Entwürfe von
Henri Prost sowohl, als auch von Marcel Auburtin sind denn auch mehr
akademischer Natur, während aus den anderen Entwürfen mehr praktische
Kunstübung zu sprechen scheint, die auch wohl zu einer größeren Zurück-
haltung in der monumentalen Ausgestaltung geführt hat, mit der sich
die beiden Erstgenannten kaum haben genugtun können.
Allerdings ist es schwer, sich auf Grund der von der Denkschrift
gegebenen Unterlagen eine einigermaßen sichere Meinung zu bilden, weil
das Preisgericht auf eine schriftliche Würdigung der einzelnen Entwürfe
verzichtet oder v/enigstens in der mitgeteilten Verhandlung keine Be-
gründung für sein Urteil angeführt hat, was um so empfindlicher ins
Gewicht fällt, als die schwarz-weiß wiedergegebenen, auf etwa i : 30 — 35 000
verkleinerten Übersichtspläne nicht mehr deutlich genug sind, um zuver-
lässige Vergleiche zu ermöglichen.
Im ganzen geht aber doch so viel aus der im übrigen vornehm
ausgestatteten Denkschrift hervor, daß das Programm dem Wettbewerbe
ziemlich enge Grenzen gesteckt hatte — ein boulevard circulaire, eine
Ringstraße, war vorgeschrieben. Es kam zunächst also auf eine glück-
liche Linienführung an, und die schöne Linie scheint ja auch bei der
Beurteilung eine große Rolle gespielt zu haben. Es wäre wohl zu wünschen
gewesen, das Programm hätte daneben auf den Denkmalwert der Festungs-
wälle und -graben hingewiesen — diese gehören mit zur Entwicklungs-
geschichte der Stadt und des Stadtbildes und sollten deshalb nicht spurlos
wieder verschwinden, sondern zur Lösung der Aufgabe, soweit ohne Zwang
angängig, mitbenutzt werden, sei es unmittelbar durch Anpassung an
neue Zwecke, sei es mittelbar dadurch, daß die alte Form auch im neuen
Gebilde wieder durchklingt. Von diesem Standpunkte aus berührt der
Parkring mit Randbebauung des an erster Stelle preisgekrönten Ent-
wurfes in der Tat sympathisch, obwohl der Verfasser im übrigen reich-
lich viel Sternplätze, zum Teil übler Art, weil von zu geringer Aus-
dehnung und mit zu vielen keilförmigen Blockecken, auch sogenannte
Verlegenheitsdreiecke über das Bebauungsgebiet gestreut hat. Schön
sind dagegen die Plätze auf den früheren Festungsvorsprüngen, ins-
besondere auch der ovale Bahnhofsplatz, gedacht.
Etwas weniger schematisch, trotz dem spinnwebartigen Straßennetze,
ist der mit dem II. Preise bedachte Entwurf, der den I. aber in der An-
ordnung kleiner und kleinster Sternplätze womöglich noch übertrumpft.
Dazu kommt eine Vorliebe für Ringe jeder Größe in der Führung von
Villenstraßen und Parkwegen. Sehr monumental sind die Esplanade
Berchem und die Place des Arts, überschwenglich fast das Belvedere an
der Scheide geplant, das den Verfasser zur Beigabe eines ein Nachtfest
mit Feuerwerk darstellenden Schaubildes angefeuert hat.
Gegen derartige Übertreibungen nehmen sich die übrigen Entwürfe
freilich bescheiden, fast nüchtern aus. Es beruht wohl nur auf einem
Versehen, daß der Entwurf von Dr.-Ing. Forbäth, Lechner und Warga in
Budapest erst an vierter Stelle abgedruckt ist, während er in der Reihen-
folge der Preisgerichtsverhandlung unter A des III. Preises aufgeführt
wird. Unter B ist der Entwurf von Alexis van Mecheln in Antwerpen
genannt, der einzige übrigens, dem auch Querprofile der geplanten Straßen
beigegeben sind; mit langen Linienschwüngen strebt der Verfasser ein
sog. schönes Straßennetz an, das ja auch den meisten deutschen Stadt-
bauämtern bislang als Ideal vorgeschwebt hat und namentlich in Lüttich
am stärksten ausgeprägt erscheint.
Von dem Forbäthschen Entwürfe fehlt ein Übersichtsplan, die Einzel-
pläne lassen eine sorgfältige Durchbildung der Verkehrsstraßen zum Unter-
schiede von den zu ruhigen Wohnvierteln zusammengeschlossenen Wohn-
straßen erkennen, ohne dem großen, an Budapest selbst erinnernden Zuge
in der Gesamtanlage Eintrag zu tun. Im ganzen eine treffliche Arbeit.
Der angekaufte Entwurf von P. A. Hansen in München hat wieder
größere Rücksicht auf die dem Untergange geweihten Festungswerke ge-
nommen und zeichnet sich durch die liebevolle Art aus, mit der der Ver-
fasser intimere, reizvolle Wirkungen zu erzielen versteht. Wenn etwas
von diesem deutschen Geiste in die weitere Planung hinüberfließen sollte,
so würde dies der Sache nur zum Vorteil gereichen.
DIE SCHÖNE DEUTSCHE STADT; MITTELDEUTSCH-
LAND. Von Gustav Wolf. R. Piper & Co. Verlag, München.
Besprochen von F. Rud. Vogel, Architekt in Hannover.
22
DER STÄDTEBAU
„Die schöne deutsche Stadt" soll in drei Bändchen mit je
i6o Abbildungen jedem Deutschen die Schönheit seiner Heimat vor
Augen führen. Dem eben erschienenen „Mitteldeutschland" von
Gustav Wolf wird im Frühjahr d. Js. „Süddeutschland" von Julius
Baum folgen.
Das Heft, das neben herrlichen Bildern mit vorzüglichem Text aus-
gestattet ist, wird jedem Laien eine dauernde Quelle des Genusses sein.
Für den Architekten und Städtebauer geht das Interesse an ihnen aber
wesentlich weiter. Es macht ihn mit unseren schönen Städten und be-
sonders mit ihren malerischen Teilen bekannt. Dadurch wird es zum
Ratgeber, wohin der Architekt in seiner Ferienzeit seine Schritte lenken
soll, wenn er reizvolle Bauten und Städtebilder antreffen will.
Aber das Büchlein erzählt auch, worin die Schönheiten bestehen,
wie sie genossen sein wollen; was den Reiz des Städte- und Straßen-
bildes ausmacht. Es wird so zum Lehrmeister, wie man Städte sehen
soll und — was für den Städtebauer am wichtigsten — mit welchen
Mitteln schöne Städtebilder geschaffen werden können.
Die Anordnung der Bilder und des Textes verfolgt ein System. In
Einzelabschnitten werden uns die Anlage und Entstehung der Städte,
die Innen- und Altstadt, der Marktplatz, der Kirchplatz, das Straßenbild,
die Laubengänge, Uferstraßen und Terrassen, Brücken, Rathäuser, Kirchen,
Brunnen und Stadttore in ihren Einzelwerten und Wechselwirkung, die
Umgebung der Stadt, vor den Toren und der Ausblick auf die Stadt,
deren charakteristisches Bild, der Aufbau der Silhouette vorgeführt.
Das Büchlein entpuppt sich als ein sehr willkommenes Städtebau-
buch, das durch Schaubilder die Wirkungen all dieser Einzelteile, der
Plätze und Straßen, deren Versetzung, ihrer Verengung oder Erweiterung
und endlich die Perspektivenwirkung auf gute Ausblicke veranschaulichen
will. Deshalb sind Stadtteilpläne eingestreut, die durch Angabe des Stand-
punktes für die malerische oder städtebauliche Wirkung äußerst lehrreich
werden.
Die Bilder zeugen durchweg von einem feinen Verständnis für Bild-
wirkung: Verteilung der Massen und von Licht und Schatten, der
Steigerung auf den Hauptschaupunkt oder Gegenüberstellung von Kon-
trasten, die das schöne Bild bedingen. Es ist die anschauliche Über-
tragung des wirkungsvollen Aufbaus vom Bauwerk auf das Straßen- und
Städtebild.
Bei der Vielseitigkeit des gebotenen Stoffes und dem geringen Preise
von nur 1,80 Mk. für das Heft wird selbst der wenig bemittelte Architekt
es erstehen, ist es doch an sich ein reizendes Bilderbuch und zudem ein
guter, brauchbarer Reisebegleiter.
Nummer 21 der Mitteilungen der ZENTRALSTELLE FÜR
WOHNUNGSREFORM IN ÖSTERREICH bringt einen
Aufsatz des Regierungsrates Dr. Franz Cuhel über die ,, Vorschläge be-
treffend die Besteuerung der Häuser gemeinnütziger Wohnungsbau-
genossenschaften" und desgleichen einen des Dr. Ewald Pribram über
„Die Steigerung der Grundpreise in Wien während der letzten zehn Jahre".
Aus dem sonstigen reichhaltigen Inhalte dieses Heftes heben wir noch
hervor den Aufsatz über „Englands Gartenstädte", den Tätigkeitsbericht
der Zentralstelle für Wohnungsreform sowie den Bericht über den Dritten
Internationalen Wohnungshygiene-Kongreß in Dresden.
NEUE EINGÄNGE.
TOWN FLANNING CONFERENCE. London, 10.-15. Oc-
tober 1910. Transactions. Published by The Royal Institute of
British Architects. 9 Conduit Street, Regent Street, London 'W. 191 1.
»TpHE MAKING OF A PARK SYSTEM IN LA CROSSE.
Report by John Nolen, Landscape Architect Cambridge, Mass. 1911.
— The Inland Printing Compagni La Crosse, Wisconsin.
GENERAL FEATURES OF A PARK SYSTEM FOR
CHATTANOOGA, TENNESEE. Report to the Board of
Park Commissioners. By John Nolen, Landskape Architect Cambridge,
Mass. — Boston, Gev. H. EUis Co., Printers. 191 1.
CHRONIK
OTÄDTEAUSSTELLUNG DÜSSELDORF 1912. Die Stadt
"*^ Düsseldorf steht in städtebaulicher Beziehung vor einem ganz ent-
scheidenden Wendepunkt. Es soll ein neuer Bebauungsplan geschaffen
werden, der tiefer greifende Umgestaltungen des Städtebildes im Gefolge
haben wird. Zu dem Zwecke ist ein Wettbewerb ausgeschrieben, der
durch die hohen Preise deutlich zeigen will, daß man auf die Mitarbeit
der besten und tüchtigsten Männer rechnet. Die Beteiligung an diesem
Wettbewerb ist denn auch heute schon eine derartig große, daß man
wohl auf seinen Ausgang gespannt sein darf. Es ist kein Zweifel,
daß die eingereichten Entwürfe nicht nur allein in Düsseldorf, sondern
überall in Fachkreisen lebhafte Anziehungskraft äußern dürften. Die
Pläne sollen im Juli 1912 öffentlich ausgestellt werden; um dieses Ereignis
in der Geschichte Düsseldorfs gebührend zu würdigen, hat man beschlossen,
eine Städteausstellung damit zu verknüpfen.
Die Städteausstellung selbst nun soll in gewisser Weise eine Er-
weiterung der des Jahres ig 10 sein. Sie nennt sich deshalb auch nicht
„Städtebau"-Ausstellung, sondern kurz Städteausstellung. — Neben den
rein städtebaulichen Dingen werden insbesondere die Einrichtungen für
die Gesundheit und für die Krankenfürsorge berücksichtigt werden. Was
nun die erstere Gruppe anbetrifft, so hat man wieder unterschieden
zwischen dem Städtebau an sich und den städtischen Hochbauten.
Wenden wir nun unseren Blick der Gruppe Städtebau an sich zu, so
kann man heute schon sagen, daß diese Abteilung in überaus würdiger
Weise die Fülle des Stoffes verarbeiten wird.
In erster Linie kommen ihr die Vorarbeiten der Vereine für Heimat-
schutz in Rheinland und Westfalen zugute. In beiden Provinzen sind
erhebliche Mittel bereitgestellt, um eine photographische Aufnahme der
wertvollsten Städtebilder zu erreichen. Wer da weiß, welch wunderbarer
23
DER STÄDTEBAU
Stoff in dieser Hinsicht sogar in den kleineren Städten im Rheinlande
und Westfalen vorhanden ist,* der wird sich jetzt schon freuen, die ver-
schiedensten Motive in ziemlicher Vollständigkeit auf der Ausstellung zu
finden. Es ist ein überaus dankenswertes Unternehmen der Vereine für
Heimatschutz und wird diesen sicherlich neue Freunde und Gönner er-
werben. Im engsten Anschluß daran soll in einer besonderen Abteilung
auf eigenartige alte Bebauungspläne aufmerksam gemacht werden. Es
ist zu hoffen, daß das sicher noch vorhandene, aber weit zerstreut liegende
Material bis dahin gesammelt wird, und daß in einer richtigen Aufeinander-
folge eine einigermaßen klare Entwicklungsgeschichte der Bebauungspläne
gezeigt werden kann. Daran würden sich erst die Bebauungspläne der
heutigen Zeit reihen, in der auch die neuen Düsseldorfer Wettbewerbs-
entwürfe eine Rolle spielen dürften. — In einer besonderen Abteilung
sollen dann die Brücken und Häfen berücksichtigt werden. In erster
Linie ist daran gedacht worden, das in dem engeren Ausstellungsgebiete
zu sammelnde Material so zu ordnen, daß auch hier der geschichtliche Zu-
sammenhang und das Werden einzelner Konstruktionsformen erkannt
werden kann. Bei den Brücken selbst will man nicht allein die Brücke
als solche, sondern auch die Zufahrtstraßen in Betracht ziehen, da nur
beides zusammen einen Einblick in die Gestaltung des Ganzen gibt und
ein Urteil über die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der technischen Formen
ermöglicht. Besondere Beachtung soll aber den Rheinbrücken geschenkt
werden, wobei nicht allein an die nun ausgeführten Pläne und Modelle
gedacht wird, sondern man möchte auch die nicht ausgeführten Entwürfe,
soweit es möglich ist, heranziehen. Sicherlich wird gerade dadurch dem
Werden der Ideen und Gedankengänge mehr Bedeutung beigelegt, als
wenn man nur die fertigen Modelle beachtet hätte. Für das vergleichende
Studium wird ein derartiges Ausstellungsmaterial voi> ungeheurem Werte
sein, und es ist nur zu hoffen, daß es gelingen möge, das Vorhaben aus-
zuführen.
Fernerhin aber hat ein hervorragender Fachverein beschlossen, einen
Gedanken zur Darstellung zn bringen, der für jeden Praktiker von höchster
Bedeutung ist. Es soll versucht werden, zu den einzelnen baupolizeilichen
Vorschriften Beispiele und Gegenbeispiele zu schaffen, so daß in anschau-
licher Weise die springenden Punkte hervortreten. Wenn auch schon
versucht worden ist, dieser Idee 'Wirklichkeit zu verleihen, so ist bei der
Schwierigkeit des Unternehmens bisher kaum ein voller Erfolg erzielt
worden. Die große Sachkenntnis der Aussteller läßt aber vermuten, daß
nur etwas ganz Hervorragendes entsteht, so daß das Material vielleicht
berufen sein dürfte, weitgehende Beachtung zu finden.
\Verden auf städtebaulichem Gebiet die oben ganz kurz skizzierten
Materien auch nur in eine einigermaßen vollendeten Form dargestellt, so
bietet die Ausstellung für den Fachmann in dieser einen Gruppe schon
so viel des Neuen und Belehrenden, daß das Interesse der weitesten
Kreise wachgerufen werden muß. Es ist nur zu wünschen, daß das an-
gestrebte hohe Ziel erreicht wird, dann würde die Städteausstellung
Düsseldorf igi2 nicht allein ein Markstein für die Stadt selbst, sondern
weit darüber hinaus sein.
"pvlE ERSTE ÖSTERREICHISCHE WOHNUNGS-
■*"' KONFERENZ hat es mit Genugtuung begrüßt, daß die
Regierung von den Gegenständen, die für die Reform der Gebäudesteuer
in Betracht kommen, zunächst die Steuerbegünstigung für Neu-, Zu- und
Umbauten im allgemeinen und für Kleinwohnungsbauten insbesondere
herausgehoben und zum Gegenstande einer besonderen Gesetzesvorlage
gemacht hat. Die Wohnungskonferenz erwartet, daß der Reichsrat diese
Vorlage ohne Verzug erledige und dabei auch auf eine weitergehende
Steuerbegünstigung für Kleinwohnungsbauten bedacht sein werde. — Auch
die im Teuerungsausschusse einstimmig angenommene Vorlage über die
Steuer- und Gebührenbegünstigungen für gemeinnützige Bauvereinigungen
wird als wichtiger Schritt zur Erleichterung der fiskalischen Lasten be-
grüßt, welche die Entwicklung der gemeinnützigen Bautätigkeit erschweren.
Ferner hat die Konferenz es mit Genugtuung begrüßt, daß die
Regierung beabsichtigt, dem Wohnungsfürsorgefonds für die Jahre igii
und 1912 einen außerordentlichen Beitrag von 2 Millionen Kronen zu-
zuweisen; sie gibt der sicheren Erwartung Ausdruck, daß die Regierung
auch in Hinkunft den Wohnungsfürsorgefonds durch die Zuweisung von
außerordentlichen Beiträgen in einer dem Bedarfe angemessenen Höhe
stärken werde. — Die von der Regierung in Aussicht gestellte Widmung
eines Betrages von 2 Millionen Kronen verteilt auf die Jahre igi2 bis
ausschließlich 1915 zum Zwecke der Gewährung kündbarer verzinslicher
Vorschüsse an gemeinnützige Bauvereinigungen ist geeignet, jenen großen
Schwierigkeiten wenigstens teilweise abzuhelfen, mit denen heute die
Baugenossenschaften bei der Aufbringung der von dem Wohnungs-
fürsorgegesetze als Voraussetzung für die Kredithilfe geforderten eigenen
Mittel zu kämpfen haben.
Zur Erlangung von ENTWÜRFEN FÜR DIE KÜNST-
LERISCHE GESTALTUNG DER NEUBAUTEN AM
ALTEN ST. PETER-PLATZ ZU STRASSBURG I. E., von
der der große Straßendurchbruch seinen Anfang nehmen wird, war ein
Wettbewerb unter den Straßburger Architekten ausgeschrieben, zu dem
auch neun auswärtige Architekten eine Einladung erhalten hatten. Es
wurden zuerkannt:
ein I. Preis mit 2500 Mk. dem Entwurf No. 22 mit dem Kennwort:
„Petrus", Verfasser Arch. Schimpf in Straßburg;
ein I. Preis mit 2500 Mk. dem Entwurf Nr. 30 mit dem Kennwort: „Petri
Heil", Verfasser Arch. Ed. Bieber in München;
ein II. Preis mit 2000 Mk. dem Entwurf No. 8 mit dem Kennwort:
„Rhein", Verfasser Th. Veil in München;
ein II. Preis mit 2000 Mk. dem Entwurf No. 16 mit dem Kennwort:
„Heimische Bauweise", Verfasser Arch. Emil Werler, Mitarbeiter
Arch. Emil Wolf;
ein III, Preis mit 1000 Mk. dem Entwurf No. i mit dem Kennwort:
„Tristan", Verfasser Arch. O. O. Kurz in München.
Angekauft wurden ferner zwölf Entwürfe, die zu Verfassern haben:
Prof. Dr. Billing in Karlsruhe; Arch. Buchen in München; Arch. Detert
& Ballenstedt in Mannheim; Arch. Müller und Moßler in Straßburg;
Arch. Oberthür in Straßburg; Arch. S. Becker in Straßburg; Arch.
Olbricht in Straßburg; Arch. G. Martin und K. Wolf in Straßburg; Arch.
Backes & Zache in Straßburg; Arch. K, Bonatz in Straßburg; E. Werler
in Straßburg, Mitarbeiter Emil Wolf; Arch. Rud. Schmid in Straßburg.
WETTBEWERB UM ENTWÜRFE ZUR BEBAUUNG
STÄDTISCHEN GELÄNDES IN RIXDORF BEI
BERLIN. Von 39 eingegangenen Entwürfen wurden vom Preisgericht
im ersten Rundgange 16, im zweiten Rundgange weitere 6 ausgeschieden,
so daß 17 für die weitere Beurteilung verblieben, von denen nunmehr
No. 4 ,,Rixdorfer Fuggerei", No. 5 ,, Wirtschaftsästhetik", No. 6 ,,So",
No. 9 „Wohnwinkel", No. 13 „Der deutsche Giebel", No. 16 „Gemeinsinn",
No. 21 „Ohne Romantik", No. 27 ,, Richardsdorf", No. 30 „Innenpark", und
No. 39 ,,Gut bürgerlich II" in die engere Wahl kamen, während No, 14
mit dem Zeichen eines schwarzen Kreises in rotem Kreuz und No. 34
,, Wohnliche Winke", für etwaigen Ankauf zurückgestellt wurden. Im
letzten Rundgange schieden demnach weitere 5 Entwürfe aus, so daß
No. 5, 16, 21, 27 und 39 in die engste Wahl kamen. Von diesen er-
hielten No. 27 den ersten, No. 5 den zweiten und No. 21 und 39 je eine
Hälfte des dritten Preises, nachdem das Preisgericht einmütig die Preise,
abweichend vom Programm, auf 5000, 4000 und je 2000 Mk. festgesetzt hatte.
Zum Ankauf wurden No. 6, 14 16 und 34 empfohlen.
Die Unterlagen aller zur Ausschreibung gelangenden ^Vettbewe^be
können in den Geschäftsräumen des Verlags Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin W., Markgrafenstraße 35, wochentäglich in den Stunden von
10 — 4 Uhr unentgeltlich eingesehen werden.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Beriin. — Vertag von Ernst Wasmuth A.-G., Beriin W., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Beriin 'W. 66. — Gedruckt bei Herrose & Ziemsen, G. m. b. H., 'Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Beriin W^.
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9. Jahrgang
1912
3. Heft
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STÄDTEBAU.
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** NEBST EINER SONDLRBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT **
J
INHALTSVERZEICHNIS: Neuere Gartenkunst. Von Architekt Dr.-Ing. Hugo Koch, Hamburg. — Die Ordensstadt Marienburg, ein Städtebild im Osten.
Von Konrad Metzel, Dirschau. — Warum gibt es noch keine Gartenstadt bei Berlin? Von B. Wehl, Hermsdorf bei Berlin. — Mitteilung. —
Neue Bücher und Schriften. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
NEUERE GARTENKUNST.*)
Von Architekt Dr.-Ing. HUGO KOCH in Hamburg.
Die Erfolge und Ziele des modernen Städtebaus sind
am besten auf den städtebaulichen Ausstellungen der letzten
Zeit zu studieren gewesen. Am deutlichsten und wohl zum
erstenmal wurde auf der Städtebauausstellung in Berlin das
moderne Schaffen auf dem Gebiete „Gartenkunst im Städte-
bau" in kräftiger Weise zum Vortrag gebracht,
Sittes Lehren, die er 1901 im „Großstadtgrün" gab, sind
befruchtend gewesen. Einzelbaum und Baumgruppen künst-
lerisch im Stadtplan zu verwerten, Vorgärten einseitig auf
der Sonnenseite der Straße anzulegen, Alleen nur da zu
schaffen, wo sie als Promenade dienen und gute Architek-
turen nicht verdecken, all diese Momente waren in vielen
Planungen zu studieren, vor allem in Sittes Bebauungsplänen
selbst, ferner in Stadterweiterungsplänen von Essen (Heft 7 8,
Tfl. 45'»*), Darmstadt (Heft 7 8, Tfl. 48"), Köln (Heft 7,8,
Tfl. 50') und Eschwege (Heft 7 8, Tfl. 48''), in Goeckes Ent-
wurf für die Bebauung von Johannistal und in Pützers
(Heft 7 8, Tfl. 48"^) und Henricis Bebauungsplänen.
Den besten Überblick für neuzeitliche Probleme des
Straßengrüns gaben jedoch die Planungen der Gartenstädte.
Vor allem war die englische Gartenstadtbewegung durch
•) Dazu vergl. ,,Die Städtebauausstellung Berlin 1910" in Heft 7/8
des Jahrganges 1910.
**) Die Angaben beziehen sich auf die in dieser Zeitschrift erschienenen
Abbildungen des Jahrganges igio, soweit kein anderer Jahrgang ge-
nannt ist.
zahlreiche Pläne und Photographien trefflich vertreten. Hier
ist gezeigt worden, welch charakteristische Wirkung ein
Straßenbild erhalten kann durch einen geschickt verwerteten
Einzelbaum, wie die Verwendung der vorhandenen Land-
schaft, Erhaltung prächtiger Einzelbäume und Baumgruppen
ohne große Mittel zu schönen Wirkungen führt, wie damit
malerische Bilder geschaffen werden können, sofern es nur
der Architekt versteht, seine Bauten dem Grün rhythmisch
einzufügen. Die reizvollen Versuche in der, Straßen-
führung, das Bilden vonVorhöfen, dieVerteilung von Gruppen-
und Einzelhausbau sind dem gartenkünstlerischen Schaffen
zu großem Vorteil geworden. Vorgärten in größerer Tiefe
oder von einheitlichem Aufbau, Vorhöfe mit frischem Grün
und gärtnerische Innenplätze haben sich schaffen lassen,
deren Wirkung Pläne freilich nicht wiedergeben können,
die man selbst sehen muß in ihrem farbenprächtigen, dabei
volkstümlich einfachen Blumenschmuck, mit ihren fein ab-
gestimmten Holzstaketeinfassungen oder beschnittenen grünen
Heckenwänden.
Schwieriger werden die Verhältnisse für gärtnerischen
Schmuck im Inneren dichtbebauter Städte. Auch dafür
zeigte die Ausstellung neue Ziele. Die Flächen, die man er-
spart durch Fortfall der vielen breiten Alleestraßen, durch
Verzicht auf die oft nur kümmerlich vegetierenden Vor-
gärten, versucht man gartenkünstlerisch zu verwerten,
indem man sie zusammenfaßt zu einer einzigen Fläche
25
DER STÄDTEBAU
im Inneren der Häuserreihen, die als großer Grünplatz,
wohl auch gelegentlich als Park, abgeschlossen vom Staub
der Straßen, vom Lärm des hastenden Verkehrs, eine Stätte
bietet zur Erholung. An den Gartenfronten der Häuser grenzt
ein Privatgarten an den anderen, an ihrer Innenseite besitzen
die Gärten kleine Pforten, die sich nach dem im Mittel
freigelassenen großen Wiesenplan öffnen. Dieser dient teils
als Spielplatz, oder auch eine schmale Straße — Gartenstraße
im echten Sinne des Wortes — ohne geschäftlichen Verkehr,
durchschneidet das Gelände und erschließt es zur bequemen
Benutzung. Torbögen an den öffentlichen Straßen dienen
als Zugang und ergeben zugleich ein malerisches Motiv.
Auch für diese Bestrebungen hat Sitte den Anstoß ge-
geben, sow^ohl durch das geschriebene Wort, als auch durch
seine Stadtplanentwürfe für Marienthal, Teplitz und Olmütz, die
auf der Ausstellung zu sehen waren. Von weiteren Entwürfen,
die diese Grundgedanken zur Darstellung brachten, greife
ich heraus die Bebauungspläne von Zürich, Neukölln, Leipzig-
Probstheida und den Baublöcken am Valleyplatz in München
(Heft 7 8, Tfl. 53"'). In bezeichnender Weise waren diese
Ziele in den W^ettbewerbsplanungen von Groß-Berlin zu
erkennen. Die innere Baufluchtlinie, die Höhenbauordnung
und andere Bebauungsplangesetze stehen damit im Zusammen-
hang und lehren, daß auch das Gartenschaffen im Städtebau
großen Anteil am zweckmäßigen Planen hat.
Über den weiteren Ausbau gaben die Pläne der Aus-
stellung keinen Aufschluß, hierbei dürfte zukünftig noch viel
zu lösen sein. Mehr erzählte sie über den gärtnerischen
Schmuck vorhandener Stadtplätze.
Beachtenswert war hier Köln vertreten mit den Studien
von Encke. Sie reden eine deutliche Sprache. Sie lehren
uns, daß auch der Gartenkünstler erkannt, daß die bisher
geltende Manier, kleine Landschaften oder doch landschaftlich
komponierte Einzelszenen auf architektonisch begrenzten,
verhältnismäßig kleinen Plätzen zu schaffen, ästhetisch nicht
bestehen kann, daß diese Plätze zugleich für ein Bewohnen
nicht geeignet sind. Bei dem Lortzingplatz in Köln (Heft 7 8,
Abb. 7 und 8) und den Anlagen am Deutschen Ring, also
bei verhältnismäßig kleinen, von Straßen umschlossenen
Plätzen, strebt Encke dahin, durch grüne Heckenwände und
Baumalleen zunächst eine Begrenzung zu schaffen und damit
trotz der wenig günstigen Lage im Stadtplan eine Anlage
zu erreichen, die den Besucher zu längerem behaglichen
Verweilen einladet. Die Grundform ist die denkbar ein-
fachste. Die gerade Linie ist hier herrschend. Mit viel
Geschick sind kleine Höhenunterschiede benutzt zur Anlage
von Freitreppen mit anschließenden grünen Rasenböschungen.
Ein Milchhäuschen, ein Brunnen oder eine Bedürfnisanstalt
sind in das Bild trefflich eingefügt. Gerade beschnittene
Heckenwände, in rhythmischer Anordnung zu Nischen er-
weitert, von denen sich weiße Gartenbänke trefflich ab-
heben, begleiten die W^ege, und schließlich gibt ein üppiger
Blumenflor auf großangelegtem Beet ein reizvolles
Farbenspiel.
Mehr den Charakter eines Spielplatzes betonte der Düssel-
dorfer Gartenkünstler von Engelhardt in seinem Modell zum
Hansaplatz. Das Prinzip strenger Sachlichkeit ist klar aus-
gesprochen. Statt der üblichen landschaftlichen Bilder ist
in der Mitte des Platzes, etwa 2 m vertieft, eine freie wind-
geschützte Spielfläche geschaffen worden, die eine Mauer
umfaßt. Die angrenzenden, von Baumreihen beschatteten
grünen Räume gewähren den Anwohnern Unterkunft und
gestatten die Beaufsichtigung der fröhlich sich tummelnden
Jugend.
Die Bedeutung des Spielplatzes ist heute allgemein
erkannt, das spiegelte die Ausstellung trefflich wieder. Be-
achtenswert erschien mir der Versuch der Firma Ochs,
Hamburg, eine weite, 10770 qm fassende grüne Spielwiese
mit grünen Laubengängen architektonisch zu fassen.
Am deutlichsten aber zeigte Amerika auf der Aus-
stellung, welch großen Wert es auf die sportliche Betätigung
seiner Jugend legt. Von hoher Anziehungskraft waren die
Pläne und Photographien der Spielplätze Chicagos (Heft 7 8,
Abb. 9 bis 21). Sie sind von der Süd-Park-Kommission ge-
schaffen worden, welche in den letzten Jahren etwa 72 Mil-
lionen Mark für die Schaffung eines zusammenhängenden
Systems von 22 Volksparks verausgabt hat. Dabei muß
man beachten, daß in Chicago mit etwa 2 Millionen Ein-
wohnern noch außerdem die auf der Ausstellung nicht ver-
tretenen West- und Nord-Park-Kommissionen im selben
Sinne tätig sind.
Das wertvollste dieser Plätze liegt in ihrer Verwend-
barkeit. Sie sind in eine Anzahl Teile gegliedert, die ver-
schiedensten sportlichen Zweigen gewidmet sind. Hier findet
man freie Sandplätze, getrennt für Männer und Frauen, die
mit den verschiedensten Turngeräten besetzt sind, weiter
einen Platz für kleine Kinder, meistens in Verbindung mit
einem Wasserplanschbecken und einem Sandspielplatz, ein
großes Ballfeld, eine Rennbahn und oft einen Musikplatz,
besetzt mit Schatten spendenden Bäumen. Auch ein Schwimm-
becken, zweimal in der Woche Frauen zur Benutzung frei-
gegeben, fehlt in den größeren Anlagen nicht. Für die Aus-
kleideräume sind zum Teil besondere Bauten errichtet, oder
sie finden auch Unterkunft in dem sog. „Field house", was
bei keiner Anlage fehlt. Es enthält zwei Turnhallen — ge-
trennt für Männer und Frauen — die zur Winterszeit benutzt
werden, ferner einen Eßraum, Bibliothek, Warteraum, und
sofern nicht dafür eigene Baulichkeiten vorhanden sind,
Brausebäder, Auskleideräume und Klosetanlagen.
Der gärtnerische Schmuck dieser kleinen, im Inneren
der Stadt liegenden, etwa 10 acres fassenden Plätze, be-
schränkt sich darauf, die einzelnen, den verschiedenen sport-
lichen Zwecken dienenden Teile mit grünen Rasenflächen,
gelegentlich auch Baumalleen und Buschwerk zu umfassen
und durch dichte Bepflanzung an den Straßengrenzungen
gegen diese einen guten Abschluß zu erreichen. Künst-
lerischen Wert erhalten diese Plätze erst durch Vereinigung
des gärtnerischen Schmuckes mit der Architektur. Die
Bauten auf diesen Plätzen gehören zu den besten architek-
tonischen Leistungen Chicagos. Nur erste Architekten
werden damit betraut. Die Kosten der Anlagen stellen sich
damit freilich etwas hoch, und da ist es sicher erwünscht
die öffentliche Meinung kennen zu lernen. Durchschnitt-
lich billigt man das Arbeiten der Parkkommissionen, und
die Parksteuer gehört zu den gern getragenen öffentlichen
Lasten.
Wer zumal das Leben und Treiben auf diesen Plätzen
beobachten konnte, den nimmt das nicht wunder. Einen
ungefähren Begriff gaben davon ja schon die trefflichen
großen Photographien auf der Ausstellung. Wer die frisch-
fröhlich leuchtenden Augen der auf der Planschwiese sich
tummelnden Kinderschar gesehen, oder wer das Leben und
Treiben im Sandbad oder im Schwimmbecken, auf der
künstlichen Rodelbahn oder im Brausebad beobachtet hat,
26
DER STÄDTEBAU
wer schließlich die feurig blitzenden Augen am Start zum
Wettlauf auf sich hat wirken lassen, der wird sich klar
sein, daß nach dieser Richtung in unserer deutschen Jugend-
fürsorge noch mancherlei geschehen werden kann und muß.
Zu diesen sportlichen Bestrebungen gesellen sich noch
andere. Der Plan des Spielparkes von Louisville, von den
Landschaftsarchitekten Gebr. Olmsted in Boston, die auch
die Pläne für die Süd-Park-Kommission in Chicago ent-
warfen, lehrte ferner, daß man dahin strebt, öffentliche
Gebäude der Kunst und des Unterrichts mit diesen Anlagen
zu verbinden.
Bestrebungen gleicher Art waren auch schon in deutschen
Planungen zu stu-
dieren. Ein Ähn-
liches erstrebt Mün-
chen mit der Aus-
gestaltung des Valley-
Platzes nach dem
Entwurf von Gräßel
(Heft 7 8, Tfl. 53"').
Ein mit Baumreihen
gefaßter Volksgarten
mit gedeckten Wan-
delhallen, Schmuck-
anlagen ist mit einem
Kinderspielplatz ver-
bunden. Baulich-
keiten : eine Milch-
halle, Viktualien-
läden und Bedürfnis-
anstalten sind gut
eingefügt, und an
bevorzugter Stelle
kommen öffentliche
Gebäude zu bester
Wirkung. Schatten-
spendende Baum-
alleen begrenzen die
Einzelteile. In der
architektonisch
meisterhaft gruppier-
ten Anlage für Schul-
bauten in Frankfurt
a. Main von Stadt-
baurat Berg in Bres-
lau, sind die ein-
bezogenen Spiel-
plätze als grüne Rasenflächen gedacht, umschlossen von
schattigen Alleen. (Heft 7 8, Tfl. 54"'')-
Schule und Grünplatz in ihrer möglichen zweckdien-
lichen Vereinigung werden zukünftig im Städtebau noch
mehr Beachtung finden. Anregungen nach dieser Richtung
gab wiederum Amerika auf der Ausstellung. Die Pläne für
die Gruppierung amerikanischer Universitätsbauten zeigten,
wie man dahin strebt, die Bauten nach einheitlichem Plan
mit Grünplätzen, erforderlich für sportliche Betätigung oder
zur Erholung, zusammenzufassen zu einem Ganzen, zu einem
Organismus, der schon in seinem äußeren Aufbau die ihm
innewohnende Kraft und Einheit zum Ausdruck bringt.
Aus rein monumentalen Bestrebungen, gewissermaßen
als Ausdruck der zu mächtigen Gemeinwesen empor-
blühenden Städte, sind die Planungen für die großen Stadt-
Abb. I. Parksystem von Groß-Boston.
Zentren oder Prachtstraßen entstanden, die Amerika auf der
Ausstellung in Plänen und Photographien zur Darstellung
brachte. Architektur und Gartenkunst sind auch hier aus
künstlerischen wie auch praktischen Gründen gemeinsam
zur Wirkung gebracht unter Beachtung alter italienischer
und französischer Vorbilder der Renaissance- und Barock-
kunst. Ich nenne hier nur die Neuplanung von Washington,
bei welcher unter Anlehnung an den alten großzügigen Plan
von L'Enfant eine große Hauptperspektive vom Kapitol nach
dem Washington Obelisk, mit Einbeziehung des Weißen
Hauses durchgeführt werden soll. Breite Alleen und regel-
mäßige, architektonisch aufgebaute Gartenflächen bilden
einen Hauptschmuck
der Planung und
fassen die zur Seite
rhythmisch aufge-
teilten Regierungs-
gebäude zu einem
Ganzen zusammen.
Der neue Bebauungs-
plan von Chicago,
von Burnham und
Bennett entworfen
(Heft 7 8, Tfl. 43"),
die Boulevardpla-
nung der Stadt Phila-
delphia (Heft 7 8,
Tfl. 43''), die archi-
tektonisch - gärtneri-
sche Behandlung
eines Monumental-
platzes in St. Louis
(Heft 7 8, Tfl. 4311),
überraschen durch
die Größe im Aufbau
und durch den Wil-
len, auch große
Geldopfer nicht zu
scheuen, um Anlagen
von monumentaler
Kraft zu erreichen.
Auch anderwärts
regt sich's. Berlage
hat in seinem sehr be-
achtenswerten Ent-
wurf für die Stadt-
erweiterung im Haag
große Schwerpunkte für die öffentlichen Bauten ge-
plant in Verbindung mit einer in ihren Massen wohl ge-
meisterten Natur.
Wie auch wir in diesem Sinne schaffen möchten, das
lehrte der Wettbewerb Groß-Berlin, der hier an anderer
Stelle schon eingehender besprochen worden ist, und des-
halb nur hingewiesen werden soll auf die gartenkünstlerisch
sehr beachtenswerten Platzgestaltungen von Bruno Möhring,
auf die Anlage bei Picheiswerder von Brix und Genzmer,
wo die verschiedensten Anlagen für den Sport, ein Freilicht-
museum und Erfrischungsbauten am landschaftlich schönen
Havelufer vereinigt sind, und nicht zuletzt auf die monu-
mentalen Planungen von Bruno Schmitz am Hafelufer, mit
Terrassenbauten, mächtigen Baumalleen und Laubengängen.
Bruno Schmitz hat schon in einem in Ausführung be-
27
DER STÄDTEBAU
grifFenen Werk gezeigt, wie er die Gartenkunst im monu-
mentalen Sinne zu verwerten gedenkt. Am linken Treppen-
aufgang in der Ausstellung hing, nicht gerade glücklich, die
mächtige Perspektive zur Gestaltung des Friedrichsplatzes
in Mannheim. Wer dessen Geschichte kennt, der weiß, wie
unklug es ist, mit Zaghaftigkeit an eine große Aufgabe
heranzutreten, und wie es dem Künstler erschwert wird,
wenn er nicht mit seiner ganzen Idee, sondern nur stück-
weis durchdringen kann. Schritt für Schritt für die Vervoll-
kommnung kämpfen muß. So zeigte auch die ausgestellte
Perspektive noch einen Kompromißvorschlag. Die Wert-
punkte der Platzgestaltung bilden ein großes Springbrunnen-
becken und der Wasserturm, beide zusammengebracht durch
eine Wassertreppenanlage. Vom Wasserturm führen seitlich
der Kaskade Laubengänge entlang, mit mächtigen Steinsäulen
und hölzernem mit Schlingpflanzen umwundenem Dach.
Damit ist der Blick nach dieser Seite geschlossen. Nach
entgegengesetzter Richtung liegt eine breite Straßenöffnung,
für welche ein triumpfbogenartiger Anschluß geplant war.
An seine Stelle ist vorerst eine Baumpflanzung getreten,
eine vierreihige Alleeanlage, welche — und das lehrte die
Perspektive deutlich — in ihren kubisch beschnittenen Formen
als ein recht guter Ersatz gelten kann. — In seinem aus-
gestellten Entwurf zur Theaterplatzgestaltung in Stuttgart
hat Bruno Schmitz gleichfalls die in strengen Formen ge-
haltenen gärtnerischen Anlagen zur Fassung der Architektur
und Steigerung ihrer Wirkung benutzt. Dasselbe gilt für
Theodor Fischers Vorschlag für die Stellung des Königl.
Hoftheaters.
Wenn wir noch kurz hinweisen auf den von Schulze-
Naumburg geschaffenen liebenswürdigen Ausbau des bereits
vorhandenen halbkreisförmigen Platzes in Zehlendorf-West
durch mit Grün umranktes Lattenwerk, das sich auf die
Grenzmauer stützt (Heft 7,8, Tfl. 40"'), auf einige Platz-
gestaltungen Sexauers mit architektonisch behandeltem
Grün und den trefflich durchdachten Aufbau von Ohmann
für die Schloßbrunnenanlage in Karlsbad (Heft 7 8, Abb. 39)
und die Überwölbung des Wienflusses (Heft 7/8, Abb. 40-47),
die zur Würdigung eine eingehende Behandlung der vor-
handenen Raumgestaltung bedürften, haben wir wohl be-
sprochen, was die Ausstellung bot an gärtnerischen Anlagen
im Dienste des engeren Stadtbildes und seiner Architektur,
was sich zum Teil etwa deckt mit dem, was Sitte unter
„dekoratives" Grün zusammenfaßte.
Gehen wir nun über zur Besprechung der gärtnerischen
Anlagen als selbständigen Kunstschöpfungen, indem wir
beginnen mit dem klassischen Lande der Volksparks, —
mit England.
Die englische Landschaft besitzt eine Fülle von Grün.
Weite saftige Wiesenflächen sind in gewisser Regel-
mäßigkeit durch lebende Hecken, Knicks, die zur Begrenzung
der Weideflächen dienen, aufgeteilt. Sie, und die aus ihnen
herauswachsenden oder auf den in leichten Schwellungen
sich hebenden und senkenden Wiesenflächen stehenden
Einzelbäume oder auch Baumgruppen ergeben das Typische.
Wälder sind selten, desto prächtiger sind Einzelbäume ent-
wickelt. Die an sich stark zerrissenen iVlassen werden
zusammengehalten durch die Luft. Der Nebel oder auch
die feuchte Luft, die ständig über der Landschaft liegen,
verschleiert die scharfen Umrisse, das Grün geht mehr
zusammen, es wird einheitlicher, die Natur erhält eine mehr
bildmäßige Stimmung. Dazu hilft ein prächtiger Himmel.
Diese Stimmung der englischen Landschaft ergibt zu-
gleich die Grundtöne für den Aufbau der englischen Parks.
Denn das Grundgesetz des künstlerischen Schaffens liegt
hier darin, die Landschaft zu verwerten wie sie ist, sie
höchstens noch zu steigern in ihrer eigenartigen Form ; ein
Grundgesetz das von England ausgehend, seit Ende des
18. Jahrhunderts ganz Europa beherrscht, nur hat man bei
uns dabei allzuhäufig das zweite vergessen, was das Schaffen
des Engländers auszeichnet, den einfachen praktischen Sinn,
der ihn dahin führte, den Park nicht zum Schaustück zu
machen, sondern ihn wohl einzurichten zur täglichen Be-
nutzung, der ihn dazu brachte, den Rasen, wie ihn die
Natur bot, seinen Zwecken nutzbar zu machen.
Der größte von den unter der Aufsicht des Londoner Graf-
schaftsrats stehenden Parks ist der Viktoria Park, 217 acres
umfassend. Er gibt zugleich ein vollständiges Zweck-
programm. Hier ist Raum für jede Art Sport geschaffen, hier
finden sich Grünplätze für cricket- football, hockey, lawn-
tennis, croquet, bowls (Kegel) and quoits (Wurf), Bahnen für
Wettlauf und Fahrwege für Motorräder und Wagenverkehr.
Vier Gymnasien oder offene Turnplätze mit verschiedensten
Turngeräten, zwei für Erwachsene und zwei für Kinder,
sind vorhanden, letztere mit Sandspielplätzen ausgestattet.
Hinzu tritt noch der Wassersport. Der Park enthält drei
Teiche, einen für den Bootsport, einen zweiten für Auf-
nahme des Damenbades und der dritte dient als Schwimm-
bad für Herren und Knaben und dürfte wenig seinesgleichen
in der Welt haben.
Zu dieser Freude am Sport tritt an eine andere Eigen-
art des Engländers, die sich in seinen Parks trefflich wider-
spiegelt, die Freude an der Blume. Ich habe noch nie so
viel und so prächtige blühende Blumenmassen beisammen
gesehen als in England. Am schönsten kommt die blühende
Pracht in langen breiten Rabatten zur Geltung, und am
wohltuendsten wirkt sie, wenn der Gärtner es verstanden
hat in die wechselnden, verschiedenartigsten Blumenstauden
einen Rhythmus hineinzubringen, sowohl in bezug auf Farben
als auch Formen. Das vermißt man freilich allzuhäufig.
Auch da, wo man sich von der freien, ungezwungen natür-
lichen Landschaft lossagt und sich zum Formalen wendet,
merkt man nur zu oft, daß hier die Gestaltungskraft aus
Mangel an architektonischem Gefühl versagt. Doch bringt
man dieser mehr strengeren, dem Zweck mehr angepaßten
formalen Gestaltung in neuerer Zeit viel Teilnahme entgegen.
In dem Ravenscourt-Park durchschneidet die Land-
schaft eine lange prächtige Ulmenallee. Ein regelmäßiger
Blumengarten verdient Beachtung. Im Waterloo-Park ist
gleichfalls ein kleiner regelmäßiger Blumengarten geschaffen
worden, „the old English garden". Diese kleinen regel-
mäßig aufgeteilten Gartenflächen sind mit den verschiedensten
einheimischen Blumen bepflanzt. In ihrer Abgeschlossen-
heit, — sie werden von hohen Heckenwänden oder auch von,
mit blühenden Schlingpflanzen berankten Mauern begrenzt, —
gewähren sie einen ruhigen Zufluchtsort. Dem Wanderer
im Park aber, der unbewußt auf die kleine Eintrittspforte
des abgeschiedenen Gartens stößt, dünkt das sich ihm
bietende Bild wie eine märchenhafte Zauberschöpfung. Die
prächtige Blütenfülle der nicht sorgsam abgezirkelten, son-
dern nahezu wild wachsenden Blumen, die den Garten
geradlinig durchschneidenden Laubengänge, gleichfalls be-
rankt mit buntfarbigen Blumenzweigen, und die an den
Endpunkten oder im Mittel errichteten Gartenlauben, be-
28
DER STÄDTEBAU
haglich aus dem bunten Gezweige hervorlugend, geben
ein selten prächtiges, friedlich malerisches Bild. Nur das
Auge des Architekten erkennt wohl die Mängel in der Raum-
komposition und der Materialwirkung, die den Anlagen noch
anhaften.
Neben den englischen Plänen auf der Ausstellung hingen
die amerikanischen, von der Firma Gebr. Olmsted, Boston.
Ein Unterschied fiel stark in die Augen; die ameri-
kanischen Pläne schienen weit eingehender ausgearbeitet
zu sein. Bei näherer Betrachtung erklärte es sich aus dem
bedeutend kleineren Maßstab und das rechte Urteil gab das
Studium der Parke selbst. Der grundlegende Park für
amerikanisches Schaffen ist der Zentralpark in New York,
von F. L. Olmsted sen. geschaffen. Er gibt sein Schaffens-
gesetz charakteristisch wieder. Es ist durchaus nicht das
gleiche der Engländer, obwohl es auf den ersten Blick so
scheinen mag. Olmsteds Schöpfungen — und das kommt
ganz besonders im Zentralpark zum Ausdruck — sind mehr
auf das Romantische, Pittoreske gestimmt. Es berührt ganz
eigenartig, wenn man den Zentralpark New Yorks, vom
Stadtinnern kommend, betritt. Mächtige Häuser türmen
sich an den, den Park begrenzenden Straßen auf, Häuser
von 20 Stock und mehr erheben sich an „The Plaza", der
Erweiterung der Fifth Avenue.
Und in diese Umgebung einen Park stimmen! — Es
dünkt beinahe unmöglich, wenn man nicht ungeheuren
Raum und Kraft anwenden will. All das hat Olmsted nicht
bedurft. Er umfriedigte den Park mit einer etwa 1,2 m
hohen Mauer und schuf innerhalb dieser ein Reich für sich,
ein ganz anderes Reich, wie es die Großstadt vermuten
ließe. Auf monumentale Wirkung verzichtete er nahezu ;
schuf hier mit Ausnahme weniger, nicht sonderlich groß-
zügiger Perspektiven kleine intime landschaftliche Einzel-
szenen — und darin zeigte er sich als Meister. Trefflich
hat er den Fels, auf dem der Park erstand, zu reiz-
vollen Bildern verwertet, ihn mit Busch, Baum und
Wasser in verschiedensterweise stimmungsvoll zusammen-
komponiert. Man fühlt im Park durchaus nicht, daß man
in der gigantischen Großstadt New York weilt. Nur
wenn man zur Hauptverkehrszeit die Hauptstraße einher-
geht und W^agen und Automobile in ununterbrochener
Folge an sich vorüberziehen läßt und die Menschen
betrachtet, dann atmet und fühlt man Großstadtluft. — Es
ist noch eines hervorzuheben; es ist meisterhaft verstanden,
die den Park senkrecht zu seiner Längsachse durchschneiden-
den Verkehrsstraßen im Parkbild zu verdecken durch Über-
brückung der Straße und Erhöhung der Parkflächen. —
Vielleicht liegt darin das Beste des Zentralparkes für uns.
In den Plänen für den Franklin - Park in Boston
und den Prospekt-Park in New York lagen die Verhält-
nisse nicht so schwierig. Hier gibt Olmsted dem
großzügigeren Landschaftsaufbau, mehr dem englischen
Empfinden nahekommend, den Vorzug. Auch Tierweiden
schafft er hier, und für den Menschen sind zur Betätigung
des Sports freie Wiesenflächen, zum Teil in waldiger Stille —
auch ein Unterschied gegen englisches Planen — vorhanden.
Besondere Räume mit zwecklicher Formgestaltung aber
gibt es nicht. Alles ist auf Kunst — landschaftlich malerische
Kunst — gestimmt. Erst in seinen letzten Schaffensjahren
kam auch bei ihm die immer mehr anwachsende sport-
liche Betätigungslust des Volkes zu formalem Ausdruck.
In diesem Sinne arbeiten vor allem seine Söhne, die
Gebr. Olmsted, die auf der Ausstellung durch Chicagoer
Parkanlagen vertreten waren. Ihre kleineren Spielplatz-
anlagen haben wir schon kennen gelernt. Dieselben Grund-
gedanken treten im größeren Parkschaffen auf. Diese, von
allen Teilen der Stadt leicht zugänglichen Parks besitzen zum
größten Teil die gleichen Einrichtungen für Sport und Spiel,
nur die gärtnerische Behandlung der Parke wird freier.
Auf der Ausstellung sah ich den Jackson-Park am Lake
Michigan mit viel Wasserpartien (Heft 7 8, Abb. 9), und von
den kleineren den Palmer-Park, Hamilton-Park und Bes-
semer-Park, mehr den besprochenen Spielparks gleichend.
Mich störte zum Teil die reiche Verwendung von Busch-
werk, was sich freilich aus den ungünstigen Vegetations-
verhältnissen Chicagos ergibt. Da, wo sich eine schönere
Natur darbietet, sind auch von den Gebr. Olmsted gute
landschaftlich komponierte Szenerien geschaffen worden.
Wenn wir noch kurz der Volks- und Sportparkanlage,
die Kopenhagen auf die Ausstellung geschickt hatte, gedenken
und hervorheben, daß sich auch hier Plätze für Ballspiel,
Athletik sowie andere Freiluftübungen im Sinne englischen
Parkschaffens vorfanden, haben wir das Ausland in den
Hauptzügen betrachtet.
In deutschen Planungen trat am stärksten der Streit der
Geister im modernen Kunstschaffen zutage. Beginnen wir
mit der älteren Schule ! — Bremens klassische Wallanlagen
gehören an erste Stelle. Es ist genugsam bekannt, wie die
hochgelegenen Basteien zu reizvollen Hügellandschaften
verwertet sind und wie sich von den Höhen durch malerische
Baumgruppen Durchblicke auf das tiefliegende Wasser er-
geben (Heft 7/8, Tfl. 41"-^). Ähnliches ist beim Posener
Umwallungsgelände angestrebt worden (Heft 7 8, Abb. 22).
Dann wäre der Schöpfungen von Engelhardts in Düssel-
dorf und Enckes in Köln zu gedenken. Beide scheinen
mir der englischen Schule Gutes abgelauscht zu haben.
Im Kaiser- Wilhelm-Park in Düsseldorf sind weite, locker
mit Bäumen besetzte Wiesenflächen dem Sport gewidmet.
Die Lage am Wasser forderte zur Anlage von Boots- und
Jachthäfen heraus (Heft 7 8, Abb. 6) ; auch in der Erweiterung
des Volksgartens zeigen große und kleine Spielwiesen zweck-
liches Planen. In Enckes Plan zum Volkspark in Rader-
thal-Köln, der in Ausführung begriffen ist, erinnerten mich
die in trefflich farbigen Perspektiven dargestellten kleinen
abgeschlossenen Ziergärten an „the old English gardens",
die wir besprochen, und die den gleichen üppigen Blumen-
flor, dieselbe Blumenfülle zeigten. — Im Klettenberg- Park
zu Köln strebt Encke mehr nach romantisch-heimatlicher
Wirkung. Das mit steilen Hängen umfaßte, tief liegende
Gelände ist, wie einige ausgestellte Photographien lehrten,
zur Schaffung anmutiger Landschaftsbilder verwertet. Der
Sport schließlich findet Unterkommen in den am hohen
Parkrand abgeschlossen liegenden Spielplätzen.
In der Gartenanlage Marly-Lübeck von Barth ist die
schöne Lage zur Stadt Lübeck trefflich benutzt zur Aus-
bildung von Fernsichten auf die malerische Stadt, auf ihre
prächtigen Kirchen und Tore (Heft 7 8, Tfl. 41 1"').
Im Schöneberger Park wäre bei dem verhältnis-
mäßig kleinen Gelände wohl ein strengerer regelmäßiger
Aufbau besser gewesen. Glücklicher komponiert schien
mir der Entwurf zum Münchener Nordpark (Heft 7 8, Tfl. 53 "'^).
Eine vierreihige Allee durchschneidet den Park in seiner
Längsachse und führt auf ein Schulgebäude zu mit an-
liegenden großen Spielplätzen und einem kleineren für
29
DER STÄDTEBAU
Kinder. — Einen Schritt weiter nach monumentaler Ge-
staltung geht Bauer-Magdeburg in seinem Schillerpark für
Berlin. Er hat es trefflich verstanden, die höchste Erd-
erhebung des Geländes in ihrer Wirkung noch zu steigern
durch die Anlage des Kastanienhaines und seiner monu-
mentalen Terrassengestaltung. Auch in der Aufteilung der
Wiesenflächen hat er den gleichen großen Zug gewahrt
und zeigt in der fein abgewogenen Wegführung eine ganz
persönliche Note. — Das ist hervorzuheben nach einer Zeit,
wo recht wenig individuelles Leben im ParkschafFen zu
fühlen gewesen ist. Wer freilich sich die Mühe nimmt und
hinauswandert nach dem Parkgelände, der wird enttäuscht
sein und erkennen, daß bei einem gartenkünstlerischen
Werk Jahre vergehen, bevor die Wirkung, die der Künstler
erstrebt hat, einigermaßen erreicht wird. Hamburg wird
es in mancher Beziehung gleichfalls so gehen mit seinem
neuen Stadtpark, obwohl die Verhältnisse hier etwas günstiger
liegen, denn der vorhandene junge Waldbestand ist bei der
Planung benutzt worden und gibt ihr schon im Entstehen
einen Wertpunkt. Dem endgültigen, auf der Ausstellung
gezeigten Parkentwurf ist ein langer Kampf vorausgegangen.
Lichtwark und andere Hamburger haben in Wort und
Schrift die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Aufgabe ge-
lenkt und darauf hingewiesen, daß man mit dem alltäglichen
Schaffen hier endlich einmal brechen müsse und neue Aus-
drucksformen für neue Werte zu erstreben habe. Das
brachte einen Streit der Geister über architektonisches und
landschaftliches Gestalten und zugleich als Wertvollstes : ein
immer weiter sich entwickelndes Programm. Dazu trat
fördernd der, wenn auch vergeblich verlaufene, Wettbewerb.
Dann kam Schumacher nach Hamburg, und er in Verbindung
mit Sperber, der sich schon dem Vorentwurfe gewidmet hatte,
schufen die Planung, wie sie uns auf der Ausstellung vor-
geführt wurde.
Bei Betrachtung der prächtigen Perspektiven vom Park
und seiner Einzelteile dürften manchem Gartenkünstler älterer
Schule die Augen aufgegangen sein. Er wird da erkannt
haben, daß im Gartenbau das wesentliche des künstlerischen
Schaffens in Ansehung der Naturbedingungen ruht und in Ver-
wertung dieser zu Raumgebilden. Lediglich die Klärung über
die Anforderungen, die ein solcher Organismus stellt, und
die Lösung dieser Aufgaben durch eine künstlerische Per-
sönlichkeit, die Raumempfinden besitzt — das ist das Pri-
märe alles künstlerischen Schaffens — hat den Entwurf für
den Hamburger Stadtpark emporgehoben zu einem Kunst-
und Kulturwerk von hoher Bedeutung. Ein Kunst- und
Kulturwerk von nationaler Bedeutung, weil es allen An-
forderungen unserer Zeit, die da gipfeln in dem Drange nach
sportlicher Betätigung jeder Art, gerecht zu werden ver-
standen hat und diese ohne Überlieferung aufgestellten
Forderungen so zu lösen wußte, daß daraus ein Gebilde ent-
stand, geeignet im einzelnen das Auge zu befriedigen und
Herz und Gemüt zu erfreuen, im ganzen aber eine Einheit
darstellt von eindrucksvoller Größe, ganz der Kraft eines
mächtigen Gemeinwesens entsprechend.
Mit welchen Mitteln ist das erreicht? Dadurch, daß
der Künstler es verstanden hat, die gegebenen Hauptwerte,
das Restaurationsgebäude mit seinen Hallen und Sälen und
Terrassen, das Kaffeehaus, den See mit seinen Ufern und den
im Aufbau durch einen Wettbewerb schon festgelegten
Wasserturm — gleichfalls ein monumentales Werk — in-
mitten des vorhandenen Waldbestandes, zusammenzufassen
zu einem repräsentativen Teil und diesen durch seinen räum ^
liehen Aufbau — wohl abwägend Kunst und Natur — zu größter
Monumentalität zu steigern. An diesen Hauptbau schließen
sich dann die größeren und kleineren Einzelräume, wohl
geeignet zu Sport und Spiel, in einfacher Sachlichkeit zwang-
los an; perspektivische Beziehungen zum Hauptbau geben
die natürliche Verbindung. Sachlich sind auch die Natur-
bedingungen, die Form des Geländes, die zuführenden
Hauptverkehrsstraßen, die Verbindung mit dem Goldbeck-
kanal gelöst. (Heft 7 8, Tfl. 41 '). Der Entwurf zum Ham-
burger Stadtpark zeigt, wohin der Weg im modernen Kunst-
schaffen im Gartenbau führt: Unter Beachtung der Zweck-
forderungen ein rechtes Verhältnis zwischen Kunst und
Natur zu finden.
Dies Kennwort möchte ich auch als Ziellinie dem
letzten Kapitel unserer Betrachtung, „Parksysteme", vor-
anstellen, dem entwicklungsfähigsten Gebiet gartenkünst-
lerischen Schaffens im Städtebau. Nachdem bisher die
Gartenanlagen im Städtebau ein vom übrigen Planen los-
gelöstes Element bildeten und bescheiden den Platz im Stadt-
plan einnehmen mußten, den der Städtebaukünstler gerade
nicht anders verwerten konnte, gleichgültig, ob die Natur-
bedingungen gute oder schlechte waren, regt sich jetzt aller-
orten die Erkenntnis, daß hier viel versehen und eine Reihe
von Aufgaben zu lösen sind.
Das Ausland ist auf diesem Wege vorangegangen. Der
Wald- und Wiesengürtel und die Höhenstraße der Stadt
Wien waren in einem mächtigen Plane und durch zahlreiche
Photographien auf der Ausstellung ihrer hohen Bedeutung,
entsprechend, zur Darstellung gebracht. Wien hat schon
in früher Zeit im alten Stadtplan durch Anlage kon-
zentrischer, breiter gärtnerisch behandelter Straßenzüge den
Wert zusammenhängenden Grüns erkannt. Um die innere
Stadt läuft ein breiter Straßenzug, die Ringstraße und der
Franz- Joseph -Kai, und in einer Entfernung von etwa
2 bis 3 km ein zweiter, die Gürtelstraße, beide mit einer
Fülle anschließender Gärten und Plätze. Das riesige Wachs-
tum der Stadt führte zu einer dritten Anlage. Nur ist dieser
letzte Gürtel bei weitem umfassender. W^ährend Wien
bisher etwa 917 ha Grundfläche an öffentlichen Garten-
anlagen besitzt, beträgt das Gesamtausmaß der vom Wald-
und Wiesengürtel bedeckten Bodenfläche rund 4400 ha.
Seinen wertvollsten Bestandteil bildet die „Höhenstraße",
welche an den Abhängen des V/ienerwaldes, vom Donau-
strom bis zum Wienfluß entlangführt und durch seine
hohe Lage prächtige Aussichten über ganz Wien und
noch darüber hinaus gewähren wird.
Zu diesen konzentrisch aufgeteilten Parkgürteln Wiens
tritt im Wald- und Wiesengürtel von Groß-Bcston noch eine
Verbindung durch radiale, zungenförmig in die Großstadt sich
drängende Gartenflächen, und damit hat sich dies Park-
system den ersten Platz gesichert. Groß-Boston besteht
aus 40 Gemeinden, die im sogenannten Metropolitan-Park-
distrikt zu einem Zweckverband zusammengefaßt sind, der
einen geschlossenen Gürtel von Wäldern, Wiesen und Seen
und Flußufern um Boston mit zahlreich sich ins Innere
der Stadt erstreckenden Zungen geschaffen hat. Das Park-
system (Textbild 1) wurde begonnen von Charles Eliot, einem
Schüler des schon erwähnten F. L. Olmsted, dem Schöpfer des
Zentralparks in New York. Sie vereinigten sich 1893, und
nach beider Tod führten die Söhne Olmsteds das Werk der
Entwürfe weiter. Ihr Hauptgedanke in gartenkünstlerischer
30
DER STÄDTEBAU
Richtung liegt in der bestmöglichsten Verwertung der vor-
handenen Natur.
Derselbe Grundsatz herrscht im übrigen Amerika, denn
es muß hier betont werden, fast jede größere Stadt der
Vereinigten Staaten hat sein Parksystem oder plant es zum
mindesten. Auf der Ausstellung war Chicago gut vertreten
(Jahrg. 1905, Tfl. 72 stellt einen Teil des Parksystemes dar).
Hier hat eine staatliche Kunstkommission die landschaftlich
reizvollsten Gegenden bestimmt, und werden die land-
schaftlich zumeist prächtigen Flußufer, der Strand am See
— ich weise hier auf die großartige Planung für einen
Wasserpark hin (Heft 7,8, Tfl. 44') — den Kern der späteren
Parkanlagen bilden. Im Parksystem von Groß-Baltimore,
von den Gebr. Olmsted aufgestellt, sind auch tiefgehende
intime Naturstudien als Vorarbeiten vorausgegangen, um
auch hier in ein System zusammenzufassen, was von Natur
aus schon hervorragend landschaftlichen Reiz besitzt. Ich
nenne ferner den Plan des Parkgürtels der Stadt Philadelphia,
anziehend durch die großzügige Boulevardplanung und die
Pläne der Parkgürtel von St. Louis und Washington, ent-
standen durch Berufung von Kommissionen, in welchen
sich erste Architekten und Landschaftskünstler befinden.*)
Deutschlands Stadt- bzw. Staatsverwaltungen stehen
darin weit zurück. Daß die Erkenntnis des Wertes dieser
Ziele die schaffenden Geister aber beherrscht, das kam
wiederum im Wettbewerb Groß -Berlin, zum Ausdruck
Eine sachgemäße Verteilung der Parkflächen, ihre Verbin-
dung untereinander und mit dem Stadtinneren hatte Jansen
*) Die Grundlinien des amerikanischen Schaffens habe ich versucht
auf der Hygiene-Ausstellung in Dresden in folgende Sätze zusammen-
zufassen.
1. Schaffung von Spielplätzen und kleinen Parks im Innern der Stadt.
2. Erhaltung großer freier Flächen, vor allem der landschaftlich reiz-
vollen Gegenden im weiteren Umkreis der Städte zu Erholungs-
stätten. Zur Durchführung vereinigen sich benachbarte Gemeinden
zu Zweckverbänden.
3. Verbindung der Parks und großer freier Flächen durch Parkwege,
die bis in das Herz der Städte eindringen.
4. Schaffung von Prachtstraßen und monumentalen Stadtzentren als
Ausdruck mächtiger Gemeinwesen unter Zusammenwirkung von
Architektur, Gartenkunst, Wasserkunst und Plastik.
in seinem gründlich durchdachten Entwurf angestrebt. Wohl
noch klarer schien mir der Entwurf unter Bruno Möhrings
künstlerischer Leitung das zur Darstellung gebracht zu
haben; er gab zugleich sehr beachtenswerte gartenkünst-
lerische Einzellösungen.
Darauf näher einzugehen, wäre verfrüht. Das Erreich-
bare nach künstlerischer Seite ist heute kaum noch ab-
zusehen, vorerst muß die Ergründung der zu stellenden
Anforderungen noch vertieft werden. Aber schon regt sich's
allerorten. Den Städtebauausstellungen in Berlin und Düssel-
dorffolgte die Internationale Hygiene- Ausstellung in Dresden,
welche wiederum die hohe Bedeutung, die man der Garten-
kunst im Städtebau beimißt, erkennen ließ. Neben den
schon in Berlin und Düsseldorf gezeigten Plänen möchte
ich hier nennen die Straßen- und Platzgestaltungen, die Heicke
für Frankfurt a. M. plante, die prächtige monumentale Platz-
lösung, die Stadtbaurat Kiehl in Rixdorf in dem Modell des
Körner-Parkes zur Darstellung brachte und den Wald- und
Wiesengürtel, den Erfurt zu erhalten strebt, unter Mitarbeit
seines Gartendirektors Bromme. Es bleibt noch auf die
öffentlichen Wettbewerbe der letzten Zeit hinzuweisen,
vor allem auf die Ausschreiben für einen Parkring
auf dem Gelände des Tempelhofer Feldes in Berlin, in
Hamm i. W. und die großen städtebaulichen Aufgaben, die
Leipzig und Düsseldorf der deutschen Künstlerschaft zur
Lösung stellen in den Ausschreibungen für die Bebauung
der Frankfurter Wiesen in Leipzig und die Erweiterung
Düsseldorfs. Schon die Wettbewerbsbedingungen lassen
deutlich erkennen, wie die Heimatschutzbewegung von Tag
zu Tag erstarkt, das Verständnis für Bodenständigkeit oder
Einheit von Natur und Siedelung im steten Wachsen begriffen
ist. Die Stellung der Bauwerke in ihrer Beziehung zur Natur,
Lage und Führung der Straßen unter Berücksichtigung der
Geländegestaltung auch nach landschaftlichen Schönheits-
werten, Erhaltung der Wasserflächen und Ausbildung ihrer
Ufer und Erforschung und Steigerung der landschaftlichen
Schönheiten und deren Verwertung im Stadtplan sowie die
Benutzung der Grünflächen zu Spiel- und Sportbetätigung sind
schwebende Fragen, die erkennen lassen: Es geht vorwärts
auch im gartenkünstlerischen Gebiet beim Städtebauplanen.
DIE ORDENSSTADT MARIENBURG,
EIN STÄDTEBILD IM OSTEN.
Von KONRAD METZEL, Dirschau.
Man kann zu der Wiederherstellung alter, geschichlich
bedeutsamer Bauten einen Standpunkt einnehmen welchen
man will, man wird immer zugeben müssen, daß sie nicht
nur als Bau-, Kunst- und Kulturdenkmäler wirken, sondern
daß durch sie auch die Geschichte eine oft sehr eindrucks-
volle und mahnende Sprache redet. Nirgends wohl im
deutschen Vaterlande spricht aber die Geschichte in so monu-
mentalen Tönen zu jedem deutschen Herzen, wie in der alten
Ordensstadt Marienburg in Westpreußen.
Bedeutet doch die Marienburg die Wiege und den Grund-
stein zu Preußens Kultur und Größe und ein Wahrzeichen
für das Deutschtum in Gegenwart und Zukunft. Und bieten
sich doch nirgends die wechselvollsten Bilder der stolzesten
Größe und des tiefsten Falles so eindrucksvoll wie gerade hier.
Deshalb müssen wir dem Schicksal dankbar sein, das
uns dieses Kleinod in der deutschen Ostmark wieder in alter
Herrlichkeit auferstehen ließ. Aber Burg und Stadt, wo ein
Bartholomäus Blume 1457 den Heldentod der Treue für den
Orden stsirb, gehören unlösbar zusammen.
Es ist verständlich, daß zunächst alle Kräfte und Mittel
zusammengefaßt werden mußten, um das Schloß aus dem
drohenden Verfall zu retten. Aber wir glauben die Zeit
nunmehr gekommen, daß auch für die Stadt, die bescheiden
daneben stand, etwas geschehen muß. Von ihrer Höhe als
3X
DER STÄDTEBAU
( I Eligen Hauptstadt des Ordens und mächtigsten Stadt des
Ostens ist sie zu einer bescheidenen Kreisstadt von etwa
15000 Einwohnern herabgesunken, während ihre alte
Nebenbuhlerin Danzig sich zur Provinzialhauptstadt auf-
geschwungen hat.
Aber als wichtiger Bahnknotenpunkt, von dem auch jetzt
noch wie früher zahlreiche Verkehrslinien in das Land hinaus-
führen, hat sie noch
einen Rest ihrer alten
Bedeutung behalten,
und wird deshalb und
auch als der Mittelpunkt
eines gesegneten reichen
Landstriches, des Ma-
rienburger Werders so-
wie durch die bereits im
Bau begriffene Kanali-
sierung der Nogat, durch
das zahlreiche Militär
und durch den rührigen
Sinn ihrer Bewohner
und Behörden eine Zu-
kunft haben. In erster
Linie aber bleibt Ma-
rienburg eine Freraden-
stadt, die jährlich des
Schlosses wegen von
vielen Tausenden von
Fremden aufgesucht
wird.
Durch den Wölke-
schen Bankkrach 1907
und verschiedene Brän-
de in letzter Zeit ist die
Entwicklung der Stadt
aufgehalten worden und
dem Bau des Schlosses
gegenüber zurückge-
blieben. Trotzdem bietet
sie durch ihre alter-
tümliche Bauart, die
schönen Lauben auf
dem Markte mit dem
alten Rathaus und durch
zahlreiche gelungene
neuere öffentliche und
private Bauten manch
reizvolles Straßenbild.
So schön, wie sich
die Stadt den von Dir-
schau mit der Bahn Abb. 2.
kommenden Fremden
vor und hinter der Nogatbrücke bis kurz vor dem Em-
pfangsgebäude darstellt und so anmutig das Bild ist, das
sich den Besuchern der am linken Nogatufer unterhalb
der Stadt abgehaltenen Pferderennen vom Nogatdeiche
aus und den Bewohnern des Marienburger Werders von
Nordosten her bietet, so wenig entspricht diesem Eindruck
das Bild, das man im Innern erhält. Namentlich die von
der Bahnhofstraße nach dem Inneren der Stadt und
dem Schlosse führenden Straßen machen einen wenig er-
freulichen Eindruck und dürften nur durch scharfe Eingriffe
und mit großen Kosten ihrer Bedeutung als Eingangs- und
Hauptstraßen einer Fremdenstadt von der Bedeutung Marien-
burgs entsprechend umzugestalten sein.
Zwar ist schon manches getan. So sorgt die Schloß-
bauverwaltung für würdige Ausgestaltung auch der näheren
Umgebung des Schlosses, und die Gegend am Empfangs-
gebäude ist in letzter Zeit von der Eisenbahnverwaltung in
einer der Fremdenstadt
würdigen Weise ver-
bessert w^orden. Auch in
den Kreisen der Bürger-
schaft beginnt es sich zu
regen; man hat soeben
einen Verkehrsverein
gegründet, weil man es
nicht für wünschens-
wert hält, daß die Frem-
den, die das Schloß be-
suchen, nicht länger in
der Stadt weilen, als zur
Schloßbesichtigung not-
wendig ist, und weil
man der Meinung ist,
daß sie auf die Sehens-
würdigkeiten nicht ge-
nügend hingewiesen
würden. Man bedenkt
aber zu wenig, daß die
fremden Besucher auch
diese Sehenswürdig-
keiten in dem Rahmen
moderner Anlagen, in
einem schönen Städte-
bilde zu sehen ver-
langen.
Auch die Stadtge-
meinde selbst ist bereits
in anerkennenswerter
Weise damit vorge-
gangen, Grund und
Boden zu erwerben, so
namentlich in letzter
Zeit im Nordosten der
Stadt, um an der No-
gat Parkanlagen zu
schaffen, an denen es in
Marienburg, wie über-
haupt an einer waldigen
näheren Umgebung
fehlt. Doch hat sie
leider die Verunstaltung
des Städte- und zum
Teil des Schloßbildes durch nicht hingehörige und störende
Gebäude nicht zu verhindern vermocht.
Der, wie wir hören, in Aussicht stehende Erlaß einer
Bauordnung und eines Ortsstatuts gegen Verunstaltung, der
nicht bald genug erfolgen kann, wird vielleicht in mancher
Beziehung heilsam wirken; eine wirkliche Sicherheit gegen
jede weitere Verunstaltung des Städtebildes, welche die
Allgemeinheit erwarten muß, wird dadurch nicht geschaffen.
Hier kann nur ein großzügiger Bebauungs- und Stadt-
erweiterungsplan, von Meisterhand entworfen, und eine
32
DER STÄDTEBAU
mit diesem geborene, kongeniale Bauordnung und mit ihr als
Prüfungsinstanz eine Künstler- und Sachverständigenkommis-
sion die nötige Gewähr bieten, daß die großen künstlerischen,
geschichtlichen und kulturellen Werte gewahrt, und zugleich
die für Marienburg und besonders für die Vororte so wichtigen
gesundheitlichen und sozialen Gesichtspunkte nach Gebühr
gewürdigt werden. Gerade in kleineren Städten bedarf es mehr
wie anderswo des ganzen Gewichtes und der Überzeugungs-
kraftderAutorität, um die natürlichen und schärferwie anders-
wo hervortretenden Einzelinteressen auf ein das Allgemein
Interesse nicht schädigendes Maß zurückzuführen.
An der Wiederherstellung und Verschönerung dieser alten
Stätte deutscher Kultur und Kunst im Osten mitzuarbeiten, eine
schönere und würdigere Aufgabe könnte den deutschen
Städtebaukünstlern nicht gesetzt werden, eine Aufgabe, die
noch glänzender und erfolgreicher gelöst würde, wenn auch
den deutschen Architekten die Möglichkeit geboten würde, für
die neuen Gebäude eine der Stadt würdige architektonische
Form zu finden. Noch ist es nicht zu spät, doch jedes Zögern
kann nicht wieder gut zu machenden Schaden bringen.
Über die Art der Ausführung unseres Vorschlages seien
uns noch einige Andeutungen und Wünsche gestattet.
Rings um die Stadt, abgesehen von dem zu Festungs-
zwecken dienenden Gebiet, ist noch reichliches, von der Be-
bauung unberührtes Gelände vorhanden. Ein moderner Bebau-
ungsplan und eine mit diesem gleichzeitig ausgearbeitete Bau-
ordnung ist daher schon mit Rücksicht auf eine richtige Ent-
wicklung der Außenstadt und der Vororte, deren Einverleibung
zum Teil genehmigt, zum Teil nur eine Frage der Zeit ist, sowie
auf die Ausgestaltung der einmündenden Landstraßen von Be-
deutung. Hier ist eine Bebauung mit Mietskasernen ausge-
schlossen, vielmehr die Gartenstadtform und die Staffelung der
Bauordnung die einzig gegebene. Die Förderung des Kleinhaus-
baues ist gerade für Marienburg eine dringende Notwendigkeit.
Vor allem hat der Bebauungsplan für die Vorstädte aber
Rücksicht auf das Schloß zu nehmen. Überall, nicht nur
im Nordosten, ist die Schaffung der so sehr fehlenden Park-
anlagen und Freiflächen, schöner Promenaden mit Reit-
wegen für das zahlreiche Militär, sowie die Anlage reizvoller
Uferstraßen und überhaupt die künstlerische Ausgestaltung
der Gegend an der Nogat anzustreben.
^ In der Innenstadt selbst würde ebenfalls in erster Linie
gebührende Rücksicht auf die Burg als den natürlichen
Haupt- und Mittelpunkt der Stadt, durch Herstellung ach-
sialer Beziehungen, Ausgestaltung und Anpassung der
näheren und weiteren Umgebung unter Gewinnung schöner
Blickpunkte usw. zu nehmen sein.
Als nächstliegende und dringendste Aufgabe möchten
wir aber einmal die Freihaltung des zwischen Stadt (Lang-
gasse, Welscher Garten), Ostbahn und Schloß liegenden
Vorlandes und die Herstellung eines unmittelbaren, durch
dieses zu einem Park umzugestaltende Gelände führenden
Verbindungsweges zwischen Bahnhof und Schloß in Form
einer Prachtstraße bezeichnen, die sich an die Bahnhof-
straße in einer Länge von etwa 700 m anschließend, fast
durchweg unbebautes Gelände durchschneidend und den
Mühlengraben vor dem Schloß mit einer monumentalen
Brücke übersetzend, einen würdigen und schönen Zugang zum
Schloß und zu den Lauben, als der eigentlichen City, schaffen
würde. (Textbild 2.) Diese Schloßpromenade würde gleichzeitig
auch als die Zugangsstraße oder, wenn man so will, mit dem
zugehörigen Park, als die Fortsetzung des von der Stadt jen-
seits der Bahn an der Nogat anzulegenden Parkes dienen.
Außer Reit- und Radfahrwegen, müßte sie vor allem eine
Automobilfahrbahn erhalten, zur Benutzung für Se. Maj.
den Kaiser, der alljährlich, in der Regel vom Nogatbahn-
steig aus, das Schloß besichtigt, und mit Automobil auf dem
Landweg weiter zu reisen pflegt. An dieser Prachtstraße,
die als vornehmsten Schmuck die Denkmäler der um das
Ordensland und das Königreich Preußen verdienten Männer
erhalten müßte, würden Gartenwirtschaften vornehmen Stils
u. dgl., an denen es zurzeit dort mangelt, anzulegen sein.
Die Verbindung nach der Innenstadt würde durch Durch-
brüche nach der Langgasse herzustellen sein.
Es fehlt ferner eine schöne große Promenade, die um
die Stadt und ebenso um das Schloß herumführt. Schöne
Blicke auf das Schloß und die Nogat würden bei Neu-
herstellung oder Umgestaltung der Straßen (Durchbrüche)
zu gewinnen sein. So ließe sich eine städtebauliche Anlage
schaffen, die im Verein mit dem durch Steinbrechts Meister-
hand wieder neu aus den Trümmern erstandenen Schlosse
ein Ruhmesblatt in den Jahrbüchern deutscher Städtebau-
kunst bilden würde.
Es erscheint natürlich ausgeschlossen, daß die nicht
reiche und schwer heimgesuchte Stadt (Kommunalzuschlag
zur Einkommensteuer 300%) die erforderlichen großen
Mittel für ein Unternehmen von allgemeiner nationaler Be-
deutung allein aufbringen kann. Wir zweifeln nicht daran, daß
sich ebenso wie für die Wiederherstellung der Burg auch für
einen entsprechenden Ausbau der Stadt die nötigen Mittel finden
werden, vielleicht in Form einer Lotterie oder dergleichen.
Die natürlichste und schönste Lösung dieser Frage würde es
sein, wenn der Verein für die Herstellung und Ausschmückung
der Marienburg auch der Ausgestaltung der Stadt im ganzen
Umfange, oder wenigstens in ihren wichtigsten Teilen —
etwa um ein Beispiel herauszugreifen, bei Herstellung einer
Prachtstraße vom Bahnhofe nach dem Schlosse und zum
Schutze des Vorlandes des Schlosses gegen Verunstaltung
bzw. Anlage eines Schloßparkes — , einen Teil seiner so
verdienstvollen Arbeit zuwenden wollte.
WARUM GIBT ES NOCH KEINE GARTENSTADT
BEI BERLIN?
Von B. WEHL in Hermsdorf bei Berlin.
Es ist bedauerlich, diese Frage noch immer stellen zu
müssen. Nur eine Kolonie — die „Freie Scholle" bei Tegel
— haben wir, die mit sehr hoher Beleihung zu sehr niedrigem
Zinsfuß (aus Reichsmitteln) recht erfreuliche Fortschritte
zu machen scheint. An einer Gartenstadt ist nichts zu ver-
dienen, darum hat sich das Privatkapital dieses gewiß zug-
33
DER STÄDTEBAU
kräftigen Geschäftszweiges noch nicht bemächtigt ! Es gibt
keine Gartenstadt, die ohne Wohltätigkeit in irgendeiner
Form bestehen könnte. Das ist keine Schande. Man ver-
sucht es aber stets zu leugnen.
Unsere neueste Ergänzung der Bauordnung hat nun
auch die letzten polizeilichen Hindernisse beseitigt und
gestattet in großem Umfange Reihenhäuser. Wir haben
vernünftige Gemeinden, die für solche Zwecke billige schmale
Wohnstraßen zulassen. Wir haben billiges Land (7—8 Mk.
für 1 qm geregelten Nettobaulandes) mit Gas-, Wasser-
und Entwässerungsleitungen, mit Schulen am Orte und
dicht am Bahnhofe, mit vorzüglichen Verbindungen zu be-
nachbarten Industrieorten (ftir 10 Pfg.) und zur Stadt (20 Pfg.).
Es gibt noch keine Gartenstadt mit gleich günstigen äußeren
Lebens- und Vorbedingungen, wie sie hier geboten werden.
Und doch entstehen keine bei Berlin!
Es fehlt zunächst die Teilnahme unserer Großindustrie
und einiger Förderer, die das anfängliche Betriebskapital
zinslos oder zu sehr mäßigem Zinsfuß vorstrecken. Es
fehlt am rechten Anreiz bei den für die Beleihung in Frage
kommenden Instituten. Für private Beleihung von Reihen-
einzelhäusem muß der geldgebende Kleinkapitalist erst er-
zogen werden. Auch ihm schwebt noch das falsche Idol
der allseitig freistehenden „Villa" vor. Es fehlt ferner in
Berlin an geschäftskundigen, bewährten und gutberufenen
Organisatoren, deren Namen allein den Behörden und dem
Publikum Vertrauen einflößen.
Die wenigen Vorortgemeinden, welche für Gartenstadt-
gründungen in Frage kommen, sollten sich jede erdenkliche
Mühe geben, einen soliden Bürgerstand damit heranzulocken,
dessen Sorge für gute Wohnweise seine beste Empfehlung
sein würde. Solche Gemeinden wären leicht in der Lage,
durch Übernahme der Bürgschaft und Überwachung die
Beleihungsfrage lösen zu helfen. Bis zur Einführung der
Erbpacht wird noch viel, viel Zeit vergehen. Man mag bei
uns nichts davon wissen. Auch in England pachtet nur
der, den die Verhältnisse dazu zwingen. Wer es irgend
ermöglichen kann, kauft ein "freehold site".
Die untere Grenze für die Größe eines Reihenhaus-
grundstückes ist 250 qm; größere Gärten erfordern fremde
Hilfe zur Pflege. Ein massives Haus von recht bescheidenen
Größenabmessungen kostet mindestens 6000 Mk. Hieraus
erhellt, daß der billigste Bodenpreis nicht für die Wahl des
Geländes allein ausschlaggebend sein darf. Es stellt immer nur
einen kleinen Bruchteil des Gesamtobjektes dar. Um 100
bis 200 Mk. an der Baustelle zu sparen, macht man in der
Regel den Fehler, viel zu entlegenes unreifes Baugelände
zu erwerben. Die untere Mietspreisgrenze beträgt also
etwa 450 bis 500 Mk. Für noch weniger Geld ein Eigen-
haus bieten zu wollen, ist unmöglich, es sei denn im Zwei-
familien-Reihenhause. Wer das Gegenteil behauptet, soll
es durch die Tat beweisen.
Man vergleicht gern englische Verhältnisse mit Deutsch-
land. Für so leichtsinnige und billige Bauart (die hier ebenso
billig ausführbar wäre) würde man sich bestens bedanken
müssen. Ebenso falsch ist es, die großstädtischen
Wohnungspreise (unter Anführung äußerster Fälle) mit
denen einer Vorortgartenstadt vergleichen zu wollen. In
dem gleichen Vorort gibt es in der Regel recht hübsche,
gesunde und billige Mietswohnungen, die für den gleichen
Mietspreis naturgemäß sogar räumlich etwas mehr bieten,
als dafür im Eigenhaus geboten werden kann.
Sobald das erste moderne Gartenstadtbeispiel bei Berlin
entstanden sein wird, werden weitere gewiß baldigst folgen.
Es sollte mich freuen, wenn diese Zeilen einige Anregungen
dazu geben.
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
Wir bitten um gefällige Zusendung aller einschlägigen neuen
Bücher und Schriften, die wir unter dieser Übersicht regelmäßig an-
zeigen werden; wir übernehmen aber keine Verpflichtung zur Be-
sprechung und Rücksendung.
"pvlE EINHEITLICHE BLOCKFRONT ALS RAUM-
■*-' ELEMENT IM STÄDTEBAU. Ein Beitrag zur Stadtbau-
kunst der Gegenwart von Walter Curt Behrendt. Berlin igii.
Bruno Cassirer Verlag.
"p\IE VERKEHRSAUFGABEN DES VERBANDES
■*-' GROSS-BERLIN. Vortrag, gehalten zum Schinkelfest des
Architektenvereins zu Berlin den 13. März 1911 von Richard Petersen.
Berlin 191 1. Carl Heymanns Verlag.
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^^ BERLIN. Preisgekrönter Wettbewerbsentwurf der Professoren
Josei Bris, Stadtbaurat a. D., Felix Genzmer, Kgl. Geheimer Hof-
baurat und der Hochoahngesellschaft, Gesellschaft für elektrische Hoch-
und Untergrundbahnen in Berlin. Mit 28 Abbildungen und 8 teils
farbigen Tafeln. Berlin 1311. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn.
Geheftet 5,— Mk., gebunden 6,— Mk.
DIE DEUTSCHE GARTENSTADT-BEWEGUNG. Mit
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Gartenstadt-Gesellschaft, Berlin-Schlachtensee. Preis 2, — Mk.
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Von Architekt J. V. Eugen Faßbender, K. K. Baurat, Wien.
Leipzig und ^A^ien, Franz Deuticke. 19 12.
DIE PRAXIS DES VERMESSUNGSINGENIEURS. Geo
dätisches Hand- und Nachschlagebuch für Vermessungs-, Kultur
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liehe Institute und Vereine bearbeitet von Alfred Abendroth, Kgl
Vermessungsdirigent bei der Landesaufnahme in Berlin. Mit 129 Text
abbildungen und 13 Tafeln. Berlin, Verlagsbuchhandlung Paul Parey,
1912. Preis geb. 28, — Mk.
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GELÄNDE UND DEN FESTPLATZ DER STADT
KARLSRUHE. Von Professor Karl Moser, hochbautechn. Referent
des Großh. Badischen Finanzministeriums (Eisenbahn-Abteilung). Karls-
34
DER STÄDTEBAU
ruhe i. B. igi2. — C. F. Müllersche Hofbuchhandlung m. b. H. Preis
brosch. 2, — Mk.
Die Stadt Karlsruhe steht gegenwärtig an einem wichtigen \A^ende-
punkt ihrer Entwicklung. Durch die Verlegung des Bahnhofs wird ein
großes Gelände frei, das künftighin als ein vollständig neuer Stadtteil
die Fortsetzung der Altstadt vom Ettlinger Tor an und das Haupt-
verbindungsglied mit dem neuen Bahnhof bilden wird. Zugleich steht
die Erbauung von einer Reihe öffentlicher Gebäude bevor, die teils die
Stadt, teils der Staat in den nächsten Jahren ausführen lassen werden:
so die städtische Ausstellungshalle, das städtische Sommertheater, das
Landesmuseum, das Landesgewerbeamt usw. In voller Würdigung der
Bedeutung der Sache für die künstlerische und wirtschaftliche Entwicklung
von Karlsruhe, haben sich Staat und Stadt vereinigt, um diese großen
Aufgaben zii einem einheitlichen \Verk zu gestalten, das den gegen-
wärtigen Aufschwung der Residenzstadt zum Ausdruck bringen und zu-
gleich ihrer künftigen Entwicklung Rechnung tragen soll. In diesem
Sinne wurde Architekt Professor Karl Moser mit der Ausarbeitung eines
Bebauungsplanes für den neuen Stadtteil beauftragt, der die Grundlage
für dessen künftigen Ausbau mit Straßen und Plätzen, öffentlichen und
privaten Gebäuden bilden soll. Um diese Arbeit den weitesten Kreisen
zugänglich zu machen, ist vom Großherzoglich Badischen Finanzministerium
darüber eine Broschüre veröffentlicht worden, die an der Hand zahlreicher
Pläne, Zeichnungen und wirkungsvoller Einzeldarstellungen, von einem
kurzen, über die wichtigsten Gesichtspunkte erläuternden Vorwort be-
gleitet, ein anschauliches Bild der dort niedergelegten künstlerischen Ge-
danken gibt. Die Mosersche Broschüre sei nicht nur den engeren
Kreisen der Fachleute, sondern auch den weitesten Kreisen der Öffent-
lichkeit empfohlen.
•DERICHT ÜBER DIE VERWALTUNG DER RESI-
^-^ DENZSTADT POSEN für die Zeit vom I. April 1910 bis
31. März igii mit eingehenden Mitteilungen über die Erschließung der
Villenanlage Solatsch, die Entfestigung der Stadt, den Straßenbau usw.
MITTEILUNG.
Zu der die Bildung eines ZWECKVERBANDES FÜR GROSS-
BERLIN VORBEREITENDEN GESETZESVORLAGE
hatten unter Führung des Geh. Baurats Dr.-Ing. March die Herren Geh.
Regierungsrat Professor Dr.-Ing. Dolezalek, Universitätsprofessor Dr. Eber-
stadt, Landesbaurat Professor Goecke, Wirkl. Geh. Oberbaurat
Launer, Geh. Regierungsrat Dr.-Ing. Muthesius, Geh. Baurat und vor-
tragender Rat Saran, Professor Schultze-Naumburg und Baurat Stapf an
beide Häuser des Landtages folgende Eingabe gerichtet:
i.Dem Schlußsatz des § 5 zuzufügen: ,, falls nicht in besonderen Fällen
eine Vorlage vom Verbandsausschuß beschlossen wird."
2. Hinter § 31 einzufügen: ,,Dem Verbandsdirektor ist ein Sachverständigen-
beirat zugeteilt, der sich aus Vertretern der Städtebaukunst, des Ver-
kehrswesens, der Volkswirtschaft und der Hygiene zusammensetzt,
die nicht Mitglieder einer beteiligten kommunalen Verwaltung sind.
Dieser Beirat ist auf Wunsch des Verbandsdirektors, auf Beschluß des
Verbandsausschusses oder auf eigenen Antrag gutachtlich zu hören."
3. Bei § 5 einzuschalten: ,, Der Verband hat für das Verbandsgebiet unter
Mitwirkung des Beirats einen allgemeinen Grundplan aufzustellen, der
die Führung der Verkehrslinien, die Hauptstraßenzüge, sowie die Ver-
teilung der Freiflächen, der Wohn- und Industriegebiete ersichtlich
macht."
Begründung.
Zu I. Der Zusatz zu § 5: ,, falls nicht in besonderen Fällen eine
Vorlage vom Verbandsausschuß beschlossen wird" scheint den Unter-
zeichneten aus dem Grunde notwendig, weil
a) in gegebenen Fällen gerade die Aufteilung der Baublöcke für die
richtige Boden- und ^A^ohnpolitik eine wesentliche Handhabe bietet,
b) mit dem Recht, daß Verbreiterungspläne vorhandener Straßen grund-
sätzlich von der Vorlage ausgeschlossen werden dürfen, fast alle etwa
erforderlichen Umgestaltungen in den einzelnen Gemeinden dem Ein-
fluß berufener Vertreter der Allgemeinheit entzogen würden, den aus-
zuüben in besonderen Fällen die Gesamtbevölkerung ein berechtigtes
Interesse hat.
Zu 2. In den Fragen des Verkehrs und der Beschaffung von Frei-
land werden wohl durch den Zweckverband die beabsichtigten Ziele er-
reicht werden. In den Fragen der Hygiene, der ^Vohnpolitik und der
städtebaulichen Kunst wird aber eine Einbeziehung derjenigen Interessen-
kreise vermißt, die sich neuerdings in Vereinen und Ausschüssen nach-
drücklich zur Geltung gebracht haben, und denen die neue Entwicklung
des Städtebaues in erster Linie zu danken ist.
Es sei gestattet, ferner auf den grundlegenden Unterschied hinzu-
weisen, der zwischen den Geschäften der Fachverwaltungen und den
weiteren Aufgaben des Städtebaues besteht. Für jede Fachverwaltung
besitzen unsere Gemeinden und der zu schaffende Zweckverband Beamte
mit berufsmäßig abgeschlossener Ausbildung. Ein solches abgeschlossenes
Fachgebiet ist der Städtebau nicht. Fortgesetzt treten hier neue Probleme
auf, denen der einzelne technische Beamte, auch wenn er in seinem Fach
der hervorragendste wäre, nicht oder nicht auf die Dauer zu folgen Ver-
mag. Für die Erfüllung der wechselnden und verantwortungsvollen Auf-
gaben bedarf es vielmehr eines Beirates, der den verschiedenen Arbeits-
gebieten des Städtebaues entsprechend zusammengesetzt ist, und der zu-
gleich durch die Ergänzungsfähigkeit seiner Mitglieder dem jeweiligen
Stande der Entwicklung gerecht wird.
Die Mitwirkung eines nach diesen Grundsätzen gebildeten Beirates
würde auch durch die Vermeidung zeitraubender Umfragen eine Be-
schleunigung des Geschäftsganges zur Folge haben. Für die Zusammen-
setzung des Beirates empfehlen die Unterzeichneten, daß er aus mindestens
neun, höchstens 15 ehrenamtlich berufenen Mitgliedern besteht, von denen
vier durch den Verbandsausschuß, vier durch die zuständigen Ressorts zu
wählen sind. Im übrigen ergänzt er sich durch Zuwahl.. Bei diesen
Wahlen ist der Akademie der Künste, der Akademie des Bauwesens und
denjenigen Vereinen, die durch die zuständigen Ressorts bestimmt werden,
ein Vorschlagsrecht einzuräumen.
Da die Wahlen in die Verbandsversammlung und in den Verbands-
ausschuß, die Ernennung des Verbandsdirektors und seiner Beamten aus
den kommunalen Vertretungen hervorgehen, werden sich die Organe des
Verbandes vermutlich aus den jetzigen Vertretern zusammensetzen, die
bisher verpflichtet waren und auch künftig verpflichtet sein werden, in
erster Linie die Interessen der eigenen Kommunen zu wahren. Es fehlt
eine ergänzende Vertretung der allgemein auf die Gesamtheit von Groß-
Berlin bezüglichen Bestrebungen und Interessen.
Aus diesem Grunde bitten die Unterzeichneten, im Gesetz die
Schaffung eines Beirates vorzusehen, der durch seine Zusammensetzung
die Gewähr leistet, daß die Gesamtheit der für Groß-Berlin zu erfüllenden
Aufgaben ständig im Auge behalten wird, und der sowohl durch sach-
liche Beratung als auch durch selbständige Anregungen zur Lösung der
künftigen wichtigen Aufgaben wesentlich beizutragen imstande ist.
Zu 3. Ohne einen zusammenhängenden Gesamtplan, der als all-
gemeine Unterlagen die Verkehrsbedingungen, die Verteilung der Frei-
flächen, der Wohn- und Industriegebiete ins Auge faßt, wird auf einen
wesentlichen Vorteil verzichtet, der durch den Verband erzielt werden
müßte.
Bekanntlich ist es abgelehnt worden, dem Zweckverbande derartige
Verpflichtungen aufzuerlegen. Jedoch steht es ihm frei, aus sich selbst
heraus der Anregung Folge zu geben — die Begründung trifft auch heute
noch in vollem Umfange zu und wird deshalb noch nachträglich unseren
Lesern mitgeteilt.
35
DER STÄDTEBAU
CHRONIK.
In der Sitzung des Stadtverordnetenkollegiums zu Reichenberg (in
Deutschböhmen) vom 24. Januar 1912 wurde nach einem Berichte
und Antrag des St.-V.-Ing. Th. Stradal beschlossen, ZUR ER-
LANGUNG VON ENTWÜRFEN FÜR EINEN VER-
BAUUNGSPLAN VON REICHENBERG UND VORORTEN
und des Stadtgebietes von Reichenberg für sich einen für alle Fach-
männer (deutscher Nationalität) auf dem Gebiete des Städtebaues geltenden
Wettbewerb mit Preisen von 6000 K, 4000 K und 2000 K (zwei weitere
Entwürfe zum Ankauf mit je 1000 K) auszuschreiben. Die Ausschreibung
selbst soll nach Fertigstellung der planlichen Unterlagen voraussichtlich
am I. Juni d. J. erfolgen.
I lei Eröffnung des neuen Klubhauses des CITY CLUB OF
■*"^ CHICAGO im Januar d. J. wurde eine Ausstellung ver-
anstaltet, die in Vorführung der sozialen Aufgaben der Stadt eine die
Anlage und Unterhaltung von öffentlichen Parks und Parkstraßen, sowie
von Baumpflanzungen, von Spielplätzen und Bädern, von Uferstrand und
Wald umfassende Abteilung enthielt und in einem besonderen Haupt-
teile die Stadtplanung behandelte mit der Geschäftsmitte, die Abstufung
der Bebauung und den auf der Begründung von Gartenstädten ge-
richteten Bestrebungen, ferner die Kunst in der Stadt, die Art der Her-
stellung von Straßen, Alleen und Brücken, die Verkehrsverhältnisse samt
den Häfen und Wasserwegen.
Die ursprünglich von unserem Vaterlande ausgegangene Städtebau-
bewegung hat nicht nur weitere ^A^ellen geworfen, sondern mit der Ent-
fernung vom Mittelpunkt aus sogar stärker wachsende, nachhaltigere, so
daß es an unsere Ohren wie eine Mahnung herüberklingt, nicht nach-
zulassen in der praktischen Verfolgung des Zieles, immer wieder aufs
neue hinzuweisen auf das, was uns not tut. Ist diese sich über drei
Geschosse des Klubhauses erstreckende Ausstellung doch schon die
Nachfolgerin einer ganzen Reihe ähnlicher Veranstaltungen in den Ver-
einigten Staaten Nordamerikas und sicherlich noch nicht die letzte!
■1-Xer für ein rund 10 ha großes, östlich der Haupt- und Sponholzstraße
•^-^ sich bis zur Rubensstraße erstreckendes 'WOHNGELÄNDE
DER STADT SCHÖNEBERG zwischen Ringbahn und Wannsee-
bahn neu aufgestellte Bebauungsplan hat die Königliche Genehmigung
erhalten. Damit wird die bisherige Schablone der Stadtplanung ver-
lassen und mit vollem Bewußtsein einem Ziele zugesteuert, das die
neuere Städtebaulehre mit der scharfen Unterscheidung von Verkehrs-
straßen und 'Wohnplätzen aufgestellt hat. Zunächst ist es freilich ein
Versuch, ein Versuch im großen, der den Nachweis erbringen soll, daß
es wirtschaftlich durchführbar ist, überflüssige Straßenbreiten durch Grün-
flächen zu ersetzen, übermäßige Blocktiefen auf das Maß einer Vorder-
hausbebauung einzuschränken und gemeinsame Innenanlagen unter ent-
sprechender Belastung der daran beteiligten Einzelgrundstücke zu schaffen.
