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Beiträge zur alten Geschichte.
In Verbindung mit
Fachgenossen des In- und Auslandes
herausgegeben von
C. F. Lehmann-Haupt, und E. Kornemann,
a. o. Professor der alten Geschichte a. o. Professor der alten Geschichte
an der Universität Berlin. an der Universität Tübingen.
Erster Ergänzungsband.
Mit 3 Tafeln und einer Karte.
ixv^TjMEofi/-
Leipzig
Di et er ich' sehe Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1906.
1 4.*i;at24
;. : : ••: ••: ••• ••: : •; /. •
Inhalt.
Beiheft 1: Kornemann, Ernst, Zur Geschichte der Oracchenzelt.
Quellenkritische and chronologische Untersuchungen.
Beiheft II : Komemann, Ernst, Die neue Liyias-Epitome. (Oxyrhynchus
^ Papyri IV No. 668.) Mit einer Tafel.
Beiheft III: Rostowzew, M., Romische Bleitesserae. Ein Beitrag zur
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit.
Mit zwei Tafeln.
Beiheft lY : Sundwall, Johannes, Epigraphisehe Beiträge z. sozial-poli-
tischen Geschichte Athens im Zeitalter des Demosthenes.
Beiheft V: Giimmerns, Herman, Der romische Gntsbetrieb als
wirtschaftlicher Organismus nach den Werken des Cato, Varro
und Oolumella.
Beiheft VI: Filow, Bogdan, Die Legionen der ProTinz Moesia von
Augustus bis auf Diokletian. Mit einer Karte.
Zur
Geschichte der Gracchenzeit
Qnellenkritische
nnd chronologische Untersuchungen
Ernst Eomemann.
Leipzig
Dieterich' sehe Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1903.
Inhalt.
B«tl6
A, Zur Kritik der Qutlloji 1—42
1. Die lateinischen Bleichte und PJutarch 1—20
n. Die Ännalen des Fauniiuä die gosucbte Primlirqueü«* ..,,., 20 — 37
IIL Die Frage nach den Mittelquellcn 37—42
B, Zur Clironologie ......... 42—53
T. Die «eitliche Folge der Gesetze dm Gaius 42—51
n. Die Datierung der lex Thoria 52—63
Anhang: Die Datierung des Stnmtsht^seliiui&äeft bei .Tuiir|jboä AnL Jud,
Xin 9. 2, 260—265 Niesr' 54-56
A.
Zur Kritik der Quellen.
I. Die lateinigehen Berichte und Plutareh.
Eduard Meyer hat vor einigen Jahren*) die uns erhaltenen Quellen
der Gracchenzeit mit ein paar kräftigen Strichen charakterisiert und ihr
Verhältnis zu einander festzustellen gesucht. Er schliesst mit den
Worten: „In den Grundztigen, in den Angaben über die maassgebenden
Thatsachen stimmen alle drei Berichte aufs beste tiberein, so verschieden
ihr Standpunkt ist. Das giebt uns nicht nur die Gewähr, dass wir in
diesen Dingen auf festem historischen Boden stehen, sondern bringt uns
auch den unschätzbaren Gewinn, dass mr in den Grundlagen unserer
Quellen Berichte erkennen, welche aus den Ereignissen heraus geschrieben
sind und uns unmittelbar in den Kampf und die Auffassung der mit-
einander ringenden Parteien hineinführen In Wirklichkeit sind
die grossen Geschichtswerke dieser Zeit für uns sehr wohl greifbar, auch
wenn wir die Namen ihrer Verfasser nicht kennen." So sehr ich auf
der einen Seite mit dem positiven Teil dieser Ergebnisse einverstanden
bin, ebenso sehr leugne ich andererseits, dass wir uns bei dem im letzten
Nebensatz angedeuteten negativen Resultat beruhigen müssen. Selbst
auf die Gefahr hin, von Seiten der modernsten Richtung in der Quellen-
forschung als Ketzer verschrieen zu werden, wage ich es weiterzugehen
und nach Namen von Autoren für die „sehr wohl greifbaren" Geschichts-
werke zu suchen.
Wie schon die eindringende Kritik von Schwartz^) gezeigt hat, sind
Meyers Ausführungen im vierten Abschnitt (Plutareh und die Römer)
schwächer als in den früheren. Hier, wo Schwartz eingesetzt hat, soll
auch unsere Untersuchung beginnen. Rücken wir einmal die lateinischen
Quellen in den Vordergrund, indem wir zugleich Plutareh immer im Auge
behalten. Denn davSs jene zusammengehören und dieser stellenweise sich
1) Untersuchungen zur Geschichte der Gracchen^ in der Festschrift zur zweihundert-
jährigen Jubelfeier der Universität Halle, HaUe a/S. 1894. Ich zitiere nach einem
Separatabzug.
2) GötHngischc gelehrte Anzeigen 1896 S. 792—811.
KornemAnn, Zar Gheachicht« der Oraochenseit. 1
2 E. Kortiemann,
mit ihnen berülirt, hat Meyer,*) ebenso wie vor ihm schon Nitzsch,^)
richtig beobachtet. Da leider Livius selbst für diese Zeit nicht erhalten
ist, müssen wir unter den Lateinern Ve 1 1 e i u s zum Ausgangspunkt nehmen.
Mit ihm ist vor allem Cicero, der an vielen Stellen seiner Werke auf
die Ereignisse der Gracchenzeit zurückgreift, zu vergleichen. Es zeigen