Ein Versuch aber auch, der in vollem Einvernehmen des Magistrats
mit der Boden-Aktiengesellschaft Berlin-Nord gemacht wird, obwohl diese
Gesellschaft bereits das Gelände auf Grund des älteren Bebauungsplanes
erworben hatte. Es gereicht dies in gleichem Maße der Geschicklichkeit
des städtischen Unterhändlers, Stadtrats Dr. Licht, wie der geschäftlichen
Vorurteilslosigkeit der Bodengesellschaft zur Ehre. Wenn, wie die sorg-
fältige Berechnung verheißt, der Versuch glückt, dann eröffnet sich zum
ersten Male in Groß-Berlin die praktische Möglichkeit von der üblichen
Hofverbauung an öden Straßen loszukommen. Der Plan ist vom Stadt-
bauinspektor Paul Wolf verfaßt, der sich seinerzeit unter Mitwirkung des
Regierungsbauführers Freymüller einen II. Preis im Wettbewerbe um
einen Bebauungsplan für das Schöneberger Südgelände errungen hat.
Den Mittelpunkt des anderen Wohnviertels bildet eine etwa 13500 qm
große, auf der höchsten Stelle des Geländes gelegene Freifläche mit
einem bereits in groben Zügen angelegten Park von 7500 qm.
Um diese Freifläche, die von 5,0 m breiten Fahrdämmen und 2,5 m
breiten Bürgersteigen umgeben ist, möglichst groß zu gestalten, wurden
auf beiden Längsseiten des Parks 6,46 bzw. 5,30 m tiefe Höfe nach
vorn gelegt, dergestalt, daß diese Flächen bei der Berechnung der zu-
lässigen Bebauung (Bauklasse I ''10 Bebauung, bei Ecken »10; vier
Geschosse; geschlossene Bauweise) als Höfe zählen, durch Eintragung in
Abteilung 3 des Grundbuchs jedoch sichergestellt wird, daß diese Flächen
dauernd zu allen Zwecken benutzt werden, welche auf und unter der
Erde angebracht zu werden pflegen. Zugänglich gemacht wird dieser
Park von Norden und Süden durch je eine 18 m breite, auch für den
Fahrverkehr eingerichtete Straße. Von Westen nach Osten führen weiter
zwei dem Gelände sich anpassende Staff'elwege für Fußgänger von 7 m
Breite zwischen 5,5 m breiten Vorgärten nach dem Park.
Die Parkanlage selbst gliedert sich entsprechend den einmündenden
Straßen in drei Teile:
eine große zusammenhängende Rasenfläche,
einen Sandspielplatz für Kinder und
ein von Hainbuchenheckenlauben umsäumtes ovales Wasser-
becken mit einem Wasserstrahl in der Längsachse des
Parkes.
Eine Promenade von bis 16 m hohen, rotblühenden Kastanien, die
sämtlich einem alten, früher hier vorhanden gewesenen Park entnommen
sind, umschließt die ganze Anlage.
Die einzelnen Baublöcke sind langgestreckt und mit geringer Tiefe
derart angelegt, daß fast durchweg Seitenflügel vermieden werden. Da-
durch entstehen große, zum Teil über 200 m lange und 20 m tiefe Höfe
im Innern der Baublöcke, die gemeinschaftliche Innenparkanlagen
bilden sollen; für einzelne Baublöcke werden kleine, besondere Wirtschafts-
höfe angelegt; im übrigen wird durch grundbuchliche Eintragung fest-
gesetzt, daß die einzelnen Hausbesitzer eines Baublocks einen entsprechen-
den Teil ihres Hofes dauernd zur Einrichtung eines von der Stadt-
gemeinde Schöneberg zu unterhaltenden Innenparkes verwenden werden,
und daß demgemäß auf dem Grundstück solche Anlagen errichtet und
solche Handlungen vorgenommen werden können, welche diese Verwen-
dung mit sich bringen. Diese Grünflächen im Innern der Baublöcke
bilden vorwiegend Erholungsanlagen; ein kleinerer Teil ist für Kinder-
Spiel- und -Turnplätze vorgesehen. 12 m breite Bauwiche an geeigneten
Stellen ermöglichen eine Durchlüftung der Innenanlagen und gestatten
gleichzeitig reizvolle Einblicke. Die Vorgärten des neuen Wohnviertels
werden mit Hainbuchenhecken eingefriedigt und einheitlich angelegt.
Auf der einen Seite des Parkes treten an Stelle der Vorgärten einheitlich
mit Balustraden durchgeführte Balkonterrassen. Die Anlage dieses Innen-
parkes und der sämtlichen vorderen gärtnerischen Anlagen in den Vorgärten,
an den Hausfronten und Balkonterrassen übernimmt die Bodengesellschaft
auf eigene Kosten nach den Plänen und unter Aufsicht der Stadtgemeinde.
Die Unterhaltung dieser gärtnerischen Anlagen (mit Ausnahme des zen-
tralen, öffentlichen Parkes, dessen dauernde Unterhaltung die Stadt über-
nimmt) besorgt auf Kosten der Eigentümer der Hausgrundstücke die
Stadtgemeinde.
Dem in allen diesen sich ausdiückenden Streben nach einheitlicher
Wirkung sollen auch die zu schaffenden architektonischen Straßenbilder
entsprechen. Insbesondere soll die Randbebauung des horizontal
liegenden zentralen Parkes durchgehende Hauptgesimse und einheitlich
durchlaufende Dachflächen zeigen.
Die Unterlagen aller zur Ausschreibung gelangenden Wettbewerbe
können in den Geschäftsräumen des Verlags Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin W., Markgrafenstraße 35, wochentäglich in den Stunden von
10 — 4 Uhr unentgeltlich eingesehen werden.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. - Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 35.
Gedruckt bei Herros^ & Ziemsen, G.m.b.H., Wittenberg. - Klischees von Carl Schutte, Berlm W.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 65.
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9. Jahrgang
1912
4. Heft
DER STÄDTEBAU.
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** NEBST EINER SONDERBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT
**
INHALTSVERZEICHNIS: Bebauungsplan für das städtische Gelände zwischen der HohenzoUern-, Töpfer-, Ziegelstraße und der Mosel in Trier. Von
Dipl.-Ing. Paul Mauder, Lehrer der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Trier. — Die Geschichte des Berliner Opernplatzes. Von B. Fischer, Berlin. —
Die Unterneustädter Mühle in Kassel. — Das englische Städtebaugesetz vom 3. Dezember 1909. Von Privatdozent Dr.-Ing. Bmerich Forbäth, Budapest. —
Mitteilung. — Neue Bücher und Schriften. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
BEBAUUNGSPLAN FÜR DAS STÄDTISCHE
GELÄNDE ZWISCHEN DER HOHENZOLLERN-,
TÖPFER-, ZIEGELSTRASSE UND DER MOSEL
IN TRIER.
Von Dipl.-Ing. PAUL MAUDER, Lehrer der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Trier.
Zur Sanierung des St. Barbara -Viertels an der Mosel,
einer alten, malerischen Häusergruppe, die nur noch
einzelne brauchbare, zum Teil sehr hübsche Gebäude ent-
hält, zum größten Teil aber baufällig und für unsere Be-
griffe unbrauchbar geworden ist, war die Stadt gezwungen,
die in betracht kommenden Grundstücke samt dem der-
zeitigen Bestand aufzukaufen und niederzulegen. Bevor
nun mit dem Abbruch der Wohnhäuser und damit der Be-
seitigung einer Wohngelegenheit von verhältnismäßig be-
deutendem Umfang begonnen werden konnte, war es zur
Vorbeugung einer sonst entstehenden Wohnungsnot geboten,
an anderer Stelle Ersatz für die in Wegfall kommenden
Wohnungen zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde das
zwischen der HohenzoUern-, Töpfer-, Ziegelstraße und der
Mosel gelegene Gelände erworben.
Da die abzureißenden Häuser durchweg von Leuten mit
bescheidenen Wohnungsanforderungen bewohnt werden,
konnten zur Bebauung des neu erworbenen Geländes nur
Kleinwohnungen in betracht kommen, um so mehr, als
Trier keinen Überfluß an solchen W^ohnungen aufzuweisen
hat, die nach den heute üblichen Regeln der Baukunst und
der Gesundheitspflege angelegt sind.
Das vollständige Bebauen des 30 870 qm großen Grund-
stückes mit Kleinwohnungen war aus wirtschaftlichen Gründen
nicht ratsam. Der Kaufpreis von 6,75 Mk. für den Quadrat-
meter hätte bei der veranschlagten Summe von 150000 Mk.
für Straßenbaukosten^ eine zu dichte Bebauung, anderer-
seits zu viel Stockwerke erfordert, um eine Belastung der
Stadt zu vermeiden. So entschloß man sich, an der bereits
angelegten Hohenzollernstraße und an dem Teil des Grund-
stückes, der nach der Mosel zu liegt und den Ausblick über
die Mosel auf die jenseits liegenden Hänge des Markus-
berges, des Mohrenkopfes und der Eurener und Zewener
Berge sichert, einen Streifen von durchschnittlich 40 m Tiefe
unbebaut zu lassen und dem Verkauf für die Erbauung
größerer Wohnungen vorzubehalten. Bei einem Verkaufs-
preis von 30 Mk. für 1 qm würde sich dann der Preis für
das Gelände der Kleinwohnungen auf 10 Mk. für. den
37
DER STÄDTEBAU
Quadratmeter, beide 'Werte straßenbaukostenfrei, stellen,
und eine wirtschaftlich und städtebaulich gleich günstige
Bebauung ermöglicht werden bei der Absicht der Stadt-
verwaltung, die Ausführung der Neubauten Privatunter-
nehmern oder einer Genossenschaft zu überlassen unter
der Bedingung, daß die Bauten nach dem Programm und
unter der Aufsicht der Stadtverwaltung aufgeführt und zu
einem billigen Preis (etwa ö^/q der Selbstkosten) vermietet
würden.
Unter dem Einfluß dieser Erwägungen entstand das
Programm für den „Ideen -Wettbewerb zur Erlangung von
Skizzen für die Bebauung des in Trier zwischen der Hohen-
zollern-, Töpfer-, Ziegelstraße und der Mosel belegenen
Grundstückes," wonach als Gegenstand des für die
Architekten Triers offenen Wettbewerbs Vorschläge für die
gesamte Aufteilung des im Lageplan angegebenen Grund-
stückes, sowie für die einzelnen Wohnhaustypen der hier zu
errichtenden Wohnungen gefordert waren. Bei der Auf-
teilung war Wert darauf zu legen, daß im Innern des Ge-
ländes Kinderspielplätze geschaffen und die Hofflächen
möglichst zusammenhängend so angelegt würden, daß
diese, mit gärtnerischen Anlagen versehen, eine Erholungs-
stätte für die Bewohner bilden und eine gute allseitige
Durchlüftung und Belichtung der Gebäude ermöglichen
könnten.
Die Kleinwohnungshäuser, von denen ein Teil als
Einzelwonhäuser vorzusehen war, sollten über dem Erd-
geschoß höchstens zwei Obergeschosse erhalten. Von den
herzustellenden Kleinwohnungen sollten etwa:
ein Viertel aus 1 Zimmer und Küche (Wohnküche) m. Zubehör
„ „ „2 Zimmern „ „ » „
4
bestehen. Jede Wohnung müßte für sich abgeschlossen
sein und innerhalb des Abschlusses einen eigenen Abort
erhalten. Bei einigen der Häuser war der Anbau von
kleinen Werkstätten und Kleinviehställen vorzusehen. Für
die Aufteilung des auf den Tafeln 19 und 20 wiedergegebenen,
mit einem 1. Preis ausgezeichneten Entwurfes war die Über-
legung maßgebend, daß eine Durchquerung des für größere
W^ohnungen vorgesehenen Geländes an der Mosel mit einer
Straße aus Verkehrsrücksichten nicht geboten ist und daß
die vor diesen Grundstücken längs der Mosel laufende
breite Straße (Uferstraße), die als Fortsetzung der mosel-
abwärts schon angelegten Allee gedacht ist, eine ge-
schlossene, von Vorgärten begleitete Häusergruppe als
wünschenswert erscheinen läßt.
Damit war der Richtweg der notwendigen Straßen an-
nähernd von Nord nach Süd festgelegt; die Anzahl zwei
ergab sich aus der Geländetiefe. Um nicht zu viel Fläche
durch das notwendige Durchschneiden des teuren Geländes
an der Hohenzollernstraße zu verlieren, sind beide Straßen
an deren Einmündung überbaut, die Fahrstraße von den
seitlich liegenden Fußgängersteigen durch Pfeilerstellungen
getrennt gedacht.
Für die weitere Entwicklung der Aufteilung war die
Absicht leitend, die Grenze, die sich durch die Trennung
in ein Gelände für größere Wohnungen und ein Gelände
für Kleinwohnungen ergibt, nicht durch unschöne, fenster-
lose Brandgiebel zu verunzieren. Dadurch werden beide
■yiiel- 4yimmrigeli/ffftrwtigm-
■eine ■^■DiminrigrMohnung
■eines
eine- 3:)imrig( l/i/ohnm^-
■eine ^^imrige-Mmnij-
■ eine Z^ -
Abb. I —4. Kleinwohnungen.
Grundstücksarten durch Höfe mit Gartenanlagen getrennt.
Nur an der Grenze gegen die Privatgrundstücke an der
Töpferstraße ließ sich diese Absicht nicht vollständig durch-
führen. Die übrige Anordnung ergab sich durch die ver-
langten Spielplätze, so daß zwei Arten von Häusern ent-
standen, solche, die von zwei Seiten zugänglich sind und
gegen die Spielplätze stoßen und solche mit nach rückwärts
liegenden Höfen, die mit gärtnerischen Anlagen ausgestattet
werden können.
Den Übergang von den größeren Wohnungen zu den
Kleinwohnungen bilden die Einzelwohnhäuser, mit ver-
bindenden niederen Werkstättenanlagen und Baumgruppen
bzw. Vorgärten. Auch die Spielplätze sind mit Baumgruppen
bepflanzt gedacht. Großer Wert wurde auf ruhige Dach-
linien gelegt, die Gesamterscheinung sollten weiß geputzte,
einfache Mauermassen mit wenig notwendigen Giebeln und
ruhige Dachflächen bilden, unterbrochen vom Grün der
Bäume auf den Spielplätzen.
38
DER STÄDTEBAU
DIE GESCHICHTE DES BERLINER
OPERNPLATZES.
Von B. FISCHER, Berlin.
Seit dem Oktober des Jahres 1910*) zeigt der Berliner
Opernplatz ein neues Gesicht. Der Umbau derKönigl. Biblio-
thek und des Opernhauses ist vollendet worden. Die erstere,
die zu einem Aula- und Hörsalgebäude für die Universität um-
gestaltet ist, zeigt diese Veränderung im Äußeren nur durch
eine steilere und die Gliederung des Gebäudes mehr be-
tonende Dachförm und durch den veränderten Vorgarten,
der jetzt zu allen drei Türen im Mittelrisalit den Zugang frei
gibt — obgleich im Innern kaum ein Stein auf dem anderen
gelassen wurde. Gründlicher scheint der Aufbau des Bühnen-
hauses aul dem Opernhaus und der Anbau des Garderoben-
flügels mit dem alten Bilde zu brechen. Doch da dieser Zu-
stand nur ein vorübergehender sein und nach Vollendung
des Neubaues das Gebäude wieder in den ursprünglichen
Zustand versetzt werden soll, so tritt hier nur noch mehr
die Schonung hervor, die man bei den Umbauten hat walten
lassen, und die Zukunft selbst lenkt den Blick zurück auf
die Geschichte des Platzes, dem man so viel Achtung zollt.
Während aber die Zeitungen höchstens Bemerkungen
über den geschichtlichen Platz brachten, ist es sicher eben
so lohnend, auch die Vorgänge zu betrachten, die vor seiner
eigentlichen Platzwerdung liegen, die sein Dasein gewisser-
maßen im Voraus bestimmten und seine Grenzen festlegten.
Wenn man die Bilder in zeitlicher Reihenfolge an seinem
Auge vorüberziehen läßt, die sich dem Betrachter auf der
Stelle des späteren Opernplatzes durch die Jahrhunderte
boten, so erlebt man den wichtigsten Teil der baulichen
Entwicklung Berlins selbst mit; kein Platz hat so viel davon
mit angesehen wie dieser, der an der Grenze dreier seiner
Kernstädte liegt.
Jahrhundertelang sah es zunächst so aus, als sollte die
Gegend unseres Platzes überhaupt nicht bebaut werden.
Bis ins 17. Jahrhundert hinein war die Bebauung fast nur
auf das rechte Spreeufer und auf Kölln beschränkt, bis
um 1650 der Ausblick auf die Schloßbauten durch nichts
behindert. Auf dem linken Ufer dehnte sich Heide- und
Sumpfland, auf dem nur strichweise die Köllner Bürger ihre
Äcker oder Gärten hatten. Unser Platz im besonderen lag auf
sumpfigem Gelände. Nur die Gertraudten- und die Jerusa-
lemer Kapelle hatten seit dem 15. Jahrhundert ihren Platz vor
Kölln. Die nähere Nachbarschaft von Gebäuden brachte
erst die Anlage eines Tiergartens mit sich.
Am 13. Mai 1527 wurde vom Kurprinzen Joachim das
erste Stück Land „dahinden bey der freyen Arch (auf dem
heutigen Werder) für einen Tier- und Lustgarten erworben.
*) Man wird wohl noch wissen, welcher Platz oben gemeint ist und
wird es hoffentlich auch noch nach 20 Jahren wissen. Es ist nach meiner
Ansicht sehr bedauerlich, daß der Platz Berlins, der sein geschichtliches
Gepräge am meisten bewahrt hat, in Franz-Josef-PIatz umgetauft worden
ist. So sympathisch die Erinnerung an den greisen Kaiser jedem Berliner
sein wird, so könnte doch auch ein anderer Platz diesen Zweck erfüllen.
Und wenn der Platz schon umgetauft werden mußte, wenn das Opernhaus
eine neue Zweckbestimmung erhält, warum dann nicht Universitätsplatz
oder — Friedrichsplatz? Der Verfasser.
dessen Zaun nach seiner Erweiterung über die heutige
Friedrich- und Dorotheenstadt ganz nahe westlich von
unserem Platz vorüberlief. Das Jägerhaus aber, das auf
dem Grundstück der heutigen Reichsbank, und das Reit-
haus, das an Stelle der heutigen Werderischen Kirche
noch im selben Jahrhundert für den Jagdbetrieb erstand,
waren wieder für lange Zeit die einzigen Bauten in unserer
Gegend. Fehlte doch auch vorläufig noch die Brücke, die
heute die bequemste Verbindung mit Kölln darstellt, die
heutige Schloßbrücke. Sie dürfte erst nach 1573, in
welchem Jahre Kurfürst Johann Georg den „neuen" Lust-
garten (an der Stelle des heutigen) anlegte, als die „Hunde-
brücke" entstanden sein. Und auch dann noch besagt ihr
Name, daß sie mehr für den Jagdverkehr als für die Bürger
bestimmt war. Noch im Jahre 1617 erwähnt der Handels-
herr Philipp Hainhofer aus Augsburg ihrer als der „Hunds-
bruggen, darüber man die Jagdhunde fueret".
Auch war die Straße „Unter den Linden" an unserer
Stelle noch nicht als öffentlicher Verkehrsweg vorhanden;
die alte Landstraße, die vom Gertraudtentor nach Lietzen
führte und nicht weit von unserem Platz vorüberging, bog
erst weiter westlich in ihre Richtung ein und wurde zum
Überfluß auch noch um 1600 vom Kurfürsten gesperrt.
Erst im Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden vor dem
Köpenicker und dem Gertraudtentor nennenswerte Vorstädte,
da man die 11 bzw. 15 Häuser, die die ältesten Schoßbücher
schon im 16. Jahrhundert vor jenen Toren überliefert, wohl
kaum als solche bezeichnen kann. Von einer Bebauung
unseres engeren Bezirks verlautet nichts, vielmehr wird er
in der ersten Hälfte des 30jährigen Krieges ganz preisge-
geben; der Staketenzaun des Tiergartens verfällt, die Hunde-
brücke wird zur Sicherung der Stadt abgebrochen. Als
Gustav Adolf nach dem Fall Magdeburgs mit seinem Heere
vor Berlin erschien, um seiner Forderung an Georg Wilhelm,
die Festung Spandau offen zu halten, Nachdruck zu ver-
leihen, hat gerade unser Platz die Zusammenkunft der beiden
Fürsten im Jägerhaus gesehen und wegen seiner offenen
Lage dem Schlosse gegenüber vielleicht die Kanonen ge-
tragen, die gegen das letztere gerichtet wurden und nach
Bewilligung der Forderung drei scharfe Salutsalven abgaben.
Am 17. Januar 1641 mußte der Platz sogar Zeuge der von
Schwarzenberg befohlenen Abbrennung der oben erwähnten
Köllner Vorstädte sein, als der schwedische Oberst Stahl-
hans heranrückte.
Doch hat sich die Stadt nach dem Regierungsantritt
Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfürsten, sehr bald von
den Kriegsleiden erholt. Auf einem wenige Jahre später,
anno 1648 gezeichneten Plan des Kurfürstlichen Ingenieurs
Memhard, dem ältesten von Berlin, sieht man zwar noch
nicht die abgebrannten Vorstädte wieder aufgebaut, dafür
aber endlich die Vorposten der Bebauung unseres „Linden"-
Viertels, den „Anfang zur Newen Vorstadt". Die „Linden"
sind im Jahre 1647 vom Kurfürsten selbst als eine sechsreihige
Nuß- und Lindenbaumallee von der Hundebrücke an, die
39
DER STÄDTEBAU
inzwischen auch neuerstanden ist, bis an den Anfang des
Tiergartens angelegt worden. An der Stelle des Zeughauses
und der Kommandantur sieht man nun eine kurze Reihe
kleiner Häuser sich an der Uferstraße des heutigen Kupfer-
grabens entlang ausbreiten. JWemhard selbst baute sich
1655 an der Ecke der Kommandantur ein Wohnhaus. Sonst
ist von kurfürstlichen Gebäuden zum Reit- und zum Jäger-
haus nur noch das Gießhaus hinzugekommen, hinten am
heutigen Kastanienwäldchen.
Schien nun aber für unseren Platz die Aussicht vorhanden
zu sein, bald von der Bebauung erreicht zu werden, so
schwand diese sehr bald wieder in weite Ferne, lag er in
Wahrheit nach kurzer Zeit wieder „ganz draußen."
Nachdem schon in den Jahren 1638 bis 1640 ein Be-
festigungswerk von der Jungfernbrücke an unmittelbar west-
lich am Reithaus und am Gießhaus vorbei nach dem unteren
Teil des Kupfergrabens gezogen war, das aber bei Anlage
der Linden wieder teilweise eingeebnet wurde (vgl. Memhard),
begann nun im Jahre 1658 die vollständige Umwandlung
Berlins in eine Festung, und der Platz wurde, wie es schien,
für alle Zukunft von einer Weiterentwicklung abgeschnitten.
Der Festungsgraben auf der Köllner Seite, der mit einer
Kurtine senkrecht die Linden durchschnitt, kam gerade an
seine östliche Seite zu liegen. Die Lindenallee wurde bis
zur Akademie besteitigt und bald sah man drei wehrhafte,
schön gerade ausgerichtete Basteien bis zu einer Höhe
von rund 8 m emporsteigen. Die mittelste ruhte mit ihrer
Spitze gerade auf der Stelle der heutigen Hedwigskirche.
Im Zuge der „Linden," etwa vor der heutigen Neuen Wache
erhob sich, von den Wällen in die Mitte genommen, ein
kräftiger Torturm. Die neu eingeschlossene Stadt wurde
der Friedrichswerder genannt und JWemhard der eine ihrer
beiden ersten Bürgermeister.
Wenn man sich nun auf unserem Platze umblickte,
so sah man von Gebäuden außerhalb der Umwallung nur,
wenn man hart an der südlichen Bastei, am heutigen Dön-
hoffsplatz, vorbeisah, die Jerusalemer Kapelle mit ihren
Nebengebäuden; von Norden schaute „der Kürfürstinnen
Vorwerk", das spätere Monbijou, über die Spree herüber.
Reithaus, Jägerhof und Gießhaus sind in die Befestigungen
einbezogen worden. Dafür befinden wir uns nun auf der
Esplanade, d. h. der Platz darf überhaupt nicht bebaut
werden, so lange die Festungswerke ihre Geltung behalten
sollen.
Als daher noch vor deren Vollendung (1683) dennoch
im Jahre 1674 eine abermalige Erweiterung der Stadt nötig
und die Dorotheenstadt gegründet wurde, begann die Be-
bauung erst jenseits der Charlottenstraße, ein Zustand,
den uns der La Vignesche Stadtplan vom Jahre 1685 zeigt.
Diese Stadtgründung brachte unserem Platz sogar statt der
Umschließung eine Zertrennung. Der Graben, der in Be-
gleitung eines Walles auf der nördlichen Seite der Behren-
straße zum Schutze der neuen Stadt angelegt wurde, schnitt
einen südlichen Streifen von ihm ab und mündete auf der
Stelle des Bühnenhauses der heutigen Oper in den Festungs-
graben. Auch die Gründung der Friedrichstadt 1688 südlich
der Behrenstraße brachte für den Platz keine Veränderung
mit sich, denn auch sie begann erst westlich der Markgrafen-
straße, um das Festungsglacis frei zu halten. So lag denn
der Platz mitten drinnen am Grenzpunkt dreier Städte,
auch sehen wir im Jahre 1688 auf dem Perspektivplan von
Joh. Bernhard Schultz die Bebauung im Westen bis ganz
nahe an die heutige Begrenzung herangerückt in den Häusern
des Artillerieobersten von Weiler (Grundstück des Palastes
Wilhelms L), doch die Bebauung der anderen Grenzen muß
nun mehr als 50 Jahre zurückbleiben.
Inzwischen sieht der Platz um sich herum eine außer-
ordentlich rege Bautätigkeit sich entfalten. Um 1665 wächst
für den Geh. Kammersekretär Martiz ein stattlicher Palast
über die Wälle empor, dessen Mauern noch heute in den
beiden unteren Stockwerken des kronprinzlichen Palais
stecken. 1687 erbaut Nehring die vordere Hälfte des
Akademieviertels als Marstall, als Zeugnis des holländischen
Geschmacks des Kurfürsten ein ganz vereinzelter Roh-
ziegelbau, zunächst nur einstöckig; das zweite Stockwerk
der Lindenfront für die neugegründete Akademie der
Künste wird erst 1695 aufgesetzt. 1695, in welchem Jahre
Nehring starb, wird auch der Grundstein zum Zeughaus
gelegt, für welches jener noch den ersten Entwurf an-
gefertigt. Von 1697 bis 1713 sieht man unter Schlüter und
Eosander den Schloßbau sich vollenden, und das Akademie-
viertel wird von Grüneberg zugebaut. 1701 bis 1705 wird
vor unseren Augen, da der Ausblick auf den Gensdarmen-
markt durch nichts behindert ist, die Französische Kirche
von Cayart, 1701 bis 1708 die Deutsche Kirche nach Grüne-
bergs Rissen von Simonetti errichtet. Auch die private Be-
bauung sieht man 1698 auf einem in der Magistratsbibliothek
befindlichen Pergamentplan schon weit ausgedehnt: sie hat
die Markgrafenstraße auch nach Osten überschritten, aller-
dings nur südlich der Kronenstraße. Nördlich dieser bleibt
das Glacis bis zum Kupfergraben weiterhin frei.
Nachdem im Jahre 1709 den fünf bis dahin selbständigen
Städten, zu denen mittlerweile „Großberlin" angewachsen
war, eine einheitliche Verwaltung aufgenötigt worden war,
verlor der Hornwerksgraben zwischen Friedrich- und
Dorotheenstadt seine Bedeutung. In den Jahren 1714 bis 1715
(Nach Küster: Das Alte und Neue Berlin) wurde darum
der Wall abgetragen und nach „einigei| Jahren" auch der
Graben zugeschüttet, wenigstens auf derii Gebiet des Opern-
platzes. Nun konnte sich die W^estwand des Platzes in den
Nebengebäuden des früher von Weilerschen Hauses, das
Ende des XVII. Jahrhunderts Markgraf Philipp Wilhelm
von Schwedt erworben und auf 13 Axen erweitert hatte,
bis zur Behrenstraße ausdehnen. Bemerkenswert wegen der
Zähigkeit, mit der sich Grundrißeigentümlichkeiten erhalten,
ist die Tatsache, daß die einspringende Ecke an den „Linden",
die heute von der Pergola des alten Palais eingenommen
wird, schon auf einer Karte von 1723 (von Dusableau)
vorhanden ist.
Entscheidend für unseren Platz aber wird der Ent-
schluß Friedrich Wilhelms I. im letzten Jahrzehnt seines
Lebens die Stadt zu entfestigen, die Esplanade zu be-
bauen. Dies ist seine eigentliche Geburtsstunde, er wird nun
wenigstens, wenn auch in rohen, unregelmäßigen Umrissen;
doch allseitig begrenzt. Im August 1735 ist das neue Tor
„zur Beförderung des Prospekts auf dem Schlosse abgetragen
und die Passage daselbst erweitert worden" (Küster : A. u. N. B.
1737, S. 20), so daß sich die Aussicht vom Opernplatz auf einem
etwa 1743 angefertigten Stich von Fünck schon so frei darbietet
wie heute: Die Wälle sind verschwunden und das Wacht-
gebäude schon in die Flucht des Zeughauses zurückgerückt.
Im Jahre 1738 (Plan von Walther v.J. 1738) muß dann auch die
südliche Häuserreihe der Behrenstraße bis an den Graben
herangeführt sein, da sie auf dem Waltherschen Plan von
40
DER STÄDTEBAU
vrMTO=? j?, j_;iN);
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Abb. 5.
1737 noch nicht verzeichnet steht. Auf dem letzteren Plane
sieht man aber schon im Norden eine vorläufige Begrenzung:
Das Rechteck des Königl. Wagen- und Materialienhauses, das
hinter der heutigen Universität im westlichen Teil ihres Gartens
an der Universitätsstraße erbaut ist. Der Graben blieb bis 1740
in seinem alten Zustande.
So war die Lage, als Friedrich IL im Jahre 1740 zur
Regierung kam. Wenn man sich das Platzbild deutlich
vergegenwärtigt, so glaubt man zu erkennen, daß die Ört-
lichkeit nach einer monumentalen Bebauung geradezu ver-
langte, und die Entstehung des großen Gedankens des
„Forum Fridericianum" wird ein wenig begreiflich. Den
Anfang der Bebauung machte das Opernhaus, das nach
einer Zeichnung des Vitruvius Britannicus von Knobels-
dorff entworfen und in den Jahren 1740 bis 1743 aufgeführt
wurde, zur Hälfte auf dem Gelände des Festungsgrabens,
der verengert wurde und nunmehr mit parallelen Ufern die
Linden senkrecht schnitt. War die Akademie ein Zeugnis
für die Bevorzugung des holländischen, das Zeughaus eine
Urkunde des französischen Geschmacks (von dem Nutz-
bau des Wagenhauses zu schweigen, obgleich auch er ein
klassischer Zeuge für den praktischen Sinn Friedrich
Wilhelms L war), so bekundete das Opernhaus, und zwar
merkwürdig früh, klassizistische Neigungen, die erst später
auf der ganzen Linie siegen sollten.
Dem ursprünglichen Hause fehlten die Seitenrisalite;
die Mitten der Längsfronten waren nur durch schwache
Vorlagen bezeichnet, zu deren erstem Stockwerk zwei-
armige Freitreppen emporführten. Die Treppen der Vorder-
front waren im rechten Winkel geknickt und sprangen
mit der Hälfte ihrer Läufe auf den Bürgersteig vor.
Hatte es zuerst in der Absicht des Königs gelegen, an
der Stelle der heutigen alten Bibliothek eine Akademie in
den Formen des Opernhauses zu bauen, so geriet dieser
Gedanke nach der Entzweiung mit Knobelsdorff und dem
Ausbruch des Ersten Schlesischen Krieges bald in den
Hintergrund. Wurden doch auch 1750 die Nebengebäude,
die auf dem Markgräflichen Grundstück nach dem Opernhaus
zu lagen, von Friedrich Wilhelm von Schwedt sehr stattlich
zweigeschossig ausgebaut, und war doch andererseits kaum
Geld für das Nötigste vorhanden. Als die alte Akademie
im Jahre 1743 schweren Brandschaden erlitt, mußte sie
jahrelang als Ruine liegen bleiben, bis sie Anfang der
50er Jahre von Boumann d. Ä. in den Formen neugebaut
war, die sie bis zum Umbau vom Jahre 1815 bewahrt
hat. (Erste Sitzung der Akademie im Neubau nach
Küster III, S. 184 erst am 1. Januar 1752.) Oder blieb sie
gerade deswegen liegen, weil man mit dem Plan einer
Verlegung umging? Aber nach kurzer Zeit hatte ja auch
die gegenüberliegende Ecke des Platzes eine Ruine auf-
zuweisen. Hier war hinter dem Opernhaus noch „ein
Überbleibsel von den ehemaligen Bollwerken zu sehen,
das aus einem Sandhaufen bestand und mit Morast um-
geben war".
Diesen Platz schenkte Friedrich 1746 für den Neubau
einer katholischen Kirche und machte selbst nach dem
Vorbild des Pantheons in Rom die Zeichnungen dazu.
Obgleich er auch einen Teil der Baustoffe umsonst lieferte,
mußte der Bau, der 1747 von Büring und Le Geay be-
gonnen wurde, von 1755 an 15 Jahre lang unvollendet
liegen bleiben, da die Geldmittel ausgingen. Da man gerade
erst angefangen hatte, die Kuppel mit Blei zu decken, so
war nun „dieser herrliche Tempel durch das unvollendete
Dach der Verderbniß (sie) einer jeden unfreundlichen
Witterung ausgesetzt".
Indessen vollendete sich die heutige Form des Platzes
vor rund 150 Jahren, er erhielt seine letzte Begrenzung,
der Palast des Prinzen Heinrich, der in den Jahren 1754 1764
erbaut wurde. Die Hoffront seines östlichen Flügels liegt
genau in der Bauflucht des Opernhauses, so daß die Be-
ziehung zum bereits umbauten Platzteil klar ist. Da der
Palast in den Hauptgliederungen dem Opernhaus und dem
Potsdamer Stadtschloß ähnelt, nimmt man die Urheberschaft
Knobelsdorffs an, obgleich dieser 53 gestorben waw und
der Bau von Boumann d. Ä. ausgeführt wurde. Er ist im
Äußern bis heute unverändert erhalten, nur führte früher
von der Straße selbst je eine Tür in der Mitte der Flügel-
bauten in das Innere.
„Da inzwischen die unvollendete Deckung der schönen
Kuppel der Hedwigskirche dem Einsturz drohete", so
wurden endlich auch hier die erforderlichen Gelder
zusammengebracht und auch dieser Bau, wenn auch nicht
so großartig wie geplant, von Boumann zu einem vor-
läufigen Abschluß gebracht 1770 1773. Der Anfang der
Bleideckung wurde heruntergenommen und die Kuppel mit
Ziegeln, ohne Krönung mit einer Laterne, eingedeckt. Die
Sakristei, die einen Turm erhalten sollte, war bei der Ein-
weihung erst angefangen, das Giebelfeld unvollendet.
1774, ein Jahr darauf, wurde die alte hölzerne. Neu-
städtische oder Opernbrücke über den ehemaligen Festungs-
graben bei der Neuen Wache von Boumann durch eine
steinerne, einbogige ersetzt. Acht Statuengruppen aus
Sandstein als Laternenträger von Meyer d. Ä. gliederten
das barocke Geländer.
41
DER STÄDTEBAU
OT'ERN -ST=t
P| I I I I 5:|0 I I l_|_j)8a_
_2fow«.
Abb. 6.
Barock ist schließlich auch der letzte Bau, der dem
Opernplatz sein heutiges Gepräge gibt, der Bibliothekbau.
Er wurde, wieder nach einem fremden Vorbild, nach dem
Entwurf des Wiener Meisters Fischer von Erlach für die
Wiener Hofburg (der hier erst in den 90 er Jahren des
vorigen Jahrhunderts am Michaeler Platz ausgeführt wurde)
in den Jahren 1774 — 1780 nach Ungers Zeichnungen von
Boumann d. J. auf einem Pfahlrost, den das sumpfige
Gelände nötig machte, errichtet. Mit Recht ist die „Er-
nüchterung der Dachform" von Dohme getadelt worden,
die der jetzt vollendete Umbau sehr glücklich wieder gut
macht. Sonst unterschied er sich von dem heutigen Bau
nur durch acht Statuen, die zu den Seiten der Portale
aufgestellt waren, und durch die Architektur der drei
mittleren Portale selbst. Das mittelste bildete ohne den
heutigen horizontalen Kämpferbalken mit dem Rundbogen
zusammen eine stattliche Öffnung, die Fläche über den
Sturzen der seitlichen Portale war geschlossen und mit
Medaillons und Gehängedekorationen versehen. Die heutigen
halbkreisförmigen Fenster sind sehr zum Nachteil der Ge-
samtwirkung erst ausgebrochen, als in den Jahren 1840— 1842
ein Zwischengeschoß eingebaut wurde.
Überhaupt hat das 19. Jahrhundert an unserem Platz
mehr verdorben als verbessert. 1816 büßte er seine öst-
liche, allerdings kaum sehr in die Erscheinung tretende
Abgrenzung gegen den Platz am Zeughaus ein, indem die
Opernbrücke abgebrochen und der Graben in der ganzen
Breite der Linden und noch darüber hinaus überwölbt
wird (Nebenbei: die Figuren der Brücke wurden 1824 auf
den Leipziger Platz versetzt, wo sie noch heute ihr wenig
beachtetes Dasein fristen).
1834—1836 wird an Stelle des Markgräflichen Palastes
ein Neubau für den Prinzen Wilhelm von Langhaus d. J.
aufgeführt. Auf dem Bilde von Franz Krüger: Parade vor
Friedrich Wilhelm IIL, sieht man die Pergola an der Ecke
schon im Jahre 1837 so bewachsen, wie sie sich heute
noch zeigt.
1843, 100 Jahre nach dem Brand der Akademie, wird
das Opernhaus ein Raub der Flammen. Bei der Wieder-
herstellung werden den Langseiten Risalite vorgelegt, die
seitlichen Freitreppen verschwinden.
Der 31. Mai 1851 ist wieder ein großer Tag für den
Platz: Es wird das von Rauch geschaffene Denkmal
Friedrichs des Großen enthüllt, nachdem schon im Jahre 1840
der Grundstein gelegt worden war. Der Kunstfreund
stellt mit Befriedigung fest, daß der Name KnobelsdorfFs
nicht nur unter den berühmten Zeitgenossen auf dem
unteren Sockel verzeichnet steht, sondern daß der Künstler
selbst auf der Nordseite des obersten Sockelteiles abgebildet
ist, wie er dem König die Statue des betenden Knaben über-
bringt. So hat er doch auch sein ehrenvolles Denkmal an
dem Platz, der ihm soviel zu danken hat.
Hätte man damals das Denkmal statt unter die Linden
mitten auf den Opernplatz gesetzt, was allerdings in macht-
volleren, einfacheren Formen hätte geschehen müssen, so
hätte man vielleicht dem vorgebeugt, was nun, noch im
selben Jahrzehnt, die Platzerscheinung bis heute, und zwar
in steigendem Maße, vernichten sollte: Der Bepflanzung,
die in den fünfziger Jahren unter Lenne erfolgte. Sie wurde
damals sicher mit Stolz gutgeheißen, heute aber ist man
anderer Ansicht, und man möchte nur wünschen, daß der
Platz immer so „kahl" geblieben wäre, wie er sich bis
dahin gezeigt hatte. Am besten würde ihn allerdings ein
großzügiges Reiterdenkmal zieren, für das ich keinen Platz
in Berlin geeigneter wüßte als ihn.
Nun hatten die weiteren Veränderungen kaum noch eine
Bedeutung, weder der Bühnenhausanbau von Langhaus d. J.
1869, der sonst eine ästhetische Wirkung haben konnte, insofern
er die Lücken vor der Hedwigskirche verkleinerte, noch
die Denkmäler Alexanders und W^ilhelms von Humboldt 1889
von Reinhold Begas und Paul Otto. Erfreulich war noch
die 1886—1887 erfolgte Kupfereindeckung der Hedwigskirche
durch Hasak, die dem ursprünglichen Entwurf nachgebildet
ist, und ihre Bekrönung mit einer Laterne. Dafür
verböserte man 1895 den Fehler der Bepflanzung, indem
man auf den vorderen Teil des Platzes das Standbild der
Kaiserin Augusta von Fritz Schaper setzte. Diese Auf-
stellung, die dem größeren Teil des Platzes sein Leben
nahm, ist bezeichnend genug für den falschen Maßstab des
Denkmals: es ist für den ganzen Platz viel zu klein und
paßt höchstens zu den Anlagen, in denen es steht. Wenn
man sich nun allerdings die Bepflanzung fort dächte,
würde das Denkmal und die 1887 davor aufgestellte
Kaiservase eine sehr komische Figur machen und zum
Range von Nippessachen heruntersinken. — circulus
vitiosus! —
Über den Neubau der Bibliothek kann noch nicht ge-
urteilt werden. Nur kann man jetzt schon sagen, daß die
Höhe des fertigen Baues, die das alte Akademiegebäude
bei weitem überragt (übrigens ja auch eine wirtschaftliche
Notwendigkeit war), dem Platz wohl nicht zum Nachteil ge-
reichen wird. Die breite Öffnung des Platzes wird dadurch
nur um so eindrucksvoller, wenn auch das Denkmal
42
DER STÄDTEBAU
Friedrichs des Großen verlieren wird, da die Figur nicht
mehr als Umrißlinie zur Geltung kommt. Auch darf man
der in Laienkreisen öfter gehörten Befürchtung entgegen-
treten, daß die große Kuppel des Lesesaals das Platzbild
beeinträchtigen wird. Sie wird von außen überhaupt nicht
sichtbar werden und die ruhige Linie der Linden, die das
Auge zum Platz hinführen soll, nicht kurz vor dem Ziel
unterbrechen.
DIE UNTERNEUSTÄDTER MÜHLE IN KASSEL,
die das malerische Bild Alt-Kassels darstellte und schon
unzähligen Malern zum Vorwurf diente, ist dem Untergang
geweiht. Das Bedauerliche dabei ist, daß. die Mühle, die
hohen kunstgeschichtlichen und als Rest der Kasseler Stadt-
befestigung auch historischen Wert hat, ohne jeden Grund
heruntergerissen werden soll. Die prächtige, mehr als
hundertjährige Linde auf der dieser Mühle vorgelagerten
und gleichfalls verschwindenden Bastei hat das Stadtbau-
amt bereits fällen lassen. Die Entrüstung darüber ist
groß; aber auch der Einspruch der zuständigen Behörden
wird wirkungslos sein, weil der Abbruch vom Minister,
dem zweifellos die Bedeutung der Mühle nicht bekannt
ist, bereits genehmigt ist. Die Residenzstadt Kassel be-
sitzt bis auf den heutigen Tag noch kein Ortsstatut gegen
die Verunstaltung des
Stadtbildes und hat
diesen Mangel schon
wiederholt schwer
büßen müssen.
Soweit die Zu-
schrift des Schrift-
stellers Herrn Heidel-
bach in Kassel (siehe
Textbild). Dazu be-
merken wir fol-
gendes :
Die Stadtanlage
von Kassel hat nur
wenige Schönheits-
werte in der Neuzeit
hinzuerworben : den
besten wohl in der
geschickten Anord-
nung des neuen
Rathauses an der
schmalen und ab-
fallenden Oberen
Königstraße, indem die Bauflucht zurückgeschoben und
dem Bauwerke eine Terrasse vorgelagert wurde, so daß
ein reizvolles Plätzchen entstehen konnte; einen anderen
im Neubau der Reichsbank am sonst freilich in einer
wenig erfreulichen Umwandlung begriffenen Königsplatze;
weiter einen in der neuen Fuldabrücke mit ihren Zugängen
zum Altmarkte einerseits und zum Holzmarkte anderer-
seits; auch sonst noch einige in Waren- und Landhäusern.
Dagegen hat Kassel an alten Schönheitswerten schon
mancherlei aufgegeben und ist auf dem besten Wege,
immer mehr davon einzubüßen.
Der Friedrichsplatz hat wohl niemals einen voll befrie-
digenden Eindruck gemacht; er ist zu groß (151 zu 234 m
nach Gurlitt) für die niedrige Randbebauung und hat ein
ziemlich starkes Längsgefalle ; auf einer Langseite besäumen
ihn stufenförmig heruntersinkende monumentale Gebäude, auf
Photographische Aufnahme des Hofphotographen Eberth, Kassel.
der anderen verhältnismäßig bescheidene Privathäuser. —
Das Standbild des Langrafen Friedrichs IL steht zwar in
der abfallenden Längsachse, jedoch mit dem Gesicht senk-
recht dazu. Immerhin waren die Schmalseiten gut abge-
schlossen, nach oben jenseits der Oberen Königsstraße durch
das Palais am Theaterplatz, nach unten hin durch das
Auetor. Ersteres, vor dem später das Spohrdenkmal auf-
gestellt worden ist (mit einer die Balustrade der Schloß-
rampe verdeckenden geschmacklosen Umpflanzung) wird
jetzt durch den mit einer Brandmauer dicht heran-
tretenden Neubau eines Geschäftshauses (an der neu
durchgebrochenen Opernstraße) arg entstellt und von dem
gegenüber an Stelle des abgebrochenen alten Hoftheaters
errichteten W^arenhaus vollends erdrückt. Das Auetor
aber, das früher an
der tiefsten Stelle
sich zur Karlsaue
öffnete, ist in einen
Winkel geschoben
worden, um dem
neuen Hoftheater
Platz zu machen, das
mit seinem niedrigen
Unterbau von der
Königsstraße aus ge-
sehen, wie ver-
sunken dasteht und
mit seiner unklaren
Umrißlinie den freien
Ausblick auf die Aue
und die Orangerie
verdeckt.
Fast noch schlim-
mer wird dem
Königsplatze mitge-
spielt, dem bekann-
ten kreisrunden Platz
von 131 m Durchmesser an der Grenze der Oberen Neu-
stadt und der Altstadt. Auch dieser Platz fällt etwas ab,
was jedoch bei der geschickten Art der Bebauung (drei-
geschossig an der höher liegenden Seite mit Betonung der
Ecken durch Dachaufbauten, viergeschossig an der tiefer
liegenden Seite) früher nicht auffiel; jetzt aber um so mehr
auffällt, als die nun zulässige höhere Bebauung anscheinend
rundum eine gleich hohe werden soll. Dazu kommt nun
der oben mitgeteilte Schmerzensruf!
Wenn wenigstens weitere neue Werte hinzukämen!
Doch wie hoffnungslos sehen die neuen Stadtteile, die
Hohenzollern- und die Kaiserstraße aus ! Dagegen gehalten,
ist der fast mehr als bescheidene Eintritt vom Eisenbahn-
hofe her noch sympathisch zu nennen. Ein geometrisches
Straßennetz mit häßlichen Eckverbrechungen und Buckeln
im Straßenprofil ist über Berg und Tal gelegt — ihm folgt
43
DER STÄDTEBAU
eine gleichmäßig hohe Bebauung. Will man nun einmal
der Natur Gewalt antun, so muß man es auch ordentlich
und darf man tiefere Einschnitte, größere Erdbewegungen
nicht scheuen. Doch diese kosten Geld, und darum wäre
es weiser, der Natur sittsam zu folgen und möglichst das
zu erhalten, was sie bietet.
D. S.
DAS ENGLISCHE STÄDTEBAUGESETZ
VOM 3. DEZEMBER 1909.
Von Privatdozent Dr.-Ing. EM ER ICH FORBATH, Budapest.
Einleitung.
Vor dem Städtebaugesetz vom Jahre 1909 gab es in
England keinerlei gesetzliche Bestimmungen in bezug auf
die Regelung der Anlage und Ausdehnung der Städte. Dies
führte zu um so größeren Nachteilen, als die städtische
Bevölkerung im Verhältnisse zur ländlichen in England
ganz besonders stark anwächst. Es betrug in Prozenten
der gesamten Bevölkerung von England und Wales:
Jahr
Städtische
Ländliche
Gesamt-
Bevölkerung
Bevölkerung
bevölkerung
1881
67,9
32,1
25974439
189.1
72,0
28,0
29002525
1901
77,0
23,0
32527843
1911
78,1
21,9
36075269
Wenn nun auch eine weitere Verschiebung dieses Ver-
hältnisses nur mehr in geringem Maße möglich ist, sofern
nicht eine vollständige Entvölkerung des Landes eintritt, so
verleiht doch schon der Umstand, daß bereits gegenwärtig
78 "/o der Gesamtbevölkerung von England und Wales in den
Städten wohnen, der zeitgemäßen Ordnung des englischen
Städtebauwesens eine besondere Bedeutung.
Es ist unzweifelhaft, daß die auf die Verbesserung des
deutschen Städtebauwesens gerichteten Bestrebungen der
letzten 10—15 Jahre auf die gleichgerichteten Bestrebungen
in England nicht ohne Einfluß geblieben sind. Die sich
darauf beziehenden Arbeiten und Ergebnisse der deutschen
Städte sind durch eingehende Reiseberichte englischer Fach-
leute allmählich auch in England bekannt geworden und
haben dort den Wunsch nach einer den englischen Ver-
hältnissen angepaßten Regelung städtischer Entwicklung
immer lebhafter werden lassen. Es sei in dieser Beziehung
zum Beispiel auf den ausführlichen, mit vielen Plänen be-
legten Reisebericht der von der Stadt Birmingham zum
Studium des deutschen Städtebauwesens entsendeten
Kommission hingewiesen, welcher sich auf die Wohnungs-
beschaffung und den Ausbau der Städte Berlin, Ulm,
Stuttgart, Mannheim, Frankfurt, Köln und Düsseldorf be-
ziehende ausführliche Angaben enthält. (City of Birming-
ham. Report of the Housing Committee presented to the
Council on the 3'^'^ July, 1906.)
Das Ergebnis der auf die Verbesserung der Wohnungs-
und Städtebauverhältnisse in England gerichteten Be-
strebungen ist das von dem aus dem Arbeiterstande her-
vorgegangenen Minister John Burns eingebrachte und nach
eingehender Beratung und manchen, namentlich im Ober-
hause, aufgetauchten Widerständen am 3. Dezember 1909
verkündete Gesetz, dessen voller Titel wie folgt lautet:
„Gesetz betreffend die Unterbringung der arbeitenden
Klassen, die Fürsorge für die Ausarbeitung von Stadt-
bauplänen und weitere Maßnahmen in bezug auf die An-
stellung und Pflichten der Gesundheitsbeamten in den Graf-
schaften, sowie für die Errichtung von Gesundheits- und
Wohnungskommissionen in den Grafschaftsräten."
Wie hieraus ersichtlich ist, behandelt das Gesetz nicht
nur den Bau der Städte, sondern auch die Frage der
Arbeiterwohnungen, sowie des mit der Wohnungsfrage zu-
sammenhängenden öffentlichen Gesundheitsdienstes in den
Grafschaften. Während jedoch diese Teile des Gesetzes
nur eine weitere Vervollkommnung der in dieser Hinsicht
bereits früher erbrachten zahlreichen englischen Gesetze
anstreben, ist das auf den Städtebau bezügliche Kapitel des
Gesetzes vollkommen neu und enthält in mancher Hinsicht
so durchgreifende und moderne Reformen, daß seine Kennt-
nis auch außerhalb Englands weiter verbreitet zu werden
verdient. Im nachfolgenden wollen wir uns ausschließlich
mit diesem auf den Bau der Städte bezüglichen Teile des
neuen Gesetzes beschäftigen.
Vorbereitung und Genehmigung vonBebauungs-
plänen.
Ein Bebauungsplan kann gemäß den Bestimmungen
dieses Gesetzes für jedes Gelände aufgestellt werden, das
in baulicher Entwicklung begriffen ist oder voraussichtlich
für bauliche Zwecke benutzt werden wird, um geeignete
Unterkunfts- und gesundheitliche Verhältnisse, sowie ein
angenehmes Wohnen zu sichern. Das Ministerium des
Innern (Local Government Board) kann eine örtliche Be-
hörde ermächtigen, für ein innerhalb oder in der Nachbar-
schaft ihres Gebietes gelegenes Gelände einen Bebauungs-
plan auszuarbeiten, wenn die Behörde dem Ministerium
den Nachweis liefert, daß die Ausarbeitung eines solchen
Planes angebracht erscheint. Auch kann das Ministerium
die örtliche Behörde ermächtigen, einen von allen oder
einigen Besitzern eines solchen Geländes vorgelegten Plan
mit oder ohne irgendwelche Änderungen anzunehmen,
wenn für dieses Gelände die Behörde selbst zur Aus-
arbeitung eines Bebauungsplanes ermächtigt hätte werden
können.
Wo nach der Meinung des Ministeriums ein bereits be-
bautes Gelände oder ein Gelände, das voraussichtlich nicht
für Bauzwecke benutzt werden wird, mit Rücksicht auf
ein voraussichtlich zu bebauendes Gelände so gelegen ist,
daß es in den Bebauungsplan für das letztgenannte Ge-
lände mit eingeschlossen werden sollte, kann das Ministerium
zur Ausarbeitung und Annahme eines solchen Bebauungs-
44
DER STÄDTEBAU
planes ermächtigen, der auch dieses Gelände mit ein-
schließt und den Abbruch oder die Veränderung aller der-
jenigen Gebäude auf diesem Gelände vorsieht, deren
Abbruch oder Veränderung für die Ausführung des Planes
notwendig erscheint.
Ein von einer örtlichen Behörde ausgearbeiteter oder
angenommener Bebauungsplan erlangt erst dann Rechts-
kraft, wenn er vom Ministerium genehmigt worden ist.
Das Ministerium kann die Genehmigung versagen oder an
Änderungen und Bedingungen knüpfen, die es für an-
gebracht hält. Falls das Ministerium einen Plan genehmigen
will, muß es diese Absicht im Amtsblatte veröffentlichen.
Wenn innerhalb 21 Tagen vom Datum der Veröffentlichung
an irgendeine beteiligte Person oder Behörde Einsprache
erhebt, muß der Entwurf zur Genehmigungsverfügung
beiden Häusern des Parlaments auf die Dauer von
mindestens 30 Tagen vorgelegt werden. Wenn innerhalb
dieser 30 Tage keines der beiden Häuser gegen diesen Ver-
fügungsentwurf eine Adresse an Se. Majestät vorlegt, ist
weiteres nicht erforderlich.
Jeder Bebauungsplan, der vom Ministerium genehmigt
worden ist, hat dieselbe Wirksamkeit, wie wenn er im
Gesetze selbst enthalten wäre.
Jeder Bebauungsplan kann durch einen späteren Plan,
der den Bestimmungen dieses Gesetzes gemäß ausgearbeitet
oder angenommen und genehmigt worden ist, abgeändert
)der widerrufen werden; auch kann das Ministerium auf
das Ersuchen der nach den Bestimmungen des Gesetzes ver-
antwortlichen Behörde oder irgendeiner anderen Person, die
ihm hierbei beteiligt erscheint, auf dem Verfügungswege einen
Bebauungsplan zurückziehen, wenn es der Meinung ist, daß
unter den besonderen Verhältnissen der Plan zurückgezogen
werden soll. Der Ausdruck „voraussichtlich für Bauzwecke
zu benutzendes Gelände" schließt all das Gelände ein, das
voraussichtlich für offene Plätze, Straßen, Wege, Parks, Ver-
gnügungs- und Erholungsflächen oder für die Ausführung
von irgendwelchen ober- oder unterirdischen, mit dem
Bebauungsplane zusammenhängenden Arbeiten benutzt
werden wird, unabhängig davon, ob dies in Form eines
Bauwerkes geschieht oder nicht; die Entscheidung des
Ministeriums darüber, ob das Gelände voraussichtlich für
Bauzwecke benutzt werden wird oder nicht, ist endgültig.
Inhalt von Bebauungsplänen.
Das Ministerium kann allgemeine Bestimmungen oder
bei Flächen von besonderem Charakter auch besondere
Bestimmungen für die Ausführung der Bebauungspläne
und insbesondere auch für die Behandlung der folgenden
Gegenstände vorschreiben, wobei diese Bestimmungen als
Teile des Plans zu gelten haben:
1. Straßen, Gassen und andere Wege, sowie Auflassung
oder Ablenkung bestehender Straßen.
2. Gebäude, Konstruktionen und Errichtung von Bau-
werken.
3. Öffentliche und private offene Flächen.
4. Die Erhaltung von Gegenständen von geschichtlicher
Bedeutung oder natürlicher Schönheit.
5. Kanalleitung, Entwässerung und Behandlung der Ab-
wässer.
6. Beleuchtung.
7. Wasserversorgung.
8. Untergeordnete oder aus den vorhergehenden folgende
Arbeiten.
9. Erlöschung oder Abänderung privater Straßenrechte
und sonstiger Dienstbarkeiten.
10. Verfügung über das von den Ortsbehörden erworbene
Gelände.
11. Ermächtigung zu freiem Eintritt und zur Besich-
tigung.
12. Ermächtigung für die verantwortliche Behörde, hinder-
liche Bauwerke zu entfernen, zu verändern oder ab-
zutragen.
13. Ermächtigung der verantwortlichen Behörde, Verein-
barungen mit den Eigentümern und der Eigentümer,
Vereinbarungen untereinander zu treffen.
14. Ermächtigung der verantwortlichen, auch einer ört-
lichen Behörde, Geld oder Eigentum für die Förderung
der Ziele eines Bebauungsplanes anzunehmen, und
Vorschriften für die Verwaltung solchen Geldes oder
Eigentumes.
15. Anwendung sonstiger statutenmäßiger Bestimmungen
mit den notwendigen Änderungen und Ergänzungen.
16. Ausführung und Ergänzung der Bestimmungen dieses
Gesetzes betreffend zwangsweise zur Ausführung
kommender Bebauungspläne.
17. Beschränkung der Zeit für die Wirksamkeit des
Planes.
18. Zusammenwirken der verantwortlichen Behörde mit
den Eigentümern des in den Plan aufgenommenen
Geländes oder mit anderen beteiligten Personen in
Verhandlungen usw.
19. Belastung von Erbschaften von solchem Gelände,
dessen Wert durch die Ausführung eines Bebauungs-
planes erhöht worden ist, mit der nach den Be-
stimmungen des Gesetzes nach dieser Werterhöhung
zu zahlenden Summe.
Außerdem wird bei der Genehmigung eines jeden Be-
bauungsplanes die Fläche bestimmt, für die der Plan An-
wendung findet, sowie die Behörde, die für die Einhaltung
des Planes und für die Ausführung der Arbeiten ver-
antwortlich ist, welche auf Grund des Planes durch die
Ortsbehörden auszuführen sind.
In dieser Abteilung des Gesetzes befinden sich des
weiteren Vorschriften für den Fall, daß das Zusammen-
wirken mehrerer Ortsbehörden notwendig werden sollte,
sowie für den Fall, daß bestehende Statuten, Bestimmungen
usw. durch den Plan berührt werden.
Das Ministerium wird ermächtigt, Bestimmungen zu
erlassen, die den Vorgang bei der Anfertigung und Ge-
nehmigung, sowie bei der Ausführung der Bebauungs-
pläne regeln. Diese Bestimmungen erstrecken sich auch
auf das Zusammenwirken der Ortsbehörden mit den
Grundeigentümern und anderen Beteiligten auf jeder
Stufe der Verhandlung, sowie darauf, daß alle be-
teiligten Körperschaften möglichst frühzeitig von der Ab-
sicht erfahren, einen solchen Plan auszuarbeiten oder
anzunehmen.
Im Bebauungsplane sind überall dort, wo es die Ver-
hältnisse erfordern, alle Einzelheiten in bezug auf die Be-
schränkung der Anzahl der Gebäude in einer Flächeneinheit,
sowie auf die Höhe und den Charakter dieser Gebäude
anzuführen.
45
DER STÄDTEBAU
Ermächtigung zur zwangsweisen Ausführung
der Bebauungspläne.
Die verantwortliche Behörde kann zu jeder Zeit, nach-
dem die vorgesehene Benachrichtigung erfolgt ist und in
Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Planes
a) jedes Gebäude oder andere Bauwerk innerhalb des
vom Bebauungsplane umfaßten Geländes entfernen,
niederreißen oder verändern, welches den Bebauungs-
plan zu behindern geeignet ist oder bei dessen Aus-
führung oder Errichtung irgendwelche Bestimmungen
des Planes nichterfüllt worden sind oder
b) jedes Bauwerk ausführen, welches auszuführen auf
Grund des Planes die Pflicht irgendeiner Person wäre
in jedem Falle, wo nach Maßgabe der Behörde ein
Aufschub in der Ausführung dieses Bauwerkes die
wirksame Ausführung des Planes behindern würde.
Alle Ausgaben, die der verantwortlichen Behörde aus
diesem Grunde erwachsen, können von der sachfälligen
Person in solcher Weise und unter solchen Bedingungen
eingehoben werden, wie dies im Plane vorgesehen ist.
Wenn es fraglich erscheint, ob ein Gebäude oder Bau-
werk einen Bebauungsplan behindert oder ob irgendeine
Bestimmung eines Bebauungsplanes durch die Errichtung
oder Ausführung eines Gebäudes oder Bauwerkes nicht
erfüllt erscheint, so wird diese Frage dem Ministerium
vorgelegt und, woferne die Beteiligten nicht anderweitii
übereingekommen sind, von dem Ministerium als Schieds-
richter entschieden. Die Entscheidung des Ministeriums
ist endgültig und bindend für alle Teile. (Schluß folgt.)
MITTEILUNG.
Die Erläuterung zu den Tafeln 21 und 22 folgt in nächster Nummer. Auf den Tafeln 23 und 24 werden zwei als schön bekannte Straßen-
bilder beigegeben.
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
Wir bitten um gefällige Zusendung aller einschlägigen neuen
Bücher und Schriften, die wir unter dieser Übersicht regelmäßig an-
zeigen werden; wir übernehmen aber keine Verpflichtung zur Be-
sprechung und Rücksendung.
WELTVERKEHR UND WELTWIRTSCHAFT. Monats-
schrift für Wissenschaft und Politik des Weltverkehrs und der
Weltwirtschaft. Herausgegeben von Dr. Richard Hennig. Verlag von
Wilhelm Süßerott, Berlin W 30. Preis 18 Mk.
Der Plan eines Rhein-Maas-Kanals wird im neuesten Januarheft der
Monatsschrift „Weltverkehr und Weltwirtschaft" in einem Aufsatz be-
handelt, der von Max Roeder in Aachen stammt. Der Gedanke, den
Rhein und die Maas durch einen Kanal zu verbinden, ist schon nahezu
2000 Jahre alt, da sich bereits unter Kaiser Claudius der römische Feld-
herr Corbulo damit trug. Später kam Karl der Große auf den gleichen
Gedanken. In der Spanierzeit ging man 1626 sogar daran, einen Kanal
von Rheinsberg nach Venlo wirklich zu graben; doch gediehen die Arbeiten
in den kriegerischen Wirren der Zeit nicht weit. 1764 wurde der Plan
aufs neue aufgenommen, ohne daß jedoch die Verwirklichung Fortschritte
gemacht hätte; selbst das Machtwort eines Napoleon, der am 28. Juli 1803
die Herstellung des Kanals anordnete, und zwar in der Führung von
Grimlinghausen bei Neuß über Viersen nach Venlo, konnte dem Gedanken
nicht zum Siege verhelfen, denn nachdem 1809 mit dem Kanalbau begonnen
war, vereitelte Napoleons Sturz die Fertigstellung, nachdem zwei Drittel
des „Napoleon-Kanals" mit einem Kostenaufwand von 4 Millionen Franken
bereits fertiggestellt waren. Seit der Neugründung des Deutschen Reiches
ist der Plan des Rhein-Maas-Kanals, dem eWi Mann wie Bismarck mit
größter Sympathie gegenüberstand, kaum je wieder zur Ruhe gekommen.
Erst im letzten Jahr nahm aber die Bewegung für das wirtschaftlich wert-
volle Unternehmen größeren Umfang an. Vor allem infolge zweier Aachener
Veröffentlichungen von Dr. Leo Vossen und Albert Schneiders. Der letzt-
genannte Architekt hat die technische Seite des Planes gründlichst studiert.
Über das Ergebnis seiner Forschungen und seine praktischen Vorschläge
erstattet nun der Aufsatz im „Weltverkehr" eingehend Bericht. Der
Roedersche Aufsatz legt noch dar, daß die Schaffung des Kanals eine
„volkswirtschaftliche und nationale Tat" wäre. Das Januarheft enthält
auch sonst noch wertvolle Anregungen in einem Aufsatz über eine deutsche
Rheinmündung von Dr. Reichert-Duisburg, einer Studie über die Pflege
des Weltverkehrs an den deutschen Hochschulen vom Herausgeber
Dr. Hennig, und einer sehr gründlichen Arbeit über das Verkehrswesen der
Türkei von F. Meinhard-Sofia.
Nummer 22 der Mitteilungen der ZENTRALSTELLE FÜR
WOHNUNGSREFORM IN ÖSTERREICH enthält drei
Aufsätze, welche die Bedeutung der Dezembergesetze für den Klein-
wohnungsbau behandeln. Der erste Artikel aus der Feder des ehemaligen
Finanzministers Exzellenz Dr. Robert Meyer bespricht die „Drei Gesetze
vom 28. Dezember 1911" und legt die Fortschritte dar, welche diese Ge-
setze für die Wohnungsreform bedeuten. Im zweiten Artikel sucht Reichs-
ratsabgeordneter Dr. Adolf Groß, der Berichterstatter des Teuerungs-
ausschusses im Abgeordnetenhause, die wirtschaftliche und finanzielle
Wirkung der Gebäudesteuernovelle nachzuweisen. In dem dritten Aufsatze
wird die Bedeutung dieser Novelle für die Wohnungszinse insbesondere in
Wien behandelt. Im Anschlüsse daran folgen das Gebührenbegünstigungs-
gesetz und das Ergänzungsgesetz zum Wohnungsfürsorgefonds im
Wortlaute. Dann folgen noch Berichte über die Erste österreichische
Wohnungskonferenz und den nachher abgehaltenen Ersten österreichischen
Baugenossenschaftstag, sowie über die Tätigkeit der Zentralstelle für
Wohnungsreform zur Herstellung von Notstandsbauten in Wien.
Im Selbstverlage der Zentralstelle für Wohnungsreform in Österreich,
Wien I., Stubenring 8 — 10, ist der Bericht über die Erste, zu Wien
am 25. und 26. November 191 1 abgehaltene OSTERREICHISCHE
WOHNUNGSKONFERENZ erschienen. (Preis 3.— Kr.) Der
Bericht bringt eine vollständige Niederschrift der Konferenzverhandlungen,
auf deren Tagesordnung bekanntlich das Thema „Der Wohnungsfürsorge-
fonds in seilten Beziehungen zu den Gemeinden, Kreditinstituten und
Genossenschaften" stand.
Am I. Februar 1912 ist die neue BAUORDNUNG FÜR DEN
REGIERUNGSBEZIRK TRIER erlassen und als Zeitpunkt
ihres Inkrafttretens der i. April igi2 festgesetzt. Die bisherige Bauordnung
vom 4. Mai 1901 stellte die erste einheitliche Zusammenfassung der bis
dahin im Regierungsbezirke Trier vereinzelt erlassenen örtlichen bau-
rechtlichen Vorschriften dar. Die schnelle und vielseitige wirtschaftliche
Entwicklung des Regierungsbezirks, welche sich auch im Bauwesen aus-
drückte, machte eine Neugestaltung des Baurechts erforderlich, als deren
erstes Ergebnis die neue Bauordnung für die Stadt Trier und deren Vor-
46
DER STÄDTEBAU
orte vom 6. April 1911 erschien. Weitere Bauordnungen für die Städte
Saarbrücken und Saarlouis sind in Vorbereitung. Die Bauordnung vom
I. Februar 1912 gilt für den gesamten Umfang des Regierungsbezirks
Trier mit Ausnahme der drei genannten Städte. Neun für die kleineren
Städte geltende Bauordnungen sind in \Wegfall gekommen. Die nahezu
gleichzeitige Umarbeitung der sämtlichen bisher im Regierungsbezirk Trier
geltenden Baupolizeiordnungen wird, soweit nicht örtliche Verhältnisse
und Bedürfnisse eine Verschiedenheit bedingen, die übereinstimmende
Fassung eines großen Teiles der baupolizeilichen Bestimmungen für den
ganzen Regierungsbezirk ermöglichen. Damit wird für diesen Bezirk ein
im wesentlichen gleichartiges einheitliches Baurecht geschaffen werden,
was sowohl für das bauende Publikum und die Architekten, wie für die
zur Handhabung des Rechtes berufenen Behörden von erheblichem Vorteil
sein wird. Der Regierungsbezirk Trier wird dann wohl der erste Bezirk
der Monarchie sein, der sich eines derartigen einheitlichen Baurechts zu
erfreuen haben wird. Die neue Bauordnung vom i. Februar 1912 regelt
in acht Abschnitten das baupolizeiliche Verfahren, das Verhältnis der
Bauten zur Straße, die Vorschriften über Festigkeit und Feuersicherheit,
die gesundheitlichen Vorschriften, Hofflächen, Gebäudehöhe, Geschoßzahl,
die Sonderbestimmungen für Bauten in Gemeinden und Ortsteilen mit
überwiegend städtischer oder industrieller Entwicklung, Kleinbauten, Aus-
nahmen, Übergangs- und Schlußbestimmungen. Während sie einerseits
zahlreiche Erleichterungen für die ländliche Bauweise und die Herstellung
von Kleinwohnungen bringt, wird sie andererseits dem Bedürfnisse be-
sonderer Anforderungen für Gemeinden mit überwiegend städtischer oder
industrieller Entwicklung gerecht. Es sei nur kurz auf den Wegfall der
Forderung der Überdachführung der Brandmauern, die erweiterte Zulassung
von Verbindungsöffnungen in solchen zwischen Wohn- und Wirtschafts-
räumen, die Zulässigkeit weicher Bedachung, die Verringerung der
Mauerstärken und der Treppenbreiten bei Kleinwohnungen, sowie auf
den Anschlußzwang an öffentliche \Vasserleitungen hingewiesen. Die
amtliche Ausgabe ist im Verlage der Fr. Lintz'schen Buchhandlung,
Friedr. Val. Lintz zu Trier zum Preise von 1,60 Mk. kartoniert und von
2,10 Mk. in Leinen gebunden erschienen.
C H R O INJ I K
OOZIALE STUDIENREISE NACH ENGLAND: Die Deutsche
"*^ Gartenstadtgesellschaft plant auch in diesem Jahre für August eine
Studienreise. Sie wird führen über London nach York mit der Garten-
vorstadt Earswick, von da nach der Hafenstadt Liverpool mit Port
Sunlight sowie der alten Stadt ehester; dann nach Birmingham, Bourn-
ville und anderen wichtigen Ansiedelungen; zum Schluß nach London
mit der eigentlichen Gartenstadt Letchworth und der Garten- Vorstadt
Hampstead, dem Hauptziele kontinentaler Wohnungsreformer, und anderen
Ansiedlungsformen, namentlich des Londoner Grafschaftsrates.
An die AKADEMIE FÜR KOMMUNALE VERWALTUNG
IN DÜSSELDORF ist zum Studiendirektor der außerordentliche
Professor des öffentlichen Rechts an der Universität Greifswald Dr. Edler
von Hoffmann, ferner zum Professor der Nationalökonomie und Studien-
direktor der Akademischen Kurse für allgemeine Fortbildung und Wirt-
schaftswissenschaften der ordentliche Professor an der Technischen Hoch-
schule in Hannover Dr. von Wiese berufen worden.
"pviE AUSSTELLUNG NEUER UND ALTER GARTEN-
^-^ KUNST, veranstaltet von der Gruppe Brandenburg der Deutschen
Gesellschaft für Gartenkunst e. V., im Königlichen Kunstgewerbe-Museum
zu Berlin, vom 15. September bis 13. Oktober 1912 beabsichtigt die
Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Deutschen Gartenkunst
durch eine Reihe bildlicher und plastischer Darstellungen zu ver-
anschaulichen.
Der Bedeutung dieser Absicht entsprechend, dürfen nur solche
Darstellungen zur Schau gebracht werden, die wirklich wertvolle
Lösungen gartenkünstlerischer Aufgaben nach den verschiedensten
Richtungen hin aufweisen. Da der Raum begrenzt ist, wird die Aus-
stellung nur eine Auswahl des Besten bringen können. Es wird
hierbei auch besonderer Wert auf die künstlerische Form der Dar-
stellungen gelegt.
Die Ausstellung wird sich teilen in eine geschichtliche Abteilung
und eine solche mit ausgeführter und einer mit geplanter Gartenkunst,
Die Anmeldungen zur Ausstellung, an welcher sich nur Mitglieder
der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst beteUigen dürfen, werden
baldigst erbeten. Sie sind spätestens bis zum i. Mai 1912 an den Aus-
stellungs-Ausschuß, zu Händen des Herrn Hans Martin, Berlin O 27,
Wallnertheaterstraße 3, zu richten.
Über die Annahme entscheidet endgültig der Annahme-Ausschuß,
dem Aussteller nicht angehören dürfen.
Der Annahme-Ausschuß besteht aus den Herren: Stadtgartendirektor
Brodersen, Königl. Gartenbaudirektor, Berlin; Stadtgartendirektor Encke,
Königl. Gartenbaudirektor, Köln, Vorsitzender der D. G. f. G.; Professor
Dr. Ritter von Falke, Direktor der Sammlungen des Königl. Kunstgewerbe-
Museums zu Berlin; Dr. Jessen, Direktor der Bibliothek des königl. Kunst-
gewerbe-Museums zu Berlin; Professor Bruno Paul, Direktor der Unterrichts-
anstalt des Königl. Kunstgewerbe-Museums zu Berlin; Potente, königl.
Hofgärtner, Wildpark bei Potsdam ; Ulrich, Obergärtner, 2. Vorsitzender
der Gruppe Brandenburg der D. G. f.'G.; Weiß, Stadtobergärtner, Vor-
steher des I. Stadt. Parkreviers Berlin, i. Vorsitzender der Gruppe Branden-
burg der D. G. f. G.; Zahn, Königl. Gartenbaudirektor, Abteilungsvorsteher
für Gartenkunst an der Königl. Gärtnerlehranstalt zu Dahlem-Steglitz;
Zeininger, Hofgartendirektor Seiner Majestät des Kaisers und Königs,
Potsdam-Sanssouci.
GLIEDERUNGSPLAN FÜR DIE INTERNATIONALE
BAUFACHAUSSTELLUNG MIT SONDERAUSSTEL-
LUNGEN LEIPZIG 1913, Protektor: Seine Majestät König Friedrich
August von Sachsen. Ehrenpräsidium: Königl. Sachs. Staatsminister,
Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten Graf Vitzthum
v. Eckstädt, Exz., Dresden. Kreishauptmann a. D. Wirkl. Geh. Rat Dr. Frei-
herr V. Welck, Exz., Dresden. Kreishauptmann von Burgsdorff, Leipzig.
Oberbürgermeister Dr. Dittrich, Leipzig. Vorsitzender des Direktoriums
Königl. Sachs. Oberbaurat Falian, Leipzig. Geschäftsstelle: Leipzig, Gott-
schedstraße No. 22, Telegramm-Adresse: Iba, Fernsprecher No. 1758.
Bei der Internationalen Baufach- Ausstellung mit Sonderausstellungen
Leipzig 1913 handelt es sich um Vorführungen auf dem für die gesamte
47
DER STÄDTEBAU
Menschheit so wichtigen und weiten Gebiete des Bau- und Wohnungs-
wesens, an dessen Fortentwicklung nicht nur die zahlreichen Angehörigen
der Bau- und Baustoff-Industrie, des Baugewerbes, sowie des Wohnungs-
und ^Vohnungseinrichtungsfachs aller Kulturstaaten lebhaften Anteil haben,
sondern das im gleichen Maße Staat und Gemeinde, wie jede Einzel-
person aufs engste berührt.
Nachstehende Gliederung zeigt eine Übersicht aller einschlägigen
Fächer.
Die Ausstellung wird vom Rate der Stadt Leipzig, vom Königl.
Ministerium des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten, sowie
von vielen anderen amtlichen Stellen des Landes und Reiches, von
zahlreichen Körperschaften und Verbänden, darunter auch der Ständigen
Ausstellungs-Kommission für die Deutsche Industrie, gefördert und
empfohlen.
Als Ausstellungsplatz ist ein sehr günstig gelegenes Gelände von
der Stadt zur Verfügung gestellt worden, das von der geplanten, nach
dem Völkerschlachtdenkmale führenden „Straße des i8. Oktober" durch-
schnitten wird. Der Platz ist mit der Straßenbahn von allen Seiten her,
sowie vom nahen Staatsbahnhofe Stötteritz aus leicht erreichbar. Zum
Nutzen der Aussteller erhält er Gleisanschluß. Von dem Gelände sind
zunächst rund 400000 qm für die Zwecke der Ausstellung bereitgestellt;
eine Erweiterung ist jederzeit möglich.
Nach den vielen Sympathiebekundungen von Verbänden, Innungen,
Vereinen und Einzelpersonen kann aber auch mit einem überaus regen
Besuche aus aller Herren Länder gerechnet werden, besonders, da zahl-
reiche Verbände und Vereinigungen eine Tagung gelegentlich der Aus-
stellung, oder einen gemeinsamen Besuch schon jetzt in Aussicht ge-
nommen haben. Hinzu kommt noch, daß in die Ausstellungszeit das
Deutsche Turnfest und die Einweihung des Völkerschlachtdenkmals fällt,
sowie, daß die neuen Leipziger Bahnhofsbauten, die nach ihrem völligen
Ausbaue die umfänglichsten des Kontinents sind, teilweise in Betrieb sein
werden. Für Verkehrserleichterungen, für die Regelung des Wohnungs-
und Unterkunftswesens gelegentlich der Ausstellungszeit wird gesorgt
sein, ebenso für sachkundige Führung in der Ausstellung, und dafür,
daß den ^Vünschen und Bedürfnissen der Aussteller und Besucher
tunlichst Rechnung getragen wird. Praktische Vorführungen und Vor-
träge der verschiedensten Art werden das Interesse der Besucher beleben
und zahlreiche Sonderausstellungen und Festlichkeiten sollen geboten
werden. Auf größtmögliche Feuersicherh«it in der Ausstellung wird
Bedacht genommen.
Übersicht der Gliederung:
Abteilung I: Baukunst. 8 Gruppen mit 33 Unterabteilungen.
Abteilung II : Bauliteratur, Fachlehranstalten, Bureaugegenstände.
3 Gruppen.
Abteilung III: Baustoffe, deren Herstellung und Verwendung. 20 Gruppen
mit 24 Unterabteilungen.
Abteilung IV: Maschinen, Werkzeuge und Geräte im Baufach.
5 Gruppen mit 2 Unterabteilungen.
Abteilung V: ' Grundstücksverkehr, Auskunfts- und Versicherungswesen,
Buchhaltung usw. 5 Gruppen.
Abteilung VI: Bau-Hygiene für Wohnungen, Fabriken und Straßen —
Arbeiterschutz, Arbeiterwohlfahrt — Feuerschutz. 6 Gruppen.
Abteilung VII: Turn-, Spiel- und Sportwesen.
Abteilung VIII: Baustoff-Prüfung — Fachliche Vorführungen.
Die Ausstellung in den einzelnen Gruppen erstreckt sich sowohl auf
Bauteile und naturgetreue Ausführungen und Vorführungen, wie auch
auf Modelle, Zeichnungen, Photographien und sonstige geeignete Dar-
stellungen.
Aus Abteilung I: Baukunst, kommen für uns besonders in Betracht:
Gruppe i: Städtebau und Siedelungswesen: Städtebau, Städtebilder,
Bebauungspläne, Stadtpläne, Dorfanlagen, Park- und Erholungs-
anlagen, Statistische Aufstellungen, Baulanderschließung, Baugesell-
schafts- und Genossenschaftswesen, Gartenvorstädte, Gartenstädte,
Wohnkolonien usw.
Gruppe 6: Garten- und Parkanlagen:
a) Gärtnerische Anlagen, Gartenarchitektur, Gartenplastik, Schreber-
gärten, Lauben, Gartenhäuser, Brunnen, Wasserbehälter, Spring-
brunnen, Leuchtspringbrunnen, Pumpwerke (auch im Betriebe),
Wintergärten, Treibhäuser usw.
b) Gartenmöbel und -Geräte: Verandamöbel, Pflanzenkübel, Beet-
einfassungen, Wegekies, Grotten, Rasensprenger, Schläuche usw.
Gruppe 7: Friedhöfe, Friedhofskunst: Friedhofsanlagen, Friedhofs-
kapellen, Grabdenkmäler, Erbbegräbnisse, Einäscherungsanlagen,
Urnen und Urnenhaine usw.
Gruppe 8 : Denkmalbau, Denkmalspflege, Heimatschutz usw.
Aus Abteilung V : Grundstücksverkehr, Auskunfts- und Versicherungs-
wesen, Buchhaltung usw.
Gruppe I : Baugrundverkehr.
Gruppe 2: Baugeld-, Hypotheken- und Kautionswesen.
Aus Abteilung VI: Bau-Hygiene für Wohnungen, Fabriken und
Straßen, Arbeiterschutz, Arbeiterwohlfahrt, Feuerschutz.
■pARKAUSSCHUSS FÜR GROSS-BERLIN. Die Deutsche
^ Gesellschaft für Gartenkunst, Gruppe Brandenburg, hat in ihrer
letzten Sitzung am 13. März d. J. einen Parkausschuß gebildet. Das Pro-
gramm dieses Ausschusses soll Vorschläge umfassen: i, für einen so-
genannten Wald- und Wiesengürtel Groß-Berlin unter Hinweis auf die
Gegenden, welche sich besonders dazu eignen; 2. zur Erhaltung
landschaftlich schöner Gegenden, Gärten, Parks und einzelner
Bäume; 3. zur Verbindung der Grünanlagen durch breite Promenaden-
streifen; 4. für eine weiträumige Bebauung in den Vororten; für
ein einheitliches Schnellbahnsystem zur schnelleren Erreichung der Parks;
6. zur Schaffung von praktisch nutzbaren Volksparks und
Spielplätzen.
Dem Ausschuß gehören an: Gartenarchitekt Großmann in Berlin,
Gartenarchitekt Klawun in Groß-Lichterfelde, Gartendirektor Lesser in
Steglitz, Gartenarchitekt Martin in Berlin, Gartenbaudirektor Zahn in
Steglitz und Zeininger, Hofgartendirektor Sr. Majestät des Kaisers. Die
Geschäftsstelle befindet sich Berlin, Wallnertheaterstraße 3.
Das Preisgericht zur Beurteilung der 44 eingegangenen ENT^VURFE
FÜR DIE STÄDTEBAULICHE AUSGESTALTUNG
DER FRANKFURTER WIESEN IN LEIPZIG hat zuerkannt:
Je einen i. Preis, gewonnen durch Teilung des zusammengelegten i. und
2. Preises den beiden gleichwertigen Entwürfen mit den Kenn-
worten „Natur und Kunst" und „Blau und Grün".
Verfasser des Entwurfes „Natur und Kunst": Architekt Oskar Lange,
Berlin-Wilmersdorf, und Architekt Carl Lörcher, Stuttgart;
Verfasser des Entwurfes „Blau und Grün": Professor Bruno Möhring,
Berlin.
Je einen 3. Preis dem Entwürfe mit dem Kennwort „S. V. B. E.",
Verfasser: Regierungsbaumeister Edmund Neue, Berlin-Schmargen-
dorf, und Architekt M. Vogeler, Weimar,
sowie dem Entwürfe mit dem Kennwort ,. Elsterufer".
Verfasser: Ingenieur Carl Mürdel, Architekt Hans Rummel und Archi-
tekt Dipl.-Ing. Christoph Rummel, Frankfurt a. M.
Je einen 4. Preis dem Entwürfe mit dem Kennwort „Groß- und
Klein-Paris".
Verfasser: Architekt Hermann Jansen, Berlin,
dem Entwürfe mit dem Kennwort „Forum aquarum",
Verfasser: Architekt B. D. A. Henry Groß, Charlottenburg,
sowie dem Entwürfe mit dem Kennwort ,,Pax vobiscum",
Verfasser: Emil Berscher, Friedrich Veil und Karl Magenau in Stuttgart.
Die Unterlagen aller zur Ausschreibung gelangenden ^Vettbewerbe
können in den Geschäftsräumen des Verlags Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin \V., Markgrafenstraße 35, wochentäglich in den Stunden von
10 — 4 Uhr unentgeltlich eingesehen werden.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin ^V. 66. — Gedruckt bei Herrosö & Ziemsen, G.m.b.H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W.
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9. Jahrgang
1912
5.Heft
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FÜR.- DiE- KÜNSTLQ^lSaiEAUyQESTAb
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S0Z.1ALEN- öRUND^VTICN: QEQRÜNDETVON
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^aVERLAQ^ERNp* WAyiVJTH, BERUH.!
I ^^ NEBST EINER S0NDLRBEILA6E: LITLRATURBlRICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT *»
INHALTSVERZEICHNIS: Zur Umgestaltung des Universitätsplatzes in Breslau. Nach dem Vorschlage des Architekten Baurat Großer, Breslau. — Das
Englische Städtebaugesetz vom 3. Dezember igog. Von Privatdozent Dr.-Ing. Emerich Forbäth, Budapest. Schluß. — Die Bebauung des Willmannschen
Geländes in Schöneberg. Von Stadtrat Dr. jur. Licht, Berlin-Schöneberg. — Die Gartenvorstadt Leipzig-Marienbrunn. Von Stadtbauinspektor Hans Strobel,
Leipzig. — Mitteilung. — Neue Bücher und Schriften. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
ZUR UMGESTALTUNG DES UNIVERSITÄTS.
PLATZES IN BRESLAU.
Hierzu Tafeln 25 und 26.
Nach dem Vorschlage des Architekten Baurat GROSSER, Breslau.
Nachdem die Stadt Breslau beschlossen hatte, ihrer
Universität zur hundertjährigen Jubelfeier ein Geschenk in
Form eines Bauplatzes zu machen — zur Errichtung von
Wohlfahrtseinrichtungen der Studierenden, für welche Staats-
mittel nicht zur Verfügung stehen — wurde der Gedanke an-
geregt, dieses Grundstück für die Errichtung eines Studenten-
heims zu verwenden, weil es seiner Lage nach dazu
besonders geeignet erschien.
Es wurden mit Erfolg Sammlungen für den Bau ver-
anstaltet — in der Zeitschrift „Schlesien" erschien ein mit
Skizzen ausgestatteter Aufsatz des Herrn Stadtbaurats Berg,
der auf die gegebene Möglichkeit hinwies, mit dem Bau des
Studentenheims die architektonische Umgestaltung des Uni-
versitätsplatzes zu verbinden. — Damit wurde dankenswerter-
weise eine viel weitergehende Frage aufgerollt, die nunmehr zur
Nachprüfung des Vorschlags führen mußte, ob das Studenten-
heim gerade an dieser Stelle zu errichten sei. Nach eingehen-
dem Studium bin ich zur Ansicht gekommen, daß eine
andere Lösung gefunden werden müsse, die ich im folgenden
darstellen und begründen will.
Auf dem Lageplan Abb. a der Tafel 25 stellt das lang-
gestreckte Gebäude an der Oder die Universität dar —
rechts von ihr steht die Matthiaskirche, vor welcher an
der Ecke der Schmiedebrücke das Konvikt gelegen ist,
welches in meinen Mitteilungen noch eine besondere Rolle
spielen soll.
Vor der Universität liegt zwischen Universitätsplatz und
Ursulinerstraße ein Baublock mit Geschäfts- und Wohn-
häusern, dessen westliche Hälfte innerhalb der Buchstaben
a b c d a die Häusergruppe enthält, die von der Stadt zum
Jubiläumsgeschenk erworben worden ist.
Die Häuser sind meist klein — aus keiner schlechten
Zeit — aber sehr baufällig, während die Häuser im vorderen
Teil, aus neuerer Zeit stammend, weniger baufällig — in
Form und Art aber um so wertloser sind.
Es wäre ohne Schaden, wenn das ganze Häuserviertel
von der Oberfläche verschwände und neuen Bauten Platz
machte, die aus künstlerischem Empfinden heraus und in
Rücksichtnahme auf die nachbarlichen Meisterwerke der
Baukunst entworfen werden.
Dieses Bild mit den kleinen niedrigen Häusern — siehe
Abb. b — warnt vor einem Bau, der an dieser Stelle nicht
in mäßiger Höhenentwicklung gehalten wäre. Man hat mir
erwidert, daß es auf den Blick von der Stockgasse her gar
nicht ankomme. — Ich bin nicht der Ansicht — die Lösung
an dieser Stelle ist ein wesentlicher Bestandteil der ganzea
49
DER STÄDTEBAU
Aufgabe, deren Lösung nicht der Stockgasse zuliebe, sondern
der Universität zuliebe angestrebt wird.
In dieser Empfindung habe ich von der Verwendung
des Stadtgeschenks für die Zwecke eines Studentenheims ab-
sehen zu müssen geglaubt und bin für seine Unterbringung
dem Vorschlage des Rektors gefolgt, der auf die Ver-
wendungsmöglichkeit des alten Konvikts hinwies.
Der Gedanke, das Konvikt, das in einigen Jahren, wenn
die letzten Seminare nach dem gegenwärtigen Bibliotheks-
gebäude hinüber gewandert sind, frei wird und dem Staate
für wissenschaftliche Zwecke kaum noch einen Nutzen
bietet, durch einen Umbau für die Zwecke des Studenten-
heims zu benutzen, war schon vor Jahren aufgetaucht, doch
scheiterte er an der Unentbehrlichkeit der Räume und
mangels genügender Mittel.
Es bleibt jetzt noch die Hauptfrage — die Frage der
architektonischen Umgestcdtung des Universitätsplatzes.
Der Lageplan Abb. c bringt meinen Vorschlag hierfür, der
sich aus Besprechungen mit Herrn Prof. Hillebrandt etwa
wie folgt entwickelt hat.
Durch den schon wiederholt gegebenen Hinweis, daß
es sich für die Bebauung des am westlichen Teil ge-
legenen Bauplatzes nur um niedrige Bauten zu handeln
habe, wird für diesen Teil die Anlage eines Turn- und
Lesesaales, dem der Staat vielleicht den Fechtsaal an-
gliedert, empfohlen.
Die Säle haben in einem an die Ursulinerstraße ge-
stellten Langhause Platz gefunden.
In der Empfindung, daß ein Haus, ob hoch oder niedrig,
sich durch seine Lage zur Universität niemals besonders
günstig in den Blick stellen wird, bin ich an der Ecke zu
einer Lösung gelangt, die verhindern soll, daß zwei Gebäude
selbständig — als getrennte Massen — in die Erscheinung
treten. Ich will eine architektonische Verbindung mit der
Universität schaffen und habe an einen Abschluß des Uni-
versitätsplatzes durch einen Torbogen gedacht, durch welchen
die Verbindung nach der Stockgasse als Straße führt.
Ich habe ferner die jetzige ungünstige Fluchtlinie an
der Stockgasse in die Richtung der Westfront der Universität
verlegt und dadurch eine Verbreiterung der an sich sehr
schmalen Front erzielt.
Dem wenn auch kleinen Straßenverkehr kommt die
dadurch gewonnene Erweiterung zugute. — Der niedrige
Bau nimmt nach Osten zu das von der Stadt gegebene
Grundstück voll ein. An ihn schließt sich in gleicher Höhe
ein Gebäudeteil mit Durchgang vom Universitätsplatz nach
der Ursulinerstraße — geschaffen in der Absicht, den immer-
hin für Fußgänger gefahrvollen Weg von der Schmiede-
brücke abzulenken und durch die Ursulinerstraße nach dena
Universitätsplatz oder umgekehrt zu führen.
Daß damit die Möglichkeit verknüpft ist, der Stadt
Breslau eine große Zierde zu verschaffen, verdanken wir
unserm Altvordern, dem Architekten Christoph Hackner,
der das so herrliche Portal der Universität in diesen Blick
gestellt hat.
Der nun noch verbleibende Teil ist wegen der Unklar-
heiten in der Bedürfnisfrage im Grundriß noch ungelöst.
Ich habe aus leicht erklärlichen Gründen vor allem an
einen Erweiterungsbau der Universität gedacht — mit
Seminarien oder Hörsälen — oder beiden.
Ich würde es ferner für schön und ideal halten, den
jungen Studierenden auch hier Gelegenheit zur Erholung
in den weiten Hallen eines Erdgeschosses zu bieten, dessen
Räume vielleicht zu Museumszwecken — ich denke an ein
archäologisches und an ein ethnographisches und ethnolo-
gisches Museum — Verwendung finden könnten. Dies alles
muß von den maßgebenden Behörden indes erst gemeinsam
beraten werden, ehe der Grundriß dieses Gebäudeteiles aus-
gearbeitet werden kann. Ich habe dem Hause zurzeit eine
Grundform gegeben, die sich dem Straßenzuge — Schmiede-
brücke—Kaisertor — anpaßt und durch die parallel zur
Universität gestellte Front einen beträchtlichen Universitäts-
platz von 32 Meter Breite schafft.
Die Städtebilder, die auf Grund einer solchen Plan-
anordnung entstehen, veranschaulichen die Abbildungen auf
Tafel 26.
Das erste (Abb. e) zeigt den Blick von der Stockgasse
her — vom gleichen Standpunkt der früher gezeigten Bilder.
Es ist dasjenige Bild, welches den Gedanken der Errichtung
des Studentenheims bekämpft und deshalb von besonderem
Werte für die Beurteilung.
Das zweite Bild (Abb. f) zeigt endlich den Mittelbau
der Universität — durch den Torbogen in der Ursuliner-
straße.
Die Abb. d der Tafel 25 zeigt den Blick in den Universitäts-
platz — in seiner Mitte sieht man den aus dem Häusermeer
sich erhebenden Turm von St. Elisabeth.
Wir stehen mit der Aufrollung der Frage der archi-
tektonischen Umgestaltung des Universitätsplatzes, für die
Herr Stadtbaurat Berg in seinem Aufsatze der Zeitschrift
„Schlesien" so beredte Worte gefunden hat, vor einer sehr
wichtigen Entscheidung.
Inmitten einer Stadt, deren Gemeinwesen in den letzten
Jahrzehnten sich überaus kräftig entwickelt und ausgedehnt
hat, verschwinden im Verhältnis zur wachsenden Größe
immer mehr die Stätten, die uns mit der Kultur unserer
Vorfahren verbinden.
Es ist nicht Laune der Zeit, sondern die Notwendigkeit,
die gebieterisch unsere moderne Kultur fordert, an die Stelle
wertvoller alter Bauten neue zu setzen, die den Bedürf-
nissen unserer Zeit Rechnung tragen. Da ist es um so mehr
Pflicht: „Halt zu machen an einer Stelle, bei der es gilt,
in bewußter Erkenntnis der Leistungen unserer Vorfahren
Denkmalpflege zu üben.
Wenn in dem vorliegenden Falle auch niemals die Rede
sein kann und wird von einem Verschwinden oder ehrfurchts-
losen Eingreifen in das uns überkommene Vermächtnis, es
würde schon betrüblich genug sein, wenn eine in un-
mittelbarer Nähe beginnende Bautätigkeit nicht im Sinne
der Denkmalpflege in Rücksicht und Achtung vor der alten
Bauten Herrlichkeit einsetzte.
Meiner Ansicht nach tritt dieser Fall ein, wenn die Er-
bauung des Studentenheims auf dem von der Stadt zur
Verfügung gestellten Platz beschlossen wird.
Der Platz ist zu klein und verlangt deshalb eine
Höhenentwicklung des Hauses, die für die benachbarte
Universität verhängnisvoll werden muß.
Das sind die Gründe, die mich veranlaßt haben, mich
der Aufgabe zu widmen.
Für die Lösung unserer Aufgabe muß allein der künst-
lerische Gedanke maßgebend sein, der neben den herrlichen
Zeugen alter Kultur die neuzeitliche Schöpfung zu durch-
wehen hat.
„Der Vorzeit Werk, der Nachwelt Vorbild."
50
DER STÄDTEBAU
DAS ENGLISCHE STÄDTEBAUGESETZ
VOM 3. DEZEMBER 1909.
Von Privatdozent Dr.-Ing. EMERICH FORBATH, Budapest. (Schluß.)
Entschädigung für Eigentum, das durch den Plan
unrechtmäßigerweise geschädigt worden ist.
Jede Person, deren Eigentum durch einen Bebauungs-
plan unrechtmäßigerweise geschädigt wird, hat, wenn sie
ihren Anspruch innerhalb der durch den Plan festgesetzten
Zeit, die nicht kürzer sein kann als 3 Monate nach dem
Datum der Veröffentlichung der Genehmigung des Planes,
Anspruch auf Entschädigung durch die verantwortliche
Behörde. Niemand hat das Recht, Entschädigung für
irgendein Bauwerk oder auf Grund irgendeines Vertrages
oder unter irgendeinem anderen Titel zu erlangen, wenn
die Errichtung des Bauwerkes oder der Abschluß des
Vertrages nach dem Zeitpunkt erfolgt ist, in dem die Be-
hörde an die Vorbereitung des Planes gegangen ist oder
nach irgendeinem anderen Zeitpunkt, den das Ministerium
zu diesem Zwecke festgesetzt hat, wobei bemerkt wird, daß
diese Bedingung sich nicht auf solche Arbeiten bezieht, die v o r
dem Zeitpunkte der Genehmigung des Planes zum Zwecke
der Beendigung eines begonnenen Bauwerkes oder der Aus-
führung eines solchen Vertrages ausgeführt werden, der vor
dem Auftrag zur Plananfertigung eingegangen worden ist.
Besteuerung der durch den Plan hervorgerufenen
Werterhöhung.
Wo zufolge der Aufstellung eines Bebauungsplanes
irgendein Eigentum im Werte erhöht wird, ist die verant-
wortliche Behörde, wenn sie ihren Anspruch innerhalb der
durch den Plan festgestellten Zeit geltend macht, berechtigt,
von jeder Person, deren Eigentum in dieser Weise im Werte
erhöht wird, die Hälfte dieser Werterhöhung einzuheben.
Jede Frage, ob irgendein Eigentum im Sinne dieser
Bestimmungen unrechtmäßigerweise geschädigt oder im
Werte erhöht worden ist. ferner die Höhe und die Art der
Bezahlung der Summe, welche als Entschädigung zu ver-
güten oder von der verantwortlichen Behörde als Wert-
erhöhung einzuheben ist, wird, wofern die Beteiligten sich nicht
anders geeinigt haben, durch einen einzelnen Schiedsrichter
entschieden, der vom Ministerium ernannt wird.
Ausschluß derEntschädigung in gewissen Fällen.
Kein Eigentum wird als zu Unrecht beeinträchtigt an-
gesehen auf Grund von solchen Bestimmungen des Stadt-
bauplanes, die mit Rücksicht auf die Annehmlichkeit des
W^ohnens auf dem im Plane eingeschlossenen Gelände oder
auf einem Teile desselben den freien Platz um die Gebäude
herum vorschreiben oder die Anzahl der zu errichtenden
Gebäude beschränken oder die Höhe und die Art der Gebäude
vorschreiben, und welche das Ministerium mit Rücksicht auf
die Natur und Lage des betreffenden Geländes für zweck-
entsprechend hält.
Erwerb von Gelände, das in den Bebauungs-
plan eingeschlossen ist, durch die Behörden,
Die verantwortliche Behörde kann für die Zwecke des
Bebauungsplanes jedes Gelände, das in diesem Plane ent-
halten ist, auf dem Einigungswege oder zwangsweise in
derselben Weise und unter denselben Bedingungen an-
kaufen, wie die örtlichen Behörden dies auf Grund der
Gesetze betreffend die Unterbringung der arbeitenden
Klassen in den städtischen Gebieten tun können.
Ermächtigung des Ministeriums für den Fall,
daß eine örtliche Behörde ihren Pflichten in
bezug auf Aufstellung oder Ausführung eines
Bebauungsplanes nicht nachkommt.
Wenn das Ministerium auf Grund irgendeiner An-
meldung nach einer Untersuchung an Ort und Stelle zur
Überzeugung gelangt, daß eine örtliche Behörde
a) es versäumt hat, die erforderlichen Schritte zu tun,
um einen entsprechenden Bebauungsplan vorbereiten
und genehmigen zu lassen, dort wo ein solcher Be-
bauungsplan notwendig wäre, oder
b) es versäumt hat, einen von den Eigentümern des
Geländes vorgelegten Plan anzunehmen, wo ein solcher
Plan angenommen hätte werden sollen, oder
c) sich geweigert hat, irgendwelche vom Ministerium
auferlegte Änderungen oder Bedingungen anzunehmen,
kann das Ministerium je nach Lage des Falles die ört-
liche Behörde anweisen, einen solchen Bebauungsplan vor-
zubereiten und dem Ministerium zur Genehmigung vor-
zulegen oder den ihr vorgelegten Bebauungsplan zu
übernehmen, oder den auferlegten Änderungen oder Be-
dingungen zuzustimmen, wobei bemerkt wird, daß dort,
wo die örtliche Behörde es versäumt hat, einen ihr vor-
gelegten Plan zu übernehmen, das Ministerium an Stelle
der vorgehend genannten Verfügung selbst den vorgelegten
Plan übernehmen und genehmigen kann, und zwar mit
solchen Veränderungen und Bedingungen, die es für not-
wendig hält, worauf der Plan dieselbe Rechtswirkung hat,
als ob er von der örtlichen Behörde angenommen und vom
Ministerium genehmigt worden wäre.
Wenn das Ministerium auf Grund einer Untersuchung
an Ort und Stelle zu der Überzeugung gelangt, daß eine
verantwortliche Behörde es versäumt hat, die Einhaltung
eines genehmigten Planes oder einzelner Bestimmungen
eines solchen tatsächlich sicherzustellen oder irgend-
welche Arbeiten auszuführen, die auf Grund des Planes
oder dieses Gesetzes die Behörde auszuführen hat, kann
das Ministerium diese Behörde dazu verhalten, alle er-
forderlichen Maßregeln zur Einhaltung des Planes oder
einzelner seiner Bestimmungen in wirksamer Weise durch-
zuführen oder alle Arbeiten auszuführen, die auf Grund
des Planes oder dieses Gesetzes die Behörde aus-
zuführen hat.
Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes beziehen sich
auf die Art des Schätzungsverfahrens, auf die Verrechnung
der entstehenden Auslagen, sowie auf die besonderen An-
wendungsbestimmungen für London und Schottland.
61
DER STÄDTEBAU
Schlußbemerkung.
Der Städtebau in England dürfte durch das neue Gesetz
eine mächtige Förderung erfahren. Was zunächst ins Auge
fallt, ist die Vereinfachung des Verfahrens bei der Aufstellung
und Genehmigung der Pläne. Während seither zu solchen
Plänen in jedem einzelnen Falle die Genehmigung des
Parlaments, also ein besonderes Gesetz notwendig war,
was in England ebenso wie überall ein höchst langwieriges
und kostspieliges Verfahren ist, wird durch das neue Gesetz
die Genehmigung der Pläne der obersten Verwaltungs-
behörde übertragen, gleichzeitig jedoch bestimmt, daß der
genehmigte Plan dieselbe Kraft besitzt, als ob er im Gesetze
selbst enthalten wäre. Zu beachten ist ferner das durch-
greifende Enteignungsrecht der Behörden bei Ausführung
von Stadtbauplänen, dessen Mangel in den meisten Ländern
des Kontinents dem praktischen Städtebau so viele Schwierig-
keiten entgegenstellt. Endlich sei noch auf die radikale
Lösung der Besteuerung des Wertzuwachses hingewiesen,
die in dem Gesetze enthalten ist, und nach welcher die
Hälfte der durch einen Stadtbauplan bewirkten Wert-
steigerung von der Behörde eingehoben wird.
Von den übrigen, in diesem Aufsatze nicht behandelten
Teilen des Gesetzes, die sich auf die Wohnungsfrage und
die Wirksamkeit der Gesundheitsämter beziehen, soll an
dieser Stelle nur ein Punkt hervorgehoben werden, der
mit dem Bau der Städte auf das innigste zusammenhängt
und dessen Bestimmung in den meisten Ländern des
Kontinents zurzeit leider noch zu den unerreichbaren
Idealen gerechnet werden muß. Es ist dies der Punkt 43
des ersten, auf die Unterbringung der arbeitenden Klassen
sich beziehenden Teiles des Gesetzes, der besagt, daß
entgegen allen etwa in Kraft stehenden örtlichen Statuten
und Bestimmungen in Zukunft das Bauen back-to-back
für Wohnzwecke verboten wird, und durch den solche
Häuser, wenn deren Bau nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes begonnen worden ist, als für menschliche Woh-
nungen ungeeignet erklärt werden. Die Häuser back-to-
back entsprechen in ihrer baulichen Anlage etwa den mit
den Brandmauern Rücken an Rücken aneinander gebauten
Hof- und Seitenwohnungen unserer städtischen Miets-
kasernen, bei denen eben wegen dieser baulichen Anlage
eine Querlüftung der Wohnungen unmöglich ist. Es ist
eines der wichtigsten Ziele, denen der moderne Städtebau
auch auf dem Kontinent mit aller Tatkraft nachstreben muß,
daß solche nicht querdurchlüftbare Wohnungen in Zukunft
nach und nach überall unmöglich gemacht werden sollen.
Das neue englische Gesetz dürfte in seiner Anwendung
namentlich zu Beginn noch mancherlei Schwierigkeiten be-
gegnen; nichtsdestoweniger erscheint es jedoch unzweifel-
haft, daß es wesentlich zur Erreichung des Zieles beitragen
wird, das der Schöpfer des Gesetzes, John Bums, in der
Einleitung zu einer volkstümlichen Ausgabe des Gesetzes
wie folgt zusammengefaßt hat:
„Ich hoff"e, daß die hauptsächlichsten Wohltaten des
Gesetzes sein werden: zunächst weniger Häuser auf
1 acre, mehr freier Raum und Gärten um die Wohnungen
herum, anziehendere Fronten, größere Wohnräume, all-
gemeine Badegelegenheit und all die Annehmlichkeiten,
die im städtischen Leben so notwendig sind, und ohne
welche selbst in ländlichen Gebieten ein häßliches Haus
und ein enger Hof bloß ein Obdach und nicht der Ruhe-
platz, das Heiligtum und Heim bilden, das eine bequeme
Wohnung sein sollte. Vor allem aber hoffe ich, daß ein
neuer Maßstab für die Lüftung für alle Arten von Wohnungen
platzgreifen wird, so daß in allen neuen Wohnungen, die
man schon unter der Herrschaft dieses Gesetzes errichten
wird, zu allen Zeiten, bei Tag und Nacht, die Zuführung von
frischer Luft gesichert sein wird, die für die Bekämpfung
der Tuberkulose in allen Wohnungen so notwendig ist.
Die Notwendigkeit und der Wert größerer und ge-
sünderer Wohnungen in gefälligen Straßen, in besseren
Städten, in engerer Beziehung zu Parks, Gärten und
offenen Plätzen ist so dringend und wichtig, und wird auf
die Erziehung und den Charakter unserer Bürger einen so
wohltätigen Einfluß ausüben, daß dieses Gesetz der herz-
lichen Unterstützung all derjenigen sicher sein sollte, die
die wichtigsten Interessen der Kinder und Bürger, der Rasse,
der Stadt und der Nation am Herzen tragen."
Hoffentlich werden die nachahmenswerten Bestimmungen
des englischen Städtebaugesezes ihren Weg auch in die übrigen
Kulturländer finden, um dort in der denjeweiligen Verhältnissen
am besten angepaßten Form ebenfalls zur Anbahnung eines
besseren, gesünderen, wirtschaftlicheren und schöneren
Städtebaues beizutragen.
DIE BEBAUUNG DES WILLMANNSCHEN
GELÄNDES IN SCHÖNEBERG, mer^u XaMn 27 W, so.
Von Stadtrat Dr. jur. LICHT in Berlin-Schöneberg.
Das März-Heft dieser Zeitschrift hat in seiner „Chronik"
unseren neuen Bebauungsplan für das vormals Willmannsche
Gelände mit besonderer Freundlichkeit begrüßt. Wenn nun
der Herr Herausgeber noch den bei der Durchsetzung des
Planes beteiligten Verwaltungsjuristen auffordert, den Plan
an dieser Stelle zu besprechen, so wird er davon ausgegangen
sein, daß bei dieser Erörterung die künstlerischen Erwägungen
aus den Bildbeilagen dem fachmännischen Kenner ohne
weiteres klar werden, daß aber der Verwaltungsjurist, der
von seiner Stadt zu anderen als künstlerischen Aufgaben
berufen ist, vornehmlich die wirtschaftlichen und sozialen
Gründe anzugeben haben wird, die ihn zur Abkehr von der
Schablone und zur bewußten Anwendung der neueren Städte-
baulehre veranlaßt haben.
Der genaue Beobachter der Groß-Berliner Bevölke-
rungsbewegungen sieht in der durch eine gekünstelte Ver-
waltungsorganisation in verschiedene Gemeinwesen gespal-
tenen wirtschaftlichen und sozialen Einheit Groß-Berlin ein
ruheloses Hin und Her der Bevölkerung. Für Charlottenburg
z. B. ist festgestellt worden, daß innerhalb eines Jahres ein
62
DER STÄDTEBAU
Abb. I. Fassaden des Platzes 1 (Westseite).
Drittel der Bevölkerung durch Zuzug und Wegzug wechselt,
und ein ähnliches Ergebnis zeigt die Statistik der Stadt
Schöneberg. Hier sind beispielsweise im Jahre 1910 von
den rund 170000 Einwohnern rund 63000 zugezogen und
rund 59000 fortgezogen. Es leuchtet ein, daß dieses Nomaden-
tum der großstädtischen Bevölkerung wirtschaftlich und sozial
einen großen Schaden bedeutet. Sehen wir von den Nach-
teilen ab, die dieses Hin- und Herziehen für den Familien-
vater, für die Schulkinder, für die Steuer- und Polizei-
behörden bringt, so sind es zwei wichtige Gesichtspunkte,
die der Beamte der städtischen Selbstverwaltung jedenfalls
nicht außer acht lassen darf.
Der eine ist die Benachteiligung des Hausbesitzers,
dessen besonders pflegliche Behandlung um so mehr Pflicht
des Groß-Berliner Verwaltungsbeamten ist, als er gegenüber
dem hin und her flutenden Bevölkerungsstrom das seßhafte
und dem Steuerzugriff am wenigsten entrinnende Element
der städtischen Bevölkerung darstellt. Für den Hausbesitzer
bedeutet jeder Fortzug eines Mieters nicht nur die Not-
wendigkeit kostspieliger Instandsetzungsarbeiten, sondern
auch die Gefahr eines längeren oder kürzeren Leerstehens
seiner Wohnung.
Für das Gemeindeleben im ganzen aber ergibt sich aus
dieser Erscheinung zugleich ein Mangel an bodenständigen,
die Gemeinde um ihrer selbst willen gern verwaltenden
Bürgern. Wer mit dem Freiherrn vom Stein in der Be-
teiligung der Bürger am Gemeinwesen eines der Mittel sieht,
Gemeinsinn zu erwecken und zu erhalten und damit Staats-
bürger zu erziehen, den muß mit Betrübnis erfüllen, daß
dieses Ziel bei der jetzigen Groß-Berliner Zersplitterung,
mit der wir leider noch auf lange Zeit werden zu rechnen
haben, nicht zu erreichen ist. Für einen Groß-Berliner
Gemeingeist gibt es kein Betätigungsfeld, und den einzelnen
Gemeinden, die die Mitarbeit des uninteressierten Bürgers
bitter nötig brauchen, läuft alljährlich fast ein Drittel der
Bürgerschaft über die Grenze, und die Gemeindeverwaltungen
sind in Gefahr, daß sich zu ihren Ehrenämtern nur noch
irgendwie geschäftlich Interessierte bereit finden.
Hier hätte die Städtebaukunst einzugreifen. Wer aber
will leugnen, daß die Stadtanlage bisher in Groß-Berlin
wenig dazu beigetragen hat, den einmal Angesiedelten zum
seßhaften Bürger zu machen! Und wer den bisherigen
Bebauungsplan für das hier besprochene Gelände, wie ihn
Textbild 2 zeigt, betrachtet, wird verstehen, daß er zwar
dem Terrainunternehmer allerhand Vorteile bietet, daß er
ihm eine reichliche Anzahl von Eckbaustellen verschafft, die
nach der Bauordnung eine um ein Zehntel dichtere Bebauung
zulassen, daß er ihm die Möglichkeit gibt, die Baustellen
gleichsam wie mit einer Zuschneidemaschine im großen
zuzuschneiden und daß er den Käufern der Ecken noch die
meist trügerische Vorstellung erweckt, daß in ihnen üppig
sich entwickelnde Ladengeschäfte eine steigende Rente des
Hauses sichern werden; — daß aber einer der Bewohner
dieser schematisch aneinandergereihten Häuser an seinem
Stadtteil irgend etwas besonderes finden wird, was ihn an
diese Stelle fesselt, in ihm Anhänglichkeit und so etwas wie
Heimatgefühl erweckt, wird niemand behaupten können.
Aus diesen schablonenmäßig aufgereihten Häusern ziehen
eben die Bewohner, nachdem ihr Mietvertrag abgelaufen ist,
einige Straßen weiter, weil dort vielleicht ein prunkvollerer
Aufgang oder irgendein nebensächlicher Wohnungskomfort
sie reizt. Die Gemeinde und der Hauswirt haben das Nach-
sehen. Und wenn dem Hauswirte seine Geldmittel nicht
gestatten, mit den rasch anwachsenden Bedürfnissen des
Wohnungskomforts Schritt zu halten, veraltet sein Haus,
und die Klasse seiner Mieter wird immer schlechter.
Nun gibt es aber ein Anziehungsmittel, das seine Wir-
kung auf den der Natur noch nicht völlig entwöhnten Groß-
städter nicht verfehlt, das ist etwas natürliches Grün, das sind
ein paar grüne Bäume. Und diese Anlagen haben außerdem
noch den Vorteil, daß sie mit der Zeit nicht veralten, sondern,
je länger sie stehen, um so schöner sich entwickeln, im
Gegensatz zu dem veränderlichen Geschmack am Wohnungs-
komfort. Und wenn nun schließlich noch hinzukommt, daß
Grünflächen in der Unterhaltung weit billiger sind als Asphalt-
pflasterflächen, so sind damit die Erwägungen angegeben,
die den Verfasser dazu führten, den bereits von den Ge-
meindekörperschaften genehmigten alten Plan zu verwerfen
und dem neu ins Leben gerufenen Stadterweiterungsamt und
seinem Architekten die Aufgabe zu stellen, ein ruhiges Wohn-
viertel mit einer zentralen ruhigen Grünanlage zu schaffen,
bei der das Maß der baulichen Ausnutzung nicht geringer
sein durfte, als bei dem alten Plane ; denn auf Grund dieses
alten von den Gemeindekörperschaften genehmigten Planes
war das Gelände bereits an eine Terraingesellschaft für
rund 3'/4 Millionen Mk. verkauft worden, und auch deren
Vermögensinteressen waren zu schonen.
Ein ferneres Ziel war, die gesundheitlich unerwünschte
Errichtung von Mittel- und Seitenflügeln und Quergebäuden
im Gegensatz zu dem bisherigen Plan durch den Bebauungs-
plan tunlichst auszuschließen.
Der neue Plan, wie ihn die Abb. a, Tafel 27 und c,
Tafel 28 zeigen, ist das Werk des Stadtbauinspektors Wolf
und das Ergebnis immer aufs neue gefertigter Berechnungen
und Pläne, die das Ziel hatten, der Terraingesellschaft die
gleiche wirtschaftliche Ausnutzungsmöglichkeit zu gewähren,
die der alte Plan ihr bot.
Die Einzelheiten des Planes sind bereits in Heft 3 dieses
Jahrganges Seite 36 dargestellt. Hier sei nur noch erwähnt,
daß die Fülle der Ost -West -Verbindungen für den Fahr-
verkehr, die der alte Plan im Gegensatz zum neuen auf-
wies, durch kein Gebot des Verkehrs zu begründen war.
53
DER STÄDTEBAU
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Abb. 2. Bisheriger Bebauungsplan mit Übersichtsplan.
Als Hauptverkehrsstraßen kommen für das Gelände die auf
dem alten Plan Holbeinstraße, jetzt Rubensstraße genannte
Verkehrsstraße im Osten und die im Norden daran vorüber-
führende Hauptstraße in Frage. Ein Bedürfnis für einen
Fahrverkehr von West nach Ost besteht nicht, da im Osten
die Eisenbahndämme der Wannseebahn und der Stadt- und
Ringbahn und der von ihnen eingeschlossene städtische
Friedhof auf Jahrzehnte dem Verkehr unübersteigliche
Schranken entgegenstellen. Für den Fußgängerverkehr da-
gegen war es wichtig, die im Norden des Geländes gelegene
Untergrundbahnstation „Hauptstraße" und die im Süden ge-
legene Wannseebahnstation Friedenau bequem zugänglich
zu machen. Auf die Bedürfnisse einer fernen Zukunft nimmt
die im Süden des Geländes vorgesehene Straße „i" Rück-
sicht, die hier einen fast geradlinig vom Grunewald her sich
durch die Gemeinden Grunewald, Schmargendorf, Wilmers-
dorf und Friedenau hinziehenden Straßenzug verlängert, der
später einmal durch das künftige Schöneberger Südgelände
und über das Tempelhofer Feld hinweg die Berliner Friedrich-
stadt mit dem Grunewald in Verbindung bringen wird.
Ein nur ganz ausnahmsweise zulässiges Mittel, um die
mittlere Freifläche möglichst groß zu gestalten, war die
Verlegung eines Teiles der Hofflächen an beiden Längsseiten
der Platzanlage nach vorn und ihre Benutzung für die An-
legung der schmalen Umfahrtstraße. Allgemein darf dieses
Mittel natürlich nicht angewandt werden, ohne zu einer un-
erwünschten Verdichtung der Bauweise zu führen. Hier
war der Weg durch die Notwendigkeit gewiesen, die wirt-
schaftlichen Interessen der Terraingesellschaft zu schonen.
Diese Hofflächen kommen als Vergrößerung der benutzbaren
Freifläche in der Mitte nunmehr allen Anwohnern dieses
Stadtteiles zugute, und das ganze Gelände zeigt im ganzen
nur etwa 90 qm bebaute Fläche mehr als der alte Plan.
Die durch die Genehmigung des alten Planes geschaffene
Zwangslage hat es leider nicht ermöglicht, wie die Quer-
gebäude auch die Seitenflügel völlig auszuschließen. Immer-
hin kommen diese Seitenflügel im Gegensatz zu den Mög-
lichkeiten des alten Planes nur bei einer geringen Anzahl
von Grundstücken vor.
Das Fortfallen der Seitenflügel in dem weitaus größten
Teile der Baugrundstücke legte dann der Terraingesellschaft,
der Boden -Aktien -Gesellschaft Berlin-Nord, die im Laufe
der Verhandlungen immer mehr Geschmack an dem erst
mit Argwohn betrachteten Plane gewann, den Gedanken
nahe, die zum Teil über 200 m langen und 20 m tiefen Höfe
im Innern der Baublöcke zu gemeinschaftlichen großen
Innengärten auszugestalten.
Ein schon von Camillo Sitte angestrebtes Ziel der Städte-
baukunst wird also hier verwirklicht werden. Die häßlichen
Einfriedigungen, die ohne rechten Zweck die Nachbarhöfe
voneinander scheiden, werden fortfallen, und die Hofflächen
werden bis auf kleine für Wirtschaftszwecke zurückzu-
54
DER STÄDTEBAU
haltende Teile zu Grünanlagen Verwendung finden, die von
allen schädlichen Einflüssen der Straße geschützt, den Be-
wohnern des Häusergevierts ein Plätzchen ruhiger Erholung
und ihren Kindern Spiel- und Turnplätze gewähren sollen.
Diese Anlagen werden von der Stadtgemeinde unterhalten
werden. Die Anlieger tragen nach Verhältnis dazu bei, und
diese Beitragspflicht ist als Reallast auf ihren Grundstücken
eingetragen. Niedrige Bäume (Rotdorn, Mandelbäume und
andere) werden die einzelnen Teile umsäumen; hie und da
werden Springbrunnen sie beleben. 12 m breite Bauwiche
an geeigneten Stellen werden eine bequeme Durchlüftung
dieser Höfe ermöglichen und gleichzeitig reizvolle Einblicke
in ihr Inneres gewähren (Abb. e u. f, Tafel 29).
Ob sich diese gemeinschaftlichen Innenanlagen bei dem in
der Häuslichkeit individualistischen Sinn des Großstädters be-
währen werden, ob sich die Kinder miteinander dort vertragen
und durch ihr Spiel nicht den Nachmittagsschlaf der Kinder-
losen stören werden, alles dies muß die praktische Erfahrung
zeigen. Der Versuch aber muß einmal gemacht werden, und
bewährt sich die Einrichtung, so soll sie in größerem Umfange
in dem der Erschließung noch harrenden Südgelände der
Stadtgemeinde weiter durchgeführt werden.
Die Vorgärten, sonst ein Schmerzenskind unserer Groß-
stadtstraßen, sollen in diesem Wohnviertel einheitlich an-
gelegt, mit Hainbuchenhecken eingefriedigt und auf Kosten
der Eigentümer von der Stadt unterhalten werden. Die die
mittlere Grünanlage umschließenden Hausfronten werden
einheitlich mit Glyzinien berankt werden. An der Westseite
des Platzes werden statt der Vorgärten einheitlich bepflanzte
Balkonterrassen die Erdgeschoßräume von der Straße trennen
(Abb. b, Tafel 27).
Dem in allem diesen sich ausdrückenden Streben nach
einheitlicher Wirkung sollen auch die zu schaffenden archi-
tektonischen Straßenbilder entsprechen, die den Forderungen
nach Einheitlichkeit und Rhythmus zum Leben zu verhelfen
haben. Die Stadtgemeinde Schöneberg hat bereits seit einigen
Jahren den Einfluß, den ihr das Bauverbot des Fluchtlinien-
gesetzes gibt, ästhetischen Forderungen dienstbar gemacht,
und so werden auch hier die Häuserfronten rings um den
in der Mitte liegenden Platz durchgehende Hauptgesimse und
einheitlich durchlaufende Dachflächen zeigen (Textbild 1). Die
in Gemeinschaft mit der Terraingesellschaft vorgenommene
Parzellierung wurde so vorgenommen, daß beim Betreten
des Platzes von den einmündenden Straßen aus rhythmische
Bilder sich darbieten werden (Abb. h, Tafel 30). Bei den
ansteigenden Straßen lassen sich naturgemäß auf die ganze
Länge der Straße durchlaufende Hauptgesimse nicht schaffen:
hier werden aber auch durch gruppenweise Zusammenfassung
von einheitlich durchlaufenden Dächern und Hauptgesimsen
befriedigende Lösungen erzielt werden, und schließlich wird
auch die Verwendung von einheitlichem Material und gleicher
Farbe die einheitliche Wirkung der einzelnen Straßen- und
Platzbilder steigern. Die Anordnung der Erker in rhyth-
mischen Abständen wird Ruhe und Harmonie in die Straßen-
bilder bringen, und die den inneren Grünflächen zugekehrten
Hoffronten werden gleich den Vorderfronten einheitlich
architektonisch durchgebildet werden.
Das Wohnviertel entsteht zum großen Teil auf der Fläche
eines alten Parkes. Sein Baumbestand ist, soweit es irgend
ging, erhalten worden. Eine genaue Aufnahme der vor-
handenen Bäume ist der Aufstellung des Planes voran-
gegangen, und wo es irgend anging, ist die Straßenführung
unter Schonung vorhandener schöner alter Bäume gewählt
worden (Abb. d, Tafel 28). Nicht Monumentalität, sondern
behagliche Wohnlichkeit war das durch den Charakter der
Anlage vorgeschriebene Ziel, das für die Ausbildung der
Häuser und Anlagen erstrebt wurde. So wird denn auch
die Wasserkunst in dem südlichen Teile der mittleren Platz-
anlage nicht in schloßartiger Vornehmheit springen, sondern
der niedrige Rand des Wasserbeckens wird es ermög-
lichen, daß Kinder hier ihre Wasserspiele werden treiben
können (Abb. g, Tafel 30), eine Abwandlung des in unserem
Klima nicht durchführbaren Gedankens der amerikanischen
„Plantschwiese".
Es war ein langer und nicht müheloser Weg, auf dem
diese Forderungen neuer Städtebaukunst in die Wirklichkeit
übergeführt wurden. Um so dankbarer müssen wir er-
wähnen, daß wir nicht nur immer lebhafteres Verständnis
bei der Terraingesellschaft, ihrem Direktor Busch, ihrem
Architekten Derda, gefunden haben, sondern daß wir auch
für die mancherlei Abweichungen von der Norm wohl-
wollendes Verständnis und tatkräftige Unterstützung bei den
in Betracht kommenden staatlichen Stellen, insbesondere bei
dam Polizeipräsidenten von Schöneberg, den Baubeamten
des Königlichen Polizeipräsidiums in Berlin und beim Be-
zirksausschuß in Berlin gefunden haben. Allen Beteiligten
war es offenbar eine Freude, an dieser Durchsetzung künst-
lerischer Forderungen mitzuwirken.
Zu hoffen bleibt uns, daß die Liebe, die in die Planung
gelegt worden ist, von den künftigen Bewohnern dieses Stadt-
viertels gewürdigt werde und in ihnen etwas Anhänglichkeit
und Stolz und etwas Heimatgefühl und Bürgersinn damit
erweckt werde. Ist es doch schon nach Aristoteles Ziel der
Städtebaukunst, die Menschen auch glücklich zu machen.
DIE GARTENVORSTADT LEIPZIG-
MARIENBRUNN.
Hierzu Tafeln 19 und 20, die bereits der vorigen Nummer beigelegt worden sind.
Von Stadtbauinspektor HANS STROBEL, Leipzig.
Die Internationale Ausstellung für Bau- und Wohnwesen
Leipzig 1913 hatte bereits zu Ende 1910 beabsichtigt, die
Erfolge der Gartenstadtbewegung in Form einer Muster-
siedelung auf dem Ausstellungsgelände in die Erscheinung
treten zu lassen. Es wäre aber ohne Zweifel ein volks-
wirtschaftlicher Verlust gewesen, eine solche Mustersiedelung
zu erbauen, die nach Ablauf der Ausstellung dem Abbruch
verfallen müßte. Ein derartiges Unternehmen hätte sicher
55
DER STÄDTEBAU
einen Kostenauf-'
wand von 80000
bis 100000 Alk.
erfordert, wenn
der Siedelungs-
charakter einiger-
maßen zum Aus-
druck kommen
sollte. Der Ge-
danke, eine auf
dauernden Be-
stand berechnete
Kleinhaussiede-
lung durch eine
besondere Gesell-
schaft neben dem
Ausstellungs-
gelände zu er-
richten, lag also
nahe, und fand in
einer am 8. De-
zember 1910 ge-
gründeten Orts-
gruppe Leipzig
der Deutschen
Gartensladtgesell-
schaft wärmste
Unterstützung und
eifrige Förderer.
Die Verbindung
mit der Ausstel-
lung kann mit
einer Schnellbahn,
die gleichzeitig
selbst ein be-
deutender Aus-
stellungsgegen-
stand wäre, her-
gestellt werden.
Der 27. Juni
1911 führte die
Ausstellungs-
leitung, Vertreter der Ortsgruppe und weitere Freunde der
Sache zu einer Aussprache zusammen, bei der Verfasser den
in Plänen niedergelegten Gedanken einer Gartenvorstadt-
gründung erläutern konnte und Zustimmung zu der An-
schauung fand, daß es heute nicht mehr so sehr darauf an-
komme nachzuweisen, schöne, praktische und behagliche
Einfamilienhäuser bauen zu können, als vielmehr darauf,
daß es praktisch möglich sei, innerhalb einer Großstadt eine
gsirtenstädtische Siedelung auf wirtschaftlicher Grundlage
durchzuführen.
Da war es denn ein glücklicher Umstand, daß ganz in
der Nähe des dem Völkerschlachtdenkmal vorgelagerten
Ausstellungsgeländes Land vorhanden war, das, seit dem
16. Jahrhundert — früher gehörte es dem Thomaskloster —
im Besitz der Stadt, bis heute unberührt von der städtischen
Bebauung Ackerland geblieben ist. Gerade an jener Stelle
schiebt sich ein breiter Keil jungfräulichen Landes bis an
den Bayrischen Bahnhof in die Stadt hinein.
Es war weiter ein glückliches Zusammentreffen, daß
mit der Wahl des Geländes — westlich vom Südfriedhofe
Abb. 3. Übersichtsplan des die Gartenstadt enthaltende Geländes.
auf Connewitzer
Flur — zugleich
ein bedeutender
ästhetischer
Vorteil für das
Stadtbild erreicht
werden kann. Die
Gartenvorstadt
wird an dieser
Stelle den Anfang
der baulichen
Einkreisung
des Völker-
schlachtdenk-
males bedeuten.
Sie wird also
durch die be-
scheidene Höhen-
entwicklung ihrer
Bauweise und
durch den ein-
heitlichen der
Lage angepaßten
Baucharakter
noch zu einer
Steigerung der
Wirkung dieses
Werkes beitragen,
das von der sonst
üblichenVorstadt-
bebauung wahr-
scheinlich stark
beeinträchtigt
werden würde.
Der benach-
barte uralte Ma-
rienbrunnen im
Parke vor dem
Völkerschlacht-
denkmal, dessen
Wasser nach der
Sage Tausende
von Leprakranken geheilt haben soll, hat der geplanten Siede-
lung den Namen Leipzig-Marienbrunn gegeben. Möge
der Name der heilkräftigen Quelle ein gutes Symbol sein.
Am 3. November 1911 wurde in den Räumen der Bau- ,
ausstellung die „Gartenvorstadt Leipzig-Marienbrunn,
G. m. b. H." mit 205000 Mk. Stammvermögen gegründet. Der
Gesellschaftsvertrag ist auf den von der deutschen Garten-
stadtgesellschaft vertretenen Grundsätzen aufgebaut. Der
4''/o übersteigende Gewinn ist für gemeinnützige Anlagen
innerhalb des Unternehmens und für Rücklagen zu verwenden.
Am 8. Dezember 1911 wurde die sorgfältig bearbeitete
Eingabe um Überlassung des gewählten Geländes von etwa
8'/2 ha an der Meusdorfer Straße dem Rate der Stadt Leipzig
überreicht. Die bisherigen Verhandlungen lassen einen
günstigen Verlauf erwarten. Die Überlassung des östlichen
Geländeteiles von etwa 32000 qm für Ausstellungszwecke
(Gasthaus, Luftbad mit Ruhehallen usw.) ist vom Rat und
den Stadtverordneten bereits genehmigt. Dieses Gelände
soll nach Ablauf der Ausstellung in die Gartenvorstadt mit
aufgenommen werden.
56
DER STÄDTEBAU
Die geplante Siedelung wird etwa 3V2 km vom Rat-
hause entfernt sein. Die Entfernung der Stadtgrenze vom
Rathause schwankt zwischen 4 und 6 km. Die Verbindung
mit dem Stadtinnern ist heute schon gut zu nennen, da der
Endpunkt der F-Linie der Großen Leipziger Straßenbahn nur
500 m von der künftigen Siedelung entfernt ist. Von diesem
Endpunkt am Napoleonstein bis zum Augustusplatz sind
12 Minuten mit der Straßenbahn zu fahren. Daß das Gelände,
das 20 m höher liegt als zum Beispiel der Reichsgerichtsplatz,
eine gesunde Wohnlage bedeutet, wird von den Bewohnern
der östlich benachbarten Marienhöhe bestätigt.
Als Rechtsform für die Übernahme des Geländes hat
man sich für das Erbbaurecht entschieden. Folgende
Erwägungen waren für diesen Entschluß hauptsächlich be-
stimmend. Nächst den großen Bodenpreisen und Straßen-
kosten und der bisher für das Kleinhaus zu strengen Bau-
ordnung ist hauptsächlich der Umstand am Rückgange des
Flachbaues schuld, daß wir in Leipzig im ganzen eine wenig
seßhafte Bevölkerung haben. Gerade diejenigen, die es
vielleicht am meisten bedürfen, nach der angestrengten
Berufstätigkeit ein ruhiges Heim mit einem Garten zu
finden, wie Angestellte, Beamte und Arbeiter, wollen selbst
dann, wenn sie dazu in der Lage wären, die Anzahlung auf
ein kleines Häuschen zu leisten, sich nicht an einen solchen
Besitz binden. Sie wollen sich nicht der Sorge des Wieder-
verkaufs aussetzen im Falle der Versetzung, des Wegzuges
aus der Stadt oder dann, wenn der Ernährer stirbt, Kinder
fortgehen usw. Die moderne Freizügigkeit können
wir nicht aufhalten. Schlimmer als diese Freizügigkeit
ist heute die Umzugsnot innerhalb der Stadt selbst. Diese
herabzumindern, ist eine Hauptaufgabe jeder gartenstädtischen
Siedelung, und damit allein schon wird eine vermehrte Seß-
haftigkeit, die Vorbedingung eines behaglichen Familien-
lebens und einer guten Kindererziehung erreicht.
So wird es denn ein besonderer Vorzug der geplanten
Siedelung sein, daß die Gesellschaft unter Vorbehalt des
Eigentums an den Häusern ihren Mietern ein eigentums-
ähnliches auf längere Zeit nur von ihrer Seite kündbares
Erbmietrecht zuzusprechen beabsichtigt. Den Mietern
werden so die Vorteile des Eigentums ohne seine Nachteile
geboten. Die Teilnahme des Bewohners an dem Hause wird
dadurch gewährleistet, daß er eine mit 4' j^o verzinsliche
hypothekarische Schuldverschreibung auf das Haus zu geben
haben wird, die um so niedriger wird, je höher die Stadt
das Unternehmen beleiht. Bei Mehrfamilienhäusern verteilt
sich natürlich der betreffende Betrag auf die einzelnen
Wohnungen. Bei den ganz billigen Wohnungen wird anders
zu verfahren sein, da man hierbei von einer einmaligen
größeren Kapitalaufwendung überhaupt absehen muß. Das
System der durch den Mieter aufgebrachten Schuldver-
schreibungen (zweite Hypothek) ist in Hellerau mit gutem
Erfolg bereits durchgeführt. Die erste Hypothek kann bei
Erbbau nach unseren heutigen Gesetzen nur vom Besitzer
des Geländes oder unter dessen Haftpflicht erreicht werden,
also in diesem Falle von der Stadt, die denn auch um Ge-
währung einer Hypothek in der Höhe von 85 " 0 des Bau-
wertes angegangen worden ist. Die Städte Frankfurt a. M.,
Aachen, Elberfeld und Mannheim haben Erbbaurechte bis
zu QC/o des Bauwertes beliehen. Das Land fällt mitsamt
den Häusern nach Ablauf des Erbbauvertrages, also in
unserem Falle nach 99 Jahren, mit seinem Wertzuwachs
an den Urbesitzer (die Stadt) zurück. Die Frage, ob dann |
eine Entschädigung für die Gebäude bezahlt wird oder nicht,
ist natürlich von großem Einfluß auf die Höhe der jährlichen
Tilgung der Hypotheken. In den meisten bestehenden Erb-
bauverträgen ist eine solche Entschädigung in der Höhe von
20 bis 25 "/o des Bauwertes vorgesehen. Das ist insofern für
den Erbbaugeber unbedenklich, als der Erbbaunehmer selbst
den Vorteil daran hat, die Häuser stets in gutem Zustande,
d. h. vermietbar zu erhalten. Außerdem ist die teilweise
Entschädigung des Endwertes der Häuser das sicherste
Mittel für gute Instandhaltung. Wenn die Häuser gut gebaut
sind, wie das hier beabsichtigt ist, dann beträgt ihre Lebens-
dauer sicher mehr als 99 Jahre, und daß eine Bauart, die
heute von allen bestehenden vielleicht am meisten den
künftigen Bedürfnissen entspricht, sich dann schon als un-
vermietbar erwiesen hat, ist kaum anzunehmen.
Die Gestaltung der Siedelung im einzelnen war in erster
Linie eine schwierige Rechenaufgabe, die schon beim
Entwürfe des Bebauungsplanes angefangen hat. Das Ge-
lände ist so gewählt, daß es sich in den verkehrstechnisch
toten Winkel zwischen drei großen Straßen einschmiegt.
Es war also möglich, billige Wohnstraßen zu wählen. Sie
sind 8,5 m breit. Solange die Straßen nur einseitig bebaut
sind, ist die Straßenbreite unter Weglassung des einen Fuß-
weges auf 6 m verringert (siehe Abbildung). Die Herstellung
ist in Makadam gedacht. Aus wirtschaftlichen Gründen
ergab sich an den begrenzenden Verkehrsstraßen die An- .
nähme einer höheren Bebauung (mit Erd- und zwei Ober-
geschossen) als notwendig, während das eigentliche Garten-
vorstadtgelände höchstens mit Erd- und einem Obergeschoß,
sogenannten Kleinhäusern, bebaut werden soll. Ebenfalls
aus Zweckmäßigkeitsgründen wurde die Gruppen- und
Reihenhausbauweise gewählt, und zwar wurden die
einzelnen Gruppen nach Möglichkeit von Norden nach Süden
gerichtet, so daß sie zweimal am Tage Sonne bekommen.
Die Gartenvorstadt liegt auf einer Hochebene, so daß keine
Veranlassung vorhanden ist, künstlich geschlängelte Straßen-
züge anzulegen. Es ist vielmehr angestrebt worden, eine
klare Städtebau-künstlerische Anordnung folgerecht
durchzuführen. Besonderer Wert wird auf eine künstlerisch-
organische Baugestaltung im Anschlüsse an den Bebauungs-
plan gelegt werden. Unter allen Umständen soll die leider
immer noch beliebte Schauseitenarchitektur vollständig ver-
mieden werden. Die Gruppen werden nach allen Seiten
gleichmäßig gut und sachlich durchgebildet werden.
Von dem vorläufig von der Stadt erbetenen Gelände von
insgesamt etwa 8 •,2 ha gehen ungefähr 23 % für Straßen und
Plätze ab. Der neueste Aufteilungsplan enthält 85 Ein-
familien-, 20 Zweifamilien- und 28 Mehrfamilienhäuser.
Letztere stellen hauptsächlich die Randbebauung an der
verlängerten Waisenhausstraße im Süden dar und enthalten
fast ausschließlich Kleinwohnungen. Die dreigeschossige
Randbebauung im Norden an der früher schon in der —
für eine Tangentialstraße — übergroßen Breite von 27 m
festgestellten Meusdorfer Straße wurde nicht mit in die
Gartenvorstadt aufgenommen. Für eine künstlerisch gute
Gestaltung dieser Häuser soll durch hintere Baufluchtlinien
und dadurch gesorgt werden, daß die Stadt sich, wie üblich,
bei dem Verkaufe der Bauplätze die Genehmigung auch
nach der ästhetischen Seite hin vorbehält. In 8 Häusern
sind Läden und handwerkliche Betriebe zulässig. Es ist
beabsichtigt, bis zur Ausstellung so viele Häuser fertigzustellen ,
daß ein siedelungsmäßiger Charakter vorhanden ist.
57
DER STÄDTEBAU
Eine große Reihe von Wohnungsuchenden haben
sich jetzt schon für Leipzig-Marienbrunn gemeldet. Nach
eingehenden Berechnungen können Einfamilienhäuser
zu ganz billigen Mieten leider nicht mehr errichtet werden,
dazu ist die Belastung durch Umlage- und Straßenbaukosten
eben doch schon zu hoch. Die Wohnungen in Ein- und
Zweifamilienhäusern werden in der Hauptsache 450 bis
1000 Mk. kosten, und nach solchen Wohnungen war bis
jetzt auch die regste Nachfrage.
Es ist dabei zu berücksichtigen, daß schon 1 km süd-
lich von Marienbrunn die gemeinnützige Baugesellschaft
Leipzig-Lößnig auf einem Erbbaugelände von rund 15 ha
Wohnungen für 5000 Menschen in der Preislage von 180 bis
400 Mk. errichtet hat. Diese Gesellschaft beabsichtigt ein
östlich anschließendes Gelände von weiteren 15 ha nach
denselben Grundsätzen zu erschließen. Ferner will die
Meyersche Stiftung zur Erbauung billiger Wohnungen 2' 2 km
südöstlich der Gartenvorstadt zwischen Probstheida und
Zuckelhausen ein Gelände von 27 ha mit Kleinwohnungen
bebauen.
Trotzdem will auch die Gesellschaft m. b. H. Leipzig-
Marienbrunn Kleinwohnungen herstellen. Aus diesem
Grunde ist die Randbebauung an der Waisenhausstraße
schon jetzt mit in dem Plan aufgenommen worden. Es
kann nicht oft genug der Umstand betont werden, daß
in Industriestädten beinahe 90" 0 aller Wohnungen Klein-
wohnungen sein müssen. Wenn das Unternehmen sich
bewährt, soll eine Ausdehnung nach Süden für billige und
nach Norden gegen den Park hin für Wohnungen des Mittel-
standes bald in Angriff genommen werden. Größter Wert
wird auf gute Grundrißlösungen und auf eine gesundheitlich
einwandfreie Herstellung auch der billigsten Wohnung ge-
legt werden.
Die kleinsten Gärten sind 100 qm groß, die größten rund
350 bis 400 qm. Die meisten haben eine Größe von 140 bis
180 qm ohne Hausfläche und Vorgarten. Größere Gärten sind
insofern unpraktisch, als sie zur Bewirtschaftung schon der
Hilfe eines Gärtners bedürfen und somit Kosten verursachen.
Es werden vor allem auch jene baupolizeilichen
Erleichterungen für das Kleinhaus nachgesucht wer-
den, die schon vielfach mit gutem Erfolge durchgeführt sind
und auch in Sachsen von der Regierung und den ersten
Fachleuten dringend befürwortet werden. Selbstverständlich
müssen diese Erleichterungen dann allgemein durchgeführt
werden, so daß sie auch dem Privatunternehmer zugute
kommen, der nach wie vor für die Wohnungsbeschaffung
den Ausschlag geben wird. Nicht zuletzt die zu schweren
Bauvorschriften haben es dem Unternehmer unmöglich ge-
macht, billige Kleinhäuser zu bauen. Es soll dabei natürlich
durchaus nicht die Nachahmung der für unsere klimatischen
Verhältnisse ungeeigneten englischen Bauweise empfohlen
werden, sondern es sollen nur die auf die spekulative Aus-
nutzung des Stockwerkshauses zugeschnittenen Bauvor-
schriften zugunsten des Kleinhauses herabgemildert werden.
Es ist das erstemal, daß eine dauernde Siedelung von
diesem Umfange als Teil einer Ausstellung errichtet werden
soll. Es wird von besonderem Reize für Handwerker,
Firmen für Hausausstattungen, für Gartenarchitekten und
Gärtner, die Baugewerke und andere mehr sein, in dem für
die Ausstellung bestimmten größeren Teile der Gartenvorstadt
ihre Werke im natürlichen Rahmen auszustellen. Die Aus-
stellungsgegenstände müssen sich natürlich wirtschaftlich
und künstlerisch den Häusern anpassen. Für kostspielige
und vornehme Ausstellungsgegenstände der erwähnten Art
wird ausgiebig Raum auf dem eigentlichen Ausstellungs-
gelände vorhanden sein.
MITTEILUNG.
AUS BADEN-BADEN.
Wie uns Herr Dipl.-Ing. Ehlgötz aus Mannheim in dankenswerter
Weise mitteilt, hat der Stadtrat von Baden-Baden soeben Grundsätze
über die Vergebung von Bauprämien für Neubauten in den ländlichen
Teilen des Stadtgebiets aufgestellt. Hiernach gelangen zur Erhaltung
einer guten bodenständigen heimischen Bauweise und zu deren Belebung
und Förderung in den ländlichen Stadtteilen jährlich 1000 Mk., nämlich
500 Mk. (i. Preis), 300 Mk. (2. Preis) und 200 Mk. (3. Preis) zur Verteilung.
Die Preise fallen zur Hälfte dem in der Baugenehmigung bezeichneten
Bauherrn, zur anderen Hälfte dem Urheber des Bauplanes zu. Erfordernis
ist: gute Grundrißlösung, aus dieser heraus organisch entwickelter Aufbau,
gute, namentlich auf der althergebrachten Bauweise fußende Formen-
gebung bei künstlerischer Abwägung der Baumaße, insbesondere bei reiz-
voller Ausbildung und Gruppierung der Lichtöffnungen und Harmonie in
der Farbenentwicklung, Verwendung bodenständiger heimischer Baustoffe
unter tunlichster Vermeidung aller Ersatzstoffe.
Dazu bemerken wir folgendes: Im Tale der Oos, von Bergwäldern
umkränzt, zog sich das wachsende Baden-Baden zunächst nördlich an der
Langen Straße, an der auch der Eisenbahnhof liegt, hin, südlich an der
berühmten Lichtentaler Chaussee entlang. Dann wuchs es in die Seiten-
täler, in die \A/iesengründe, in die Falten des reichgegliederten Gebirges
hinein, den Wald aber nicht etwa überwuchernd, ihn vernichtend, sondern
nur durchsetzend, auf Vi^aldlichtungen oder an den Waldrändern sich
niederlassend in weiten Abständen neben- und übereinander, so daß
Landhäuser, Gärten und Wälder im Gemenge liegen, eine nesterartige
Bebauung entstanden ist, unter Auswahl des jeweils besten Bauplatzes,
umgeben von mehr oder minder weitläufigen Garten- und Parkanlagen,
die wieder in Waldstreifen übergehen, und zwar mit Hilfe von Auf-
teilungsstraßen als Sackgassen, Staffelwegen, Gartensteigen, Promenaden
— die Grenze zwischen öffentlichen Straßen, Grünanlagen und dem
Privateigentum erscheinen dabei wie verwischt.
Von der Bebauung des vorigen Jahrhunderts sind namentlich aus
der Zeit, als die Stadt ein Spielbad war, noch manche gute Schöpfungen
vorhanden, wie das Palais Fürstenberg in der Stephanienstr. 15, in deren
vorderem Teile bis zur Eichstraße überhaupt vornehm-einfache Architektur
gemacht worden ist (insbesondere No. 16 und 17); weiterhin ist die Straße
eng und unansehnlich. Dann das in den Besitz der Stadt übergegangene,
trotz Durchschneidung des Säulengiebels durch eine Glasveranda noch
wirksame Palais Hamilton, ferner das palastartige Haus in der Sophien-
strsdäe 5 mit Säulenportikus, im Erdgeschoß jetzt leider durch Läden
entstellt, das sogenannte Alleehaus, durch Anbauten verbösert, der ältere
Teil des Badener Hofes usw., endlich einfachere Wohnhäuser und Villen
in vornehmer Zurückhaltung noch die Menge (Villa zum Sanatorium von
Frey Dengler gehörig, Travellers Klubhaus und durch den Alleeweg
davon getrennt eine Wohnhausgruppe mit seitlichen Gärten, bei einem
Hause mit einem cell de boeuf in der Gartenmauer).
Mit dem Niedergange der Kunst in der zweiten Hälfte des vorigen
58
DER STÄDTEBAU
Jahrhunderts ist die Protzerei mit Erkern, Türmchen und allerhand Dach-
aufbauten dazwischen gefahren in Gotik und deutscher Renaissance, in
Backstein, Werkstein und Ölanstrich in buntem Durcheinander trotz aller
Aufdringlichkeit im einzelnen aber — abgesehen von einigen allzu un-
ruhigen, die Landschaft störenden Umrißlinien — das Ganze doch nicht
allzu sehr schädigend.
Im Grün der Gärten und Wälder erscheint jedes Bauwerk gewisser-
maI3en wie eingehüllt — die Überspinnung mit Kletterpflanzen, Berankung
mit Efeu, wildem Wein, Heckenrosen usw. läßt die letzten Schwächen
fast verschwinden. Selbst die Hotelbauten an der Lichtenberger Allee
stören unter diesen Umständen nicht einmal so arg, wenn man auch an
ihrer Stelle wohl eine bessere Architektur sehen möchte.
Bösere Folgen läßt jedoch die jetzt hervorgetretene Neigung zu einer
rücksichtsloseren Ausschlachtnng des Geländes, zu einer weitergehenden
Ausnutzung auch schon bebauter Grundstücke beiürchten. So ist die
Ludwig -Wilhelm -Straße, eine vornehme Villenstraße älterer Zeit, durch
vierstöckige Mietskasten mit kahlen Brandmauern schon verschandelt
worden. Hohe geschlossene Bebauung fängt auch in der Verlängerung
der Langen Straße vom Bahnhofe nach Oos zu an die Villen zu ver-
drängen, wohl unterstützt von einer Änderung der Fluchtlinien und viel-
leicht auch von dem Mangel schützender Ortsstatute. Überhaupt schieben
sich vielfach zwischen bescheidene ländliche Häuschen hohe Häuser ein, so
z. B. das alte Dorf Lichtental, das jetzt zu Baden gehört, zerstörend. In
der Stadt wird sich dies bei dem gestiegenen Grundwerte kaum vermeiden
lassen, wenn auch dadurch z. B. in der Langen Straße manch vornehmes
Haus fallen muß: Schade nur, daß bei dieser Umwandlung kahle Brand-
giebel schon über die Kaiserallee die festliche Zufahrtsstraße der ele-
ganten Badestadt — herüberwinken! Bauplätze sieht man überall, auf
saftigen Wiesen, an Berghängen angeboten, durch deren Bebauung manche
Aussicht, manch schöner Durchblick verloren gehen müßte. Alte Villen
verschwinden. Parke werden parzelliert. Dabei geht oft der Maßstab ver-
loren — so ist das Sanatorium von Frey-Dengler viel zu groß für den
dahinter liegenden Friesenberg und verdeckt, von der Schützenstraße aus
gesehen, die Michaelskapelle.
Dem entgegenzuwirken versucht nun die Bauordnung der Stadt vom
7. April 1911, die wieder auf eine weiträumigere Bebauung hinarbeitet und
auch Vorsorge trifft, daß diese sich dem Straßen-, Orts- und Landschafts-
bilde einfügt. Besondere Anerkennung verdient die darin vorgesehene
Einsetzung eines Beirates von Sachverständigen. Als ein weiterer Schritt
zur Hebung der Kunst ist der oben mitgeteilte Beschluß des Stadtrates zu
betrachten. Inzwischen sind auch wieder gute Neubauten geschaffen worden,
zum Teil von Architekten klangvollen Namens, wie Dr.-Ing. Vetterlein,
Klingholz, Vittali, Billing, Riemerschmied, Harke und Scherzinger u. a. m.
Villen an der Stadelhofer Straße, an der Schützen- und Bahnhofstraße, auf
dem Annaberge können sich in wachsender Zahl wohl sehen lassen, ferner
das Ausstellungshaus Münchener Künstler, die Zigarettenfabrik von Bat-
schari u. a. m. Besonderes Augenmerk wird dabei auf eine gute Stellung
des Bauwerkes zur Straße, zum Garten und in der Landschaft gerichtet,
auf eine liebevolle Durchbildung des bergigen Geländes mit Terrassen,
Aussichtsplätzen, Sitzbänken, Futtermauern für die Auffahrtstraßen (Park-
sanatorium an der Berglehne der Leopoldstraße), endlich auf die Aus-
gestaltung der Gärten (Sanatorium an der Lichtentaler Allee) usw. Die
Stadtgemeinde selbst wartet mit zwei neuen öffentlichen Anlagen auf: mit
der monumentalen Gönneranlage von Läuger und dem Bildhauer Floß-
mann an der Oos und in bescheidener Art mit dem Gartenplatze an der
Schießstätte, als Terrasse sich über die Balzenbergstraße erhebend.
Demgegenüber erscheint die Gesamtanlage neuer Bebauungsgebiete
weniger glücklich. Die Straßen sind zum Teil breiter als nötig, dadurch zu
tiefe Einschnitte in die Berghänge bildend, mit Krümmungen nach dem
Zirkel (z. B. Dürerstraße), meist für beiderseitige Bebauung angelegt und
in so großer Zahl aufeinander folgend (z. B. Lessing- und Kapuzinerstraße),
daß die Bebauung dichter zusammenrückt und trotz offener Bauweise
weniger freie Ausblicke gewährt. Die neuen Straßen des Annaberges sind
fast durchweg als steigende Verkehrsstraßen angelegt unter Verzicht auf
eine Terrassierung des Berges durch horizontale \Vohnstraßen, so daß der
am Friesenberge gegenüberstehende Beschauer schwerlich jemals den rhyth-
mischen Eindruck genießen wird, den ihm umgekehrt die Bebauung des
Friesenberges, vom Annaberge aus gesehen, bietet. Die älteren Straßen
hier, wie die Friedrichstraße, die Kaiser-Wilhelm-Straße und andere mehr
sind viel einfacher, natürlicher angelegt, etwa 7 — 8 m breit mit einseitigen
Gehstraßen — streckenweise als Panoramastraßen. Die Bismarck- und die
Stadelhofer Straße lassen aber auch auf dieser Seite schon, wie fast überall
in der modernen Stadtentwicklung, die Neigung erkennen, unter Hintan-
setzung der Rücksichten auf die Anbauung, die Ausbildung der Straße zu
bevorzugen. Abgesehen von der echten Verkehrsstraße, die ihren Zweck
in sich selber trägt, ist die Straße aber nur ein Hilfsmittel zur Erleichterung
der Anbauung — zur Erleichterung, nicht einmal zur Ermöglichung;
denn bauen kann man auch an Wegen, die keine öffentlichen Straßen
sind — aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Anlage von Entwässerungen usw.
Beiderseitige Bebauung der Straße ist besonders unglücklich im sog.
Tiergarten geraten. Das prachtvolle Panorama, das man von der am Höhen-
rand verlaufenden Moltkestraße und Sauersbergstraße genießt, wird auf das
empfindlichste durch die häßlichen Hinterseiten der Häuser und kahlen
Grenzmauern der auf der Talsohle emporsteigenden Fremersbergstraße
gestört. Vielleicht war hier die Bebauung in geschlossenen Reihen un-
vermeidlich; die Rücksicht auf die Landschaft hätte dann aber entsprechende
Schutzbestimmungen erfordert. Normale städtische Straßen vertragen sich
nicht mit den herrlichen Fahrstraßen und Fußwegen, die Baden-Baden zu
einem Paradiese für Erholung Suchende gemacht haben. Möge es ein
seine Eigenart voll erfassender Geist — um einen von Prof. Dr. Eberstadt
geprägten Ausdruck zu gebrauchen — davor behüten, dem „Kultus der
Straße" zu verfallen. D. S.
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
Wir bitten um gefällige Zusendung aller einschlägigen neuen
Bücher und Schriften, die wir unter dieser Übersicht regelmäßig an-
zeigen werden; wir übernehmen aber keine Verpflichtung zur Be-
sprechung und Rücksendung.
IM KAMPFE UM GROSS - BERLIN. Dritter Jahresbericht des
Ansiedlungsvereins Groß -Berlin. Im Anhang der vollständige Text
des Berliner Zweckverbandsgesetzes vom 2g. Juli igii. Preis 50 Pf.
Fortschritt (Buchverlag der „Hilfe"), G. m. b. H., Berlin-Schöneberg.
VORGARTEN- UND BALKONAUSSCHMÜCKUNG. Von
Arthur Glogau, Stadtobergärtner in Hannover. Mit 23 in den Text
gedruckten Abbildungen und einer farbigen Umschlagzeichnung. Verlag
Adolf Sponholtz, G. m. b. H., Hannover.
DAS BISMARCK- NATIONALDENKMAL. Eine Erörterung
des Wettbewerbes von Max Dessoir und Hermann Muthesius. Mit
aktenmäßigen Anlagen, i. — 7. Tausend. Verlegt bei Eugen Diederichs,
Jena. 1912.
n JAHRESBERICHT DER STÄDTISCHEN VERWAL-
• TUNGSBEAMTENSCHULE in Düsseldorf. Schuljahngii/iz.
Vom Leiter der Schule Quadt, Düsseldorf.
BERICHT ÜBER DIE VERWALTUNG DER STADT
FÜRSTENWALDE vom 31. März igi2. Buchdruckerei Wuerz
& Co. (Fürstenwalder Tageblatt), Fürstenwalde.
/GESCHÄFTSBERICHT DES VATERLÄNDISCHEN
^•^ BAUVEREINS für das Jahr 191 1. Geschäftsstelle des Vereins
Berlin N. 31, Strelitzer Straße 43. 10 Pf.
59
DER STÄDTEBAU
CHRONIK.
BERICHTIGUNG: Der im Märaheft veröffentlichte Lageplan des
vom Architekten Ernst Michel verfaßten Entwurfes für den Tempel-
hofer Parkring hat die Herren 'Wilhelm Banz in Lankwitz und Arthur
Grünberger in Wien zu Mitarbeitern gehabt.
Tn dem WETTBEWERB UM ENTWÜRFE FÜR EINEN
^ URNENHAIN in Mainz ist der i. Preis nicht vergeben worden;
dagegen sind zwei 2. Preise an städtischen Garteninspektor Jung in Köln
und an Gartenarchitekt Hermann Foeth, Architekt Peter Recht in Köln
gefallen. Den 3. Preis haben die Architekten Gerstadt & May in Frank-
furt a. M. davongetragen. Zum Ankauf wurden empfohlen die Entwürfe
von Gartenarchitekt Gaedt in Köln und Gartenarchitekt Gebr. Röthe in
Bonn. Wie wir hören, sind die Herren Gartenarchitekt Hermann Foeth
und Architekt Peter Recht in Köln beauftragt, die Ausführungspläne an-
zufertigen.
In dem auf Karlsruher Architekten und Ingenieure beschränkten \\^ETT-
BEWERBE UM ENTWÜRFE FÜR DIE BEBAUUNG
DES NEUEN BAHNHOFSPLATZES IN KARLSRUHE I. B.
hat das Preisgericht, dem außer dem Großherzoglich Badischen Finanz-
minister Dr. J. Rheinboldt und dem Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe
Siegrist der Geheime Regierungsrat Prof. Dr.-Ing. Henrici aus Aachen,
Architekt Hermann Jansen aus Berlin sowie der Herausgeber unserer Zeit-
schrift angehörten, einstimmig folgende Preise zugesprochen:
In die Hälfte der beiden zusammengelegten I. und II. Preise von
4000 bzw. 3000 Mk. als zwei I. Preise den als gleichwertig anerkannten
Entwürfen Nr. 6 (Variante) „März" des Architekten Oskar Seemann und
Nr. 27 „Residenz" des Architekten W.Vittali, den III. Preis von 2000 Mk.
dem Entwürfe Nr. 3 „Doris" der Architekten Curjel und Moser und den
IV. Preis von 1000 Mk. dem Entwürfe Nr. 10 „Residenzeingang" des
Großherroglichen Oberbauinspektors Weinbrenner.
Zum Ankaufe wurde empfohlen der Entwurf Nr. i mit dem Kenn-
zeichen einer Lokomotive.
Im ganzen waren 32 Entwürfe, darunter ein unvollständiger, ein-
gegangen, von denen sechs in die engste Wahl genommen waren, außer
den preisgekrönten und den zum Ankauf empfohlenen Nr. 2 „Tradition".
In engerer 'Wahl hatten ferner Nr. 7 „Stadttor", Nr. 8 „Ostereier" (I),
Nr. II mit dem Kennzeichen J^ und Nr. 18 „Im Einklang" gestanden.
/'^ artendirektor Lesser-Steglitz sprach über DIE VOLKSPARKS
^-^ DER ZUKUNFT am 3. April d. Js. im Hörsaale des Königl.
Kunstgewerbemuseums Berlin an der Hand von Lichtbildern im Auftrage
der Gruppe Brandenburg der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst. Er
erklärte, in welcher Art die öffentlichen Parkanlagen fernerhin gestaltet
sein müssen, damit sie wirklich als Volksparks gelten können. Sie
dürfen nicht nur wie bisher zum Spazierengehen eingerichtet sein und
nur einige kleinere oder größere Spielplätze enthalten, sondern sie
müssen ihrem Zweck entsprechend vor allem g^oße Spielwiesen haben,
die für jedermann zugänglich sind. Dann werden sie, sagte der Redner,
ein Jungborn werden für das deutsche Volk. Spiel und Sport muß dort
in allerlei Form getrieben werden können, und bei der ganzen Parkanlage
muß man sich ihres Zweckes voll bewußt sein. Schattige Baumalleen
müssen diese Spielwiesen umgeben, große Wasserflächen einladen zum
Rudern, Segeln, Schwimmen und im Winter zum Schlittschuhlaufen
und zu allerlei Sport. Dort soll die Stätte werden für alle Schichten der
Bevölkerung, dort soll der Ort sein, wo man einen Ausgleich finden kann
gegen das sonstige Leben in der Häusermasse der Großstadt, einen Aus-
gleich gegen das ewige Hasten des alltäglichen Erwerbslebens. Ein
fröhliches Jauchzen der ganzen Bevölkerung soll diese Volksparks durch-
zittem, dann werden sie ihren wirklichen Zweck erst ganz erfüllen
können.
Der Stadtrat zu Pforzheim hat den badischen Städten der Städte-
ordnung den Entwurf einer gemeinsamen Eingabe an das großh.
bad. Ministerium des Innern zugehen lassen, worin die Bitte ausgesprochen
ist, daß zur SCHAFFUNG GEREGELTER WOHNUNGS-
NACHWEISE noch dem jetzigen Landtag eine Gesetzesvorlage unter-
breitet wird, durch welche die Möglichkeit einer Verpflichtung zur Anzeige
leer stehender Wohnungen und ihrer Vermietung begründet wird. (Mit-
geteilt von Dipl.-Ing. Ehlgötz, Mannheim.)
"pVas Direktorium der INTERNATIONALEN BAU-AUSSTEL-
■'-^ LUNG LEIPZIG 1913 hat die Ausstellungsbauten in der Haupt-
sache nach den Entwürfen der beteiligten Architekten genehmigt, so daß
in kürzester Frist mit dem Bau begonnen werden kann. Der am nächsten
zur Stadt gelegene Haupteingang wird nach einem Entwürfe des Archi-
tekten Heßling ausgeführt, die Erbauung der massiven breiten Brücke,
die über den Eisenbahneinschnitt zum Denkmal hinüberführt, nach den
Entwürfen des Städtischen Tiefbauamtes in Angriff genommen. Die dekora-
tiven Aufbauten der Brücke sollen dann nach den Entwürfen der Architekten
Weidenbach und Tschammer geschaffen werden. Den Entwurf zum Haupt-
Restaurant lieferte Architekt Hansel. Für die vom Architekten Liebig
entworfene Maschinenhalle muß bereits ein Erweiterungsbau vorgesehen
werden, weil die Halle in ihrer ursprünglichen Größe schon belegt ist.
Die Pläne zur „Alten Stadt" stammen vom Architekten Drechsler. Bei der
Dorfanlage, nach dem Entwurf des Architekten Brachmann, ist als erster
Gesichtspunkt festgehalten, eine für die Dorfhandwerker vorbildliche
Musteranlage zu schaffen. Das Dorf soll in baukünstlerischer Hinsicht
auf Fachleute und Laien anregend wirken. Es wird als ein sächsisches
Dorf in heimatlicher Bauweise erstehen. Das große Gutsgehöft soll nicht
nur in wirtschaftlicher, sondern auch in baukünstlerischer Beziehung
mustergültig werden. Um diese Ziele voll zu erreichen, sollen maßgebende
Persönlichkeiten aus den Kreisen der Wissenschaft, der Kunst und des
Heimatschutzes zur Begutachtung herangezogen werden. Der Entwurf
zum Eingange an der Reitzenhainer Straße sowie zu dem sich anschließen-
den Verwaltungsgebäude stammt vom Architekten Herold. — Mit der
Anlage zur Querallee, für die bereits vor längerer Zeit 200 Lindenbäume
angepflanzt worden sind, ist bereits begonnen.
Zur Erlangung von Entwürfen für die PARZELLIERUNG UND
BEBAUUNG EINES IN DRESDEN-SÜD GELEGENEN
GELÄNDES der Terrain-Gesellschaft Dresden-Süd, sowie für eine
Parkanlage daselbst ist ein öffentlicher Wettbewerb unter den Architekten
und Gartenarchitekten, welche ihren geschäftlichen Wohnsitz im König-
reich Sachsen oder den Provinzen Brandenburg oder Schlesien haben,
ausgeschrieben. Schlußtermin für die Einlieferung der Entwürfe 6. Juli
igi2, mittags 12 Uhr. Preisgericht: Oberbürgermeister Geh.-Rat Dr. jur.
et Dr.-Ing. h. c. Beutler, Dresden; Dr. phil. Graf von Brockdorff, Char-
lottenburg; Professor Erlwein, Stadtbaurat, Dresden; Regierungsbaumeister
a.D. Selmar Hatzky, Direktor der Berliner Terrainzentrale, Berlin; Oswin
Hempel, Professor an der Technischen Hochschule, Dresden; Graf Guido
Henckel von Donnersmarck, Koslowagora O.-S. ; Kommerzienrat von Klem-
perer, k. k. österr.-ungar. Generalkonsul, Direktor der Dresdener Bank,
Dresden; Ludwig Lesser, Gartendirektor, Berlin; Stadtbaurat Oberbaurat
Scharenberg, Leipzig; Dr. jur. Schiebler, Rechtsanwalt, stell v. Direktor der
Dresdener Bank, Dresden; Heinrich Straumer, Architekt, Berlin; Dr. jur.
Temper, Stadtrat, Dresden; von Uslar, Stadtgartendirektor, Dresden;
Regierungsbaumeister Dotti, Berlin. Ausgesetzte Preise : I. Preis 5000 Mk.,
II. Preis 2500 Mk., III. Preis 1500 Mk., IV. bis VI. Preis je 1000 Mk. zum
Ankauf von zwei Entwürfen. Das Programm mit Anlagen ist bei der
Gesellschaft bis 15. Mai 1912 erhältlich gegen einen Betrag von 8 Mk.,
welcher nach Erledigung des Wettbewerbes den Einsendern nicht preis-
gekrönter oder angekaufter Entwürfe zurückgezahlt wird.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin \V., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herros< & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W.
iiO
9. Jahrgang
1912
6. Heft
**
DER STÄDTEBAU
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S9Z.lALENüRUNDVVTZeN:QEQRÜNDET-VöN
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NEBST EINER SONDERBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT
**
INHALTSVERZEICHNIS: Zum Bebauungsplan der Stadt Bunzlau. Von Theodor Goecke, Berlin. — Der rechte Stadtbaurat. Von Theodor Goecke,
Berlin. — Der Stadtplan von Brügge im i6. Jahrhundert. Von Cornelius Gurlitt, Dresden. — Kunst und Großverkehr. Von Dr. Hans Schmidkunz,
Berlin-Halensee. — Neue Bücher und Schriften. — Mitteilung. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
ZUM BEBAUUNGSPLAN
DER STADT BUNZLAU. Hi,r.u Taf,i„ 31 ws 33
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Das Ergebnis des schon vor mehr als Jahresfrist ent-
schiedenen Wettbewerbes, den die Stadtgemeinde Bunzlau
um den Entwurf für einen den südlichen und westlichen Teil
des Stadtgebietes umfassenden Bebauungsplan ausgeschrieben
hatte, sollte alsbald in dieser Zeitschrift veröffentlicht werden.
Mancherlei Umstände haben dies verhindert. Um die Unter-
lassung jedoch einigermaßen wieder gutzumachen, wird auf
drei Tafeln und im Textbilde dieser Nummer nachträglich noch
der mit dem I. Preise gekrönte Entwurf „Bunzlau vor den
Toren" der Architekten Dipl.-Ing. Siegfried Werner Müller,
Halle a. d. S. und Dipl.-Ing. A. Max Jacob in Leipzig, gebracht.
Dabei möge daran erinnert sein, daß ein II. Preis für
den Entwurf „Schlesien" . dem Architekten B. D. A. Peter
Andreas Hansen in München-Nymphenburg und ein III. Preis
für den Entwurf „Grüne Höhen" dem Kaiserlichen Postbau-
inspektor Löbell in Köln a. Rh. zugefallen waren. Zum
Ankauf waren endlich empfohlen: Der Entwurf mit dem
Kennzeichen „Figur mit drei Ähren in einem Stern" des
Architekten Sylvester Payzderski in Berlin-Friedenau, so-
wie der Entwurf mit dem Kennworte „Suum cuique" des
cand. ing. J. Troll in Danzig-Langfuhr.
Da es sich ausdrücklich nur um die Gewinnung von
Vorbildern für die Aufstellung eines Bebauungsplanes han-
delte, hatte das Programm der Phantasie der Bewerber einen
weiten Spielraum gelassen. Es war im wesentlichen nur
folgendes gesagt: „Das Gelände ist ein welliges und steigt
hauptsächlich nach Süden zu an. Aus den in den Plänen
verzeichneten Schichtlinien ist die Geländegestaltung mit
hinreichender Genauigkeit zu ersehen. Bei der Bebauung
des zu erschließenden Geländes von rd 300 ha wird es sich
hauptsächlich um Wohnhäuser und im geringeren Umfange
um Wohn- und Geschäftshäuser handeln. Das Gelände
zwischen der Alt-Jäschwitzer Straße und dem Eckersdorfer
Wege, unter Umständen auch noch über diesen nach Westen
hinaus, wird zweckmäßig Ein- und Zweifamilienhäusern vor-
zubehalten sein. Die ersten derartigen Bauten stehen bereits
an der Alt-Jäschwitzer Straße, an der Löwenberger Chaussee
und am Neuen Breslauer Wege. An letzterem ist für die
sogenannte Landhausgruppe „Südpark" ein Bebauungsplan
von dem Grundstücksbesitzer aufgestellt worden, der aber
auch ganz umgestaltet werden kann. Auch im übrigen
steht es den Bewerbern frei, die Einteilung nach den ver-
schiedenen Bebauungsarten völlig selbständig vorzunehmen.
Ebenso ist es ihnen unbenommen, zur Beschaffung neuer
Verkehrswege nach der Mitte der Stadt vorhandene Straßen
zu erweitern oder neue vorzuschlagen. Die das Gelände
durchschneidenden Chausseen und öffentlichen Wege sind
in das zu entwerfende Straßennetz einzubeziehen. Die
61
DER STÄDTEBAU
••y**'*-*^^*+*9
öffentlichen Wege mit Ausnahme der Chausseen können
zwar in ihrer Lage so weit geändert werden, als ihr be-
sonderer Zweck und ihre organische Verbindung mit den
außerhalb des zu bearbeitenden Gebietes liegenden Ver-
kehrsadern keine Einbuße erleiden; jedoch ist tunlichst auf
zweckentsprechende Eingliederung der vorhandenen Wege
in das neue Straßennetz zu achten und namentlich die
Schaffung möglichst bequemer und unmittelbarer Verbin-
dungen, auch der entlegeneren Teile des aufzuschließenden
Geländes mit der bebauten Stadt anzustreben."
Darüber hinaus waren aber noch gewisse, sich aus der
Aufgabe von selbst ergebende Forderungen zu beachten, die
hauptsächlich dairin gipfelten, daß eine im Besitze der Stadt
befindliche Wiese zwischen der Löwenberger Straße und
dem Neuen Breslauer Wege sowie der mit schönen Bäumen
bestandene Schützengarten möglichst von der Bebauung
freigehalten werden müssen. Weil im Entwurf „Bunzlau
vor den Toren" dies beachtet worden ist, haben die Ver-
fasser einen Vorsprung vor dem sonst hart mit ihnen um
die Palme ringenden Münchener Meister gewonnen.
Zur Erläuterung des Entwurfes ist nun nicht mehr viel zu
sagen. In den Wohngebieten haben die Verfasser nach Aus-
scheidung von rd. 60 ha für bereits bebaute Flächen, die ver-
bleibenden 240 ha für Niederlassungen der Industrie und für die
Anlage von Friedhöfen derart aufgeteilt, daß 60 "/o der Bevölke-
rung in Mietshäusern, 30 "o in niedrigen Reihenhäusern und
10 "ü in freistehenden Einfamilienhäusern untergebracht wer-
den können, und zwar mit 130 Einwohnern auf 1 ha. Diese
Bebauung würde 200 ha in Anspruch nehmen mit rd. 32000
Einwohnern, während 30 ha von der Bebauung freizuhalten
und weitere 10 ha besonderen Zwecken vorzubehalten wären.
In der Annahme, daß für 's der Bevölkerung Volksschulen
und für \/u höhere Schulen notwendig sind, haben die Verfasser
4 Volksschulen (für 4000 Kinder) und 2 Bürgerschulen bzw.
1 Realschule und 1 Gymnasium oder Realgymnasium (für im
ganzen 2300 Kinder), dazu 1 Fachschule und 1 Handwerker-
schule auf das Gebiet verteilt. Dazu kommen 2 evangelische
und 1 katholische Kirche, ferner 1 Museum, 1 Stadthalle,
1 Theater, 1 Markthalle, 1 Badeanstalt, verschiedene Ver-
waltungsgebäude, im ganzen also eine sehr reichliche An-
zahl öffentlicher Gebäude, zumal wenn man bedenkt, daß
die Stadt bereits Theater und Museum besitzt.
Das allgemeine Plansystem beruht darauf, drei ge-
schlossen behandelte Gebiete zu unterscheiden, die als Be-
schäftigungs-. Wohn- und gemeinnützige Gebiete bezeichnet
und untereinander durch große Hauptzüge in Verbindung
62
DER STÄDTEBAU
gebracht werden sollen. Innerhalb dieser Gebiete selbst
wurde im Plane durch eine bewußte und zweckentsprechende
Anordnung gemeinsamer öffentlicher Einrichtungen eine
rhythmische Gliederung des GesamtorganismusJ erstrebt und
dadurch eine Vorherrschaft großzügiger Platzgruppen er-
reicht, welche als Mittelpunkte städtischer Kultur den Aus-
druck städtischer Gemeinschaft bilden sollen.
Im übrigen wurde die offene Bauweise an die Berghänge
verwiesen, weil diese für die geschlossene Bebauung nicht
genug Durchlüftung geben, der offeneren aber gerade guten
Wetterschutz verleihen. Besonders die nach Südosten und
Südwesten abfallenden Hänge, die einerseits eine reizende
Aussicht auf die südliche Waldlandschaft, andererseits einen
guten Ausblick auf die gegenüberliegenden Hänge bzw. die
Oberstadt bieten, wurden zu vornehmeren Landhaussiede-
lungen bestimmt, während der im Süden liegende niedrigere
Höhenzug und die nach Nordwesten abfallenden Hänge im
Südwesten der Stadt vorzugsweise mit ein- bis zwei-
geschossigem Reihenbau bzw. Gruppenbau besetzt werden
sollen, die den Ausblick auf die von der Bebauung freizuhalten-
den Flußniederungen mit ihren Wiesen und den Sportpark
genießen. Durch die horizontale Schichtung der Reihenhäuser
sollen die großen Massen der Oberstadt gewissermaßen unter-
baut werden, die Höhen aber ihrer durchlüftbaren Lage wegen
mit dem gedrängten Bau der Miethäuser besetzt werden, wo-
bei man bei der Führung der Straßen auf möglichste Zug-
freiheit achtete. Die Täler dienen dann einerseits als Luft-
kanäle für die inneren Stadtteile und andererseits dazu, die
Bevölkerung der inneren Stadt ins Freie zu befördern, ohne
die Bebauung zu berühren.
Durch diese von praktischen Erwägungen geleiteten An-
nahmen wird erreicht, daß sich der Übergang von der flachen
Landschaft in das dreigeschossige Baugebiet zwanglos ergibt,
wobei noch besonders in besonderer anmutiger Weise die
Mischung der offeneren Bauweise mit Gärten und deren Baum-
bestand versöhnlich in die Oberstadt überleitet. In das Südtal
sollen noch einige Landhäuser und die Stadthalle herunter-
gezogen werden, um die sonst freibleibende Grünfläche der
Talsohle organisch mit der Bebauung zu verbinden.
Zur Trennung der verschiedenen hohen Bauweise wurde,
in der Erkenntnis der schlechten Wirkung, wenn in einer
Normalstraße rechts eine 12, links eine 5 m hohe Gebäude-
reihe steht, ein System von Gürteln um die einzelnen
verschieden hohen Baugebiete geschlungen. Diese Gürtel
bestehen aus einer baumbestandenen Parkstraße bzw. Auen,
welche dem Beschauer das Gefühl der Zusammengehörigkeit
der Straßenwände verlieren lassen.
Der Entwurf enthält somit eine Anzahl neuer Gedanken ; die
der Örtlichkeit wohl entsprechen ; möge es der Stadtgemeinde
gelingen, recht viele davon in die Wirklichkeit zu übersetzen.
DER RECHTE STADTBAURAT.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Vor kurzem besuchte ich ein Städtchen am Harz, ein
nicht eben allzugroßes von rund 29000 Einwohnern, das vor
etwa 100 Jahren kaum 9000 hatte. Seitdem hat es sich
nach allen Seiten hin ausgedehnt und den Gürtel der Stadt-
mauer an vielen Stellen gesprengt; den früheren Stadt-
graben durchschlängeln jetzt grün eingefaßte Spazierwege.
Die vor den Toren angesiedelte Industrie hat ihre Aus-
läufer in die alte Stadt entsendet und mit ihrem Gefolge
die frühere Einheitlichkeit des Stadtbildes durchbrochen.
Neue Bedürfnisse brachten neue Bauten von mehr oder
weniger, meist geringem Geschmack. So ist es vielen
unserer alten Städte gegangen in der neuen Zeit — damit
muß man sich abfinden. W^ir können nicht verlangen, daß
sie um der Kunstfreunde willen in ihrer Märchenschönheit
weiter träumen, wenn sie leben und den Anforderungen des
Lebens gerecht werden, auf der Höhe des Lebens bleiben
wollen. Es handelt sich nur um das liebe W^ie ? ! Darüber
belehrt uns in trefflicher Weise ein Rundgang durch jene
Harzstadt.
Überall sieht man dort die Spuren einer ordnenden
Hand, die überlieferte Schönheiten vor Verfall oder Unter-
gang schützt. Verwahrlostes liebevoll wieder aufrichten hilft,
bei notwendigen Veränderungen mit Rat und Tat einspringt,
mit Neubauten selbst wohl vorbildlich zu wirken sucht und
Verunstaltungen, die der Niedergang der Kunst in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts z. B. durch Schulbauten und
andere öffentliche Gebäude mit sich gebracht hat, durch
Ergänzungen, einrahmende und verdeckende Zutaten zu
mildern versteht, die für die Aufstellung von Brunnen, Ruhe-
sitzen, Musikhallen und allerlei Bildwerk zum Schmucke
der Stadt sorgt, endlich die Stadtgemeinde zu Opfern bereit
macht, wenn es z. B. die Bereicherung eines Bauwerkes
um einen Erker an bedeutsamer Stelle gilt.
Diese Hand ist die des Stadtbaurats, der an seiner Stadt
herumbastelt und feilt, natürlich nicht allein, sondern mit
Hilfe von Künstlern, unter denen sich klangvolle Namen
befinden, aber doch als der leitende Geist, der den richtigen
Mann an die rechte Stelle zu bringen weiß und damit sich
selbst als den rechten Mann für seine Stelle erweist, wenn
auch sein Wirken süddeutschen Einschlag zeigt — damit
hat er ein frisches Ferment in den alten Sauerteig gebracht!
Höchstwahrscheinlich, ja mit Sicherheit ist wohl anzu-
nehmen, daß er von den Stadtvätern in diesem Tun ein-
sichtsvoll unterstützt wird, insbesondere auch wohl im
Oberhaupt der Stadt einen mächtigen Förderer besitzt. Es
bleibt genug Verdienst bei ihm hängen, ein Verdienst, das
er sich nur erwerben kann, weil er selbst ein Künstler ist.
Doch ist er auch Beamter, beamteter Architekt in
einem Städtchen von 29000 Einwohnern! — In der immer
weitergehenden Vermehrung früher nur in größeren Städten
angestellter Baubeamten glaubt aber der Bund Deutscher
Architekten eine Gefährdung der freien Kunst und der von
ihr lebenden Privatarchitekten zu erblicken. Da Städtebau
ohne ein entsprechendes Amt fast undenkbar ist, werde ich
in folgendem versuchen, die Grenzen für die gedeihliche
Wirksamkeit beamteter Architekten aufzufinden.
Schloß- und Stadtbaumeister haben wir schon seit langem
gehabt, auch schon zu einer Zeit, die ein hochentwickeltes
Baukunsthandwerk besaß. Es waren wohl nicht Beamte
im heutigen Sinne, doch Angestellte für eine bestimmte Zeit
63
DER STÄDTEBAU
oder Aufgabe mit sicherem Einkommen, das ihnen die Muße
zum künstierischen Schaffen ließ — gleichviel ob dies Ein-
kommen als festes Gehalt mit oder ohne Anspruch auf
einen Ruhesold oder als Entschädigung von Fall zu Fall
verbürgt wurde ; all dies ist nebensächlich. Die Hauptsache
ist, daß es Künstler waren, die gemeinhin auch den Wasser-
und Festungsbau beherrschten, also Architekten und In-
genieure zugleich, oder Ingenieure mit Künstleraugen. Erst
die notwendige Teilung der Arbeit im Maschinenzeitalter
hat uns den modernen Ingenieur, den Tiefbaumeister ge-
bracht, dem die wichtige Aufgabe zufiel, die Lehren öffent-
licher Gesundheitspflege anzuwenden. Dies war ein Fort-
schritt, bei dem man aber vergaß, daß auch Straßenanlagen,
Rieselfelder und Wassertürme mit Künstleraugen angesehen
werden müssen, wenn sie nicht verunstaltend wirken sollen.
Da zugleich das früher mit der Baukunst verbundene Bau-
gewerk nur Handwerk, nur Geschäft geworden und das
Handwerk in seinen überlieferten Grundlagen durch das
Eindringen der Maschinenarbeit und die Überschüttung mit
allen möglichen neuen, oft unerprobten Bauhilfsmitteln er-
schüttert worden ist, können wir uns über die als Verun-
staltung von Stadt und Land viel beklagten Zustände nicht
wundern. Es fehlt eben die künstlerische Leitung.
Allerdings ist der beamtete Künstler vielfach wirklicher
Beamter geworden. Bei den absoluten Fürsten, in den
Stadtrepubliken konnte das Amt sich durch die Person
seines Trägers unmittelbar zur Geltung bringen. Beim
staatlichen und städtischen Parlamentarismus ist die Ver-
antwortlichkeit auf bestimmte politische Persönlichkeiten
gesammelt. Diesen gegenüber das Amt zu behaupten, war
die festere Einordnung in das Beamtentum notwendig —
der Gleichberechtigung mit anderen Beamtenkategorien
wegen. Die Städte insbesondere brauchen derartige Beamte,
behelfen sich anfangs fast stets von Fall zu Fall mit Privat-
architekten, sofern solche überhaupt zur Verfügung stehen.
Wo dies aber wie in kleinen Städten und fast im ganzen
Osten des Deutschen Reiches nicht der Fall ist, oder wenn
die Stadt schnell wächst wie in den Industriegegenden, wird
fast immer ein Zeitpunkt eintreten, zu dem die Gemeinde
glaubt, einen Techniker dauernd einstellen zu müssen, zum
ersten, um einen solchen ständig zur Hand zu haben, zum
anderen, weil technische Verwaltung — und ohne eine solche
ist fast keine moderne Stadt mehr! — nach einem technischen
Leiter verlangt, zum dritten, weil die Gemeinden nun ein-
mal meinen, dabei billiger zu fahren.
Jedenfalls schaffen nicht die Techniker neue Beamten-
stellen, sondern die Gemeinden. Um beurteilen zu können,
ob und inwieweit dies notwenig ist, können die freien
Architekten nicht dringend genug ermahnt werden, sich
mehr um Gemeindeangelegenheiten zu bekümmern, als es
zum Teil noch im großen und ganzen geschieht. Soviel
steht aber fest, daß viele von denen, die bereits in Gemeinde-
behörden sitzen, sei es als Stadtverordnete oder ehrenamt-
liche Stadträte, sich schon längst davon überzeugt haben,
daß es nun einmal ohne Baubeamte nicht geht, ja daß
solche, gerade wenn man wünscht, die Privatarchitekten
auch zu den öffentlichen Bauaufgaben in größerem Umfange
heranzuziehen, schon als vermittelnde und die Aufträge,
Wettbewerbe usw. vorbereitende Gemeindeorgane unent-
behrlich sind.
Der Baubeamte soll gar nicht alles selber machen, nur
so viel als nötig ist, um selbst in Übung zu bleiben, denn
ohne fortgesetzte Übung gibt's keine Kunst. Der Stadtbaurat
muß aber ein Künstler sein! Er muß auch Gehilfen haben,
die — dies geht nun einmal in einer Verwaltung nicht
anders — fest anzustellen sind, doch nur so viele, als dauernd
voll beschäftigt werden können, die übrigen je nach Bedarf
vorübergehend. Hierin geschieht nach meiner Erfahrung
mit wenigen Ausnahmen eher zu wenig als zu viel. Der
Stadtbaurat ist fast stets der am meisten mit Arbeit geplagte
Mann der Stadtverwaltung. Andererseits sind auch die Privat-
architekten nicht immer in der Lage, ihre Gehilfen je nach
dem Umfange ihrer Tätigkeit gleich vermehren oder ver-
mindern zu können ; auch bei ihnen muß zuweilen manch
einer in mageren Zeiten mit durchgefüttert werden. Wenn
aber auch in einzelnen Ämtern die Neigung nach einer über
das unerläßlich notwendige Maß hinausgehende Beamten-
vermehrung hindrängen sollte, so kann immer noch nicht die
Frage so gestellt werden, ob beamtete oder freie Architekten
zur Erfüllung städtischer Bauaufgaben den Vorzug verdienen ? !
Es werden beide gebraucht, so daß es nur auf eine vernünftige
Abgrenzung derbeiderseitigen Arbeitsgebiete ankommen kann.
Besonders trifft dies für den Städtebau zu. Es liegt in der
Natur der Sache, daß der Stadtbaurat in erster Linie berufen
ist, die Stadt auszubauen, zu erweitern. Durch seine Hand
muß alles gehen, was mit dem Bauen in der Stadt zusammen-
hängt, insbesondere auch ein jedes Baugesuch, das daraufhin
zu prüfen ist, ob und wie sich der geplante Bau der Straße,
der Landschaft einfügt. Der Privatarchitekt ist verantwortlich
für jedes einzelne Bauwerk, der Stadtbaurat aber für die ganze
bauliche Erscheinung der Stadt, deren Gesamtbild er allein
im Kopfe hat oder wenigstens im Kopfe haben sollte!
Wohl kann auch der Privatarchitekt einen Bebauungs-
plan, einen Teilplan so gut wie einen großzügigen Gesamt-
plan aufstellen, doch wird er ihn in den allerseltensten
Fällen auch verwirklichen können. Meist geht darüber eine
lange Zeit, oft ein Menschenalter hin, teils weil die Gemeinde
die Geldmittel auf viele Jahre verteilen, die Straßenbaukosten
von den Anliegern erst einziehen muß, teils weil die Be-
bauung langsamer vorrückt, als man gedacht hatte, beson-
dere Umstände sich als Hemmnisse erwiesen haben, z. B.
allzu hohe Forderungen, schwierige Enteignungen, not-
wendige Umlegungen, unvorhergesehene Änderungen und
neue Bauten von Brücken, Rampen, Kaimauern usw.
Dann müssen auch zur Durchführung des Planes oft
von langer Hand oder ganz im geheimen Vorbereitungen
getroffen werden, die eben nur ein mitten in der Sache
stehender, sich dauernd damit beschäftigender Mann treffen
kann. Ja schon bei Entstehung des Planes müssen oft
Möglichkeiten erwogen, zufällige Gelegenheiten wahr-
genommen, Häuser und Grundstücke erworben werden.
Welche Geduld, welche Kleinarbeit dazu gehört, mag sich
jeder ausmalen — für den Privatarchitekten wäre dies fast
unbezahlbarer Zeitverlust! Der Stadtbaurat erhält sein Gehalt
aber auch gerade für derartige, meist nicht genug gewürdigte
Mühen. Dazu gehören erstklassige Leute, die demzufolge auch
immer selbst etwas müssen schaffen können, wenn sie auf
der Höhe bleiben sollen; vielleicht mag darin, daß viele alles
selber machen wollen, was die Stadt an Bauaufgaben bietet,
öfter gefehlt worden sein. Auch darin ist gefehlt worden,
daß man aus falsch verstandener Sparsamkeit die Ingenieure
mit künstlerischen Aufgaben betraut hat. Der Ingenieur
ist immer „Spezialist", während der Architekt als Städte-
baukünstler stets das allgemeine Wohl zu vertreten hat.
«4
DER STÄDTEBAU
DER STADTPLAN VON BRÜGGE
IM. 16. JAHRHUNDERT. merzu Doppeltafel 34/35.
Von CORNELIUS GURLITT. Dresden.
Wer das Werden einer mittelalterlichen Großstadt kennen
lernen will, dem empfehle ich das Studium von Brügge. Der
Grund, warum hier städtebaulich mancherlei- alte Anlagen
deutlicher sich erkennen lassen als an anderen Plätzen, ist
freilich ein mißlicher: er liegt nämlich in dem starken Rück-
gang, den die Stadt seit dem 16. Jahrhundert erfuhr, in dem
Stillstande, der erst in der jüngsten Zeit seit dem Bau des
neuen Wasserweges zur Nordsee sein Ende erreichte. So
kommt es, daß Brügge so manche alte Zustände erhielt,
die andere Städte im Laufe ihrer Entwicklung änderten.
Kaum gibt es eine zweite Stadt, in deren W^ohnhausbauten
noch in gleichem Maße die Gotik vorherrscht. Dazu
kommen noch andere für das Studium günstige Bedingungen.
Zunächst eine, die zu verwerten nicht möglich war, nämlich
das Vorhandensein eines reichen städtischen Archivs.
Dann literarische Quellen. Ein Geograph des 16. Jahr-
hunderts, JWark Gheeraert, schuf 1562 eine Vogelschau
der Stadt, die neuerdings in einer guten Kopie erschienen
ist (Lithographie von Aug. Ancot, Brügge). Sie besteht aus
12 Blatt von zusammen 99 cm Höhe und 2,2 m Breite,
wetteifert also mit der berühmten Vogelschau von Venedig.
Dabei ist sie von bewunderungswürdiger Treue nicht nur
hinsichtlich der Gesamtanlage der Stadt, sondern auch in
den Einzelheiten. Das letzte Häuschen ist nach der Natur
eingezeichnet. An zahlreichen noch erhaltenen Bauten läßt
sich die Zuverlässigkeit Gheeraerts nachweisen. Man ge-
langt durch solche Untersuchungen zu dem unbedingtesten
Vertrauen. Dazu hat der jetzige Ingenieur Directeur des
travaux communaux C. Salmon 1904 — 1907 die Stadt neu
vermessen und im Maßstab von 1 : 500 auftragen lassen. Nach
dieser Vermessung ist ein im Handel befindlicher Generalplan
im Maßstab von 1 : 2500 hergestellt und von der Stadt heraus-
gegeben worden. Durch gütige Vermittlung des Bürgermeisters
von Brügge, Vicomte Visart de Bocarme, sind mir aber
auch die Originalpläne zugänglich gemacht worden. Diese
Unterlage gab mir die Möglichkeit, die alten Zustände Brügges
zu rekonstruieren, indem ich Gheeraerts Vogelschau auf den
modernen Plan übertrug. Es dürfte somit ein zuverlässiger
Plan des Brügge, wie es 1562 stand, erreicht sein.
Manche weiteren Quellen kommen hinzu. So die
Folianten, in denen Antonius Sanderus Brügge in
seinem Werke Flandria illustrata schildert. Ich benutzte
die Ausgabe von 1732. Und als neueste Bereicherung das
Werk, das der Brügger Canonicus Ad. Duclos herausgab:
Bruges, Histoire et Souvenii-s (Brügge, Vyvere-Petyt
1910), eine Arbeit von unendlichem Fleiß, mit einer Fülle
von Stoff und Einzelforschungen, freilich aber auch ein
wegen seiner Unübersichtlichkeit nicht eben bequemes
Studienfeld. Dem Verfasser habe ich auch für manche
persönliche Förderung und Belehrung zu danken. Nicht
unerwähnt möchte ich das Buch von Rudolf Häpke über
„Brügges Entwicklung zum mittelalterlichen Weltmarkt"
lassen (Berlin, Curtius 1908), das die Handelsgeschichte der
Stadt in übersichtlicher Form darstellt.
Hier ist nur auf die Hauptmomente der städtischen Ent-
wicklung hinzuweisen. Ihren Ursprung dankt Brügge der
Brücke am Wasserarm Dyver, das heißt einem Staden,
an dem die Schiffe anlegen konnten. Unser Plan zeigt die
Stelle an : Noch heute heißt die etwa 100 m vom Wasserarm
sich hinziehende Straße „Oudenburg", die Alte Burg. Etwa
wie in Danzig bestehen die Straßen des ältesten Stadtteiles in
Zugängen, die rechtwinklig auf die Brücke zuführen. Noch
1562 standen an der Oudenburg zumeist bescheidene Bauten:
Die Aufteilung des Geländes scheint so erfolgt zu sein, daß
die Grundstücke die ganze Tiefe der Stadt einnahmen und
zwischen zwei von der Oudenburg abzweigenden Straßen
deren je zwei angeordnet wurden.
Die Anlage einer „Brücke" an dieser Stelle hatte ihren
Grund darin, daß die Seefahrt hier besonders tief nach
innen vordringen konnte. Zwischen dem neuen Brügge
und den Außendünen lag ein Gelände, das erst in histo-
rischer Zeit dem Meere völlig abgerungen wurde. Häpke
gibt eine Karte aus dem 16., Sanderus aus dem 17. Jahr-
hundert, die uns lehren, wie rasch diese Umgestaltung des
ganzen Landes fortschritt. Die Zufahrt geschah von Nord-
osten her, von dem tief ins Land einschneidenden Meeres-
arm Swin, an Sluis und Damm vorbei. Die größeren
Schiffe mußten schon im 13. Jahrhundert in Sluis vor Anker
gehen. Trotz aller Arbeit gelang es nicht, für sie die
„Dammesche Fahrt" offen zu halten. Auf Schuten und
Leichtern wurden die W^aren dem Brügger Markte zugeführt.
Es entstand neben der alten Burg eine neue, die heute kurz-
weg Burg heißt, „le bourg" im Französischen. Dies wurde
der Sitz der Landesverwaltung: Hier stand die Kathedrale
St. Donatian, die in der Revolutionszeit abgebrochen wurde,
hier stand der „Steen" der Landesfürsten, die Kapelle für
das vornehmste Heiligtum, das heilige Blut, das Stadthaus
der Bürgerschaft und der „Vrije" der Landgemeinden um
einen mittleren Platz, einst auch der Mittelpunkt künstle-
rischer Profanarchitektur, heute noch trotz Abbruch, Wieder-
herstellungen und Umbauten eines der köstlichsten Stadt-
bilder. Die Geschlossenheit des Platzes war schon dadurch
unbedingt gewahrt, als die Bauten sich nach außen auf die
Ummauerung stützten, die, von nassen Gräben umgeben,
nur an zwei Stellen durch Brücken und Tore zugänglich
war. Erst die Umbauten an der Donatiankirche im 14. Jahr-
hundert scheinen die Beseitigung des Grabens an der Nord-
und Nordwestseite herbeigeführt zu haben.
Nördlich von der Burg entstand die zweite Bürgerstadt,
deren Ausdehnung heute noch durch die sie umgebenden
Gräben erkennbar ist: Sie blieb einer der wichtigsten Schwer-
punkte für den Handel. Der westliche Arm des Grabens ist
die Reye. Vom Dyver gelangten die Schiffe unmittelbar in
diese. Sie gab den Anlaß zu einer Anzahl hervorragender
für den Handel bestimmter Bauten. Zwar war 1562 der
Wasserarm schon teilweise zugeschüttet, doch erkennt man
deutlich seinen Verlauf. So hinter der um 1285 erbauten
Wasserhalle, die 1786 abgebrochen wurde. Dieser etwa
66
DER STÄDTEBAU
32 : 90 m messende, zweigeschossige Bau, inMen^von rück-
wärts unmittelbar aus den Schiffen verladen werden konnte,
diente dem Tuchhandel. Nicht weit davon, um 1240 begonnen,
steht noch heute die Alte Halle, jetzt kurzweg Halle genannt,
ein unregelmäßiges, um einen Hof gelagertes Rechteck, ur-
sprünglich von zwei Geschossen. Der Lagerraum für
Handelswaren betrug in der Alten Halle etwa 4200, in der
Wasserhalle etwa 5500 qm ; er stand bei einer Gesamtfläche
von fast 10000 qm einer modernen Ausstellung nicht nach.
Das Verhältnis dieser Bauten zum Markt ist beachtenswert.
Dieser entstand vor den Toren der alten und neuen Burg
auf einer Düne, die etwa 3 — 4 m über der Wasserfläche der
Kanäle liegt. Die verschobene Form der Alten Halle, die
unregelmäßige Einmündung der Straßen weist darauf, daß
nicht der Markt vor den beiden Hallen, sondern die Hallen
auf dem Markte entstanden : also nicht ein geplanter, sondern
ein gewordener Platz, bedingt durch die Anforderungen des
Handels. Der Markt selbst mit seinem Flächeninhalt von
immerhin noch 10000 qm diente diesem. War doch Brügge
seit dem 12. Jahrhundert zum Mittelpunkt namentlich des
Wollehandels von ganz Europa geworden, so daß bald alle
handeltreibenden Völker sich hier eigene Häuser errichteten.
So die Deutschen (Oosterlinge), die Engländer, Biskayer,
Schotten, Florentiner, Venediger, Genuesen, Spanier, Por-
tugiesen.
Der Aufschwung zwang um 1127 zu neuen Stadt-
erweiterungen. Der Hauptmarkt lag bisher außerhalb der Stadt.
Nun bezog man ihn und ein weites nach Westen und Süden
sich erstreckendes Gebiet in die Stadt ein. Die Mauern, die
hier aufgeführt wurden, standen teilweise noch zu Gheeraerts
Zeiten ; der Graben hat sich heute noch erhalten.
Lag in dieser Umgestaltung schon ein großer Fort-
schritt, indem die heranwachsenden Pfarrkirchen St. Salvator
und „Unsere Lieben Frauen" nun in die Ummauerung
hineingezogen wurden, so entsprach es auch der wachsen-
den Bedeutung der Stadt, deren Umkreis auf etwa 3,7 km
Länge gebracht wurde, während er vorher nur 1,35 km maß.
Eine weitere Ausdehnung erfuhr die Stadt um 1300.
Nun wurde sie zu einem ziemlich regelmäßigen Oval von
rund 6,9 km Umkreis. Man warf einen doppelten Graben
aus, den inneren durchschnittlich etwa 35 m, den äußeren
30 m breit, indem man den Boden stadtseitig als Wall auf-
schüttete. Dieser Wall diente den Windmühlen als Standort.
Die Wassergleiche in den Kanälen steht etwa 5 m über
Meeresspiegel, das durchschnittene Gelände liegt 6 — 7 m
hoch. Bei einer ursprünglichen Tiefe des Grabens von etwa
3 m ergibt dies eine Bodenbewegung von nahezu 2 Millionen
Kubikmeter. Eine Ummauerung wurde nur etwa auf 2 km
Länge aufgeführt; dagegen entstanden neun mächtige Tor-
burgen, W^erke von ebenso starker Widerstandskraft wie
künstlerischer Schönheit. In all dem zeigt sich eine Kraft
des Bürgertums, eine Großartigkeit der städtischen Organi-
sation, die sich sehr wohl mit dem Wirken moderner Städte
vergleichen kann.
Freilich erfüllte die Stadt den gewaltigen Raum nicht,
den die Wälle umschlossen. Während im Innern viel-
geschossige Häuser sich dicht drängten, war nun gegen die
W^älle zu nach allen Seiten reichlich Platz für Gärten. Man
konnte auch dem Freitagsmarkt eine Grundfläche von etwa
23000 qm geben, also einen der größten Plätze des Mittel-
alters schaffen — auf dem jetzt der Bahnhof steht. Wie
durch die neuen Wälle vorstädtische Pfarreien in die Stadt
einbezogen wurden, so auch Landsitze. Man sieht bei
Gheeraert, und daher auch auf meinem Plane, solche, die
von Gräben umzogen nur aus einem turmartigen Gebäude
bestehen; andere, die sich an ummauerte Höfe legen, ganz
ähnlich den Landsitzen, wie man sie auch jetzt noch im
flachen Lande findet. Die Anordnung läßt deutlich erkennen,
daß sie einst in freiem Gebiet standen und dort zur Ver-
teidigung eingerichtet waren. Nicht minder wurden Klöster
und früher vor den Toren liegende Krankenhäuser nun in
die Stadt eingefügt: Gebiete wie das der Eeckhout -Abtei
und der St. Ägidiusgemeinde waren wahrscheinlich schon
vor der Eingemeindung durch Gräben für sich abgeschlossen
worden. Es handelte sich also in jedem Fall der Stadt-
erweiterung darum, schon im wesentlichen erschlossenes
Bauland aufzunehmen. Nur in dem Gebiet zwischen Stein-
hauerdamm und Minderbrüderkloster erkennt man eine plan-
mäßige Aufteilung der Grundstücke. Mithin erweist sich
die Stadt auch überall als eine „gewachsene". Es sind die
Straßenzüge fast durchweg durch die Schritte der Wandeln-
den angelegt, nicht geplant, wie dies unverkennbar von der
Umwallung anzunehmen ist. Wenn also im 13. Jahrhundert
fünfzig neue Straßen gebaut wurden, wie die Berichte sagen,
so handelte es sich wohl nur um die Herstellung der Straßen-
decke, nicht um die Auslegung neuer Linien, zum mindesten
nicht von Hauptlinien.
Man kann somit auch sehr gut ersehen, wie sich die
Hauptzugangswege gestalteten und wie das Land zwischen
diesen aufgeteilt wurde.
Entscheidend ist das Gelände und die aus diesem sich
ergebende Anlage der Befestigung und der Tore. Von Gent
her, also von Südosten, führt der „Alte Genter Weg" in sehr
eigenartigen Krümmungen, die ihren Grund haben müssen;
auch noch der „Neue Genter Weg" weist nicht geradezu auf
den Markt. Beide vereinigen sich mit dem Koortrikschen
Weg (Katharinenstraße), ehe sie zwischen Johannishospital
und Frauenkirche die Stadt des 12. Jahrhunderts betreten.
Das Land, das diese Straßen durchschneiden, liegt tief. Dort
tritt auch der nach Gent führende Kanal in die Stadt ein, sich
verbreiternd zu einem See, dem Minnewater. Dies Wort be-
deutet wohl Binnenwasser, nicht Liebeswasser; die franzö-
sische Bezeichnung lac d'amour ist irreführend. Noch heißen
einige Straßen nach der Marsch, die sich dort ausdehnte.
Alte Schleusen stauen das Minnewater und die Nachbarkanäle
an, die etwa 5,6 m über dem Meeresspiegel liegen, während
die die Stadt durchziehenden Wasserarme auf der Höhe von
4,9 — 4,8 m liegen. Am anderen Ende der Stadt befindet sich
eine zweite Schleuse, unterhalb der nach der See führende
Kanal, die Dammesche Fahrt, der auf 4 m herabfällt. Von
Südosten durch das Bouverietor und das Schmiedetor führen
die Zugangswege etwa der gleichen Stelle zu, nämlich der
höher gelegenen, auf einem „Sande", also der alten Düne
liegenden Stadt des 12. Jahrhunderts. Die Südsandstraße
und Nordsandstraße sowie die Steinstraße sind die höchsten
Erhebungen der Stadt, 9 — 10 m über Meer. Dagegen heißen
Straßen, die an dem Stadtgraben im W^esten liegen, heute,
noch Moorstraßen. Die damalige Befestigung faßte also die
Düne zusammen, die sich an die beiden „Burgen" nach
Süden und W^esten anschloß und die beiden Hauptpfarr-
kirchen, die Frauen- und Salvatorkirche, trug. Auch das
alte Nordviertel liegt etwa 8 m über Meer, während die
Vorstädte ringsum um gut einen Meter niedriger liegen. Es
handelte sich also bei der Stadterweiterung von 1300 ganz
66
DER STÄDTEBAU
wesentlich auch darum, durch das Herabdrücken der
Wassergleiche in den Stadtgräben auf etwa S'/a ni die
Marschen der Umgegend trockenzulegen. Markt, Burg
und die anstoßende Hohe Straße, die nach Osten über die
Lange Straße nach dem Kreuztor führt, liegen in der Höhe
von etwa 8 m. Daß diese Höhenlagen sich nicht wesentlich
geändert haben, ergibt sich aus den anstoßenden, vielfach
ins 14. Jahrhundert zurückreichenden Bauten. Die vom
Markt nach Norden führende Vlämische Straße (St. Georg-
straße) wurde beim W^allbau von 1300 gesperrt und dafür
seitlich durch das Eseltor und die Eselstraße ein Zugang
geschaffen.
Bei der Linienführung erkennt man durchweg, daß es
sich um ausgebaute Landstraßen handelt. Manchmal glaubt
man aus den Straßennamen den Grund herauslesen zu
können, warum sie in Krümmungen angelegt wurden: So
führt unmittelbar vom Genter Tor zum Markt der Neue Genter
Weg, der Gammarkt, die Eichholz- und die Wollenstraße.
Man erkennt, daß hier der Handel mit Textilerzeugnissen
seinen Sitz hatte. Nicht weit davon an einer Gracht der Stein-
hauerdeich; Brügge mußte Haustein auf Schiffen weither,
teilweise sogar Tuff vom Rhein, herbeischaffen lassen.
Ein mächtiger Kran stand nahe dem Platz, auf dem
das moderne Theater erbaut wurde. Die benachbarte
Straßenverbreiterung hieß die Börse. Hier hatten die
Genueser und die Florentiner ihr Geschäftshaus. Nicht
weit davon stand das Haus der Vollbürger, der Poorter,
und das der Oosterlinge und der Spanier.
Von diesen Bauten hat sich manches erhalten, manches
läßt sich durch alte Abbildungen im Geiste wieder herstellen.
In meinem Bande „Brügge" der „Historischen Städtebilder"
will ich hierüber des weiteren berichten.
KUNST UND GROSSVERKEHR.
Von Dr. HANS SCHMIDKUNZ, Berlin-Halensee.
Die Steigerung und Vervollkommnung des Verkehres
ist in unseren Tagen so groß, daß daraus gewichtige Ände-
rungen, wenigstens der äußeren Kultur, entstehen. Ob auch
die Künste, günstig oder ungünstig, dadurch beeinflußt
werden, ist schon deswegen keine gleichgültige Frage, weil
vielen mit Recht etwas daran liegt, bevorstehende Wand-
lungen auf dem Kunstgebiete vorauszusehen und sie so zu
beherrschen.
Als Großverkehr läßt sich wohl jeglicher Verkehr be-
zeichnen, der Beträchtliches in Weite, Schnelligkeit und
Massigkeit leistet und zu diesem Zwecke natürlich auch
gesteigerte technische Mittel anwendet. Dies kann der Fall
sein sowohl beim städtischen Innenverkehr wie auch beim
städtischen Außenverkehr wie auch endlich beim Fern-
verkehr. Daß hier überall Dampf und Elektrizität, sowie
das „Kraft"- Fuhrwerk ihre Dienste hergeben, und daß
schließlich der Luftverkehr immer mehr in den Bedarf
des Alltages hineinwächst: das sind keine neuen Ein-
sichten mehr.
Auch das gilt schwerlich mehr als neu, daß eine Haupt-
bedeutung des gesteigerten Verkehres in der Steigerung und
Anerkennung der Gesundheitspflege liegt, und daß sich von
dieser hinwiderum neue Fäden zur Kunst hinüberspinnen.
Zunächst ist freilich der städtische Innenverkehr,
namentlich der auf der Straßengleiche, insofern nicht ge-
sundheitlich, als er fortwährend unser leibliches Wohl
gefährdet, und als die täglichen Opfer des „elektrischen
Kriegsschauplatzes" ein schlimmeres Übel sind, als der an
tägliche Unglücksfalle gewöhnte Zeitungsleser merkt.
Eine um so eingreifendere Abhilfe läßt sich erhoffen.
W^ährend sich die Überlegungen, ob dem Unheil durch ge-
w^öhnliche Mittel abzuhelfen sei, immer wieder im erfolg-
losen Kreise drehen, könnten sie sich doch einmal, um
bildlich zu bleiben, in einer erfolgreichen Kugel drehen, oder,
ohne Bildlichkeit, zur „Dreischichtung" des städtischen
Verkehres übergehen. Auch diese ist nichts Neues mehr,
tatsächlich allerdings nur erst in Anläufen vorhanden. Daß
aber durch sie neue Aufgaben der Häuserbau- und der Be-
bauungskunst entstehen müssen, erkennt mindestens der
Architekt.
Näherliegend und einfacher sind die Förderungen, welche
der städtische Außenverkehr oder kurz Vorortverkehr
dem Wohnungswesen und seiner künstlerischen Behandlung
darbietet. Das W^ohnen wird mehr und mehr nach außen
hin verlegt und schon dadurch gesünder. Doch auch noch
über die Gesundheitspflege hinaus reicht die Wirkung dieses
und sodann des gesteigerten Fernverkehres: der neuzeitliche
Gegensatz zwischen Stadt und Land kann allmählich über-
wunden werden. Wir wohnen uns in die freiere Natur
hinein. Wir können dadurch sie und schließlich auch uns
schädigen, wenn wir z. B. die Wälder durch Landhaus-
siedelungen in ihnen (statt an ihren Rändern) verwüsten.
Wir müssen es aber nicht, können vielmehr die Vorteile
ohne die Nachteile erreichen.
Die Vorteile liegen bereits in der Weiträumigkeit des
Wohnens, diesem wohl unbestrittensten unter den Grund-
sätzen der Städtebaukunst. Mußten wir bisher in der
städtischen Enge mit jedem Meter und folglich auch mit
einer freieren Entfaltung der Kunst im Haus ängstlich
sparen, so dehnen sich jetzt draußen unsere Räume und
werden etwa auch so weit billiger, daß uns mehr Mittel zur
Kunstpflege übrigbleiben. Sie sind nun ausnutzbarer, und
sind es auch durch die größere Helligkeit, die sich aus dem
„Draußen" ergibt, und die weiterhin wieder günstig auf die
Farbengebung des Innenraumes und auf unseren Farben-
geschraack einwirkt.
Sodann wird die Ergänzung des Hauses durch den
Garten leichter und kann dessen schönheitliche Wirksamkeit
besser zur Geltung bringen, sei es in der Anlage von Garten-
zimmern und Veranden, sei es in der Gartenkunst selbst,
die durch französische, englische und deutsche Vorbilder
aus den letzten Jahrhunderten natürlich ebensowenig er-
schöpft ist, wie sonst irgendeine Kunstgattung, und der
gerade ein Wettbewerb mit sonstigen künstlerischen Fort-
schritten — nicht etwa eine Abhängigkeit vom „Architekten"
— not tut und fruchtbar werden kann.
67
DER STÄDTEBAU
Daß wir jedoch so weit kommen, dazu sind noch nähere
Sorgen nötig. Vor allem genügen noch lange nicht die bis-
herigen großstädtischen Vervollkommnungen des Verkehres.
Zur Erläuterung sei auf einen Streitfall der letzten Zeit
zurückgegriffen, auf den „Berliner Schulkrieg". (Wir zitieren
nach der „Tägl. Rundschau", 16. November 1911, No. 539.)
Eine Druckschrift des Berliner Lehrervereins: „Kommu-
nale Schulpolitik in Berlin" hatte Beschwerden gegen die
städtische Schulverwaltung erhoben, und diese antwortete
mit „Bemerkungen zu der Schrift des Berliner Lehrervereins".
Darin wurde auch die Verpflichtung der Lehrer, in Berlin
zu wohnen, besprochen, die sogenannte Residenzpflicht.
Es hieß da u. a. :
Nach unserer Auffassung liegt die Sache so, daß bis vor wenigen
Jahren nahezu alle Gesuche um Erlaubnis zum Außerhalbwohnen
ohne genaue Nachprüfung der angegebenen Gründe genehmigt
wurden. Als die Neigung, in die Vororte zu ziehen, immer größer
wurde und Mißstände im Gefolge hatte, haben wir es für unser
Recht und unsere Pflicht gehalten, jedes Gesuch genau nachzuprüfen
und nur diejenigen zu genehmigen, bei denen uns die Notwendig-
keit dazu vorzuliegen schien . . . Für die Beschlüsse der Mehrheit
der Schuldeputation bei Gesuchen um Auswärtswohnen der Lehrer
sind . . . maßgebend gewesen allein die Interessen der Schule und
der Kinder. Es ist häufig darüber Klage geiührt worden, daß
Lehrer, die im Vorort wohnen, nach Schluß des Unterrichts die
Schule schleunigst verlassen, um die nächste Fahrgelegenheit nach
'ihrem \Vohnort nicht zu versäumen, daß sie für Nachmittagfsunter-
richt und für Vertretungen am Nachmittag sowie für Konferenzen,
die auf den Nachmittag gelegt werden, nicht zu haben sind. Die
Eltern, die den Wunsch haben, nach Schluß des Unterrichts wegen
ihrer Kinder Rücksprache zu nehmen, treffen solche Lehrer nicht
mehr an oder werden kurz abgespeist. Dazu kommt, daß bei
plötzlicher Erkrankung von Lehrkräften, die im Vorort wohnen, die
Schule ohne rechtzeitige Benachrichtigung bleibt, daß bei Zug-
verspätungen der Lehrer nicht rechtzeitig zum Unterricht kommt
und daß, wenn der Lehrer den richtigen Zug versäumt, er unter
Umständen erst längere Zeit nach Beginn des Unterrichts in der
Schule eintrifft.
Was das heißt, kleinliche „Kirchturmpolitik" treiben
und auf die Äußerungen einer Sache statt auf ihr Wesen
eingehen, kann man hier erfahren. Sehen wir zunächst ab
von der bekannten Tatsache, daß oft zwei Punkte des
städtischen Weichbildes voneinander weiter entfernt sind,
als ein Außen- und ein Innenpunkt, sei es in der Luftlinie,
sei es in der Schnelligkeit des Verkehres! Aber Zug-
verspätungen, Zugversäumnisse usw. : davon weiß auch der
innenstädtische Verkehr zu berichten, vielleicht zum Teil in
verschärftem Maß. Pflicht aller Beteiligten ist es, den Vor-
ortverkehr so zu vervollkommnen, daß jene Störungen auf
das geringstmögliche beschränkt werden ; insbesondere wird
der Ausbau des Untergrundnetzes schon wegen Schonung
des Landschaftlichen notwendig.
Aber nun der Nachmittag! Mit der geteilten, der so-
genannten deutschen Arbeitszeit ist eben eine moderne Aus-
bildung des großstädtischen Wohnungs- und Verkehrswesens
auf die Dauer nicht durchzuführen. Viermal den Arbeits-
weg machen — das kann allerdings alle guten Bemühungen
verderben. Ungeteilte, sogenannte englische Arbeitszeit wird
nachgerade eine unerläßliche Vorbedingung für die Erlösung
aus der Großstadt und für die Wiedergewinnung des freien
Landes.
Soweit die Verkehrsfragen. Nun wieder die Schönheits-
fragen ! Solange wir städtische Unschönheit auf das Land
mitnehmen, werden wir es nicht wirklich gewinnen. Jenes
tun wir aber, wenn wir in unsere Landhaussiedelungen die
Starrheiten hinaustragen, die sich im Städtebau herausgebildet
haben, wenn wir also auch hier den rechten Winkel so
herrschen lassen, wie dort. Was an diesen geraden Sträß-
chen, diesen liniierten Häuserreihen, diesen schachbrettartigen
Gärtchen der typischen Siedelungen ländlich sein soll, ist
schwer zu sagen. Am wenigsten verträgt der Garten
städtische Bau- und Bebauungsweise. Wenn wir oben
hofften, der städtische Außenverkehr könne hier fruchtbar
wirken, so tut eben Besinnung darüber not, daß aus dem
Segen nicht Unsegen werden darf.
Hoffen läßt sich nun auch auf den Fernverkehr. Allzu-
feme von ausgedehnterem Aufenthalt und Verkehr der
Menschen hat auch der über den französischen Gartenstil
hinausgehende englische und deutsche Park wenig Sinn.
Und ebenso wie immer mehr Gelände „der Bebauung er-
schlossen" wird, großenteils mit Unfug, ebenso kann es der
Parkkunst erschlossen werden, hoffentlich mit Fug und
Recht und Geschick. Namentlich für die weiten nüchternen
Flachländer, die sich in Deutschland zwischen die vielen
landschaftlichen Schönheiten einschieben, möge das längst
anerkannte Verdienst des Gartenfürsten Pückler-Muskau
vorbildlich weiterwirken.
Vielleicht kann man sagen, es sei gar nicht günstig,
wenn dem Menschen das Herankommen an landschaftliche
und künstlerische Schönheiten und überhaupt an Natur- und
Kulturgüter gar so bequem gemacht wird. Eisenbahnen
auf die Berge, Kraftwagen bis an das Portal jedes Museums,
jeder besuchswerten Burg usw. — das mache faul, das
profaniere. Nun gibt's da freilich Grenzen und notwendige
-Unterscheidungen. Allein die fortschreitende Kultur macht
Kraftsparung und Arbeitsteilung unentbehrlich. In eine
Kunststätte will ich nicht ermüdet, abgerackert kommen,
zumal da mir gerade hier eine ganz tüchtige körperliche
Arbeitsleistung bevorsteht, mit der ich bald am Ende meiner
Kräfte sein kann. Überflüssige Zeit besitzt auch nicht jeder,
fast niemand.
Und gerade die Museen u. dgl. haben ihren gegenwärtigen
und ihren fürderhin zu wünschenden Aufschwung zu einem
guten Stück dem erleichterten Verkehre zu danken. Sind
sie doch größtenteils auf ein W^anderpublikum und somit
auf die Praxis des Fremdenverkehres angewiesen! Sie be-
durften und bedürfen noch immer dessen, daß sie auch von
anderen „entdeckt" werden, als von ein paar aufs Reisen
angewiesenen Kunsthistorikern. Sie werden aber auch, je
mehr ihre Benutzung anwächst, desto mehr gezwungen sein,
selbst anzuwachsen und ihre Eigentümer und Freunde zu
größerer Freigebigkeit anzuspornen.
Selbst dem Künstler ist auf die Dauer nicht einzig da-
mit gedient, daß ihm „unberührte" Landesschönheiten zur
„malerischen Entdeckung" vorbehalten bleiben. Mögen aus
jungfräulichem Boden heraus noch so eigenartige Maler-
winkel und Malersiedelungen wachsen: mit der Zeit bedürfen
auch sie, je mehr bei ihnen auf Seßhaftigkeit gerechnet
wird, desto vollkommeneren Anschluß an die Kultur.
Diese aber hat es in der Hand, gut oder schlecht zu
sein, die Natur zu entfalten und zu steigern, oder aber sie
zu „verschandeln". Mißbrauch beweist nichts gegen den
Gebrauch. Die Häßlichkeit irgendwelcher Eisenbahnen und
ihrer Bauten beweist nichts gegen Bahn und Bahnhof.
Schon ist auch weder eine angemessene ästhetische Aus-
stattung des Wageninnern und gar des Schiffsinnern, noch
68
DER STÄDTEBAU
die würdige Architektonik der Bahnhöfe, noch der Gedanke,
Warteräume zu kleinen Kunststätten zu machen, etwas
Neues mehr, bedarf allerdings werktätiger Durchführung
und Fortführung.
Weit schärfer als alle diese Wandlungen und Ideen
greift in unser Kulturleben die Luftschiffahrt Jein. Sie
hat sich schnell genug entwickelt, daß wir auch mit raschen
Fortsetzungen und Einwirkungen des neuesten Großverkehres
rechnen müssen. Seine Verehrer sagen: durch ihn wird,
zumal wenn der Flug mehr von selbst, als durch ein Weiter-
arbeiten des anfanglich nötigen Motors erfolgt, „der Maß-
stab der Entfernungen ein anderer, man kann viel zerstreuter
und daher menschenwürdiger wohnen und leben" (W. Ost-
wald). Daß darin auch wieder Vorteile für die Kunst liegen,
wird uns aus früherem klar.
Aber noch weitergehende Wandlungen unserer Schön-
heitswünsche stehen hier bevor. Nicht zu sprechen von
etwaigen Ausstattungen der Fahrzeuge und ihrer Bahnhofs-
bauten : ein Blick auf Photographien vom Luftschiff aus zeigt
ein verändertes Sehen der Landschaft und läßt an eine künftige
Landschaftsmalerei denken, in welcher der Vordergrund
nicht mehr die Rolle spielt, zu der den Maler der wagrechte
Blick zwingt. Und scheuen wir uns in der an technischen
Überraschungen so reichen Gegenwart vor Phantasien wie
der, daß der stets häufiger werdende Blick nach abwärts
Gelegenheit zu einer wagrechten Anwendung der Plakat-
kunst geben kann? — die dann allerdings gewaltigerer
Schrift- und Zeichnungsformen, also einer Art „kosmischer
Kalligraphie" bedarf! Die Anbringung [von Ortsnamen in
horizontaler Schrift für den Luftfahrer, auch bei Nacht, ist
ein lang bekannter Wunsch.
Noch weiter geht und doch ganz nahe liegt der vor
kurzem ebenfalls schon ausgesprochene Gedanke, daß auch
die Architektur der Häuser sich künftig für den „Blick von
oben" umgestalten werde. Dazu mag bereits ein gewisses
Anstandsgefühl der Hausbesitzer und Hausbewohner bei-
tragen, die bisher nach oben sozusagen zwanglos sein
konnten und nun sich doch zusammennehmen werden,
daß ihre Gärten, Dächer und Dachgärten nicht allzu übel
aussehen.
Am meisten kann hier auf eine Ausgestaltung der Dächer
für Verkehr und Schönheit gehofft werden. Luftschiffahrten
haben schon manchmal die Bewohner auf die Dächer ge-
lockt und ihnen — vielleicht zum erstenmal im Leben —
einen Eindruck von der Benutzbarkeit der Dächer und von
dem Reichtum der Ausblicke in der Höhe gegeben. Jeden-
falls liegen hier Entwicklungsmöglichkeiten, mit denen es
unter Umständen sehr schnell und mannigfach vorwärts-
gehen kann.
Heimatliche und nationale Güter sind durch den Landes-
und Weltverkehr allerdings gefährdet. Doch die Aussicht,
daß ihm erst recht ihre Entfaltung zu danken sein werde,
ist doch noch größer, als eine solche, in aller Kultur un-
vermeidliche Gefahr. Stilles und ungestörtes Wachsen des
Intimen kann geradezu erleichtert werden, wenn die Vor-
teile des Verkehres auch da kraftschonend wirken.
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
Wir bitten um gefällige Zusendung aller einschlägigen neuen
Bücher und Schriften, die wir unter dieser Übersicht regelmäßig an-
zeigen werden; wir übernehmen aber keine Verpflichtung zur Be-
sprechung und Rücksendung.
DENKSCHRIFT ÜBER DIE BERLINER STÄDTEBAU-
AUSSTELLUNG VON 1910 mit einem Anhange, die Düssel-
dorfer Städtebau-Ausstellung betreffend.
Die Berliner Städtebau-Ausstellung des Jahres igio habe ich unter
Beigabe zahlreicher AbbUdungen im Doppelheft 7/8 desselben Jahres be-
sprochen. Jetzt ist nun der erste Teil der im Auftrage des Arbeits-
ausschusses von Dr. Werner Hegemann verfaßten Denkschrift erschienen
unter dem Titel „Der Städtebau nach den Ergebnissen der Allgemeinen
Städtebau-Ausstellung Berlin nebst einem Anhange: Die Internationale
Städtebau-Ausstellung Düsseldorf mit 600 Text- und Tafelbildern, Karten usw.
in vornehmer Ausstattung des Verlages Ernst Wasmuth A.-G. in Berlin 191 1.
Dr. Hegemann war bekanntlich Generalsekretär beider Ausstellungen, um
deren Ausgestaltung er sich große Verdienste erworben hat; diese vermehrt
er durch die neue Veröffentlichung, die von den Preußischen Ministerien
des Innern, des Handels und der öffentlichen Arbeiten, sowie von den
Stadtgemeinden Berlin, Charlottenburg, Rixdorf, Schöneberg, Wilmersdorf,
Potsdam, Spandau, Lichtenberg und Düsseldorf gefördert bzw. durch
Hergabe der Mittel erst ermöglicht worden ist.
Der vorliegende Teil betrifft ausschließlich Berlin. Die Einleitung
gibt einen über die Darbietungen der Ausstellung hinausgehenden Rück-
blick über einige Zeitabschnitte der Entwicklung Groß-Berlins und muß
deshalb als eine selbständige Arbeit gewürdigt werden. Die starke Seite
des Verfassers liegt offenbar in der geschichtlichen Betrachtung, und zwar
vorwiegend der sozial-wirtschaftlichen Fragen, und von diesen wieder
mehr des Wohnungswesens als des eigentlichen Städtebaus. Infolgedessen
tritt auch das Verdienst der Architekten um die moderne Städtebau-
bewegung, um das Zustandekommen des Wettbewerbs für Groß-Berlia
und der daran geschlossenen Ausstellung nicht so scharf hervor, als sidb
wohl hätte rechtfertigen lassen.
Die Einleitung enthält zunächst eine Darstellung der im vorigen
Jahrhundert um die Art des Ausbaues der Stadt geführten Kämpfe, der
Versuche namentlich des Universitätsprofessors Viktor Aime Huber, des
Baumeisters C. W. Hoffmann und des damaligen Prinzregenten, späteren
Kaisers WUhelm I., des Protektors der Gemeinnützigen Baugesellschaft
zur Lösung der Kleinwohnungsfrage. Bis in diese Zeit reichen die An-
fänge des Berliner Bebauungsplanes zurück, der ausgesprochenermaßen
mit überwiegender Rücksicht auf das Eigentum der Beteiligten aufgestellt
worden ist. Mit dem von James Hobrecht abgeschlossenen Plane wurde
trotz der weiteren Versuche der volkswirtschaftlichen Schriftsteller Julius
Faucher und Dr. Ernst Bruch, eine Besserung der Wohnungsverhältnisse
herbeizuführen, der Alleinherrschaft der Mietskaserne die Wege gebahnt
mit dem gemischten \Vohnsysteme, das den sogenannten besseren Leuten
die Vorderwohnungen an der Straße, den kleinen Leuten die Hinter- und
Hof-, auch sogenannte Gartenwohnungen zuwies, ein System, von dem
beschönigend gesagt wurde, daß es auf die verschiedenen Bevölkerungs-
schichten versöhnend einwirken solle, von dem wir aber heute nur fest-
stellen können, daß es lediglich zur Verteuerung der kleinen Wohnungen
und zur Verbitterung in weiteren Kreisen geführt hat.
Der Verfasser würdigt dann die Verdienste von Carstenn-Lichter-
felde, des Begründers von Landhaussiedelungen und insbesondere von
August Orth, des ersten Urhebers der Berliner Stadtbahn und großzügigen
Städtebaumeisters, dessen Vorschläge aber auf dem Papier stehenblieben,
endlich die vergeblichen Bemühungen des damaligen Oberbürgermeisters
von Berlin, des älteren Bruders von James Hobrecht, zur Beseitigung der
■Wohnungsnot, — man darf in der Tat sagen, der AVarner und Wegweiser
waren genug, man hat nur auf sie nicht geachtet. Wie mir noch aua
69
DER STÄDTEBAU
meiner Studienzeit in den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
erinnerUch ist, betrachtete man damals fast allgemein, auch in Fachkreisen,
den Sieg der Mietskaserne als unvermeidlich.
Es werden dann noch angeführt die Schriften des Freiherrn v. d. Goltz
über „Die Großstädte in ihrer Wohnungsnot und die Grundlagen einer
durchgreifenden Abhilfe" und des damals unbekannt gebliebenen Verfassers
Arminius „Theorie über die Architektur der Großstädte", die schon den
Gedanken des grünen Großstadtringes entwickelten, endlich die Schriften
von Treitschke und Schmoller, des Vereins für Sozialpolitik usw. In dieser
Darstellung wären auch noch zu erwähnen gewesen: die Arbeiten von
Professor Dr. Eberstadt über die Berliner Kommunalreform und die
wichtigen im Druck erschienenen Verhandlungen der Vereinigung Berliner
Architekten über die Frage der Arbeiterwohnungen in Berlin vom Jahre
1891, in denen Praktiker des Städtebaues, wie der verstorbene Alfred
Messel, der als Amts- und Gemeindevorsteher in der Kolonie Grunewald
wirkende Ingenieur Wieck, der Regierungsbaumeister R. Goldschmidt und
Architekt Otto Hoffmann neben August Orth und dem ebenfalls ver-
storbenen Wilhelm Böckmann die bösen Folgen des Hobrechtschen
Bebauungsplanes beleuchteten und an praktischen Beispielen erläuterten,
endlich meine im Jahre 1893 in den „Preußischen Jahrbüchern" mit
besonderer Beziehung auf Berlin unter dem Titel „Verkehrsstraße und
^Vohnstraße" veröffentlichte Schrift.
Die Einleitung schließt mit einer Schilderung der gegenwärtigen
Wohnungsverhältnisse und Haustypen mit ihrer mangelnden Kultur. Im
ersten Kapitel folgen dann die Berliner Pläne. Auch hier wird zunächst
in großen Zügen eine Geschichte der großen brandenburgischen Städte-
bauer gegeben, mit zahlreichen Plänen der älteren Zeit und eine Dar-
stellung der Monumentalstadt bis auf die neueste Zeit. Ein Anhang mit
Anmerkungen gibt noch nähere Erläuterungen, vorzugsweise über die
benutzten literarischen Quellen.
Das Beste und Wesentlichste für den Architekten bietet die Schrift
in den zahlreich eingestreuten Abbildungen, die einen nahezu vollständigen
Überblick des zeitigen Standes im modernen Städtebau und damit eine
treffliche Grundlage für seine weitere Entwicklung geben, zumal sie vom
Verlage auf das beste wiedergegeben sind, so daß man nur seine Freude
daran haben kann. T. G.
MITTEILUNG.
Uns wird geschrieben: Wenn das Gerücht, das in Eberswalde umgeht,
sich bewahrheiten sollte, wonach das „SCHICKLER'SCHE
HAUS", DIE ALTE FORSTAKADEMIE, im Laufe dieses Jahres
zum Abbruch kommen soll, so würde dies mit dem heutigen, durch die
namhaftesten Erwecker pietätvoller Städtebaukunst geschärften Schönheits-
gefühl unvereinbar sein. Das „Schickler'sche Haus" ist ein auch in Archi-
tekturwerken abgebildetes, schlichtes, durch zwei spätere kleine Seiten-
anbauten mit Terrassen nicht wesentlich entstelltes Denkmal der Architektur
aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts. Es war das Verwaltungs-
gebäude der Gebrüder Schickler, eines Bankhauses, das Friedrich den
Großen in der Ansiedlung von Ruhlaer Messerschmieden vor der damaligen
Altstadt unterstützte und dadurch der Stadt eine lange Zeit blühende In-
dustrie zuführte. Die Würde des Hauses liegt auch in der soliden Gestaltung
und in einer sehr schönen Freitreppe aus Sandstein, die in das hohe Haupt-
geschoß führt. Später ist dann dieses Haus das erste Heim der Forst-
akademie geworden, bis dann westlich davon die neue Forstakademie erbaut
wurde, und nur die Verwaltung in ihm zurückblieb. Auf dem großen Hof-
gelände, nördlich des neuen Akademiegebäudes, ist nun jetzt ein Unter-
richts- und Verwaltungsgebäude der Fertigstellung nahe, und es heißt, daß
das alte Akademiegebäude, eben das „Schicklersche Haus", alsdann als über-
flüssig abgerissen werden soll. Eberswalde ist an historischen Erinnerungen
sehr arm, wenigstens soweit sie in Dingen der bildenden Künste niedergelegt
sind, und an Baudenkmälern erst recht bettelarm. Ein Gang durch die
Stadt lehrt, daß diese Gegend vor der Forstakademie mit dem Mühlen-
graben, den das Schwärzefließ, umstanden von alten Kastanien, dort bildet,
und mit den Schrauckanlagen auf der anderen Seite der Schwärze, dazu
mit dem Ausblick über alte Ziegeldächer hinweg auf den hochragenden
Turm der Stadtkirche die reizvollste Stelle in der inneren Stadt ist und
den Zauber des allmählich Gewordenen in sich hat. Ein wesentlicher
Punkt in diesem Gesamtbild ist aber das „Schicklersche Haus", dessen
Entfernung also selbst ohne jede Rücksicht auf stadtgeschichtliche oder bau-
künstlerische Pietät ein Fehler wäre.
Es tritt natürlich die Frage auf, wie das Haus zu verwerten wäre.
Es wird vielleicht der Einwand gemacht werden, daß die Räume nicht
hell genug seien; wenn dies der Fall sein sollte, so wäre dem leicht ab-
zuhelfen durch einen Umbau, der sowieso, um das Haus in der ursprüng-
lichen Gestalt herzustellen, wünschenswert wäre. Durch die Entfernung
der beiden Seitenanbauten an den Giebeln des Gebäudes könnte den
Eckräumen durch die ganze Tiefe des Gebäudes mit neuen Fenstern aus-
reichendes Licht gegeben werden, so daß der Grundriß des Hauses
wieder durchweg gute Arbeitsplätze aufwiese. Bei dem vornehmen
Charakter des Bankhauses Schickler, das ihr Stammhaus in der Ger-
traudtenstraße in Berlin vor einigen Jahren erst durch einen Erweiterungs-
bau in gewissenhafter pietätvoller Weise im gleichen Stil bereichert
hat und dadurch ein gutes Beispiel gegeben hat, ist es vielleicht
nicht ausgeschlossen, daß das Bankhaus Schickler sich mit einer Ehren-
gabe an der \A^iederherstellung ihres alten Zweighauses beteiligt, wofür
es auf einer an dem Hause anzubringenden Erinnerungstafel, auf die Be-
deutung der Gebrüder Schickler für Eberswalde, genannt werden würde.
Auch die Möglichkeit ist noch offen, daß der Staat das Gebäude entweder
Verkaufs- oder leihweise einer anderen in Eberswalde ansässigen oder an-
sässig zu machenden Behörde, sei es Staats-, Provinzial- oder Gemeinde-
behörde, zu Verwaltungs- oder Direktorwohnungszwecken überläßt.
Eine andere Gefahr für die Erhaltung des Gebäudes liegt in der
Möglichkeit, daß die im Norden des „Schicklerschen Hauses" auf die
Neue Kreuzstraße stoßende Michaelisstraße über das rückliegende, bis zur
Neuen Kreuzstraße sich hinziehende Gartengelände des „Schicklerschen
Hauses" hinweggeführt werden soll. Es würde dann der Staat mit dem
Gelände ein Geschäft machen können. Wenn nun auch dagegen an
sich nichts einzuwenden wäre, solange es sich um die Ausnutzung des
Grundstücks, soweit es an die Neue Kreuzstraße anstößt, handelt, da dieses
eine Geschäftsstraße ist, wie keine zweite in der Stadt, so liegt die Sache
jedoch sofort anders, sobald man diesem Plan auch das „Schicklersche
Haus" opfern wollte. Dieses ist aber allem Anschein nach selbst bei
Durchführung der Straße nicht nötig. Sobald man nämlich das „Schicklersche
Haus" von den späteren Zutaten, den Erweiterungsbauten, befreit, wird
es möglich sein, die Straße unmittelbar an diesem Hause, als an einem
freistehenden Eckhause, vorüberzuführen; die Straße würde dann auf dem
Gelände des jetzigen, seitlich (nach Osten) gelegenen Hofes des
„Schicklerschen Hauses" in die Straße vor der Akademie einmünden. Die
Ostseite der Straße würde an der Schwärze, die dort quer unter der Haupt-
straße hervorbricht, entlang verlaufen. Den Anschluß an die weitere Be-
bauung der Hauptstraße bildet das große freistehende Eckhaus jenseits
der Schwärze, das auch schon jetzt nach der Schwärze zu mit einer Eck-
ausbildung versehen ist. Es würde also an dem bisherigen Stadtbilde
fast nichts verändert werden, es würden allerdings die beiden Eckbau-
stellen an der Straße vor der Akademie für die Spekulation ausgeschaltet
werden, denn die eine ist eben die des „Sckicklerschen Hauses", die
andere zwischen der Schwärze und der Straße aber nur sehr schmal.
Außerdem ist zu bedenken, daß ganz sicher bei einer üblichen Auf-
teilung der Grundstücke mit völliger Baufreiheit die Eckbaustellen mit
Häusern bebaut würden, die, möchten sie auch, einzeln betrachtet, noch
so schön ausfallen, straßenbaukünstlerisch furchtbar wirken würden, da
sie in Rücksicht auf die Forstakademie, die ein freistehendes Haus ist
und ebenfalls in Rücksicht auf das vorhin erwähnte, nach drei Seiten frei-
stehende Eckhaus an der Schwärze von den Nachbargrenzen, also
mindestens 6 m entfernt, oder vielleicht gar auf den Nachbargrenzeii
bzw. unmittelbar an der Schwärze errichtet werden müßten. Es würde also
70
DER STÄDTEBAU
neben der Forstakademie sich ein hohes Geschäftshaus, womöglich mit
kahler Giebelwand oder gar hoher Wand, im günstigsten Falle mit ein
paar Fenstern von Nebenräumen und mit dem unmittelbaren Einblick in
den Hof und dem Anblick der Hof- und ev. Seitenfronten und an der
Schwärze sich ein Haus mit kahlem Giebel zeigen. Alle diese Schwierig-
keiten wären leicht zu beheben, wenn man die Schwärze an der Ein-
mündung der neuen Straße als, übrigens auch sehr reizvolle, Straßen-
begrenzung annehmen würde (im weiteren Verlauf krümmt sich die
Schwärze vom Zuge der Straße ab), und wenn man das „Schicklersche
Haus" stehen ließe und erst dahinter mit einem Eckhaus mit voller Seiten-
frontausbildung, die den Hof nach der Straße vor der Akademie hin verdecken
würde, die Neubebauung beginnen würde. Es würde dadurch der Forst-
akademie für alle Zeiten eine gebührende Umgebung geschaffen werden.
Hoffentlich finden sich die Behörden, die sonst Beteiligten (unter Führung
interessierter Fachleute) und die Bevölkerung, besonders der Verein für
Heimatkunde, zusammen, um der Stadt ein liebgewordenes Bild zu erhalten.
CHROM I K
"TTTettbewerb: BAHNHOFSPLATZ IN KARLSRUHE I. B.
' • Als Verfasser des vom Preisgericht zum Ankauf empfohlenen und
vom Stadtrat tatsächlich angekauften Entwurfes] mit dem Kennzeichen
einer Lokomotive sind die Herren Walder, Bonk und Schrader in Karls-
ruhe ermittelt worden.
I '%er Deutsche Bund Heimatschutz veranstaltet den' ZWEITEN
■'-' INTERNATIONALEN KONGRESS FÜR HEIMAT-
SCHUTZ vom 12. bis 15. Juni igi2 in Stuttgart. Die Teilnahme an
der Tagung ist frei, es ist dazu keine Einladung erforderlich. Von jedem
Teilnehmer wird ein Beitrag zu den Kosten von 5 Mk. erhoben, für den
die Drucksachen des Kongresses sowie der Jahrgang 1912 der Zeitschrift
„Heimatschutz" geliefert werden.
Vorläufige Tagesordnung.
Mittwoch, den 12. Juni:
Begrüßungsabend. Geselliges Zusammensein mit Lichtbildervortrag
„Die Schönheiten des Schwabenlandes".
Donnerstag, den 13. Juni:
Vormittags
1. Wahl des Bureaus. Begrüßungen.
2. Kurzer Überblick über den Stand der Heimatschutzbewegung in den
verschiedenen Ländern. Referent Assessor Fritz Koch, Meiningen,
Geschäftsführer des Deutschen Bundes Heimatschutz.
3. Kurze Berichte der Vertreter verschiedener Organisationen für
Heimatschutz. — Diskussion.
4. Bauberatung (mit Lichtbildern). — Verbunden mit einer Ausstellung
von Planverbesserungen deutscher Bauberatungsstellen.
Die Sitzung wird unterbrochen durch eine Frühstückspause.
Nachmittags
Führung durch Stuttgart.
Abends
Geselliges Zusammensein.
Freitag, den 14. Juni:
Vormittags
Heimatschutz und Fremdenverkehr. Referent Dr. Karl Giannoni,
Wien-Mödling, Geschäftsführer des Vereins für Denkmalpflege
und Heimatschutz in Niederösterreich.
Insbesondere auch: Heimatschutz und Bergbahnen. Referent:
Professor Dr. Bovet, Zürich, stellvertretender Vorsitzender der
schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz.
Nachmittags
Ausflug nach Tübingen.
Sonnabend, den 15. Juni:
1. Ausnutzung der Wasserkräfte.
2. Reklame in der Landschaft. Referent Raoul de Clermont, avocat
ä la Cour d'Appel, Paris, Vorstandsmitglied der Sociite pour la Pro-
tection des Paysages de France.
3. Dringende Fragen des Weltnaturschutzes, mit besonderer Berück-
sichtigung unserer Kolonien und des Vogelschutzes. Referent
Professor C. G. Schillings, Berlin.
4. Einzelne weitere Fragen des Heimatschutzes.
5. Vorführung kinematographischer und farbiger Aufnahmen aus der
Vogelwelt, vom Bund für Vogelschutz zur Verfügung gestellt.
Die Sitzung wird unterbrochen durch eine Frühstückspause.
Nachmittags 5 Uhr
Spaziergang durch die königlichen Anlagen zum Kursaal Cannstatt.
Danach Festessen.
Sonntag, den i6. Juni:
Ausflüge.
"p\IE AKADEMIE FÜR KOMMUNALE VERWALTUNG
^"^ IN DÜSSELDORF hat das Sommersemester mit 112 ordentlichen
Hörern und 41 Gasthörern am 18. April begonnen.
DIE RAUMKUNST AUF DER BAUAUSSTELLUNG
Leipzig 1913. Die Kunst hat die Raumkunst-Industrie durch reiche
Anregungen gefördert. Die Industrie hat die künstlerischen Gedanken ver-
ständnisvoll verwirklicht und in die weitesten Kreise getragen. Die groß-
artige Entwicklung der modernen Raumkunst ist in erster Linie dieser
fruchtbringenden Zusammenarbeit zu danken. Um aus ihr weiterhin in
ideeller und materieller Richtung möglichst großen Nutzen zu ziehen, haben
sich hervorragende Vertreter der Raumkunst mit einer Anzahl bedeutender
Industriellen vereinigt, um in einer besonderen Fachgruppe auf der Inter-
nationalen Bauausstellung Leipzig 1913 in gemeinsamer Arbeit die künst-
lerischen und technischen Grundlagen für eine Raumkunst -Abteilung zu
71
DER STÄDTEBAU
schaffen. Diese soll alles das zeigen, was Kunst, Gewerbe und Industrie
für die moderne Inneneinrichtung Wertvolles und Mustergültiges schaffen.
Die Raumkunst-Abteilung gliedert sich in Gruppen einheitlich zusammen-
gefaßter Räume jeder Bestimmung (besonders Wohnräume) und in Einzel-
abteilungen, in denen die Erzeugnisse aller Techniken und Industrien der
Wohnkunst ausgestellt werden. Bei der aufsteigenden Richtung, in der
sich die neuzeitliche Geschmackskultur bewegt, wird die Raumkunst-Aus-
stellung in Leipzig zweifellos ein glänzendes Zeugnis von der hohen Blüte
der Kunst, des Kunstgewerbes und der Innendekoration ablegen. Der
Charakter der Ausstellung, als der ersten Weltausstellung für Bau- und
Wohnwesen, bürgt dafür, daß die Raumkunst nicht nur eine würdige
Vertretung, sondern auch die besondere Beachtung und Würdigung aller
Besucher der Ausstellung finden wird. Um eine einheitliche Wirkung zu
erzielen, wird für die Abteilung „Raumkunst" ein besonderes Gebäude an
hervorragender Stelle errichtet, das sich den künstlerischen Bedürfnissen
der Aussteller anpassen soll. Den Mittelpunkt der Raumkunst-Ausstellung
wird ein gewaltiger Repräsentationsraum bilden, in dem die festlichen
Veranstaltungen der Ausstellung sich abspielen werden. An diese aufs
prächtigste ausgeschmückte Halle schließen sich die Ausstellungen der
einzelnen Firmen an. Die Leipziger Raumkunst-Industrie wird in einer
besonderen Kollektivgruppe vertreten sein.
TJEIMATSCHUTZMITTEILUNGEN. Der Landesverein Säch-
■*• •*■ sischer Heimatschutz versendet soeben das fünfte Heft des Bandes II
seiner Mitteilungen, das in einer langen Reihe von Aufsätzen mit reichen
Illustrationen die umfangreiche Tätigkeit des Landesvereins auf dem Ge-
biete des Heimatschutzes, des Naturschutzes, der Volkskunst, des Vogel-
schutzes usw. schildert. In einem einleitenden Aufsatze wird die im
Entstehen begriffene Leipziger Gartenstadt Marienbrunn aus der Feder
des Herrn Stadtbauinspektor Strobel in klarer und ansprechender Weise
geschildert. Artikel über: Volkskunst und Heiraatgefühl, Der alte Elias-
kirchhof in Dresden, Der Eisvogel, Heimatschutz und Vogelschutz, Der
Entwurf des neuen Fischereigesetzes für das Königreich Sachsen vom
Standpunkte des Naturschutzes aus, Kleinarbeit aus der Bauberatungs-
stelle des Heimatschutzes, Kinematographentheater und Reklame, Zur
Bekämpfung der Auswüchse der Reklame, Neue sächsische Töpferwaren,
Neue vorbildliche Bauten in Stadt und Land, füllen das äußerst wert-
volle Heft, das so recht geeignet ist, dem Heirnatschutz neue Freunde
zu gewinnen. Als Mitarbeiter sind zu nennen: Hofrat Professor Seyffert,
Professor Dr. Braeß, Stadtbaurat Rieß (Freiberg), Marianne L. West-
pfahl. Dem Buche sind zwei Merkblätter über Naturschutz beigegeben,
die das Publikum und besonders die Jugend über die Zwecke der
Naturschutzbewegung aufklären und besonders zur Mitwirkung anregen
sollen. Dem Hefte sind Werbeschreiben des Landesvereins zur Ge-
winnung neuer Mitglieder beigelegt. Die Mitgliedschaft beträgt Mk. 5
jährlich bei kostenloser Zustellung der reichillustrierten Mitteilungen,
und kann jedem Freunde unserer sächsischen Heimat der Beitritt nur
warm empfohlen werden. Das Heft ist durch die Geschäftsstelle des
Heimatschutzes und durch den Buchhandel zum Preise von Mk. 1,20 für
Nichtmitglieder zu beziehen.
irviE WISSENSCHAFTLICHE ABTEILUNG DER INTER-
■L-' NATIONALEN BAUAUSSTELLUNG LEIPZIG 1913.
„Ein klares Bild des gesamten Bau- und Wohnwesens in seiner wissen-
schaftlich-künstlerischen, wie sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung den
weitesten Kreisen vor Augen zu führen" — ist die bedeutende Aufgabe,
die sich die „Internationale Bauausstellung Leipzig 1913" gestellt hat.
Das großzügige Unternehmen soll die gewaltige Bedeutung erkennen
lassen, welche die fruchtbringende Zusammenarbeit von Theorie und
Praxis, von Wissenschaft, Technik und Industrie für die Entwicklung
des Bauwesens, dieses Grundpfeilers aller kulturellen Entwicklung, gehabt
hat und in immer höherem Maße gewinnen wird.
Ähnlich wie bei der Hygiene-Ausstellung in Dresden im vorigen
Sommer die vielbewunderte Halle „Der Mensch", so soll bei der Welt-
ausstellung für Bau- und Wohnwesen eine wissenschaftliche Abteilung
dem großen Publikum in populären Darstellungen und Vorführungen
die modernen technischen Errungenschaften zeigen und gleichzeitig auch
für den Fachmann von unterrichtender Bedeutung sein.
Es ist — um nur eines der zu behandelnden Sondergebiete zu
nennen — für die Ausstellung eine Ehrenpflicht, einmal die Ingenieur-
Baukunst den weitesten Kreisen derart darzustellen, daß die Erzeugnisse
ihrer schöpferischen Geistesarbeit darin nicht nur für die Fachwelt An-
regung bieten, sondern daß aus diesen Vorführungen auch bei dem
großen Publikum Verständnis für technische Leistungen erweckt wird,
die nicht so leicht zu erfassen sind wie die Werke der Architektur. Wie
wenig Menschen empfinden die wundervolle Harmonie, zu der die
Gesetze der Sachlichkeit mit den Forderungen der Ästhetik in einem
bedeutenden Ingenieurbau sich vereinigen, in der Konstruktion einer
Eisenbrücke z. B. oder eines gewaltigen Eisenbeton-Gewölbes. Wie
gering ist die Zahl der Laien, die sich eine Vorstellung von dem ge-
waltigen Umfang und der Mannigfaltigkeit der wissenschaftlichen Grund-
lagen zu machen vermögen, aus denen das Bau- und Wohnwesen und
die ihm dienenden Industrien sich zu ihrer hohen Blüte entwickelt
haben! Wer glaubt, daß die nüchterne Rechnung des Ingenieurs zu
einer edlen Reinheit der architektonischen Form sich zu steigern ver-
möchte, daß dort, wo der Industrialismus mit eiserner Energie seine
Forderungen stellt, auch die Blume der Schönheit blüht?
Die Leitung der wissenschaftlichen Abteilung der Bauausstellung
liegt in den Händen des Herrn Regierungsbaumeister Ewerbeck aus
Berlin. Ein eigener stattlicher Palast wird an beherrschender, erhöht
liegender Stelle des Ausstellungsgeländes errichtet — eine Akropolis
der Bauwissenschaft. Dieser Palast wird die wissenschaftliche Abteilung
nach einem großzügigen Programm beherbergen, das — von der Auf-
zählung der Unterabteilungen abgesehen — folgende Hauptpunkte um-,
faßt: Die wissenschaftliche Durchbildung von Bauwerken als erste Ab-
teilung, zu der die Gewinnung der Grundlagen für Bauentwürfe, die
Gewinnung, Bearbeitung und Prüfung der Baustoffe, die Ausführung
von Bauten, die Darstellung von Bauentwürfen im allgemeinen und im
besonderen die Grundlagen bilden werden. Als zweite große Abteilung
umfaßt es die künstlerische Durchbildung von Bauwerken und ihrer
Umgebung. In der dritten Abteilung stellt es die wissenschaftliche und
künstlerische Durchbildung von Gesamtanlagen, Städtebau und Siedelungs-
wesen dar; in einer vierten beleuchtet es die Gesundheitspflege und die
soziale Fürsorge im Bauwesen.
Außerhalb der eigentlichen wissenschaftlichen Abteilung wird die
Bauwissenschaft auch in den einzelnen Industriehallen, wo sich die
Notwendigkeit einer Ergänzung der industriellen Ausstellungen ergibt,
gelegentlich auftreten. Ferner werden die Ausstellungspaläste des
Sächsischen Staates und der Stadt Leipzig eine Fülle wissenschaft-
lichen Stoffes bieten. Das Ausland wird zum Teil in den einzelnen
wissenschaftlichen Gruppen vertreten sein; es werden aber auch einige
ausländische Staaten eigene Pavillons errichten. So wird die Wissen-
schaft auf dieser Weltausstellung des Bau- und Wohnwesens in über-
zeugender Weise darlegen, daß die Entwicklung der menschlichen Kultur
im innigen Zusammenhang mit dem Bauwesen steht, daß auch heute
noch, wie in den Glanzzeiten kultureller Entwicklung, in den Werken
der Baukunst die Kultur eine erhabene Ausdrucksmöglichkeit findet.
Das unaufhörliche Wachsen des Weltverkehrs, die soziale Entwicklung
unserer Zeit wären nicht möglich gewesen ohne die technischen Fort-
schritte auf dem Gebiete des Bauwesens. Deshalb muß der Gedanke,
auf dieser Ausstellung die Bauwissenschaft in einer lehrhaften, für den
Fachmann anregenden und dem Laien verständlichen Weise restlos zur
Darstellung zu bringen, dankbar anerkannt und als rechtes Kind unserer
Zeit begrüßt werden.
Die Unterlagen aller zur Ausschreibung gelangenden Wettbewerbe
können in den Geschäftsräumen des Verlags Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin W., Markgrafenstraße 35, wochentäglich in den Stunden von
10 — 4 Uhr unentgeltlich eingesehen werden.
Verantwortlich, für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Beriin. - Veriag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Beriin W. 66. - Gedruckt bei Herrose & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. - Klischees von Cari Schütte, Beriin W.
V-
9. Jahrgang
1912
7. Heft
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STÄDTEBAU.
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1
I ** NEBST EINER SONDERBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT *^
INHALTSVERZEICHNIS : Bebauungsplan für die Gemeinde Irchwitz bei Greiz (ReuB). Von Theodor Goecke, Berlin. — Geländeplastik und Bebauungs-
plan. Von Abendroth, Königl. Vermessungsdirigenten bei der Landesaufnahme, Berlin-Friedenau. — Ansbach. Von Dipl.-Ing. Fr. Reuter, Ansbach. —
Die Bedeutung der Gärten für das Sommerklima der Großstädte. Von Professor H. Chr. Nußbaum, Hannover. — Die Siegesallee in Berlin. Von
Br. Schwan, Zabrze, O.-S. Eine Studie. — Mitteilungen. — Neue Bücher und Schriften. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
BEBAUUNGSPLAN FÜR DIE GEMEINDE
IRCH^ATIXZ BKI GREIZ (RKUSS).*^ merzu Doppeltafel SeS?.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Das in No. 1 des Jahrganges gegebene Versprechen
einlösend — siehe den Aufsatz: Entwurf zum Bebauungs-
plan für Fürstenwalde — lasse ich heute den Bebauungsplan
für Irchwitz, einen Vorort von Greiz, folgen. Im Gegensatz
zu der im Spreetale flach gelegenen Stadt Fürstenwalde ein
auf einem Höhenrücken gelegenes Dorf, das um rund 120
bis 130 m sich zu dem mit Fabriken besetzten Aubachtal
ziemlich steil abdacht. Dort eine Mittelstadt, hier ein Fabrik-
arbeiterdorf.
Der Bebauungsplan für die stark ansteigende, land-
schaftlich bevorzugte Gemarkung Irchwitz hat vor allem
darauf Rücksicht genommen, daß unter möglichster Ein-
schränkung der Erdarbeiten und Erzielung guter Steigungs-
verhältnisse, übersichtliche Straßenverbindungen mit Greiz
und dem alten Ortsteil geschaffen werden; dabei aber auch
Baublöcke entstehen, die eine günstige Bebauung zulassen.
Den gesundheitlichen Forderungen ist durch Anlage von
Spiel- und Erholungsplätzen, Parkanlagen, Rechnung ge-
tragen. Die Gesamtbearbeitung ist dann unter Zugrunde-
*) Mitarbeiter: Ingenieur Landmesser Albrecht Stiefelhagen in Gera —
bei dieser Gelegenheit sei nachgeholt, daß bei der Ausarbeitung des
Fürstenwalder Entwurfes der Ingenieur und Landmesser Kohl in Halle a.d.S.
beteiligt war.
legung der praktischen Anforderungen von architektonischen
Gesichtspunkten aus erfolgt.
Die Hauptverkehrsstraßen steigen schräg gegen die
Höhenkurven an, um eine Höchststeigung von 1 : 13 nicht
zu überschreiten. Dabei ergeben sich nur erheblichere
Erdarbeiten am Kugelgraben. Im übrigen folgen die Längs-
straßen (Nebenverkehr- wie Wohnstraßen) möglichst dem
Verlauf der Höhenkurven, um eine für die Bebauung günstige
Blockteilung und für die ästhetische Wirkung erwrünschte
Terrassierung des Berges zu erreichen; nur die mehr oder
weniger kurzen Querstraßen — durchweg Wohnstraßen —
haben also stärkere Steigungen zu überwinden, wobei unter
Umständen durch rampenartige Übergänge zu den Längs-
straßen bequeme Zuwege zu den Eckgrundstücken ge-
wonnen werden. In einigen Fällen stellen auch da, wo
starke Steigungen zu überwinden sind und nur Fußgänger-
verkehr in Frage kommt, etwa 4 m breite Fußwege mit
Treppeneinlagen die Verbindung unter den Parallelstraßen
her. Die bestehenden Wege sind nach Möglichkeit in die
Straßen einbezogen worden.
An Verkehrsstraßen ist, abgesehen von den Fällen, in
denen eine spätere Verbreiterung der Straße durch Hinzu-
nahme des Vorgartens in Aussicht zu nehmen ist, im all-
78
DER STÄDTEBAU
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Maiifffife I ,
Jtaiif-Jtetf 'i
Abb. I
Straßenprofile für Irchwitz.
gemeinen von der Anordnung von Vorgärten, die für die
Anlage von Geschäften nur hinderlich sein, auch erhebliche
Schwierigkeiten namentlich im Einschnitte bereiten würden.
Abstand genommen, während sie an den Wohnstraßen fast
durchweg vorgesehen sind. Die angenommenen Breiten
der Vorgärten schwanken zwischen 2 und 5 m, auf der
Bergseite meist breiter, um bequeme Zuwegungen zu den
Häusern zu ermöglichen, an der Hangseite schmaler, um
zu tiefe Fundamente für die Bebauung zu vermeiden.
Als Hauptverkehrsstraßen sind anzusehen : Der Straßen-
zug Aubachtalstraße — St. Adelheid, Schönfelder und deren
Verlängerung, die Greizer Straße; Straße 16, 14 mit der
abzweigenden Straße 1; ferner 9, 22, 39, 33 und 32; die
Talstraße mit Straße 40, 42 und 47, 65, 59. Auch sind
hierunter noch zu nennen die Straßen 74, 75, 76 und 80.
Als Nebenverkehrsstraßen sind gedacht No. 7, 24, 25, 27,
17 und 57.
Die Tiefe der Baublocks ist derartig, daß fast durchweg
bei doppelseitiger Bebauung, dem Bedürfnis nach Klein-
wohnungen angepaßt, hinter jedem Hause ein genügend
großer Garten verbleibt. Eine einseitige Bebauung ist nur
an Straße 1 und Straße 20 vorgesehen; im letzteren Falle
sind, um die Rückfronten der Häuser zu verdecken, Baum-
pflanzungen zu empfehlen. Eine Randbebauung erhalten
zwei mit inneren öffentlichen Gartenanlagen geplante größere
Baublöcke, sowie der im Südwesten belegene Friedhof, zum
Teil auch der im Südosten geplante.
Außer zwei Kirchplätzen mit anschließenden Friedhöfen
sind Spielplätze bzw. Parkanlagen vorgesehen: Im südwest-
lichen Teil nahe bei der entstehenden Arbeitersiedelung der
Güntherschen Papierfabrik,*) im Südosten in der Nähe des
geplanten Kirchplatzes, im Norden schließlich bei der be-
stehenden Kirche und am Kugelgraben. Großes Gewicht ist
gelegt auf eine günstige Gestaltung der Straßenkreuzungen, die
infolge der bedeutenden Höhenunterschiede sich durch An-
ordnung von Stütz- und Futtermauern in einfachster Form,
aus der Not eine Tugend machend, reizvoll ausbilden lassen.
Auch auf die Ausführung der Umwährungen insonderheit der
Eckgrundstücke und die Gestaltung der Bauten selbst wird
großer Wert zu legen sein; die Wirkungen des bestdurch-
dachten und durchgearbeiteten Bebauungsplans können durch
verfehlte Bauten in Frage gestellt werden. Zum Teil sind auch
aus ästhetischen Gründen durchgehende Querstraßen ver-
mieden, da sonst bei der Verschiedenheit des Gefälles häßliche
Überschneidungen das Straßenbild beeinträchtigen würden.
Bestimmte Geländeteile sind für Fabrikbauten auf Wunsch
des Gemeindevorstandes nicht abgesondert.
Die Baufluchtlinien im alten Ortsteil haben nur insoweit
eine Änderung erfahren, als aus Verkehrsrücksichten und
um gute Straßenbilder zu erhalten, erforderlich schien. Vor-
gärten sind hier, wo sie bereits bestanden haben, belassen
worden, sofern ihre Beseitigung zur Verbreiterung der
Straße nicht erforderlich war.
Über die Art der zu wählenden Bauweise bleibt zu
sagen, daß die dort typischen Reihenhäuser möglichst bei-
behalten werden sollten, insbesondere an den Plätzen; im
übrigen kann auch für bestimmt abgegrenzte Teile die
offene Bauweise in Frage kommen.
*) Siehe Veröffentlichung im Jahrgang 1909 unserer Zeitschrift, Tafel 8.
74
t)ER STÄDTEBAU
GELÄNDEPLASTIK UND BEBAUUNGSPLAN.
Von ABENDROTH, Königl. Vermessungsdirigenten bei der Landesaufnahme, Berlin-Friedenau.
Aus der von mir an anderer Stelle eingehender be-
sprochenen Fülle der Beziehungen zwischen örtlichkeit und
Bebauungsplan sei ein Kapitel herausgegriffen, das weder
dem Architekten noch dem Ingenieur geläufig zu sein pflegt
und das „Geländeplastik und Bebauungsplan" genannt
sein soll.
Um denBegrifFGeländeplastik umfassend zu verstehen,
muß man Vermessungsingenieur und damit Landmesser,
Topograph und Kartograph in einer Person sein. Es gibt
meines Wissens kein Lehrbuch der Ingenieurwissenschaften
und der Architektur, das auch nur das Wort „Geländeplastik",
geschweige denn seine Erklärung, enthielte. Deshalb zeigen
auch alle Pläne, die zu Bebauungsplan- oder überhaupt zu
irgendwelchen anderen Entwürfen verwandt werden, in der
Geländedarstellung eine erschreckende Unrichtigkeit.
Die Höhenschichtlinien, die der Ingenieur und meistens
auch der von ihm beeinflußte Landmesser bisher gezeichnet
haben, geben ausnahmslos eine Karikatur von dem Gelände,
d. h. von den Oberflächenformen, nicht aber, wie es sein soll,
ein Porträt wieder. Ich habe in meinem Werke „Die Praxis
des Vermessungsingenieurs", Verlag von Paul Parey in Berlin,
1912 — Preis 28 Mk. — fast in allen Kapiteln auf die große
Wichtigkeit einer richtigen Geländedarstellung, insbesondere
auf die Geländeplastik, als den vornehmsten Ausdruck der
Oberflächenformen, in der Karte hingewiesen und will mich
hier darauf beschränken, ganz kurz auf meine Ausführungen
über die Bedeutung der Geländeplastik für den Bebauungs-
plan und über die neuesten Hilfsmittel zu ihrer Erreichung
aufmerksam zu machen.
Das Gelände, auch das flacheste und scheinbar ebene,
enthält unter allen Umständen ein System von Leitlinien,
die man in ihrer Gesamtanordnung das Gerippe des
Geländes nennt.
Die beiden wichtigsten Leitlinienarten sind die Rücken-
linien und die Mulden- oder Sohllinien. Um sie mit
Sicherheit aufzufinden, geht man die Gefließadern, also die
natürlichen Wasserrinnen, flußauf bis zu ihren Quellen oder
sonstigen Ursprungsstellen und findet so zunächst die
Wasserscheiden, die fast stets auf den tiefsten Stellen
der Rückenlinien oder auf den sogenannten Sätteln liegen.
Die Sättel setzen als selbstverständlich voraus, daß in ihnen
immer zwei Höhen- oder Rückenlinien und zwei Tiefen-
oder Muldenlinien zusammenstoßen. Sie sind also die
wichtigsten Ausgangspunkte für die Geländedarstellung.
Da nun die Verästelung der Gefließadern nach oben hin
eine außerordentlich feine ist, dergestalt, daß die Abfluß-
rinnen immer zahlreicher und darum immer weniger ein-
geschnitten erscheinen, so sind sie schließlich in ihrer
feinsten Erscheinungsform die Linien des stärksten
Gefälles, die in den topographischen Karten signaturen-
artig als Bergstriche zum Ausdruck zu gelangen pflegen.
Will man also ohne genaue Höhenmessungen an der
Hand vorhandener Lagepläne eine zuverlässige Gelände-
darstellung erreichen, so muß man vor allen Dingen zuerst
die Linien des stärksten Gefälles oder die Bergstriche an-
gesichts der Natur in den Plan einskizzieren. Da die Höhen-
schichtlinien oder Horizontalkurven die Verbindungslinien
gleich hoch gelegener Punkte sind und deshalb in ihrer
Horizontalprojektion unbedingt rechtwinklig zu den Linien
des stärksten Gefälles liegen müssen, so ergibt es sich von
selbst, daß sie um so genauer werden, je mehr Linien des
stärksten Gefälles nach der Natur eingezeichnet worden sind.
Nun sind aber der Wiedergabe solcher Gefällinien die-
jenigen Grenzen gesetzt, die sich aus der Geländebeschaffenheit
und den zur Verfügung stehenden Aufnahmemitteln von selbst
ergeben. Man muß sich in der Hauptsache damit begnügen,
die charakteristischen Gefällinien einzumessen oder
auch nur einzuskizzieren und im übrigen die Geländeplastik
nach der Natur durch Formenlinien wiederzugeben.
Neben den Rückenlinien, als den Verbindungen der
höchsten Punkte (Wasserscheiden), und den Muldenlinien,
als den Verbindungen der tiefsten Punkte (Sohlen), sind zur
richtigen Geländewiedergabe vor allen diejenigen Geripp-
linien nötig, die erkennen lassen, ob das zwischen den
Rücken- und Muldenlinien liegende Geländestück eine
Kuppe, ein Buckel, eine Nase, ein flacher, ein ge-
wölbter oder ein hohler Hang, ein Kessel oder eine
Schlucht u. dgl. ist. Das läßt sich alles durch wenige
charakteristische Gefällinien und durch rechtwinklig dazu
verlaufende Formenlinien wiedergeben, die beide keine
bestimmten Höhen über dem Normalhorizont zu verbinden
oder anzugeben brauchen, sondern lediglich als unentbehr-
liche Leitlinien für die richtige Interpolation der Schicht-
linien zwischen wenigen gemessenen Höhenpunkten und
dadurch für die Geländeplastik in den Karten dienen sollen.
Wo zahlreiche Messungen vorliegen, zeichnet man ohne
weiteres die Schichtlinien an Ort und Stelle in ihrer richtigen
Lage ein, indem man sich zuerst die Mulden-, dann die
Rückenlinien aufsucht und auf ihnen die Schichtenschnitte
nach Schätzung angesichts der Örtlichkeit interpoliert.
Daraus ergibt sich von selbst, daß die Gelände-
punkte beim Messen nicht nach Belieben, sondern
immer nur in den Rücken- und Muldenlinien dort
gewählt werden, wo Gefällwechsel sind, d. h. wo
das Gefälle stärker oder schwächer wird. Man kann
dann die Anzahl der Meßpunkte auf ein Mindestmaß be-
schränken.
Es muß einleuchten, daß diese topographische Art der
Geländeaufnahme und -darstellung den Vermessungsingenieur
vor allen anderen in erster Linie auch dazu befähigt, mit
Leichtigkeit und Sicherheit die günstigste Lage neuer Straßen,
Wege und Entwässerungsanlagen zum Gelände und damit
überhaupt herauszufinden. Denn vom Gelände hängen die
Bewirtschaftung und danach wieder die Eigentumsgrenzen
und die günstigsten Ausnützungsmöglichkeiten ab. Da diese
drei sich wie Ursache und Wirkungen verhalten und das
Gesetz der Zweckmäßigkeit befolgen, so muß das, was
für das Gelände das Zweckmäßigste ist, auch
für den Bebauungsplan das Beste sein.
Die natürliche Folge davon ist, daß ein gesundes Wirt-
schaftsideal angestrebt wird, und daß es, je schwieriger das
Gelände wird, um so weniger Entwurfsmöglichkeiten gibt,
75
DER STÄDTEBAU
da immer nur eine Losung die dem Gelände in allen Punkten
gerecht werdende sein kann*
Man wird also immer nur dann einen vollkom-
menen Bebauungsplanentwurf erreichen können,
wenn man ein vollkommenes Geländebild als Unter-
lage benutzt.
Wie gelangt man am besten dazu?
In die Geländeaufnahmen der Ingenieure und Landmesser
ist, wie in so viele andere technischen Fächer, ein vor-
herrschender Zug übertriebener Zahlenmethodik hinein-
gekommen. Der geodätische Unterricht hat manches gute
Alte lediglich deshalb ausgeschaltet, weil das Idol „Zahl"
nicht genügend dabei zur Geltung kam, und dabei auch
ein gut Teil gesunden Menschenverstand mit bei Seite ge-
schoben. Dazu gehört unter anderem der Meßtisch, mit
der tachymetrischen Kippregel, der sich fast nur noch bei
der von ausschließlich praktischen Grundsätzen geleiteten
Militärtopographie in Ehren erhalten und dort zu vorzüg-
lichen Ergebnissen geführt hat.
Ich will hier nicht auf die Meßtischtopographie weiter
eingehen, sondern verweise deswegen auf mein obengenanntes
Werk. Mir kommt es hier nur darauf an, auf ein ganz neues
und in Ingenieur- und Architektenkreisen noch wenig be-
kanntes Aufnahmeverfahren aufmerksam zu machen, das
bei -sehr vereinfachter Feldarbeit geeignet ist, die beste Ge-
ländeplastik zu erzielen und bis zu einer gewissen Grenze
sogar das topographische Meßtischverfahren zu ersetzen.
Das ist die Stereophotogrammetrie.
Man kann bekanntlich von jedem Gegenstande ein
körperlich erscheinendes Bild dadurch erhalten, daß man
von einer kurzen Basis aus zwei Aufnahmen von dem
gleichen Gegenstande macht und sie in das Stereoskop ein-
setzt. Die Bildebene muß bei beiden Aufnahmen in der-
selben Vertikalebene liegen. Je weiter der Aufnahmegegen-
stand entfernt ist, um so größer kann die Basis sein, zumal
sich mit zunehmender Basislänge die Körperlichkeit des
Bildes im Stereoskop erhöht.
Da nun im Stereoskop jeder Teil des Aufnahmegegen-
standes bei guten Bildern und genügender Übung des Be-
obachters ebenso plastisch (körperlich) erscheint, wie in der
Natur, so ist es klar, daß man seine Entfernung von der Basis
oder Bildebene aus im Bilde zunächst einmal mit der gleichen
Sicherheit schätzen kann, wie in der Wirklichkeit. Hat man
also z. B. ein kleines Landschaftsbild aufgenommen, so kann
man die Entfernungen nach den einzelnen Bäumen, Häusern
usw. im Stereoskop mit ziemlicher Sicherheit durch Schätzung
bestimmen, wenn man irgendeine bekannte Entfernung im
Bilde von der Basis aus als Schätzungsmaßstab zugrunde legt.
Das Stereoskop hat aber noch eine andere Eigenschaft.
Bringt man vor jedem der beiden Bilder eine Zeigermarke an,
so erscheinen beide beim Hineinblicken als eine einzige Marke,
wie ja beide Bilder auch als ein einziges gesehen werden.
Diese Marke befindet sich in dem körperlichen Bilde genau
an der Stelle, wo sich die aus den Augenpunkten über beide
Marken hinweg laufenden Sehlinien in Wirklichkeit schneiden
würden. Ist der Markenabstand genau so groß, wie der
Augenpunktabstand, so gehen beide Sehlinien parallel, und
der zugehörige Einstellpunkt würde unendlich entfernt sein.
Daraus folgt, daß man aus der bekannten Länge der
Aufnahmebasis, dem Abstände beider Marken von einander
und der Brennweite für jeden eingestellten Punkt des Stereo-
bildes seine Entfernung von der Aufnahmebasis bestimmen
kann, und daß alle Punkte, deren SehÜnien denselben Winkel
oder die gleiche Parallaxe bilden, auch die gleiche Entfernung
von der Aufnahmebasis haben, also, in einer Vertikalebene
parallel zur Vertikalebene der Basis liegen müssen. Auch
müssen alle Punkte mit gleicher Höhenstellung der Marke
zugleich auch in derselben Höhenschicht liegen.
Hierauf beruht das stenophotogrammetrische Aufnahme-
und Ausmeßverfahren.
Man geht von irgendeinem in der Karte oder trigono-
metrisch festliegenden Punkt aus, bestimmt eine geeignete
Aufnahmebasis und photographiert von ihren beiden End-
punkten aus unter sorgfältigstem Einstellen der beiden Bild-
ebenen in die Vertikalebene der Basis mit dem Photo-
theodoliten das aufzunehmende Geländestück, indem man
möglichst einen weit entlegenen, aber deutlich sichtbaren
Gegenstand für beide Aufnahmen als vorläufiges Ziel an-
nimmt. Natürlich muß auch die relative Höhenlage beider
Standpunkte zueinander bekannt sein.
Die entwickelten Negative werden in den Zeißschen
Stereokomparator in ihrer richtigen gegenseitigen Lage
eingelegt und hier genau ausgemessen. Dieser Komparator ist
nichts anderes als ein außerordentlich verfeinertes Stereoskop,
das die Bestimmung der Stereoparallaxe eines jeden beliebigen
Punktes in den Aufnahmebildern auf '/lo rnm natürlichen
Maßes genau gestattet. Die bisherigen stereophotogram-
metrischen Ausmessungen sind bis auf den Maßstab 1 : 10000
ausgedehnt worden, auf größere noch nicht, so daß man
also mit einer Genauigkeit von 1 bis 2 m rechnen kann.
Bis vor kurzem noch mußte man die Beobachtungen im
Komparator für die Karte erst durch graphischeTransformation
auf der Zeißschen Zeichenplatte zurechtmachen. In-
zwischen ist es aber der Firma Zeiß und dem k. k. Haupt-
mann Ed. Ritter von Orel im militärgeographischen Institut
in Wien gelungen, den Komparator durch den Stereoauto-
graphen derart zu vervollkommnen, daß man jede beliebige
Linie der Stereobilder, also auch jede beliebige Schichtlinie,
aus den Negativen mechanisch unmittelbar auf die Karte in
natürlicher Horizontalprojektion übertragen kann.
Es ist unmöglich, hier auf diese überaus wichtigen Er-
findungen näher einzugehen. Sie sind in meinem mehrfach
angeführten neuen Werk eingehend beschrieben.
Wir wollen uns darauf beschränken, den außerordentlich
hohenWert der Stereophotogrammetrie und ihrer Stereo-
autographischen Ergebnisse fürBebauungsplanentwürfe
zu besprechen. Natürlich handelt es sich dabei in erster Linie
um Entwürfe in bewegtem Gelände, die bisher unter
dem Mangel guter Kartenunterlagen sehr zu leiden hatten.
Nehmen wir an, wir hätten von dem zu bebauenden
Gelände eine Reihe guter Stereobilder, die von verschiedenen
Standlinien aus aufgenommen werden müssen, da sonst
Teile des Geländes durch die Höhenkulissen, als welche
die hervorspringenden Rücken usw. von einer Linie aus
wirken, verdeckt werden und nicht auszumessen wären.
(Daß die Stereobilder dann das vollkommenste Gelände-
bild geben, wenn sie von einer Basis aufgenommen sind,
die senkrecht über dem Gelände liegt, mag hier nur unter
Hinweis auf meine sich darauf beziehenden Darlegungen an
schon genannter Stelle erwähnt werden. Die Ballon-
photogrammetrie geht mit Riesenschritten vorwärts und
verspricht, in absehbarer Zeit das beste topographische
Aufnahmeverfahren zu werden.)
Da die Beschaffung und Handhabung des Zeiß-Orelschen
76
DER STÄDTEBAU
Stereoautographen vorderhand noch mit großen Kosten und
Schwierigkeiten verbunden ist, kann man entweder die Auf-
nahmeplatten an die Firma Zeiß in Jena oder eine andere mit
dem Apparate ausgerüstete und vertraute Stelle schicken und
dort die Herstellung des gewünschten genauen Gelände-
planes ausführen lassen, oder man begnügt sich mit einer
schätzungsweisen Ausmessung und annähernden Krokierung
des Geländes durch ein gewöhnliches Stereoskop. In diesem
Falle ist es zur Erreichung einigermaßen brauchbarer Er-
gebnisse nötig, die Höhen besonders charakteristischer
Punkte im Gelände zugleich mit der stereophotographischen
Aufnahme mit Barometer, Bergdiopter oder sonst annähernd
genau zu bestimmen und zwischen sie die Schichtlinien im
Stereoskop einzuschätzen.
Hat man so ein brauchbares plastisches Schichtlinien-
bild erhalten, worin auch die vorhandenen Wege, Gefließ-
adern, Grenzen und Baulichkeiten zum Ausdruck kommen,
also vielleicht einen stereoautographisch ergänzten Über-
sichtsplan 1 : 10000, so entwirft man darin die für das Ge-
lände usw. zweckmäßigsten Linien der Hauptstraßen und
kann nun diese Linien aus der Horizontalprojektion mittels
des Stereoautographen rückwärts in eine Photographie und
aus dieser wieder mittels eines Handstereoskops ohne Mes-
sungen mit bloßen Fluchtstäben oder dergleichen in die
örtlichkeit übertragen. Auf diese Weise erhält man die nicht
hoch genug einzuschätzende Möglichkeit, in schwierigem
Gelände ohne langwierige Versuchsabsteckungen und
-messungen lediglich mit Hilfe von Stereobildern, Stereo-
autographen und Stereoskop diejenigen Straßenlinien aus-
zuprobieren, die die für das Gelände natürlichen und darum
zweckmäßigsten sind.
Da weder der Ingenieur noch der Landmesser bisher ge-
wohnt waren, die Photographie zahlenmäßig auszuwerten.
so haben beide noch ein gewisses Mißtrauen gegen die Ver-
wendbarkeit des photogrammetrischen Meßverfahrens. Auch
der Architekt hat sich damit bisher nur in recht veralteter
und schwerfälliger Weise beschäftigt. Überzeugen sich erst
einmal alle drei durch Ausprobieren des Verfahrens in
kleinen Maßstäben (1 : 5000 bis 1 : 10000) von seiner großen
Brauchbarkeit zur Erreichung naturgetreuer Schichtlinien-
bilder, so wird sich auch bald der zweckmäßigste Weg
zeigen, die Stereophotogrammetrie für solche Bebauungs-
pläne allgemein verwendbar zu machen, die auf die Ge-
ländeplastik weitgehendste Rücksicht nehmen und so der
Örtlichkeit ihre künstlerischen und wirtschaftlichen Geheim-
nisse ablauschen müssen.
Noch weniger, als man eine Landstraße, einen Fahrweg
oder eine Bahn in bewegtem Gelände ohne sorgfältigste
Ausnützung der Geländeeigentümlichkeiten entwerfen und
abstecken darf, ist es bei Städten mit schwierigen Boden-
verhältnissen angebracht, zusammenhängende Straßenpläne
ohne inniges Anschmiegen an die Geländeplastik anzulegen.
Das haben gerade die Baukünstler des Mittelalters und der
Renaissance getan und sind uns Jüngeren darum so weit voraus.
Sie haben, wie es jetzt noch der Landwirt und der Forst-
mann tuen, ausschließlich in der Natur selbst geplant und so
die schönen Straßenzüge erreicht, die wir neuerdings ohne
Kenntnis der Natur auf mechanisch interpolierten und darum
grundfalschen Schichtlinienplänen nachmachen wollen.
Nehmen wir anstatt der Natur ihre Stereobilder zur
Hand und verfahren wir wie oben angegeben, so werden
wir den Alten durch Ausnutzung der Geländeplastik näher
kommen, etwas Lebendiges schaffen und wieder einen Zopf
beiseite werfen, den ich an anderer Stelle Planarchitektur
genannt habe, und der nicht weniger gefährlich ist, als die
viel beleumdete Plangeometrie.
ANSBACH.
Von Dipl.-Ing. FR. REUTER, Ansbach
Eine vom Städtebaukünstler
fast noch unentdeckte Städte-
schönheit ist die ehemalige
Hohenzollernmarkgrafenstadt
Ansbach. Zwischen den mittel-
alterlich-romantischen Bürger-
städten Nürnberg und Rothenburg
gelegen, bietet sie im Gegensatz
zu diesen das einheitliche und
noch unberührte Bild einer
sonnigen, kleinen Residenzstadt
aus der Barock- und Rokokozeit.
An den Ring der alten Stadt,
wie sie sich um die beiden
Kirchen gruppiert, lehnt sich
das Markgrafenschloß ; an dieses
schließen sich die Neubauten
des 18. Jahrhunderts, in fran-
zösischem Geschmack, durch
regelmäßige Straßenzüge zu
großer Einheitlichkeit zusammen-
gefaßt»
Abb. 2. Lageplan und ProfUe der Maximilianstraße und Promenade in Ansbach
77
DER STÄDTEBAU
Das Bild a der Tafel 38 zeigt
den Abschluß einer Alleestraße (Maxi-
miliansstraße, siehe Plan und Quer-
profil Textbild 2), die von einem der
JWarkgrafen von seinem 10 km ent-
fernten Lustschloß Triesdorf schnur-
gerade über Berg und Tal nach dem
Stadtkern gezogen wurde. Der ge-
wollte Abschluß ist vortrefflich, der
Torturm mächtig; sehr schön sind
die konvexen Kurven, in denen die
beiden Straßenwände nach dem Turm
zusammengefaßt werden; in den den
Häusern vorgelagerten Freitreppen
und durchlaufenden Gesimslinien sind
sie mehrmals betont.
Man beachte auf der rechten Seite des Bildes auch die
sonnig- vornehmen Kavalierhäuser, deren geschlossene Reihe
eine ruhige und freundliche Straßenwand bildet.
Im rechten Winkel anschließend an diese Straße stehen
an Stelle der alten Stadtmauer, ebenfalls vornehm und ein-
heitlich, die Häuser an der breiten Promenade. Tiefgelegene
Gärten füllen den ehemaligen Stadtgraben aus und rücken
die Häuserwand weit von der an sich schon breiten und
schönen Straße ab, ein ungewöhnlich anziehendes Bild
ergebend (siehe Querprofil).
Jr.
^MÜ^'
Abb. 3. Lageplan des Oberen und Unteren Marktes in Ansbach.
Bild b derselben Tafel gibt den Abschluß des weiten
Ludwigsplatzes nach dem Schloßplatz und den Straßen der
inneren Stadt. Vgl. damit den Lageplan, Textbild 3.
Es sei noch aufmerksam gemacht auf die beideit in
diesem zweiten Plan gezeigten Marktplätze. Sie schließen
sich aneinander an, werden aber durch den stattlichen Bau
eines alten Renaissancegebäudes (siehe Tafel 39), das dem
einen wie dem anderen Markt einen wirksamen Abschluß
sichert, für das Auge voneinander getrennt, ohne daß der
Verkehr eine Störung erleidet.
DIE BEDEUTUNG DER GÄRTEN FÜR DAS
SOMMERKLIMA DER GROSSSTÄDTE.
Von Professor H. CHR. NUSSBAUM, Hannover.
Das Klima der Großstädte weicht von dem der kleinen
Ortschaften ihrer Umgebung erheblich ab. Die Winde
werden im Häusermeer der Städte geschwächt, und zwar
in um so höherem Grade, je geringer die Luftbewegung
überhaupt ist. Während der Sturm eine kaum merkliche
Einbuße erfährt, herrscht bei schwachen Winden im Innern
der Städte Windstille. Die einzelnen Gebäude und mehr
noch die Häuserzeilen setzen der Luftbewegung nennens-
werte Widerstände entgegen, die dadurch vermehrt werden,
daß an den rauhen Flächen der Wände und Dächer eine
erhebliche Reibung der Luft stattfindet. Die durch den
Wind hervorgerufene Kühlung jener Flächen geht daher
bei mäßigem und schwachem Winddruck weit langsamer
vonstatten als in kleinen Ortschaften. Da ferner die Luft
infolge ihres niederen spezifischen Gewichtes sich bekannt-
lich schnell erwärmt, so nimmt die Kühlung der Gebäude
mit der Wegeslänge, die die Luft im Häusermeer zurück-
legen muß, rasch ab. Es vergehen z. B. oft Stunden, ehe
den zuletzt von ihr bestrichenen Häuserzeilen in den der
herrschenden Windrichtung abgekehrten Stadträndern über-
haupt Wärme entzogen wird, wenn nach warmen Tagen
ein kühlender Abendwind sich aufmacht.
Diese Vorgänge werden in der kühlen und kalten Jahres-
zeit angenehm empfunden. Die Temperatur pflegt dann in
den Innengebieten der Großstädte um mehrere Grade höher
zu liegen als im Freien, und zwar wächst der Unterschied
mit der Zunahme der Kälte. In neuerer Zeit ist er in
weiterem Wachsen begriffen, weil die sich allmählich
vollziehende Durchführung der Sammelheizungen eine voll-
ständigere Erwärmung der Gebäude bewirkt und der Dauer-
betrieb der Heizungen auch nachts erhebliche Wärmemengen
erzeugen läßt, die sich an den Außenflächen der Häuser
geltend machen. Der in der Regel vorhandene Windschutz
trägt an sich dazu bei, die Stadtbewohner auch auf der
Straße vor übermäßigen Wärmeverlusten zu sichern.
Im Sommer ändert sich dagegen die Sachlage in einer
für das Wohlbefinden, das Wohlbehagen und die Leistungs-
fähigkeit der Städter höchst nachteiligen Weise. An wolken-
freien Tagen nehmen die Steinflächen der Häuser und Straßen
aus der Sonnenstrahlung ungemein hohe Wärmemengen auf.
Sie wirken auf den Wärmegrad der Luft zurück, die diese
Flächen bestreicht. Tagsüber findet daher durch Leitung
und Strahlung eine gewaltige Wärmeerhöhung der Gebäude
statt, die durch den im Sommer hohen Stand der Sonne
vermehrt wird. Dagegen wird nachts die Wärmeabstrahlung
von den Wand- und Straßenflächen durch das Sichnahe-
treten derselben stark behindert, und ihre Kühlung durch
Luftleitung fällt nur dann nennenswert aus, wenn lebhafte
Windbewegung stattfindet. Fehlt sie, dann pflegt die Kühlung
in den Straßen der Innengebiete erst nach Mitternacht sich
geltend zu machen, und infolgedessen die Wirkung der
Auskühlung innerhalb der Gebäude weit hinter der Wärme-
78
DER STÄDTEBAU
zufuhr des Tages zurückzubleiben. Bei andauernd warmer
Witterung genügt der Wärmespeicher, den die Stadthäuser
in ihrem Mauerwerk besitzen, trotz seiner meist erheblichen
Größe nur in Ausnahmefällen zur Herbeiführung des Aus-
gleichs. Bei den üblichen Wandstärken von 0,40 bis 0,50 m
pflegt bereits nach drei warmen Tagen die Innenfläche
besonnter Außenwände einen Wärmegrad von etwa 20* C
oder mehr aufzuweisen. Bei längerer Dauer der warmen
Witterung steigt dieser Wärmegrad zwar langsam, aber
stetig. Die Außenwände wirken daher nun der Auskühlung
der Innenräume entgegen. Selbst dann, wenn man während
kühler Nächte Durchzug in ihnen hergestellt hat, steigt
nach dem Schließen der Fenster morgens die Temperatur
der Raumluft sofort um mehrere Grade und pflegt jetzt
bereits höher zu liegen, als es dem Wohlbehagen entspricht.
Das rasche Steigen des Wärmegrades der Luft im Freien
erzwingt aber meist schon zwischen 6 und 8 Uhr früh das
Schließen der Fenster. Allerdings können die Wärme-
verhältnisse sich gelegentlich derartig gestalten, daß im
dauernden Unterhalten von Gegenzug das einzige Mittel
verbleibt, um die Raumbewohner gegen Wärmestauungen
zu schützen. Die Raumtemperaturen nehmen dann in er-
höhtem Maße zu, weil die eintretenden großen Luftmengen
viel Wärme an die Raumumschließungen abgeben.
Die erhebliche Erhöhung des Wärmegrades besonnter
Außenwände hat den weiteren Nachteil im Gefolge, daß sie
nach der im Freien durch Gewitter eingetretenen Kühlung
die Raumtemperatur noch mehrere Tage auf unliebsamer
Höhe erhält, bei vorübergehender Kühlung diese im Ge-
bäudeinnern überhaupt nicht zur Geltung gelangen läßt.
Diese mit der Größe der Stadt zunehmenden Mißstände
bilden eine der Hauptursachen für die gegenwärtig im Sommer
stattfindende „Flucht" aus den Städten in die Bäder und
Sommerfrischorte. Aber nur wenige sind in der glücklichen
Lage, ihnen für die ganze Dauer der sommerlichen Glut
entrinnen zu können. Sollte mit dem Jahre 1911 ein Zeit-
abschnitt angebrochen sein, der Deutschland wieder Sommer
mit lang anhaltender Wärme bringt, dann erscheint es um
so mehr geboten, an die Verminderung jener Übelstände
tatkräftig heranzutreten. Es läßt sich ihnen hauptsächlich
entgegenwirken durch die sachgemäße Gestaltung und Anlage
der Gärten und Höfe. Zugleich sollte für die „Wohnstraßen"
der Grundsatz mehr als bisher zur Geltung gelangen, daß
die Breite der befestigten Fahrbahnen und Fußwege nicht
größer bemessen wird, als das Verkehrsbedürfnis in dem
betreffenden Stadtteile es erheischt. Denn je schmaler der
befestigte Teil der Straßenfläche ist, um so geringere Wärme-
mengen werden in ihr durch die Sonnenstrahlung gespeichert
und um so leichter läßt sie sich beschatten.
Die Gestaltung der Gärten und Höfe aber hat dafür Sorge
zu tragen, daß sowohl das Einzelhaus und die frei liegende
Gebäudegruppe als auch die geschlossene Häuserzeile rings
von Pflanzen umgeben werden, und daß die Sonnenseiten
der Häuser, die Straßenflächen, beim niederen Haus auch
möglichst große Teile der Dachflächen, durch das Laubwerk
der Bäume Schatten erhalten.
Gegenwärtig entspricht weder die Durchführung der
Vorgartenanlage, noch die Abstufung ihrer Tiefe nach der
Himmelslage, noch die Art ihrer Bepflanzung dieser be-
deutungsvollen Aufgabe, während die Durchbildung der
Höfe ihr nur in Ausnahmefallen gerecht wird. Vielmehr
ist man gegenwärtig wieder mehr denn je geneigt, für die
Gestaltung der Gärten ausschließlich ästhetische Rück-
sichten walten zu lassen, sie nur als Gegenstand der Haus-
ausschmückung zu betrachten. Ihr eigentlicher Zweck, zu
möglichst andauerndem Aufenthalt der Hausbewohner zu
dienen und durch Schattenspenden das Klima des Hauses
zu verbessern, wird von der Mehrzahl der Gartenkünstler
und Architekten übersehen.
Allerdings darf ja zugegeben werden, daß das Sommer-
klima der Städte bereits gemildert wird, wenn an die Stelle
der geschlossenen Häusermassen das von Gärten rings
umgebene Einzelhaus oder die Gebäudegruppe kleineren
Umfangs treten. Denn Graswuchs und Blattwerk lassen,
solange sie grünen, die Wärmewirkung der Sonnenstrahlen
nur in geringem Grade auf den Erdboden gelangen, weil
der größte Teil der Wärme zur ständig stattfindenden leb-
haften Wasserverdunstung der Pflanzen, ein weiterer kleinerer
Teil zum Aufbau ihrer Zellen verbraucht werden. Es bleiben
daher zwischen den sich durch die Sonnenstrahlung er-
hitzenden Steinmassen der Häuser und Straßen grünende
Flächen, die sich um so kühler erhalten, je mehr Wasser
ihnen aus dem Erdboden für die Verdunstung zufließt. Von
ihnen geht nach Sonnnenuntergang rasch Kühlung aus, und
es entsteht hierdurch Luftbewegung, weil die hier abgekühlte
und dadurch schwer werdende Luft diejenigen Luftschichten
nach oben drängt, die an den Steinflächen sich erwärmen.
Je weitere Abstände die Gärten zwischen den Gebäuden
sowie zwischen ihnen und der Straßenbefestigung bilden,
um so ungehinderter kann die Abstrahlung von Wärme von
den Steinflächen stattfinden, um so geringer werden die
Widerstände, die den Winden sich entgegenstellen.
Die für diese Zwecke erforderliche freie Lage der Einzel-
häuser und Gebäudegruppen pflegt im Weichbilde und in
der nächsten Umgebung der Großstädte jedoch nur in den
Landhausvierteln und Gartenstadtgebieten sich durchführen
zu lassen. Stets aber ist die Kühlhaltung der Hausflächen
und Straßenflächen durch Baumschatten im Hochsommer
von noch höherem Nutzen als die Vermehrung ihrer nächt-
lichen Abkühlung, weil die letztere in dieser Jahreszeit von
verhältnismäßig kurzer Dauer ist, während die Sonnen-
strahlung um Mittag auf den Steinflächen Temperaturen
hervorruft, die zwischen 60 und 100" C schwanken, auf
rotem und dunklem Gestein noch höher auszufallen ver-
mögen. Ferner bedarf man des Schattens auf der Straße
für den Verkehr, in den Gärten zum Aufenthalt im Freien.
Denn mit dem Steigen der Raumwärme nimmt das Be-
dürfnis nach letzterem zu. Selbst wenn an schattigen
Gartenplätzen etwas höhere Wärmegrade herrschen als in
den Zimmern, pflegt uns dort eine höhere Wärmemenge in
der Zeiteinheit entzogen zu werden als im geschlossenen
Raum, weil die Wärmeabstrahlung von der Haut auf ge-
ringere Widerstände stößt und die lebhaftere Luftbewegung
im Freien die von uns gebildete Wärme von der Haut und
aus der Kleidung rascher abführt. Hat einige Tage warme
Witterung geherrscht, dann pflegt in den Vormittagsstunden
der Aufenthalt an schattigen Plätzen des Gartens jedenfalls
vor dem im Hause den Vorzug zu verdienen.
Um diese Zwecke in vollkommener Weise erfüllen zu
können, bedürfen die Vorgärten an den Sonnenseiten der
Wohngebäude der allgemeinen Durchführung und einer
größeren Tiefe, als man ihnen gegenwärtig im Weichbilde
der Städte zu geben pflegt. Die heute übliche Tiefe von
3 m reicht hierzu nicht aus, die von 5 m muß noch als
79
DER STÄDTEBAU
knapp bemessen bezeichnet werden. Wertvoller sind Vor-
gärten von 6 bis 8 m Tiefe und mehr. Denn in ihnen erst
lassen sich Bäume von angemessener Höhe mit üppigen
Kronen zur Entwicklung bringen, ohne den Gebäuden Luft
und mehr Licht zu rauben, als bei der großen Himmels-
helligkeit des Sommers angängig ist. Dafür kann der Vor-
garten an der Nordseite der Häuser ganz fortbleiben, an
den Nordost- und Nordwestseiten auf schmale Streifen be-
schränkt werden, die es gestatten, Schlingpflanzen aii den
Wandflächen emporzuziehen und ihnen hierdurch den auch
für diese Himmelslage erforderlichen Schutz gegen Sonnen-
strahlung zu verschaffen.
Diese verschiedenartige, der Himmelslage angepaßte
Tiefenbemessung der Vorgärten besitzt den weiteren Vorzug,
daß die der Sonne offenen rückwärts gelegenen Hausgärten
eine verhältnismäßig große und infolgedessen für die ge-
schilderten Zwecke ausreichende Tiefe erhalten. Wo die
Grundstückstiefen gering sind, ist dies bedeutungsvoll, und
es empfiehlt sich in diesem Falle, die Tiefe der nach Norden
gerichteten Hausgärten auf das für den Lichteinfall erforder-
liche Maß zu beschränken, die sonnig gelegenen Vorgärten
der betreffenden Häuser aber so tief wie irgend möglich zu
bemessen, damit sie zum Hauptgarten werden. Denn nur
dpr hinreichend besonnte Garten vermag sich reizvoll und
üppig zu entwickeln. Der durch das Haus stark beschattete
Gartenteil dient besser als Spielplatz. Er soll allerdings
ebenso liebevoll durchbildet werden, daß die hier bei
warmer Witterung sich bietenden kühlen Sitzplätze zugleich
Augenweide gewähren. Für Spiele und Sport ist der Sonnen-
schutz auf baumfreier Kiesfläche oder auf Wiesengrund
wertvoll.
Gleich bedeutungsvoll ist die Gestaltung des Hofes. Er
ist leider in Deutschland bisher ein Stiefkind der Hausbau-
kunst gewesen. Je mehr aber der Verkehr in den Straßen
mit dem von ihm ausgehenden Geräusch und Staub zu-
nimmt, um so notwendiger wird eine liebevolle Durchbildung
des Hofes, um den an ihm gelegenen Gemächern alles
bieten zu können, dessen ihre Bewohner für das Wohl-
befinden und Wohlbehagen bedürfen. Das sind Lichtfülle,
lebhafter Luftwechsel, angemessene Wärmegrade, Ruhe und
Augenweide. Zu diesem Zweck bedarf der Hof vor allem
einer der Haushöhe entsprechenden Größe und der gärt-
nerischen Durchbildung. Er sollte allgemein zum reizvoll
gestalteten Schmuckhof werden, in dem durch Pflanzen-
wuchs und Springbrunnen im Sommer Kühlung erzielt wird.
Für die an ihn grenzenden Sonnenseiten der Häuser empfiehlt
sich die vollständige Bekleidung mit Schlingpflanzen. Kühlung
und Augenweide werden dadurch vereint erzielt. Denn auf
erheblichen Baumschlag wird man im Schmuckhof in der
Regel verzichten müssen, um die von ihm gebotene, meist
nur knapp ausreichende Lichtfülle nicht zu verringern.
Auch pflegt es sich, dort, wo der von Gebäuden um-
schlossene Hof angeordnet wird, um Häuser von erheblicher
Höhe zu handeln, für die durch Baumschlag nur schwer
ein vollkommener Schutz gegen Sonnenglut erzielt werden
kann. Ein einzelner schöner Baum oder eine wirkungs-
volle Baumgruppe vermögen dagegen den Reiz des Schmuck-
hofes ganz wesentlich zu erhöhen, und die unter ihnen
gebotenen schattigen Sitzplätze pflegen im Stadthause be-
sonders willkommen zu sein.
Wo die offene Bauweise zur Durchführung gelangt, ist
es geraten, die zwischen den Gebäuden und Gebäudegruppen
entstehenden meist schmalen Öffnungen, die „Gebäudewiche",
mit Baumschlag und hohem Buschwerk zu füllen. Sie
geben diesen nicht immer vorteilhaft wirkenden Öffnungen
Reiz und bieten vor allem Schutz gegen die in ihnen ent-
stehenden allzu lebhaften Luftbewegungen. Ferner fangen
sie den Straßenstaub ab, der andernfalls durch die Gebäude-
wiche in die rückwärts gelegenen Gärten dringt, und sie
zerstreuen und mildern das hier ebenfalls eindringende
Verkehrsgeräusch. Ihr Nutzen ist daher ein erheblicher.
Je nach der Sonnenlage wird man bald den der Straße
nahen, bald den am Garten gelegenen Teil der Gebäude-
wiche in dieser Weise zu bepflanzen haben, da Bäume und
Sträucher nur in der Sonne zu voller Entwicklung gelangen,
während die Hausflächen hier des Schutzes gegen ihre
Wärmewirkung bedürfen.
In den öffentlichen Gärten und Stadtwäldern bedarf man
für die Sitzplätze wie für einen großen Teil der Wege im
Hochsommer tagsüber des Schattens, abends dagegen freier
Flächen, auf denen die Abstrahlung der Wärme ungehindert
erfolgt und die leiseste Luftbewegung sich geltend macht.
In der kühlen Jahreszeit sind solche Flächen zum Ergehen
vorteilhaft, weil sie Sonne bieten. Zu letzterem Zweck
lassen sich die Park- und Waldränder ausnützen, und es
empfiehlt sich, größere Wiesenflächen in ihrem Innern zu
belassen, die mit Wegen umrandet und von ihnen durch-
schnitten werden. Für die zwischen diesen Flächen ge-
legenen Teile der Gärten und Waldungen aber sollte Sorge
getragen werden, daß die Wege Sonnenschutz bieten. Und
daß die Kühle sich tagsüber zu erhalten vermag.
Die reichliche Bewässerung der Gärten ist in den Städten
ganz besonders nützlich, weil die hierdurch hervorgerufene
lebhafte Wasserverdunstung der Pflanzen der hohen Wärme-
aufspeicherung in den Gebäudemassen kraftvoll entgegen-
wirkt. Die Parkwege bedürfen ihrer im gleichen JWaße, um
der Staubbildung entgegenzuwirken und so die Luft staub-
arm zu erhalten.
An und für sich bildet das Grün der Gärten bekannt-
lich ein wii'ksames Mittel zur Verbesserung der Stadtluft.
Das Blattwerk und die Nadeln der Bäume und Büsche
sowie der Graswuchs der Wiesenflächen und Rasen ent-
ziehen der Luft den Staub, weil die Luft an ihnen sich
reibt, dadurch ihre Bewegung verringert und nun den Staub-
gehalt fallen läßt. Sprengen und Regen sorgen für die
Fortschaffung der niedergeschlagenen Staubmengen. Ferner
entwickeln die grünenden Pflanzen im Sonnenlichte Sauer-
stoff, so daß sie dem Sauerstoffverbrauch durch die Atmung
und Hauttätigkeit der Menschen sowie durch Verbrennungs-
und Verwesungsvorgänge entgegenwirken.
Der Nutzen der Gärten für das Wohlergehen und das
Wohlbehagen der Städter ist daher ein vielseitiger und er-
heblicher. Die für sie erforderliche Platzhergabe und die
für ihre Instandhaltung aufzuwendenden Geldmittel müssen
daher als wohlangebracht bezeichnet werden, sobald die
Gärten in zweckmäßiger Weise gestaltet werden.
80
b£R STÄDTEBAU
DIE SIEGESALLEE IN BERLIN.
Hierzu Tafel 4Ö.
Von BR. SCHWAN, Zabrze, O.-S. — Eine Studie.
Als sich in den ersten Jahren des Entstehens der Sieges-
allee die Gemüter erhitzten und die Kritik besonders in der
Tagespresse jede neue Denkmalsenthüllung zum Anlaß nahm,
um die Idee dieser Schmuckanlage als unkünstlerisch in
Bausch und Bogen zu verurteilen, da handelte man nicht
nur undankbar, sondern beging auch den Fehler, von der
unrechten Seite an das Werk heranzutreten. Man kritisierte
die einzelnen Bildwerke als selbständige Kunstwerke und
vergaß dabei, daß sie nichts als Elemente einer Gesamt-
anlage waren, weil man die Gesamtanlage nicht sah.
Gewiß ist es richtig, daß jedes dieser Denkmäler fälsch-
licherweise beanspruchte, als plastisches Kunstwerk ge-
nommen zu werden, und es soll nicht bestritten werden,
daß manches von ihnen die herbe Kritik, die es fand, auch
verdiente.
Man wurde aber mit dieser Einzelbewertung dem
in der Gesamtanordnung steckenden Gedanken nicht
gerecht.
Daß man dies nicht konnte und auch heute noch nicht
kann, mag wohl in der Hauptsache in der Art dieser Gesamt-
anordnung begründet sein. Gerade die Tatsache, daß die
Architekten weniger an dem Streit um dieses Thema teil-
nahmen, scheint mir dafür zu sprechen, daß man den
Grundgedanken dieser Gesamtanordnung nicht als einen
architektonischen, einen gartenkünstlerischen, oder, wenn
man will, städtebaulichen erkannte, sondern daß man die
ganze Frage für eine Sache der Plastik hielt.
Stellt man ein Denkmal ins Grüne, so wird dieses eine
Denkmal mit Recht beanspruchen können, als einzelnes
gewürdigt und auf seinen Wert als Plastik beurteilt zu
werden.
Setzt man aber vor grüne Wände zwei Reihen von
Plastiken von gleicher Höhe und gleicher Grundanordnung
in gleichen Zwischenräumen, so muß das einzelne zum
Element einer Gesamtidee werden, und es ist nicht durch-
aus erforderlich, ihm mit dem ganzen schweren Geschütz
ästhetischer Anforderungen zu Leibe zu gehen, wie sie das
isolierte Kunstwerk mit Recht befriedigen muß.
Die Siegesallee ist ein barocker Parkgedanke und nichts
weiter. Ihr Wert als eine Art Ahnengalerie kann hierbei
völlig in den Hintergrund treten.
Die Wirkung derartiger Parkalleen mit ihren weißen
Akzenten auf grünem Grunde kann aber dem Beschauer
nur zur Empfindung kommen, wenn er das Ganze als
Ganzes zu überschauen vermag, und hier liegt, glaube ich,
das Haupthindernis.
Die Siegesallee ist leider keine Parkallee, sondern eine
regelrechte Straße mit Asphalt und Reitweg, mit Bürger-
steigen und Baumreihen, erfüllt von großstädtischem
Verkehr.
Man mute so etwas alten Fürstenparks zu, und die
Harmonie wird auch dort zerrissen sein.
Der Hauptfehler der gegenwärtigen Anordnung scheint
mir, ganz zu schweigen von der Unruhe des Verkehrs, darin
zu liegen, daß es völlig ausgeschlossen ist, von einem Ende
der Allee die Gesamtwirkung der Fülle weißer Figuren vor
dunklen Wänden in sich aufzunehmen, ja sie überhaupt nur
zu sehen. Die doppelten Baumreihen auf beiden Seiten
schieben sich schon in kurzer Entfernung vom Blickpunkte
zu einer festen Wand zusammen und lassen allenfalls die
ersten vier bis fünf Figuren, nie aber das Ganze sichtbar
werden.
In die Siegesallee gehören keine Bäume, kein Asphalt,
keine Reitwege und kein hastender Verkehr.
Man denke sich zwischen den beiden grünen Wänden
des Parks einen freien Raum und sämtliche Bäume beseitigt.
An der Stelle der Asphaltbahn, in etwas geringerer Breite,
ziehe sich ein langgestreckter, durch einige Querwege und
Grünanlagen unterbrochener Wasserstreifen hin. Goldig
spiegelt sich die Viktoria darin.
Rechts und links davon „glänzt der Tulpenflor" und
niedrige Kugelbuxbäume begrenzen die Beete in regelmäßigen
Intervallen. Dann folgen hüben und drüben Kieswege, so-
weit von den Denkmälern entfernt, daß ein Gesamtüberblick
möglich ist, und dann wieder niedriger Rasen, aus dem die
weißen Statuen emporwachsen.
Ich glaube, die Siegesallee könnte so zu harmonischer
Wirkung gehoben werden.
Wollte man diesem Vorschlage verkehrstechnische Be-
denken entgegenhalten, auch die sind zu beschwichtigen.
Die beiden vor Kroll und zwischen Siegessäule und
Bismarckdenkmal angelegten Fahrstraßen lassen sich ohne
Schwierigkeit schnurgerade nach Süden zu verlängern. Die
eine bis zur Bellevueallee, oder, wenn man will, zur Matthäi-
kirchstraße; die andere bis zur Lennestraße. Es würde so
nicht nur zugunsten des Verkehrs eine Teilung des Nord-
Süd-Verkehrs und damit eine Entlastung des Kemper-
platzes geschaffen werden,^ es läge auch ein willkommener
Anlaß vor, dem Königsplatz einmal tatkräftig auf den Leib
zu rücken.
Fehlt die Fahrverbindung in der Richtung der Sieges-
allee, so sind die Kreiswege um die Siegessäule entbehrlich
und es ergibt sich so vielleicht endlich einmal die Möglich-
keit, dem Königsplatz zu einer Platzwirkung zu verhelfen,
die nicht nur der zu genießen imstande ist, der die Sieges-
säule erklettert oder den Platz im Ballon überfliegt. Es
sind das natürlich nur Vorschläge und der Anspruch auf
eine endgültige Lösung soll damit gewiß nicht erhoben
werden. Aber es schien mir wünschenswert, dieses Steinchen
des Anstoßes und Ärgernisses einmal ins Rollen zu bringen.
Möge ihm ein Kräftigerer den zweiten Stoß versetzen. Wenn
wir erreichen, daß der in der Siegesallee niedergelegte Ge-
danke rein herausgearbeitet wird, daß auch der naive Be-
trachter den Eindruck eines Kunstwerks mit hinwegnimmt,
dann haben wir nicht nur der Stadt Berlin genützt, wir
haben auch ein klein wenig vielleicht unserer Anstands-
und Dankespflicht genüge getan, denn es ist nicht ganz
vornehm, dem, der einem ein wertvolles Geschenk in der
unrichtigen „Aufmachung" überreicht, mit liebloser Kritik
zu antworten.
Wir wollen es richtig „aufmachen" und es kann uns
allen eine Quelle des Genusses und der Freude werden.
81
t)ER STÄDTEBAU
MITTEILUNGEN.
DAS ERBBAURECHT UND DIE GARTENVORSTADT
LEIPZIG-MARIENBRUNN. Über dieses Thema hielt
Herr Geheimer Justizrat Professor Dr. Erman aus Münster folgenden
Vortrag :
Die Internationale Baufach-Ausstellung Leipzig 1913 soll durch die
Gartenvorstadt Marienbrunn der TA^elt zeigen, daß in dem Deutschland
der Mietskasernen-Straßen auch Keime besseren Siedelungswesens sich
entwickeln. Leipzig als Heimat der Schrebergärten und Sitz schöpferisch-
tatkräftigen Bürgersinnes ist dazu berufen, auch in der Gartenstadt-
bewegung vorbildlich mitzuwirken. Wie groß die Sehnsucht nach
Ansiedelung im Freien an grünen Wohnstraßen ist, zeigt die Zahl der
Anmeldungen für Marienbrunn, noch bevor eine eigentliche Aufforderung
ergangen ist. Wer in Marienbrunn als „Erbmieter" sich ansiedelt, soll
durch Mitwirken an der Geldbeschaffung für die Gartenstadt seine Über-
zeugung von der Nützlichkeit des Unternehmens betätigen.
Die Gartenstadt als weiträumige Siedelung beschafft sich ihren
Boden am vorteilhaftesten durch bloße Pachtung, d. h. im Erbbaurecht.
Das Erbbaurecht ist das Recht, auf einem (fremden) Grundstück ein
Bauwerk zu bauen, meist nur auf Zeit und gegen ein Jahresentgelt
(Erbbauzins). Es ist ein grundbuchmäßiges Recht, das vererbt, ver-
äußert und — z. B. zur Baugeldbeschaffung — durch Hypothek ver-
pfändet werden kann. Seiner Einbürgerung steht noch entgegen, daß
es uns ungewohnt und im Gesetzbuch unzureichend geregelt ist. Trotz-
dem ist sie anzustreben wegen der sozialen und volkswirtschaftlichen
Vorteile des Erbbaurechtes. Es ist vor allem die allein sachgemäße
Form, um öffentlichen Bauboden von Reich, Staat, Gemeinden der
privaten Bebauung zu erschließen, denn ihn zu veräußern ist oft ein
Frevel gegen unsere Nachkommen. Sodann soll das Erbbaurecht mit-
wirken in dem Kampf für das Einfamilienhaus gegen die unser Volkstum
gefährdenden Mietskasernen und gegen deren Hauptursache, die Höhe
unserer Baubodenpreise und unserer Baubodenverschuldung.
Das Erbbaurecht fördert die weiträumige Bebauung, weil es die
Baunutzung des Bodens verbilligt, denn da dem Grundherrn mit dem
Eigentum des Grundstückes auch dessen ganzer Zukunftswert verbleibt,
ist dieser bei Bemessung des Erbbauzinses außer Betracht zu lassen.
Das Erbbaurecht behandelt den Boden nicht als veräußerliche Ware,
sondern nur als Rentenquelle; nur der Nutzungswert des Bodens wird
auf Zeit vom Eigentümer weggegeben und vom Erbbaupächter erworben.
Daher die in Deutschland vorwiegend übliche Ansetzung des Erbbau-
zinses auf 4°/o vom Nutzungswert, der auf etwa 's des Veräußerungs-
wertes oder Gemeinwertes angenommen wird, also 2,4 "/o des Gemeinwertes.
Die Mietskaserne wird uns aufgezwungen durch unsere Bauboden-
preise, die außergewöhnlich hoch sind gegenüber denen viel reicherer
und länger industrialisierter Länder (England, Belgien). Diese Ver-
teuerung entspringt großenteils unserem technisch vollendeten, volks-
wirtschaftlich aber gefährlichen Grundbuch- und Bodenkreditrecht, ins-
besondere unserer Kaufpreishypothek und der untilgbaren Hypothek
für den vergänglichen Bauaufwand. Beide fallen beim Erbbaurecht fort,
da hier der Bauende den Boden nicht (auf Kredit) kauft, sondern ihn nur
pachtet — also keine Kaufpreishypothek! — und da die Baugeldhypothek
hier notwendig Tilgungshypothek ist.
Gegen das Erbbaurecht werden vor allem seine Rechtsschwierigkeiten
ausgespielt. Der neue österreichische Erbbaugesetzentwurf zeigt, daß diese
auf gesetzlichem Wege unschwer zu heben sein würden. Aber auch die
Rechtsanwendung allein kann ihrer Herr werden durch geeignete Fassung
der Verträge und durch eine Auslegung der dürftigen Sätze des BGB.,
die mit Rudolf Sohm, dem Mitschöpfer des BGB. erklärt: „Das Erb-
baurecht soll nach dem BGB. sein, so sollen nach dem Willen des
BGB. auch die Rechtsätze sein, welche das Dasein des Erbbaurechts
praktisch bedingen." Sodann macht man gegen das Erbbaurecht geltend
die Beleihungsschwierigkeiten, aber für den Eigentümer selbst bestehen
sie auf jeden Fall nicht; er kann ohne jede Gefahr die auf seinem Boden
errichteten Erbbauhäuser beleihen. Aber daß auch Dritte auf Erbbau-
hypotheken mit Sicherheit Geld leihen können, zeigt das Vorgehen der
Landesversicherungsanstalten Sachsen, die die Posadowsky- Wehner-Häuser
in Dresden belieh, und Rheinland, die Arbeiterhäuser in Essen bis zu
83°/o belieh, ohne jede andere Sicherung durch Bürgschaft oder sonst.
Der Gefahr der Hausverschlechterung durch schlechte Unterhaltung gegen
Ende des Erbbaurechts wird in den meisten deutschen Erbbauverträgen
durch Zusicherung einer Entschädigung je nach dem Werte der Häuser
bei Ablauf der Erbbaufrist vorgebeugt. Demselben Zwecke dient in dem
Marienbrunner Erbbauvertrag die von der Stadt Leipzig geforderte An-
sammlung eines Unterhzdtungsfonds und die Aufsicht der Stadt über die
Unterhaltung der Häuser. Dem gleichen Zwecke dient die Marienbrunn
gegenüber in Aussicht genommene Gewährung eines Vorzugsrechts, falls
das Erbbaurecht nach Ablauf der Frist aufs neue bestellt wird.
Die Leipziger Stadtverordneten haben seit 1899 zu wiederholten
Malen sich eingehend mit dem Erbbaurecht beschäftigt und 1901, 1907
und 1910 bedeutenden Erbbauverträgen zugestimmt. Bei Erörterung des
vorliegenden Marienbrunner Erbbauvertrages wird zu berücksichtigen sein,
daß er nicht nur wie jede Erbbauausgabe der Stadt den zukünftigen
Wertzuwachs jenen Bodens sichert, auch der Boden selbst kann bei der
eigenartigen Lage gerade dieses Grundstückes sehr wohl einst von hoher
Bedeutung für die Stadt sein.
Für den Augenblick spricht zugunsten des Vertrages, daß Leipzig
durch Förderung dieser Gartenvorstadt den die Zeit beherrschenden Zug
zur Ansiedelung im Grünen, der mehr und mehr den Vororten zustrebt,
auf das eigene Stadtgebiet dadurch hinlenkt. Sodann befördert und be-
schleunigt die Stadt die Besiedelung der weiten umliegenden Gebiete und
endlich fördert sie durch eine weitere Anwendung des Erbbaurechtes dessen
Einbürgerung und damit die zukünftige Verwertung des weit ausgedehnten
Baubodenbesitzes der Stadt.
Anstatt der dieser Nummer fehlenden Tafel wird der nächsten, in
der wir als Ergebnis des Wettbewerbs um einen Entwurf zur Bebauung
der Frankfurter Wiesen zu Leipzig zu veröffentlichen beabsichtigen, eine
Tafel mehr beigegeben werden.
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
AUS GROSS- BERLIN. Heft 2: Demburg, Naumann, Südekum.
^^ Das Anwachsen Groß-Berlins in Bildern. Vita, Deutsches Verlags-
haus, Charlottenburg. Preis 1,20 Mk. Veröffentlichung des Propaganda-
Ausschusses für Groß-Berlin nebst Mitteilungen des Ansiedelungsvereins
Groß-Berlin.
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•*-^ NUNGSWESEN von Prof. Dr. Rud. Eberstadt, Dozent an der
Kgl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Mit 53 Abbildungen im
Text. Jena, Verlag von Gustav Fischer 1912. Preis 5,50 Mk., gebunden
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BRASILIANISCHE RUNDSCHAU. Illustrierte monatliche Zeit-
schrift über alle Produktionsgebiete, Handel, Verkehr und öffent-
liches Leben. Rio di Janeiro Caixa Postal 758. Deutsch und portu-
giesisch. Verantwortlich für die Direktion und Redaktion: J. Hubmayer.
I. Jahrgang. Heft 5 — 7. Enthält unter anderem Beschreibungen und
Abbildungen zahlreicher Einwanderer-Siedelungen.
"pVIE DURCHGEISTIGUNG DER DEUTSCHEN ARBEIT.
"-^ Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1912. Wege und Ziele im
Zusammenhang von Industrie, Handwerk und Kunst. Mit 109 Tafeln
Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912.
82
DER STÄDTEBAU
Dazu schreibt Dr. E. Jäckh (Geschäftsstelle des 'Werkbundes zu Berlin):
Fünf Jahre sind es her, daß der Deutsche Werkbund zusammen-
getreten ist, um damals „feindliche Brüder" zu gemeinsamem Werk zu
einigen und Industrie und Kunst zu verbünden, dem Ziel entgegen, die
Güte der deutschen Arbeit zu steigern, sowohl in werklicher Gediegenheit
wie in geschmacklicher Sicherheit. Daß dieser Gedanke grundsätzlich
richtig und praktisch notwendig war, dafür spricht unter anderem die
erfreuliche Tatsache, daß die Mitgliederzahl stetig wächst und daß sie
beute bereits alle führenden und maßgebenden Persönlichkeiten ver-
einigt, die des künstlerischen Schaffens gewiß, die des Wirtschaftslebens
in Bälde. Diese Tatsache gewinnt an besonderer Bedeutung dadurch,
daß die Mitgliedschaft nicht durch Anmeldung, sondern durch Einladung
erworben werden kann.
In den Gedankenkreis des Deutschen Werkbundes will dieses Jahr-
buch hineinführen, das von jetzt an in regelmäßiger Folge erscheinen wird.
Zur Andeutung des weltwirtschaftlichen Grundgedankens, der in
dieser Arbeit Künstler und Kaufleute, Volkswirtschaftler und Wissen-
schaftsvertreter vereinigt, mögen einige kurze Anführungen aus dem
Beitrag „Der \Verkbund und die Großmächte der deutschen Arbeit" und
aus dem Kapitel „Wo stehen wir?" gestattet sein:
„Wir glauben an die jüngste Lehre der Volkswirtschaft: ein großes
Industrievolk kann auf die Dauer nicht davon leben, daß es die anderen
unterbietet; es muß sie überbieten durch die Güte seiner Arbeit. Die
deutschen Geschmacksindustrien, wie einst die französischen und eng-
lischen, werden nur dann eine ^ATeltmacht werden, wenn wir zu unserem
technischen Geschick, unserem Unternehmungsgeist und unserer Wissen-
schaft auch einen eigenen reifen Nationalgeschmack einzusetzen haben,
gegründet auf einer zeitgemäßen nationalen Kultur. Ohne die Kunst
bleiben wir Stümper; mit ihr sind, wir jedem Gegner gewachsen. Daß
solcher Wille zur Güte, zur Vorzugsarbeit, zur Auslese nicht nur Ehre,
sondern auch Gewinn bringt, beginnt die Handelsstatistik zu beweisen . . .
Stile pflegen zu entstehen, wenn eine nationale Kulturarbeit sich ihre
Form zu prägen sucht. Es ist kein Trugschluß, wenn wir zu hoffen
wagen, daß aus dem hinreißenden wirtschaftlichen Aufschwung des
deutschen Volkes eine eigene Kunst, ein deutscher Stil sich werde bilden
können . . . Alles deutet darauf hin, daß eben jetzt eine solche Stunde
des Schicksals für den deutschen Geschmack geschlagen hat. Seit einem
Jahrzehnt stehen wir im Entscheidungskampf um einen zeitgemäßen
Ausdruck unseres nationalen Lebens. Es ist eine Ehrensache für das
deutsche Volk, daß es die große Stunde nicht verpasse . . . Denn große
Werte stehen auf dem Spiel. Deutschland ist das Land, auf dessen
Arbeit es bei der Stilentwicklung der Zukunft ankommen wird."
Der Nachweis wird in diesem' Jahrbuch versucht, dessen mannig-
faltige Reichhaltigkeit ein Blick in das Inhaltsverzeichnis und da« Ver-
fasserverzeichnis dartun kann. Dieses Jahrbuch wendet sich an das
ganze deutsche Volk, insbesondere an Reichs- und Staatsbehörden, an
Stadtverwaltungen und Gemeindevertretungen, an Industrie, Handel und
Handwerk, an Produzenten und Konsumenten. Über die Organisation
des Deutschen Werkbundes und über den Berufscharakter seiner
tausend Mitglieder gibt das letzte Kapitel Auskunft.
PRISEN- UND EISENBETONBAU. Gemeinverständliche Einzel-
^— ' darstellungen aus Theorie und Praxis beider Bauweisen von Prof,
Dr. J. Kollmann, Prof. H. Kayser, Baurat V. Wendt u. a. bedeutender
Fachmänner. Mit zahlreichen Abbildungen. Verlag der Technischen
Monatshefte (Franckh'sche Verlagshandlung), Stuttgart, gr. 8°. igi2.
80 S. Geh. 2,— Mk., geb. 2,80 Mk.
Überall sehen wir heute großartige Geschäftshäuser, industrielle
Anlagen und kühne Brückenbauten in Eisen und Eisenbeton entstehen.
Die Verwendung des Eisens als Baumaterial begann, als unsere Eisen-
werke den Gebrauch des Flußeisens in Form von Trägern u. a. ermög-
lichten. Der Eisenbetonbau jedoch ist ein Kind der allerjUngsten Zeit
und beginnt trotzdem jetzt schon andere Bauweisen zu verdrängen; Vor-
teile wie erhöhte Feuersicherheit und größere Dauerhaftigkeit — denen
allerdings auch wieder Nachteile, wie z. B. Abbruchsschwierigkeit und
dadurch bedingte Entwertung des Baugrundes gegenüberstehen — werden
ihm nach der unter den Architekten überwiegenden Anschauung bald die
Vorherrschaft sichern. Wer sich über die Geschichte, die verschiedenen
Anwendungsmöglichkeiten des Eisen- und Eisenbetonbaues im Hoch-
und Brückenbau unterrichten will, greife zu dieser reich mit Abbildungen
ausgestatteten Einführungsschrift. Von ersten Fachmännern auf diesen
Gebieten findet er dort in gemeinverständlicher Darstellung beide Bau-
weisen theoretisch und ihrem praktischen Wert nach gewürdigt. Die
Abbildungen lassen auch die architektonische Schönheit dieser Bauten
erkennen und erklären konstruktioneile Einzelheiten fachlich. — Das
Büchlein ist eine der vier Beigaben, die die Zeitschrift „Technische
Monatshefte" ihren Lesern neben den reich illustrierten Monatsheften
liefert. (Abonnementspreis vierteljährlich 3,50 Mk.)
WOHNUNGSGESELLSCHAFT, G. m. b. H., Frankfurt a. M.,
Höfergasse 40. Bericht über das 13. Geschäftsjahr igii. Die
Gesellschaft verwaltete mit Erfolg außer Privathäusem 76 Häuser der
Frankenallee-Aktiengesellschaft, 160 Wohnungen der Mietheim-Aktien-
gesellschaft und 761 Wohnungen der Aktiengesellschaft Hellerhof.
CHRONIK.
Die Herren Professor Th. Goecke in Berlin und Professor G. Högg
in Dresden haben an dem Preisgerichte des Wettbewerbes, der zur
PRÜFUNG DER ÄSTHETISCHEN BERECHTIGUNG DES
FLACHEN DACHES von der Hauptstelle für Bau- und Kunst-
beratung des Werdandi-Bundes zu Berlin ausgeschrieben war, nicht teil-
genommen, vielmehr gegen die überstürzte Einberufung des Preis-
gerichtes, die den Herren die Teilnahme am Preisgericht unmöglich
machte, Einspruch erhoben.
Im WETTBEWERBE UM ENTWÜRFE FÜR EINE
RINGANLAGE IN HAMM in Westf. sind folgende Preise ver-
teilt worden:
I. Preis — 3000 Mk. — Entwurf No. 21 mit dem Kennwort: „Bürger-
sinn schmücke die Stadt mit des Ringwalls grünendem Kranze; weiser
Lenker Beschluß preiset das fernste Geschlecht."
Verfasser: Regierungsbaumeister a. D. Dr.-Ing. Dondorff in Hamm,
Architekt Hermann Neuhaus in Köln, Gartenarchitekten
Rud. Rausch und Karl Reinhard, in Firma Rausch & Reinhard
in Köln.
II. Preis — 2000 Mk. — Entwurf No. 64 mit dem Kennwort: „Stadt-
wappen."
Verfasser: Architekt B. D. A. Paul Bender in Dresden, Garten-
architekt C. Krause in Dresden.
III. Preis — 1000 Mk. — Entwurf No. 24 mit dem Kennwort: „Denkt
an die Zukunft."
Verfasser: Stadtbaumeister Förster in Hamm, Gartenarchitekt
H. Foeth und Architekt P. Recht in Köln.
Ankauf zu 500 Mk. Entwurf No. 6 mit dem Kennwort: „Für arm und
reich!"
Verfasser: Gartenarchitekt Hermann Foeth und Architekt Peter
Recht in Köln, Stadtbaumeister Förster in Hamm.
Ankauf zu 500 Mk. Entwurf No. 22 mit dem Kennwort: „Um die Altstadt."
Verfasser: Stadtbauingenieur Brocke in Essen, Gartenarchitekten
Hoddenkamp und Petznick in Essen.
AKADEMIE FÜR KOMMUNALE VERWALTUNG IN
■• DÜSSELDORF. Nachdem nunmehr die Aufnahmefrist für das
Sommersemester abgelaufen ist, stellt sich die Besucherzahl der Akademie
83
DER STÄDTEBAU
für kommunale Verwaltung in Düsseldorf auf 132 (im Wintersemester 129)
ordentliche Hörer und 47 Gasthörer.
SOZIALE STUDIENREISE NACH ENGLAND. Die für
August geplante Studienreise der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft
nach England ist auf Grund der bereits vorliegenden Meldungen gesichert.
Diese Reise, die über die Städte York, Liverpool, Birmingham und
London führt und dem Studium der englischen Wohnungs- und An-
siedelungsweise gewidmet ist, sowie reiche Gelegenheit zu eingehender
Kenntnisnahme anderer sozialer und kommunaler Einrichtungen und
auch des englischen gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens bietet,
scheint sich zu einer dauernden gemeinnützigen Einrichtung zu ent-
wickeln. Dies ist auch aus dem von der Gesellschaft veröffentlichten
i,Rückblick" über die bisher veranstalteten Reisen ersichtlich, in dem sich
eine Reihe im öffentlichen Leben stehender früherer Reiseteilnehmer —
Architekten, Bau- und Medizinalbeamte, Gemeindebeamte usw. — über
die Anregungen und Kenntnisse äußern, die ihnen diese Reise auf
sozialem, künstlerischem und gesundheitlichem Gebiet vermittelt haben,
und der zeigt, daß die Teilnahme der kulturtragenden behördlichen wie
privaten Kreise für eine gründliche Umgestaltung unseres Wohnungs-
wesens im erfreulichen \A^achstum begriffen ist. Das Programm wird
vom Generalsekretär A. Otto in Berlin-Schlachtensee gern abgegeben.
Die Frau Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preußen hat
geruht, das PROTEKTORAT ÜBER DIE DEUTSCHE
GARTENSTADTGESELLSCHAFT zu übernehmen. Die gemein-
nützigen Bestrebungen dieser Gesellschaft auf dem Gebiete des Wohnungs-
und Ansiedelungswesens erfahren hierdurch eine hocherfreuliche An-
erkennung und Förderung. Das Protektorat bezieht sich auf den
Hauptverein (Geschäftsstelle in Berlin-Schlachtensee) und dessen Ideen-
propaganda, doch nicht auf die von diesem ins Leben gerufenen Orts-
gruppen und wirtschaftlichen Unternehmungen.
Während der Monate Juni und Juli wird in FLENSBURG EINE
GRÖSSERE BAUAUSSTELLUNG veranstaltet, die in
umfassender Weise einen Überblick bieten soll über die neuzeitliche
Bewegung in Baukunst und Bauhandwerk. Der dazu gebildete Ausschuß
setzt sich zum Ziel, in weite Kreise der Öffentlichkeit von Stadt und
Land Verständnis hinauszutragen für die großen und mannigfachen Auf-
gaben, die auf dem Gebiet der Baukunst zu lösen sind. — Nach einem
Rückblick auf das, was an guten alten Wohn- und Nutzbauten im Lande
ehemals geschaffen wurde, soll gezeigt werden, daß auch in der Gegenwart
diese Aufgaben schönen Lösungen entgegengeführt werden können. ■ —
Die erfolgreichen Versuche zur Hebung der Bauweise, welche in den
letzten Jahren unternommen wurden, werden gruppenweise vorgeführt.
Dieser Abteilung schließt sich eine Ausstellung von Photographien und
Modellen nach neuzeitlichen Bauwerken in Schleswig-Holstein an. Eine
Reihe von Vorträgen über den S.-H.-Heimatschutz, heimische Kirchen-
bauten, die Gartenstadt, moderne Backsteinbauten, landwirtschaftliche
Nutzbauten, das moderne Mietshaus, Bebauungspläne, die Aufgaben der
Baugenossenschaften und über Bauberatungsstellen soll anschließend an
die Ausstellung Verständnis und Teilnahme wecken.
Vorträge, die aus Anlaß der Bauausstellung im Museum statt-
finden sollen.
4. Juni nachm. 6 Uhr: v. Hedemann-Heespen, Deutsch-Nienhof: „Der
S.-H. Landesverein für Heimatschutz".
8. Juni nachm. 6 Uhr: Prof. Dr. Haupt, Preetz : „Kirchenbau in Schleswig-
Holstein".
15. Juni nachm. 6 Uhr: Prof. Stiehl, Charlottenburg: „Moderne^ Back-
steinbauten".
22. Juni nachm. 6 Uhr: Architekt Voß, Fehmarn: „Ländliche Wohn- und
Nutzbauten".
26. Juni nachm. 6 Uhr: Architekt Endeil, Berlin: „Das moderne Mietshaus".
6. Juli abends 8 Uhr: Prof. v. Berlepsch-Valendäs, München: „Die
Gartenstadt".
13. Juli nachm. 6 Uhr: Architekt Jansen, Berlin: „Bebauungspläne".
20. Juli nachm. 6 Uhr: Landesversicherungsrat Hansen, Kiel: „Klein-
wohnungsbau".
27. Juli nachm. 6 Uhr: Landesbaurat a. D. und Beigeordneter Rehorst,
Köln: „Aufgaben der Bauberatungsstellen".
Während der vom i. Juli bis Ende Oktober d. J. dauernden Städte-
Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Gebiete in
Düsseldorf wird ein KONGRESS FÜR STÄDTEWESEN ver-
anstaltet, und zwar vom 23. bis 28. September d. J. mit verschiedenen
Abteilungen.
Für die Teilnahme an den Veranstaltungen einer Abteilung des
Kongresses sind 12 Mk. zu zahlen, für jede weitere Abteilung 6 Mk. Alle
Teilnehmer erhalten eine Karte, die sie persönlich berechtigt, an den
Sitzungen und Besichtigungen teilzunehmen und die Städte-Ausstellung
während des Kongresses zu besuchen.
Die Leitung des Kongresses liegt in den Händen des geschäfts-
führenden Ausschusses der Städte-Ausstellung Düsseldorf 1912. Es sollen
Vorträge von besonders aufzufordernden Personen gehalten werden, außer-
dem dürfen die Teilnehmer des Kongresses Vorträge anmelden und sich
an den Verhandlungen beteiligen.
Die Veranstaltungen innerhalb des Kongresses vollziehen sich in
a) Gesamtsitzungen,
b) Abteilungssitzungen,
c) Besuchen städtischer Anstalten und industrieller Anlagen.
Die in den Sitzungen zulässigen Sprachen sind Deutsch, Englisch und
Französisch. Die Verhandlungssprache ist Deutsch, in der auch die
Sitzungsberichte abgefaßt werden.
Der geschäftsführende Ausschuß wird über die Zulassung der Vor-
träge Beschluß fassen. Die Mitglieder, die Vorträge oder Mitteilungen
vorzulegen wünschen, müssen diese mindestens drei Monate vor der Er-
öffnung des Kongresses mit einer Inhaltsangabe anmelden. Die Dauer
der Vorträge soll so kurz als möglich sein und im allgemeinen die Zeit
von 30 Minuten nicht übersteigen; während der Erörterung sollen die
Redner das Wort nicht länger als fünf Minuten haben und nicht mehr
als zweimal über denselben Gegenstand sprechen.
Um eine sorgfältige Abfassung der Niederschriften der Sitzungen
zu ermöglichen, werden alle Redner ersucht, dem Schriftführer spätestens
zwei Stunden nach Schluß der Sitzung einen kurzen Auszug ihrer Aus-
führungen zu übermitteln. Dieser Auszug kann in einer der drei zulässigen
Sprachen abgefaßt werden. Wird der Auszug in der angegebenen Zeit
nicht eingereicht, so setzt die Leitung den Wortlaut endgültig und selb-
ständig fest. Auch ist der Leitung gestattet, die Auszüge, wenn nötig
und angängig, sinnentsprechend zu kürzen. Der geschäftsführende Aus-
schuß behält sich das Recht vor, die Vorträge und Niederschriften drucken
zu lassen. Im Falle einer Veröffentlichung erhält jeder Vortragende auf
seinen VS^unsch kostenlos zehn Sonderabdrücke.
Durch die Meldungen werden diese Satzungen anerkannt. Die in
diesen Satzungen nicht vorgesehenen Fragen werden von dem geschäfts-
führenden Ausschuß entschieden.
Die auf den Kongreß sich beziehenden Mitteilungen sind an die
Geschäftsstelle der Städte- Ausstellung Düsseldorf 19 12, Kunstpalast, Cecilien-
allee zu richten.
Zur VERSTEIGERUNG eines mehr als 81 100 qm umfassenden
Teiles des zwischen Swinemünde und Heringsdorf-Ahlbeck
belegenen FISKALISCHEN DÜNEN^A^ALDES war auf den
14. Mai d. J. von der Königl. Regierung zu Stettin ein Termin angesetzt.
Das Verkaufsgelände grenzt im Norden mit rund 448 m an den
Ostseestrand, im Osten mit rund 70 m an die Admiralstraße von Bad
Swinemünde und mit 161 m an die Hinterfront der Hardenbergstraße,
im Süden und Westen an meilenweiten Hochwald. Bestanden ist es
mit 20 — 130jährigen Kiefern, Erlen und Aspen, die mit an den
Käufer übergehen. Bebauungsplan ist vorhanden, Eingemeindung nach
Swinemünde bereits vereinbart. Das Mindestgebot war auf 415000 Mk.
festgesetzt. Demnach beträgt der Mindestpreis 5 Mk. für i qm. Der
Staat scheint jetzt allerorten mit dem Verkauf von Waldungen Ge-
schäfte zu machen.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herros^ & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W^.
n
Bebauungspläne Frankfurter Wiesen, Leipzig.
9. Jahrgang
1912
8. Heft
FÜR- DiE- KÜNSTLQdSCMEAUyöKTAl:
TUNQDER -STÄDTE- hACtt- iHRENWiRT
SCMAFTÜChEM- ÖES^NDMEITÜOIEN- UND
S9Z.IALEN- QRUNDVVTZEN: QEQRONDET-VON
TriEODORnnrcKF-c^MiLLgsinfri
^giV£RLAQ^ERNyrWA\MUTti. BERLIN.
** NEBST EINER SONDERBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT **
INHALTSVERZEICHNIS: Die Vorschläge zur Bebauung der Frankfurter Wiesen in Leipzig. Von Theodor Goecke, Berlin. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
DIE VORSCHLÄGE ZUR BEBAUUNG DER
FRANKFURTER WIESEN IN LEIPZIG.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Die Bedingungen des Wettbewerbes, der Vorschläge
zur Bebauung der Frankfurter 'Wiesen in Leipzig in reich-
licher Fülle gebracht hat, sind auf Seite 96 und 107 des vorigen
Jahrganges unserer Zeitschrift ausführlich mitgeteilt worden.
Beim Anblicke der den gegenwärtigen Zustand der Frank-
furter Wiesen wiedergebenden Abbildungen schon, die dem
die Bedingungen enthaltenden Heftchen in vortrefflicher Dar-
stellung beigefügt waren, wird manch einem mit dem Be-
dauern, daß die reizvolle Wiesenlandschaft der Bebauung
geopfert werden soll, die Frage aufgestiegen sein, muß das
sein? Zugleich aber mit dieser Frage auch die Überzeugung,
daß, wenn es sein muß, eine möglichst weitgehende Scho-
nung der die Wiesen schmückenden Baumgruppen, Allee-
wege und Wasserläufe, vor allem der das ganze Gelände
umrahmenden Randwälder geboten sei. Und doch stand
gerade dem das Programm in manchen Punkten entgegen.
Das Hochwasser der Elster und Pleiße, das diese Wiesen
zuzeiten zu überfluten pflegt und der Stadt den im Liede
verherrlichten Beinamen der großen Seestadt verschafft hat,
soll in einer breiten geradlinigen Flutrinne zusammengefaßt
werden. Ob dies notwendig ist, wenn keine Bebauung be-
absichtigt wäre, vermag ich nicht zu beurteilen — bejahenden-
falls könnte sich der Naturfreund aber wohl eine der Er-
haltung der Landschaft günstigere Lösung vorstellen Die
dem Programm zugrunde gelegte bringt so einschneidende
Veränderungen der Natur mit sich und hat eine so starre
architektonische Form, daß eine Bebauung der Wiesen fast
folgerecht erscheinen möchte. Die weitere Folge ist dann
die Höherlegung der Straßen und damit verschwinden ganz
von selbst so manche schöne Baumgruppe, die Alleewege
und grünen Uferböschungen, Schade darum!
44 Entwürfe waren eingegangen, davon ein unvollstän-
diger No. 10 „Salus rei publicae", der sich selbst außer
Wettbewerb gestellt, in seinem Erläuterungsbericht übrigens
sehr beachtenswerte Gedanken ausgesprochen hat. Ist auch
die Aufgabe nicht entfernt von dem Umfange gewesen, wie
die vor 2 Jahren zur Beschaffung eines Grundplanes für
Groß-Berlin, so doch eine wegen der örtlichen Verhältnisse,
die ein eingehendes Studium erforderten, immerhin außer-
gewöhnliche. Dieser entspricht die verhältnismäßig große
Beteiligung und der verhältnismäßig große Reichtum in den
Entwürfen niedergelegter Anregungen.
Von den nicht mit Preisen bedachten Entwürfen sind
es namentlich No. 6 „Die Zukünftige suchen wir", No. 36
„Kultur" und No. 44 „Groß-Leipzig" (II), die in dieser
Hinsicht besondere Erwähnung verdienen. Der erst- und
letztgenannte haben mit No. 29 „Leipzig 1911" auch zur
engeren Wahl gestanden. Als Verfasser von No. 6 „Die
Zukünftige suchen wir" hat sich der Stadtbauinspefctor
Paul Wolf in Berlin-Schöneberg bekannt; den Lage-
85
DER STÄDTEBAU
viT)"
Abb. I und 2. Architekten Oscar Lange, Berlin- Wilmersdorf und Carl Lörcher, Stuttgart.
86
DER STÄDTEBAU
Abb. 3 und 4. Architekt Professor Bruno Möhring, Berlin.
87
DER STÄDTEBAU
Abb. 5. Architekt Professor Bruno Möhring, Berlin,
plan und zwei Schaubilder — besonders schön die Fest-
halle in der Achse des Hauptwasserbeckens - geben die
Tafel 49 a bzw. die Textbilder 10 und 11 wieder. Der Ent-
wurf No. 44 „Groß-Leipzig" (II) rührt von den Erbauern
des großartigen neuen Leipziger Bahnhofs-Empfangs-
gebäudes, Architekten Loßow & Kühne in Dresden her.
Von diesem ist ein Schaubild auf Tafel 48 hier beigefügt,
mit einer Architektur, die freilich erheblich über den aus-
führbaren Maßstab hinausgeht.
Die Verfasser von No. 29 „Leipzig 1911" sind Architekt
Professor Franz Seeck in Berlin und Gartenarchitekt Paul
Freye in Charlottenburg; den Lageplan gibt Tafel 49b, ein
Schaubild Abb. 14 im Text wieder. No. 36 „Kultur" ist vom
Architekten Gottfried Wehling in Düsseldorf eingesandt
worden. Siehe den Lageplan und zwei Schaubilder auf Tafel 51
bzw. Abb. 15 und 16 im Text. Schaubilder waren bis zu fünf
im Programm gefordert. Auch bei dieser Gelegenheit ist die
Frage wieder erörtert worden, ob Schaubilder notwendig sind.
Abb. 6. Ingenieur Carl Mürdel, Architekt Hans Rummel und Architekt Dipl.-Ing. Christoph Rummel, Frankfurt a. M.
88
DER STÄDTEBAU
Abb. 7. Architekt B. D. A.' Henry Groß, Charlottenburg.
In den Leipziger Neuesten Nachrichten wurde es sogar — an-
geblich von fachmännischer Seite darauf hingewiesen — als
bedauerlich bezeichnet, daß überhaupt Schaubilder bei einem
derartigen Wettbewerbe gefordert und zugelassen worden
seien, weil solche Bilder keinen Anspruch auf die Verwirk-
lichung erheben könnten. Als ob es nur darauf ankäme!
Die Städtebaukunst ist Raumkunst im großen — wie jede Bau-
kunst auf Grund wirtschaftlicher Notwendigkeiten. Der Zu-
schnitt der Baublöcke, die Gestaltung der Straßenecken, die
Aufteilung der Baugrundstücke und ihre Ausnutzung nach
Fläche und Höhe sind entscheidend für den Aufbau der Stadt.
Das ist nicht nach dem Lageplan allein zu beurteilen, so wenig
wie der Hausbau nach dem Grundrisse. Der Verfasser muß
sich selber Rechenschaft ablegen über die Folgen seiner
Abb. 8. Architekt B. D. A. Henry Groß, Charlottenburg.
89
DER STÄDTEBAU
Abb. 9. Architekten Emil Bercher, Friedrich Veil und Dipl.-Ing. Carl Magenau, Stuttgart.
Planung, er muß seine Auftraggeber von ihrer Zweckmäßig-
keit zu überzeugen suchen. Dazu bieten Schaubilder das
Mittel; ob diese nachher in der Wirklichkeit erstehen werden,
ist nebensächlich. Die Möglichkeit zu ihrer Entstehung
muß geboten und nachgewiesen werden, die Anregung dem
später zum Bauen Berufenen, wie er am vollkommensten
zu seinem Ziele gelangen kann. Ob und wie dieser dann
davon Gebrauch macht, bleibt seine Sache! Andernfalls
würden wir wieder in die alte Plantechnik zurückfallen, die
eben ohne Rücksicht auf den Aufbau gewirtschaftet hat und
deren Folgen wir sowohl vom ästhetischen als vom prak-
tischen Standpunkte in unseren modernen Städten zu be-
klagen leider so vielfach Ursache haben. Nur das kann
die Frage sein, wie weit man mit der Forderung von Schau-
bildern gehen soll? Vielleicht ist man in dem Leipziger
Wettbewerb darin zu weit gegangen. Schon mit Rücksicht
darauf, daß nicht mehr Arbeit von den Teilnehmern des
Wettbewerbes verlangt werden soll, als gerade zur Lösung
der Aufgabe notwendig ist, wird man sich eine gewisse
Beschränkung in der Zahl sowohl, als auch in der Größe
und Darstellungsart der Schaubilder auferlegen müssen —
unter Umständen können einfache Handskizzen schon
genügen !
Im vorliegenden Falle waren wie gesagt Schaubilder
verlangt bis zu 5 Stück. Damit war es den Bewerbern
überlassen, ob sie den Schwerpunkt ihrer Vorschläge in den
Lageplan oder in die Schaubilder verlegen wollten. Tat-
sächlich ist dies auch ganz verschieden gemacht worden.
Es werden deshalb je nachdem das als wesentlich Er-
scheinende, gleichviel ob Schaubild oder Lageplan bzw. mehr
oder weniger Schaubilder mit dem Lageplan hier wieder-
gegeben. Von No. 8 mit dem Kennzeichen O '^ O (Architekt
Schumann in Dresden) werden noch der Lageplan auf
Tafel 50a und zwei Schaubilder, im Texte No. 12 und 13,
endlich No. 16 „Groß-Leipzig" (Architekt Wünschmann)
der Lageplan auf Tafel 50b beigegeben. No. 11 „Achse"
und No. 34 „Elsterterrasse" hatte sich durch liebenswürdig
durchgebildete Einzelheiten ausgezeichnet.
Und nun zu den Preisgekrönten ! Im allgemeinen folgen
wir dem im Auszug abgedruckten Urteil des Preisgerichtes,
das in drei Punkten gegenüber dem strengen Wortlaute des
Programms insofern eine mildere Auffassung bekundet hat,
als es erstens auch bessere Lösungen als die in den Unterlagen
angegebene Achsenverschiebung der Frankfurter Straße vor
der unteren Flutrinnenbrücke mit bogenförmigem Übergange,
zweitens auch eine weniger unmittelbar auf die obere Flut-
rinnenbrücke der Leutzscher Allee auftreffende Straßen-
verbindung mit dem Anfangspunkte der Frankfurter Straße
und drittens auch eine mehr stumpfwinkelig von der unteren
Flutrinnenbrücke der Frankfurter Straße abgehende Straßen-
verbindung mit den Vororten Lindenau und Leutzsch als
zulässig erachtet hat.
90
DER STÄDTEBAU
Abb. 10. Stadtbauinspektor Paul Wolf, Schöneberg.
s
Die beiden Entwürfe No. 26 „Natur und Kunst" der
Architekten Oscar Lange in Berlin-Wilmersdorf und
Carl Lörcher in Stuttgart — siehe Tafeln 41 und Text-
bilder 1 und 2 — sowie No. 32 „Blau und grün" des
Architekten Professor Bruno Möhring in Berlin — siehe
Tafel 42 und Textbilder 3 bis 5 — hat das Preisgericht als
gleichwertig erklärt, so daß der I. und IL Preis von 15000
bzw. 10000 Mk. zu zwei gleichen Preisen von je 12500 Mk.
zusammengelegt wurden. Die geringere Rücksicht auf den
vorhandenen Baumbestand bei der Planung des Landhaus-
viertels an der Leutzscher Allee und die unvorteilhafte An-
ordnung eines schmalen zur Landhausbebauung bestimmten
Streifens zwischen zwei Straßen längs der Flutrinne in dem
nach der Nummer des Einganges zuerst genannten Entwürfe
lassen den Möhringschen Entwurf, der sorgfaltig den vorr
handenen Baumbestand schont, aber doch als den für die
Ausführung reiferen erscheinen. Als einen besonderen Vor-
zug desselben erblicke ich ferner in dem Vorschlage einer
dritten, zwischen die untere und obere noch einzuschiebenden
Brücke über die Flutrinne.
Abb. II. ArchitektStadtbauinspektor Paul Wolf, Schöneberg.
91
DER STÄDTEBAU
Abb. 12 und 13. Architekt Fritz Schumann, Dresden-Plauen.
Die beiden gleichwertigen III. Preise sind an No. 20
„S. V. B. E." des Regierungsbaumeisters Edmund Neue,
Berlin-Schmargendorf, in Verbindung mit dem Archi-
tekten M. Vogeler in Weimar — siehe Tafel 43 — und an
No. 35 „Elsterufer" der Herren Ingenieur Carl Mürdel
und Architekten Hans und Dipl.-Ing. Christoph Rummel
in Frankfurt a. M. — siehe Tafel 44 und Schaubild im Text
No. 6 — gefallen. Beide sind tüchtige Arbeiten.
Unter den mit einem IV. Preise bedachten Entwürfen
ragt No. 12 „Groß- und Klein-Paris" von Architekt Her-
mann Jansen in Berlin besonders hervor. Er würde
sicher höher bewertet worden sein, wenn er nicht die ver-
langte unmittelbare Verbindung mit Lindenau zu arg ver-
nachlässigt hätte, zumal die an der Elster entlang geplanten
Grünanlagen eine reizvolle Ausbildung gestatten und die
Heranschiebung des Ausstellungsparkes an das Waldgebiet
i'''^'',«v«i»iiiiliiiJi(Siiiiii;i;iU)ii ^s,
Abb. i^. Architekt Professor Fraiiz Seeck, Steglitz und Gartenarchitekt Paul Freye, Charlottenburg.
92
ÖER STÄDTEBAU
Abb. 15. Architekt B. D. A. Gottfried Wehling, Düsseldorf.
einen beachtenswerten Gedanken enthält — vgl. Tafel 45.
Der Entwurf No. 25 „Forum Aquarum" des Architekten
B.D.A. Henry Groß in Charlottenburg bietet in fast phan-
tastische Stimmung getauchte Städtebilder — vgl. Tafel 46 und
Schaubilder im Text 7 und 8 — in merkwürdigem Gegensatze
zu dem zwar großzügigen, aber doch fest im Boden der Wirk-
lichkeit wurzelnden Geiste des Leipziger Großkaufmanns.
Endlich der Entwurf No. 43 „Fax vobiscum" der
Architekten Emil Bercher, Friedrich Veil und Karl Ma-
genau in Stuttgart, dessen Lageplan auffallend wenig von
der künstlerischen Auffassung, die sich in den Schaubildern
betätigte, beeinflußt zeigt. Vgl. Tafel 47 und Textbild No. 9.
AUSZUG AUS DER NIEDERSCHRIFT DER
VERHANDLUNGEN DES PREISGERICHTS.
Entwurf No. 12, Kennwort „Groß- und Klein-Paris". (Architekt
Hermann Jansen in Berlin.)
Ein vermittelnder Übergang vom großen Vorflutbett zum Wasser-
becken fehlt; damit ist gegen die Bedingung verstoßen, wonach schroffe
Querschnittsänderungen zu vermeiden waren.
Abb. 16. Architekt B. D. A. Gottfried Wehling, Düsseldorf.
93
ÖER STÄDTEBAU
Die in der Planunterlage mit rot gestrichelten Linien als wichtige
Verkehrsverbindung nach dem nördlichen Teile von Lindenau hin an-
gedeutete Straße hat die ihr zukommende Bedeutung nicht erhalten. Die
Aufteilung des Geländes erscheint vorteilhaft und großzügig.
Der zweckmäßig angelegte Ausstellungspark und die Festhalle sind
in gute Beziehungen zueinander gebracht. Die Stellung der öffentlichen
Gebäude, besonders der Ausstellungshalle in ihrer Beziehung zu den
Hauptstraßen und der Wasserfläche ist wohl überlegt. Auch die An-
ordnung des Ausstellungsparkes in ungeteilter Fläche ist als ein Vorzug
zu bezeichnen. Die Aufteilung des Meßplatzes ist durch die Anlage von
Ost- und Weststraßen ungünstig und der Vorschlag, den Neubau eines
Gymnasiums und einer Kirche an das äußerste Ende des Geländes zu
verlegen, nicht unbedenklich. Besonders zu loben ist die Anordnung des
Schulgebäudes und der durch die Turnhalle getrennten Spielplätze inner-
halb des Baublocks.
Bei der Frankfurter Straßenbrücke liegen die Kämpfer etwa 1,5 m
unter dem Hochwasserspiegel; dies ist einerseits mit Rücksicht auf den
dadurch vergrößerten Rückstau, andererseits wegen der Kämpfergelenkfugen
untunlich. Die lichte Weite in Normalwasserhöhe ist von 30 auf 28,5 m
eingeschränkt; dies ist mit Rücksicht auf den Rudersport nicht angängig
und verstößt gegen die gestellten Bedingungen.
Der Anschluß an die Staatsbahn ist nicht dargestellt, wenn auch
die Möglichkeit dazu gegeben.
Die Grünverbindung von Norden nach Süden ist reichlich vor-
handen; namentlich ist deren Parallelführung zur Elster zu loben.
Das Vogelschaubild zeugt von künstlerischem Können.
Entwurf No. 20, Kennwort „S.V. B. E." (Regierungsbaumeister Eduard
Neue, Berlin-Schmargendorf und Architekt M. Vogeler, W^eimar.)
Die Frankfurter Straße sowie die Mittelallee sind verkehrstechnisch
und städtebaulich hervorragend angeordnet. Die Bebauung der rechts
der Flutrinne gelegenen Gebietsteile ist trotz weitgehender Ausnutzung
des Geländes sehr gut gelöst.
Die Lage der öffentlichen Gebäude ist eine glückliche, die Straßen-
verbindung mit bestehenden Stadtteilen auf der rechten Seite der Flut-
rinne eine zweckmäßige, die landschaftliche Verbindung der südlichen mit
der nördlichen Grünfläche gut durchgeführt.
Die an sich vorteilhafte Verbindung des Ausstellungsparkes mit dem
künftigen Spiel- und Sportplatz verschiebt das Hauptwasserbecken in
unerwünschter Weise von der Frankfurter Straße und erschwert die
Zugänglichkeit der Ausstellung. Zu bemängeln ist die durch die Form
des Hauptwasserbeckens gegebene sprungweise Querschnittsänderung der
Wasserfläche.
Es fehlt die gewünschte Schrägverbindung mit Lindenau und
Leutzsch. Das seitlich angeordnete Wasserbecken ist, so schön es städte-
baulich gedacht ist, technisch wegen der Wasserverteilung, wirtschaftlich
wegen der 4 Brücken, kaum durchführbar.
Im ganzen gibt der Entwurf einen gut durchdachten Plan von groß-
zügiger Auffassung.
Entwurf No. 25, Kennwort „Forum aquarum". (Architekt B. D. A.
Henry Groß, Charlottenburg.)
Die Hauptverkehrsstraßen sind beiderseits der Flutrinne zweckmäßig
und schön angeordnet.
Die Lage des Ausstellungsplatzes sowie die Richtung des Aus-
stellungsgebäudes zum Hauptbecken ist gut, die Teilung des Ausstellungs-
geländes in zwei Teile aber weniger praktisch.
Die Bebauung ist wirtschaftlich gut gedacht, die Aufstellung eines
öffentlichen Gebäudes an der Hauptverkehrsstraße dagegen nicht zu
empfehlen.
Die nördlichen und südlichen Grünflächen sind zweckmässig und
schön miteinander verbunden und überschreiten nicht das durch eine
gesunde 'Wirtschaftlichkeit bedingte Maß.
In der Variante ist die Verbreiterung des Beckens über die Frank-
furter Straße hinaus wegen der dadurch bedingten längeren Überbrückung
unwirtschaftlich.
Der Gedankenreichtum im architektonischen Aufbau hat manche
Überschwenglichkeiten gezeitigt (Insel im Hauptbecken, Turm und Pylonen-
bauten), die die erwünschte Ruhe beeinträchtigen und den Entwurf im
ganzen als unausführbar erscheinen lassen.
Entwurf No. 26, Kennwort „Natur und Kunst". Oscar Lange in
Berlin-Wilmersdorf und Carl Lörcher, Stuttgart, (Architekten).
Die Führung der Verkehrszüge ist vorzüglich; die Frankfurter
Straße wird, ohne daß spitzwinklige Blöcke entstehen, in sehlanker Linie
in der Richtung nach dem Norden Lindenaus geführt, die Ersatzlinie der
Leutzscher Straße wird im Flutbett der alten Elster in die Leutzscher
Allee eingeleitet. Der Gleisanschluß für das Ausstellungsgebäude ist in
einer Nebenstraße glücklich angeordnet.
Die Blockaufteilung ist im allgemeinen zweckmäßig und wirschaftlich.
Die für offene Bauweise bestimmten Blöcke erscheinen reichlich tief. Als
Fehler ist die Aufteilung des Geländes im Nordwesten am Leutzscher
Holz anzusprechen.
In künstlerischer Beziehung weist der Entwurf eine Fülle schöner Ge-
danken auf. Besonders glücklich ist die Achsenverschiebung der Frankfurter
Straße gegen die Brücke vermittelst einer platzartigen Erweiterung vor
dem Eingang zur Ausstellungshalle. Die Anordnung der öffentlichen
Bauten ist zweckmäßig und gewährleistet die Bildung schöner Städtebilder.
Die Beziehung der Bebauung zu der großen Wasserfläche ist günstig,
insbesondere ist die Erweiterung des Wasserbeckens vor dem Ausstellungs-
gebäude und deren Einfassung durch Hallenbauten in künstlerischer und
praktischer Beziehung ein guter Gedanke.
Die dem Entwürfe beigegebenen Schaubilder zeigen große Begabung
für Raumschöpfungen.
Entwurf No. 32, Kennwort „Blau und Grün". (Architekt Professor
Bruno Möhring in Berlin).
Die Verkehrsbedingungen sind glücklich erfüllt. Besonders lobenswert
ist der Eisenbahnanschluß des Hauptgebäudes des Ausstellungsgeländes
an den Bahnhof Gohlis-Möckern. Die Verbindung mit den Wäldern im
Norden und im Süden sowie mit dem Albertpark ist an den schön aus-
gebildeten Ufern der Flutrinne hergestellt. Die Ausbuchtungen der Wasser-
fläche an und gegenüber dem Ausstellungsgelände sind in ruhiger Linien-
führung gehalten. Die Baublöcke haben gute Form und sind vom wirt-
schaftlichen Standpunkt aus als gelungen zu bezeichnen.
Der Vorschlag in der Variante, an der Flutrinne eine offene Bau-
weise im Rücken einer geschlossenen Bauweise anzuordnen, kann auf
allseitige Billigung nicht rechnen.
Ausstellungspark, Festhalle und Meßplatz sind in gute Beziehungen
zueinander gebracht. Hervorzuheben ist die günstige Lage der Festhalle
zum ungeteilten Ausstellungsplatz, zur Flutrinne und zur Frankfurter
Straße. Kirche und öffentliche Gebäude sind im Bebauungsplane günstig
eingefügt.
Im ganzen zeigt der Entwurf, wie auch die Schaubilder dartun, eine
reife künstlerische Auffassung.
Entwurf No. 35, Kennwort „Elsteruler". (Ingenieur Karl Mürdel und
Architekten Hans und Dipl.-Ing. Christoph Rummel, Frankfurt a. M.)
Die Verkehrsverbindung als Ersatz für den Leutzscher Weg nach
der oberen Flutrinnenbrücke erscheint zwar genügend, doch ist die Ver-
bindung nach Lindenau nicht unmittelbar genug. Die Aufteilung des
Geländes ist gut gelöst, die Himmelsrichtung der Straßen einwandfrei,
die Gestaltung der Baublöcke im allgemeinen gut angeordnet, in einzelnen
Fällen jedoch weniger glücklich.
Die Zweiteilung des Ausstellungsplatzes ist zu bemängeln, die An-
ordnung einer Gruppe öffentlicher Gebäude am Ufer der alten Elster
dagegen zu billigen.
Die Schaubilder zeigen gutes Verständnis und Feingefühl für städte-
bauliche Anlagen. Die wirtschaftliche Ausnutzung erscheint gewährleistet.
Entwurf No. 43, Kennwort „Pax vobiscum". (Architekten Emil
Bercher, Friedrich Veil und Karl Magenau, Stuttgart.)
Den Verkehrsbedürfnissen ist im allgemeinen genügt. Die Verbindung
von der Frankfurter Straße nach dem Norden von Lindenau ist in anderen
Entwürfen zwar besser gelöst, jedoch bietet der vorliegende Entwurf dafür
94
DER STÄDTEBAU
günstigere Baublöcke. Unschön und unpraktisch dagegen sind die im
übrigen vielfach verwendeten dreieckigen Baublöcke und spitzen Winkel.
Als Folge davon, daß zu wenig zwischen Verkehrs- und Wohnstraße
unterschieden ist, geht reichlich viel als Straßenland verloren.
Das Flutrinnenbecken ist vom Wasserbau technischen Standpunkt
sehr gut gelöst.
Die in der Variante dargestellte Aufteilung des Meßplatzes ist in Folge
der erzwungenen Beibehaltung des Leutzscher Weges ungünstig geworden.
Im nordwestlichen Bezirk ist die Schule gegenüber der Festhalle
glücklich angeordnet. Die Bebauung des Geländes bei den Teichgrund-
stücken ist dagegen nicht genügend durchgearbeitet.
Die Stellung der Ausstellungshalle teilt den Platz in zwei getrennte
Hälften. Die Zuführung von der Frankfurter Straße entbehrt einer
beherrschenden Hauptachse. Die Schaubilder sind von beträchtlichem
künstlerischen Werte und geben schätzenswerte Anregungen.
Unliebsames Aufsehen hat es erregt, daß der Königliche
Baurat Tscharmann in Dresden die mit einem der beiden
ersten Preise ausgezeichneten Architekten Lange und Lörcher
eines an seinem Entwürfe für die Ausgestaltung des Königs-
ufers in Dresden begangenen geistigen Diebstahls be-
schuldigte — das Preisgericht ist zur Prüfung dieser Be-
schuldigung nochmals zusammengetreten, Die Tatsache,
daß Herr Lörcher den Entwurf des Herrn Tscharmann
gesehen und gut im Gedächtnis behalten hat, zugegeben,
hat das Preisgericht doch nicht veranlaßt, an seiner Beur-
teilung etwas zu ändern. Da jedoch bei dieser Gelegenheit
die Äußerung gefallen ist, daß es bei städtebaulichen Wett-
bewerben üblich sei, ohne weiteres gerade in den Plan
passende fremde Städtebilder zu verwenden und daß selbst
der Altmeister der Städtebaukunst Henrici es s. Zt. nicht
verschmäht habe, in seinem preisgekrönten Plan für München
das gleiche zu tun, zwingt mich auf den gewaltigen Unter-
schied hinzuweisen zwischen der Verwendung der Öffent-
lichkeit angehöriger Bauwerke und Situationen der Ver-
gangenheit, die allgemein bekannt sind und der Verwendung
von Entwurfsarbeiten, deren Verfasser noch leben und
nicht genannt werden.
Auch diesmal sind wieder Zweifel laut geworden über
den Wert städtebaulicher Wettbewerbe. Besonders haben
gewisse Übertreibungen der Phantasie und der Darstellung
dazu beigetragen, bei den Laien ein Vorurteil zu wecken.
In dieser Hinsicht kann nur zu einem weisen Maßhalten
gemahnt werden. Daß im vorliegenden Falle der Wett-
bewerb zu keinem praktischen Ergebnisse führen dürfte,
hat allerdings außerhalb aller Berechnung gelegen, da in-
zwischen beschlossen worden ist, das Ausstellungsgebäude
in der Nähe des Völkerschlachtdenkmals zu errichten und
zu einer Festhalle das alte Stadttheater umzugestalten.
Damit scheiden die Hauptmotive für die Bebauung der
Frankfurter Wiesen aus. Derartige Programmänderungen
sprechen aber nicht gegen die Veranstaltung von Wett-
bewerben überhaupt ; umgekehrt können gerade diese wohl
die Notwendigkeit einer Programmänderung erweisen. Vom
Standpunkte des Fachmanns verdient indes die Frage er-
wogen zu werden, was leisten uns städtebauliche Wett-
bewerbe und in welchen Fällen erscheinen sie empfehlens-
wert? Ganz allgemein läßt sich darauf antworten, daß wie
bei baukünstlerischen Wettbewerben überhaupt ein all-
gemeiner öffentlicher Wettbewerb nur für bedeutende, groß-
zügige, das ganze Volk angehende Aufgaben veranstaltet
werden sollte mit der Einschränkung, daß im Falle ein-
gehende, zeitraubende Studien an Ort und Stelle die not-
wendige Voraussetzung zu ihrer gedeihlichen Lösung bilden
oder ungewöhnlich schwierige, die besten Kräfte zu ihrer
Überwindung erfordernde Verhältnisse vorliegen, der öffent-
liche auf bestimmte Landesteile bzw. der engere auf be-
stimmte Personen beschränkte Wettbewerb den Vorzug
verdienen kann, doch immer als Ideenwettbewerb, während
im übrigen, wo die Aufgabe eine schon mehr ins einzelne
gehende Bearbeitung verlangt, der örtlich beschränkte öffent-
liche Wettbewerb oder der freihändige Auftrag die Regel
zu bilden hätte.
Wenn irgend möglich, sollten die Preisträger an der
weiteren Bearbeitung des Entwurfs beteiligt werden ; können
sie doch nur selten auf eine Mitwirkung bei der meist sich
in die Länge ziehenden, vielleicht Jahrzehnte oder noch
länger dauernden, immerfort wieder Veränderungen mit sich
bringenden Verwirklichung des Planes rechnen. Drum
müssen die Forderungen des Wettbewerbes auf das un-
bedingt notwendige Maß eingeschränkt, die Preise aber für
die Mühen, die nur ausnahmsweise volle Befriedigung ge-
währen und angemessenen Lohn erhalten können, reichlich
bemessen werden. Ein guter Städtebauplan kann der Ge-
meinde wie der Bevölkerung viel Geld ersparen, ein schlechter
viel vergeuden.
Bei der wirtschaftlichen Bedeutung des Planes und des
zu seiner Erlangung veranstalteten Wettbewerbes ist demnach
eine sorgfältige Vorbereitung, ein fest umrissenes Programm
die erste Vorbedingung. Der Rat der Stadt Leipzig hat mit
Hilfe seines trefilich geleiteten Stadterweiterungsamtes (Stadt-
rat Hofmann und Stadtbauinspektor Hans Strobel) dafür
ausgiebig gesorgt. Das Preisgericht hat infolgedessen auch
zum Schlüsse sagen können, daß ein großer Teil der mit
Preisen ausgezeichneten Bewerber in dieser städtebaulich
hervorragenden Aufgabe eine große Fülle für die weitere
Bearbeitung und Ausführung ausgezeichnete Gedanken
hineingetragen habe.
Weitgehendes Entgegenkommen der Stadt und ihres
Oberbürgermeisters Dr. Dittrich haben es ermöglicht, diese
dem Leipziger Wettbewerbe in erster Linie gewidmete Num-
mer unserer Zeitschrift reicher und besser auszustatten, was
Herausgeber und Verleger und mit ihnen auch wohl die
Leser dankbar anerkennen.
CHRONIK.
EIN FORTBILDUNGS-KURSUS für Baubeamte, Lehrer der
technischen Schulen und Ingenieure industrieller Werke auf den
Gebieten der STATIK des EISENBETON- und des STÄDTE-
BAUES an der Königl. Technischen Hochschule zu Aachen vom 7. bis
26. Oktober 1912 soll eine abgeschlossene Darstellung der Theorie und
Praxis des Eisenbetonbaues bieten. Der Teil über die Statik wird sich
besonders mit den Tragwerken befassen, die im Eisenbetonbau wichtig
sind. Da Fragen des Städtebaues und der kommunalen Politik heute
allseitigem Interesse begegnen, haben wir einige Vorträge über diese
wichtigen Gebiete auf das Programm gesetzt.
Die Vorträge finden täglich vormittags und nachmittags im Architektur-
gebäude der Königl. Technischen Hochschule (Templergraben) statt. In
der ersten Woche wird die Statik, in der zweiten Woche die Statik und der
Eisenbeton und in der letzten Woche der Eisenbeton behandelt, damit
95
DER STÄDTEBAU
der Statikvortrag die Grundlagen für die Eisenbetonvorlesungen schaffen
kann.
Die Vorträge über Städtebau sind über die ersten zwei Wochen
verteilt.
Anmeldungen zur Teilnahme werden möglichst bald an das Sekretariat
der Hochschule zu Aachen erbeten. Die Gebühr für den Kursus beträgt
loo Mark. Die Teilnehmerkarten werden nach der Anmeldung den
Herren zugestellt werden mit der Bitte, die Gebühr an das Sekretariat
einzusenden. Nähere Auskunft erteilen Professor Domke und Professor
Hertwig, Königl. Techn. Hochschule zu Aachen.
An verschiedenen Nachmittagen werden Bauten, industrielle Werke
und Baudenkmäler der Stadt Aachen unter sachverständiger Führung be-
sichtigt. Für die Sonntage sind Ausflüge in die Eifel und die weitere
Umgebung von Aachen geplant.
Verzeichnis der Vorträge.
1. Professor Domke: Theorie, Entwerfen und Konstruktion der Eisen-
betonbauten. 30 Stunden.
2. Professor Dr. Gemünd: Bau- und Bodenpolitik der Städte in ihrer
Bedeutung für das Wohnungswesen. 4 Stunden.
■ 3. Geh. Regierungsrat Professor Dr.-Ing. Henrici: Die Grundlagen
für das Entwerfen von Bebauungsplänen. 6 Stunden.
4. Professor Hertwig: Statik der Baukonstruktionen mit besonderer Be-
rücksichtigung der Aufgaben im Eisenbetonbau. 30 Stunden.
5. Professor Dr. Kahler: Industrieansiedlungen und Stadterweiterungen.
4 Stunden.
6. Privatdozent Dr. techn. Mautner, Oberingenieur der Firma C. Brandt
in Düsseldorf: Moderne Eisenbetonbauten. 4 Stunden.
7. Professor Dr. Passow: Neue Entwicklungstendenzen in der Organi-
sation der kommunalen Erwerbsbetriebe. 4 Stunden.
8. Regierungsbaumeister Petry, Direktor des Deutschen Beton-Vereins,
Oberkassel: Ergebnisse der neueren Eisenbeton- Versuche.
4 Stunden.
g. Regierungsbaumeister Riepert, Vorsitzender der Zentrale zur Förde-
rung der Deutschen Zement-Industrie, Charlottenburg: Her-
stellung und Eigenschaften der neueren Zementarten.
4 Stunden.
io; Geh. Regierungsrat Professor Dr. M. Schmid: Künstlerische Behand-
lung der Eisenbetonbauten. 2 Stunden.
Der ZWECKVERBAND „GROSS-BERLIN" hat sich bei der
Wahl seiner ersten Beamten — des Direktors und des Städtebau-
künstlers — die Gelegenheit entgehen lassen, der Architekten zu gedenken,
die zuerst den Gedanken gefaßt und verbreitet haben, ein einheitliches
„Groß-Berlin" zu schaffen und letzten Endes somit als die geistigen
Urheber des Zweckverbandes angesehen werden müssen. Die einleitenden
Vorträge in der Vereinigung Berliner Architekten, der Wettbewerb um
einen Grundplan für die bauliche Ausgestaltung von Groß-Berlin, die
Städtebau-Ausstellung igio in Berlin waren wichtige Glieder in dieser
von der idealen Begeisterung freiwilliger Mitarbeiter getragenen sechsund-
einhalbjährigen Entwicklungsreihe, die nunmehr in amtliche Bahnen ge-
lenkt werden soll. Es wäre wohl natürlich gewesen, dem vornehmlich
mit künstlerischen und technischen Aufgaben bedachten Verbände auch
eine dementsprechende sachverständige Spitze mit einem Syndikus zur Seite
zu geben. Daran hat aber der Gesetzgeber nicht gedacht — ist es doch
nun einmal so hergebracht in Preußen, dem Fachmann ein juristisches
Mundstück aufzupfropfen. In üblicher ^Veise sind deshalb dem leitenden
Direktor die notwendigen Sachverständigen beizugesellen. Anfangs
schien es so, als ob ein Verkehrsingenieur als der wichtigere Fachmann
angesehen würde. Dankbar ist es darum zu begrüßen, daß der Städte-
baukünstler den Vorrang — zunächst wenigstens in der Zeitfolge der
Anstellung erhalten hat. Seine Wahl ist ausdrücklich als die dringlichere
bezeichnet worden. Dies liegt in der Natur der Sache, die demnach auch
in Zukunft wohl sich durchsetzen dürfte, denn auch die Verkehrsfragen
bedürfen der künstlerischen Beurteilung und der Einordnung in die
Ziele des Gesamtplanes.
Auf diesen wichtigen Posten hat der Verband nun einen „homo
novus" gesetzt, der in seinem bisherigen Wirkungskreise als Stadtbaurat
von Neukölln kaum Gelegenheit zur Lösung so großer städtebaulicher
Aufgaben gehabt hat, wie sie ihn jetzt erwarten. Trotzdem düifen wir
auf ihn große Hoffnungen setzen — hat er doch neben seiner starken
Begabung für die Bewältigung rein architektonischer Aufgaben schon in
mannigfachen Einzellösungen ein nicht geringes Verständnis für die
Förderungen des Städtebaus gezeigt, denen er mit Heranziehung der
besten auf diesem Gebiete tätigen Kräfte gerecht zu werden sucht. :
Der Stadtrat von Mannheim hat die vom Vorstand der Gartenstadt-
Genossenschaft vorgelegten Pläne über die für die GARTEN-
VORSTADT IM KÄFERTALER W^ALD zunächst in Aussicht
genommenen Bautypen (Einfamilienhäuser von 3 Zimmern und Küche
nebst Zubehör und von 5 Zimmern und Küche nebst Zubehör) genehmigt.
Zugleich wurde der vom Bürgerausschuß bereits im vergangenen Jahre
angenommenen Kundgebung entsprechend beschlossen, 100 Geschäfts-
anteile der Gartenstadtgenossenschaft im Betrage von 20000 Mk. durch
die Stadtgemeinde zu übernehmen.
Zum Aufsatze des Herrn Dr.-Ing. Emerich Forbäth über das ENG-
LISCHE STÄDTEBAUGESETZ ist uns folgende Zuschrift des
Oberbürgermeisters von Karlsruhe i. B., Herrn Siegrist, zugegangen, für
die wir auch an dieser Stelle verbindlichen Dank abstatten:
Im 5. Heft der sehr geschätzten Zeitschrift: ,,Der Städtebau" ist in
dem Aufsatz über das Englische Städtebau-Gesetz vom 3. Dezember igog
darauf hingewiesen, daß das englische Gesetz das Bauen von ^Vohnungen,
deren Rückseiten als Brandmauern Rücken an Rücken gestellt werden, ver-
bietet; dazu wird bemerkt, daß diese Bestimmungen in den meisten Ländern
des Kontinents ,, leider noch zu den unerreichbaren Idealen gerechnet
werden müßten". Mit Bezug hierauf interessiert Sie vielleicht die Mitteilung,
daß die soeben erlassene Bauordnung für die Haupt- und Residenzstadt
Karlsruhe in Baden in Paragraph 64 folgende Bestimmung enthält:
„Jede Familienwohnung muß einen eigenen, nicht über den Gang
einer anderen ^A?ohnung führenden Zugang haben.
Jeder zum dauernden Aufenthalt von Menschen be-
stimmte Raum muß so angelegt werden, daß er durchlüftet
werden kann. Dazu wird verlangt, daß durch Öffnen von
Fenstern und Türen eine Verbindung mit Straßen, Höfen oder
Lichthöfen, die dem § 24 der Landesbauordnung und dem § 31 dieser
Bauordnung entsprechen, nach zwei verschiedenen Himmels-
richtungen hergestellt werden kann."
Damit dürfte das gleiche erreicht sein, wie es dem englischen
Gesetz nachgerühmt wird. Diese Bestimmung ist übrigens für Karlsruhe
nicht neu, sondern bestand in etwas anderer Fassung hier schon seit
einigen Jahren.
IM WETTBEW^ERBE UM DEN ENTWURF EINES
GESAMTBEBAUUNGSPLANES FÜR DÜSSELDORF
sind folgende Preise verteilt worden:
I. Preis für No. ig „Berge romeryke" an Professor Dr.-Ing. Bruno
Schmitz in Charlottenburg und Professor Dr.-Ing. Blum in Hannover.
II. Preis für No. 14 „Am grünen Rhein" an Professor Bruno Möhring
in Berlin, Stadtbaurat Piel in Bonn und Regierungsbaumeister
Rogg in Düsseldorf.
III. Preis für No. 27 „Und neues Leben" an Architekt Max Wöhler in
Düsseldorf, Regierungsbaumeister Gustav Langen in Berlin-Grune-
wald und Betriebsdirektor Stahl in Düsseldorf.
rV. Preis für No. 12 „Jean Weilern" an Geheimen Oberbaurat Dr.-Ing.
J. Stubben in Berlin-Grunewald, Architekt Pfaffendorf in Köln a. Rh.
und Dipl.-Ing. Strach in Berlin.
V. Preis für No. 8 „Heimat" an Architekt vom Endt in Düsseldorf.
Angekauft wurden die Entwürfe:
No. 10 „Die Stadt der Zukunft" von Architekten Recht und Bachmann
sowie Gartenarchitekt Foeth in Köln a, Rh.
No. 17 „Durchführbar" von Dr.-Ing. Heinigenthal und Stadtingenieur
Brocker in Essen-Ruhr.
No. 28 „Städtebautaktik" von Regierungsbaumeister Gabriel und Dr.-Ing.
Hecker in Düsseldorf, und endlich der Teilentwurf
No. 26 „Kismet" von Dipl.-Ing. Hocheder in München.
Im ganzen waren 48 Entwürfe eingegangen.
Verantwortlich für die Schriftleitung : Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Marigrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herros^ & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W.
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9. Jahrgang
1912
9. Heft
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** NEBST EINER SONDERBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT **
INHALTSVERZEICHNIS: Normalgrundrisse für Mietshäuser. Von AI. Bohrer, Stadtbaurat in Aachen. — Leipziger Plätze. Von Theodor Goecke,
Berlin. — Braunschweigs Plätze und Denkmäler in ihren planmäßig überlegten Beziehungen. Von Chr. Klaiber, Schwäbisch-Gmünd. — Psychologie
der Grundstückspreise. Von Dr. phil. et rer. pol. Strehlow, Oberhausen. — Neue Bücher und Schriften. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
NORMALGRUNDRISSE FÜR MIETSHÄUSER.
Veranlassung und Ergebnis einer Rundfrage der Stadt Aachen.
EIN BEITRAG ZUR BAUORDNUNGS- UND WOHNUNGSFRAGE.
Von AL. BOHRER, Stadtbaurat in Aachen.
Die Entwicklung des neueren 'Wohnhauses strebt, wie
jede andere, aus der Bewegung zur Ruhe. Im allgemeinen
pflegt diese Ruhe einzutreten, sobald die Ursachen, die eine
Entwicklung hervorgerufen und lebendig gehalten haben,
infolge von Erfüllungen und Ausgleichungen verschwunden
sind, und eine Klärung der Verhältnisse dadurch entstanden
ist, daß die wirksamen Kräfte ein in anbetracht der vor-
handenen Bedingungen vollkommenstes Ergebnis herbei-
geführt haben.
Die Kräfte, die bei der Schaffung des neueren Mietshauses
tätig waren, entspringen der wirtschaftlichen Entwicklung
des vorigen Jahrhunderts mit ihren neuartigen Wohn-
bedürfnissen sowie der Notwendigkeit, die aus der An-
häufung großer Menschenmassen und ihren mangelhaft sich
entwickelnden Wohnungsverhältnissen herausgewachsene
Gefahr für Leben und Gesundheit zu beschränken. Sie
erscheinen als ein Bestreben des Bauunternehmers, das
Bedürfnis nach W^ohnungen in einer für ihn möglichst vorteil-
haften Weise zu befriedigen und als ein Bemühen der Be-
hörde, dieses an sich berechtigte Streben in Bahnen zu
halten, die dem durch das Allgemeinwohl umschriebenen
Wohnungsbedürfnis entsprechen, das heißt: die ein sicheres
und gesundes Wohnen verbürgen.
Die wirksamen Kräfte sind also Wohnbedürfnis, Unter-
nehmersinn und behördliche Fürsorge. Das Ergebnis ihres
Zusammenarbeitens ist in den neuentstandenen Häuserarten
zu finden, deren Vertreter als Typen erscheinen, wenn die
erwähnten Kräfte häufiger in demselben Stärkeverhältnis
miteinander arbeiteten und dadurch ein Ergebnis von höchst-
möglicher Ausgeglichenheit und Vollkommenheit erzielt
wurde. Das Stärkeverhältnis bestimmt den Typ in der Weise,
daß sich eine Kraft besondere Geltung verschafft und einer
Hausart ihren Stempel aufprägt.
Danach kann man drei Haupttypen unterscheiden. Zu-
nächst einen Typ von oft unbedingter Vollkommenheit, der
entsteht, wenn vorwiegend das Wohnbedürfnis wirksam ist,
wie manchmal bei Wohnungsgenossenschaften und Arbeiter-
siedelungen; dann den Unternehmertyp, der sich heraus-
bildet, wenn bei herrschender Wohnungsnot infolge mangel-
hafter behördlicher Fürsorge der Erwerbssinn der Unter-
nehmer sich fast schrankenlos entfalten kann. Das
klassische Beispiel ist die Berliner Arbeitermietskaserne.
97
DER STÄDTEBAU
Endlich den Bauordnungstyp, der erscheint, wenn bei
durchgebildeter Bauordnung ein wirtschaftlicher Druck
überall zwingt, bei dem Bauen bis an die Grenze der Zu-
lässigkeit zu gehen.
Die Haustypen erscheinen natürlich nicht immer in ab-
geklärter Form, auch nicht, wenn die genannten Entstehungs-
bedingungen vollständig gegeben sind. Vor allen Dingen
muß auch die Stärke der Entwicklung alle Kräfte geschärft
und Wohnbedürfnis, Unternehmertum und behördliche Für-
sorge auf die richtige Höhe gebracht haben. Daher sehen
wir die echten Haustypen nur in großen Städten mit leb-
haftester Bautätigkeit sich bilden. Hier, wo die Kräfte sofort
bei ihrem Entstehen in den ernstesten Kampf miteinander
geraten, wird das Gleichgewicht schnell gefunden. Durch
Verstärkung oder Beschränkung gelangen die wirksamen
Kräfte sehr bald von selbst in ein klares, beständiges Ver-
hältnis, um dann die ziemlich gleichartigen Häuser hervor-
zubringen. Als Haupttriebkraft ist, von Einzelfallen ab-
gesehen, der Unternehmersinn zu betrachten. Die behördliche
Fürsorge verhält sich ebenso wie das Wohnbedürfnis zunächst
mehr passiv. Das letztere kommt nur so weit zur Geltung,
als es dem Erwerbstrieb einen Anreiz gibt. Dabei stellt
sich der Unternehmersinn das eine Mal freiwillig in den
Dienst des reinen Wohnbedürfnisses, und zwar dann, wenn
dieses von dem wirtschaftlich Starken ausgeht; das andere
Mal, wenn es sich um die Wohnungen der Unbemittelten
handelt, gestattet er dem Wohnbedürfnis nur eine recht be-
schränkte Mitwirkung. In dem ersten Falle kommt es
manchmal so weit, daß die wirtschaftlichen Forderungen
den Unternehmer zwingen, dem Wohnbedürfnis in seinen
leisesten Regungen nachzuspüren und sogar zu seiner Ent-
wicklung und Verfeinerung beizutragen. W^enn aber
Unternehmervorteile dem wirtschaftlich Schwachen gegen-
übertreten, dann wirken sie, wie die Geschichte des
Wohnungswesens zeigt, fast stets verkümmernd auf das
Wohnbedürfnis, indem das Maß seiner Befriedigung nach
Möglichkeit gedrückt, das Bedürfnis selbst allmählich
geschwächt und die Wohnungskultur der weniger Bemittelten
auf einen so tiefen Stand heruntergesetzt wird, daß Sicherheit
und Gesundheit der Hausbewohner nicht mehr ausreichend
verbürgt erscheinen. Ein Vorwurf kann den Unternehmer
nicht treffen. Er steht mehr oder weniger willenlos in der
großen Wirtschaftsordnung. Dem vielfach auftretenden
Baulandmangel und der damit verbundenen Bodenpreis-
steigerung entsprang in den großen Städten für den Unter-
nehmer die wirtschaftliche Notwendigkeit, in der Grund-
stücksausnutzung und in der Billigkeit des Häuserbaues
so weit wie möglich zu gehen. Der Erfolg war, daß die
hergebrachten Ansprüche an die Wohnung immer mehr in
den Hintergrund gegenüber den Unternehmervorteilen traten
und die Grundstücksausnutzung und die Billigkeit der Her-
stellung an die Spitze aller bei einem Neubau anzustellenden
Erwägungen gesetzt wurde. Die Zahl der Räume wurde
wichtiger als deren Güte.
Die Erkenntnis dieses dem Gemeinwohl schädlichen
Vorganges hat die neuzeitlichen Bauordnungen sich weiter
entwickeln lassen. Diese sollten mit ihren eingehenden
Vorschriften und Anforderungen als Schutzwall dienen gegen
die" Ausschreitungen, die das Unternehmertum teils schiebend,
teils geschoben bei der Befriedigung des Wohnbedürfnisses
der großen Menge begangen hatte oder noch plante. Der
Versuch der Behörde, Verbesserungen der Wohnungen durch
Vorschriften herbeizufuhren, war anfangs etwas schüchtern,
weil sie sich nicht klar war über das Maß des Einflusses,
der ausgeübt werden konnte und sollte. Das Gesetz erlaubte
der Polizei die Baufreiheit nur so weit einzuschränken, als
Sicherheit und Gesundheit der Bürger es unumgänglich not-
wendig machten. Die Grenzen, die durch Vorschriften
zunächst gezogen wurden, waren daher recht weit gesteckt.
Sie gingen von der Voraussetzung aus, der Unternehmer
werde sie nur im Ausnahmefall berühren; in der Regel
werde er die Abmessungen der Höfe und Konstruktionsteile
reichlicher und die Gebäude niedriger machen, wie in der
Bauordnung für zulässig erklärt war. Dieser Voraussetzung
wurde auch dort entsprochen, wo bei langsamer Entwicklung
reichliches Bauland zur Verfügung stand. Wo aber das
Zuströmen der Bevölkerung einen ständigen Mangel an
Bauland und die bekannte riesige Bodenpreissteigerung
hervorrief, hatten die Bauordnungen eine ganz andere
Wirkung, als ihnen zugedacht war. Dem reinen Wohn-
bedürfnis, das in erster Linie ausschlaggebend für die Ge-
staltung des Wohnhauses sein sollte, wurde der so
berechtigte Einfluß nicht wiedergewonnen. Der noch vor-
handene wurde sogar noch geschmälert, indem unter dem
Druck der wirtschaftlichen Entwicklung die Anordnung und
Ausbildung der Wohnungen vorwiegend einem Werdegange
überwiesen wurde, den Unternehmersinn und Bauordnung
fast allein miteinander durchmachten. Die Bauordnung, die
als Schranke gedacht war, innerhalb deren sich die Baulust
frei dem Bedürfnis entsprechend betätigen konnte, die Raum
für alles Gute und Schöne in der Baukunst ließ, erwies
sich immer mehr als eine Linie, hinter der Unternehmer-
gewinn lockte. Der Unternehmer wurde mit zentrifugaler
Gewalt, mochte er wollen oder nicht, infolge wirtschaftlicher
Not an die äußerste Grenze der polizeilichen Zulässigkeit
gedrückt und der letzteren ein beherrschender Einfluß auf
die Gestaltung fast aller Häuser gegeben, die der großen
Masse der Bevölkerung Wohnung bieten sollten. Der
Umstand, daß die Bauordnungen von dem Begriff der Bau-
freiheit beeinflußt waren und auf einem Gesetz sich aufbauten,
das der Polizei nur die Abwehr unmittelbarer Gefahr zuwies,
zeigte sich um so mehr als ein Unglück für das Wohnungs-
wesen, je mehr die Schranken und Vorschriften bei der
Verteidigung gegen die Unternehmerangriffe im Einzelnen
ausgebildet wurden. Durch ihre Mindestmaße, die zu sehr
an der Grenze des baulich Schlechten lagen, haben sich die
Bauordnungen gewissermaßen auf das gerade Hinreichende
in bezug auf Höhe, Mauerstärke, Hofgröße usw. abgestimmt.
Der natürliche Fortschritt zum Guten ist durch diese Polizei-
maße gehemmt, eine Entwicklung zum Bessern abgeschnitten,
ja vielerorts ist die Bauausführung auf das Minderwertige
zurückgedrängt worden. Die Behörde hat diesen Erfolg
weder gewollt noch unmittelbar herbeigeführt. Sie hat ihn
zu ihrem Schrecken mittelbar erreicht, indem sie den Blick
auf das Hinreichende, das Minderwertige, lenkte und ihn
vom Reichlichen, dem Erstrebenswerten, abzog.
Sogar dem höher Strebenden wurde das Notdürftige auf-
gezwungen, wo die wirtschaftliche Entwicklung der Bau-
ordnung den maßgebenden Einfluß auf die Gestaltung der
Wohnhäuser brachte.
Die ungeheuere Macht der Wirtschaftlichkeit fand zu-
fällig einen Bundesgenossen in einem Hauptgedanken der
Bauordnung, der sich in den Mindestmaßen kundgibt.
Beide zusammen dienten der Genügsamkeit, die mit dem
98
DER STÄDTEBAU
Hinreichenden zufrieden sein möchte, als Hilfskräfte im
Kampfe gegen die Kulturtriebe der Menschheit, die kein
Genügen kennen, denen der Fortschritt zum Reichlichen ein
unabweisbares Bedürfnis ist. Ähnliches ist in neuerer Zeit
auch bei der Warenerzeugung beobachtet worden. Was
die Behörde mit ihrer Bauordnung ohne Absicht, haben die
Warenhäuser mit Bewußtsein getan. Sie haben auch das
Hinreichende auf den Schild erhoben und marktgängig
gemacht, indem sie das Augenblicksbedürfnis billig be-
friedigten. Das Bedürfnis an sich wurde nebensächlich
behandelt. Durch die Mangelhaftigkeit seiner Befriedigung
wurde es zu einem dauerndenübel, dessen Behandlung unaus-
gesetzt Geld in die Kasse der Warenhäuser brachte. Dabei
wurde die gesamte Warenherstellung auf einen niedrigeren
Stand gedrückt und durch Preisvorschriften viele nur auf das
Gute gerichtete Kräfte in Gewerbe und Handel geschwächt
oder gar ausgeschaltet. Die Bauordnungen mit ihren Mindest-
forderungen wirkten genau so. Wer diese am knappsten
erfüllte, verdiente das meiste Geld. Die schlechteste, polizei-
lich zulässige Wohnung war natürlich nur neu und für
kurze Zeit brauchbar, und wie ein Regenschirm aus dem
Warenhaus; und der erschreckend häufige Wohnungs-
wechsel zeigt, daß auch das Wohnungsbedürfnis ein
ständiges Übel geworden war.
Als die polizeilichen Baubestimmungen allmählich ihre
passive, vorbeugende Eigenschaft verloren und eine un-
mittelbar gestaltende Kraft gewannen, so daß sie zuletzt nur
noch die Form bildeten, in die die Bauspekulation ihre
Werke hineinzudrücken brauchte, entstanden die ersten nor-
malen Bauordnungshäuser, die zum Leidwesen unserer
Künstler und Ärzte zu Hunderten und Tausenden die langen
Straßenzeilen unserer Großstädte füllen. Infolge der oben
geschilderten Umstände waren diese Häuser zum Teil mangel-
hafter als diejenigen, die ohne eine ins einzelne durchge-
bildete Bauordnung entstanden waren, die gebaut waren,
ohne daß eingehende Bestimmungen den Fingerzeig gegeben
hatten, wie schlechte Wohnungen geschaffen werden dürften.
Das Schlimmste war, daß die Bauweise, die den kleinsten
Hof, die größte Geschoßzahl, die schlechteste erlaubte Aus-
führung und Einrichtung mit sich brachte, auch dort Platz
griff, wo ein wirtschaftlicher Druck gar nicht vorhanden
war oder erst künstlich eingeschleppt wurde. Sie wanderte
von der Innenstadt in die Außengelände, von der Großstadt
in das Dorf und verseuchte im Wohnwesen weite Gebiete
des Landes. Die Ruhe, mit der man eine Zeit lang der
Entstehung der höchst mangelhaften Normalhäuser zusah,
wurde durch die Erkenntnis der immer deutlicher in die
Erscheinung tretenden Übelstände gestört. Das öffentliche
Gewissen verlangte nach einer anderen Bauweise. Be-
sonders in der Provinz, wo eine gesündere Bau- und
Wohnweise üblich gewesen war, bevor von Berlin die
schlechte Bauordnung mit ihren üblen Folgen übertragen
wurde, fing die Baupolizei an, mit Erfolg für die Ausdehnung
Ihrer Rechte zu kämpfen. Durch die Entscheidungen der
höchsten Gerichte erfuhren die Befugnisse der Baupolizei
eine bedeutende Erweiterung, so daß die Bauordnungen ihre
Zulässigkeitsgrenzen um ein erhebliches Stück vom Schlechten
nach dem öuten hin verschieben konnten. Die Polizeiver-
waltungen kamen dadurch in die Lage, sich in erhöhtem
Maße zu Anwälten des wirklichen Wohnungsbedürfnisses,
insbesondere desjenigen der minderbemittelten Bevölkerung,
zu machen, wie es dem Allgemeinwohl entsprach. Die
Vorschriften wurden vielfach so verbessert und verschärft,
daß die Entstehung erträglicher, ja sogar guter Verhältnisse
als verbürgt betrachtet werden konnte.
Es fragt sich aber, ob man alle Möglichkeiten, die für
die Verbesserung des Wohnungswesens bei dem heutigen
Stande der polizeilichen Befugnisse gegeben sind, erschöpft
hat oder ob man die wichtigste Eigenschaft der Bau-
ordnungen, ihre Eigenschaft, der Bauspekulation die Form
der meisten Wohnhausbauten zu liefern, in ihrer grund-
legenden Bedeutung vielleicht noch nicht richtig gewürdigt
hat. Hier muß gesagt werden:
Man hat sich noch zu sehr der Erkenntnis verschlossen,
daß jede Bauordnung heute infolge der wirtschaftlichen Ver-
hältnisse zwangsläufig für den weitaus größten Teil der Be-
völkerung ganz bestimmte Wohnhausarten entstehen läßt,
daß mit einem Wort jede Bauordnung wesentlich eine
Häusermaschine ist. Diese Tatsache mag man bedauern,
aber man kann sie nicht aus der Welt schaffen und muß
sich damit abfinden. Um die durch die Entscheidungen
der höchsten Gerichte der Baupolizei zugebilligten Befug-
nisse voll auszunutzen und zu einer gesunden Reform der
Bauordnung zu gelangen, kann es daher nur gelten, sie
einerseits des Maschinencharakters nach Möglichkeit zu
entkleiden oder die sich daraus ergebenden Nachteile zu
mildern, sie aber andernteils als Maschine bewußt zu be-
handeln und sie auf die Höhe der neuzeitlichen Maschinen-
konstruktion zu bringen.
Die Nachteile, die sich aus der Maschineneigenschaft
der Bauordnungen ergeben, sind offenkundig. Die Bau-
ordnungen ergehen sich heute fast ausnahmslos in aus-
führlichen Vorschriften über alle nur erdenklichen im
bürgerlichen Bauwesen vorkommenden Konstruktionen und
Anordnungen, die zur Stand- und Feuersicherheit, sowie
aus Gesundheitsrücksichten nötig sind, die aber als selbst-
verständliche Voraussetzung jeder ordnungsmäßigen Bau-
ausführung zu gelten haben. Diese vielen Einzelvorschriften,
die zum Teil den Maschinencharakter der Bauordnungen
bedingen, sind geeignet, den Architekten unnötigerweise
in seiner Freiheit zu beschränken und eine mechanische
Herstellung der meisten Wohnhäuser zu fördern. Um die
architektonische Freiheit so wenig wie möglich anzutasten,
hat man durch diese Einzelbestimmungen den Baumeister
nicht an Arm und Bein gefesselt, aber man hat ihn ge-
wissermaßen in ein Gehäuse gesperrt, in dem er sich gerade
noch bewegen kann. Die wunderbaren Ausnutzungs- und
Mittelungsmöglichkeiten, die die Bauordnungen meistens
gewähren, lassen so viel Freiheit, daß die Architekten immer
wieder den Versuch, sich zu bewegen, wagen, um stets
wieder schmerzhaft an die Lüge dieser Bewegungsfreiheit
erinnert zu werden, indem sie mit ihrer durch langes
Studium gewonnenen Weisheit fortgesetzt mit den groben
Bestimmungen in Widerspruch geraten. Es gibt kaum einen
studierten Architekten, den die heutigen Bauordnungen nicht
unangenehm berührt hätten.
Dagegen ist festzustellen, daß ungelernte Elemente
sich mit den heutigen Bauordnungen und den sie hand-
habenden Behörden vortrefflich abfinden. Sie schöpfen
ihre gesamte Baukunst aus der Bauordnung und lassen
sich fügsam durch die Baupolizei belehren, wie schlecht
gebaut und wie weit die Grundstücksausnutzung getrieben
werden darf. Die Häusermaschine, die Bauordnung, ver-
langte zu ihrer Bedienung keine gelehrten Künstler; sie
99
DER STÄDTEBAU
verlangte nur Leute, die das Wesen ihrer Arbeitskraft
erfaßten und auszunutzen verstanden. Solche fanden sich
aus allen Ständen. Grundbesitzer, Schreiner, Klempner
und Handlanger fingen erfolgreich an, mit der Bauordnung
zu arbeiten. Sie holten zwar nicht das beste Erzeugnis aus
der Maschine, die gewissermaßen auf Halbzeug eingestellt
war, heraus, aber sie schafften doch marktgängige Ware.
Die Bauherren fühlten bald heraus, daß mit dem Bauunter-
nehmer bequemer und wenigstens scheinbar oder für den
Augenblick wirtschaftlicher arbeiten war als mit dem Bau-
meister und nahmen die mangelnde Güte der Bauten mit in
den Kauf. Wie bei der Ausbreitung der Dampfmaschine die
tüchtigen Handwerker zum großen Teil ausgeschaltet wurden,
so bei der Ausgestaltung der Bauordnung zu einer Anleitung
zum notdürftigen Bauen der studierte Baumeister, wenigstens
für die große Zahl der landläufigen Wohnhausbauten. Nur
diejenigen, die sich den Eigenarten der neuen Bauordnungen
unterwarfen und sie sich zunutze machten, kamen weiter,
während die anderen beiseite geschoben wurden wie die
Handwerker, die bei dem Aufkommen der Maschine sich
den neuen Herstellungsmitteln nicht anpaßten.
(Fortsetzung folgt.)
LEIPZIGER PLÄTZE.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Leipzig ist in deutschen Landen die Stadt der weit sich
dehnenden freien Plätze. Bekannt ist die übermäßige Größe
des Augustusplatzes, dessen Querteilung durch die Baum-
reihen des Grimmaischen Steinweges und die Aufwölbung
seiner Bodenfläche, anscheinend infolge immer wieder-
holter Kiesschüttungen, das Platzbild nicht gerade ver-
bessern. Mehr unförmlich sind die anderen meist doppel-
platzartigen Gebilde auf dem früheren Festungsgelände am
Ringe, der Königs- und Roßplatz, der Schul- und Fleischer-
platz, der Blücher- und der neue Bahnhofsplatz. Nur der
Königsplatz hat eine geschlossene Form; er bildet eine tiefere
Staffel des am Panorama wieder gestaffelten Roßplatzes und
kann deshalb wie ein selbständiger Platz betrachtet werden.
Das gut aufgestellte, wenn auch beiderseitig eingebaute
Grassi-Museum gibt dem rechteckigen Tiefenplatze Haltung.
Doch auch seine Bodenfläche hat einen Buckel, hinter dem,
von der Petersstraße aus gesehen, der Sockel des Grassi-
Museums verschwindet. Der Roßplatz ist im übrigen ein
den Grünanlagen der Schillerstraße vorgelagerter langer
Geländestreifen mit unregelmäßig hin und her fluchtender
Bebauung am südlichen Rande, in den die Einmündung
der wichtigen Kurprinzenstraße im Zusammenschnitt mit
der Sternwarten- und Seeburgstraße ein Loch reißt. Die vor
den früheren Festungswällen entstandenen Vorstädte mit
100
DER STÄDTEBAU
ihren radial zum Tore oder parallel zu den Basteien ge-
richteten Straßen haben ohne weiteres die Platzwände ab-
gegeben, hier sowohl wie am Fleischerplatze, der sich in
langgestreckter, annähernd dreieckiger Grundform an den
Schulplatz anreiht, nurdurch den StraßenzugBrühl-Ranstädter
Steinweg davon getrennt. Zum Überfluß öffnet sich gegen
den an der Nordseite gut begrenzten Schulplatz auch noch
der Theaterplatz am alten Stadttheater, das seinerzeit mitten
in den verschütteten Stadtgraben gesetzt worden ist.
Sehr zu begrüßen ist der Beschluß der Stadtbehörden,
das alte Theater, dem im Laufe der Zeit zwar übel mit-
gespielt worden ist (die später hinzugefügten Schornsteine
könnten wohl leicht wieder beseitigt oder wenigstens in ihrer
Erscheinung dem Bauwerke besser angepaßt werden), aber
doch immer noch ein erheblicher Denkmalwert innewohnt,
zu erhalten und zur Abhaltung von Kongressen und Fest-
lichkeiten zu verwenden — statt dessen aber einen Neubau
an anderer Stelle zu errichten. Dazu wäre vielleicht der
Schulplatz geeignet, um dem Fleischerplatz einen Schluß zu
geben. Zeitungsnachrichten sprechen indessen von einem
Platze an der Töpferstraße — das wäre also an der Grün-
anlage längs dem Fleischerplatze? Wenn nur dadurch nicht
der malerische Rest der Bastei an der Matthäikirche verdeckt
wird! Wie alte Stadtpläne und das prächtige, von 1816 — 22
angefertigte Modell der Stadt in dem zum Leipziger Stadt-
museum eingerichteten alten Rathause erkennen lassen, ist
die vorgeschobene Nase, auf der die Matthäikirche sich
erhebt, an der Westseite der sonst ziemlich geradlinig im
Rechteck herumgeführten älteren Stadtbefestigung — nur die
Pleißenburg, an deren Stelle jetzt das neue Rathaus steht,
an der Südwestecke der Stadtbefestigung, bildet einen zweiten
ähnlichen Vorsprung — wohl als der Steilrand des alten Pleiße-
tals anzusprechen, an dem der Stadtgraben parallel zur hier
gekrümmten, den Fleischerplatz in einem Knick umfließenden
Pleiße entlanggeführt wurde. An den Fleischerplatz schließt
sich nach Süden am Thomasring wieder ein Dreiecksplatz an.
Die heutigen Großstädter können es den Stadtvätern, die
Wall und Graben zu einem Grünringe umschufen, nicht
genug danken, daß sie das alte Festungsgelände von der
Bebauung möglichst frei gehalten haben. Nur Verbesserungen,
Ergänzungen sind notwendig, um schöne Platzräume ent-
stehen zu lassen. Die stellenweise Leere dieser weiten
Plätze zu mildern, sind hier und da Denkmäler und Brunnen
(namentlich aus neuerer Zeit einige reizvolle Stücke) auf-
gestellt worden, die jedoch über die unvollkommene Platz-
gestaltung nicht hinwegzutäuschen vermögen. Kräftigere
Mittel bieten die Verbesserung der Fluchtlinien, die Ein-
schiebung größerer und kleinerer Bauwerke, eine architek-
tonisch zu gestaltende Bepflanzung zur scheinbaren Ver-
kleinerung der Flächen bzw. zur Schaffung von wirklichen
Doppelplatzanlagen. Soweit die Bepflanzung in Frage kommt,
wäre allerdings eine glücklichere Schöpferhand zu wünschen,
als sich in den meisten Grünanlagen bisher betätigt hat. Nur
am Roßplatze sind diese gelungen, in den zwischen Gebüsch-
wandungen zusammengehaltenen Rasenflächen, über die der
Blick von der Mitte der die Universitätsstraße zur Kurprinzen-
straße herüberführenden Querverbindung aus zum neuen
Rathause und seinem Turme herüberschweift.
Bessere Verhältnisse zeigt schon der Platz vor dem neuen
Rathause — der Rathausring — infolge guter Gruppierung
der Baumassen des Rathauses selbst mit der die Höhen-
unterschiede ausgleichenden Rathausterrasse. Noch ge-
lungener ist der Burgplatz hinter dem Rathause mit dem
köstlichen Ratsbrunnen, den Wrba und Licht geschaffen
haben, an der einen Seite schön abgeschlossen durch den
Schwibbogen, der das Rathaus mit dem benachbarten Ver-
waltungsgebäude über die Lotterstraße hinweg verbindet.
An der anderen Seite beeinträchtigt die Neigung zu großen
Öffnungen wieder etwas den Eindruck — die Eckver-
brechungen an der Markgrafen- und Burgstraße sind recht
böse ! Einen guten Anlauf zeigt auch der Platz am Thomas-
kirchhof mit der seitlich aufgestellteu Kirche, die mit dem
Pfarrhause zu einer malerischen Gruppe verbunden und durch
Terrassen nebst Freitreppe sich über den Ring erhebt.
Weniger günstig erscheint dagegen wieder der Platz vor dem
Reichsgerichtsgebäude, das sich nicht hoch genug über der
Platzfläche erhebt. Auch dieser Platz ist fast übergroß und
erscheint noch größer dadurch, daß er sich seitlich auf ein
weiteres Platzanhängsel, den Vorplatz des Gewandhauses,
öffnet, mit der unschönen Bebauung an der schief einfallenden
Lampestraße.
Nun scheint aber mit dem neuen Zentralbahnhofe ein
neuer Geist in die Platzgestaltung einzuziehen. Denn auch
der Bahnhofsvorplatz mit dem Blücherplatz soll wieder zu
einer fast übermächtigen Platzanlage zusammengeschmolzen
werden, die von der Halleschen Straße bzw. der Börse bis
zum Georgiringe reicht (siehe Textbild). Ein Bild von der
zukünftigen Wirkung kann man sich allerdings noch nicht
machen, weil das den Platz beherrschende, langgestreckte
Empfangsgebäude noch nicht viel über die Hälfte fertig ist.
Immerhin verspürt man den Willen einer einheitlichen Aus-
gestaltung, zunächst um die hier vielfach verschlungenen
und sich kreuzenden Verkehrslinien übersichtlich zu ordnen
und dann die Grünanlage, die gewissermaßen nach der Stadt
hin den Abschluß gibt, mit der darüber noch hinausragenden
hohen Bebauung der höher liegenden Parkstraße der Platz-
fläche anzupassen. Ungünstig wirkt freilich die breite Öffnung
der Blücherstraße mit der wenig bedeutenden, im Maßstabe
zu kleinen Architektur der Preußischen Güterabfertigungs-
stelle nebst aufdringlich ausgeputztem Dampfschornstein.
Auch die neue, vom Brühl zum Blücherplatz herüberführende
Durchbruchstraße (Nikolaistraße) hätte mit einer leisen
Schwenkung auf den Haupteingang zur preußischen Seite
des Empfangsgebäudes zu glücklicher in Beziehung zum
Platze gesetzt werden können; das mit Baumborken be-
kleidete Aborthäuschen endlich an der Ecke des Georgi-
ringes wird nun wohl bald durch ein dem Platze zum
Schmuck gereichendes Bauwerk nach dem Vorbilde von
Dresden und München ersetzt werden.
Eine verantwortungsvolle Aufgabe erwächst dem Stadt-
erweiterungsamte noch mit der Umgestaltung der Ring-
plätze. Wird die Weiträumigkeit richtig ausgenutzt, so
kann einmal aus dem Ringe etwas werden, was sich kühn
den Wallanlagen Bremens oder Frankfurts als ein wahr-
haft modern-großstädtischer Freiluftgürtel an die Seite zu
setzen vermöchte.
101
DER STÄDTEBAU
BRAUNSCHWEIGS PLÄTZE UND DENKMÄLER
IN IHREN PLANMÄSSIG ÜBERLEGTEN
BEZIEHUNGEN.
Von CHR. KLAIBER, Schwäbisch-Gmünd.
Wenn P. J. Meier in Braunschweig in seinen „Städtebau-
lich-entwicklungsgeschichtlichen Vorträgen und Studien"*)
einwandsfrei nachgewiesen hat, daß die einzelnen Weichbilder
„Altstadt", „Neustadt" und „Hagen" der Stadt Braunschweig
im 12. und 13. Jahrhundert planmäßig angelegt worden sind,
so ist, darauf fußend, eine Untersuchung der Platzbildungen
dieser Weichbilder wie der Stellung der Denkmäler zum
Platze gerechtfertigt, indem die Planmäßigkeit der Gesamt-
anlage auch hier rein theoretisch zum Ausdruck kommen
muß. Fassen wir zunächst den Markt der Altstadt ins Auge
(Abb. 1), so sind die beiden nicht schraffierten Baublöcke die
kleinsten des Altstadtweichbildes, was entsprechend anderen
mittelalterlichen Stadtgrundrissen (Aschersleben) mit der
nachträglichen Überbauung des überflüssigen Platzes infolge
Platzmangels erklärt werden kann. Kommt nun noch in
unserem Falle hinzu, daß bei Weglassung der beiden Bau-
blöcke ein ideal rechtwinkliges Rechteck als Platzgrundform
entsteht, so erscheint diese Annahme späterer Bebauung er-
wiesen, auch im Blick auf dieselben Erscheinungen bei den
übrigen Plätzen Braunschweigs. Eine urkundliche Beweis-
führung sei dem Geschichtsforscher überlassen, als nicht zum
eigentlichen Gebiete des Architekten gehörend. Sämtliche
Platzwände sind nun mit der Martinikirche genau gleich-
laufend gerichtet. Altstadtmarkt, wie der für die Martini-
kirche vorgesehene Platz sind durchaus regelmäßige Platz-
anlagen, mit der Poststraße als Hauptachse und mit dem
Altstadtrathaus an dem linken einspringenden Platzeck. Die
Westfront der Martinikirche liegt genau in der Bauflucht der
Turnierstraße (Abb. 2). In späterer Zeit wurde der gotische
Zierbrunnen mathematisch genau auf die Straßenachse ge-
stellt, auf welche künstlerisch überlegte Art das geschlossene
Zusammenwirken von Martinikirche und Altstadtrathaus
(Straßenabschluß) zurückzuführen ist (Abb. 3). Um 1595 wird
das Gewandhaus erbaut mit dem bekannten Renaissance-
giebel, der wiederum in mathematisch genauer axialer Stellung
die Poststraße abschließt (Abb. 4). Alles zusammengefaßt, ist
beim Altstadtmarkt bewußte rechtwinklige Platzaussparung
vor der Bebauung, wie überlegendes Vorgehen in städtebau-
künstlerischem Sinne bei der Stellung der Denkmäler zum
Platze zweifellos anzunehmen.
Begeben wir uns nun in das später angelegte Neustädter
Weichbild, so tritt uns in seinem Wollmarkt (Abb. 5) die
namentlich in Süddeutschland (Maximilianstraße in Augsburg,
Hauptstädter Straße in Stuttgart) vielverbreitete langgestreckte
Platzform (analog Marktstraße) entgegen, deren Entstehungs-
ursache im mittelalterlichen Verkehrsbedürfnis nach den
langgestreckten Warenzügen angepaßten Aufstellungsstraßen
*) Die Grundrißbildungen der deutschen Städte des Mittelalters in
ihrer Bedeutung für Denlimälerbeschreibung und Denkmalpflege. (X. Denk-
mälertag. Vortrag von P. J. Meier; Stätten der Kultur, Braunschweig.
Von P. S. Meier.
(Stapelrecht) zu suchen ist. Von dem 1543 erfolgten späteren
Einbau „der Wage" abgesehen, finden wir die durch die
Ostung bedingte Schrägstellung der Andreaskirche, da die
Straßenzüge vor dem Kirchbau festgelegt worden sein mußten
für den zuerst notwendigen Wohnungsbau. In bezug auf
die wirkungsvolle Stellung aber ist das Vorspringen der
Westfront mit den beiden Türmen mit annähernder Turm-
breite über die Fluchtlinie des Wollmarktes als bewußt
künstlerische Art zu betrachten, indem dadurch einmal der
Südturm die Straßenachse beherrscht (Abb. 6), während
der Nordturm genau vor die Bauflucht gestellt ist (Abb. 7),
damit der Schrägstellung die echt gotische*) Platz und
Straßen beherrschende Bildwirkung sichernd. Das planmäßig
Überlegte dieser Aufstellung wird nun durch nichts mehr
bewiesen als durch die Tatsache, daß die Achse der Westfront
(Kircheneingang) mit der leicht geschwungenen Achse der
Weberstraße zusammenfällt (Abb. 8). Ein Blick auf den
für den Kirchbau ausgesparten Platz zeigt wiederum im
Osten den kleinsten Baublock des Weichbildes, wie die
übereinstimmende genaue Richtung von Platzwänden und
Kirche, so daß, wie beim Altstadtmarkt, die ideale Recht-
eckform als Platzgrundform zutage tritt. Ob nicht das ge-
samte Straßenviereck als ursprünglich von Bebauung frei
gehaltener Platz anzusprechen ist (Reservebauplatz der
ostelbischen Kolonialstadt), sei anregungsweise für weitere
Studien eingefügt.
Das auffallendste und für die Beurteilung mittelalterlich-
städtebaukünstlerischer Überlegung geradezu grundlegend
ist die Tatsache, daß die Stellung der Katharinenkirche im
Weichbild Hagen zu Platz, Straßenflucht und -achse genau
nach denselben Grundgedanken erfolgt ist, wie die der
Andreaskirche. Zunächst haben wir wieder die ideale
Rechteckform des Gesamtplatzes mit dem östlich gelegenen,
kleinsten (und damit als spätere Bebauung gekennzeichneten)
Baublocke des Weichbildes Hagen (Abb. 9). Die Kirche
selbst zeigt die durch die Ostung bedingte Schrägstellung,
das Vorspringen der zweitürmigen Westfront in die Straßen-
achse des Bohlweges die Beziehung zwischen Straßenbau-
flucht und Westfront (Vorspringen um Turmbreite) ist genau
dieselbe wie beim Wollmarkt (Abb. 10 und 11), wie auch
die Mittelachse (Kircheneingang) genau auf der Straßenachse
(der Hagenbrücke) sitzt (Abb. 12).
Hier von mittelalterlich-zufälliger Willkür zu sprechen,
ist rein verstandesgemäß unberechtigt; vielmehr ist anzu-
nehmen, daß auch der mittelalterliche Städtebau, wenigstens
in einzelnen Städten, zu bewußt angewandten, dem gotischen
Zeitgeist (Ostung) entsprungenen städtebaukünstlerischen
Regeln durchgedrungen war, deren ästhetische Wert-
*) Die Stellung der gotischen Kirchtürme zu Platz und Straße. Von
Chr. Klaiber. (Denkmalpflege Jahrg. XIII, No. 9.)
102
DER STÄDTEBAU
Schätzung nicht in diesen Zusammenhang gehört. Die
künstlerische Schulung des Blickes für die bestmöglichste
bildmäßige Wirkung eines Denkmales darf unter allen Um-
ständen vorausgesetzt werden, da aus obigem hervorgeht,
daß für die Denkmäler auf den vorhandenen Plätzen die
allseitig wirkungsvollste Stellung gesucht wurde.
PSYCHOLOGIE DER GRUNDSTÜCKSPREISE.
Von Dr. phil. et rer. pol. STREHLOW, Oberhausen.
Grundstückspreise unterliegen keinem Gesetze, man muß
sich an die Preise nur gewöhnen, sagte einst ein gewiegter
Grundstücksspekulant. Er sagte dies in einer Zeit, in der
eine hochstehende Konjunktur gewaltige Menschenmassen in
die städtischen Schwerpunkte hineinzog, und unter dem Druck
dieser Entwicklung die Grundstückspreise fast sprungweise
anstiegen, und für eine solche Zeit scheint, das ist nicht zu
verkennen, wenigstens bei oberflächlicher Beobachtung der
obige Ausspruch zuzutreffen. Und doch wirken auch hier
bei der Entstehung der Grundstückspreise Gesetze mit,
haben diese auch hier eine Psyche, entstanden aus der
spekulativen Erwägung derer, die sich hier gegenüberstehen,
aus ihrer Wertung aller der wirtschaftlichen Faktoren, die
hier zusammenwirken, eine Psyche, die allerdings weniger
gut zu erkennen ist in Zeiten höchster Wirtschaftskonjunktur,
in Zeiten, in denen der Käufer allein rechnet, der Boden-
besitzer nur fordert, die aber deutlicher zu Tage tritt in
Zeiten langsameren Fortschrittes, in denen Erwägung und
Wertung beiderseits in differenzierterer Form auftreten und
sich ausgleichen.
Die erste Voraussetzung für die Entstehung von Wert-
zuwachs, von Grundrente, ist das Vorhandensein einer Ent-
wicklung. Erst als unter der Herrschaft des Freizügigkeits-
gesetzes die frei beweglichen Massen sich auf die Stellen
des geringeren wirtschaftlicheren Druckes, in die Städte, zu-
sammenzogen, und als dadurch fortschreitend die Inanspruch-
sahme ungünstiger, den Schwerpunkten ferner gelegener
Flächen erforderlich wurde, entstand für die günstiger ge-
legenen Flächen Grundrente, die ihren Besitzern mühelos
in den Schoß fiel. Der Wertzuwachs oder die Grundrente
ist deshalb eine Folge der Monopolstellung des Bodens, die
ganz allgemein die Voraussetzung jeder Rentenbildung ist.
Dies zeigt das städtische Bodenproblem in seinem ganzen
Umfang: Belastung der Allgemeinheit zugunsten einzelner
Grundbesitzer.
Der Wertzuwachs ist also eine Funktion der städtischen
Entwicklung. Solange letztere besteht, wird der erstere
nicht beseitigt werden können. Die Lösung der Bodenfrage
kann deshalb nicht in einer Beseitigung der Grundrente be-
stehen, sondern nur darin, diese der Allgemeinheit wieder
zuzuführen. Nach dieser Richtung ist man bereits durch
Einführung der Wertzuwachssteuer vorgegangen. Weit
besser wird das Ziel aber dadurch erreicht, daß die Ge-
meinden den Grundstücksumsatz selbst in die Hand nehmen,
und noch besser dadurch, daß sie den erworbenen Boden im
Erbbaurecht verpachten und so den Wertzuwachs dauernd
der Allgemeinheit erhalten.
Das Monopol des städtischen Bodens ist, wie überhaupt
jedes Monopol, kein absolutes, zunächst schon deshalb nicht,
weil es sich um viele, wirtschaftlich verschieden starke
Grundbesitzer handelt, die bis zu einem gewissen Grade
gegenseitig in Wettbewerb treten. Andererseits ist aber
nicht zu vergessen, daß Sitte, Gewohnheit und Forderungen
des Geschäfts für den Käufer Grenzen ziehen, die das Monopol
des Grundbesitzes einzelner Lagen verschärfen und in hohem
Maße wertzuwachsbildend wirken. Die Leistungsfähigkeit
der für die betreffende Lage in Frage kommenden Be-
völkerung, die z. B. in der Arbeiterwohnlage geringer ist
als in der besseren Wohnlage, und die Frage der Aus-
nutzungsfähigkeit des Bodens, die durch Sitte und Gewohnheit,
durch besondere Lage und durch zwingende Bestimmungen
in den Bauordnungen bedingt sein kann, bilden andererseits
für das Monopol des Grundbesitzes Grenzen, die allerdings
mehr oder minder dehnbar sind und im Kampfe um den
Wertzuwachs ständig Erweiterungen erfahren. Aus dieser
Tatsache entstehen den Gemeinden bedeutsame Aufgaben,
die man als Bodenpolitik im Bebauungsplan und durch die
Bauordnungen zu bezeichnen pflegt. Dem Bebauungsplan
muß eine gute Anordnung zugrunde liegen, die für jede Lage
und für jeden Bedarf, mit der Entwicklung fortschreitend,
stets ein genügendes Angebot stellt, und die Bauordnungen
sollen, nach Zonen abgestuft, die Ausnutzungsmöglichkeit
unter Druck halten.
In der Ausnutzung bildet der Boden je nach seinem
Werte einen Faktor von sehr verschiedener Bedeutung. Bis
zu einer gewissen Grenze ist der Wertzuwachs auf die
Ertragfähigkeit der Ausnutzung von relativ geringem Einfluß,
Erst jenseits dieser Grenze, die natürlich nicht fest gegeben
ist und auch abgestuft sein kann, entsteht ihm aus sich selbst
heraus eine Beschränkung. Ein Grundstück kann schon
leicht und schnell von 2000 Mk. auf 4000 Mk., also um 100°/o
im Werte steigen, während ein zweites in der gleichen Zeit
wohl von 10000 auf 12000 Mk., also um den gleichen ab-
soluten Betrag, kaum aber von 10000 auf 20000, also auch
um 100 "/o steigen wird. Der absolute Wertzuwachs ist dann
der gleiche, die Volkswirtschaft wird durch ihn in gleichem
Maße belastet; der privatwirtschaftlich bedeutsame relative
Zuwachs nimmt aber mit steigenden Werten ab.
Das sind die Grundlagen, auf denen sich der Kampf um
den Wertzuwachs in der Praxis abspielt, ein Kampf, der,
wie hieraus schon hervorgeht, mit sehr ungleichen Waffen
geführt wird.
Vom Standpunkt des Käufers aus sind zwei Fälle zu
unterscheiden. Entweder kauft er, um das Grundstück selbst
auszunutzen, um es zu bebauen, oder er kauft zum Zwecke
des Wiederverkaufes, um aus diesem einen Gewinn zu er-
zielen, sich den Wertzuwachs anzueignen.
In dem ersten Falle macht sich der Käufer eine Ertrag-
rechnung; er rechnet aus, ob er bei der Forderung des
Grundbesitzers und bei der beabsichtigten Ausnutzung auf
seine Kosten kommt. In dieser Rechnung sind nun sehr
viele schwankende Faktoren. Der geforderte Grundstücks-
preis ist zwar fest gegeben, aber schon beim einfachen Miet-
hause sind die Baukosten und die eingehenden Mieten nicht
103
DER STÄDTEBAU
auf Heller und Pfennig zu berechnen. Beim Bau zum Eigen-
wohnen spielt dabei Liebhaberei, beim Geschäftshaus der
Zwang der geschäftlichen Lage eine erhebliche Rolle, die
dem Grundstückspreis der beabsichtigten Nutzung gegenüber
oft zurücktreten und den Grundbesitzer, der die Sachlage meist
überblickt, hohe, durch die normale Nutzung nicht gerecht-
fertigte Preise einheimsen läßt. Alle diese schwankenden
Faktoren macht sich der Grundbesitz zu nutze und schraubt
die Preise, und damit natürlich im Laufe der Entwick-
lung auch die Nutzungspreise, die Mieten, immer höher.
Zwischen Grundstückspreis und der Ertragsfähigkeit der
Grundstücksnutzung herrscht immer äußerste Spannung.
Daraus folgt in erster Linie die geringe wirtschaftliche Kraft
unseres großstädtischen Hausbesitzes.
In diesem ersten Fall hat also der Käufer zunächst nur
den Nutzungswert im Auge, Auf den Wertzuwachs spekuliert
er erst in zweiter Linie, indem er hofft, daß dieser ihm die
Nutzung mit der Zeit ertragreicher gestaltet und ihm zuletzt
auch einen Gewinn beim Verkauf sichert. Hat er richtig
gerechnet und verkäuflich gebaut, so ist für ihn der Wert-
zuwachs Reingewinn, da sich der Grundstückspreis in dem
Nutzungseinkommen verzinst. Leider wird aber beim Mangel
einer Tilgung des Hypothekenkapitals der Wertzuwachs meist
durch den Verschleiß, den unmittelbaren wie den mittelbaren,
durch das Unmodernwerden des Hauses aufgesaugt und die
geringen Verdienste, mit denen von vornherein gerechnet
wurde, gehen im Wirtschaftsleben des Einzelnen fast un-
bemerkt unter.
Der Preis, der unter dem Gesichtspunkt der Nutzung
bezahlt wird, ist unter normalen Verhältnissen jederzeit und
immer der höchste. Er stellt im Grundstücksverkehr den
Einzelpreis dar; er bildet den Maßstab für die Wertung des
Bodens sowohl im allgemeinen, als auch bei der steuerlichen
Einschätzung.
Im zweiten Falle, beim Kauf eines Grundstückes zum
Zwecke des Wiederverkaufes, um den Wertzuwachs sich an-
zueignen, ist die Rechnung des Käufers eine wesentlich
andere. Hier geht der Kauf unter rein spekulativen Gesichts-
punkten vor sich. Die erste Voraussetzung für das Zustande-
kommen des Kaufes ist die, daß der Käufer annimmt, daß
der Wertzuwachs in jedem Falle mindestens die normale
Verzinsung des Kaufpreises deckt. Ist nur diese Deckung
vorhanden, so hat er zwar keinen Verlust, aber auch keinen
Gewinn, keine Entschädigung für sein Risiko. Ein Risiko
ist in diesem Falle tatsächlich vorhanden, weil es sich hier
nicht darum handelt, daß überhaupt ein Wertzuwachs vor-
handen ist, sondern darum, daß er genügend groß ist, so-
daß kein Verlust herauskommt. In den teueren Lagen, wo
der relative Wertzuwachs verhältnismäßig klein, jedenfalls
kleiner als in den billigeren Lagen, in den Außengebieten,
ist, kann es sich deshalb nur um eine Spekulation auf den
einzelnen Fall, auf besondere Verhältnisse handeln. In den
Außengebieten bleibt immer noch die Abhängigkeit von der
Entwicklung als Risiko.
Unter diesen Umständen kommt hier nur im vereinzelten,
je nach den Verhältnissen aber nicht ganz seltenen Falle
der Kauf einer einzelnen Parzelle mit dem Nebengedanken
etwaiger Eigennutzung in Frage, vielleicht auch um den
Kauf einer mittleren Besitzung, die, mit einem veralteten
Hause bebaut und schlecht ausgenutzt, von dem Besitzer
aus bestimmten Gründen verkauft werden muß zu einem
Preise, der in der vorhandenen Nutzung eine kümmerliche
aber doch eine Verzinsung gewährt, die den Wertzuwachs
als Reinverdienst erscheinen läßt.
Im allgemeinen handelt es sich beim spekulativen Grund-
stückskauf nur um den Ankauf größerer und großer Be-
sitzungen. Hier stehen sich Käufer und Verkäufer in vollständig
veränderter, durch die Verhältnisse bedingter Sachlage gegen-
über. Nehmen wir einmal an, ein Grundbesitzer habe eine
Besitzung, die sich in rund 200 Baugrundstücke aufteilen
ließe, und er habe für vereinzelte Grundstücke bereits durch-
schnittlich 5000 Mk. erzielt, so hat seine Besitzung, aus diesen
Einzelpreisen abgeleitet, einen Wert von einer Million.
Kommt nun ein Käufer und bietet ihm für seinen Besitz
400000 Mk., so wird er folgendermaßen rechnen müssen:
Diese Summe ergibt bei nur 4°/o Verzinsung eine jährliche
Einnahme von 16000 Mk. Ich spare beim Verkauf die
Grundsteuer vom gemeinen Wert in Höhe von, sagen wir S^/oo,
also von 3000 Mk. Ich spare ferner alle ortsstatutarischen
Verpflichtungen, deren Erfüllung mir für die bauliche Nutz-
barmachung zufallen würde, in Höhe von rund 1000 Mk.
im Jahr. Beim Verkaufe zum Preise von 400000 Mk. habe
ich also alljährlich eine Einnahme bzw. ersparte Ausgabe
in Höhe von durchschnittlich 20000 Mk. Die Vergangenheit
hat mich gelehrt, daß ich alljährlich im Durchschnitt nur
vier Baustellen zum Preise von je 5000 Mk. verkaufen konnte.
Fahre ich so weiter fort, so habe ich in 50 Jahren meinen
Besitz verkauft, dann habe ich aber, wenn ich es überhaupt
erlebe, nichts mehr in der Hand, während beim Verkauf
die 400000 Mk. immer noch mein eigen bleiben. Ich bin
alt und weiß nicht, wie es nach meinem Tode gehen wird;
unter diesen Umständen könnte ich selbst mit einem Kauf-
preis von 300000 Mk. zufrieden sein.
Und der Käufer rechnet folgerdermaßen : Ich zahle
400000 Mk. für den Besitz, also 2000 Mk. für eine Baustelle.
Es sind bereits für einzelne Baustellen 5000 Mk. bezahlt
worden. Wenn ich mit meiner Forderung auf 3000 Mk.
herabgehe, hoffe ich, bereits im ersten Jahre 30 Baustellen
zu verkaufen; für die ersten 20 habe ich bereits mehr oder
minder sichere Käufer. Durch diesen Verkauf, der mir ja
schon Verdienst einbringt, hoffe ich, Entwicklung in das
Ganze zu bringen, und werde dann schon reichlich auf
meine Kosten kommen.
Der Käufer geht von der meist richtigen Voraussetzung
aus, daß der Wertzuwachs höher ist als die normale Ver-
zinsung, und daß ihm deshalb ein Gewinn in sicherer Aus-
sicht steht. Durch eine geschickte Preispolitik hofft er diesen
Gewinn bald einheimsen zu können. Der Verkäufer schätzt
das bare Geld höher als den Grundbesitz in seiner Ab-
hängigkeit von der Entwicklung. Er sagt sich, selbst wenn
ich 10000 Mk. für jede Baustelle erhalte, alljährlich aber
nur zwei Baustellen verkaufe, stehe ich mich beim Verkauf
besser.
Die verschiedene Wertung von Grundrente und Kapital
ist es, die hier den Ausgleich schafft. Auch hier zeigt sich
wieder die Macht des Kapitals in unserem Wirtschaftssystem;
sie zwingt die Grundrente unter ihre Herrschaft und preßt
dann alles aus ihr heraus, was sie zu geben vermag.
Den Grundstückspreis, der in dieser Art unter der Macht
des Kapitals zustande kommt, nennen wir Großpreis. Er
ist wesentlich, unter Umständen bis zur Hälfte, niedriger
als der Einzelpreis.
Die Praxis bietet reichlich Beispiele für den Unterschied
zwischen Groß- und Einzelpreis. In Oberhausen bot ein
104
DER STÄDTEBAU
Großgrundbesitzer der Stadt seinen ganzen Besitz zum Preise
von 860000 Mk. an. Für die Grundsteuer war dieser Besitz
zu 1400000 Mk. eingeschätzt. Die Einschätzung blieb im
allgemeinen etwas unter den bislang erzielten Einzelpreisen,
so daß man sagen kann, das Angebot umfaßte nur etwa die
Hälfte des Einzelpreiswertes. Trotzdem hat es die Stadt-
verordnetenversammlung als zu hoch abgelehnt. Dies Beispiel
mag genügen, obwohl sich noch sehr viele angeben ließen.
Die Macht des Kapitals ist besonders groß da, wo es
sich zum größten Teil um Rohland handelt, dessen Auf-
schließung noch erhebliche Barmittel erfordert, die der
Grundbesitzer entweder nicht hat oder nicht in den Boden
hineinstecken will.
Die Entwicklung der Grundstückswerte vollzieht sich
also unter dem Unterschied von Einzel- und Großpreis genau
wie jeder andere Handel und in noch verstärktem Maße.
Unter diesen Umständen muß man den Zwischenhandel beim
Grundstücksgeschäft, soweit er sich darauf beschränkt, im
großen einzukaufen, in Einzelparzellen zu verkaufen und so
den auf dem Baumarkt auftretenden Einzelbedarf zu be-
friedigen, als berechtigt anerkennen. Der Zwischenhandel
in dieser Form braucht, wie wir gesehen haben, die Volks-
wirtschaft nicht zu belasten. Wenn eine Bodengesellschaft
aus ihrem Unternehmen Millionen herauszieht, so geht daraus
noch nicht hervor, daß die Allgemeinheit nun durch ihre
Tätigkeit um diese Summe höher belastet worden ist; da
müßte man erst beweisen, daß der Urbesitz sich mit ge-
ringerem Verdienst begnügt hätte, wenn er in Einzelparzellen
verkauft hätte.
Der Zwischenhandel muß eine geschickte Preispolitik
treiben, um seinen Zweck zu erreichen. Er muß suchen
die Entwicklung nach seiner Besitzung zu ziehen, und er
wird alle bei der Preisbildung wirksamen Faktoren zu
seinen Gunsten auszunutzen und sie zu einem Höchstmaß
zu steigern suchen, denn sein Zweck ist möglichst hoher
Gewinn. Unter der Herrschaft des Grundstückshandels
werden so alle jene Kräfte zu einem Höchstmaß aufgepeitscht,
die der Grundrente bei der Monopolstellung des Bodens die
ständig ansteigende Richtung geben. Der Einsatz ist beim
Grundstückshandel höher als beim Urbesitz. Dadurch wird
der Kampf um die Grundrente schärfer da, wo er vorherrscht,
und die Folge ist dann äußerste Spannung in den Einzel-
preisen durch äußerste Ausnutzung der Konjunkturen,
durch äußerste Ausnutzung aller Faktoren auf dem Grund-
stücksmarkt.
Wir werden also sagen müssen: Der Zwischenhandel,
auch der in unserem Sinne, an sich berechtigt und durch
die Verhältnisse gegeben, in vielen Fällen geradezu ein Be-
dürfnis zur Mobilisierung des Bodens, wirkt in letzter Linie
durch äußerste Anspannung aller Kräfte verderblich auf die
Preisbildung.
Die Folgerung ist eine gegebene. Wenn der Grundstücks-
zwischenhandel ein Bedürfnis ist, und wenn er hohe Gewinne
erzielen läßt ohne die Allgemeinheit überzubelasten, wenn
er dies aber in dem heutigen System trotzdem tut, so muß
eben das System geändert werden, die Mobilisierung des
Bodens muß eine öffentliche Aufgabe, eine Aufgabe der
Gemeinden werden.
Es ist dabei durchaus nicht nötig, daß die Gemeinde
die Trägerin der gesamten Stadterweiterung wird. Ihr Grund-
besitz in den Außengebieten muß nur groß genug und gut
verteilt sein, so daß sie den Grundstücksmarkt in genügendem
Maße und für jeden Bedarf beherrscht und ihn stets be-
weglich erhalten kann. Daß der Erwerb solcher Flächen,
genügend große, noch nicht aufgeteilte Außengebiete voraus-
gesetzt, die im einzelnen Falle noch durch umfangreiche Ein-
gemeindungen in die Stadtbegrenzung einbezogen werden
müßten, auch ohne Hilfe der Enteignung möglich ist, das
hat die Industrie, vor allem der Großindustrielle Thyssen
bewiesen, der in dem schon stark zur Stadtbildung neigenden
Kreise Dinslaken annähernd 3000 ha in kurzer Zeit zu recht
mäßigen Preisen freihändig angekauft hat.
Wenn trotzdem von den Städten nach dieser Richtung
hin noch recht wenig geschehen ist, so ist dies auf ihre
Verwaltungsorganisation zurückzuführen, die sie abhängig
macht von der Zustimmung einer Wirtschaftsgruppe, die
ein Interesse hat an der Erhaltung der bestehenden Ver-
hältnisse. Hier können nur gesetzliche Maßnahmen helfen
etwa dahingehend, daß bestimmte Einnahmen, wie die aus
der Wertzuwachssteuer, zum Ankauf von Grundstücken
verwendet werden müssen.
Die Selbstkosten ergeben auch auf dem Grundstücks-
markt die unterste Grenze, unter die das Angebot nicht
gehen kann. Nehmen wir einmal an, ein Spekulant habe
in einem Außengebiet eine Fläche von 3 ha zu dem billigen
Preis von 2 Mk. für 1 Quadratmeter, also für 60000 Mk. an-
gekauft. Die Aufteilungsverhältnisse sind sehr günstige. Die
Fläche kann durch eine 300 m lange Straße sehr wirtschaftlich
aufgeschlossen werden. Die Stadt fordert als Bedingung für
die Erteilung von Bauerlaubnissen an dieser Straße außer
der Übereignung der Straßenfläche in Breite von 15 m noch
die kostenlose Auflassung einer Fläche von 55 ar als Teil
einer Platzanlage. Sie fordert ferner den sofortigen Ausbau
der Straße mit einer 6 m breiten chaussierten Fahrbahn, mit
Rinnenpflaster und Bordsteinanlagen. Dieser Ausbau kostet
dem Spekulanten rund 60 Mk. pro laufenden Meter, also rund
18000 Mk. Beim Kaufe mußte der Erwerber l'/o Landes-
stempel, '/3 "/o Reichsstempel und 2 »/o Kommunalsteuer, also
einschließlich der Umschreibungskosten rund 4''/o Umsatz-
kosten zahlen. Die Verhandlungen mit der Stadt zogen sich
in die Länge, so daß erst ein Jahr nach dem Erwerb das
baureife Gelände vorlag. Einschließlich des Zinsverlustes
kosteten dann die verbleibenden 2 ha Bauland dem Speku-
lanten rund 83000 Mk. Sein Selbstkostenpreis beträgt also
4,15 Mk. für 1 Quadratmeter.
Der Spekulant muß also jetzt mit einem jährlichen Zins-
verlust von 3320 Mk. rechnen; mit anderen Worten, setzt er
jährlich nur für diese Summe Flächen um, so ist er am
Schluß sein Kapital los, ohne eine andere Gegenleistung er-
halten zu haben als die Zinsen während der Verkaufszeit.
Verkauft er, mit 4,15 Mk. beginnend, die rund 40 Baustellen
in 20 Jahren und beträgt der durchschnittliche Wertzuwachs
für 1 Jahr nur 4°/o, so wird er die letzten Baustellen zu
8,30 Mk. für 1 Quadratmeter verkaufen müssen und hat dabei
noch keine Entschädigung für seine Mühe und für sein Risiko.
Er wird also mit einem Preis von 5 Mk. für 1 Quadratmeter
anfangen müssen und sucht dann im Laufe der Entwicklung
aus seinem Besitz möglichst viel herauszuschlagen. Meist
wird er auch einen reichlichen Gewinn erzielen, wenn ihm
die Verhältnisse einigermaßen günstig sind.
Durch die Aufteilungskosten ist also der Selbstkosten-
preis reichlich verdoppelt worden. Der Selbstkostenpreis
bildet die untere Grenze für das Angebot. Er verschiebt
ferner diese Grenze ständig nach oben infolge des An-
105
DER STÄDTEBAU
Wachsens durch die Verzinsung und bildet so einen starken
Antrieb für die Wertsteigerung des Bodens. Durch die Selbst-
kosten wird die Wertsteigerung unter Druck gestellt; sie
sind ein wesentlicher Faktor, der in das Grundstiicksgeschäft
ein gewisses Risiko hineinbringt und deshalb auch ein
bedeutsames psychologisches Moment für das Ansteigen der
Grundstückspreise.
In den Außengebieten werden die Selbstkosten, wie wir
gesehen haben, in erheblichem Maße durch die Aufteilungs-
kosten und diese wieder besonders durch die Straßenbau-
kosten bedingt. Diese Straßenbaukosten auf ein Mindestmaß
hinabzudrücken, ist deshalb außerordentlich bedeutsam für
die Preisbildung der Grundstücke in der Staderweiterung. Das
Mindestmaß ist hier relativ je nach der Zweckbestimmung
der Straße; seine praktische Auslösung erfordert deshalb
eine unterchiedliche Behandlung der Straßen im Bebauungs-
plan je nach ihrer Zweckbestimmung, die scharfe Trennung
von Wohn- und Verkehrsstraße mit den für erstere gegebenen
Erleichterungen des Ausbaues.
In ähnlicher Weise wie die Selbstkosten wirkt die
hypothekarische Belastung als untere Grenze, über die
hinaus ein Rückgang der Werte nur über den Ruin wirt-
schaftlicher Daseinbedingungen möglich ist. Sie ist auf dem
gesamten Grundstücksmarkt wirksam und infolge ihres
ständigen Steigens die Schraube, die die Grundstückspreise
immer höher schraubt.
Bei dem Mangel jeglicher Tilgung einerseits und dem in
unserem Wirtschaftssystem immer stärker fortschreitenden
Verschleiß der Gebäude, dem mittelbaren und unmittel-
baren, durch Unmodernwerden usw. andererseits entsteht
infolge der Höhe der Belastung eine Lücke für die Sicherheit,
die nur durch das Ansteigen der Grundstückswerte gedeckt
werden kann und bei der allgemein hohen Belastung um-
gekehrt auch meist wirklich gedeckt wird. Das ständige
Ausfüllen dieser Lücke durch das Ansteigen der Grundwerte
beim bebauten Boden ist mit der Wirkung des Ansteigens
der Selbstkosten durch den Zugang der Zinsen beim un-
bebauten Boden in Parallele zu setzen. In diesem Sinne ist
die allgemeine Einführung der Tilgung außerordentlich
bedeutsam für die Wert- und Preisbildung des städtischen
Bodens, wenn sie auch nicht geeignet erscheint, das Problem
der Bodenverschuldung, auf das wir hier nicht näher ein-
gehen können, in seinem ganzen volkswirtschaftlichen
Umfang zu lösen. (Schluß folgt.)
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
Nummer 23 der Mitteilungen der ZENTRALSTELLE FÜR
WOHNUNGSREFORM IN ÖSTERREICH enthält an
leitender Stelle ein Gutachten der Zentralstelle zur Reform der Gebäude-
steuer. In eingehender Erörterung werden hierauf die Durchführungs-
vorschriften zu den Wohnungsfürsorgegesetzen vom 28. Dezember igii
besprochen. Aus dem übrigen reichen Inhalte des Heftes seien Aufsätze
über die Einführung des Erbbaurechtes in Österreich, eine Statistik der
gemeinnützigen Bauvereinigungen und über die Neugründung von Bau-
genossenschaften, endlich eine an das Abgeordnetenhaus gerichtete
Petition betreffend die Gewährung vollständiger Gebührenfreiheit für
Eigenhäuser erwähnt.
Der von der KAISER FRANZ JOSEPH I.-JUBILÄUMS-
STIFTUNG FÜR VOLKSWOHNUNGEN UND WOHL-
FAHRTSEINRICHTUNGEN veröffentlichte 16. Jahresbericht
für das Jahr igii enthält statistische Nachweise über die Besiedelung
der Männerheime (XVII. \A/urlitzergasse 89 und XX. Meldemannstr. 27)
und der Breitenseer Kolonie im XVI. Bezirk Bernhardstr. 5. Die in
den beiden Männerheimen eingerichteten zusammen 1450 vermietbaren
Schlafabteile wurden im Berichtsjahre von 10837 Schlafgästen benutzt;
die von diesen gelösten 148870 Schlafabteilanweisungen hatten für zu-
sammen 512885 Betten bzw. Nächte Gültigkeit. Die durchschnittliche
Wohndauer der einzelnen Schlafgäste erreichte fast 50 Tage. Von den
10837 Schlafgästen standen 6055 im Alter von 21 bis 35 Jahren, 2227
im Alter von 36 bis 50 Jahren, 1648 waren noch nicht 20 und 907 über
50 Jahre alt. 1386 Schlafgäste waren verheiratete Männer, von denen
viele angaben, daß die große Wohnungsnot in Wien sie zwinge, ihre
Familien auswärts wohnen zu lassen. Die Einkommensangaben der
Schlafgäste zeigen gegen das Vorjahr günstigere Verhältnisse, welche auf
die allgemeinen Lohnerhöhungen zurückzuführen sind. Den Hauptanteil
der Schlafgäste stellen gewerbliche Arbeiter (5075) und Hilfsarbeiter
(2909), doch sind auch viele andere Berufe vertreten.
Die 400 Familienwohnungen in der Breitenseer Kolonie, die durch
den gegenwärtig im Zuge begriffenen Ausbau des Lobmeyrhofes eine
Ausgestaltung um 100 Wohnungen erfährt, waren von zusammen
1752 Personen bewohnt, darunter 864 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren.
In der Kolonie starben 19 Personen, geboren wurden g Kinder gegen 15
im Jahre 1910, 21 im Jahre 1909 und 26 im Jahre 1908. Die für die
Mieter der Wohnungsanlagen der Stiftung geschaffenen Wohlfahrts-
einrichtungen wurden stark benutzt. In den Badeanlagen wurden ver-
abreicht 91 318 Bäder, hiervon 46950 Brause-, 37553 Fuß- und
6815 Wannenbäder. Die für die Kolonie unentgeltlich tätigen Ärzte
Dr. Josef Winterberg, Dr. Franz Josef Beer und Dr. Emil Berggrün
wurden von 2174 Personen 4325 mal, die rechtsfreundliche Sprechstunde
des Mitgliedes des Verwaltungs-Komitees Dr. Friedr. Frey wurde von
32 Parteien in Anspruch genommen. Der Vortragssaal in der Kolonie
wurde 368 mal zur Abhaltung von Vorträgen, Gesangsübungen u. dgl.
von 32382 Personen benutzt. Die im Lobmeyrhof bestehenden Nutz-
gartenbeete, die Übungen der Turnsektionen, die Kinderbeschäftigungskurse
des Fräulein Helene Goldbaum lieferten gleichfalls den Nachweis der
großen Nützlichkeit der Wohlfahrtseinrichtungen.
Der Rechnungsabschluß der Stiftung weist nach Vornahme der
üblichen Abschreibungen, Rücklagen und Reserven einen reinen Ge-
bahrungsüberschuß von 69248 Kronen für das Jahr igii aus. Das Rein-
vermögen der Stiftung beträgt 2739636 Kronen. Die nächste Bauführung
der Stiftung dürfte die Errichtung eines weiteren großen Männerheimes
in Verbindung mit einer Gruppe von Familienwohnungen im X. Bezirk
Favoriten betreffen.
SOZIALE KULTUR Der Zeitschrift Arbeiterwohl und der Christ-
lich-sozialen Blätter neue Folge. 32. Jahrgang. 1912. Redigiert
in Verbindung mit Prof. Dr. Franz Hitze von Dr. Wilhelm Hohn.
M.-Gladbach, Volksvereins- Verlag G. m. b. H. Monatlich ein Heft im
Umfang von vier Bogen Großoktav. Vierteljährlich 1,50 Mk.
Auch das vierte Jahresheft der alteingeführten, wegen ihrer Viel-
seitigkeit und Gediegenheit bekannten Hitzeschen Zeitschrift „Soziale
Kultur" zeigt, daß sie nach wie vor bestrebt und befähigt ist, aus dem
weiten Gebiete des sozialen Wissens und der sozialen Praxis in muster-
hafter Form dauernd Wertvolles zu bringen.
Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis lehrt, daß die Auswahl der be-
handelten Stoffe derart getroffen, daß auch weitgehenden Ansprüchen
Genüge geschieht, wie denn auch die durchweg klangvollen Namen der
Verfasser für sachkundige und tiefgründige Durcharbeit der Materie bürgen.
Wir linden da folgende Abhandlungen:
Ist der Luxus nützlich oder schädlich ? Von Professor Dr. A. Mayer,
Heidelberg. Das Genossenschaftswesen. Von Hofrat Prof. Dr. E. Schwied-
106
DER STÄDTEBAU
land, Wien. Arbeitslosenfürsorge. Von Generalsekretär J. Weydmann,
Straßburg i. Eis. Rundschau: Vereinswesen: Das caritativ-soziale Leben
(von Dr. W. Liese, Paderborn). Wohlfahrtseinrichtungen: Ein muster-
gültiges Londoner Setüement (von L. Katscher, London). Soziale
Hygiene, Mäßigkeit: Saluti senectutis! (von Dr. Schulten, Waldbreitbach).
Erziehung und Bildung: Lehrlingsausbildung (von Dr. Honnef, Bonn).
Die soziale Herkunft der bayerischen Mittelschüler (von Dr. H. Rost,
Augsburg). Amerikanische Sommer- und Ferienschulen (von H. Pudor,
Leipzig). Jugendfürsorge: Sammelvormundschaft der Stadt Berlin (von
Berufsvormund Georg Pieper, Essen). Die Kinderarbeit in Österreich.
Kinder- und Jugendlichenschutz in England. Schulzahnkliniken in
Schweden. Wohnungswesen: Staatliche Wohnungsfürsorge in Spanien
(von L. Loydold, Wien). Berufsorganisationen: Über den Stand der
katholischen Arbeiterorganisationen in Italien. Steuerwesen: Über das
Einkommensverhältnis im Großherzogtum Baden. Soziale Zustände,
Statistik: Die weiblichen Staatsbeamten in Frankreich (von A. R. Erlbeck,
Leipzig). Literaturbericbte.
BAUORDNUNG UND BEBAUUNGSPLAN - ihre Bedeutung
für die Gartenstadtbewegung. Vorträge, gehalten auf der Jahres-
versammlung der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft igii. Preis 2 Mk.
Renaissance-Verlag Robert Federn, Paris und Leipzig.
HEIMATSCHUTZ UND VERUNSTALTUNGSGESETZ-
GEBUNG. Von Baurat Ochs, Berlin. Vortrag, gehalten in 4er
Hauptversammlung 191 1 der Sektion der Dachziegelfabrikanten. Berlin
1911. Druck von R. F. Funcke, Berlin O.
CHRONIK.
BERICHTIGUNG. Zu unserem Bedauern ist übersehen worden,
daß als Verfasser des Wettbewerbsentwurfes „Groß-Leipzig" zur
Bebauung der Frankfurter Wiesen in Leipzig nicht nur Herr Architekt
■Wünschmann in Leipzig, sondern auch Herr Gartenarchitekt J. P. Groß -
mann in Berlin genannt war.
BREMEN. Im Gewerbe-Museum zu Bremen war bis Mitte August
eine Ausstellung der Bremer Gartenarchitekten Chr. Roselius und
Fr. Gildemeister zu sehen, die neben ansprechenden Lösungen für
Einzelgärten auch Fragen des Städtebaues streifte. Einmal war be-
merkenswert, mit welchem Geschick beide Künstler für die durch den
Bremer Villentypus des Reihenhauses gegebenen, an sich oft ungünstigen
Gartenausschnitte gute Lösungen finden, und wie durch solche Arbeiten
allmählich Gesichtspunkte der Einheitlichkeit, Einfachheit und gegen-
seitigen Rücksichtnahme verbreitet werden. Daneben aber verdienen im
Rahmen unserer Zeitschrift einige größere Geländeaufteilungen Gilde-
meisters einen besonderen Hinweis. Hier arbeitet ein sicheres und
praktisch geschultes Raumgefühl, das auf gärtnerischem Wege Fragen
der Gruppierung und Raumausnutzung löst und Gesichtspunkte des Tief-
baues mit denen des Hochbaues zu verbinden weiß. Besondere Fähig-
keit zeigt er für die Aufteilung größerer Grundstücke zu parkartigen
Besitzungen mit großzügigen Anlagen, vor allem aber hat er auch für
Villenviertel das Problem möglichster Abtrennung des einzelnen bei
organischem Zusammenschluß des Ganzen stets mit Verständnis gelöst.
3 TAGUNG DER „GESELLSCHAFT FÜRHOCHSCHUL-
• PÄDAGOGIK" in Leipzig, Donnerstag den 17. bis Sonntag den
20. Oktober igi2. Die Sitzungen finden im allgemeinen in den Räumen
der Universität bzw. in Universitäts-Instituten statt. Aus dem Programm
erwähnen wir die Ausstellungen hochschulgeschichtlicher Literatur, neuerer
akademischer Lehrmittel, für akademische Leibespflege (Turnen, Sport,
Spiel) und der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe (in
den Räumen der Akademie), sowie die Vorträge „Wandlungen im Wesen
der Universitäten seit 100 Jahren" von Professor Dr. E. Spranger-Leipzig.
„Akademischer Unterricht und Charakterbildungen", Dozent Dr. A. Fischer-
München, und die Berichte über die Formen des akademischen Unterrichts
(Vorlesungen, Übungen, Praktika usw.) Anmeldungen bei dem Schriftführer
des Leipziger Ausschusses: Professor Dr. W. Boettger-Leipzig-Stötteritz,
Ludolf-Colditzstr. 21, oder bei dem Geschäftsführer Dr. H. Schmidkunz,
Berlin-Halensee, Joachim-Friedrichstr. 6.
Eine große Zahl von Mitgliedern der medizinischen und philoso-
phischen Fakultät der Kgl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin
und Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheits-
pflege sieht in der DAUERNDEN ENTWÄSSERUNG DER
GRUNEWALDSEEN BEI BERLIN — Nikolassee, Schlachten-
see, Krumme Lanke, Riemeistersee — und der dadurch bedingten Ver-
sandung ihrer Ufer und Vernichtung einer eigenartigen Flora und be-
sonders schöner landschaftlicher Reize sowie der damit verbundenen
schweren mittelbaren und unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Ge-
sundheitspflege, eine schwere Schädigung des Volkswohls, durch welche
unersetzliche Werte für jetzt und die Zukunft verloren gehen. Sie bitte
den Zweckverband von Groß-Berlin, mit allen ihm zu Gebote stehenden
Mitteln der drohenden Gefahr entgegentreten zu wollen, insbesondere eine
Kommission einzusetzen, die unter Heranziehung von Sachverständigen
die Mittel und Wege klarstellt, deren schnelle Anwendung die Rettung
der gefährdeten Seen sichert.
DAS LETZTE AUFFLACKERN DER WOHNUNGS-
POLITIK IN BERLIN. Anläßlich des Hinscheidens des
früheren Staatsministers Hobrecht erinnert der Propagandaausschuß
für „Groß-Berlin" an eine Vorlage, die Hobrecht im Jahre 1872 als Ober-
bürgermeister von Berlin an die Stadtverordneten gelangen ließ und in
der er dringend zu energischer städtebaulicher Politik aufforderte, der
Teuerung des Baulandes entgegenzutreten durch schleuniges Aufschließen
städtischen Geländes und durch seine Vergebung in Erbpacht unter der
Bedingung sofortiger Bebauung. Er verwahrte sich dabei auf das leb-
hafteste dagegen, in irgend einer Weise die private Bauunternehmung
lähmen zu wollen; er versicherte sogar, daß er die Bodenspekulation
nicht tadeln, sondern vielmehr in ihr nur den Ausdruck unabänderlicher
wirtschaftlicher Gesetze sehen könne, aber er fuhr fort: „Was jedoch die
rasche Ausdehnung der Bebauung in Berlin am meisten erschwert, ist
der übermäßig gesteigerte Preis des Baugrundes. Die Bauplätze des
engeren Ringes, welcher sich unmittelbar an die schon bebaute Fläche
schließt, sind so teuer, daß auch bei der billigsten Bauart und den auf
das Notwendigste beschränkten Anforderungen an ihre Brauchbarkeit
Wohnungen für den ärmeren Teil der Bevölkerung nicht mehr zu den
Preisen hergestellt werden können, welche den sonstigen wirtschaftlichen
Verhältnissen derselben entsprechen. Kann die Kommune diesem in der
Teuerung des Baugrundes liegenden Hindernisse der Gründung neuer
Ansiedelungen entgegentreten und kann sie, ohne die Grenzen der ihr
im öffentlichen Rechte angewiesenen Tätigkeit zu überschreiten, ins-
besondere also, ohne lähmend in die Privatspekulation einzugreifen oder
sich selbst an einer Spekulation zu beteiligen, dahin wirken, daß weitere
Flächen mit geringerem Kapitalaufwande für die Bebauung nutzbar
werden, so wird sie hiermit am erfolgreichsten zu einer Besserung der
bestehenden Zustände beitragen. In diesem Sinne haben wir zunächst
unsere Anträge gestellt; die Anträge gehen auf geeignete Verwertung
solchen städtischen Grundbesitzes, welcher voraussichtlich auch in Zukunft
zu einer Verwendung für kommende Zwecke keine Gelegenheit bietet.
Daß es vor allem erforderlich ist, für die Herstellung guter, bequemer
und billiger Verbindungswege und Mittel für den Verkehr der neuen An-
siedelungen mit der Stadt zu sorgen, sowie die zum Aufschluße von
Bauplätzen notwendigen Querstraßen innerhalb des Bauterrains selbst
anzulegen und für dessen Entwässerung die erforderlichen Einrichtungen
zu treffen, liegt auf der Hand. Wir haben bereits unsere Bemühungen
107
DER STÄDTEBAU
auf erhebliche Erleichterung der baupolizeilichen Vorschriften in Ansehung
des Baues von Wohnungen gerichtet und sind versichert, daß das König-
liche Polizeipräsidium auf unsere Vorschläge wenigstens teilweise ein-
gehen werde. Wir haben uns sowohl mit der Direktion der Verbindungs-
(Ringbahn) als auch der Görlitzer Bahn in Korrespondenz gesetzt und
dürfen von beiden auf ein Entgegenkommen rechnen, sofern wir ihnen
das zur Einrichtung einer Haltestelle beziehungsweise einer Anschluß-
kurve erforderliche Terrain hergeben. Was die sofort zu pflasternden,
zu chaussierenden oder sonst zu befestigenden Wege betrifft, so nehmen
wir auf die Beilage Bezug (die das zunächst ins Auge gefaßte Terrain
hinter Treptow planmäßig bearbeitet), die wenigstens einen ungefähren
Anhalt gewährt, welcher für den Augenblick genügen dürfte. Wir
würden aber fürchten, den Zweck der vorgeschlagenen Aufwendungen
zu verfehlen, wenn wir einen Verkauf des Grund und Bodens, gleichviel
ob in größeren oder kleineren Parzellen, ob im Wege der Lizitation oder
freihändig, nach einer Taxe in Aussicht nähmen. Wir würden nicht zu
hindern imstande sein, daß auch diese Bauflächen in den Kreis derselben
Spekulation hineingezogen würden, welche die hohen Preise des Bau-
grundes in unmittelbarer Nähe der Stadt normiert. Wir wissen, daß
diese Spekulation nicht zu tadeln, daß sie vielmehr nur der Ausdruck
unabänderlicher wirtschaftlicher Gesetze ist. Aber wenn wir uns auch
bei der Hingabe der städtischen Grundstücke nicht verleiten lassen wollen,
die Wege zu verlassen, welche uns nach allgemeinen wirtschaftlichen
Grundsätzen angewiesen sind, so glauben wir doch unter den zulässigen
Wegen gerade den wählen und empfehlen zu müssen, welcher den Druck
der augenblicklichen Spannung für die Obdachsuchenden am billigsten
zn verteilen und die harten Konsequenzen der jetzigen Übergangszeit
am meisten zu mildern verspricht. Wir glauben, daß dies der V/eg der
Verpachtung auf längere Zeit zum Zwecke und unter der Bedingung so-
fortiger Bebauung ist, für welchen auch der Umstand spricht, daß er das
Bauen erleichtert, insofern die Kapitalanlage für den Grund und Boden
erspart wird. Die letztere scheint insbesondere wichtig im Hinblick darauf,
daß sich Genossenschaften zur Beschaffung von Wohnhäusern aus den
gewerbetreibenden Kreisen bereits mehrfach gebildet haben, während
andere in der Vorbereitung begriffen sind, und daß für diese die Durch-
führung ihrer Zwecke mit möglichst geringen Kapitalsanlagen ein wesent-
liches Moment gedeihlicher Entwicklung ist. Die Not des Augenblickes
zwingt zu raschem Handeln. Was wir vorgeschlagen haben, ist auf alle
Fälle erforderlich und nimmt so viel Zeit in Anspruch, daß inzwischen
eine Erörterung und Festsetzung des Fehlenden erfolgen kann. Dagegen
würde jede weitere Tätigkeit unsererseits nutzlos sein, wenn die Stadt-
verordnetenversammlung, was wir indessen nicht glauben befürchten zu
müssen, im Prinzip sich gegen unsere Vorschläge erklären sollte. Wir
bitten daher schließlich, diese Vorlage als eine dringliche zu behandeln,
damit womöglich zum i. Oktober wenigstens eine teilweise Verpachtung
disponibler Grundstücke stattfinden könne. Magistrat hiesiger Königl.
Haupt- und Residenzstadt, gez. Hobrecht."
"pVlE ZENTRALSTELLE FÜR WOHNUNGSREFORM IN
■*-' ÖSTERREICH hat auf Ersuchen des Vereines für Denkmalpflege
und Heimatschutz in Niederösterreich einer wechselseitigen Vertretung in
den beiderseitigen Ausschüssen zugestimmt. Ferner wurde die Bildung
eines wirtschaftlichen Reichsverbandes der Baugenossenschaften in Aus-
sicht genommen.
'pVer22.Delegiertentag des VERBANDES DEUTSCHER KUNST-
•*--' GEWERBEVEREINE ist am 24. Juni in München im Kunst-
gewerbehause durch den Vorsitzenden Geheimen Regierungsrat Dr.-Ing.
Muthesius eröffnet worden. Von 45 dem Verbände angeschlossenen
Vereinen mit 72 Stimmen waren 39 mit 61 Stimmen vertreten. Die Bei-
tragseinheit mit 32 Mark wurde beibehalten. Ein Antrag Plauen auf
einen niedrigeren Satz für kleinere Vereine wurde dem Ausschusse über-
wiesen. Die Gebührenordnung wurde den im Vorjahre geäußerten
Wünschen entsprechend, nach den vom Ausschusse vorgelegten, von Prof.
Dr. Lehnert vertretenen Vorschlägen geändert, besonders in der Richtung
der möglichsten Ausschaltung der Materialkosten. Die Flugschriften-
kommission schlug vor, zu versuchen, aus den Vereinen heraus
3000 Abonnenten für jährlich 4 bis 5 gut ausgestattete Hefte im Jahre
zum Preise von 30 Pfennigen zu gewinnen. Infolge einer Reihe von Be-
denken, die geltend gemacht wurden, wurde der Kommission aufgetragen,
weitere Vorschläge auszuarbeiten.
Die Frage des Wettbewerbswesens wurde für das nächste Jahr
zurückgestellt. Beim Bericht über Submissionswesen wurde vom
Referenten Baurat Prof. Dr. Haupt-Hannover auf die Verhandlungen im
Preußischen Abgeordnetenhause zu diesem Gegenstande und auf den
Entwurf eines Gesetzes, das Submissionswesen betreffend, den der Hansa-
bund herstellte, hingewiesen. Mit den Grundzügen der Entwürfe erklärte
sich der Delegiertentag im wesentlichen einverstanden, verlangte jedoch
Beseitigung einer Reihe von Übelständen im Submissionswesen, die im
Interesse des Handwerks, seiner Erhaltung und Förderung gelegen ist.
Die hauptsächlichsten Wünsche beziehen sich auf die Behandlung von
kunstgewerblichen Arbeiten, die Ausschreibung und Abnahme, die Ein-
führung von Überwachungsämtern, die Regelung des Submissionswesens
durch Reichs- oder mindestens Landesgesetz. Eine entsprechende Reso-
lution wurde einstimmig angenommen.
Zum Punkte: Hebung der Friedhofskunst teilte Prof. Dr. Lehnen
die Bestrebungen mit, die aus einer Reihe von deutschen Städten zu
verzeichnen sind. Man einte sich dahin, die Vereine aufzufordern, die
wichtige Aufgabe der Förderung der Friedhofskunst nicht zu vernachlässigen,
Meisterausstellungen zu veranstalten, das Publikum aufzuklären, auf
Kirchen- und städtische Behörden einzuwirken und auf geschichtlich be-
gründete örtliche Gewohnheiten Rücksicht zu nehmen. Auch der Schaffung
künstlerischer Beratungsstellen wurde zugestimmt. Hofrat Peter Bruck-
mann-Heilbronn referierte über „Ehrengeschenke", deren künstlerische
Haltung häufig eine sehr niedrige ist. An der Hand zum Teil sehr
drastischer Beispiele verlangte der Berichterstatter, daß durch Flugblätter,
die Tagespresse und die Sportpresse darauf hingearbeitet wird, für Ge-
schenke und Preise nur gute Qualitätsarbeit herstellen zu lassen. Die
Herren Bruckmann-Heilbronn und Prof. Groß-Dresden werden die Leit-
sätze hierzu aufstellen. Der Delegiertentag stimmte zu.
Zum Austausch vonErfahrungen über die Weltausstellung
Brüssel 1910 teilte Dr. Wolff-Halle mit, daß seine Anfragen bei den
Ausstellern gezeigt haben, wie gering der materielle Erfolg für den Aus-
steller war, was Geheimrat Dr. Muthesius teilweise darauf zurückführte,
daß wir noch unter dem Vorurteil leiden, geschmacklose Arbeiten zu liefern.
Das könne nur dadurch beseitigt werden, daß wir das denkbar Beste und
Geschmackvollste bieten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch gewarnt,
sich ohne Sicherungen an amerikanischen Ausstellungen zu beteiligen,
da dort keinerlei Schutz geistigen Eigentums vorhanden ist. Über die
Wiederbelebung und Fortentwicklung deutscher Eigenart in
Baukunst und Baugewerbe sprach Stadtbauinspektor Labes-Görlitz.
Er verlangte Förderung des deutschen nationalen Stilgefühles, das schon
von der Schule gepflegt werden muß. Der Kosmopolitismus ist in diesen
Dingen nicht unsere Sache, die germanische Rasse hat auch germanische
Kunst.
Als Versammlungsort des Delegiertentages 1913 wurde die Stadt
Breslau gewählt.
DANIEL H. BURNHAM, der nordamerikanische Städtebau-
künstler, geboren 1846, ist am i. Juni d. J. in Heidelberg gestorben.
Bekannt geworden als der Schöpfer der „Außen-Stadt am See" von Chikago
des Jahres 1892 hat seine Haupttätigkeit der Entwicklung von San Fran-
cisco, Chikago und Washington gegolten. Ehre seinem Andenken. Die
Teilnehmer des Siebenten Internationalen Architektenkongresses (in
London 1906) werden sich noch mit Vergnügen der Lichtbilder erinnern,
die Mr. Frank Miles Duy aus Philadelphia unter anderen von den Arbeiten
Burnhams vorführte.
Die Unterlagen aller zur Ausschreibung gelangenden Wettbewerbe
können in den Geschäftsräumen des Verlags Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin W., Markgrafenstraße 35, wochentäglich in den Stunden von
10 — 4 Uhr unentgeltlich eingesehen werden.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herros^ & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W.
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9. Jahrgang
1912
10. Heft
PER STÄDTEBAU.
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NEBST EINER SONDERBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT
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INHALTSVERZEICHNIS: Bebauungsplan für Leipzig-Möckern. Von Stadtbauinspektor Hans Strobel, Vorstand des Leipziger Stadterweiterungsamtes. —
Normalgrundrisse für Mietshäuser. Von AI. Bohrer, Stadtbaurat in Aachen. (Fortsetzung.) — Das Stadtbild von Bath. Von Hans BernouUi, früher
Berlin, jetzt Basel. — Psychologie der Grundstückspreise. Von Dr. phil. et rer. pol. Strehlow, Oberhausen. (Schluß.) — Mitteilungen. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
BEBAUUNGSPLAN FÜR LEIPZIG-MÖCKERN.
Von Stadtbauinspektor HANS STROBEL, Vorstand des Leipziger Stadterweiterungsamtes.
Der im folgenden erläuterten Bebauungsplan betrifft ein
Gebiet, für das der Verfasser bei Antritt der neugegründeten
Stelle eines Stadtbauinspektors für Bebauungspläne am
1. April 1910 eine bereits genehmigte Planung vorfand.
Das Plangebiet liegt im Nordwesten der Stadt, im Mittel
4 km vom Marktplatz entfernt, und hat in der Preußischen
Eisenbahn, der Heerstraße nach Halle, den Infanteriekasernen
und der Stadtgrenze eine bebauungsplantechnisch zweck-
mäßige Abgrenzung erhalten. Weniger zweckmäßig war
der von der Gemeinde Möckern vor der Einverleibung auf-
gestellte und samt Bauvorschriften und einem Bauabgaben-
ortsgesetz am 4. Juli 1907 genehmigte Bebauungsplan. Siehe
Bebauungsplan Tafel 57 rechts oben. Trotzdem in diesem
verhältnismäßig kleinen Plangebiete von 61,3 ha Höhen-
unterschiede von bis zu 17 m vorkommen, war man auf
das früher übliche Schachbrettsystem verfallen. Ihm zu-
liebe wurde sogar die Völkerschlachtstraße (jetzt Trachen-
bergstraße) hinwegliniiert, die von alters her als Marienweg
aus dem Rosentale kommend, das Plangebiet schräg durch-
quert und nordöstlich nach Wiederitzsch hinausführt.
Wenn man nun diese rücksichtslosen „Fluchtlinien"
dem welligen Gelände in Wirklichkeit als Straßen auf-
gezwungen hätte, dann wären, abgesehen von den städtebau-
künstlerischen Nachteilen, an vielen Stellen ganz unzu-
lässige Steigungsverhältnisse entstanden. Vom wohnungs-
technischen und wirtschaftlichen Standpunkte aus wäre es,
neben den vielen gleich breiten Straßen, verfehlt, daß außer
der bereits viergeschossig bebauten Hallischen Straße durch-
weg die dreigeschossige offene Bauweise mit Zulassung
gewerblicher Betriebe vorgesehen war in einem Gelände,
das ausschließlich für kleine und mittlere Wohnungen in
betracht kommen kann, und wo die teilweise tief ein-
geschnittene und teilweise über dem Gelände liegende Bahn-
linie Gleisanschlüsse nur mit großen Kosten ermöglichen
würde.
Zur Aufhebung und Neubearbeitung des Planes war
gesetzmäßig das Einverständnis sämtlicher Grundbesitzer
notwendig. Nachdem einige Eigentümer von vornherein
für die Änderung eintraten, gelang es unter Vorlage eines
neuen Entwurfes nach langen Verhandlungen diese Bedingung
zu erfüllen.
Die Verkehrsverhältnisse waren im neuen Entwürfe
durch die]an der Randbebauung und bei den Bahnkreuzungen
gegebenen Verkehrsquellen leicht zu 'lösen. Unnötig ge-
schlängelte Straßen wurden absichtlich vermieden. Auf die
Erzielung konkaver Längsprofile gerader Straßen im An-
schluß an das Gelände und Straßenabschlüsse bei konvexen
Brechpunkten ist besonderer Wert gelegt worden, wie über-
haupt für die Einzelbearbeitung des Entwurfes das für Leip-
ziger Verhältnisse stark bewegte Gelände von ausschlag-
gebender Bedeutung war. Durch Anlage von Treppen und
Rampen werden einerseits kostspielige Erdmassenbewegungen
109
DER STÄDTEBAU
erspart und andererseits reizvolle Städtebilder geschaffen.
Die eingeschriebenen Höhenzahlen, die meist ungefähr den
jetzigen Geländehöhen entsprechen, beziehen sich auf das
künftige Straßenniveau.
Die in der Mitte des Bebauungsplanes eingezeichnete
Kirche ist als späterer Ersatz der städtebaulich ungünstig
gelegenen Interimskirche an der Hallischen Straße gedacht.
Sie wird in dieser Höhenlage mit ihrem Turm als Zielpunkt
mehrerer Straßen erscheinen. Durch die Überbrückung
zum Pfarrhaus an der Stelle des höchsten Punktes der
schlank durchgeführten Katzlerstraße wird eine gute Abschluß-
wirkung für Straße und Platz erzielt. (Siehe Tafel 58 b und
39b, sowie Ortsgesetz § 2, Ziff. 4.)
Naturgemäß hat sich um die Kirche herum, unter Aus-
schaltung der sonst unvermeidlichen spitzwinkeligen Bau-
blöcke eine Platzgruppe ergeben. Die Höhenunterschiede
sind hier durch Böschungsmauern und Treppen überwunden,
die den Reiz der Platzwirkung erhöhen und die durch Ein-
bau einer öffentlichen Bedürfnisanstalt und eines Brause-
bades unter der Straße und einer Unterstandshalle mit
kleinen Läden im Aufbau zu werbenden Anlagen gemacht
werden können. Außerdem entsteht auf diese Weise ein
benutzbarer und vom Verkehre nur umspülter Platzkern.
(Tafel 58b.)
. Der früher ostwestlich gerichtete Schulhausblock wurde
zugunsten einer besseren Lage der Schule abgeändert und
diese durch Grünanlagen und Hof von der Verkehrsstraße
abgerückt. Die Ausgänge wurden nach ruhigen seitlichen
Plätzen zu angeordnet. In deren Nähe ist der Haupteingang
zu einem 7200 qm großen, vom Straßenlärm und Staub ab-
geschlossenen Kinderspielplatz, der von drei Seiten her
leicht zugänglich ist. In § 8 des Ortsgesetzes (in Leipzig
wird für jeden Bebauungsplan ein besonderes Ortsgesetz
aufgestellt) sind für diesen Platz besondere Vorschriften
ästhetischer Art gemacht worden. Die städtebaukünst-
lerischen und bebauungsplantechnischen Absichten ver-
schiedener anderer Lösungen in dem Entwürfe sind ohne
Erläuterung aus dem Plane unschwer zu erkennen.
Das Verhältnis des bebauten zum nicht bebauten Lande
ist fast das gleiche geblieben wie im alten Plane. Die ge-
sundheitlich wertvollen grünen Anlagen, die in Herstellung
und Unterhaltung viel weniger kosten als die Straßen, sind
aber jetzt mit einem höheren Prozentsatz vertreten, während
das gesamte Straßenland kleiner geworden ist. An Stelle der
ursprünglich im Plangebiet allenthalben vorgesehenen teuren
Lückenbauweise, die für Kleinwohnungen unbrauchbar ist
und beim Spekulationsbau stets die sogenannte „Westen-
architektur" erzeugt, ist fast durchweg die geschlossene Bau-
weise angenommen. Die vorhandene Bebauung in der Um-
gebung des Plangebietes ist meist viergeschossig geschlossen.
Im Entwürfe wurde in der Hauptsache die dreigeschossig
geschlossene ohne Dachwohnung und die zweigeschossig
geschlossene Bauweise mit ausgebautem Dach gewählt.
Der hier veröffentlichte Plan entspricht in der Dar-
stellung nicht dem zum Ortsgesetze gehörigen Plane, in
dem die Baustelleneinteilung, die nur einen Vorschlag dar-
stellt, nicht mit festgesetzt ist. Dagegen werden die Bau-
höhen durch Eintragung der Geschoßzahlen in den be-
hördlichen Plan mit festgesetzt; dies hat gegenüber den
sogenannten Staffelbauordnungen den Vorzug einfacherer
Handhabung und weiter ausgedehnter Gestaltungsmöglich-
keiten in künstlerischer Beziehung. Man kann zum Beispiel
so den Übergang von einer höheren zu einer niederen
Bauweise innerhalb eines Hauses bedingen.
NORMALGRUNDRISSE FÜR MIETSHÄUSER.
Veranlassung und Ergebnis einer Rundfrage der Stadt Aachen.
EIN BEITRAG ZUR BAUORDNUNGS- UND WOHNUNGSFRAGE.
Von AL. BOHRER, Stadtbaurat in Aachen. (Fortsetzung.)
Zur Einschränkung dieser Übelstände, die also darin
bestehen, daß die Fachleute von der Arbeit gedrängt werden
und die ungelernten Unternehmer polizeilich zulässige, aber
vielfach im ganzen höchst mangelhafte Werke in die Welt
setzen, können verschiedene Maßnahmen dienen. Zunächst
müssen die Bauordnungen von den oben erwähnten vielen
Einzelbestimmungen, die dem Bäcker und Metzger angeben,
wie mit Hilfe von Handlangern so schlecht wie eben zulässig
gebaut werden darf, befreit werden. Sie sind zu ersetzen
durch neue kurze Bestimmungen, die in allgemeiner Form
möglichst genau sagen, was die Baupolizei in bezug auf
die Ausführung, die Zugänghchkeit, die Standsicherheit, die
Feuersicherheit, die Schönheit, die Vorbauten und die Ab-
stände will, die aber auch eine Handhabe zum Einschreiten
bieten. Sie sollen dem Architekten zur Erfüllung der Polizei-
forderungen eine größere Freiheit gewähren als die starren
Einzelvorschriften, die die freie Architektentätigkeit [mehr
oder weniger ausschalten und dem eingelernten Unternehmer
das Eindringen in die Bautätigkeit erleichtern. Als eine
besonders wirksame Maßnahme zum Ersatz der in die Form
von verbindlichen Vorschriften gekleideten Bauregeln ist die
Erhöhung der Anforderungen an die Güte und Ausführlichkeit
der Bauvorlagen zu betrachten. Vielfach hat die Baupolizei
sich mit Zeichnungen begnügt, die geradezu als mangelhaft
zu bezeichnen waren. Der schlimme W^ettlauf in betreff
der Billigkeit eines Baugesuchs ist dadurch sehr unterstützt
und der Untüchtige mittelbar zuungunsten des Tüchtigen
bevorzugt worden. Man hat zu wenig berücksichtigt, daß.
eine gute, vollständige Zeichnung die erste Vorbedingung
einer sachgemäßen Ausführung ist und daß auch die Wirt-
schaftlichkeit einer Bauausführung eine genaue Zeichnung
verlangt, da diese allein nachweisen kann, daß der Bau bis
in die Einzelheiten überlegt ist.
Dann darf nicht länger geduldet werden, daß die Bau-
ordnung, die Häusermaschine, auf Halbzeug eingestellt bleibt,
weil dadurch der Durchschnitts-Unternehmer, der nun einmal
110
DER STÄDTEBAU
vom Häuserbau nicht ferngehalten werden kann, gehindert
wird, das Vollkommenere zu liefern. Sie muß mehr auf
Fertigware eingestellt werden, und dazu müssen für die
landläufigen Wohnhäuser Normalien geschaffen werden, die
der Bauordnung fix und fertig entspringen, an denen der
Stümper nicht mehr viel verderben kann, an denen der
Techniker und Künstler aber noch reichlich zeigen kann,
was er vermag.
Diese Art, die Bauordnung bewußt als modernste
Maschine zu behandeln und sie als solche zu erhöhter
Leistungsfähigkeit zu bringen, wird den Baumeistern, die
freie Künstler sein und bleiben wollen, zunächst nicht
sympathisch sein. Sie werden einwenden, eine noch voll-
kommenere Maschine werde dem Baufach noch mehr den
Kunstcharakter nehmen, indem die Möglichkeit der indivi-
duellen Gestaltung des Hauses weiter beschränkt werde.
Der Einwand, der auf den ersten Blick einleuchtend scheint,
erweist sich bei näherer Untersuchung nicht als stichhaltig.
Die heute noch manchmal gestellte Forderung der Indivi-
dualität für jedes Haus hat doch nur eine beschränkte
Berechtigung.
Eigenart ist notwendig und gut wie das Salz. Sie ist
aber auch wie das Salz nur in geringen Mengen und am
richtigen Platze zu verwenden. Zu viel Eigenart wirkt wie
versalzene Speise. Zu viel Eigenart ist in den letzten Jahr-
zehnten auch auf dem Gebiet des Bauw^esens geboten worden;
dadurch erscheinen die neueren Stadtbilder oft so wenig ge-
nießbar. Die Gründe, die zum Verlust des Gefühls für das
Normale auf künstlerischem Gebiet geführt haben, zum Ver-
gessen der Tatsache, daß Eigenart nur eine Schattierung des
Normalen sein darf, um nicht zur verletzenden Unart zu
werden, sind verschiedenartig. Zunächst können diese Vor-
gänge angesehen werden als Gegenwirkung gegen eine
akademisch-eklektizistische Versumpfung auf künstlerischem
Gebiet und gegen die gleichmachende Richtung des 19. Jahr-
hunderts, des Maschinenzeitalters, das manche berechtigte
Eigenart unterdrückte ; dann aber auch als Spiegelbild des in
unserer Zeit herrschenden freien Wettbewerbes, der im all-
gemeinen zum Vordrängen zwingt und Zurückhaltung und
Unterordnung mit Mißachtung und geschäftlichen Nachteilen
bestraft. Die heutige Vorliebe für die Ausschreitungen, die
Künstler und Kunstschriftsteller bei der Pflege des Individu-
alismus begingen, die sich nicht scheuten, den hergebrachten
Geschmack links und rechts zu ohrfeigen, war wohl auch
von einem ehrlichen Drang, die Fesseln der Überlieferung
abzustreifen, hervorgerufen; aber wie überall spielte das
Geschäft, die Reklamesucht, auch keine geringe Rolle.
Das Grobindividuelle in der Kunst darf aber nur als
eine vorübergehende Erscheinung angesehen werden; denn
in der allgemeinen Entwicklung strebt alles zum Normalen,
d. h. zu vollkommenen Rasseeigenschaften. Es ist nicht
natürlich, daß Menschen, die sich mit Recht fürchten, durch
Schlitzaugen oder rote Haare oder die kleinste Anormalität
in Kleidung oder Gesellschaftsform aus der Reihe zu treten,
auf die Dauer in der Kunst einen sogenannten verrückten
Geschmack betätigen und sich insbesondere mit ihren Häusern
in unfeiner Weise vordrängen. Es wird sich sicher wieder die
alte Lehre Bahn brechen, daß das Vollkommene nur in der
Züchtung der Art, in der Pflege der Überlieferung, in der
Achtung vor der guten Schule erreicht werden kann. Wenn
eine große Bewegung Neues gebracht hat, muß auch eine Zeit
des Ausreifens kommen zur Vervollkommnung und Be-
festigung des Erreichten. Was von alten Kunstwerken heute
Geltung hat, ist auch nicht grob individuell. Die größten
Werke des menschlichen Geistes auf dem Gebiete der
bildenden Kunst sind verfeinerte Normalien. Der griechische
Tempel, die gotische Kathedrale sind Typen, an denen der
Laie eigenartige Züge schwer entdeckt. Dem Kölner Dom
hat man mit großem Unrecht vorgeworfen, sein Chor habe
denselben Grundriß wie die ältere Kathedrale von Amiens.
Das sind schwächliche Ästheten, die in der Kunst die persön-
liche Willkürlichkeit mit ihrem Stimmungsreiz über klares
Zielbewußtsein stellen. Die Alten hatten einen zu gesunden
Sinn, um aus Furcht wegen Nachahmung angezeigt zu
werden, das, was für den Zweck als das Vollkommenste
anerkannt war, nicht zu wiederholen. Sie zeigten ihre
Schöpferkraft nicht an unpassender Stelle, an dem, was
fertig, was vollendet war. Sie bauten auf dem Fundament
des klar als richtig und schön Erkannten weiter, ohne an
den glücklich gefundenen Normalien eine unberechtigte
Originalitätssucht auszulassen. Auch die Angriffe, die der
Baumeister des Berliner Domes erfahren hat, können nur
in geringem Maße als berechtigt anerkannt werden, wenn
man sich aus der Zeitströmung auf einen erhöhten Stand-
punkt begibt. Raschdorf wollte eine Kuppel bauen und mußte
dieselbe Erfahrung machen, die die Baumeister des Parthenon
und des Kölner Domes gemacht hatten. Wie Iktinus die
dorische Säulenordnung und Meister Gerhard den Grundriß
von Amiens, so fand Raschdorf die Kuppel von St. Peter
vor, die die Kuppel an sich, die Normalie, darstellt.
Bildhauer und Maler haben sich darin gefunden, mit
dem Menschen als einer Normalform zu rechnen. Wenn sie
einen Menschen darstellen müssen, versuchen sie nicht ihre
Originalität dadurch zu beweisen, daß sie ihm etwa einen
Rüssel ansetzen. Sie formen ihm immer wieder eine Nase.
Ebenso kann sich auch kein Kuppelbauer dem Vorhandensein
von Michelangelos Werk entziehen, wenn bei Raschdorfs
Berliner Dom auch nicht mit Unrecht die persönliche Note,
die manche andere Kuppel trotz St. Peter besitzt, vermißt wird.
Das Grobindividuelle wird also in Zukunft wohl nicht
mehr die allgemeine Wertschätzung finden, sondern eher
das zur Vollendung durchgebildete Normale. Darum wird
es kein zu großes Unglück sein, wenn die Bauordnung den
Schrullen ungebildeter Bauherren und der unkünstlerischen
Willkür unreifer Architekten etwas weniger Spielraum läßt.
Die Häuser, um die es sich bei dieser ganzen Erörterung
hauptsächlich handelt, haben auch das geringste Recht,
individuell behandelt zu werden ; sie müssen in Massen her-
gestellt werden und sind deshalb schon in anbetracht der
ganzen wirtschaftlichen Entwicklung dazu bestimmt,
Maschinenfabrikat zu werden. Aber auch die künstlerische
Einsicht verlangt mit Recht die Abwendung von dem Streben,
Reihenhäuser eigenartig zu gestalten, in denen alltägliche
Menschen Drei-, Vier-, F'ünfzimmerwohnungen füllen, die
froh sind, wenn sie ein leidlich gesichertes Dasein haben,
denen jedes Individualitätsgelüst fernliegt. Die üble Sucht
bei Bauherren und Architekten, entgegen jeder guten Sitte
mit seinem Hause durch Äußerlichkeiten aufzufallen, hat
die Kunst der Fassadengestaltung sich veräußerlichen und
anker- und steuerlos in Willkürlichkeiten und Anarchie
ausarten lassen. Wie oft sieht man Häuserreihen, die auf
beschränkter Fläche sämtliche Bauformen und Bau-
stoffe zur Schau tragen, die nicht nur alle denkbaren
Fenster-, Erker- und Giebelformen aufweisen, sondern auch
111
DER STÄDTEBAU
Werksteine, Bruchsteine, glasierte und unglasierte Ziegel,
verschiedene Putzarten, Zink, Kupfer, Schiefer, Pfannen und
schließlich noch Holzschindeln zeigen. Auch der Edelputz
und die Mansarden haben keine Besserung gebracht, ja man
ist bald froh, aus der „edel" geputzten und wild begiebelten
neuesten Neustadt in die alte Neustadt zu gelangen mit ihren
Renaissance-Fassaden, die wenigstens straßenformende Ge-
simse und keine „abwechselungsreichen" Aufbauten haben.
Auch die etwas künstlichen Versuche mancher Bauberatungs-
stellen, die Häuserzeilen aus individuellen Elementen zu-
sammenzusetzen, müssen als vielfach mißglückt bezeichnet
werden.
Bei dem Anblick so mancher neuen Straße wird man
an die Sammlung eines Hundefangers erinnert, nicht an die
erquickliche Meute des Hundezüchters. Wir sehen ein mit
Annoncen gefülltes Zeitungsblatt, nicht die auch äußerlich
bei aller Einfachheit reizvolle Seite eines guten Buches. Es
bieten sich uns Varietäten, aber keine Qualitäten. Wer
durch eine Villenkolonie schreitet, erschreckt, daß für viel-
fach dieselben Zwecke noch so wenig Einheitliches gefunden
ist, daß noch so wenig Klarheit über das einzig Vollkommene
herrscht, daß die Schrullen der Bauherren und die künst-
lerischen Schlacken der Architekten so wenig das lautere
Gold der vollkommenen Zweckerfüllung zu Tage treten
lassen, wie dies in der alten Zeit der Fall war. Eine Ein-
schränkung der Individualität der Reihenhäuser wäre also
sicher kein Nachteil; sie wäre sogar zu begrüßen. Denn
die verständige Gleichartigkeit der gewöhnlichen Häuser
bringt erhebliche künstlerische Vorteile. Wenn wir eine
Schweizer Kuhherde, eine Meute echter Hunde, ein Regiment
Soldaten oder ein altes Dorf besehen, so sind wir trotz der
fast vollständigen Gleichheit der Einzelglieder künstlerisch
befriedigt. Wir werden nicht müde, das Ganze zu schauen,
und sind nicht enttäuscht, wenn wir das Einzelne vor-
nehmen. Im allgemeinen ergötzt die Verschiedenartigkeit
der Stellung, der Gruppierung, oder ein aus irgendeinem
berechtigten Grunde hervortretender Einzelteil ; im Besonderen
immer wieder die äußerste Zweckmäßigkeit und die in der
Schattierung sich zeigende Liebe der Durchbildung. Es
schadet also nichts, wenn die Bauordnung davon absieht,
jedem Alltagsbauherrn oder Architekten Raum zu gewähren,
sein unberechtigtes Individualitätchen zur Geltung zu bringen
oder sein unsympathisches Bedürfnis, sich vorzudrängen, zu
befriedigen. Das gewöhnliche Wohnhaus soll, wie der
Soldat, unauffällig in der Reihe stehen und das Leuchten
und Glänzen den Gebäuden überlassen, deren Zweck und
deren Bedeutung ein Recht dazu gibt. Dann wird auch
von selbst der so schmerzlich entbehrte Rhythmus den
Städtebildern wieder eigen werden.
Damit kommen wir zu dem Hauptvorteil, den das
Normalhaus bietet, dem Vorzug, der dem Städtebau zugute
kommt. Man kann wohl sagen, daß der Städtebauer heute
in mancher Beziehung sehr im Dunkeln tappt. Er legt
Straßen an, er schafft Baublöcke und weiß nicht, welcher
Art Häuser daran gebaut werden sollen. Die Baupolizei
setzt hintere Baufluchtlinien fest und ist im unklaren da-
rüber, was für Grundrisse in die oft willkürlichen Be-
grenzungen der Baufläche hineingezwungen werden können.
Baublöcke und hintere Baufluchtlinien können nur richtig
geschnitten und angeordnet werden, wenn Normalgrundrisse
zugrunde gelegt werden. Die Hausnormalien liefern die
eigentlichen Elemente, die Urzellen des Städtebaues, aus
denen mit Hilfe der Statistik Bewohnerzahl und Bedürfnisse
an öffentlichen baulichen Anlagen sich außerordentlich sicher
ergeben. Sie geben die Möglichkeit, die Neustadt von innen
nach außen zu bauen, während es heute mangels der Normal-
häuser gang und gäbe ist, eine Schale, ein Gerippe durch
Straßen zu bilden und zu warten, ob und mit welchem
bisher unbekannten Inhalt sie sich füllen wird, einen Inhalt,
der natürlich oft zu wenig, manchmal zu viel Platz darin
hat. Das Normalhaus, das einerseits dem Techniker Arbeit
erspart, gibt ihm anderseits wieder Arbeit, indem die Er-
schließung der Baugelände, die Zusammenstellung von
Normalhäusem, der Aufbau kleiner Stadtteile ihm eine reiz-
volle neue Aufgabe stellt. In der Bauordnung ist daher auch
die Möglichkeit vorzusehen, alle Arten von Normalhäusern
durcheinander zu bauen, weil sie sich in jeder Hinsicht
vorzüglich ergänzen können. Diese Möglichkeit soll dazu
reizen, die freie Architektentätigkeit häufiger für die Ge-
staltung kleiner Stadtteile heranzuziehen.
In dem Vorstehenden ist versucht worden, darzulegen,
weiche Zusammenhänge zur Bildung der heute üblichen
Haustypen geführt haben, und nachzuweisen, daß der fest-
gestellte Maschinencharakter der Bauordnungen als etwas
Notwendiges, aus den Verhältnissen Herausgewachsenes
und daher Natürliches anzusehen ist. Ferner ist gezeigt
worden, wie die Möglichkeit und Natürlichkeit der me-
chanischen Benutzung der Bauordnung Nachteile und Vor-
teile dem Bauwesen gebracht hat. Nachteile, indem un-
gelernte Unternehmer die Ausführung des größten Teiles
aller Bauten an sich reißen konnten unter Zurückdrängung
der Fachleute und der individuellen Lösung der Bau-
aufgaben; Vorteile, indem die berechtigten Ansprüche der
Wohnungsbedürftigen klargestellt und die Mittel ihrer Be-
friedigung in der Erhöhung der baupolizeilichen Befugnisse
gefunden wurden. Zur Verringerung der Nachteile und zur
Erhöhung der Vorteile wurde vorgeschlagen, die Verbesserung
der Bauordnungen auf der Grundlage ihrer natürlichen
Eigenschaften, die aus ihrem Maschinencharakter sich er-
geben, zu versuchen; dabei wurde daraufhingewiesen, daß die
verständige Gleichförmigkeit des Maschinenerzeugnisses bei
Massenbedarf, insbesondere die Beschränkung der Möglich-
keit einer übertrieben individuellen Gestaltung landläufiger
Wohnhäuser aus wirtschaftlichen und künstlerischen Gründen
etwas Gutes und bei der Häuserherstellung geeignet ist, die
Bauherren von dem schlechten Einfluß der baulich Halb-
gebildeten zu befreien und den Fachleuten neue dankbare
Aufgaben zuzuführen. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich,
daß es sich nur darum handeln darf, die Bauordnungen
als eine Häusererzeugungsmaschine, die vom Wohnbedürfnis
und dem Erwerbssinn der Bauunternehmer getrieben wird,
richtig zu bewerten und auszubilden, sie in eine Verfassung
zu bringen, die ein einwandfreies Erzeugnis verbürgt, das
nicht Halbzeug, sondern einigermaßen Fertigfabrikat ist. Die
Mängel der alten Bauordnungen sind dieselben, an denen die
ersten Maschinen gelitten haben. Bei deren Entstehen galt es,
zunächst, die Möglichkeit auszunutzen, irgend etwas Brauch-
bares billig in großen Mengen herzustellen. Billig und in
Masse, wenn auch schlecht, war notgedrungen die Parole.
Das Bedürfnis mußte sich mit der Fabrikware auseinander-
setzen und sich zufrieden geben mit dem, was die Maschine
unter den gegebenen Bedingungen leisten konnte. Der
Maschine gegenüber konnte das Bedürfnis sich zunächst
nicht einfach mit seinen Wünschen durchsetzen, es mußte
112
DER STÄDTEBAU
sich beschränken und Vergleiche schließen. Um die Billigkeit
zu gewinnen, mußte es auf die Güte verzichten. Darum
erschien die Maschinenarbeit zunächst gegenüber der Hand-
arbeit, die in langer Entwicklung alle Wünsche in weit-
gehendster Weise zu erfüllen gelernt hatte, so minderwertig.
Aber die Zeiten haben sich geändert. Während man früher
von der Maschine nehmen mußte, was sie gab, ist die
Maschinenkonstruktion heute so weit gediehen, daß man fast
der Maschine vorschreiben kann, was sie geben soll. Das
anspruchsvolle Bedürfnis braucht sich heute nicht mehr
zurückzuziehen; es darf kühn seine Beschaffenheitsansprüche
geltend machen. Die Maschine wird heute so konstruiert,
daß die Fabrikate genau den Anforderungen, seien sie mehr
oder weniger hoch, entsprechen.
Wenn die Baupolizei heute ihre Befugnisse richtig aus-
nutzt und sie in Verbindung mit dem Fluchtliniengesetz
und dem Verunstaltungsgesetz bringt, kann durch die
Bauordnungen die Entstehung fast vollkommener Wohn-
hausbauten gewährleistet werden. Heute darf das reine
W^ohnbedürfnis, sogar auch das der Minderbemittelten, mit
seinen Forderungen hervortreten, und es darf sicher sein,
daß es Aussicht auf Befriedigung hat. Es ist nur not-
wendig, daß diese Forderungen gestellt und klar aus-
gesprochen werden. Dies geschieht am besten durch
die Schaffung von amtlichen Normalhäusern, die den voll-
kommensten Ausgleich zwischen den gegebenen Faktoren
darstellen. Nun entsteht allerdings die Frage: Sind wir
dazu imstande und wissen wir, was wir wollen und müssen,
besonders auf dem Gebiete des Kleinwohnungswesens?
Werden wir mit der Festlegung auf bestimmte Wohnhaus-
arten nicht die Entwicklung zum Bessern aufhalten? Hier
müssen wir sagen: Durch die soziale und wirtschaftlich-
bauliche Entwicklung hat sich das Bedürfnis in bezug auf die
Wohnungen nach jeder Richtung geklärt. Der Streit zwischen
den Ansprüchen von Behörde und Publikum einerseits und
der Leistungsfähigkeit von Publikum und Unternehmertum
anderseits hat zahlreiche Normalwohnungen jeder Art ent-
stehen lassen, die immer in mehr oder weniger guter Form
wiederkehren und in ihrer Grundgestalt durch die freie
Architektentätigkeit in absehbarer Zeit nicht mehr zu ver-
bessern sind. Diese Normalgrundrisse leiden heute nur
noch unter dem Übelstande, daß die eine scheinbare Freiheit
lassenden, vielfach verschiedenen Einzelbestimmungen der
Bauordnungen die Grundform verhältnismäßig selten wirklich
abgeklärt in die Erscheinung treten lassen. Hier werden
die Möglichkeiten, die die Bauordnung gewährt, von unzu-
länglichen Kräften ausgenutzt, dort wird immer wieder der
vergebliche Versuch gemacht, der Bauordnung eine neue
Möglichkeit abzuringen und dabei die Vervollkommnung
des glücklich Erreichten vernachlässigt. Ferner ist zu be-
achten, daß Einzelbestimmungen nicht alle Nebenumstände
berücksichtigen können und sie infolgedessen zuweilen gute
Anlagen ausschließen oder zur Entstehung mangelhafter
baulicher Gebilde drängen.
Aber trotz aller Mängel des heutigen Systems dürfen
wir kühn behaupten: Manches ist hier und dort entstanden,
was wir als vollkommen, als erstrebens- und nachahmungs-
wert freudig anerkennen dürfen. Heute können wir zahl-
reiche Wohnhäuser als gut, als normal im weitesten Sinne
hinstellen, so daß wir wohl in der Lage und auch berechtigt
sind, bei der Abfassung von Bauordnungen von bestimmten
W^ohnhaustypen auszugehen und die Häusermaschine, die
bis heute meistens Halbzeug lieferte, für Fertigfabrikate zu
konstruieren, ohne fürchten zu müssen, eine glückliche
Weiterentwicklung zu unterbinden. Wie bereits ausgeführt,
hat heute die Baupolizei durch ihre ausgedehnten Befugnisse
die Fähigkeit, die Bauordnung einzurichten, fast wie sie
will, und die Entstehung bestimmter Wohnhausarten zu er-
zwingen. Eine Schwierigkeit liegt allerdings darin, die
richtigen Häusertypen für die einzelnen Gegenden, die ver-
schiedenartige wirtschaftliche Verhältnisse und Wohnsitten
haben, zu finden; hinzukommt, daß manchmal eine vor-
zügliche Wohnungsart in dem einen Ort nicht aufkommen
und die Wohnsitten nicht beeinflussen konnte, weil eine an
sich vielleicht gute Bauordnungsbestimmung in dem be-
sonderen Falle ein Hindernis bildete. Die Überwindung
der erwähnten Schwierigkeit könnte versucht werden durch
einen öffentlichen Wettbewerb. Hierbei ist zu bedenken, daß
die einheimischen Architekten zu sehr in den Fesseln der
geltenden Bauordnung und der herrschenden Sitte liegen,
während die auswärtigen zu wenig mit den örtlichen Ver-
hältnissen vertraut sind. Außerdem lehrt die Erfahrung,
daß bei solchen Gelegenheiten mehr Architekten- als Unter-
nehmerarbeiten einlaufen. Die ersteren sind natürlich in
vieler Hinsicht besser, leiden aber oft an dem Fehler der
UnWirtschaftlichkeit und dem Mangel nüchterner Sach-
lichkeit.
Die Stadt Aachen wählte einen anderen Weg, um vor
dem Erlaß einer neuen Bauordnung eine Übersicht darüber
zu erhalten, wie in deutschen Landen heute tatsächlich ge-
wöhnliche Wohnhäuser unter einem möglichst vollkommenen
Ausgleich der Interessen gebaut werden. Sie sandte ein
Rundschreiben an eine Reihe von deutschen, österreich-
ungarischen und schweizerischen Städten, dessen wesent-
licher Inhalt wie folgt lautete:
„Um für die Stadt Aachen, welche zurzeit mit der Um-
arbeitung ihrer Bauordnung beschäftigt ist, zu guten, d. h.
zweckentsprechenden und rentablen Grundrissen für Miet-
häuser zu gelangen, die eine nach jeder Richtung hin ein-
wandfreie Aufschließung von Baugelände ermöglichen, ge-
statte ich mir die Bitte, mir die Skizzen von typischen
Grundrissen, die sich durch die dortige Bauordnung für
Mietwohnungen jeder Art herausgebildet haben, übersenden
zu wollen. Ich gehe hierbei auch von der Erwägung aus,
daß manche guten Grundrisse nach der einen Bauordnung
möglich sind, nach der anderen nicht, und möchte für Aachen
vermieden sehen, daß anerkannt Gutes ausgeschlossen würde.
Meine Anfrage bezieht sich nur auf rentable ortsübliche
Planbildungen, die dort gewissermaßen Allgemeingut ge-
worden sind."
Das Rundschreiben hat bei den Stadtverwaltungen
natürlich eine recht verschiedenartige Aufnahme gefunden.
Die einen hatten keine Zeit oder keine Arbeitskräfte, die
anderen kein Material, weil die Bautätigkeit zu wenig lebhaft
sei oder eine neue Bauordnung ihre Wirkung noch nicht
ausüben konnte. Eine große Stadt behauptete sogar, es sei
nicht Aufgabe der Baupolizei, für gute Grundrisse zu sorgen.
Die meisten Städte haben aber die Bedeutung der Umfrage
anerkannt und lehrreiche Beiträge eingeliefert, die nunmehr
einem weiteren Kreise zugänglich gemacht werden.
Die zahlreichen, dem praktischen Leben entnommenen,
verschiedenen Grundrisse, die auf den Tafeln eine möglichst
systematische, allerdings auch durch die gebotene Raum-
ausnutzung bedingte Zusammenstellung gefunden haben,
113
DER STÄDTEBAU
beweisen eindringlich die Richtigkeit der Voraussetzungen,
von denen die Rundfrage ausgegangen war. Wir sehen verhält-
nismäßig wenige Grundrisse, die als klassisch anzusprechen
wären, bei denen jener wohltuende, vollkommene Ausgleich
zwischen dem Möghchen und dem Wünschenswerten,
zwischen dem Notwendigen und dem Willkürlichen, zwischen
der Wirtschaftlichkeit einerseits und bestverstandenem Wohn-
bedürfnis, Sicherheit Gesundheit und Schönheit andererseits
gefunden wäre.
Wir sehen meistens Ideen vertreten, die noch nicht zur
vollen Reife gediehen sind, sei es infolge der Bauordnungs-
bestimmungen, des mangelhaften Schnitts der Grundstücke
sowie der Unfähigkeit oder der Willkür der Architekten,
Bauherren und Unternehmer. Es dürfte bei der Mannig-
faltigkeit der Grundrisse kaum zu bestreiten sein, daß, wenn
man sich die Sammlung weiter ergänzt denkt, neue
Wohnungsgedanken^durch die freie Architektentätigkeit für
kleine und mittlere Wohnungen schwer zu finden sind und
daß es angebracht ist, auf die Unzweckmäßigkeit des
Versuchs hinzuweisen, neue Gedanken auszuklügeln. Es
leuchtet vielmehr ein, daß es fürderhin für Behörde, Architekt,
Unternehmer und Bauherr zweckmäßig ist, von einem in der
Idee als gut anerkannten Grundriß auszugehen und in dessen
vollendeter Einzeldurchbildung den wirtschaftlichen und
künstlerischen Reiz zu suchen. Die Tafeln lehren ohne
weiteres, daß die Behörden in ihren Anforderungen sich
vielfach ohne Not widersprechen; daß einerseits die Bindung
durch Einzelvorschriften dem Ungelernten das mangelhafte
Bauen erleichtert und, wie in Preußen, die Entwicklung zur
Vollkommenheit gehemmt hat, daß wahrscheinlich anderer-
seits eine größere Freiheit, wie in Böhmen und Sachsen,
die feinere Durchbildung der Grundrisse gefördert und dem
Architekten ein größeres Arbeitsfeld belassen hat.
(Schluß folgt.)
DAS STADTBILD VON BATH.
Dazu Doppeltafel 60/61.
Von HANS BERNOULLI, früher Berlin, jetzt Basel.
Die Stadt Bath bei Bristol ist ein hervorragendes Bei-
spiel für die stadtbildende Kunst des 18. Jahrhunderts. Das
Zusammentreten einer ganzen Reihe von günstigen Vor-
bedingungen ließ im Laufe eines Jahrhunderts eine ansehn-
liche Stadt entstehen, die heute noch trotz mancher herber
Verluste und — meist durch die Anglisierung der Parks —
hervorgerufenen Wirkungsverschiebungen einen guten
Begriff gibt von der Städtebaukunst im Geist der palladi-
anischen Schule. Das vorzügliche Werk „XVIII "' Century
architecture of Bath" des Bather Architekten M. A. Green,
eine Ortsarchitekturgeschichte, ergänzt den Augenschein zu
einem klaren Bild des ursprünglich Gewollten.
Unter den Römern ein ansehnlicher Badeort, wie die
noch vorhandenen Bäder dartun, vermochte Bath seine
Bedeutung in der Folgezeit nicht zu wahren. Bis an die
Schwelle des 18. Jahrhunderts war die Stadt auf den geringen
Umfang des mittelalterlichen Mauergürtels beschränkt. Erst
durch den Besuch der Königin Anna im Jahre 1702 wurde
Bath zum beliebten Badeort, wie er in den älteren eng-
lischen Romanen geschildert wird. Um den anströmenden
Fremden Unterkunft zu bieten, ließen nun hervorragende
Bürger, denen bald gewerbsmäßige Unternehmer folgten,
ganze Häuserzeilen erbauen, zum Teil innerhalb der alten
Umwallung, vorzugsweise aber vor den Toren, an den alten
Landstraßen und später zwischen diesen auf freiem Felde.
Bezeichnenderweise tragen noch heute eine Anzahl dieser
Straßen (auch in anderen englischen Städten) keine Straßen-
namen. Die Straßenschilder zeigen: Westgatebuildings,
Fountainbuildings, Axfordbuildings usw.; die Gebäude sind
die Hauptsache, die Straße selbst ist nur Mittel zum Zweck.
Es handelt sich dabei ausschließlich um das bekannte Drei-
fensterhaus, das hier in der Form des Einfamilienhauses
auftritt.
Nachdem bisher der mittelalterliche Bautypus geherrscht
hatte, waren nun um die Wende des Jahrhunderts das
Schiebefenster und das Ziegeldach eingeführt worden; die
neu erschlossenen Steinbrüche gestatteten, die ganzen
Fassaden in Haustein herzustellen, die fünfgeschossige Bau-
weise wurde (für das Einfamilienhaus!) zugelassen. Diese
Neuerungen wurden folgerecht durchgeführt und verfehlen
nicht, durch ihre gleichmäßige Anwendung einen gewissen
architektonischen Eindruck hervorzurufen, zumal ja der
Aufreihung vollkommen gleichartiger Einzelhäuser an sich
ein architektonisches Moment innewohnt.
Das Haupt des Badewesens, der unternehmende und
weitsichtige Zeremonienmeister Nash erkannte die Sachlage ;
er veranlaßte 1725 den damals erst 21jährigen Architekten
John Wood, einen Bebauungsplan für den Nordosten und
den Südwesten der Stadt auszuarbeiten. Die Planungen
zeigen einen von der Nordwestecke der Stadt ausgehenden,
bergan führenden Straßenzug, dem sich in seinem unteren
Lauf ostwärts ein Rechteckplatz, Queensquare, anlehnt. Seinen
hochgelegenen Abschluß bildet ein kreisrunder Platz, „der
Circus". Zwischen dieser Achse und der nordwärts führenden
Landstraße die parallel liegende Milsomstreet ungefähr recht-
winklig geschnitten. Vom Circus nordostwärts in hori-
zontaler Lage Brookstreet, an die sich weiterhin talwärts
offen der Royal Crescent anlehnt, eine mächtige Anlage über
korbbogenförmigem Grundriß.
Die Erweiterung im Südosten der Stadt sieht die Anlage
zweier rechtwinkliger Blöcke vor, die sich nordwärts an
der „Grand Parade" gegen das tiefliegende, triangelförmige
Bowling Green stattlich aufbauen. Alle diese Planungen
sind in einem — durch die Ausführung zum Teil überholten —
Stadtplane vom Jahre 1735 niedergelegt.
Die umfangreichen und bedeutenden Neuanlagen wurden
nun aber nicht der beliebigen Bebauung freigegeben: 1728
siedelt Wood selbst nach Bath über und führt als Architekt
und Unternehmer zugleich die Bebauung der von ihm ge-
planten Blöcke aus. Anlage und Aufbau liegen also in
einer Hand, und für die langen Platz- und Straßenfronten
ist nur ein Bauherr maßgebend, der Architekt selbst. Wood
bringt die Straßenfluchten und Platzwände in ein architek-
tonisches System, wie es Inigo Jones als erster in England
durchgeführt, ohne indes in den auf dem Kontinent so viel-
geübten Fehler zu verfallen, einzelne Teile um des archi-
114
DER STÄDTEBAU
Abb. I.
tektonischen Ausdrucks willen
besonders stark zu betonen.
Er schafft vielmehr Anlagen,
die eine Ebenbürtigkeit der
einzelnen Bauten zum Grund-
satz erheben. Wenn Queens-
square noch leise Betonungen
der Eck- und Mittelbauten
zeigt, so ist doch im Royal
Crescent und vollends im
Circus die gleichmäßige Wer-
tung der Einzelhäuser in bezug
auf die Lage wrie Architektur
Das gegebene Thema: gleich
eine architektonische Idee zu
vollkommen durchgeführt.
große Einzelbauten unter
bringen, ohne in den Stil öffentlicher Gebäude zu verfallen,
ist hier glänzend gelöst.
Den Ausbau des Circus, 1745, hat Wood noch erlebt.
Der Royal Crescent wurde nach seinem Tode auf Grund
der schon fertigen Pläne von seinem Sohn ausgeführt.
Neben dem jüngeren Wood war Robert Adam als Architekt
tätig, dann Baldwin und Harcourt.
Der Ausbau der im Herzen der Stadt gelegenen Bath-
straße von Baldwin zeigt eine schmale, nur 12 m breite,
50 m lange Straße, von zwei überbauten Säulenhallen ein-
gefaßt, die sich an beiden Seiten halbkreisförmig gegen
bedeutende Bauten öffnen. Bemerkenswert ist ferner die
Anlage von Pulteney Bridge von Robert Adam, deren kräftige
Bogen zu beiden Seiten der Fahrbahn zweigeschossige Bauten
von einheitlicher Komposition tragen. Ungleich bedeutender
ist indes die Weiterentwicklung, die der neu geschaffenen
Form des Halbmondes (Crescent) erblühte:
Royal Crescent, der Ausgangspunkt aller jener Bil-
dungen, ist eine Weiterbildung der hufeisenförmigen Cour
d'Honneur (Abb. 1): Zwei Flügelbauten binden einen großen,
korbhenkelförmigen Bogen in das Straßensystem und lassen
die ganze Anlage als Teil der ganzen Stadt erscheinen.
Der nach dem grünen Tal weit geöffnete Halbmond gibt
einen befreienden Gegensatz zu dem geschlossenen Kreis
des Circus. Nach dem Tod des älteren Wood wurde
indessen der Crescent zur frei wuchernden Pflanze. Ohne
allen Zusammenhang mit der Umgebung lagern sich diese
Halbmonde als in sich abgeschlossene Bildungen nach
dem Belieben des Bauherrn in das Gelände. Wo Straßen
beiderseitig von Gebäuden eingefaßt werden, entstehen
immer noch jene Reihungen gleichartiger Bauten, meist
ohne zusammenfassende Gliederungen. Aber abschüssiges
Gelände, das nur einseitige Bebauung erlaubt, wird nur
mit Halbmonden bebaut (Abb. 2). Jene die beiden Enden
abschließenden Flügel, die bei Royal
Crescent der gewaltigen Rundung als
Grundlinie dienen, gehen verloren. Der
Halbmond läuft in förmliche Spitzen aus,
die jede Angliederung unmöglich machen.
So entsteht im Tal, mit dem linken Flügel
an den Avon gelehnt, der Norfolk
Crescent, ein Segment von etwa 100 m
Seitenlänge (57 Fensterachsen), die archi-
tektonische Haltung bescheidener und
kühler als Royal Crescent mit Pilastern
anstatt Säulen (Abb. 3); dafür sind die
Abb. 3. fünf Mittel- und je drei Endachsen durch
Abb. 2.
schwache Risalite aus-
gezeichnet und durch
Giebel und Attiken ver-
stärkt. Camden Cres-
cent, eine Anlage von
Baldwin, 1794, liegt
hoch über der Stadt am
Südabhang von Beacon
Hill, sich gegen eine
herrliche Talsicht aus-
breitend. Der Scheitel
des Halbmondes liegt
höher als die auslaufen-
den Enden, weil der Bau
an den Abhang gelehnt
ist. Das führt den
Architekten zu dem fa-
belhaften Unterfangen,
die Pilasterarchitektur
mit Gurt und Haupt-
gesims von den Enden
gegen die Mitte an-
steigen zu lassen. Weil
der rechte Flügel nicht ausgeführt ist, fehlt dem Bau das
für die gewagte Anlage doppelt nötige Gleichgewicht.
Cavendish Crescent, eine Anlage kleineren Umfanges,
gegen den tiefliegenden Viktoriapark geöffnet, beschreibt
einen Viertelkreisbogen, eine Staffel höher der weiter aus-
gezogene Halbmond von Somerset Place. Diese beiden
Anlagen sind trotz ihres geringen Abstandes durch keinerlei
architektonische Beziehungen verknüpft. Die konkaven
Flächen mit ihren scharf auslaufenden Enden scheinen
sich eher abzustoßen, und die ihnen eigene architektonische
Wirkung verpufft ungenützt im weiten Raum. In unmittel-
barer Nähe von Somerset Crescent, wiederum ohne sicht-
baren Zusammenhang mit diesem, erhebt sich Landsdown
Crescent, der Höhepunkt der Halbmondbildungen von Bath
(Abb. 4). An den 140 m weiten, horizontal gelagerten Halb-
mond schließen sich rechts und links auf stark ansteigendem
Gelände zwei konvexe Anlagen : Landsdown Place West und
Landsdown Place East, beide an 100 m lang, Landsdown Place
W^est durch einen Bogengang mit dem Halbmond verbunden.
Der späten Entstehungszeit entsprechend, sind hier die
Pilaster auf die Mittel- und Flügelbauten beschränkt. Die
Reihungen der Fenster werden durch zwei Gurtgesimse und
eine sich über dem Hauptgesims erhebende Balusterbrüstung
verstärkt. Auch hier wieder fällt das Gelände unmittelbar
jenseits der Straße ab an einem von Wiesen und schönen
Baumgruppen bedeckten Abhang. Die späteren Halbmond-
anlagen er-
heben sich
nicht mehr
zu der Größe
und Schön-
heit von
Landsdown
Crescent.
Der Wille
zur archi-
tektonischen
Gestaltung
großer Mas-
Abb. 4.
115
DER STÄDTEBAU
sen, der sich dort noch deutlich kundgegeben, erlischt; der
Halbmond wird zur mechanisch wiederholten Form, die,
in ihrer Durchbildung im einzelnen nicht ohne Reiz, ohne
Bedeutung bleibt für die Entwicklung des Stadtganzen.
Eine große Achse im Zuge der Pulteney Bridge, die
Pulteneystreet, mit einem Gartenplatz von mächtigen Ab-
messungen, wurde 1792 von Baldwin begonnen, ist aber durch
die Anlage der Bahn in ihrer Entwicklung gestört worden.
Von Wichtigkeit für die Stadt ist die 1830 angelegte
Royal Avenue geworden, eine Promenade von der Nordwest-
ecke von Greensquare ausgehend, parallel mit Brookstreet
die mächtige Entwicklung des hochliegenden Royal Crescent
vollnützend in den Viktoriapark führt. Dieser Straßenzug
sichert Queenssquare die Bedeutung im Straßenbild, die
ihm als Ausgangspunkt der Woodschen Schöpfungen zu-
kommt.
PSYCHOLOGIE DER GRUNDSTÜCKSPREISE.
Von Dr. phil. et rer. pol. STREHLOW, Oberhausen. (Schluß.)
In ähnlicher Weise wie der Selbstkostenpreis wirkt
ferner psychologisch das Ansteigen des Grundstückspreises
selbst beim Einzelumsatz, der nicht so sehr an die Finan-
zierung eines größeren Ganzen gebunden ist. Das allgemeine
Vertrauen auf das Steigen der Preise ist es, das in erster
Linie das Monopol des Bodens selbst bei sehr zersplittertem
Besitz stärkt. Es ist die Stütze, an die sich der einzelne
Besitzer bei niedergehender Konjunktur klammert. Nur der
wirtschaftlich Schwache ist dann im einzelnen Falle ge-
zwungen, seinen Besitz zu niedrigen Preisen zu verkaufen
oder vielmehr meist seinen hoch belasteten Besitz an einen
Gläubiger abzutreten. Wer es irgendwie kann, der hält
seine Preise im Vertrauen auf das Besserwerden der Zeiten,
denn er weiß, daß die fortschreitende Entwicklung ihm den
Wertzuwachs in die Arme treiben muß.
Dies Vertrauen auf das Ansteigen der Preise stellt sich
dar als ein ständiges Hinaufschrauben. Die Kraft ist die
Entwicklung; die Schraubengänge, die das Zurückgehen
selbst unter Druck unmöglich machen, sind die bisher
erzielten Preise. Hohe Selbstkosten, die beim Einzelbesitz
sich ja fast ausschließlich auf die Preise gründen und die
fortschreitende Belastung verstärken die schraubende Kraft.
Wird ein Grundstück verkauft, so stellt der Nachbar sofort,
bewußt oder unbewußt, sein Grundstück mit demselben
Preis zu Buche. Wie der Preis für den Erwerber Selbst-
kosten darstellt, so wird dieser Preis nun für gleichgelegene
Grundstücke Wert. Das Bedenkliche hierbei ist, daß kraft
des allgemeinen Vertrauens auf die Wertsteigerung und der
dadurch gestärkten Monopolstellung des Bodens, die Weiter-
entwicklung der Preise stets an die höchsten zuletzt erzielten
Preise anschließt, unbekümmert um die Verhältnisse des
einzelnen Falles, unbekümmert darum, ob die Art der
Nutzung in diesem einzelnen Falle nun auch den bezahlten
Preis im allgemeinen rechtfertigt. Psychologisch ist dies
wohl verständlich. Der Grundbesitzer sucht aus seinem
Besitz möglichst viel herauszuschlagen und muß dies als
„homo oeconomicus" auch tun. Der Nachbar hat für sein
Grundstück von einem Arzt oder Rechtsanwalt oder von
einem Geschäftsmann, der an die Lage gebunden ist, einen
besonders hohen Preis erzielt. Warum soll er billiger ver-
kaufen? Hat doch sein Grundstück auch Lage! So wird
dieser Preis für ihn und im Laufe der Zeit auch für die
Allgemeinheit Wert, an den sich die weitere Entwicklung der
Grundpreise anschließt, nachdem er ein Ansteigen der Grund-
rente, des Nutzungswertes des Bodens, der Mieten zur Folge
gehabt und dadurch seine wirtschaftliche Rechtfertigung
erfahren hat.
Gegen diesen Gang der Dinge ist im allgemeinen wenig
zu machen. Er ist als natürliche Folge der durch das Ver-
trauen auf die Wertsteigerung gestärkten Monopolstellung
des Bodens gegeben. Nur durch Trennung der einzelnen
Lagen nach ihrer Zweckbestimmung im Bebauungsplan
lassen sich die Höchstwirkungen beschränken. Trennung
von Wohn- und Verkehrslage bzw. von Wohn- und Ver-
kehrsstraße ist deshalb auch hier wieder die erste Forderung,
damit die Möglichkeit geschäftlicher Ausnutzung nicht Ein-
fluß erlangt auf die Preisbildung des Bodens für Wohn-
zwecke und dadurch auch auf die Miethöhe. Es muß ferner
durch den Bebauungsplan ein genügendes Angebot für alle
Abstufungen im Bedarf, für Arbeiterwohnlage, bessere und
beste Wohnlage vorgesehen sein, und ein städtisches Grund-
stücksgeschäft muß dafür Sorge tragen, daß im Rahmen jeder
dieser einzelnen Abstufungen das Angebot in genügendem
Maße flüssig bleibt.
Die Einzelpreise richten sich also nach der Ausnutzungs-
fähigkeit der Grundstücke, und zwar nach der spezifischen
Höchstausnutzung, wobei sie dies Höchstmaß immer mehr
nach oben zu verschieben suchen. Nun ist aber die Aus-
nutzungsfähigkeit eines Grundstückes ein außerordentlich
relativer Begriff und in ihrer realen Berechnung, der Er-
tragsrechnung des Käufers, nicht allein von dem Grund-
stückspreis, sondern auch noch von vielen anderen zum Teil
recht unsicheren Faktoren abhängig. Es entstehen dadurch
bei der Ertragsrechnung zwischen diesen Faktoren und dem
Grundstückspreis einerseits und zwischen beiden und der Er-
tragsfähigkeit andererseits Lücken, die der Grundpreis zu
seinen Gunsten auszufüllen strebt. Die Abhängigkeit von dem
Grundstückspreis ist um so geringer, je niedriger dieser ist.
Ob ein Grundstück 2000 Mk. oder SO",,, mehr, also
3000 Mk. kostet, das macht bei der Bebauung mit einem
Hause im Werte von 30000 Mk. für den Ertrag wenig
aus; weit bedeutsamer ^wird dies aber bei einem Preis-
unterschied von SO^/d in teurerer Lage, etwa von 10000 Mk.
auf 15000 Mk. Dies ist der innere Grund für die vielfach
bewiesene Tatsache, daß der relative Wertzuwachs am
größten ist bei niedrigen Grundstückspreisen und mit
deren Wachsen abnimmt. Der Gründstückspreis sucht
also mit dem Nutzungswert stets in die äußerste Spannung
zu kommen. In den billigen Lagen hat er noch großen
Spielraum, den er rasch ansteigend durchschreitet. Mit
zunehmenden Preisen nimmt der Spielraum ab; es wächst
die Spannung, die sich zum Schluß aus der Lage des
Wohnungsmarktes heraus in eine Mietserhöhung auslöst.
Dann beginnt das Spiel von neuem.
116
DER STÄDTEBAU
Das eigene Steigen bietet also den Grundstückspreisen
bei ihrer Entwicklung Widerstand aus der Notwendigkeit
heraus, die Nutzungspreise zu erhöhen, einen Widerstand,
der größer oder kleiner ist, je nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der für die Nutzung in Frage kommenden
Bevölkerungsgruppe, je nach der augenblicklichen Lage des
Wohnungsmarktes und vor allem je nach dem absoluten
Maße der zulässigen Ausnutzung. Wäre der letztere Wider-
stand nicht vorhanden, so würden alle anderen wirkungslos,
weil die Nutzung durch ständiges Höherbauen ins Unge-
messene gesteigert werden könnte. Das Einlegen solcher
Widerstände in einer den örtlichen Verhältnissen ent-
sprechenden Abstufung vermittels einer Zonenbauordnung
ist deshalb eine der wichtigsten bodenpolitschen Maßnahmen
zur Beeinflussung der Grundstückspreise.
Bei dem Fortschreiten der städtischen Bebauung macht
man stets die Erfahrung, daß die am wenigsten tiefen Grund-
stücke zuerst in Anspruch genommen werden. Besonders
in den Industriestädten, wo die Entwicklung die Bebauung
den örtlichen Bedürfnissen entsprechend gleich auf große
Flächen überträgt, wo also eine unterbrochene, lückenhafte
Bebauung das Bild beherrscht, kann man dies in aus-
gesprochener Deutlichkeit beobachten. Es ist dies sehr
verständlich, denn die weniger tiefen Grundstücke sind
immer auch relativ billiger als die tieferen. Bei diesen
wenig tiefen Grundstücken kann nun der Einheitspreis
infolge seiner geringen Wirkung auf die kleine Fläche
munter steigen, ohne in der gegebenen Nutzung einen wesent-
lichen Widerstand zu finden. Bei einem Grundstück in
Größe von 20 Quadratruten macht ein Steigen des Preises
um 100 Mk. für 1 Quadratrute nur 2000 Mk. aus, wodurch
bei der Möglichkeit einer Bebauung mit drei- und vier-
stöckigen Häusern die Ertragsrechnung kaum wesentlich
belastet wird. Muß nun die Bebauung beim Fortschreiten
der Entwicklung auch auf die tieferen Grundstücke über-
greifen, so werten die Besitzer dieser Grundstücke die
größere Tiefe nicht etwa als Gartenland, sondern sie fordern
im Vertrauen auf ihre Stellung meist dieselben, selten er-
heblich niedrigeren Einheitspreise als für die weniger tiefen
Grundstücke bezahlt wurde. Wo, wie in den Industrie-
städten, dieser Übergang auf breiter Fläche vor sich geht,
ist die Stellung des Grundbesitzes eine besonders starke.
Ich konnte wiederholt beobachten, daß sich dieser Übergang
nach einem kurzen zögernden Aussetzen der baulichen Ent-
wicklung als natürliche Folge durch eine Mieterhöhung
kennzeichnete, denn der Übergang von einer Grundstücks-
tiefe von 20 m zu einer solchen von 60 m bedeutet in diesem
Sinne eine Erhöhung des Grundstückspreises auf den fast
dreifachen Betrag, die auch durch die wirtschaftlichste Aus-
nutzung der größeren Tiefe nicht ausgeglichen werden kann.
Das treibende Moment ist auch hier psychologisch in
der bewußt starken Stellung des Grundbesitzes, in dem Ver-
trauen auf die Entwicklung der Zukunft gegeben; es wird
gestärkt zur Kraft eines zusammengefaßten Monopols durch
die allgemeine Gewohnheit des Verkaufs nach Einheits-
preisen. Der Verkauf nach dem wichtigeren Faktor des
Grundstückes nach der Frontlänge unter Abstufung der Preise
nach der Tiefe würde einen viel richtigeren Maßstab für
die Preisfeststellung oder besser gesagt für die Wertfest-
stellung ohne die bedeutete Nebenwirkung abgeben. So
erwünscht die Einführung dieses Maßstabes aber auch
wäre, so ist doch kaum Aussicht vorhanden, ihn jemals
in der Praxis zur Geltung zu bringen. Ist es doch selbst
in drei Jahrzehnten und trotz behördlichen Druckes nicht
möglich gewesen, die neuen Maße, das Rechnen nach Ar
und Quadratmeter, im Grundstückshandel einzubürgern.
Will man also die schädliche Nebenwirkung der unter-
schiedlichen Grundstückstiefen auf die jPreisbildung aus-
schalten, so bleibt «nichts anderes übrig, als diese Tiefen
im Bebauungsplan möglichst gleich groß anzuordnen. Es
kann dies natürlich keine starre Regel sein, die zum Schema-
tismus führen würde. Man würde diesen Grundsatz viel-
mehr etwa dahin fassen müssen, daß in derselben Lage
starke Unterschiede in][den Grundstückstiefen nach Möglich-
keit zu vermeiden sind. Da diese Unterschiede an den Ecken
der Baublöcke, an den Straßenkreuzungen bei der Aufteilung
nicht zu umgehen sind, so spricht unser Grundsatz für die
möglichste Einschränkung solcher Ecken auf gegebener
Fläche also in letzter Linie für den langgestreckten, recht-
eckigen Baublock.
Es wäre nun noch die Frage zu erörtern, wie die Be-
steuerung des Grund und Bodens, 'die Steuer nach dem
gemeinen Wert und die W^ertzuwachssteuer auf die Preis-
bildung der Grundstücke wirkt. Die Beantwortung dieser
Frage ist außerordentlich schwierig, weil die Wirkung je
nach der örtlichen Gestaltung und je nach der zeitlichen
Lage des Marktes sehr verschieden sein kann. Die Be-
hauptung, daß diese Steuern nicht übergewälzt werden
können, weil der Grundbesitzer aus der jeweiligen Markt-
lage immer das Höchstmaß herausschlägt und von diesem
Höchstmaß also den Steuerbetrag abgegeben hat oder abgeben
muß, ist, wie mich eine langjährige Erfahrung gelehrt hat,
allgemein nicht zutreffend. Dieses Höchstmaß ist doch ein
zu relativer Begriff, als daß es nicht auch durch eine steuer-
liche Belastung beeinflußt werden könnte.
Was zunächst die Steuer nach dem gemeinen Wert
betrifft, so wirkt sie wie eine Erhöhung der Selbstkosten.
Wo dieser und die Preisforderung nur in losem Zusammen-
hang und meist in weitem Abstand stehen wie beim
Einzelverkauf, wird der Einfluß der Steuer auf den Preis
nur ein geringer, vielleicht auch gar keiner sein. Wo also
wie im Stadtinnern und in der Stadterweiterung der Einzel-
besitz vorherrscht oder, besser gesagt, der Umsatz unter
der Herrschaft der Einzelpreise vor sich geht, ist diese
Steuer durchaus berechtigt und kann sogar durch die Auf-
lockerung des Marktes infolge des Druckes preismindemd
wirken.
In den weiteren noch landwirtschaftlich genutzten
Außengebieten, wo nach städtischem Maßstabe noch Groß-
besitz vorherrscht, kann diese Steuer aber nur schädlich
wirken, da sie die Selbstkosten in die Höhe treibt. Der
Bauer, der 100 Morgen Land besitzt und landwirtschaftlich
nutzt, das durch die Ausstrahlung eines städtischen Mittel-
punktes einen durch vereinzelte Verkäufe begründeten Wert
von 6000 Mk. hat, wird nun zu '"/oo veranlagt, muß also jähr-
lich 1800 Mk. Steuer zahlen. Das Gut bringt ihm bei gründ-
licher Nutzung vielleicht 4000 Mk. jährlichen Reingewinn.
Ist es unbelastet, so kann er den Druck der Steuer wohl
tragen, aber sie macht ihn zum Spekulanten, der nur auf den
Augenblick wartet, in dem er zu guten Preisen verkaufen
kann, oder sie treibt ihn zur Belastung und immer höheren
Belastung seines wertvollen Besitzes. Ist dieser von vorn-
herein schon belastet, so wird der Druck unerträglich und
zwingt ihn schon bald zum Verkauf. Der Käufer zahlt ihm
117
DER STÄDTEBAU
vielleicht nur 3000 Mk. für den JWorgen, weil er weiß, daß er
verkaufen muß. Dieser bekommt etwa 20 Mk. für den JVIorgen
an Pacht und muß 18 JVlk. Steuer bezahlen. Der Buchwert
seines Besitzes läuft ihm also, da er keine Einnahme erzielt,
alljährlich um die Zinsen an, und er wartet mit Schmerzen
auf den Zeitpunkt, der seinen Besitz in die Stadterweiterung
einbezieht und ihm gestattet, den bisher angenommenen Wert
und noch reichlich mehr einzuheimsen. Mit kurzen Worten,
die Steuer nach dem gemeinen Wert auf landwirtschaftlich
benutzten, in die Stadterweiterung auf lange Zeit noch nicht
einzubeziehende Flächen pflanzt auf dieselben die städtische
Wertentwicklung mit allen ihren Schattenseiten über und
führt den Boden bereits hoch belastet der baulichen Nutzung
zu. In jedem Falle ist sie ungerecht, denn sie belastet den
Besitzer nach einem Maßstab, der durch die zurzeit einzig
mögliche Nutzung nicht gerechtfertigt ist.
Wenn mit Recht die Forderung gestellt wird, den Städten
durch Eingemeindung große Flächen mit weiten Feldmarken
zu geben, die es ihnen ermöglichen, ein jederzeit reichliches
Angebot in der Stadterweiterung zu bieten und durch Ankauf
von Großbesitz in der Feldmark fortschreitend zu erhalten,
so entsteht ihnen aus allgemeinwirtschaftlichen und boden-
politischen Rücksichten die Pflicht einer differenzierten Be-
handlung des Bodens bei der Besteuerung mit der Maßgabe :
Steuer nach dem gemeinen Wert in der Stadt und ihrer —
im weitesten Sinne — nächsten Erweiterung, Steuer nach
dem Nutzungswert in der Feldmark.
Die Wirkung der Wertzuwachssteuer auf die Preisbildung
des städtischen Bodens ist noch wenig klar, weil sie noch
zu kurze Zeit besteht. Ihre Einführung hat eine allgemeine
Bestürzung auf dem Grundstücksmarkt zur Folge gehabt,
die auch heute noch nachwirkt. Durch diese Steuer wurde
in erster Linie der an die Finanzierung gebundene Groß-
handel betroffen, da sie diese Finanzierung in erheblicher
und unsicherer Art und Weise beeinflußt und das Risiko
wesentlich erhöht. Die Folge davon ist ein außerordentlich
großes, preisdrückendes Angebot beim Großhandel besonders
da, wo die Bautätigkeit gleichzeitig darniederliegt. Diese
Marktlage sollten sich die Städte durch Tätigung großer An-
käufe zunutze machen.
Die vielerörterte Frage, ob die Wertzuwachssteuer über-
gewälzt werden kann, läßt sich heute noch nicht und viel-
leicht nie mit voller, zahlenmäßig belegbarer Sicherheit
beantworten. Jedenfalls ist die Behauptung, daß die Über-
wälzung unmöglich ist, die sich auf die Theorie von der
steten äußersten Anspannung der Preise gründet, in dieser
Allgemeinheit nicht richtig. Die unverkennbar vorhandene
Psychologie der Grundstückspreise, die sich bei dem
Großkauf in der spekulativen Finanzierung und beim
Kleinkauf in der psychologischen Zusammenfassung und
daher monopolstärkenden Macht aller bei der Preisbildung
mitwirkenden Faktoren äußert, vermag zweifellos auch
steuerliche Belastungen nicht nur überwälzend, sondern
je nach den Umständen, je nach der örtlichen Entwick-
lung und Marktlage sogar zu Gunsten des Verkäufers zu
wenden.
Bei annähernd 80°/o der Grundstücksumsätze, die mir
hier im Industriebezirk bekannt geworden sind, wurde die
Wertzuwachssteuer vertraglich übergewälzt, und die Unter-
lassung der Überwälzung bei einem Teil der übrigen 20°/o
ist nachweisbar auf die Unkenntnis von der beabsichtigten
Einführung der Steuer seitens des Verkäufers zurückzuführen.
Ob es sich in allen diesen Fällen um eine tatsächliche Über-
wälzung handelt oder ob sie nur auf Kosten der Preise
möglich war, das läßt sich allerdings bei der Unübersicht-
lichkeit der Marktlage in dieser Zeit mit Bestimmtheit nicht
sagen.
Aus meiner Erfahrung heraus möchte ich die Wirkung
der Steuer folgendermaßen skizzieren: Sie wird zweifellos
den Verkauf größerer Besitzungen, also den Großhandel
erschweren, weil die Finanzierung des Ankaufs schwieriger,
unsicherer und deshalb spekulativer wird. Die Boden-
gesellschaften werden also in erster Linie getroffen und ihre
Weiterbildung erschwert. Es wird dies volkswirtschaftlich
erwünscht sein und die Preisentwicklung mäßigend beein-
flussen da, wo sie den Grundstücksmarkt beherrschen und
in wildem W^ettbewerb die Preise in die Höhe treiben. Ihr
Wirken kann aber auch zur Auflockerung des Marktes
erwünscht sein, besonders im vereinzelten Auftreten, denn
auch der Urbesitz wird unter dem Druck der Wertzuwachs-
steuer spekulativer und ist dabei noch von der Finanzierung
unabhängiger, also mehr auf das Monopol gestellt. Im all-
gemeinen wird er aber bei der erhöhten Unsicherheit lieber
und billiger im ganzen verkaufen. Im Großhandel wird also
wohl der Verkäufer die Wertzuwachssteuer tragen.
Wenn so durch diese die Weiterbildung der Boden-
gesellschaften erschwert wird und dadurch im einzelnen
Falle sogar eine Lücke im Grundstückshandel entsteht, wenn
ferner zu erwarten ist — was auch heute schon beobachtet
werden kann — , daß unter dem Drucke dieser Steuer die
Preise für größere Besitzungen heruntergehen, so gewinnt
die Aufgabe der Städte als Vermittlerinnen beim Grundstücks-
verkehr dadurch an Bedeutung und wird durch die Ein-
führung dieser Steuer außerordentlich erleichtert, um so
mehr als sie als Verkäuferin durch das Gesetz von der Steuer
freigestellt ist. Sie gewinnt also durch diese Steuer doppelt,
einmal als Teilhaberin an ihr oder in anderer Form durch
die Nutznießung der durch sie gemäßigten Preise, dann als
Verkäuferin des Bodens im Einzelverkauf oder als Ver-
pächterin der Nutzung durch die Freistellung von der Steuer
oder durch den Gewinn des Überwälzungsanteils.
Denn ich kann mich aus meinen bisherigen Beobachtungen
heraus des Eindrucks nicht erwehren, daß die Wertzuwachs-
steuer von dem Käufer mittel- oder unmittelbar im Klein-
handel überall da und immer dann getragen werden muß,
wo und wenn eine starke Entwicklung die monopolbildenden
Kräfte besonders wirksam macht und das Höchstmaß der
Forderungen auf der durch das Zusammenwirken sämt-
licher Faktoren und nicht zuletzt dieses steuerlichen
Faktors zusammengefaßten ganzen Linie im steten Sieges-
zug fortschreitet. Es wird aber immer schwierig sein,
aus dem Zusammenwirken aller dieser Faktoren den An-
teil auszulösen, der auf die Wertzuwachssteuer zurück-
zuführen ist.
Das ist ja eben der Kern der Bodenfrage, daß der Boden
und besonders der städtische Boden in unserem Wirtschafts-
system alle Faktoren der Entwicklung zu seinen Gunsten zu
werten vermag. Die restlose Lösung des Problems wird
deshalb nur in der Veränderung des Systems selbst oder in
einer veränderten Stellung des Bodens in dem bestehenden
möglich sein. Bis dahin kann es sich nur um eine Beein-
flussung der bei der Preisbildung wirksamen Faktoren
handeln, wie sie sich aus der Psychologie dieser Preisbildung
ergibt.
118
DER STÄDTEBAU
MITTEILUNGEN.
AUS REGENSBURG. Bange Sorge um die Erhaltung des wunder-
^ ^ baren Brückenbildes an der Donau hat schon lauten Ausdruck ge-
funden. Sie ist nur zu sehr berechtigt, denn die Steinerne Brücke, die
fast acht Jahrhunderte hindurch dem Verkehr zwischen Regensburg und
der gegenüberliegenden Stadtamhof gedient hat, soll fallen, weil sie mit
ihren engen Bögen (10,3 — 16,6 m) und breiten Pfeilern, zwischen denen
sich die Donau in reißenden Strudeln hindurchzwängt, eine Sperre für
die heutige Schiffahrt bildet. Bekannt sind die Bestrebungen des Prinzen
Ludwig von Bayern, eine das Deutsche Reich durchquerende Schiffahrts-
straße zu schaffen, das Schwarze Meer mit der Nordsee zu verbinden.
Wer vermöchte sich dieser, dem gesteigerten Verkehrsbedürfnisse ent-
springenden Forderung entgegenzustemmen?! Vorausgesetzt, daß das
Bedürfnis als ein unabweisbares anzuerkennen und auf keine
andere Weise zu befriedigen ist. Die Begründung eines Neubaues
würde dann noch stärkere Durchschlagskraft haben, als seinerzeit zum
Neubau der Augustusbrücke in Dresden geführt hat. Wer wollte leugnen,
daß dieser Neubau ein gut gelungener ist, daß er das altberühmte Stadt-
bild nicht geschädigt hat?! Es käme also nur darauf an, wieder ein gutes
^Verk zu schaffen, das dem Vergleich mit dem zu vernichtenden standhält.
Doch so einfach liegen die Verhältnisse in Regensburg nicht! In
Dresden ist die neue Brücke an die Stelle der alten getreten — in Regens-
burg gilt dies als unmöglich. Denn niemand will die Verantwortung
dafür übernehmen, die durchaus unzulänglichen Zugänge zur Brücke am
Regensburger Ufer unverändert zu lassen. Auch der Vejkehr über die
Brücke, die bei einer Gesamtbreite von 7 m sogar noch einer Straßenbahn
Raum gibt, ist ein beängstigend reißender Strom geworden, der nur auf
Umwegen von der Stadt zur Brücke gelangen kann — durch schmale
Gassen des vor der alten Römermauer besiedelten Uferstreifens. Diese
Gassen fallen zur Donau hin ab. und von dort steigt die Brücke wieder
an. Die Stadtgemeinde hat deshalb schon den Häuserblock westlich der
Hahnengasse angekauft, um diese zur Anlage einer Brückenrampe zu be-
nutzen, die die Weiße-Lamm-Gasse und die Thundorfer Straße am Ufer
überschreitet. Hier ist demnach die Stelle für die neue Brücke gegeben,
etwa 60 m weiter abwärts von der vorhandenen. Damit wäre aber der
Zusammenhang von Brücke und Tor, in das die Brückstraße einmündet,
zerstört, und im Zusammenklange beider liegt jetzt ein wesentlicher Teil
der Bildwirkung.
So war die Sachlage, als der Architekt Otto Lasne in München mit
der Verfassung des Generalbaulinienplans für Regensburg betraut wurde,
zu dessen wichtigsten Aufgaben die Bearbeitung der inneren Stadt
gehört. — Regensburg ist eine der Römerstädte, die uns fast planlos an-
muten. Die Fröhliche Türkenstraße, die an der porta decumana (später
Peterstor) eintritt, gibt ungefähr noch die Richtung der früheren bis zur
porta praetoria, von der bekanntlich noch Bruchstücke stehen, durch-
gehenden Hauptstraße an. Mittenhinein ist später der Dom gestellt
worden. Und die Gesandtenstraße, die an der verschwundenen porta
sinistra eintritt, trifft, quer durch die Stadt verlängert, gerade auf die
frühere porta dextra. Die Neupfarrkirche verstellt auch hier die alte
Straße. Die moderne Stadt, zu der sich nun auch Regensburg um-
gestaltet, braucht aber klarere Verkehrszüge, wenn sie nicht bloß ein
Museumsstück der Vergangenheit bleiben will.
Es war mir nun eine Freude, mit Herrn Lasne durch Gassen und
AVinkel zu kriechen, um zu sehen, wie zart er die Aufgabe anfaßt, die
alte Stadt in das Verkehrsnetz einzugliedern. Haus bei Haus, Hof bei
Hof wurde daraufhin angesehen — das erste war ein Verzeichnis all der
unbedingt zu schonenden alten Schönheiten, seien es nun einzelne Bau-
werke oder ganze Straßenzüge. Und mit derselben Ehrfurcht vor dem
Gewordenen geht er auch an die Brückenplanung heran! Das erste
Brückenjoch vor dem Tore soll stehen bleiben und mit der neuen Brücke
durch eine Rampe verbunden werden, die vorlängs des an den Brücken-
turm sich anschließenden Speichergebäudes, des jetzigen Städtischen
Pfandhauses, also parallel zum Ufer, im Strome durch ein Brückenkai zu
verbinden wäre. Eine neue Brücke soll dann also den Verkehr möglichst
glatt über die verbreiterte Hahnengasse zum Krauterermarkt und zum
Domplatz führen, mit Hilfe der ebengenannten Rampe aber auch die Er-
haltung des Verkehrs zur Goldenen-Bären-Gasse und der Straße „Beim
Goliath" zu ermöglichen, und damit dürfte außerdem, wenn auch nicht
dasselbe, so doch ein ähnliches und, wenn gut gelöst, jedenfalls wieder
ein malerisches Brückenbild geschaffen werden können. Damit soll selbst-
verständlich nur ein erster Vorschlag gegeben werden; vor und zur Ver-
wirklichung des Gedankens wird voraussichtlich noch manches Gutachten,
insbesondere auch der zur Denkmalpflege berufenen Behörde, eingeholt
und schließlich ein \Vettbewerb ausgeschrieben werden, der die besten
Künstler aufrufen dürfte, um diese ebenso verantwortungsvolle wie groß-
monumentale Aufgabe zu lösen. T. O.
T^INE NEUE RICHTUNG IM GARTENBAU UND IHR
'■-' EINFLUSS AUF DEN ARCHITEKTEN. Von Major von
Spitzel, München.
Es gibt in Deutschland eine große Menge Fachzeitschriften für
Ingenieure und Architekten, für Baukunst, Innenausstattung und Häuser-
schmuck und weit über hundert Monatshefte und Sonderblätter für
Gartenkunst, Obstbau und Gemüsezucht, für Gartenfreunde und Berufs-
gärtner. Will man sich nun für eine Sache, welche diese Berufe angeht,
ins Zeug legen, so ist es notwendig, daß die gesamte Fachpresse und die
ihr nahestehenden Zeitschriften einmütig dafür gewonnen werden. Doch
nicht nur die Fachblätter müssen in Bewegung gesetzt werden, sondern
erst recht die Tageszeitungen, große und kleine, die Weltblätter so gut
wie die Ortsblättchen. Dieses Massenaufgebot von Papier und Drucker-
schwärze ist denn auch notwendig, wenn wir für eine neue Richtung im
Gartenbauwesen, die eine weitergehende Förderung des Obstbaues und
der Spalierzucht ins Auge faßt, Erfolg erzielen wollen. Wir kommen
deshalb auch zum „Städtebau" in dem Bestreben, daß möglichst viele
Leute veranlaßt werden, in richtiger Weise möglichst viel tadellose Obst-
gärten anzulegen und zu halten, daß möglichst viele Quadratmeter Wand-
flächen mit Obstspalieren bekleidet werden.
Bisher bevorzugte man Zierbäume und -sträucher, Waldbäume, Efeu
und Kletterrosen, jetzt sollen die Obstbäume und Beerensträucher wieder
in allen Formen und Arten, als Pyramiden und Spaliere mehr beachtet
werden. Die Baumschulen liefern Obstbäume, die in Form, Wuchs und
Kronenbildung, in Hinsicht auf Schlankheit, Eleganz den reinen Zier-
bäumen mindestens gleichwertig, ja vielfach überlegen erscheinen; der
Blütenreichtum der Obstbäume übertrifft meist die Blütenschönheit der
Zierbäume, dann kommt im Sommer das saftige Grün der meisten Obst-
bäume, während im Herbst der herrliche Anblick der reifenden Früchte
des Menschen Auge erfreut. Doch nicht bloß das Auge, auch der Gaumen
kommt zu seinem Recht und mit dem Gaumen auch der Stolz der Haus-
frau, daß sie in der Lage ist, ihrer Familie, ihren Gästen, ihren Freun-
dinnen köstliche Früchte, auserlesenes Eigengewächs vorsetzen zu können.
Aber nicht nur der Genuß des Obstes ist gesund, es ist' dies auch die
Pflege des Obstes, die Bewegung und Hantierung in freier Luft stärkt
und kräftigt uns, während die Entwickelung der Früchte uns auch geistig
anzuregen im stände ist. Es ist also sehr begreiflich, warum der Obst-
bau am eigenen Haus, im eigenen Garten eine so große und immer
größere Rolle spielt, so daß bereits ein geflügeltes Wort entstand: „Die
Zukunft der Kunst- und Landschaftsgärtnerei liegt auf dem
Gebiete des Obstbaues". Durch den Liebhaberbau wird aber ferner
die Verbreitung, Ausdehnung und Verbesserung des Obstbaues mächtig
angeregt und gefördert und diese Ausdehnung ist um so notwendiger, da
wir jährlich für über 100 Millionen Mark Obst einführen müssen, obwohl der
Durchschnittsdeutsche nur 17 Pfd. im Jahre genießt, was ungemein wenig
ist im Vergleich zum Fleisch (154 Pfd.) und zu 250 1 Bier. Aus Gesund-
heitsrücksichten sollte nach ärztlichem Rat das Zehnfache des jetzigen
Obstgenusses dem Körper zugeführt werden, dann gäbe es nicht so viele
Magen- und Darmkrankheiten, Verdauungs- und Stofiwechselbeschwerden,
Gicht, Rheumatismus und Podagra usw. Wo von Jugend auf viel Obst
gegessen wird, da ist dem Teufel Alkohol keine Heimstätte bereitet und die
Zigarettenleidenschaft, jene nervenzerrUttende Begierde, kommt nicht auf.
119
DER STÄDTEBAU
Wie aber der Baumeister die Wohnstätten mit Licht und Luft ver-
sehen soll, BO soll er auch auf den Obstgenuß verweisen, den ObstgenuB
erleichtem dadurch, daß im Garten die Obstbäume und Beerensträucher
vorherrschen und daß er die Mauern und Wände — und zwar alle — mit
Obstspalieren bekleidet. Es eignen sich für die Südseite frühreife Reben,
Pfirsiche, Tafelbimen, weiße Kalvillen, für die Ostseite Äpfel, für die West-
seite Birnen, für die Nordseite die Schattenmorelle. Man wähle aber keine
gewöhnlichen Sorten, sondern feine auserlesene. Die beste Auskunft er-
teilen kostenlos die ^Vanderlehre^ für Obstbau, die Bezirksbaumwarte usw.
Die Kunst- und Landschaftsgärtner sollten aber die Bauleiter, die
Herren vom Baufach, in diesem Tun unterstützen, denn wenn der ein-
zelne Baum schön ist, so läßt sich auch eine schöne Cesamtwirkung
erzielen, zumal bei der Vielseitigkeit der Obstarten und -Sorten. Es wird
in Zukunft aber notwendig sein, daß der Architekt und Ingenieur des
Bauwesens den Obstbau und die Spalierzucht nach der dekorativen Seite
hin kennen lernt; er muß die Vielseitigkeit ihrer Anwendung erfahren,
was durch einige Lichtbilder-Vorträge leicht zu erzielen ist. Diese Vor-
träge sollten auf den Technischen Hochschulen und in den Fachvereinen
gehalten werden. Die verschiedenen Arten des Gärtnerberufes aber müssen
eine eingehende und genaue Kenntnis des Obstbaues erhalten, welche sich
insbesondere auf die praktische Ausübung und Anwendung des Obstbaues
zu beziehen hat. Die Vorliebe für Obstbau und Spalierzucht wird nicht
vorübergehender Natur sein, sondern sie wird bleiben, sie wird vielmehr
sich noch weiter ausdehnen und vertiefen. Dieser neuen Richtung muß
in den Kreisen der Architekten und Ingenieure, wie in den Kreisen der
Gärtner und Gartenkünstler Rechnung getragen werden.
CHRONIK.
LEHRGANG ÜBER FRAGEN DES NEUZEITLICHEN
•* STÄDTEBAUES AN DER TECHNISCHEN HOCH-
SCHULE DRESDEN. Vom 7. bis 19. Oktober dieses Jahres ver-
anstaltet das Seminar für Städtebau an der Technischen Hochschule
Dresden einen Lehrgang über Fragen des neuzeitlichen Städtebaues, der
in Vorträgen von Dozenten der Hochschule, daran sich anschließenden
Besprechungen und in der Besichtigung mustergültiger Anlagen und
Einrichtungen bestehen wird. Der Lehrgang will Technikern und Ver-
waltungsbeamten, die entweder selbst in der Gemeindeverwaltung stehen
oder zu ihr Beziehungen haben, Gelegenheit geben, sich mit einer Reihe
von wichtigen Aufgaben des modernen Städtebaues näher bekannt zu
machen. Sein Programm ist im einzelnen folgendes:
Montag, 7. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über Gemeindeverbände
von Prof. Dr. phil. Fr. Schäfer, Direktor des Statistischen Amtes
der Stadt Dresden; nachmittags 4 Uhr: Vortrag über Wohnungs-
politik von Geheimrat Prof. Dr. jur. et phil. R. Wuttke.
Dienstag, 8. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über Eingemeindungs-
fragen von Prof. Dr. Schäfer; nachmittags 4 Uhr: Vortrag über
gemeinschaftliche ^Vasserwerke für mehrere Ortschaften (Gruppen-
wasserversorgung) von dem Direktor des Städtebauseminars Ge-
heimrat Prof. Ewald Genzmer, Stadtbaurat a. D., in Verbindung
mit Geheimrat Prof. Dr. med. F. Renk, Präsident des Landes-
Gesundheitsamtes.
Mittwoch, g. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über Ansiedelungspolitik
von Prof. Dr. Wuttke; nachmittags Dampferfahrt zur Besichtigung
der Dresdener \Vasserwerke in Hosterwitz und Tolkewitz, sowie
des Krematoriums; abends 9 Uhr zwanglose Besprechung.
Donnerstag, 10. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über verkehrs-
technische Fragen beim Bebauungsplan von Geheimrat Prof. Dr.
Dr.-Ing..C. Gurlitt; nachmittags 4 Uhr: Vortrag über die Durch-
bUdung der Straßen im Bebauungsplan von Prof. Genzmer.
Freitag, 11. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über die Bekämpfung
des Straßenstaubes von Privatdozent Dr.-Ing. Fz. Niedner, Stadt-
baumeister; nachmittags 4 Uhr: Vortrag über die Eigentumsgrenzen
im Bebauungsplan von Prof. Genzmer.
Sonnabend, 12. Oktober, vormittags g Uhr: Vortrag über die Kunst im
Bebauungsplan von Prof. Gurlitt; nachmittags Besichtigung der
Gartenstadt Helleran.
Montag, 14. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über Erbbaurecht und
und andere Wege zu gleichem Ziel von Prof. Dr. jur. A. Esche;
nachmittags 4 Uhr: Vortrag über Ausnahmebewilligungen von
Bauvorschriften von Baurat Prof. K. Diestel.
Dienstag, 15. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über Denkmalpflege
und Heimatschutz von Prof. Dr. R. Brück; nachmittags 4 Uhr:
Vortrag über neuere Erfahrungen auf dem Gebiet der Abwässer-
reinigung von Prof. Genzmer; abends 9 Uhr: Besprechung aus-
geführter Bebauungspläne durch die Professoren Diestel, Genzmer,
Gurlitt.
Mittwoch, 16. Oktober: Dampferfahrt nach Meißen mit Besichtigung des
Dresdener Schlachthofes und der Dresdener Abwässerkläranlage
zu Kaditz.
Donnerstag, 17. Oktober, vormittags 9 Uhr: Vortrag über Anpassung der
Straßendecke an die neuzeitlichen Verkehrsmittel (Straßenbahnen,
Automobile) von Geheimrat Prof. G. Lucas; nachmittags 4 Uhr:
Vortrag über die Beziehungen zwischen Bebauungsplan und Bau-
ordnung von Prof. Diestel; abends 9 Uhr: Besprechung ausgeführter
Bebauungspläne durch die Professoren Diestel, Genzmer und
Gurlitt.
Freitag, 18. Oktober, vormittags 9 Uhr: Besprechung ausgeführter Be-
bauungspläne durch die Professoren Diestel, Genzmer und Gurlitt;
nachmittags Besichtigung der Posadowsky-Häuser, der Desinfektions-
anstalt und der Kadaververnichtungsanstalt.
Sonnabend, 19. Oktober, vormittags g Uhr: Besprechung ausgeführter
Bebauungspläne durch die Professoren Diestel, Genzmer und Gurlitt;
nachmittags Besichtigung des neuen Rathauses und im Anschluß
daran gemeinsames Essen im Ratskeller.
Die sämtlichen Vorträge werden so eingerichtet, daß sie auch für
Nichttechniker verständlich sind.
Die Anmeldungen zur Teilnahme an dem Lehrgang sind an die
Direktion des Städtebauseminars (Technische Hochschule, Zimmer No. 47,
Dresden-Altstadt, Bismarckplatz 18) zu richten. Die Gebühr beträgt für
jeden Teilnehmer 50 Mk.
PEINIGE ANGABEN ÜBER DIE GARTENVORSTADT
■^■^ IN BRITZ. Die Kleinhaussiedelung der Baugenossenschaft „Ideal"
in Neukölln stellt eine erste Verwirklichung des Siedelungsgedankens
Eberstadt-Goecke, Kuczynski-Lehweß, nämlich Verbindung höherer Rand-
bebauung mit Kleinhausbebauung im Innern des Blockes dar. Sie liegt
auf verhältnismäßig teurem großstädtischen Boden zu 260 Mk. die D Rute
netto. Für die endgültige Bebauung sind 120 Wohnungen im Geschoß-
haus (Randbebauung; Erdgeschoß und zwei Stockwerke), 30 ^Vohnungen
im Zwei- und 4 Wohnungen im Vierfamilienhaus (Erdgeschoß und ein
Stockwerk) und 382 Wohnungen im Einfamilienreihenhaus geplant. Der
erste Block, der am i. Oktober bezogen wird, enthält 50 'Wohnungen im
Einfamilienhaus und 33 Wohnungen im Geschoßhaus und 4 Wohnungen
im Vierfamilienhaus und 7 Läden. Die Miete für die kleinste Wohnung
im Einfamilienhaus beträgt 40 Mk. im Monat für Küche, kleines Zimmer,
großes Zimmer, Badezimmer, Kammer, eigene Waschküche, Bodenraum,
Keller und 50 qm Garten. Die Wohnungen des ersten Blockes sind bereits
vermietet. Die Genossenschaft genießt keinerlei gemeinnützige Unter-
stützung, sondern zahlt bereits für die erste Hypothek 4';2"(i Zinsen.
Die Unterlagen aller zur Ausschreibung gelangenden Wettbewerbe
können in den Geschäftsräumen des Verlags Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin W., Markgrafenstraße 35, wochentäglich in den Stunden von
10 — 4 Uhr unentgeltlich eingesehen werden.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W^., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herros^ & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W.
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9. Jahrgang
1912
11. Heft
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STÄDTEBAU.
305
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NEBST EINER SONDERBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT **
INHALTSVERZEICHNIS: Der Wettbewerb zur Ausgestaltung des neuen Bahnhofsplatzes in Karlsruhe in Baden. Von Theodor Goecke, Berlin. —
Normalgrundrisse für Mietshäuser. Von AI. Bohrer, Stadtbaurat in Aachen. (Schluß.) — Städtebaufragen in Karlsruhe in Baden. Von Theodor Goecke,
Berlin. — Die Grundlagen unseres Städtebaues in neuer Beleuchtung. Von AValter Lehweß, Berlin. — Mitteilungen. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
DER WETTBEWERB ZUR AUSGESTALTUNG
DES NEUEN BAHNHOFPLATZES
IN KARLSRUHE IN BADEN.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Das Programm sagte kurzweg:
Um die Umgebung des neuen Bahnhofs in Karlsruhe
möglichst zweckmäßig und schön zu gestalten, sind die
Großherzoglich Badische Eisenbahnverwaltung und die
Stadt Karlsruhe übereingekommen, gemeinsam einen Ent-
wurf zu beschaffen, und zwar im Wettbewerbe Karlsruher
Architekten und Ingenieure.
Es sind die Bau- und Straßenfluchten des Bahnhof-
vorplatzes und des anstoßenden Baugebiets, dessen Grenzen
in dem beigefügten Lageplan (vgl. Abb. a Tafel 62) eingetragen
sind, anzugeben; dabei ist davon auszugehen, daß der Platz
ungefähr die Ausdehnung und Gestalt erhalten soll, wie sie
in dem Lageplan angegeben sind; Änderungen, die verkehrs-
technisch einwandfrei und in wirtschaftlicher Hinsicht nicht
wesentlich ungünstiger wirken, sind zulässig. In den Bau-
fluchtenplan sind auch die Fahrbahnen, Gehwege, die Linien,
Haltestellen und etwaige Warteräume der elektrischen Straßen-
bahn, Droschkenhalteplätze und die sonstige Ausstattung des
Platzes einzutragen. Es sind Fassadenentwürfe für sämtliche
an dem Platze und an den in dem Lageplan mit A— B und
C— D bezeichneten Straßenstrecken zu errichtenden Bauten
aufzustellen. Es ist ein Eingang in den ^Stadtgarten von
der Bahnhofseite aus vorzusehen. Auf eine harmonische
Gesamtwirkung des Platz- und Straßenbildes mit Be-
rücksichtigung des bereits erstellten Aufnahmegebäudes
und des in Ausführung begriffenen Postgebäudes sowie auf
einen günstigen Abschluß der Südseite des Stadtgartens
wird ausschlaggebender Wert gelegt.
Dazu werden zwei Schaubilder verlangt von den in
Augenhöhe gelegenen Punkten x und y des Lageplans nach
einem Maßstab 1 : 100. Die entsprechenden Bildebenen sind
durch die Kanten Kx und Ky zu legen.
Wie bekannt, waren 32 Entwürfe eingegangen, darunter
ein unvollständiger; außer W^ettbewerb hatte die General-
direktion der Staatseisenbahn ein Modell nebst Erläute-
rungen zu einer Studie dem Preisgerichte zur Verfügung
gestellt. Diese Studie geht von dem Gedanken aus, das
neue Aufnahmegebäude der Eisenbahn zum Mittelpunkt
einer symmetrischen Platzanlage zu machen, dessen Breite
mit 50 m bei einer Länge von 223 m als ausreichend zu
erachten sei. Die Beschränkung der Breite auf 50 m würde
es nämlich ermöglichen, auf [einem dem Stadtgarten vor-
gelagerten Zwickel noch einen Baublock zu gewinnen, um
die Platzanlage allseitig durch Bebauung zu umschließen.
121
DER STÄDTEBAU
Offenbar hat dieser Grundgedanke seinerzeit schon zur
Auswahl des Bauplatzes für das inzwischen entstandene
Aufnahmegebäude geführt und damit eine Schwierigkeit
geschaffen, an der viele Wettbewerbsentwürfe ge-
scheitert sind.
Denn die tatsächhch gegebenen Verhältnisse sind eben
andere, eine symmetrisch geschlossene Platzanlage fast
ausschließende. Im Nordosten erhebt sich der Lauterberg
38 m über den Stadtgarten; selbst eine viergeschossige
Bebauung davorgesetzt, ließe ihn also für den auf dem
Platze Stehenden nicht verschwinden. Demnach muß eine
etwaige Bebauung an dieser Stelle in Harmonie zu ihm
gesetzt, d. h. unter Umständen eine niedrigere werden als
sonst am Platzrande. Es Ist aber auch nicht einzusehen,
warum der Stadtgarten [vom Platze abgeschnitten, der
landschaftlichej Hintergrund zur Platzgestaltung nicht mit-
benutzt werden soll. Es scheint, als ob die Eisenbahn-
direktion 'sowohl, als auch mancher der am Wettbewerb
Beteiligten, selbst Preisgekrönte den Begriff der Platz-
geschlossenheit zu eng gefaßt haben. Auf Raumgestaltung
kommt es an und auf die Mittel zur Raumgestaltung, die
nicht nur von der Architektur geboten werden. Auch der
Gärtner gestaltet Räume, und der Gartenplatz ist eine der
modernen Städtebaukunst sonderlich eigene Schöpfung. Es
wäre drum nicht zu verstehen, wenn der Stadtgarten aus der
Platzanlage ausgeschaltet werden sollte. Schon Professor
Dr. Brinckmann hat in seinem Buche „Platz und Monument"
auf die Einbeziehung der Landschaft in die Barockplätze
hingewiesen. Das Programm des Wettbewerbes endlich
hat ausdrücklich einen günstigen Abschluß der Südseite
des Stadtgartens gefordert, einen Abschluß, keine Ver-
deckung der Stadtgarten sollte mit in die Erscheinung
treten.
Freilich muß dann auf strenge Symmetrie und gleich-
mäßig geschlossene Umbauung verzichtet werden. Für
eine mehr oder weniger unsymmetrische Gestaltung war
aber der als Unterlage gegebene Lageplan etwas zu eng be-
grenzt, so daß die Bearbeiter in bezug auf die Verbindung
des Platzes mit der Stadt, die Einführung des Verkehrs in
den Platz, die Durchbrechung der Platz Wandungen mit
Straßen nicht weit genug ausholen konnten. Trotz alledem
sind treffliche Lösungen erzielt worden, von denen wir
leider nur die beiden mit je einem L Preise gleichmäßig
bewerteten Entwürfe No. 6 „März" (Hauptentwurf) des
Architekten Oskar Seemann und No. 27 „Residenz" des
Architekten W. Vittali auf Tafel 62 bis 65 bringen können.
Von ersterem sagt das Preisgericht: „In dem Entwurf
tritt dem Beschauer ein bedeutungsvolles starkes künst-
lerisches Wollen und Können entgegen. Die von der
Natur gegebene Unsymmetrie der Umgebung ist durch
eine lebhafte Gliederung des Platzgrundrisses mit gutem
Geschick zu lösen versucht. Dasselbe trifft auf die
Architektur zu, wenn auch die Massenentwicklung der
Fronten gegenüber dem Aufnahmegebäude zu mäßigen
wäre"; und von letzterem: „Der Entwurf zeichnet sich
durch äußerste Einfachheit und Klarheit aus. Die den
Platz rings umgebenden Kolonnaden mit Terrassenbildung
sichern dem Platzraum eine vornehme Ruhe und bieten
das Mittel zu wirkungsvollster Dekoration bei festlichen
Empfängen. Auch die Beziehungen des Platzes zum Stadt-
garten haben in diesem Entwurf die beste Berücksichtigung
gefunden."
Hierin sind die beiden Hauptmöglichkeiten zur Lösung
gegeben, in dem einen die dem verschiedenartigen Aufbau
des Platzrandes entsprechende Dreiteilung des Platzes in
einen Tiefenplatz als Vorplatz zum Stadtgarten, in einen
symmetrisch vor dem Aufnahmegebäude ausgestalteten
Querplatz als Hauptplatz und in einen die drei Verkehrs-
richtungen vermittelnden Viereckplatz als Verkehrsplatz —
in dem anderen ein ungeteilter langgestreckter Platz, doch
mit wechselnder Umrahmung im Aufbau und in den Flucht-
linien. Die mit dem III. und IV. Preise ausgezeichneten
Entwürfe No. 3 „Doris" der Architekten Curjel und Moser
und No. 10 „Residenzeingang" des Großherzoglichen Ober-
bauinspektors Weinbrenner, eines Enkels des seinerzeit um
das Städtebild von Karlsruhe hochverdienten Architekten,
hat das Preisgericht wie folgt beurteilt: „Der Entwurf
zeigt eine ruhige, natürliche Ausbildung der Platzumwandung
und betont die Beziehung des Platzes zum Stadtgarten in
befriedigender Weise. Zu loben ist auch der Gedanke der
Schutzhalle im Anschluß an diesen zweiten Ausgang. Ferner
der breite westliche Abschluß des Platzes; die Anlage des
Albtalbahnhofes enthält ebenfalls einen sehr guten Gedanken,
der aber leider wegen der zu kurzen Gleiskrümmung am
Tunnel nicht ausführbar sein wird" bzw. „Lobend anzu-
erkennen ist der Versuch, den Straßenbahnverkehr von
dem übrigen Verkehr in den Zugangsstraßen zum Bahn-
hofsplatz zu trennen. Ferner erfreut innerhalb der durch-
w^eg würdigen Architektur der stattliche Eingang in die
dem Bahnhofportal gegenüber mündende Straße. Die
Öffnung zum Stadtgarten läßt dagegen unbefriedigt, um so
mehr, als es aus Verkehrsrücksichten unwahrscheinlich
sein dürfte, daß die hier wie auf der anderen Seite entworfenen
Kolonnaden zur Ausführung kommen werden."
Wie stark die Verkehrsfragen in die Platzgestaltung
hineinspielen, geht auch aus der Beurteilung des zum An-
kauf empfohlenen Entwurfes No. 1 „mit dem Kennzeichen
einer Lokomotive" hervor, von dem das Urteil sagte: „Eine
sehr reizvolle Arbeit, welche namentlich die Forderung
des Programms, daß die Begrenzung des Stadtgartens in
gute Beziehung zu dem Bahnhofsplatz gebracht werden
solle, in sehr glücklicher Weise erfüllt. Ferner enthält der
Entwurf die anerkennenswerte Anregung, in dem zwischen
Stadtgarten und Beiertheimer Wäldchen belegenen Bau-
gebiet eine Verkehrsstraße in die Mitte zu legen, um die
beiden Randstraßen als bevorzugte W^ohnstraßen auftreten
zu lassen. Befriedigen konnte nicht der Charakter der
Architektur, der nach Ansicht der Preisrichter den An-
forderungen der Repräsentation der Residenzstadt nicht
genügt und einen zu kleinbürgerlichen Eindruck hervor-
ruft." Der Entwurf No. 2 „Tradition" endlich hat folgendes
Zeugnis erhalten: „Die Stärke des Entwurfs liegt in seiner
ruhigen und vornehmen Architektur der Fassaden, die
im allgemeinen befriedigt. Fühlbar ist der Mangel einer
ausreichenden Durchbildung der Beziehung zwischen Platz
und Stadtgarten." Von den übrigen Entwürfen boten
noch No. 7 „Stadttor", 8 „Ostereier (I)", 11 mit dem Kenn-
zeichen X und 18 „Im Einklang" bemerkenswerte Einzel-
heiten.
Im ganzen dürfen Staat und Stadt mit dem Ausgange
des Wettbewerbes wohl zufrieden sein, wenn auch damit
noch keine endgültige Lösung gefunden ist. Aber die Situa-
tion, um ein in diesem Falle unübersetzbares Wort zu
gebrauchen, erscheint nach jeder Richtung hin geklärt!
122
DER STÄDTEBAU
NORMALGRUNDRISSE FÜR MIETSHÄUSER.
Veranlassung und Ergebnis einer Rundfrage der Stadt Aachen.
EIN BEITRAG ZUR BAUORDNUNGS- UND W^OHNUNGSFRAGE.
Von AL. BOHRER, Stadtbaurat in Aachen. (Schluß.)
Über die zur Darstellung gebrachten Pläne wird im
allgemeinen folgendes bemerkt:
Die verschiedenen Grundrisse kennzeichnen sich zu-
nächst durch Zimmer- und Wohnungszahl, sowie durch
Zahl, Anordnung und Einrichtung der Nebenräume, zu denen
zu zählen sind: Treppenhaus, Vorraum, Flur, Garderobe,
Klosett, Baderaum, Mädchenkammer, Küchenspind, Besen-
spind und Balkon. Ferner sind folgende Unterscheidungs-
male zu finden: Es gibt Pläne für eingebaute und freistehende
Häuser, für solche mit und ohne Anbau, mit und ohne Licht-
schacht, Lichthof oder Lichtgasse. Bald hat das Treppen-
haus Podestfenster, bald hat es Oberlicht.
Aus der Anzahl der Kennzeichen ergibt sich ohne weiteres
eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der Planbildungen;
um so erstaunlicher ist es, wie wenig manche Gegenden an
dieser Mannigfaltigkeit teilhaben. Der Grund liegt darin,
daß die verschiedenartigen polizeilichen Bestimmungen eine
Menge der Lösungen ausschließen, daß Bedürfnis, Wohnsitte
und Wirtschaftlichkeit eine strenge Auslese halten und daß
endlich die auf Unkenntnis beruhende Unbeweglichkeit von
Bauherren und Unternehmern sich Neuerungen widersetzt.
Bei dem einfachsten Miethause erscheinen drei bis sechs
Räume in einem Geschoß, die an eine oder auch an mehrere
Parteien vermietet werden können.
Klosett und Zapfhahn sind auf dem
Treppenpodest angebracht (Fig. 1). Die
Häuser sind 7 — 11 m breit und besitzen,
je nach der Grundstückstiefe, einen
Anbau (Fig. 2). Diese Grundrisse
weisen keine Wohnungen auf, die den
heute von den Wohnungsreformern
gewöhnlich gestellten Anforderungen
entsprechen. Sie sind nicht abge-
schlossen, sie haben keine eigenen
Bequemlichkeiten. Es ist aber nicht zu verkennen, daß
sie die Eigenschaften eines guten Typs haben. Sie sind
einfach und klar und bieten trotz der bestimmten Betonung
des wirtschaftlichen Standpunktes keinen Anlaß zur Be-
anstandung aus Gründen der Sicherheit und der Gesundheit.
Im allgemeinen wird heute erst eine abgeschlossene Wohnung
von drei Räumen mit eigenem Klosett als menschenwürdig
bezeichnet, und Wohnungsgenossenschaften stellen in der
Regel keine geringeren Wohnungen her. Es ist jedoch zu
bedenken, daß billigste Ein- und Zweizimmerwohnungen
für unabsehbare Zeit ein absolutes Bedürfnis sind. 10—15 "/„
aller Wohnungen sind heute in deutschen Großstädten Ein-
zimmer-, 25 — 35" q Zweizimmer -Wohnungen. Wenn man
alle Umstände erwägt, kann es auch durchaus nicht als das
absolute Ideal angesehen werden, diese billigen W^ohnungen
aus dem Markt zu drängen. In vielen Fällen, die immer
wiederkehren werden, solange es einzelstehende Personen
*%.!
a_
Anm.: Maßstab der Zeichnungen i : 400.
und Jungverheiratete sparsame Arbeiter und kleine Beamte
gibt, wird die billigste Einzimmerwohnung aus wirtschaft-
lichen Gründen oder weil das richtig abgewogene Bedürfnis
so bescheiden ist, gesucht werden. Und die Billigkeit dieser
Ein- und Zweizimmerwohnungen sollte auch den Wohnungs-
reformer veranlassen, nicht ohne weiteres den Stab darüber
zu brechen, denn: Wie soll sonst der Mittellose das Geld zu-
sammensparen, um später, wenn Kinder vorhanden sind, ein
gewisses W^ohnungsideal verwirklichen zu können? (Fig. 2.)
Die Räume sind bei den primitiven Grundrissen, die
nach Bedarf Wohnungen von ein bis fünf Zimmern bieten,
die das aus den verschiedensten Gründen notwendige und
auch wünschenswerte Untervermieten gestatten, sehr hell
und luftig und nicht klein. Die Lage des Klosetts auf dem
Treppenpodest wird von mancher Seite beanstandet. Dem-
gegenüber [muß betont werden, daß das Klosett innerhalb
einer echten Kleinwohnung immer ein gesundheitlicher und
ästhetischer^^ Übelstand bleibt, der durch
eine kleine Bequemlichkeit nicht auf-
gewogen werden kann. Die Feuersicher-
heit dürfte bei nicht mehr als zwei Ober-
geschossen als befriedigend anzusehen
sein. Vom sozialen Standpunkte bieten
die Gebäude den weiteren Vorteil, daß
sie infolge der Billigkeit ihrer Herstellung
auch dem weniger Bemittelten die Mög-
lichkeit geben, Hausbesitzer zu werden.
Da der kleine Hausbesitzer in der Regel
in seinem Eigentume wohnt, wird dabei
auch der Mieter auf seine Rechnung
kommen, indem in dem Eigentümerhause
stets besser geordnete Verhältnisse zu
finden sind, wie in einem Hause, das
von draußen verwaltet wird.
Sobald Wohnräume durch Zapfhahn, Klosett und den
dadurch notwendigen Flur zur einfachsten abgeschlossenen
Wohnung zusammengefaßt werden, treten neben die Be-
quemlichkeiten gewisse Mängel, die die primitiven Wohnungen
nicht aufweisen. Die stetig wirksame Wirtschaftlichkeit
verlangt unerbittlich, daß dort, wo etwas gegeben, auch
etwas genommen wird. Die einfachste Form dieses Nehmens
ist natürlich die Erhebung einer höheren Miete. Da diese
oft nicht zur Verfügung steht, suche die bedrängte Wirt-
schaftlichkeit sich in anderer Weise zu helfen. Die Be-
quemlichkeit wird auf Kosten der Zimmergröße gewonnen,
oder es wird eine größere Zahl von Wohnungen an eine
Treppe gelegt, wodurch die Sicherheit und die Annehmlichkeit
beeinträchtigt wird. Bei Wohnungen von ein und zwei
Zimmern dürfte jedenfalls im allgemeinen die Zweckmäßig-
keit der Anlage eigener Bequemlichkeiten zweifelhaft sein.
In Deutschland hat man klar ausgesprochene Einzimmer-
wohnungen nicht hergestellt, kaum Zweizimmerwohnungen;
wohl aber in Österreich und in der Schweiz (Fig. 3). Hier
cfiacfyn
123
DER STÄDTEBAU
liegen denn auch nicht drei bis fünf Räume, sondern sieben
bis"^wölf Räume,' mit derselben Wohndichtigkeit in dem
einzelnen Zimmer, an derselben Treppe, weil sonst die
Kosten der Bequemlichkeiten nicht aufzubringen wären.
Die ausgesprochene Etagen-
wohnung, die Zimmer und Bequem-
lichkeiten an einem besonderen,
abgeschlossenen Flur vereinigt, be-
sitzt in Deutschland, von Berlin ab-
gesehen, drei Aufenthaltsräume. Sie
wird in annehmbarer Form nicht
nur von gemeinnützigen Gesell-
schaften, sondern auch vielfach von
Unternehmern hergestellt, da die
Anlage von Nebenräumen anfängt,
rentabel zu werden (Fig. 4). Bei
diesen Wohnungen ist es auch schon
angängig, wegen der abnehmenden
Wohndichtigkeit die Zimmer zu-
gunsten des Zubehörs etwas zu
verkleinern. Der Angriff auf die Wirtschaftlichkeit der
Wohnungen von drei Räumen mit Bequemlichkeiten geht
oft von der Bauordnung aus, indem die Grundstücks-
ausnutzung durch Beschränkung der bebauungsfähigen
Fläche und der Geschoßzahl oder durch Verbot von Anbauten
vermindert wird (Fig. 5). Alsdann wehrt sich die Wirt-
schaftlichkeit durch Verschlechterung der Nebenräume
bezüglich der Licht- und Luft-
zuführung. Klosett, Spind und Flur
werden ins Innere an Schächte
gelegt, was in bezug auf Sicher-
heit und Gesundheit bei vielge-
schossigen Bauten seine Bedenken
hat. Die Treppe erhält Oberlicht,
um so die ganze Möglichkeit der
unmittelbaren Licht- und Luft-
zuführung für die Aufenthaltsräume
auszunutzen.
Die lehrreichste Wohnung ist diejenige von vier
Räumen; sie erscheint in den vielfaltigsten Formen und
zeigt die Kräfte, die bei der Entstehung des neueren Wohn-
hauses tätig sind, in ihrer Wechselwirkung am klarsten.
Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß alle Bevölkerungs-
schichten, ob reich, ob arm, auf dem Lande und in der
Stadt, unter Umständen der Vierzimmerwohnung bedürfen.
Bei dem Studium der Pläne sehen wir,
wie Wohnungsbedürfnis, Bauordnung und
Unternehmersinn typische Wohnungen
jeder Art hat entstehen lassen, hier die
einfache Arbeiterwohnung im Kleinhaus
oder in der Mietkaserne mit wenigen
Bequemlichkeiten, dort die auf das
vollkommenste ausgebaute Großstadt-
wohnung. Die gedrückteste Vierzimmer-
wohnung besitzt wohl Bremen. Es
scheint, daß die herrschende Wohnsitte,
die vier Räume für eine Familie in einem
Kleinhause verlangte, die Form wesentlich bestimmt hat. Die
Abneigung gegen die Mietskaserne und der zur Verfügung
stehende, im Verhältnis zur beanspruchten Zimmerzahl ge-
ringe Mietpreis zwang den Unternehmer, die Zimmergröße
auf das äußerste, bis auf 7—12 qm, zu beschränken, und
6?>tfti
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*9-7
eine weitere Verbilligung der Wohnungen darin zu suchen,
daß er ein fensterloses Klosett in das nur mit Oberlicht ver-
sehene, gegen die Wohnung nicht abgeschlossene Treppen-
haus setzte (Fig. 6). Der außerordentliche Vorteil, der durch
die große Zimmerzahl und das Zusammenleben von nicht
mehr als zwei Familien in einem Hause geboten ist, wird
außerhalb Bremens nirgends so hoch gewertet, als daß die
Bauordnungen die Nachteile in den Kauf nähmen. Dieselben
Bevölkerungsschichten wohnen daher in anderen Städten in
zwei und drei größeren Zimmern oder zu drei
bis acht Familien an einem Treppenhaus in
abgeschlossenen Wohnungen mit mehr oder
weniger unmittelbar an der freien Luft liegen-
den Klosetts. Im allgemeinen sind typische Vier-
zimmerwohnungen überhaupt abgeschlossen.
Sie unterscheiden sich durch Zahl und Anord-
nung der Bequemlichkeiten. Die einfachste
W^ohnung zeigt vier Räume an einem ab-
geschlossenen Flur mit dem Klosett auf dem
Treppenpodest (Fig. 7). Die besten Typen für
Arbeiterwohnungen liefert das rheinisch-westfälische In-
dustriegebiet, insbesondere die Stadt Essen. Die günstigen
Vorbedingungen sind gegeben in dem von altersher üblichen
Kleinhause, in der weit auseinander gezogenen Städteanlage
mit billigem Baugrund, in dem guten Verdienst der Be-
völkerung und in der behördlichen und privaten Wohnungs-
fürsorge. Wo die Bodenwerte in Rheinland und Westfalen
besonders hoch sind, kann das Kleinhaus
sich nicht halten, und es entsteht das
Mietshaus mit vier bis acht Wohnungen
an einer Treppe. Die Zimmer werden
zum Teil in einem Anbau untergebracht,
seltener in einem Hinterhaus. Das An-
bauhaus leitet seinen Ursprung aus dem
Dreifensterhaus her, das zuerst zum
Einfamilienhaus bestimmt wrar, später
aber bei der großen Vermehrung der Be-
völkerung an verschiedene Parteien ver-
mietet und dann zu dem ausgesprochenen Etagenhause
fortgebildet wurde. An Bequemlichkeiten werden höchstens
geboten: eigenes Klosett, Spind, Vor-
raum und Balkon (Fig. 8).
Die Anordnung der Bequemlich-
keiten wird wesentlich bestimmt durch
die Bauordnungen, insbesondere
durch deren Bestimmungen über
Treppenentlüftung und Belichtung
und über Lichtschachte. In Köln ist
die Anlage von Oberlichttreppen und
Lichtschächten so erschwert, daß
sie bei Kleinwohnungen kaum vor-
kommen. In Düsseldorf sind vor-
treffliche Typen mit Lichtschacht und
Oberlichttreppe entstanden. In Süd-
deutschland scheint die Sitte der
offenenBauweise und die Bauordnung
die Entstehung von Lichtschacht und
Oberlichttreppe nicht begünstigt zu haben. Die Nachteile
dieser Einrichtungen sind nicht zu verkennen, weil Feuer-
und Schallübertragung dadurch gefördert werden; aber es
fragt sich, ob diese Nachteile nicht überschätzt worden sind
und ob es nicht richtiger ist, anstatt durch Bestimmungen
ee6iTß(d
cfiacf)cn
124
DER STÄDTEBAU
die Unterdrückung herbeizuführen, den Versuch der Ver-
ringerung zu machen. Man wird daran nicht vorbeikommen,
wenn man nicht die weitere Ausgestaltung der Kleinwohnung
hemmen will. Die strengen deutschen Bestimmungen über
Lichthöfe können für teuere, sogenannte hochherrschaftliche
Wohnungen wirtschaftlich überwunden werden; nicht aber
für die Arbeiterwohnungen.
In Deutschland hat sich noch nicht so sehr das Be-
dürfnis nach Vierzimmerwohnungen mit allen denkbaren
Bequemlichkeiten herausgestellt, kaum in Berlin. In viel
höherem Maße anscheinend in Böhmen, wo in Prag und
Brunn wirklich vollendete Typen sich gebildet haben. Die
Pläne zeichnen sich aus durch eine helle und geräumige
Treppe mit Podestfenstern; durch große Zimmer und durch
weitgehendste Ausnutzung
des Luftschachtes. Hier ist
man bezüglich der Licht-
und Luftversorgung der
Nebenräume nicht von dem
Standpunkt der deutschen
Bauordnungen „Alles oder
Nichts" ausgegangen, man
scheint vielmehr folgendes
erwogen zu haben. „Zu
einer vollendeten Wohnung
gehört Vorraum, Kleider-
ablage, Klosett, Baderaum,
Spinde, Mädchenkammer
Ä™"» und Balkon. Auf nichts
darf verzichtet werden ;
eher muß der Anspruch auf Güte der Einzelheiten ein-
geschränkt werden." Hierbei berücksichtigte man auch,
daß die Zuführung des Tageslichtes zu den Nebenräumen
bei der Verbreitung des elektrischen Lichtes nicht mehr
von durchschlagender Wichtigkeit ist, und daß enge Schächte
sogar ohne Ventilator vorzüglich die Luft absaugen. Bei
der Durchführung des Wohnungsprogramms ist man wohl
dort etwas zu weit gegangen, wo Mädchenkammern von
dem allerdings sehr geräumigen Treppenhaus mit Luft ver-
sorgt sind und auf die unmittelbare Lage der Kammer an
einer Außenwand verzichtet ist (Fig. 9). Man vergleiche
die böhmischen Grundrisse, deren Einfluß sich auch nach
Sachsen hin geltend macht,
' ' mit dem Nürnberger Plan,
der die Anordnung der Be-
quemlichkeiten in denkbar
einfacher, aber unschöner
und kostspieligster Form
zeigt (Fig. 10).
Die Nachteile der Licht-
schächte und Oberlicht-
treppen werden schon bedeu-
tend eingeschränkt, sobald
die Geschoßzahl vermindert und der Wohnungsflur nicht
unmittelbar an einen Lichtschacht gelegt wird. Ein falscher
W^eg ist darin zu erblicken, daß die Bauordnungen willkür-
liche Mindestmaße für jedes Geschoß festlegen. Dadurch tritt
der Lichthof gegenüber den wesentlichen Erfordernissen der
Wohnung zu sehr in den Vordergrund. Bei einer Planbildung
müssen die notwendigen Räume zunächst geschaffen werden.
Der Lichtschacht muß sich mit seinen Abmessungen möglichst
anpassen, nicht umgekehrt. Wenn schon Mindestmaße fest-
inürn(S?rg
gesetzt werden sollen, dürfen sie nicht, wie vielfach heute,
willkürlich sein, sondern sie müssen von bestimmten Grund-
rissen ausgehen.
Die Luft- und Lichtzuführung zur Treppe spielt bei
der Plangestaltung auch eine wesentliche Rolle. Es ist
richtig, daß eine einwandfreie Treppe kaum hoch genug
gewertet werden kann. Aber die Anforderungen an die
Treppe gehen doch vielerorts zu weit. Sie gründen sich
auf die Bestimmungen der Berliner Bauordnung, die damit
zu rechnen hatte, daß zwölf und mehr W^ohnungen in
fünf Geschossen an eine Treppe gelegt ^wurden. Bei der
Verkehrsbedeutung einer solchen Treppe müßte die Sicherung
noch weiter gehen und jede unmittelbare Verbindung von
Aufenthalts- oder Lagerräumen mit dem Treppenhause ver-
boten werden. Wo aber die Verkehrs-
bedeutung der Treppe zurücktritt infolge der
Beschränkung der Zahl der Geschosse und
der Wohnungen auf einer Etage, sollte über-
legt werden, ob nicht bei weniger guter
Treppenanlage nicht erhebliche Vorteile für
die eigentliche Wohnung erzielt werden
können (Fig. 11). In dem Treppenhause wohnt
man doch nicht. Vielleicht dürfte es vor-
zuziehen sein, in einem Hause mit nur zwei
Obergeschossen und nur drei bis vier
Wohnungen die Treppe etwas weniger gut
zu beleuchten und zu belüften, wenn- dafür
der Wohnungsflur ein Fenster erhalten kann
oder eine wirtschaftlichere und glücklichere
Gesamtanlage der Wohnung zu erzielen ist.
Die vorstehenden allgemeinen Bemerkungen mögen zur
Beleuchtung des gebrachten Planmaterials, das im übrigen
für sich selbst spricht, genügen.
Das Material ist natürlich bei weitem nicht vollständig.
Manche Städte, die über ausgesprochene gute Normalgrund-
risse verfügen, sind nicht vertreten. Die Pläne nach altem
Berliner Muster, die den ganzen Osten beherrschen, sind
nicht gebracht, weil sie heute als überwunden gelten können.
Auch die sogenannten herrschaftlichen Wohnungen sind
weniger berücksichtigt. Die vorliegende Veröffentlichung
soll, abgesehen davon, daß sie den Städten, die Pläne bei-
gesteuert haben, eine Entschädigung für ihre Mühe gewährt,
nur die Anregung geben zu einem vollkommenen, vielleicht
von Reichs oder Staats wegen erscheinenden Werk, das
die am Wohnungsbau interessierte Kreise, Grundstücks-
besitzer, Bauunternehmer und Wohnungsbedürftige, über
das Beste autoritativ unterrichtet, was auf dem Gebiete
geleistet wird.
Durch ein solches Werk, dem weiteste Verbreitung
zu geben [wäre, [könnte die Entstehung guter Wohnungen
sicherer 'gefördert werden als durch ein Wohnungsgesetz,
das uns möglicherweise wieder mit Mindestforderungen be-
glückt, die, wie wir gesehen haben, eine nicht geringe Schuld
an den heutigen schlechten Wohnungsverhältnissen tragen.
W^enn das vielfach erstrebte Reichsgesetz zur Ver-
besserung der Wohnungen kommen soll, so dürfte es in der
Hauptsache nur dreierlei bringen:
1. Die gesetzliche Sicherstellung der Herausgabe des oben
angeregten Werkes über Normalwohnungen, das, um
Fortschritte zu ermöglichen, wenigstens alle fünf
Jahre die Wohnungsinteressenten, also Behörden,
Grundstücksbesitzer, Architekten, Unternehmer und
125
DER STÄDTEBAU
Wohnungsuchende darüber unterrichtet, welche Woh-
nungsarten als empfehlenswert von Reichs wegen
erachtet werden, wobei es den Ortsbehörden über-
lassen bleiben muß, entsprechend örtlicher Sitte und
bestehendem Recht, Rückschritte auf dem Gebiete
des Wohnungswesens durch Ausschluß einzelner oder
Vorschrift bestimmter Wohnungsarten zu verhindern.
2. Die Ermöglichung der billigen Baulandproduktion,
indem bei dem Erwerb von Straßenland durch Ent-
eignung nur der Nutzungswert, also nicht der heutige
gemeine Wert zugrunde gelegt werden darf.
3. Die Ermöglichung der Grundstücksumlegung und des
billigen Erwerbs eines gewissen Geländeteils für
öffentliche Zwecke, wenn ein Gebiet für baureif er-
klärt ist.
INHALT DER TAFELN.
Die Abkürzungen haben folgende Bedeutung: K. = Küche; Bd. = Bad;
M. = Mädchenkammer; Sp. = Speisekammer; Clbd. = Abort mit Bad;
Kl. = Kleiderablage; Cl. = Abort; V. = Vorraum; B. = Balkon.
Tafel 52.
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4-
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Schrank
4 Zimm.
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5 Zimm.
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1
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V-
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2B
Schrank
STÄDTEBAUFRAGEN IN KARLSRUHE in baden.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Auch in Karlsruhe ist schon manches von alter Schön-
heit abgebröckelt, insbesondere von dem früher einheitlich
gestalteten Halbrund des Schloßplatzes. Einzelne den
schlichten Arkadenbauten nachträglich vorgehängte Balkone
sind noch erträglich; doch durchbrechen die Horizontale
der zweigeschossigen Bebauung schon an einigen Stellen
drei- und viergeschossige Häuser mit kahlen Brandmauern,
mit zum Teil gestelzten Arkaden — Neubauten, anders in
Form und Farbe unter sich und als die der ursprünglichen
Anlage.
An sich könnte der weitgedehnte Schloßplatz wohl eine
höhere Bebauung ertragen, wenigstens in den bis zur Kunst-
126
DER STÄDTEBAU
Bebauungsplan für den Ettlingertorplatz.
halle bzw. zum Marstalle reichenden Flügeln des Halbrundes,
soweit dichtes Gebüsch und hohe Baumkronen der beider-
seitigen Parkanlagen die Beziehungen zum Schloß fast auf-
gehoben haben und in beschränktem Maße auch in der
Mitte zwischen Lamm- und Kreuzstraße, wo sich der Platz
frei nach dem Schlosse hin öffnet — doch Einheitlichkeit
wäre für die einzelnen Blöcke zu fordern und im mittleren
Teile auch Unterordnung unter den Schloßbau. Eine neue
Bauordnung soll nun dafür sorgen, daß keine neuen Ver-
sehen begangen werden, und wie man hört, trägt sich der
Großherzog sogar mit dem Gedanken, begangene Sünden
wieder gutzumachen und dazu bei Gelegenheit die im Privat-
besitz befindlichen Grundstücke anzukaufen.
Es war höchste Zeit für den Erlaß der neuen Bau-
ordnung, deren Schutz sich auch auf den Marktplatz erstreckt,
dessen Gleichgewicht schon durch den über einem hohen
Sockel mit drei hohen Geschossen aufsteigenden Bezirksamts-
gebäude gegenüber der Kirche und dem Rathause, die sonst
nur niedrigere, wenn auch mehrgeschossige Bauten um-
geben, an der Ecke der Hebelstraße, insbesondere auch
durch die vordringliche Form der halbrunden Ecklösung
dieses Baues und durch seine Erbauung in andersfarbigen
aufwändigeren Baustoffen gestört ist. Schön sind auch
gerade nicht die nachträglich eingebauten Verkaufsläden
an beiden Seiten des Marktplatzes, immerhin erträglich und
auch wohl unvermeidlich — es muß nur dafüi gesorgt
werden, daß dieses Bedürfnis dem nun einmal gegebenen
Rahmen eingepaßt wird. Ähnlich ist es dem Rondell ge-
gangen, dem dritten Schmuckstücke vom Schlosse aus
gerechnet. Dem Markgrafenschlosse gegenüber durchbricht
ein etwa in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
erbautes nüchternes, doch überladenes Geschäftshaus die
Einheitlichkeit der Anlage. Das vierte und letzte Schmuck-
stück, das Ettlinger Tor endlich, ist seit längerer Zeit gänzlich
verschwunden.
Auch das Karlstor wird nunmehr verschwinden; kann
es auch kaum zu den Glanzstücken der Stadt gerechnet
werden, so erscheint es doch zweifelhaft, ob die Niederlegung
der an sich wenig bedeutenden Torhäuser die Ecke der
Kriegsstraße und Karlstraße verbessern wird, da ein dem
Großherzoglichen Garten vorgelegter Neubau weit über die
jenseits der Karlstraße an der Kriegsstraße eingehaltene
Bauflucht vorspringt und auf der gegenüberliegenden Seite
der Ausblick auf den an der Ecke der Sophienstraße stehende
sympathische Bau des Künstlerhauses zugebaut werden soll.
Allzuviel Ehrfurcht vor dem Alten scheint überhaupt nicht
gerade die starke Seite der Bevölkerung zu sein — denn
sonst würde man sicherlich nicht ein zwar schlichtes, aber
127
DER STÄDTEBAU
wohlgestaltetes Kapellchen in Grünwinkel, das ein wenig vor
die Flucht der Durmersheimer Straße vorspringend, den
langen Straßenzug belebend unterbricht, als ein vermeint-
liches Verkehrshindernis abbrechen wollen!
Karlsruhe ist auf dem Wege zur Großstadt, da bleiben
Umwandlungen nicht aus; insbesonders verlangen Handel
und Wandel Berücksichtigung, Wohnhäuser werden zu
Geschäftshäusern, niedrige Geschosse und Gebäude zu hohen.
Derartigen Umwandlungen begegnet man fast bei jedem
Schritt, den man in der Altstadt tut. Das moderne Waren-
haus hält auch hier seinen Einzug. Eine besondere Rolle
wird dabei vielleicht noch die Frage spielen, ob und in
welcher Umformung die früher beliebten Laubengänge ver-
wendbar sind. Für gewisse Geschäftszwecke scheinen sie
kein Hindernis zu bilden — am Friedrichsplatze haben
sich an ihnen Bankhäuser, Antiquitätenhändler, Modewaren-
geschäfte, Buch- und Kunsthandlungen niedergelassen —
am Neuen Friedrichsplatze in Mannheim, der allerdings
weiter draußen liegt, außer einer Musterausstellung für
Haus- und Küchengerät, Drogen- und Zigarrengeschäften
2 Friseurläden und 5 Gastwirtschaften ; doch stehen von ins-
gesamt 15 Läden deren 4 leer, während die im jetzigen Rat-
hause, früheren Kaufhause alle besetzt sind. Bei vorsichtiger
Abschätzung der Verwendungsmöglichkeiten dürfte also auch
dieses schöne Motiv noch eine Zukunft haben.
Die ganze Übergangszeit ist freilich nicht angenehm;
damit aber später einmal wieder etwas Schönes heraus-
kommt, ist ein einheitlicher Plan vonnöten, der die Altstadt
mit der in sie hineingewachsenen Vorstadt, dem früheren
Dörfle — östlich der Kronen- und südlich der Markgrafen-
straße — sowohl als auch die neuen Gebietserweiterungen
mit umfaßt.
Ein ruhiges Viertel mit landhausmäßiger Bebauung
ist am Rande des Haardtwaldes westlich des Schlosses
entstanden, daran schließend derHaydnplatz, den die Deutsche
Bauzeitung im Jahre 1909 in No. 96 veröffentlichte. Herr
Dipl.- Ing. Ehlgötz in Mannheim, dem wir auch den nach-
stehenden Auszug aus der neuen Bauordnung verdanken,
schreibt uns dazu, daß Kunstmaler Albert Lang in München
sich bereit erklärt habe, der Stadt Karlsruhe zur künstle-
rischen Ausgestaltung des vom Architekten Sexauer an-
gelegten Haydnplatzes einen^Springbrunnen, den zwei Roß-
bändiger auf Sockelsteinen schmücken sollen, zu schenken,
wenn ihm der dafür aufzuwendende Betrag von 100000 Mk.
vom Tage der Übergabe des Brunnens an durch eine jährliche
Leibrente von 5000 Mk. vergütet wird. Mit dem gleichen
Vorbehalt wurde schon ein Vertrag mit dem Architekten
Sexauer geschlossen, dem die übrige architektonische Aus-
gestaltung des Platzes nach Maßgabe seines Entwurfes über-
tragen ist.
Nunmehr möge der erwähnte Auszug aus der Bau-
ordnung als Beispiel für den Einfluß der Bauordnung auf
das Stadt- und Straßenbild folgen:
3. Von dem Äußeren der Bauten.
§ 43-
Die Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen kann unter-
sagt werden, wenn die von Straßen oder Plätzen aus sichtbaren Bauteile
keinen ästhetisch befriedigenden Eindruck machen oder sich nicht har-
monisch in das Straßen- oder Platzbild eingliedern würden; sie dürfen
sich nicht in einem verwahrlosten oder sonst das Straßen- oder Platzbild
verunzierenden Zustande befinden.
Den Straßen sind die von Personenzügen benutzten Eisenbahnlinien
gleichzuachten.
§ 46-
Im Gebiete der offenen Bauweise muß die architektonische Behand-
lung der Seitenfronten eines Gebäudes, soweit sie von der Straße aus
sichtbar sind, diejenigen der Straßenfront entsprechen.
§ 47-
Es ist untersagt, so zu bauen, daß dauernd kahle Mauern oder
Mauerteile von Straßen oder Plätzen aus in auffallender Weise sichtbar
bleiben würden.
Vermittelt ein Gebäude den Übergang von einer höheren zu einer
niederen Bauweise (siehe z. B. § 27 Abs. i Satz 3 der Landesbauordnung,
§ 110 dieser Bauordnung), so muß in ästhetischer einwandfreier Weise
daiür gesorgt werden, daß der Übergang nicht störend in Erscheinung tritt.
§ 48.
Verboten sind unschöne und blendende Anstriche sowie alle das
Straßen- oder Landschaftsbild störende Reklamevorrichtungen, Firmen-
schilde und -tafeln, Reklametafelaufschriften, -bilder u. dgl. an Gebäuden,
Einfriedigungen oder frei stehenden Gerüsten. Das Verdecken und Über-
schneiden von Architekturteilen ^durch dergleichen Reklamevorrichtungen
oder Auslegekasten ist, wenn hierdurch [der Eindruck des Bauwerks ge-
stört wird, zu vermeiden.
Diese Vorschrift findet auch auf bestehende Vorrichtungen der ge-
dachten Art Anwendung.
§ 50.
Bilden mehrere Gebäude eine architektonisch einheitliche Baugruppe,
so dürfen einseitige Veränderungen nur vorgenommen werden, wenn sie
das Gesamtbild nicht stören. Diese Bestimmung bezieht sich auch auf
den Anstrich der Gebäude.
§ 51.
Jede Änderung an den Bauten, die am Schloß-, Markt-, Rondell-,
Friedrichsplatz, beim Karlstor und an dem Platze bei der Kirche St. Stephan
stehen, oder der Ersatz dieser Bauten durch Neubauten ist untersagt,
wenn dadurch die ästhetische Wirkung oder das charakteristische Gepräge
des Platzbildes beeinträchtigt würde.
Nach diesen Gesichtspunkten bestimmt sich namentlich auch, und
zwar unabhängig von der Breite des Platzes und der Vorschrift der be-
treffenden Baukiasse, welche Höhe und Geschoßzahl die Gebäude erhalten
dürfen. Für die Höhenentwicklung und Dachform etwaiger Bauten am
Schloßplatz ist das Gebäude des Ministeriums des Innern maßgebend.
Die Wandelgänge am Schloß- und Friedrichsplatz müssen erhalten
bleiben. Vor Erteilung des Baubescheides ist der Stadtrat zu hören.
§ 52-
Die Bauten, die am Haydnplatz nördlich der Hildapromenade noch
errichtet werden sollen, müssen sich in ihrer äußeren Erscheinung, der
Architektur und den Baustoffen den bestehenden Bauten vollständig
anpassen.
Auf der Südseite dürfen nur solche Bauten erstellt werden, die die
einheitliche und geschlossene Wirkung des Platzbildes nicht beeinträchtigen.
Auf die bestehenden Bauten findet Abs. i des § 51 Anwendung.
Vor Erteilung des Baubescheides ist der Stadtrat zu hören.
§ 53.
Für die Höhenentwicklung, den Baucharakter und die Silhouette der
Privatbauten am TuUaplatz ist das von dem Städtischen Hochbauamt
ausgearbeitete schematische Fassadenbild vom 15. September 191 1, für die
Baustoffe die diesem Projekt beigegebene Beschreibung maßgebend.
An den vier Eckhäusern bei der Einmündung der TuUastraße in den
Tullaplatz ist auf der in der TuUastraße liegenden Seite, soweit an dieser
Stelle die Bauflucht mit der Straßenflucht zusammenfällt, der Gehweg in
einer Breite von 3,50 m durch einen terrassenförmigen Vorbau unter Frei-
lassung des Durchganges ein Stockwerk hoch nach Maßgabe des er-
wähnten Projektes zu überbauen.
Vor Erteilung des Baubescheides ist der Stadtrat zu hören.
Zurzeit beschäftigt die Gemüter am meisten die Ver-
wertung des gegenwärtig noch benutzten alten Bahnhofsge-
ländes, nachdem das neue Empfangsgebäude weiter heraus
128
DER STÄDTEBAU
verlegt sein wird. Schon der mit dem I. Preise gekrönte
Wettbewerbsentwurf von Professor Hermann Billing und
Architekt 'Wilhelm Vittali für die südliche Stadterweiterung
(vgl. Jahrgang 1906 unserer Zeitschrift S. 100 bzw. Tafel59)
hatte vor dem früheren Ettlinger Tore eine monumentale
Platzanlage in ovaler Grundform vorgeschlagen, nach der
sich hier ein der Festhalle und dem Sommertheater vor-
gelagerter Festplatz öffnet. Es mag sein, daß eine so
weitgehende Freilassung des Geländes von jeglicher Be-
bauung nicht zugestanden werden kann, daß vielmehr eine
bessere Ausnutzung des kostbaren Bodens geboten ist. Der
Grundgedanke aber, an dieser bedeutsamen Stelle einen
Platz anzulegen, war sicherlich richtig und ist deshalb
auch in den Vorschlag zu einem Bebauungsplan für das
alte Bahnhofsgelände und den Festplatz der Stadt Karlsruhe
vom hochbautechnischen Referenten des Großherzoglich
Badischen Finanzministeriums Architekten Moser über-
gegangen - vgl. die ebenso bezeichnete Veröffentlichung
die in der C. F. Müllerschen Hofbuchdruckerei in Karlsruhe
1912 erschienen ist.
Doch ist der Platz erheblich kleiner, wenn auch noch
stattlich genug geplant und von fast quadratischer Grundform,
leider aber auch, um rundum geschlossene Platzwandungen
zu erhalten, unter Verzicht auf die Einbeziehung der dahinter
liegenden Festhalle im Stadtpark (vgl. das Textbild). Hoffent-
lich wird die weitere Bearbeitung auch in dieser Hinsicht
auf den Grundgedanken von Billing und Vittali zurück-
gehen, was möglich erscheint trotz der teilweisen Ver-
bauung des damals geplanten großen Festplatzes. Im übrigen
bietet aber dieser Vorschlag so viel des Anziehenden, daß
wir glauben, darauf noch mit wenigen Worten näher ein-
gehen zu müssen.
Der Zeitabschnitt der Umwälzung und starker Ent-
wicklung in Karlsruhe ist vornehmlich durch Verlegung der
Eisenbahn mit dem Empfangsgebäude eingeleitet worden.
Dieser Punkt ist in der Besprechung des letzthin ent-
schiedenen Wettbewerbes um die Ausgestaltung des Bahn-
hofvorplatzes schon erörtert worden. Dadurch ist, wie der
Verfasser ausführt, Anlaß gegeben, das Neue vorurteilsfrei
und liebevoll mit dem Alten zu verbinden was in Karlsruhe
wegen der Eigenart seiner Anlage doppelt notwendig sei.
Das hier wiedergegebene Vogelschaubild (Abb. a der Tafel 66)
läßt erkennen, wie sich der Verfasser diese Verbindung denkt.
Er erörtert zu dem Zwecke die schwebenden Baufragen,
die er kurz dahin zusammenfaßt, daß
1. das bisherige Bahnhofsgelände in Bauplätze aufgeteilt
werden soll,
2. ein Festplatz in die Neuordnung mit einbezogen
werden muß,
3. der Staat in absehbarer Zeit Neubauten für das Landes-
gewerbeamt und das Landesmuseum zu erstellen haben
wird,
4. die Stadt die Ausführung der von Curjel und Moser
1905 geplanten Neubauten einer Ausstellungshalle und
eines Sommertheaters mit Konzertsaal beabsichtigt.
Die Lösung dieser großen Aufgabe verlangt unter Wahrung
der Verkehrsanforderungen eine möglichst vorteilhafte Ver-
wertung des frei werdenden Bahnhofsgeländes, die Aufrecht-
erhaltung der Beziehungen zur alten Stadt, insbesondere
zur Karl-Friedrich-Straße, und die Zusammenfassung der
öffentlichen staatlichen und städtischen Gebäude zu bau-
künstlerisch eindrucksvollen Gruppen. Von mehr neben-
sächlicher Bedeutung ist dem Verfasser dabei die Frage
der Erhaltung des alten Empfangsgebäudes in seinem
Bebauungsplan macht er Vorschläge für beide Fälle. Seine
Vorschläge werden von Lageplänen, Gebäudegrundrissen und
durch Schaubilder wirkungsvoll unterstützt — siehe z. B.
Abb. b der Tafel 66. Damit dürfte in der Tat die [zukünftige
Entwicklung nach dem neuen Bahnhofe hin in gangbare
Wege zu leiten sind.
DIE GRUNDLAGEN UNSERES STÄDTEBAUES
IN NEUER BELEUCHTUNG.
Von WALTER LEHWESS, Berlin.
Wohl noch keine Zeit hat sich so viel theoretisch mit
dem Städtebau beschäftigt wie die unsrige. Seit wir er-
kannten, daß unsere schnellwachsenden Städte bei diesem
Wachstum an Schönheit nicht gewannen, sondern viel-
mehr manche schönen, alten Städtebilder verloren, ohne
daß dafür Ersatz geschaffen wurde, haben wir uns bemüht,
zu ergründen, worauf die Schönheiten und der eigenartige
Zauber der alten Städte beruhten; wir haben uns für die
malerischen Reize mittelalterlicher Städte mit ihren krummen
Straßen und überraschenden oft zufällig erscheinenden Platz-
bildern erwärmt, wir haben auch die strengere Schönheit
barocker Stadtanlagen mit ihrer auf einen fürstlichen
■Willen hindeutenden Straßenführungen und ihren architek-
tonisch gestalteten Platzwandungen wieder schätzen gelernt.
W^ir sind den Regeln und Grundsätzen nachgegangen, die
von den Alten befolgt wurden, und die sie zu so meister-
haften Schöpfungen befähigt haben. Aber eines ist dabei,
wie mir scheinen will, meistens nicht genügend gewürdigt
worden, wenigstens von den Architekten nicht, die sich
mit Städtebau befaßten und ihn selbstverständlich, wie es
ihrem Berufe entspricht, zunächst mehr von der künstle-
rischen Seite betrachteten: das sind die wirtschaftlichen
und die verwaltungstechnischen Grundlagen des
Städtebaues.
Wenn wir "nun heute, wie es fast durchweg der Fall
ist, mit dem äußeren Bilde unserer Stadterweiterungen
und Vorstädte nicht zufrieden sind; wenn wir, statt uns
an den hübschen, neuen Anlagen zu erfreuen, eigentlich
bei der Ausbreitung fast jeder Großstadt immer nur das
Bedauern empfinden, daß wieder ein Stück freier Natur,
und sei es auch nur ein schlichter Kartoffelacker, „der
Bausucht des Großstädters", wie der Laie es gern 'nennt,
zum Opfer fällt, dann nützt es nichts oder doch nur wenig,
wenn wir die alten, schönen, malerischen oder großartigen
Stadtbilder studieren und nachzumachen versuchen. Wir
müssen vielmehr ernsthafter und tiefer, als es bisher die
129
DER STÄDTEBAU
meisten von uns getan haben, den wirtschaftlichen Be-
dingungen auf den Grund zu kommen suchen, denen die
verschiedenen Formen der Stadtbildung und der Stadt-
erweiterung ihre Entstehung verdanken und ebenso den
Verwaltungsmaßnahmen, die sie hervorgerufen oder be-
einflußt haben. Wenn wir dann diese Grundlagen mit
denen vergleichen, auf denen unsere heutige Wohnungs-
herstellung beruht und von denen sie geleitet wird, dann
werden wir vielleicht klarer sehen, woran es uns fehlt,
warum es unseren neuen Stadtteilen noch so sehr an künstle-
rischer Kultur gebricht, und welche Mittel es gibt, um
das Übel an der Wurzel zu packen und nicht nur seine
äußere Erscheinungsform zu beeinflussen.
Für solche Bemühungen eröffnet ein Buch von Professor
Rudolf Eberstadt durchaus neue Gesichtspunkte, das er
nicht ohne [Bedeutung „Neue Studien über Städtebau
und Wohnungswesen"*) genannt hat. Der Verfasser
hat sich darin zur Aufgabe gestellt, das Wohnungswesen
in zwei voneinander sehr verschiedenen Gebieten zu unter-
suchen, in denen es in durchaus verschiedener Form
auftritt, die aber doch miteinander vergleichbar sind, weil
sie zweierlei gemeinsam haben: Eine Bevölkerung von
vorwiegend germanischer Abstammung, so daß nicht so
starke Rassenunterschiede zu berücksichtigen sind, wie
etvva zwischen England und Italien, und eine lebhafte
Industrie, die seit Jahrzehnten bedeutende Volksmassen zu
sich herangezogen hat. Belgien und Wien sind die beiden
Gebiete, denen Professor Eberstadts Studium galt; ihnen
hat er vergleichende Betrachtungen über die deutschen
Verhältnisse angefügt. Das Wohnungswesen hat sich in
beiden ganz verschieden entwickelt. In Belgien finden wir
das kleine Haus vorherrschend, ein- oder zweigeschossig,
4 bis 6 m breit und eine Wohnung von 2 bis 4 Zimmern
enthaltend. Zweiwohnungshäuser bilden schon die Aus-
nahme. Häufig sind die Häuser an Privatstraßen oder
Wohnhöfen errichtet, die ihnen eine ruhige, vom Verkehr
abgeschlossene Lage gewährleisten und die denkbar ge-
ringste Belastung des Baulandes mit Straßenkosten ge-
statten. Trotz des starken Anwachsens der Bevölkerung
scheint die Wohnungsherstellung mit ihr gleichen Schritt
gehalten zu haben, denn die Mietpreise dieser Häuschen
sind für unsere Begriffe erstaunlich billig : In der Industrie-
stadt Gent z. B. beträgt der Mietpreis für ein Haus von
drei Zimmern, Küche, Keller und allem Zubehör 169 bis
208 Franken im Durchschnitt jährlich. Dabei sind die
Grundrisse durchaus gut, wenn auch die einzelnen Räume
von bescheidenen Abmessungen sind.
In Wien dagegen herrscht, wie in fast sämtlichen Groß-
städten Deutschlands, die Mietskaserne, die durchweg
nicht an schmalen bescheidenen Wohnstraßen, sondern an
aufwändig hergestellten Straßen von 25 bis 30 m Breite
liegt. Man glaubt dort, daß es nicht möglich sei, billige
Kleinwohnungen anders als in dieser Form zu errichten.
Eberstadt führt einzelne Beispiele von kleinen Wohnungen
vor, die aus einem Zimmer und Küche bestehen. Sie
liegen im Vordergebäude und Hofflügel eines großen Hauses
und sind alle von einem langen, mit Fenstern versehenen
Gang aus zugänglich, der sie mit dem in der Mitte liegenden
Treppenhaus verbindet. Von diesem Gang gelangt man
*) Neue Studien über Städtebau und ^Vohnungswesen von Professor
Dr. Rud. Eberstadt. Jena. Verlag von Gustav Fischer. igi2.
unmittelbar in die sehr kleine Küche, die nur von ihm
durch eine Glastür Licht und Luft empfängt. Hinter der
Küche liegt dann das Zimmer, das unmittelbar ins Freie
führende Fenster hat. Die für mehrere Wohnungen
gemeinsamen Aborte liegen ebenfalls an diesem Gange
und werden durch einen kleinen Lichthof beleuchtet und
entlüftet. Dieser vorgelagerte Korridor ist typisch für die
Wiener Kleinwohnung, und dabei kosten diese Wohnungen
324 bis 336 Kronen jährlich, also ungefähr einhalb mal so
viel als in Belgien ein kleines Haus mit 3 bis 4 Räumen.
Woher erklären sich diese ungeheuren Unterschiede in
der Art und den Preisen der Kleinwohnung? Zunächst zu
einem geringen Teil aus den niedrigeren Arbeitslöhnen, die
in Belgien gezahlt werden. Es dürfte dies vielleicht einen
zehnten Teil des wirklichen Unterschieds im Preise aus-
machen. Im übrigen sieht Eberstadt den Hauptgrund für
die günstigen Verhältnisse Belgiens in den gesetzlichen Ein-
richtungen des Landes. Das belgische Wohnungsgesetz
von 1889 ist der Entwicklung des Kleinwohnungswesens
ungemein förderlich gewesen. Die W ohnungsausschüsse,
die auf Grund dieses Gesetzes in jedem Verwaltungsbezirk
gebildet worden sind, haben das Wohnungswesen im ganzen
Lande günstig beeinflußt. Eine national-belgische Einrich-
tung von nicht geringer Tragweite ist das Enteignungs-
gesetz, das den Behörden das Recht der Enteignung nicht
nur für bebaute Bezirke zum Zwecke der Säuberung und
Umgestaltung, sondern auch für die Sadterweiterung all-
gemein zum Zweck der Baulanderschließung verleiht.
Dieses Enteignungsgesetz ist aus französischen Anregungen
hervorgegangen, jedoch gerade, was den wichtigsten Punkt,
die Baulanderschließung für Stadterweiterungszwecke be-
trifft, weit über das Vorbild hinaus gewachsen. Von größerer
Bedeutung als dieses Gesetz sind für das Wohnungswesen
die Einrichtungen des Realkredits geworden, die das
Entstehen einer großen Anzahl von Kreditgesellschaften,
Baugesellschaften und Kreditgenossenschaften hervorriefen
und beförderten. Diese Gesellschaften und Genossenschaften
befassen sich ganz ausschließlich mit der Beleihung oder
mit dem Bau kleiner Häuser unter sehr günstigen Be-
dingungen, die den Erwerb eines Kleinhauses dem Arbeiter
ermöglichen. Es würde zu weit führen, die Einzelheiten
dieser Regelung des Hypothekenwesens hier^|näher zu er-
örtern.
Neben diesen Einrichtungen befördert ein weitverzweigtes
Netz von Eisenbahnen und ein sehr ausgebildetes System
von Abonnementskarten die Ansiedelung auf billigem Lande
außerhalb der großen Städte. Die Eisenbahnfahrt des
Arbeiters von und zu seiner Arbeitsstelle ist daher in
Belgien zu einer Volkssitte geworden, die für das Wohnungs-
wesen sicherlich große Vorteile hat, auf das Familienleben
allerdings vielleicht hier und da nachteilig einwirken mag.
Ein wichtiges Ziel für den neueren Städtebau ist es,
von dem Schema des Straßennetzes loszukommen und zu
günstigen, wirtschaftsgemäßen Aufteilungsformen zu gelangen.
Eberstadt gibt [hierfür verschiedene Mittel und W^ege an.
Besonders eingehend wird der „Wohnhof" behandelt, der
eine empfehlenswerte, auch für den Bodenbesitzer vorteil-
hafte Form der Bodenerschließung darstellt. Wir sehen,
daß eine der besten planmäßigen Anlagen dieser Art — dem
Jahre 1513 entstammt, wie denn der Wohnhof für einzelne
ältere Städte geradezu eine typische Form der Aufteilung
von Wohngelände gebildet hat.
130
DER STÄDTEBAU
In einem besonderen Abschnitt behandelt Eberstadt die
Einrichtungen des Realkredits und ihre Bedeutung für den
Städtebau und die Bodenwertentwicklung. Der Verfasser
zeigt, wie sich in Deutschland aus den hier bestehenden
Verhältnissen Zustände entwickelt haben, die kurz so zu
schildern sind, daß ein ungeheurer Überfluß an Kapital für
die Bodenbeleihung vorhanden ist, während es an Kapital
für Bauzwecke, an Baugeld, mangelt. Der Gewinn am
Bodengeschäft und aus der Wohnungsherstellung und Ver-
mietung fallt zum allergrößten Teil dem spekulativen Grund-
besitz zu. Dieser spekulative Grundbesitz erblickt seinen Vor-
teil nur in großen Gebäuden, also in Massenmietshäusern, für
die er Scheinkäufer findet, die jeden Bodenpreis bewilligen,
so daß er Bodenpreis und hypothekarische Belastung un-
beschränkt in die Höhe treiben kann. Unter diesen Um-
ständen haben sich ungemein ungesunde Verhältnisse ent-
wickelt, die zu schlechten Haustypen, zu dem falschen
Prunk in den Fassaden und zu dem ganzen städtebaulichen
Elend führen, das wir heute beklagen. Die Baupolizeigesetze
können die Sache nicht von Grund aus bessern, sie müssen
sich auf Vorbeugungsmaßnahmen beschränken, die neben
dem Nutzen, den sie stiften, fast immer eine Verteuerung des
Baues herbeiführen, der wieder auf die Miete abgewälzt
wird. Helfen kann bloß eine grundlegende Änderung der
staatlichen Einrichtungen des Realkredits und eine
Änderung des bisherigen Bausystems. Es muß durch
gesetzliche Maßnahmen verhindert werden, daß Häuser durch
übertriebene Schätzungen über eine Normalbeleihungsgrenze
hinaus belastet werden, und es muß eine Tilgung gesetzlich
verlangt werden. Außerdem sollte durch alle Maßnahmen,
die den Behörden zur Verfügung stehen, der Kleinhausbau
gefördert werden, weil sich für kleine Häuser genügend wirk-
liche Käufer finden würden, so daß der ungesunden Hypo-
thekenspekulation der Boden entzogen würde. Hierfür gibt
es verschiedene Mittel: Bebauungsplan und Bauordnung
müssen sich von dem „Kultus der Straße" freimachen und
eine sparsame Landaufteilung und Bauausführung herbei-
führen; die Gemeinden können überdies selbst die Sache in
die Hand nehmen und Bauland für Kleinhäuser bereitstellen,
oder sie können Genossenschaften unterstützen, die solche
Ziele verfolgen. In der Hauptsache aber würde sich hierbei
für das private Baugewerbe eine lohnende regelmäßige Be-
schäftigung und die Gesundung seines Geschäftsbetriebes
ergeben.
Ich glaube nicht, daß ich in dieser kurzen Schilderung
der Eberstadtschen Schrift jemandem, der diese Dinge noch
nicht kennt, die schwierigen Verhältnisse^ habe klarmachen
können, die hier herrschen. Das ist auch nicht der Zweck
meiner Zeilen. Ich möchte nur alle Fachgenossen, die sich
mit Städtebau beschäftigen, auf die Bedeutung hinweisen,
die die behördlichen Einrichtungen und die geschäftliche
Übung für den Städtebau haben; ihnen vor Augen führen,
daß es nicht genügt, über das Wohnungswesen und über
das äußere Bild unserer Stadterweiterungen zu klagen, und
daß es vergeblich ist, all dies durch künstlerische Maßnahmen
oder durch den Bebauungsplan allein bessern zu wollen,
sondern, daß es gilt, sich eingehend mit den Grundlagen
zu befassen, auf denen unser Städtebau beruht. Hierfür ist
das Eberstadtsche Buch ein Wegweiser und Anreger. Es
ist dabei so fesselnd geschrieben, daß, wer sich überhaupt
gern mit diesen Dingen beschäftigt, es nicht wieder aus der
Hand legen kann, nachdem er die ersten Kapitel gelesen hat.
Das Ergebnis seiner Studien faßt Eberstadt am Schluß
des ersten Teils folgendermaßen zusammen: „Der Vergleich
mit den verwandten, in jeder Vorbedingung mit uns über-
einstimmenden Völkern führt zu dem gleichen Ergebnis
wie die Untersuchung 'der heimischen Zustände: Daß es
sich bei uns um eine gewaltsame Beugung der naturgemäßen
und wirtschaftsgemäßen Enwicklung handelt. Nicht Belgien
und England, sondern Deutschland zeigt die gekünstelte
Ausgestaltung unseres Gebietes." Sollten wir aber einmal
zu gesunden wirtschaftlichen Zuständen auf unserm Gebiete
kommen, dann wird sich daraus alles andere, was wir jetzt
erstreben, von selbst ergeben. Die städtebauliche Schön-
heit werden wir dann nicht künstlich auf Gebäude auf-
pfropfen müssen, deren Gesamtanlage ein Zerrbild einer
guten Wohnungsanlage ist, sondern sie wird ganz von selbst
aus den Häuserreihen emporwachsen, die den mannigfachen,
wechselnden, wirklichen Bedürfnissen des Wohnens und
des Lebens angepaßt sind.
MITTEILUNGEN.
^UR GARTENSTADTBEWEGUNG. Zahlreiche Studien-
^^ fahrten, Versammlungen, Kundgebungen, Aufsätze, Verhandlungen
usw. haben nach so vielen Jahren, in welchen die Gartenstadtbewegung
rührig einsetzte, nur einen verhältnismäßig so überaus bescheidenen
Erfolg gehabt, daß ich versuchen möchte, in aller Kürze den Gründen
dafür nachzugehen. Es sollte mich freuen, wenn meine Ausführungen
sine ira et studio zu Gegenäußerungen, vor allem aber zu praktischen
Fortschritten führen würden.
1. Eine Gartenstadt muß eine häufige, bequeme, schnelle und billige
Verbindung (lo Pf.-Strecke) mit den Arbeitsstätten der Bewohner
haben.
2. Gas, Wasserleitung, Entwässerungsanlage, gute Einkaufsmöglich-
keiten, sowie höhere und Gemeindeschulen am Ort, mäßige Ge-
meindesteuern sind weitere Erfordernisse.
3. Das Publikum muß zum Reihenhausbau durch gute Beispiele er-
zogen werden.
4. Die untere Preisgrenze für Kleinwohnungen in Kleinhäusern be-
trägt 360 Mk. bis 400 Mk. auch bei allerbilligsten Boden-
preisen.
5. Es ist nicht zu widerlegen, daß für den gleichen Mietspreis im
Zinshaus größere Räume geboten werden können. Die sonstigen
Vorteile des Eigenhauses sind unbestritten.
6. An den Baukosten und an der Bauweise kann in unserem Klima
nicht gespart werden, ohne die Lebensdauer des Bauwerks abzu-
kürzen und die Gesundheit der Bewohner zu gefährden.
7. Der Geldgeber ist der Beleihung kleiner Häuser so entfremdet
worden, daß Gartenstädte zurzeit nur auf genossenschaftlicher
Grundlage denkbar sind. Besonders sind einzelne Reihenhäuser
unbeleihbar. Dem Provisions- und Damnounwesen der Geldgeber
und Agenten muß entgegengetreten werden.
8. Der sogenannte „Parzellenschwindel" entzieht der Gartenstadt-
bewegung viele Millionen an Sparkapital kleiner Leute, die oft nach
Jahrzehnten statt einer vermeintlichen ,, Baustelle" noch immer nur
131
DER STÄDTEBAU
eine teure (nicht anbaufähige) „Parzelle" besitzen. Ständige
Warnungen wären hier am Platze,
g. Unsere Baupolizeiverordnungen sind heute kein Hemmnis mehr
für den Kleinwohnungsbau. Begründete Dispense haben gute
Aussicht auf Genehmigung.
10. Es ist unzutreffend, daß die angeblich zu teuren Bodenpreise die
Errichtung von Gartenstädten unmöglich machen. Ungeregeltes
Nettobauland ist zum Preise von 3 bis 4 Mk. für i Quadratmeter und
geregeltes Nettobauland zum Preise von 6 bis 8 Mk. für i Quadrat-
meter in geeigneter Lage noch überreichlich vorhanden und nicht
teurer als z. B. in England.
11. Wenn es möglich wäre, Gartenstädte zu schaffen, in denen das
eingebrachte Kapital einen sicheren Zinsbetrag von 4''/(, oder gar
5 "0 erbringt, gäbe es bereits eine weit größere Zahl. Ohne Hypo-
theken zu außergewöhnlichen Vorzugsbedingungen ist ein solcher
Gewinn indessen schwerlich zu erzielen. Der Nachweis dauernder
Lebensfähigkeit der in der Regel äußerst knapp finanzierten
Gartenstädte ist noch nicht erbracht. Wenn die Instandhaltungs-
kosten der Bauten allmählich immer höher werden, kann sich erst
die Lebensfähigkeit erweisen.
12. Wenn es gelinge, ein beleihbares und befriedigendes Erbpacht-
system zu schaffen, würden Gartenstadtgründungen dadurch oftmals
erleichtert werden. Auch in England wird der Kauf der Erbpacht
stets vorgezogen, wo er geboten wird, und wenn Lage und Beruf
des Käufers dessen Seßhaftmachung gestatten.
13. Die Gemeinden fürchten in den Gartenstädten die Zuwanderung
schlechter Steuerzahler. Die untere Grenze des Mietspreises (vgl.
zu 4) scheidet ärmere Bevölkerungsschichten aus. Diese wohnen
nach wie vor in den Vororten in den ungesunden Keller- und
Dachwohnungen, die unzweckmäßige (höhere) Bauklassen geradezu
großgezogen haben.
14. Organisation und Leitung von Gartenstadtgründungen jeder Art
gehören in die Hände sachkundiger Fachleute mit nachweislichen
Erfahrungen und Erfolgen auf diesem Gebiet. Unter inneren
Krisen jeglicher Art hat bisher jede dieser Gründungen schwer zu
leiden gehabt.
15. Es ist in der Praxis erwiesen, daß die gemeinnützige Bautätigkeit
nur einem sehr beschränkten Teile der Bevölkerung Nutzen bringen
karin. Der unendliche Aufwand an Mühe und (oft ehrenamtlicher)
Arbeit steht in der Regel nicht recht im Verhältnis zu den prak-
tischen (materiellen und ideellen) Ergebnissen. Von Angebot und
Nachfrage, sowie von wirtschaftlichen Gesetzen, ist alles ab-
hängig.
AUS KASSEL. Durch die Zeitungen ging die Nachricht, daß die
' Königliche Regierung zu Kassel die Genehmigung zum Abbruch der
Unterneustädter Mühle in Kassel — siehe den betreffenden Aufsatz auf
S. 43 des laufenden Jahrganges — versagt habe. So erfreulich es wäre,
wenn sich damit das schöne Fleckchen Erde hätte retten lassen, um so
betrüblicher ist die Tatsache, daß das Stadtbauamt die Zwischenzeit emsig
benutzt hat — die Bäume sind gefällt, die Baulichkeiten abgebrochen;
die Trümmer der einstigen Schönheit könnten nun auch ohne Schaden
verschwinden. Bei dem seinerzeit veranstalteten Wettbewerbe um Ent-
würfe für die neue Fuldabrücke — siehe S. gg, vierter Jahrgang unserer
Zeitschrift — war in dankenswerter Weise Rücksicht auf das Landschafts-
bild gefordert, und diese Rücksicht ist auch beim Bau der Brücke ge-
nommen worden — doch wozu, wenn hinterher das beste Stück aus der
Landschaft — ein Edelstein im Vordergrunde — ausgebrochen wird?!
Der Fall lehrt wieder, wie notwendig es ist, dem draufgängerisch sein
Ziel verfolgenden Ingenieur ästhetische Zügel anzulegen. Man braucht
sich nur nach der anderen Seite der Fuldabrücke zu wenden, wo eine
Drahtbrücke den Auegarten häßlich zerschneidet, oder bei der Ein-
fahrt in den Hauptbahnhof zum Hange des Tannenwäldchens empor-
zublicken, der jetzt durch einen hohen Straßendamm verschüttet wird
— um dies bei aller Achtung vor einer vollendeten Technik bestätigt
zu finden.
Doch auch Besseres ist aus der Hessenhauptstadt zu melden: Die
obere Königstraße steigt zuin Wilhelmshöher Platz an, auf dem jetzt ein
guter Neubau mit vorspringendem Turm in der Mitte einen stolzen Ab-
schluß der Straße bildet. Nach der entgegengesetzten Seite bewirkt dies
der Neubau eines Warenhauses an der umgeknickten Unteren Königstraße
im Verein mit dem darüber emporragenden Turmpaar der St. Martins-
kirche. Am Königsplatze fügt sich ferner der Neubau der Hessischen
Bank, der mit seinem mittleren, das Mansarddach durchbrechenden Giebel-
aufbau an die alte, wenn auch bescheidenere Bauweise des Platzes wieder
anklingt, vortreftlich in die Platzwandung ein.
CHRONIK.
Der Stadtrat von Freiburg i. Br. hat im Interesse der VERBESSE-
RUNG DER LÄNDLICHEN BAUWERKE in der Um-
gebung der Stadt beschlossen, daß künftig minderwertige Baupläne im
Einverständnis mit den Bauwerbern zu brauchbaren Entwürfen umgestaltet
werden. Die für diesen Zweck erforderlichen Mittel sollen in den Vor-
anschlag eingestellt werden. E.
"pviE AKADEMIE FÜR KOMMUNALE VERWALTUNG.
^"^ Die Akademie für kommunale Verwaltung in Düsseldorf veröffent-
licht jetzt das Verzeichnis der Vorlesungen im Wintersemester igi2,i3.
Es ist kostenlos vom Sekretariat, Bilker-AUee 129, zu beziehen.
Der Lehrplan der Akademie für das neue Studienjahr ist nach den
bisher bewährten Grundsätzen und nach den im ersten Studienjahr ge-
machten Erfahrungen aufgestellt. Die Akademie wUl eine Fachhochschule
sein. Deshalb ist der Lehrplan streng systematisch zugeschnitten auf die
Zwecke, welche die Akademie verfolgt. Sie will nicht ein buntes, den
Hörer verwirrendes Vielerlei von Wissenswertem geben, sondern die Er-
weckung einer einheitlichen und klaren Auffassung bei den Hörern ist
ihr Ziel. Den Grundstock des Jahreslehrplanes bilden umfangreichere,
fünf-, drei- und zweistündige, von Theoretikern gehaltene Vorlesungen
und Übungen über Gebiete des kommunalen und staatlichen Verfassungs-
und Verwaltungsrechts und der Volkswirtschaftslehre. Die für die
kommunale Praxis wichtigsten rechtlichen und volkswirtschaftlichen
Gegenstände werden dann von lehrerfahrenen Praktikern, welche für den
betreffenden Verwaltungszweig Spezialisten sind, behandelt. Der Grund-
satz der Düsseldorfer Akademie ist: „Non multa sed multum!" Falls die
Hörer neben ihren akademischen Studien noch Zeit erübrigen können.
ist ihnen zwar in den Akademischen Kursen für allgemeine Fortbildung
und Wirtschaftswissenschaften die Möglichkeit gegeben, an allgemein
bildenden Vorlesungen und Übungen teilzunehmen und das Vorlesungs-
verzeichnis weist auf die Möglichkeit und die besonderen für die Teil-
nahme gewährten Vergünstigungen auch ausdrücklich hin, einen Teil des
Lehrprogrammes der Akademie bilden jene Vorlesungen aber nicht.
An den Grundsätzen festhaltend, welche im ersten Jahre ihres Be-
stehens sich bewährt haben, und mit dem festen Willen, im Sinne des
für richtig Erkannten ihre Tätigkeit auszugestalten, tritt die Akademie
zu Düsseldorf in ihr zweites Lebensjahr ein.
•pVlE HUMBOLDT- AKADEMIE veröffentlicht ihr Programm für
^-^ das vierte Lehrvierteljahr igi2, das 240 Vortragsreihen enthält. Die
Vorlesungen umfassen die Gebiete sämtlicher Wissenschaften und ihrer
praktischen Anwendung. Neu hinzugetreten sind u. a. Vorlesungen über
Landwirtschaft, Tierarzneikunde, Biologie, Geologie und Völkerkunde.
Vorlesungsverzeichnisse und Hörerkarten sind im Hauptbureau, Kurfürsten-
straße 166, I, ibis3 (Lützow 8794), in den Geschäftsstellen mehrerer Ver-
eine sowie in zahlreichen Buchhandlungen in allen Stadtteilen erhältlich.
Wir machen unsere Leser auf folgende Vorlesungen besonders
aufmerksam :
Diplom-Ingenieur Leo Nachtlicht: Einführung in die Architektur und das
Kunstgewerbe. W. i Lützowstraße 84 d, Dienstags 6 bis 7, und
Architektenhaus, Dienstags 12 bis i.
Dr. "Werner Hegemann: Einführung in die städtebaulichen Fragen von
Groß-Berlin. Georgenstraße 30 31, Donnerstags 9 bis lo.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herros^ & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W^.
/51-
9. Jahrgang
1912
12. Heft
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DER STÄDTEBAU.
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FÜR- DiE- KÜNSTLSÜSOIEAUyQESTAb
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SOIAfTÜCHEM- QESL/NDIIEITÜOIEN- UND
SOZ.IALEN- ÖRUND^TZEN: QEQRÜNDETVON
[rriEODORfinrCKF'C^MfLiqSiTi
l^g) V£RLAQ^ERNp WA^UTH. BERÜN.
V* NEBST EINER SONDtRBEILAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT **
INHALTSVERZEICHNIS: Preisausschreiben für eine Ringanlage in Hamm (Westfalen). Von Regierungsbaumeister a. D. Dr.-Ing. Dondorff. — Ein
mittelalterliches Städtchen. Von Cornelius Gurlitt, Dresden. — Landhausviertel „Fünfzehnerwörth" der Stadt Straßburg im Elsaß. Von Stadtbau-
inspektor Ehlgötz, Mannheim. — Der Riesentunnel unter der Elbe. Von Zivilingenieur Max A. R. Brünner, Berlin. — Bücherbesprechungen. Von
Theodor Goecke, Berlin. — Chronik. — Inhalts-Veizeichnis.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
PREISAUSSCHREIBEN FÜR EINE RINGANLAGE
IN HAMM (WESTFALEN).
Von Regierungsbaumeister a. D. Dr.-Ing. DONDORFF.
Hamm liegt an der Mündung der Ahse in die Lippe.
Beiden Flüssen werden im Bezirk der Stadt zurzeit neue
Betten geschaffen: die Stadtverwaltung beseitigt die Ahse
aus dem bebauten Teil der Stadt — hauptsächlich zum
Schutz gegen Hochwasser, worunter Hamm bisher sehr
zu leiden hatte, dann aber auch zur Beseitigung gesundheits-
schädlicher Zustände, die bei niedrigem Wasserstande durch
die Verunreinigung der Ahse und insbesondere den mit ihr
in Zusammenhang stehenden Gräben herbeigeführt wurden;
von Staats wegen wird das Lippebett im Zusammenhang mit
der Ausführung des Lippe-Seiten-Kanals etwa 100 m parallel
verlegt. Mit der Verlegung der Ahse fallen die erwähnten
Gräben — „Stadtgraben" und „Verbindungsgraben" zwischen
Ahse und Lippe — , welche, die Altstadt umgebend, in frühern
Zeiten zusammen mit den beiden Flüssen zum Schutze der
Festung Hamm dienten, fort.
Diese Umwälzungen begründen — zunächst ganz ab-
gesehen von der Verwendungsart des freiwerdenden Gebietes
der bisherigen Wasserläufe - in städtebaulicher Beziehung
eine neue Entwicklungsperiode für die in stetem Aufschwung
befindliche Industriestadt.
Während bisher nur an den vier nach der Windrose
benannten „Toren", die tatsächlich nicht mehr vorhanden
Nebst 2 Tafeln No. 67 u. 68.
sind. Brücken, welche den Forderungen des zunehmenden
Verkehrs nicht mehr entsprechen. Alt- und Neustadt über
den Wassergürtel miteinander verbinden, können künftig
längst geplante, aber wegen der kostspieligen Brücken
bisher unausgeführte Straßenverbindungen ohne weiteres
durchgeführt werden. In dem Westen des Stadtgebietes,
dem insbesondere die beiden großen Drahtwerke von Krupp
und Phönix den Stempel des Industrieviertels aufdrücken,
wird zurzeit im Zusammenhang mit dem Kanalbau der
großzügige Entwurf eines städtischen Hafens ausgeführt.
Was aber wäre für Hamm ein Hafen — abgesehen vom
Eisenbahnanschluß — ohne angemessene Straßenverbin-
dungen mit der Stadt? Die Hauptverbindung des Hafens
mit der Altstadt wird aber erst möglich durch die Verlegung
der Ahse, in deren Zuge auf der Mündungsstrecke vom
Westentor ab sich die Hafenstraße hinziehen wird. Das
Industrieviertel im Westen ist von der übrigen Stadt durch
die Eisenbahn getrennt, und für die bisherige einzige Ver-
bindung zwischen beiden Stadtteilen im Zuge der west-
östlichen Verkehrsader bietet die neue Hafenstraße die
dringend erwünschte Entlastung.
Im Osten der bebauten Stadt schließlich, zwischen der
in der Niederung hochwasserfrei eingedeichten neuen Ahse
133
DER STÄDTEBAU
und der Altstadt, wird durch die Verlegung des Flusses ein
ausgedehntes, bisher der jährlichen Überschwemmung aus-
gesetztes Gelände der spätem Bebauung erschlossen.
Wenn es auch unter diesen Umständen nahelag, das
unmittelbar um die Altstadt herum frei werdende Gebiet
nicht ohne weiteres der Bebauung freizugeben, so ist
darum nicht weniger die einmütige Opferwilligkeit an-
zuerkennen, mit welcher die städtischen Körperschaften
trotz der nicht gerade günstigen Finanzlage Hamms
beschlossen, das Gebiet der bisherigen Wasserläufe in
schwankender Breite von 30 bis 70 m durch Schaffung einer
würdigen Ringanlage der Nachwelt als „Lunge der wer-
denden Großstadt" zu erhalten.
Zur Erlangung von Entwürfen für die Ringanlage
schrieb die Stadt Hamm Anfang dieses Jahres einen öffent-
lichen Wettbewerb für deutsche Städtebauer und Garten-
künstler aus. Das Programm gab die Teilstrecken an, längs
deren die Bebauung des anstoßenden Geländes gestattet
werden soll, ferner andere Strecken, auf denen durch Fest-
setzung rückwärtiger Baufluchtlinien eine Ergänzung der
Anlagen durch die anstoßenden Gärten gewährleistet werden
soll. Für bestimmte öffentliche Gebäude sollten zweck-
mäßige Plätze auf dem reichlich zur Verfügung stehenden
. städtischen Grund und Boden vorgesehen werden. Die
eigentliche Ringanlage sollte sich vom Westentor über
Süden- und Ostentor zum Nordentor erstrecken. Vom
Nordentor zum Westentor sollte der Ring wegen der hohen
Bodenpreise lediglich in Form einer Ringstraße mit Grün-
flächen und beiderseitiger Bebauung geschlossen werden.
Zu dem Zweck sollte das Gebiet nordwestlich der Altstadt
möglichst günstig aufgeteilt werden durch einen Bebauungs-
plan, der unter anderm die erwähnte Verkehrsstraße zum
Hafen enthalten sollte. Im übrigen war den Bewerbern
möglichst Bewegungsfreiheit gelassen.
Das Preisausschreiben fand großen Anklang. 69 Ent-
würfe gingen ein. Der Erfolg zeigte, daß hier nur ein ge-
meinsames Arbeiten des Städtebauers mit dem Garten-
künstler zum Ziele führen konnte. Nach einstimmigem
Beschluß des Preisgerichts wurde mit dem I. Preis von
3000 Mk. bedacht und ohne weiteres zur Ausführung emp-
fohlen der Entwurf mit dem Kennwort: „Bürgersinn
schmücke die Stadt mit des Ringwalls grünendem Kranze;
Weiser Lenker Beschluß preiset das fernste Geschlecht".
Die Verfasser, Regierungsbaumeister a. D. Dr.-Ing. Don-
dorff in Hamm, Architekt Herm. Neuhaus und Garten-
architekten Rausch und Reinhard in Cöln a. Rh., sind in
diesem Entwürfe von dem Grundsatze ausgegangen, die
bestehenden Verhältnisse — Höhenlage, Grünflächen,
Wasserflächen — nach Möglichkeit beizubehalten. So sind,
während die Fahrstraße mit Rücksicht auf die Querstraßen
hochgelegt worden ist, die Anlagen im allgemeinen in der
Niederung angeordnet, wodurch praktische und schönheit-
liche Vorteile in glücklicher W^eise vereinigt werden konnten.
Eine Fahrstraße und ein Reitweg sind im Gegensatz zu
allen übrigen Entwürfen im ganzen Umkreise durchgeführt.
Rhythmischer Wechsel zwischen einfach gärtnerischer und
streng architektonischer Gestaltung der Anlagen gewähr-
leistet eine reizvolle Gesamtwirkung. Als belebendes
Moment ist dabei im Süden in beschränktem Umfange die
Ahse beibehalten und zur Betonung öffentlicher Gebäude
mehrmals beckenartig erweitert worden; im Norden ist
das breite Lippebett als Wasserpark ausgebildet und die
alte Schleuseninsel in eine „Roseninsel" mit Inselkaffeehaus
umgewandelt worden. Im übrigen bringen bei aller Ruhe
und Einfachheit der Anlagen Spielplätze, Brunnenanlagen
und Springbrunnen Abwechslung in das Bild.
Städtebaulich ist von besonderer Bedeutung die Ver-
bindung der Anlagen mit der Architektur. Wichtig und —
wie viele ungeeignete Vorschläge zeigen — schwierig zu
lösen war da zunächst der Westentorplatz als „Eingang in
die Anlage". Hierfür enthält der vorliegende Entwurf zwei
Vorschläge: soll das den Platz beherrschende Gebäude des
Landratsamtes in seinen unschönen Formen beibehalten
werden, so können nur gärtnerische Hilfsmittel zur Er-
zielung einer geschlossenen Raumwirkung benutzt werden
— Vorschlag a; entschließt man sich aber zu einer äußern
Umgestaltung des Gebäudes in einfachen Formen, so kann
der Platz seiner Bedeutung entsprechend durch archi-
tektonische Aufwendungen Säulengang mit Eingangs-
pforte, ferner Brunnenbecken mit hoher Säule besonders
betont werden — Vorschlag b. Ein zweiter wichtiger
Punkt der Anlage ist am „Südentor". Hier haben die Ver-
fasser über das Programm hinaus einen Rathausneubau
mit abseits von der lebhaften Südstraße liegendem, intimem
Rathausplatz vorgeschlagen. Schaubild 4 zeigt, wie die
Bebauung von dem hohen Hauptbau des Rathauses an der
Südstraße über den spätem Erweiterungsbau - den ein
Ehrenhof vom Platze trennt zur Bürgermeisterwohnung
und den sich daran anschließenden Villen abgestuft werden
müßte. Die meisten nur von wenigen Bewerbern über-
wundenen Schwierigkeiten bot der südöstliche Eckpunkt
der Anlage. Hier konnte offenbar eine befriedigende
Lösung nur dadurch erzielt werden, daß der Anlage nach
Osten wie auch nach Süden ein monumentaler Abschluß
durch ein hervorragendes Gebäude gegeben wurde. Hier
war also — auch nach dem Urteil des Preisgerichts — der
gegebene Platz zur Planung des neuen Landratsamts und
Amtsgerichts, die hier mit einem neuen Schulgebäude zu
einem „akademischen Viertel" vereinigt wird. Zusammen
mit dem am Knickpunkt des Ostenwalls vorgeschlagenen
Gasthaus „Ringterrasse", bei dem der Höhenunterschied
zwischen Wall- und Ringstraße zu terrassenförmiger Ge-
staltung des Gartens ausgenutzt wird, bildet dieses Viertel
einen hervorragenden Punkt der Anlage. Neue Straßen
verbinden es mit den bestehenden unter günstiger Auf-
schließung von privatem Baugelände. — Bei dem Be-
bauungsplan für das Gebiet nordwestlich der Altstadt ist
W^ert gelegt worden auf eine schlanke Linienführung der
Verkehrsstraße zum Hafen, auf tunlichste Durchführung
des Ringcharakters vom Nordentor bis zum Westentor
durch breite Straßen mit Baumreihen und Grünflächen
und auf praktische Bebauung des Geländes. — Das Preis-
gericht betont in seinem Urteil, „daß die örtlichen Ver-
hältnisse mit anerkennenswerter Gründlichkeit studiert und
in weitestgehendem Maße beachtet" worden sind. „Die
städtebaulichen, gartenkünstlerischen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkte sind so gründlich berücksichtigt, daß das
Preisgericht keinerlei wesentliche Ausstellungen zu machen
hat und den Entwurf ohne weiteres zur Ausführung emp-
fehlen kann." „Die sämtlichen Platzanlagen zeigen ein
treffsicheres Gefühl für die Verteilung der Massen und für
die Raumgestaltung."
Mit dem II. Preis wurde ausgezeichnet der Entwurf
„Stadtwappen", Verfasser Architekt P. Bender und Garten-
134
DER STÄDTEBAU
architekt C. Krause, Dresden. Er bietet mit seiner ein-
fachen, aber folgerecht durchgeführten Gestaltung eine an-
sprechende Lösung: die ganze Anlage ist ein „behagliches
Wiesengelände", meist von einer Fußgängerallee begrenzt,
im übrigen „von Baumgruppen durchsetzt und von gut und
praktisch angelegten Fußw^egen durchzogen". Dabei ist
hervorzuheben, daß die vorhandenen Höhenunterschiede
nicht mit erheblichem Kostenaufwand ausgeglichen, sondern
zur Hebung der Gesamtwirkung beibehalten wurden. Nicht
so lobenswert wie in gartenkünstlerischer Beziehung ist die
Aufgabe jedoch nach der städtebaulichen Seite hin gelöst.
Der III. Preis fiel auf den Entwurf „Denkt an die
Zukunft" von Stadtbaumeister Förster in Hamm, Garten-
architekt Foeth und Architekt Recht in Cöln. Hierbei fallt
auf, daß die grundlegende Frage, ob die Anlagen hoch oder
tief liegen sollen, von den Verfassern nicht beantwortet
wird. Aus verschiedenen Einzelheiten muß man schließen,
daß das ganze Gelände — wirtschaftlichen und schönheit-
lichen Gründen entgegen — aufgehöht werden soll. Das
Preisgericht nimmt indes anscheinend an, daß die Anlagen
tiefliegend gedacht sind, denn es findet in der Führung
einer Allee in 10— 15m Abstand von der streckenweise ge-
planten Fahrstraße „eine fehlerhafte Zerstörung der Tal-
wirkung" ; „außerdem," sagt es weiter, „läßt die Höhe der die
Anlagen durchführenden Straßen eine künstlerisch be-
friedigende Gestaltung der Längenprofile nicht zu". Der
letztere Tadel trifft offenbar nicht zu, wenn die Anlagen
hoch liegen. Dagegen muß es als verfehlt bezeichnet werden,
wenn z. B. beim Südentor die westliche Ringstraße in eine
vorhandene Straße abgeleitet, statt in die östliche Ringstraße
stetig übergeleitet wird. Zu letzterem Zweck war hier frei-
lich eine kleine Abweichung von einer allgemein gehaltenen
Programmbestimmung über die Führung der westlichen
Ringstraße erforderlich, ebenso wie eine solche Abweichung
zu Beginn dieser Straße am Westentor im Interesse einer
würdigen Einleitung in die Anlagen und zur Schonung alten
Baumbestandes sehr erwünscht war. Beide Abweichungen
sind vom I. Preisentwurf ausdrücklich vorgenommen und
hier vom Preisgericht gutgeheißen worden. Es wäre daher
wohl empfehlenswert, bei Preisausschreiben mehr zu unter-
scheiden zwischen den Vorschriften, die unbedingt zu be-
folgen sind, und denjenigen, von denen bei triftiger Be-
gründung abgewichen werden kann, — Noch zu einer
weiteren allgemeinen Bemerkung gibt der Entwurf An-
laß. Das Programm verlangte zwei Schaubilder. Hierbei
konnte es sich lediglich um die Darstellung von Raum-
wirkungen, nicht aber um maßgebende Vorschläge für die
Gebäudearchitektur handeln, zumal da ja die Stadt keinen
Einfluß auf die Gestaltung von staatlichen Gebäuden hat.
Das Gegenteil sollte man meinen, wenn man die meisten
eingereichten Schaubilder betrachtet. Man begegnet da
einem auffallenden Bestreben, monumental zu wirken und
durch aufwendige Architekturbilder zu blenden, freilich auf
Kosten der Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse : von
vorhandenen Gebäuden ist nichts mehr zu sehen, obschon
mit deren Bestehen noch jahrzehntelang zu rechnen ist,
reine Phantasiegebilde ohne jede Beziehung zur örtlichkeit
und mit Abmessungen, die häufig in einem Mißverhältnis zu
den vorhandenen Platzgrößen stehen, sind an ihre Stelle
getreten. So kann man wohl bei jungfräulichem Gelände
planen, nicht aber, wo Neues sich in Bestehendes einfügen
soll. Mit dem Preisausschreiben hat die Stadt Hamm nicht
nur den angestrebten Zweck erreicht, sondern auch vor-
bildlich gewirkt: in dem benachbarten Soest ist angeregt
worden, ähnlich wie in Hamm einen Wettbewerb zur
Planung einer Ringanlage im Zuge der alten Wälle und
Gräben zu veranstalten. Vom städtebaulichen Standpunkte
aus ist dies mit Freuden zu begrüßen.
EIN MITTELALTERLICHES STÄDTCHEN.
Von CORNELIUS GURLITT, Dresden. Hierzu Tafel 69.
Ein Teilnehmer am Dresdener Städtebau-Seminar, Herr
J. Baltißer, hatte die Güte, mir einen von ihm auf-
gemessenen Plan des Schweizer Städtchens Neunkirch
vorzulegen.
Es gehörte dies einst dem Bischof von Konstanz,
liegt jetzt im Kanton Schaffhausen, 10 km westlich von
der Stadt, an der Bahnlinie nach Basel. Der Plan der
Stadt ist so eigenartig, das seine Veröffentlichung sich
rechtfertigt.
Ein paar Worte zur Geschichte des Ortes, zu der Ober-
lehrer Wildberger in der Zeitschrift „Randerschau" (Schaff-
hausen 1886) Unterlagen bietet.
1155 wird der Ort bereits genannt, er lag damals auf
einer Anhöhe, auf der noch heute die Pfarrkirche steht.
Diese, jetzt Bergkirche genannt, erweist sich nach der mir
vorliegenden Photographie als ein einschiffiger, anscheinend
frühgotischer, rechteckiger Bau mit schmalen Maßwerks-
fenstern und ohne Streben. Daneben steht ein wohl gleich-
zeitiger kräftiger Turm. Ich mochte aus den wenig genauen
Aufnahmen auf eine Entstehung in der ersten Hälfte des
14. Jahrhunderts schließen. Nach der Sage soll die alte
Stadt abgebrannt und ein neuer Ort auf einer tiefer ge-
legenen Wiese erbaut worden sein. Nach verschiedenen
Andeutungen scheint dies vor 1330 geschehen zu sein.
Namentlich weist darauf ein Ortsgesetz von diesem Jahre,
die „Öffnung", die kulturgeschichtlich wertvoll genug ist,
daß sie in den Grimmschen „Weistümern" aufgenommen
wurde.
Man kann also im allgemeinen annehmen, daß die Stadt
Neunkirch nach einheitlichem Plan geschaffen wurde. Auch
ist nur die alte Anordnung durch den Abbruch der Mauern
und dadurch geändert worden, daß mehrere Häuser nach
Brandschäden nicht wieder aufgebaut wurden.
Die Mauer war 4 Fuß dick und bildete ein oblonges
Rechteck von 253 (resp. 255) zu 136 (resp. 138) m im Lichten.
An den beiden Schmalseiten südlich von der Achse lagen
die beiden Tore, nach Osten das Obertor, nach Süden das
Untertor. Nur das erstere ist erhalten, ein stattlicher recht-
eckiger Turm mit spitzem Zeltdach, das ein Glockenturm
bekrönt. Beide Tore verbindet die etwa 12 m breite Vorder-
gasse, mit der parallel sich nördlich die Mühlgasse und
die Herrengasse, südlich die Hintergasse hinzieht. Namen-
135
DER STÄDTEBAU
lose Verbindungsgassen befinden
sich nahe den Schmalseiten der
Ummauerungen. Diese Gassen
haben eine Breite von zehn und
mehr Meter, werden aber dadurch
außerordentlich beengt, daß hinter
den Häusern sich Düngerstätten
befinden, die den landwirtschaft-
lichen Betrieben dienten. Zollten
doch die Bürger unter anderem
dem Bischöfe jährlich eine An-
zahl Schweine.
Nahe dem Osttor steht der
alte Gasthof zum Hirschen, eines
der ansehnlichsten Grundstücke
des Städtchens. In der Mitte der
Vordergasse das Gemeindehaus,
durch das ein Durchgang nach
der bescheidenen Kirche führt.
Das Gemeindehaus scheint aus
dem 16. Jahrhundert zu stammen.
An die Kirche schließt sich Schule
und Pfarre, über die mir weitere
Angaben fehlen. In der Nordost-
ecke des Städtchens befindet sich
der Oberhof, in dem sich die
Verwaltung des Bischofs befand.
Vor dem Obertor lag die Mühle, deren Besitzer sich ausdrück-
lich damit einverstanden erklärt hatte, daß sie im Kriegsfall
niedergerissen werden dürfe. Die Stadt umgab ein Graben
und ein Glacis, das die Bauten der Vorstadt auf etwa 30 m
von der Mauer entfernt hielt. Die zum Teil reizvoll ausge-
statteten Brunnen versahen Bürger und Vieh mit Trinkwasser.
So war das kleine Gemeinwesen ganz in sich ab-
geschlossen. Es umfaßte etwa 140 Wohngrundstücke, so
daß man die Bevölkerung auf etwa 600—700 Seelen ansetzen
darf; vielleicht etwas mehr, da oft ein Haus mehreren Be-
sitzern gehört. Schon aus der Aufteilung der Grundstücke
erkennt man, daß für die sich mehrende Bevölkerung die
Ummauerung zu eng wurde: die Frontlängen der Häuser
gehen bis auf 4 m herunter; es gibt Grundstücke von 5 : 12
= 60 qm Fläche. Die Zufahrten für die Heuwagen sind
außerordentlich ungünstig, so daß man die Anordnung der
heutigen Bürger, Brandstätten zu Plätzen umzugestalten,
wohl versteht.
Jedenfalls ist uns in Neukirch ein historisch lehrreiches
städtebauliches Beispiel aus dem Mittelalter erhalten, wenn
auch bescheidenster Form, jedoch von einheitlicher Planung.
Und zwar stammt dies nicht, wie so viele andere, aus dem
Kolonisationsgebiet des deutschen Osten, sondern mitten aus
altgermanischen Landen.
LANDHAUSVIERTEL „FÜNFZEHNERWORTH"
DER STADT STRASSBURG IM elsass.
Von Stadtbauinspektor EHLGÖTZ, Mannheim. Hierzu Tafel 70.
Straßburg im Elsaß bemüht sich mit Erfolg, seine
Wohnungsverhältnisse zu bessern. Der Straßendurchbruch
von Alt-St. Peter nach dem Metzgertor gibt der Altstadt ihre
hervorragendste Verkehrs- und Geschäftsstraße (vgl. Städte-
bau 1911 No. 12). Für die kleinen Leute ist gesunde Wohn-
gelegenheit in der Gartenstadt Stockfeld geschaffen worden
(vgl. Städtebau 1911 No. 4); diese Gartenstadt hat sich
glänzend bewährt, das letzte Häuschen ist vermietet. Dem
Bedürfnis des Mittelstandes sieht die Stadtverwaltung neuer-
dings durch die bauliche Erschließung des Fünfzehnerwörths
gerecht zu werden. Nächst der Orangerie, vor Nordwind
geschützt, mit Blick auf die Höhen des Schwarzwaldes ist
dieses Gelände für ein Landhausviertel sehr geeignet.
Der Baulinienplan ist vom Stadtbauamt (Beigeordneter
Baudirektor Eisenlohr) entworfen; es sind zwei Verkehrs-
straßen vorgesehen, die eine an der Südseite (die Richard-
Wagner-Straße), die zweite mit Straßenbahn an der West-
seite. Die übrigen Straßen sind als Wohnstraßen aus-
gebildet. Ein kleiner freier Platz soll das Hauptschmuck-
stück des neuen Stadtteils geben.
Das Gelände umfaßt eine Fläche von etwa 12 ha und
ist Eigentum der Stadt. Für seine Bebauung gelten die
Bestimmungen der Bauklasse C II (offene Bauweise mit
Einzel-, Doppelhäusern und Gebäudegruppen), nach welchen
40 "/o des Geländes überbaut und nur Eigenheime mit zwei
Hauptgeschossen (Erd- und Obergeschoß) erstellt werden
136
DER STÄDTEBAU
dürfen. Der Bau der Villen wird wesentlich erleichtert und
verbilligt durch Herabsetzung der feuerpolizeilichen und
statischen Anforderungen. Zum Zwecke der Verwertung
dieses Geländes hat die Stadt mit der Eigenheim-Bau-
gesellschaft für Deutschland unterm ^x."!! einen Vertrag
abgeschlossen, nach welchem die Stadt und die Gesellschaft
die bauliche Erschließung gemeinschaftlich unternehmen.
Das Gelände wird zu einem die Selbstkosten kaum über-
steigenden, äußerst mäßigen Preise, welcher je nach der
Lage 20 Mk. bis 26 Mk. für den Quadratmeter einschließlich
der Straßengebühren beträgt, abgegeben. Die Gesellschaft
ist verpflichtet, das ganze Gelände innerhalb 6 Jahren an
Dritte zu veräußen. Der Käufer des Geländes hat 20 "/o des
Kaufpreises bar zu entrichten und den Rest in drei Jahren
nachzubezahlen. Das Grundstück ist innerhalb drei Jahren
zu bebauen, wobei das Äußere der Gebäude der Begut-
achtung der städtischen Kunstkommission unterliegt. Die
Errichtung von Wirtschaften oder Geschäftsbetrieben bedarf
der besonderen Genehmigung; störende Gewerbebetriebe
sind ausgeschlossen. W^ird ein Anwesen vermietet, so darf
die Miete nach Abzug aller Abgaben nicht mehr als ö'/g^/o
Verzinsung der Selbstkosten abwerfen. Zur Vermeidung
der Spekulation ist das Wiederkaufsrecht für die Stadt in
der Weise ausbedungen, daß bei jeder Veräußerung, sei es
durch den Käufer oder seine Rechtsnachfolger, die Stadt das
Grundstück übernehmen kann zu dem von dem Erwerber
gebotenen Preis, wenn dieser hinter dem zugelassenen
Höchstpreis zurückbleibt, und wenn er diesem gleich-
kommt oder übersteigt, zu diesem Höchstverkaufspreis.
Der Höchstverkaufspreis wird derart bestimmt, daß der
Käufer von der Stadt seinen Kaufpreis einschließlich Un-
kosten und Baukosten, sowie der Verbesserungsarbeiten
und abzüglich einer gewissen Tilgung der Bauherstellungs-
kosten erhält; außerdem ist aber nach Ablauf von 5 Jahren
die Anrechnung eines gewissen Gewinnes von l^/o des ur-
sprünglichen Kauf- und Bauherstellungspreises zugelassen.
Um den Erwerb des eigenen Heims zu erleichtern,
übernimmt die Gesellschaft die Finanzierung der Bauten.
Nach dem Vertrag ist die Gesellschaft verpflichtet:
a) Jeweils mit einer Anzahlung von 15 »/o auf die Kauf-
summe (Baukosten und Bodenpreis) sich zu begnügen,
b) aus diesen 15»/„ auf Verlangen des Käufers für ihn 20 »/o
auf den Geländepreis an die Stadt zu bezahlen,
c) dem Käufer eine möglichst hohe I. Hypothek zu
günstigem Zinsfuß zu beschaffen,
d) den Restbetrag der Kaufsumme, falls er vom Käufer
nicht bar bezahlt wird, ganz oder teilweise als
II. Hypothek zu 5"/o gegen Tilgung von jährlich
mindestens 100 Mk. auf 10 Jahre stehen zu lassen,
e) das Haus nach den vereinbarten Plänen und der be-
dungenen Baubeschreibung schlüsselfertig unter Aus-
schluß jeder Nachforderung zu überliefern,
f) noch auf die Dauer von 2 Jahren, vom Tage der bau-
polizeilichen Abnahme an, jegliche Haftung für solide
Ausführung und Güte des Materials laut Bau-
beschreibung zu übernehmen.
Der Kaufpreis einer jeden Villa setzt sich zusammen
aus den Baukosten und dem an die Stadt zu zahlenden
Bodenpreise, welchen die Gesellschaft ohne jeden Gewinn
in Ansatz bringen muß.
Die Frage der Kapitalbeschaffung ist hiernach ein-
wandfrei gelöst; aber auch die Sorge um den Bau selbst
nimmt die Gesellschaft dem Bauherrn ab. Vor Kauf-
abschluß erhält dieser genaue Zeichnungen und Bau-
beschreibungen, so daß er sich jederzeit von der ord-
nungsgemäßen Durchführung des Baues überzeugen kann;
dagegen bleibt der Bauherr von allen Verhandlungen mit
der Baupolizei, mit den einzelnen Unternehmern, von der
gesamten Abrechnung, von Überschreitungen und unvorher-
gesehenen Bauhindernissen usw. gänzlich unberührt, ein
nicht zu unterschätzender Vorteil.
Um Vorentwürfe für die Bebauung des Geländes zu
erhalten, hat die Stadt Straßburg gemeinsam mit der
Eigenheim-Baugesellschaft einen auf Straßburger Architekten
beschränkten Wettbewerb ausgeschrieben. Es waren ver-
langt :
1. Eine Aufteilung des Baugebietes mit vornehmen und
einfachen Landhäusern,
2. Vorschläge für hintere Baulinien,
3. Vogelschau über den Platz,
4. Grundrisse, Schnitte und Schaubilder für Landhäuser
von 4 bis 8 Zimmern als Einzelhäuser und Gebäude-
gruppen.
Zum Wettbewerb waren 26 Entwürfe eingelaufen;
außerdem hatten die seitens der Eigenheim-Baugesellschaft
mit der Gesamtleitung derAufschließung betrauten Architekten
Dipl.-Ing. Detert & Ballenstedt in Straßburg-Mannheim eine
umfangreiche Arbeit außer Wettbewerb eingereicht. Das
Preisgericht erkannte den I. Preis dem Entwurf des Architekten
Joseph Müller zu. Die Aufteilung des Geländes ist bei diesem
Entwurf geschickt durchgeführt. Die Architektur ist schlicht
und dem Charakter des Villengebietes angepaßt. Den II. Preis
erhielt der Architekt Eduard Schimpf, III. Preise die Arbeiten
von Professor Dr. Vetterlein, G. Ulbricht, Albert Nadler und
Julius Gilgenmann, IV. Preise die Arbeiten von Theo Berst
sowie Emil Werler und E. Wolf. Das Preisgericht hat zum
Schluß die Beachtung nachfolgender allgemeiner Gesichts-
punkte zur baulichen Erschließung des Fünfzehnerwörths
empfohlen :
„Es sollte eine einheitliche Dachform und Dach-
eindeckung gewählt werden, so daß nicht einmal Giebel-,
einmal Walm- und einmal Mansardendächer erscheinen.
Hinsichtlich der Dacheindeckung seien einfache, heimische
Biberschwänze vorzuziehen.
Die Anwendung von Backstein-Rohbauten sei zu ver-
meiden.
Die Einfriedigungen der Vorgärten seien möglichst
gleichmäßig durchzuführen, bestehend aus einer 1 m hohen
Brüstungsmauer mit darüber befindlichem, hellgestrichenem
Holzzaun.
Die Verkaufsläden wären zweckmäßig beisammen an-
zuordnen.
Die Wände des freien Platzes sollen möglichst ge-
schlossen bebaut werden, ebenso der Hauptzugang zum
Villenviertel von der Richard-W^agner-Straße aus.
Die beiden Hauptverkehrsstraßen des Geländes sollten
Baumpflanzungen erhalten.
Die architektonische Gestaltung der Reihenhäuser sollte
so erfolgen, daß das einzelne Haus unbeschadet der
architektonischen Gesamtwirkung sich als Einzelbesitz zu
erkennen gibt."
Unter Beachtung obiger Gesichtspunkte und unter Be-
nützung einzelner Motive aus den preisgekrönten Entwürfen
137
DER STÄDTEBAU
haben die Architekten Detert & Ballenstedt ihren außer
Wettbewerb eingereichten Entwurf im Einvernehmen mit
der Stadt (Beigeordneter Dr. Emerich) Änderungen unter-
zogen; dieser Bebauungsplan ist auf Tafel 70 enthalten.
Dem Verkauf und der Bebauung des Geländes soll dieser
Plan zugrunde gelegt werden. Die Aufteilung zeigt bei
aller Wirtschaftlichkeit das Bestreben einzelne Punkte im
Stadtplan hervorzuheben; besonders seien die Lösungen an
einigen Straßenkreuzungen hier erwähnt. Zu loben sind
auch die Baumpflanzungen längs der rückwärtigen Grund-
stücksgrenzen, auch die Pflanzung einzelner Bäume an be-
sonders hervorragenden Punkten im Straßenbild.
DER RIESENTUNNEL UNTER DER ELBE.
Von Zivilingenieur Max A. R. BRÜNNER, Berlin. Hierzu 4 Textbilder.
Hamburg hat in letzter Zeit zwei großartige Verkehrs-
verbesserungen erfahren, nämlich den vor einigen Monaten
fertiggestellten riesigen Elbtunnel, sowie die erst teilweise
eröffnete Hoch- und Untergrundbahn. Beide verbinden die
Stadt mit verschiedenen Vororten, und sind dazu berufen,
einem lange Jahre hindurch gefühlten Bedürfnis abzuhelfen.
Gegenüber der eigentlichen Stadt liegen am Südufer der
Elbe die Vororte Grasbrook, Kuhwärder, Steinwärder und
Veddel, zum Teil auf Inseln. In der Nähe befinden sich
riesige Werftanlagen und Fabriken, die viele Tausende von
Arbeitern beschäftigten, welche täglich zweimal, manche
auch viermal, den gewaltigen Strom zu überqueren haben.
Dieser Verkehr wurde bisher durch Fährendampfer ver-
mittelt, die sich natürlich als völlig ungenügend erwiesen,
wozu noch kam, daß bei Nebel und Eisgang die Beförderung
auf Stunden stockte. So waren Verspätungen bis zu einem
halben Tag nicht selten. Der einzige feste Landweg ging
über die alte Eibbrücke nach der Insel Veddel, was einen
Umweg von 12 km bedeutete. Um diesem Zustande ein
Ende zu machen, faßte man schon vor fast einem Jahr-
zehnt den Entschluß, eine feste Verbindung zwischen jenem
Industriebezirk, besonders der Insel Steinwärder, und der
Stadt Hamburg zu schaffen. Es waren hierfür drei Mög-
lichkeiten vorhanden, nämlich eine Schwebefähre, eine
Brücke oder ein Tunnel. Die erste hätte der Schiffahrt große
Schwierigkeiten
verursacht , eine
Brücke hätte min-
destens 60 m über
denWasserspiegel
führen müssen,
um die hohen
Masten der Schiffe
darunter durchzu-
lassen, was wie-
derum äußerst
lange und kost-
spielige Anfuhr-
rampen verur-
sacht hätte. So
entschied man
sich für einen
Tunnel. Da nun
der Tunnel der
Tiefe des Eibstro-
mes wegen in be-
trächtlicher Tiefe
gebaut werden
mußte, so wären Abb. i.
auch hier lange und kostspielige Rampen an beiden Ufern
nötig gewesen; deshalb hat man sich dahin entschieden,
Fahrschächte mit Aufzügen von großer Leistungsfähigkeit
statt dieser zu errichten. So haben die gesamten Kosten
rund 11 Millionen Mk. betragen, während ein Rampentunnel
20 Millionen verschlungen hätte, eine Brücke noch mehr.
Der erste Plan wurde im April 1904 dem Senat vorgelegt,
der die vorerst bewilligte Summe von 8 Millionen Mk.
später auf 10'/4 Millionen erhöhte.
Erst im Sommer 1907 konnte der erste Spatenstich zu
dem gewaltigen Werk gemacht werden und erst kurz vor
Weihnachten 1911 konnten die Arbeiten als vollendet an-
gesehen werden. Die gesamte Anlage besteht aus zwei
nebeneinander herlaufenden Tunnelröhren, von denen die
westliche für den Verkehr nach Steinwärder, die östliche
für den Verkehr nach Hamburg benutzt wird, und einem
Ein- und Ausfuhrschacht auf jeder Seite. In diesem Räume
bewegen sich sechs durch elektrischen Antrieb in Bewegung
gesetzte Fahrstühle, die die Beförderung nach unten und
oben besorgen, und zwar je drei in einer Richtung. Sie sind
von verschiedener Größe; die beiden äußeren sind lediglich
für die Personenbeförderung, die vier inneren hauptsächlich
für die Beförderung von Fuhrwerken und Wagen bestimmt.
Jedoch werden zur Zeit des Hauptandranges der Arbeiter
alle sechs Fahrstühle nur für die Personenbeförderung be-
nutzt. Die beiden
größten der Fahr-
stühle in jedem
Einfahrtschacht
sind 10 m lang und
3 m breit, haben
eine Tragkraft
von je 10000 kg
und können auf
einmal 135 Per-
sonen fassen und
befördern. Mittels
dieser Einrichtung
ist man in der
Lage, in einer
halben Stunde
7000 Personen zu
befördern. Füralle
Fälle sind dieEin-
und Ausfahrt-
schächte auch mit
zweifacher
Treppenanlage
ausgestattet die
138
DER STÄDTEBAU
Abb. 2.
141 Stufen haben.
Sämtliche für die
Bewegung der
Aufzüge erforder-
lichen Motore,
Winden und Hilfs-
maschinen sind in
einer im ersten
Stock der Ein-
fahrtshalle liegen-
den Maschinen-
halle vereinigt, wo
sie mit dem ge-
ringsten Aufwand
an Personal be-
dient und beauf-
sichtigt werden
können. Die Fahr-
körbe sind bis zur
Höhe von2,2m mit
Holz, darüber mit
weitmaschigen
Drahtnetzen ver-
kleidet worden.
Auch die Decke besteht aus Drahtnetzen, um Sicherheit gegen
herabfallende Gegenstände zu gewähren. Von der Größe
des Einfahrtschachtes erhält man eine Vorstellung, wenn
man das Bismarckdenkmal in gleicher Höhe in die Funda-
mentsohle hineinzeichnet. Der ganze Sockel des Denkmals
liegt dann innerhalb des Schachtes und das Standbild ragt
gerade mit ihren Schultern aus der Erde hervor.
Die eigentlichen Tunnel sind 726 m lang und bedeuten
den schwierigsten Teil des Baues. Es wurde mit einem
sogenannten Vortriebsschild gearbeitet, welches in unserem
Falle aus einem starken zylindrigen Mantel aus Eisen besteht,
die durch ver-
schließbare Türen
durchbrochen
sind. Dieses Schild
wurde durch hy-
draulischePressen
mit einer Kraft von
2000t vorwärts ge-
schoben. Den vor-
deren Teil nennt
man das Schild-
maul, das durch
senkrechte und
wagerechte
Wände in Arbeits-
zellen eingeteilt
ist, in welchem
die Arbeiter die
Erde fortschaffen.
Hinter dem Schild
bewegt sich ein
Gerüst hinter dem
ersteren ständig
vorwärts, von dem
aus die Tunnel-
ringe eingesetzt
und verschraubt Abb. 3.
werden. Dieser
gesamte Arbeits-
raum ist unter
Preßluft gesetzt,
weil sonst das
Wasser ein-
dringen würde, er
ist von dem
übrigen Teil des
Tunnels durch
eine Betonwand
mit einer Schleuse
zum Durchlassen
der Arbeiter und
Geräte abgetrennt.
Dieser Vortrieb
bildete den
schwierigsten Teil
des Baues, wäh-
rend die Ein-
mauerung der ein-
zelnen Ringe, das
Anlegen der Fahr-
bahn, das Be-
schweren des Tunnels mit Eisenmassen zur Verhinderung
des Auftriebes, Verkleiden der Wände mit Kacheln und
anderer kleinerer Arbeiten verhältnismäßig leicht bewerk-
stelligt wurde. Es waren zur Herstellung 5000 t Profileisen
nötig, und zwar wurden aus den Blechplatten etwa 30 cm
breite Ringe zusammengenietet, die dann mit Beton hinter-
gossen wurden, um das Rosten zu verhindern. Die Fahr-
bahn hat eine Breite von 182 cm. Zu beiden Seiten schließen
sich die Bürgersteige, 125 cm breit, an. Ehe man an den
Bau der beiden Tunnelröhren gehen konnte, mußten die
Zufahrtschächte an den beiden Enden bis auf die Sohlen
niedergebracht
werden. Um das
in den oberen
Schichten befind-
liche Grund-
wasserabzuhalten
wurde in einem
Abstand von 4 m
von der eigent-
lichen Baugrube
ein Fangedamm
aus Beton bis zur
Tiefe des Ton-
lagers niederge-
bracht, so daß
Grundwasser-
einbrüche nicht
mehr stattfinden
konnten. Dann
wurde bis zur
Tiefe von 30 m
ein ringförmiger
Schlitz in der
Breite der zu-
künftigen
Schachtwand
ausgehoben, in
139
DER STÄDTEBAU
diesem von unten auf die Schachtwand hochgemauert und
nun der große innere Erdkern in einem Durchmesser von
22 m herausgehoben. Am Grunde wurde eine Sohle aus
Beton von 4 m Mächtigkeit eingespannt, die in Höhe der
zukünftigen Tunnelsohle liegt. Sehr viel schwieriger war
die Herstellung des Einfahrtschachtes auf der Steinwärder-
seite, der eine Tiefe von 28 m und eine lichte Weite von
22 m erhalten hat. Man bediente sich hier eines großen
Senkkastens, wie das beim Bau von Brückenpfeilern auf
Sand und sonstigen wasserdurchlässigen Boden schon mehr-
fach geschehen ist. Die Schachtwand wurde nicht von
unten nach oben, sondern von oben nach unten gebaut, das
heißt, auf einer scharfen stählernen Schneide wurde ein
Eisenmantel errichtet, der innen und außen in der nötigen
Dicke mit Beton umkleidet war.
Als die Schachtwandung, die nach oben immer, je nach-
dem sie tiefer sank, verlängert wurde, um 10 m in die Tiefe
gesunken war, wurde in dieser Höhe eine Caissondecke aus
Eisen in die Ringmauer so eingebaut, daß sie mit ihr eine
Art Glocke bildete. Die Arbeiter räumten aus der ganzen
Weite des Schachtes den Sand fort und ermöglichten es
dadurch, daß die Ringmauer, die man oben fortgesetzt er-
höhte, tiefer und tiefer sank. In etwa 16 Monaten war diese
Arbeit so weit gediehen, daß die Druckluft aus dem Ein-
fahrtschacht abgelassen und am Boden ebenfalls eine dicke
Betonsohle eingespannt wurde. Nun erst konnte mit dem
Vortrieb der eigentlichen Röhren begonnen werden.
Was nun die großen Einsteighallen anbelangt, so ge-
reichen sie der gesamten Tunnelanlage zur größten Zierde.
Die Halle auf der Steinwärderseite ist aus Backsteinen auf-
geführt, von einer mächtigen, einfachen Kuppel mit Kupfer-
belag überwölbt und hat die Form eines fast regelmäßigen
Vierecks, dessen Wasserseite entsprechend der Schacht-
rundung eine Ausbuchtung zeigt. Rechts von der Halle
erhebt sich das Warendeklarationsgebäude, hinter dem das
Betriebsgebäude nebst Beamtenwohnungen der Tunnelanlage
sich befindet. Die Anordnung der auf der Steinwärderseite
errichteten Tunnelanlage ist so getroffen, daß sie einen
großen, weiten Hofraum umgeben, in dem sich der Wagen-
verkehr von selbst bequem in den zu nehmenden Richtungen
abwickeln kann.
Die Einsteighalle auf St. Pauli stellt einen Monumental-
bau dar, der von dem Architekten Wöhlecke entworfen, sich
der langen Fluchtlinie des Empfangsgebäudes der St. Pauli-
Landungsbrücken symmetrisch anschließt und dem West-
flügel der Gebäudeflucht einen Abschluß gibt. Die Einfahrt
Abb. 4.
zeigt eine Säulenhalle, deren Gipfel das Hamburger Wappen
trägt. Die beiden Seitenwände tragen den gleichen Figuren-
schmuck wie die der Steinwärder-Halle. Das ganze wird
überwölbt von einer mächtigen Kuppel, die ebenfalls mit
Kupfer bedeckt ist.
Bei der angewandten äußersten Vorsicht, den bis in die
feinsten Einzelheiten wohldurchdachten Bauplan der Bau-
leitung, der Vortrefflichkeit aller technischer Einrichtungen
und der großen Erfahrung der die Arbeiten ausführenden
Unternehmerflrma konnte das gewaltige Werk glücklich zu
Ende geführt werden. Nur zweimal traten verhältnismäßig
leicht zu bewältigende Störungen ein, einmal infolge eines,
durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters hervorgerufenen
Brandes, das andere Mal infolge zu starken Austretens der
Preßluft.
BÜCHERBESPRECHUNGEN.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
VORGARTEN- UND BALKONAUSSCHMÜCKUNG. Von
Arthur Glogau, Stadtobergärtner in Hannover. Mit 23 in den Text
gedruckten Abbildungen und einer farbigen Umschlagzeichnung. Verlag
von Adolf Sponholz, G. m. b. H., Hannover.
Im Vorworte weist der Verfasser mit Recht darauf hin, daß Art und
Einrichtung der Vorgärten und Balkone noch vielfach im Schema stecken,
aus dem sie im Hinblick auf das von ihnen erheblich beeinflußte Straßen-
bild erlöst werden müssen. Die zu diesem Zwecke gegebenen Ratschläge
beruhen auf eigener Erfahrung und Beobachtung des Verfassers und
werden durch gut ausgewählte Beispiele unterstützt, in denen auch die
Berankung des Hauses, die verschiedenartige Bepflanzung der Garten-
mauern und sonstiger Einfriedigungen, der Garteneingänge, Lauben,
Fensterkasten und Blumenampeln mit Angabe der je nach der Lage dazu
zu wählenden Kletterpflanzen und Blumen behandelt wird.
Mit besonderer Liebe verbreitet sich der Verfasser über die Aus-
schmückung der Balkone zu jeder Jahreszeit, sowie über die Bepflanzung
der Vorgärten mit Blumen, Sträuchern, BlUtengewächsen, Rosen usw.,
über Beetanlagen und Steingärtchen, über die Pflege der Pflanzen und
140
DER STÄDTEBAU
befürwortet endlich bei der Anlage der Vorgärten ein Handinhandgehen
mit dem Architekten, wozu letzterer um so mehr geneigt sein dürfte, je
mehr er sich in das Büchlein vertieft. Das kann ich nur warm empfehlen.
DIE PRAXIS DES VERMESSUNGSINGENIEURS. Geo-
dätisches Hand- und Nachschlagebuch für Vermessungs-, Kultur- und
Bauingenieure, Topographen, Kartographen und Forschungsreisende. Mit
Unterstützung durch zahlreiche Ministerien, Behörden, wissenschaftliche
Institute und Vereine bearbeitet von Alfred Abendroth, Kgl. Ver-
messungsdirigent bei der Landesaufnahme in Berlin. Mit 12g Text-
abbildungen und 13 Tafeln. Berlin, Verlagsbuchhandlung Paul Parey,
Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen. 1912. Preis 28 Mk.
Der fleißige Verfasser hat bald seinem ersten Buche „Der Land-
messer im Städtebau" (Zweite Auflage, 1909, Verlag von Paul Parey,
Berlin) ein umfassendes Werk folgen lassen, das sich, um der Erläuterung
des Vorwortes zu folgen, an alle diejenigen wendet, die wissen wollen,
wie man sich auf den verschiedensten Gebieten des Vermessungswesens
am schnellsten und zweckmäßigsten helfen kann.
Das Buch rechnet also mit Lesern, denen die allgemeinen wissen-
schaftlichen und technischen Grundbegriffe der Landraeßkunst bekannt
und bis zu dem Grade geläufig sind, daß ihnen die praktischen Winke
genügen, überall, wo und wann es not tut, das Richtige zu treffen. Für
den Städtebaukünstler ist die Vermessung freUich nur Voraussetzung für
seine Arbeiten, doch eine unerläßliche Voraussetzung, die auch von Ein-
fluß auf die Planung selbst sein kann; er tut deshalb gut daran, sich
unter diejenigen zu zählen, denen an praktischen Winken gelegen ist —
damit wird ihm oft die eigene Arbeit erleichtert werden. Hauptsächlich
kommen für ihn in Frage: Teil III „Landwirtschaft, Ansiedelungs- und
Forstwesen"; Teil IV „Die Vermessungen im Ingenieurbauwesen" und, was
für ihn von besonderer Wichtigkeit ist, Teil V „Das Vermessungswesen
im Städtebau". In dem letztgenannten Teile werden unter A die Haupt-
grundsätze für Stadterweiterungen, die Örtlichkeit und Wirtschaftlichkeit
usw. betreffend, sowie die Aufstellung und Durchführung der Bebauungs-
pläne, unter B die Stadtvermessungen behandelt. Im Schlußteil, dem
achten, — das ganze Werk bildet einen stattlichen Band von 815 Seiten —
ist eine Übersicht über die Einrichtung und den Geschäftsgang der
Vermessungsämter gegeben. Wenn auch die Ausführungen über den
künstlerischen Bebauungsplan nicht allseitige — insbesondere auch wohl
nicht bei den Architekten — Zustimmung finden werden, so bietet das
Werk im übrigen doch so viel in klarer aus dem vollen schöpfender,
überflüssige Worte vermeidender Darstellungsart, daß ihm eine wohl-
verdiente weite Verbreitung gesichert sein dürfte.
BERICHT DES INSTITUTS FÜR GEMEINWOHL ZU
FRANKFURT A. M. ÜBER DAS FÜNFZEHNTE GE-
SCHÄFTSJAHR 1910/1911. Frankfurt a. M. Druck von C. Adel-
mann, igii.
Von diesen Berichten habe ich schon öfter Vermerk genommen.
Der letzte enthält unter Anlage II einen Auszug aus dem Jahresberichte
des Sozialen Museums für 1910, aus dem ich über das Enteignungs-
gesetz der Stadt New York folgendes entnehme.
„Die wichtigen Bestimmungen des Gesetzes sind folgende: Die Ver-
waltung der Stadt New York hat das Recht, zu beschließen, wann und
wo Straßen und Plätze angelegt werden sollen, und kann erforderlichen-
falls das hierzu benötigte Gelände im Enteignungsverfahren in ihren
Besitz bringen. Das Gesetz kennt ein gewöhnliches und ein beschleunigtes
Verfahren. Letzteres wird eingeschlagen, wenn die städtischen Behörden
es als im Interesse der Allgemeinheit liegend erachten, bestimmtes Grund-
eigentum zwecks Straßenanlegung in ihren Besitz zu bringen. Das Gelände
geht dann, wenn es unbebaut ist, vom Tage der Ernennung der Enteignungs-
kommission, wenn es bebaut ist, sechs Monate später, vorbehaltlich der
nachträglichen Feststellung der Entschädigung, in den Besitz der Stadt über.
Naturgemäß sucht die Stadt nur dann Ernennung von Kommissionen
nach, wenn keine Einigung mit den Eigentümern des zu enteignenden
Geländes zu erzielen ist; nun steht aber gegen eine freihändige Ver-
äußerung den Nachbarn, die ihre Interessen bedroht glauben, Einspruch
zu. Ist dies der Fall, so muß die Ernennung der Kommission stattfinden
und das Enteignungsverfahren eingeleitet werden.
Alle Miet- und Pachtverträge, welche auf enteignetem Land lasten,
werden in dem Augenblick hinfällig, wo die Stadt Besitz ergreift.
Alle Zahlungen für Grundeigentum, das zwecks Straßenanlegung
enteignet wurde, werden aus dem Straßenherstellungsfonds oder, wenn
dieser nicht ausreicht, durch Ausgabe von Schuldverschreibungen be-
stritten. Die ausgezahlten Beträge werden dann auf die Besitzer derjenigen
Grundstücke umgelegt, welche durch die Straßenanlage einen Wertzuwachs
erfahren. Die Zuschüsse, die von den einzelnen Eigentümern zu leisten
sind, tragen den Charakter einer Grundschuld und sind im Verwaltungs«
Zwangsverfahren zwei Monate nach Feststellung beitreibbar. Im Falle
der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kann die Stadt nach drei Jahren
das Grundstück im Subhastationsverfahren an den Meistbietenden ver.
steigern lassen.
Für die Erhebung der Straßenherstellungskosten einschließlich Ent-
und Bewässerung gelten die gleichen Bestimmungen wie für die Erhebung
der Zuschüsse zu den Kosten des für Straßenanlagen enteigneten Landes.
Der Vorzug des New Yorker Gesetzes vor unserer einschlägigen Gesetz-
gebung liegt nach dem Gesagten in der Bestimmung, daß die Kosten der
Straßenanlegung, sowie die der Straßenherstellung innerhalb kurzer Zeit
von den Anliegern zurückerstattet werden müssen. Die Stoßkraft dieser
Verordnung äußert sich darin, daß die Stadt durch keine Bedenken
finanzieller Art davon zurückgehalten wird, neue Straßen anzulegen,
während es auf der anderen Seite wegen der hohen Kosten im eigenen
Interesse der Grundbesitzer liegt, ihr Land so rasch als möglich der
Bebauung zuzuführen."
LÄNDLICHE UND STÄDTISCHE KLEINWOHNUNGEN.
Eine Sammlung mustergültiger Pläne und Entwürfe, herausgegeben
im Einvernehmen mit dem Kgl. Sachs. Ministerium des Innern vom Landes-
verein Sächsischer Heimatschutz. Bearbeitet von L. F. Karl Schmidt,
Oberbaurat im Kgl. Sachs. Finanzministerium. 50 Tafeln in Lithographie
(48x35 cm) nebst Text (28x22 cm) mit zahlreichen Abbildungen. In
Originalmappe. Preis 30 Mk. Ferner:
KLEINWOHNUNGEN FÜR MITTLERE UND GROSS-
STÄDTE IN GESCHLOSSENER BAUWEISE. Muster-
gültige Entwürfe hervorgegangen aus einem ^Vettbewerb, auf Veranlassung
des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz im Einvernehmen mit dem
Kgl. Sachs. Ministerium des Innern. Bearbeitet von L. F. Karl Schmidt,
Oberbaurat im Kgl. Sachs. Finanzministerium. 60 Tafeln in Lithographie
(48 x35 cm) nebst Text (28 x22 cm) mit zahlreichen Abbildungen. In
Originalmappe. Preis 30 Mk.
Die Verlagsbuchhandlung von H. von Keller in Dresden bietet mit
diesen beiden Werken zwei vortrefflich ausgestattete Veröffentlichungen
allen denen, die mit dem Kleinwohnungsbau zu tun haben, Behörden
und Bauberatungsstellen, Architekten wie Bauherren. Im erstgenannten
inzwischen schon in II. Auflage erschienenen sind auf 50 (in II. Auflage
um 6 vermehrt) stattlichen Tafeln zunächst die Kleinwohnungsbauten dar-
gestellt, die auf dem Gelände der Internationalen Hygiene -Ausstellung
in Dresden die zahlreichen Besucher entzückt haben, dann Entwürfe und
Bauausführungen von frei stehenden, zu Gruppen geordneten oder an-
einandergereihten Wohnhäusern in vielfachen Abwandlungen von Ein- bis
zum Zwölffamilienhause, die namhafte Architekten zum Verfasser haben
oder im Zeichensaale des Sächsischen Heimatschutzes entstanden sind.
Besonders wertvoll sind darunter auch die Einzelheiten der Kochofenanlage
mit Sammelheizung im Einfamilienhause Sächsischer Industrieller in
Dresden und des Ausbaus einer Wohnküche für die Gemeinnützige Bau-
gesellschaft in Neugersdorf i. S.
Das letztgenannte Werk gibt auf 47 seiner 60 Tafeln das Er-
gebnis eines öffentlichen Wettbewerbes, zu dem das Ministerium de»
Innern und die Mehrzahl sächsischer Städte die Mittel bereitgestellt
hatten. Die weiteren 13 Tafeln ergänzen diese Sammlung von Ent-
würfen durch meist der Praxis entnommenen Beispiele mit Grundrissen
und Schauseiten von Häusergruppen Sächsischer Spar- und Bauvereine,
Kleinwohnungsbauvereine oder städtische Kleinwohnungsbauten, die von
Architekten wie Lossow & Kühne, Willing & Grabner, von städtischen
Bauämtern und anderen mehr herrühren. Diesen ist auch die Reihen-
hausgruppe [einverleibt,'_mit der Professor Bruno Möhring den Grund-
141
DER STÄDTEBAU
gedanken seines Bebauungsplanes für das Schöneberger Südgelände ver-
deutlicht hatte.
Es ist erfreulich, zu ersehen, wie sich Onindriß und Aufbau schon ver-
vollkommnet haben, wie treffliche Lösungen auch innerhalb enger wirtschaft-
licher Grenzen erzielt werden, wie wenig berechtigt also das Vorurteil
erscheint, daß die Architekten nicht zweckmäßig und zu teuer bauten!
Darin liegt ein außerordentlicher Fortschritt; denn wenn erst überall
Architekten bauen, dann werden wir wieder auf zweckmäßige und schöne
Städte, Dörfer, Gartenstädte und Kleinwohnungssiedelungen rechnen
können. Dem rührigen, zielbewußten Oberbaurat Schmidt in Dresden
kann man für die Bekundung dieser Auffassung sowohl als auch für die
Herausgabe dieser 'Werke, denen eine weit über Sachsens Grenzen hinaus-
gehende Bedeutung zuzuerkennen ist, nicht dankbar genug sein.
NEUERE LÄNDLICHE VOLKSSCHULEN. Herausgegeben
mit Unterstützung des Kgl. Sachs. Ministeriums des Kultus und
öffentlichen Unterrichtes vom Landesverein Sächsischer Heimatschutz in
Dresden. Bearbeitet von L. F. Karl Schmidt, Kgl. Sachs. Oberbaurat.
31 Tafeln mit Text und 22 Abbildungen. Verlag Gerhard Kühtmann,
Dresden. Preis in Mappe 24 Mk.
Auch dieses Mappenwerk stellt sich in vornehmer Ausstattung dar
und bietet durchaus gediegene geschmackvolle Lösungen, die ebenso weit
vom Schema einer vorgeschriebenen Norm entfernt bleiben, als von der
Aufgeblasenheit städtischer Schulpaläste, wie die Einfügung einiger Gegen-
beispiele in den Text drastisch erläutert. Bauformen und Baustoffe sind
st^ts der Umgebung angepaßt beziehungsweise entnommen, Unterrichts-
räume und Lehrerwohnung in der jeden von ihnen entsprechenden Zweck-
erfüllung eingeordnet, wobei sich reiche Abwechslung in der Gruppierung
ergibt. Besonders wertvoll ist die Angabe der Baukosten sowohl im
ganzen als für die Einheit der bebauten Fläche oder des unbebauten
Raumes. Auch den Trinkbrunnen- und Spielplatzanlagen sind einige
treffende Ausführungen gewidmet. Bei der Bedeutung, die das Schulhaus
— nächst der Kirche meist das einzige öffentliche Gebäude — im Dorf-
plane einnimmt, darf auch der „Städtebau" ein derartiges Werk bestens
empfehlen.
T^RÄSA NASEHO DOMOVA (Die Schönheit unseres Heims)
■^^ betitelt sich eine Zeitschrift, die mir schon seit einigen Jahren
regelmäßig zugeht. Sie erscheint in Prag und wird ausschließlich in
tschechischer Sprache gedruckt, was ihrer Verbreitung in deutschen Landen
gerade nicht förderlich sein dürfte und mich auch verhindert, mehr von
ihrem Inhalte mitzuteüen, als mir die Herren Schriftleiter Bsfet. Jedlicka-
Brodsky und J. Emier selbst in deutscher Sprache geschrieben haben.
Dies will ich aber tun, um meinen Dank abzustatten. Wie die deutsche
Übersetzung des Titels schon verrät, ist sie dem Schutze und der Ver-
schönerung der Heimat gewidmet; als Organ des Verbandes böhmischer
Verschönerungsvereine, des Klubs „Alt -Prag", des Aufforstungs- und
Verschönerungsvereins für Prag und Umgebung und des Böhmischen
Landesverbandes zur Förderung des Fremdenverkehrs.
Ursprünglich als Organ von 350 Verschönerungsvereinen in Böhmen,
Mähren und Schlesien, fast ausschließlich dem Verschönerungswesen, dem
Naturschutze und der Denkmalpflege dienend, hat sie im fünften Jahr-
gange (1909) ihr Arbeitsfeld auch auf den Städtebau und die Wohnungs-
reform erstreckt. Sie bringt Aufsätze und Berichte von Fachleuten und
in ihren Bildern eine Fülle von Beispielen zur Regulierung kleinerer
Städte und Erhaltung alter Baudenkmäler, erteilt überdies Ratschläge und
schreibt Wettbewerbe aus.
Während unser Heimatschutz oft noch im Gegensatz zur Tätigkeit der
Verschönerungsvereine steht, scheint es den tschechischen Herren gelungen
zu sein, die Verschönerungsvereine in den Dienst des Heimatschutzes zu
stellen — dies würde Nachahmung verdienen. Im übrigen aber mögen die
Herren nicht vergessen, daß die Schönheit ihrer Städte deutscher Kulturarbeit
mit zu verdanken ist. Ungerecht erscheint es mir deshalb, daß ein mir von
denselben Herren freundlichst übergebenes, prächtig ausgestattetes Werk,
wie das über Prag (erschienen 1909), neben einem tschechischen Texte einen
französischen und einen englischen aufzuweisen hat, aber keinen deutschen !
CHRONIK.
"pVer PARK VON SCHLOSS RUHWALD, das von Schwatlo
^-^ 1867 gebaut wurde, soll dem Hörensagen nach aufgeteilt werden.
Der Park ist durch Ludwig v. Schäffer-Voit angelegt und wäre wert,
für die Stadt Charlottenburg erhalten zu werden. Er ist etwas über
40 Morgen groß und liegt an der Spandauer Chaussee.
TUT ODERNE GÄRTEN AUF DER INTERNATIONALEN
'^"■*- BAUFACH-AUSSTELLUNG, LEIPZIG 1913. Der Ent-
wurf und die Ausführung der Repräsentationsgärten auf der Internationalen
Baufach-Ausstellung zu Füßen des Völkerschlacht-Denkmals ist der Firma
Jakob Ochs, Gartenbau-Hamburg I (künstlerische Leitung: Lebrecht
Migge) übertragen worden. Es soll in Übereinstimmung mit den bau-
leitenden Architekten Weidenbach und Tschammer, Königl. Bauräten in
Leipzig, nicht nur versucht werden, die Architektur mehr, als bisher auf
Ausstellungen geschah, zu einem Zusammenklang mit der Bepflanzung
zu bringen, sondern es wird womöglich auch ein neuer Ausstellungs-
gartentyp aufgestellt werden. Da die Ausstellung schon im Frühjahr 191 3
eröffnet werden soll und die Arbeiten erst vor kurzem in Angriff ge-
nommen werden konnten, so stellt die Anlage dieser Gärten auch nicht
geringe organisatorische Anforderungen.
AUS DER STATISTIK DER ERSTEN DEUTSCHEN
■^*- GARTENSTADT HELLERAU BEI DRESDEN. Ob-
gleich die Statistik als treues Spiegelbild der wirklichen Vorgänge in
einer so jungen Siedelung wie Hellerau in den ersten Jahren noch durch
mancherlei Nebenumstände beeinflußt wird, bieten die ersten Feststellungen
über die Sterblichkeit und den Geburtsüberschuß in Hellerau dem Woh-
nungsreformer doch schon interessante Anhaltspunkte und beweisen den
unmittelbar wohltätigen Einfluß des Flachbaues in gesunder Gegend auf
die Gesundheit der Bewohner. In Hellerau begann die Bautätigkeit im
Jahre 190g, die ersten zehn Familien zogen im Herbst in ihre Wohnungen
ein. Die nachstehenden Angaben beziehen sich auf das ganze Jahr igii,
wo die Einwohnerzahl am i. Januar 652, am i. Juli iioo und am 31. De-
zember 1450, im Durchschnitt also ca. 1000 betrug. Die zum Vergleich
angeführten Ziffern aus Dresden, Chemnitz und Leipzig stammen aus dem
Jahre 1910 und sind dem Statistischen Jahrbuch für das Königreich
Sachsen entnommen. In Hellerau kamen also 191 1 auf 1000 Einwohner
sechs Todesfälle (Dresden 13,7, Leipzig 13,8, Chemnitz 15, — ) und drei
Totgeburten (Dresden 0,9, Leipzig 0,9, Chemnitz 28,4). Von 100 Lebend-
geborenen sind im ersten Lebensjahre in Hellerau fünf gestorben (Dresden
14,81, Leipzig 17,12, Chemnitz 22,3).
/-^«ROSSSTADTANLAGE UND KLEINWOHNUNGSBAU.
^^ (Mit Lichtbildern.) Geh. Baurat Goecke, Professor an der Tech-
nischen Hochschule zu Berlin.
Die moderne Stadt: Geschichtliche Einleitung, allgemeine Anforde-
rungen in gesundheitlicher und wirtschaftlich-sozialer Hinsicht.
Einteilung der Großstadt: City- und Vorortsbildung, Abstufung der
Bauweise und Freihaltung gewisser Flächen von jeder Bebauung.
Hausbau, insbesondere Kleinwohnungsbau: Einfamilienhaus und
Massenmietshaus, Reihenhaus und Wohnhof. — Grundrißbildung
der Kleinwohnung.
Bebauungsplan: Radial-, Ring- und Parallelsystem, Ausfallstraßen und
Verkehrsmittel. — Gestaltung der Baublöcke, Verkehrs- und Wohn-
straßen, Vorgärten.
Stadtbild, Grünanlagen und Gartenstadt.
2 Stunden: Donnerstag vormittags 9^/2 Uhr pünktlich bis 11 Uhr
(bis Weihnachten).
Verantwortlich für die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 35.
Inseratenannahme C. Behling, Berlin W. 66. — Gedruckt bei Herros^ & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Carl Schütte, Berlin W.
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Jahrgang IX
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Jahrgang IX
Bebauungsplan für die Nuhnenvorstadt zu Frankfurt a. O.
Architekt: Hans Bernoulli, Berlin.
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Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
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L PREIS: ARCHITEKT BRÄUNING, TEMPLIN KENNWORT „STADTPARK"
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Jahrgang IX
U. PREIS: BAURAT ERNST SPINDLER, BERLIN KENNWORT „HOCH UND TIEF"
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Gedruckt und veileg:t bei Ernst Wasinuth A.-G., Berlin.
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Tafel 8.
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SPIELPLATZ MIT HALLE
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M. Jt750
L PREIS» ARCHITEKT BRÄUNING, TEMPLIN KENNWORT „STADTPARK"
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Oednickt und vetlegt bei Bnwt Waamuth A.-G., Berlin.
WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERLIN
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WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERLIN
Tafel 10.
KIRCHE AM WEIHER
BRÜCKE IM ZUGE DER STRASSE 7
Jahrgang IX
IL PREIS: BAURAT ERNST SPINDLER, BERLIN KENNWORT „HCXM UND TIEF«
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nAHmcIrt iinH v^rli^irt h»i Rrr\«r XA/asmufh A ^ti nAi>ltn_
WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERLIN
Tafel 11.
EIN III. PREIS: ARCHITEKT HENSEL, BERLIN
KENNWORT ,,DIE KRONE VON TEMPELHOF«
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Jahrgang IX
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EIN III. PREIS: ARCHITEKT PROFESSOR SEECK UND GARTENARCHITEKT FREGE
BERLIN UND CHARLOTTENBURG KENNWORT „TEMPELHOF«
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WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERLIN
Tafel 13.
Jahrgang IX
ARCHITEKT STRAUMER, BERLIN KENNWORT „V. KNOBELSDORF*
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Gedruckt und veilegt bei Ernst Waamuth A.-G., Bertin.
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WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERUN
Tafel 14.
Jahrgang IX
ARCHITEKT STRAUMER, BERLIN KENNWORT „V. KNOBELSDORF«
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Ocdiuckt und vetlBft bei Ernst Wastnuth A.-G., Berlin.
WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPÜLHÜPKRTELBn^ERH^
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Jahrg^ang IX
GARTENARCHITEKT HERMANN FOETH UND ARCHITEKT PETER RECHT, CÖLN A. RA
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WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERLIN
Tafel 16.
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j«hrg«ig IX ^) ARCHITEKT ERNST MICHEL, BERLIN KENNWORT: „UND IN POSEIDONS FICHTENHAIN"
b) GARTENARCHITEKT H. WERNICKE, BRESLAU KENNWORT» ,4-ARGHETTO«
WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERLIN
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Jahrgang IX
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GARTENARCHITEKT JOSEF LEIBIG, MITARBEITER HEINRICH HERWEDE, CÖLN A. RH.
KENNWORTt ,3LAUE BLUMEN«
WETTBEWERBSENTWÜRFE ZUM PARKRING AUF DEM TEMPELHOFER FELDE IN BERLIN
Tafel 18.
M. J : 4000
Jahrgang IX
GARTENARCHITEKT WILHELM BOECK, HAMBURG
KENNWORTi „KRAFT UND WISSEN"
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Tafel 20.
Platz aa der ZiegelstraBe. Das vordere Eiozelwohnhaus ist des Oberblicks wegen weggelassen.
Eingang zu den Kleinwohnungen von der HohenzollemstraBe.
Lageplan.
Jahrgang IX
Wettbewerbsentwurf zur Bebauung eines städtischen Geländes in Trier. I. Preis.
Architekt: Dipl.-Ing. Paul Mauder, Trier.
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Gedruckt und verlegt bei Bmst Wasmuth A.-G., Berlin.
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Seestraße in Dresden.
Aufnahme von Architekt Henselmann, Dresden.
Verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
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Tafel 24.
Jahrgang IX
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Domberg in Meißen.
Aufnahme von Architekt Henselmann, Dresden.
Verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
Tafel 25.
Abb. a. Gegenwärtiger Zustand.
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Abb. c. Lageplan nach dem Vorschlage von Baurat Großer.
Jahrgang IX
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Abb. b.
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Zur Umgestaltung des Universitätsplatzes in Breslau.
Architekt: Baurat Karl Großer, Breslau.
Verlegt bei Ernst Wasmuth
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Tafel 28.
Jahrgang IX
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Verlegt bei Ernst Wasmuth
A.-G., Berlin.
Bebauung des Willmannschen Geländes in Berlin-Schöneberg.
c. Vogelschaubild der ganzen Anlage.
d. Blick von der Straße n nach dem Platz 1 — die Straßenführung durch die Erhaltung des alten Baumes bedingt.
Architekt: Stadtbauinspektor Wolf, Schöneberg.
Tafel 29.
Jahrgang IX
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Verlegt bei Ernst Wasmuth
A.-G., Berlin.
Bebauung des Willmannschen Geländes in Berlin-Schöneberg.
Blick von der Straß 2 o durch die Kolonnaden des Bauwichs nach dem gemeinschaftlichen Innenpark des Baublocks V
f. Blick von der Staffelstraße m nach dem Platze 1.
Architekt r.'Stadtbauinspektor Wolf, Schöneberg.
Tafel 30.
Verlegt bei
Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin.
Bebauung des Willmannschen Geländes in Berlin-Schöneberg.
g. Parkanlage auf dem Platz 1 — Wasserbecken von Hainbuchen umgeben.
h. Blick von der Straße 40 nach dem Platz 1.
Architekt: Stadtbauinspektor Wolf, Schöneberg.
Tafel 32
Jahrgang IX
Bebauungsplan der Stadt Bunzlau
I. Preis
Verfasser: Architekten Dipl.-Ing. Siegfried Werner Müller, Halle a. S.
und Dipl.-Ing. A. Max Jacob in Leipzig
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Qedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
Tafel 33
Jahrgang IX
Bebauungsplan der Stadt Bunzlau
I. Preis
Verfasser: Architekten Dipl.-Ing. Siegfried Werner Müller, Halle a. S.
und Dipl.-Ing. A. Max Jacob in Leipzig
1912
Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmutta A.-G., Berlin.
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Jahrgang DC
Bebauungsplan für die Gerne
Architekt: Theo«
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Gedruckt und verlegt bei 1
Tafel 36/37.
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dl Goecke, Berlin.
El Wasmuth A.-G., Berlin.
Tafel 38.
a)
Jahrgang IX
Ansbach: a) Maximilianstraße und Herrieder Tor.
b) Ludwigsplatz und Schloßplatz.
Aufnahmen von Dipl.-Ing. Fr. Reuter, Ansbach.
191a
Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
Tafel 39.
Jahrgang IX
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Ansbach: Oberer und Unterer Markt mit Hubertuskirche.
Aufnahmen von Dipl.-Ing. Fr. Reuter, Ansbach.
Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
Tafel 40.
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Jahrgang IX
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Die Siegesallee in Berlin.
Studie von Br. Schwan, Zabrze O.-S.
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Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
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FRANKFURTER WIESEN IN LEIPZIG
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b)
Jahrgang IX
a) Verfasser: Stadtbauinspektor Paol Wolf, Bcrlin-Schöncberg
Kennwort: „Die Zofcünftgfe suchen wir"
b) Verfasser: Professor Franz Seeck, Stegflitz und Gartenarchitekt Paul Freye,
Charlottenburg
Kennwort: „Leipzig i9 ii**
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Gedruckt und verlecrt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
WETTBEWERBS ENTWÜRFE ZUR AUSGESTALTUNG DER
FRANKFURTER WIESEN IN LEIPZIG
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b)
Jahrgang IX
a) Verfasser: Architekt Fritz Schumann, Dresden-PIauen
Kennzeichen t GD
b) Verfasser: Architekt Georg- Wünschmann, Leipzig;
Kennwort: „Groß-Leipzigf**
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Jahrgang IX
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AUSGEFÜHRTE NORMALGRUNDRISSE FÜR MIETHAUSER
Ergebnis einer Rundfrage der Stadt Aachen
zusammengestellt von Stadtbaurat Bohrer, Aachen.
Gedruckt und verlegt bei Ernst ^asmuth A.-G., Berlin.
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Jahrgang IX
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AUSGEFÜHRTE NORMALGRUNDRISSE FÜR MIETHÄUSER
Ergebnis einer Rundfrage der Stadt Aachen .
zosammengestellt von Stadtbaurat Bohrer, Aachen.
Gedruckt and verlegt bei Ernst ^Tasmuth A.-G., Berlin.
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Tafel 54
Jahrgang IX
1912.
AUSGEFÜHRTE NORMALGRUNDRISSE FÜR MIETHAUSER
ErgfebnJs einer Randfrage der Stadt Aachen
zusammengestellt von Stadtbaurat Bohrer, Aachen.
Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
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Jahrgang IX
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BEBAUUNGSPLAN FÜR LEIPZIG-MÖCKERN
a) Schulhaus an der Völkerschlachtstraße
b) Kirchplatz an der Katzlerstraßc
Arch. Hans Strobel-Leipzig
Gedruckt and verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
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Jahrgang IX
BEBAUUNGSPLAN FÜR LEIPZIG-MÖCKERN
a) Terrasse an der Völkerschlachtstraße
h) Katzlerstraße
Arch. Hans Strobel-Leipzig
1912
Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
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Jahrgang IX
Bebauungsplan für das alte Bahnhofsgelände in Karlsruhe in Baden.
a. Bebauungsplan im Zusammenhang mit der Altstadt, b. Ettlingertorplatz.
Architekt Professor Moser, i. Fa. Curjel & Moser, Karlsruhe in Baden.
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Verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
Tafel 67
a. Westerpark mit Roscninsel
b. Lageplan
Jahrgang IX
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WETTBEWERB DER STADT HAMM: RINGANLAGE
J. Preis. Verfasser: Reg.-Baumeister a. D. Dr.-Ing-, Dondorf f-Hamm,
Architekt Herrn. Neuhaus-Cöln und Gartenarchitekten Rausch & Reinhard-Cöln
Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasinuth A.-G., Berlin.
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Tafel 69
a. Das obere Tor b. Vor dem oberen Tort
c. Der obere Brunnen mit dem Wahrzeichen der Stadt
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Jahrgang IX
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NEUNKIRCH I. D. SCHWEIZ
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Gedruckt und verlegt bei Ernst Vasmuth A.-G., Berlin.
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Tafel 70
a. Lageplan
b. Schaubild des Platzes
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Jahrgang IX
LANDHAUSVIERTEL „FÜNFZEHNERWÖRTH" DER STADT STRASSBURG L E.
Architekten: Dipl-lng. Detert & Ballenstaedt, Straßborg-Neuenheim.
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Gedruckt und verlegt bei Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.
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Städtebau
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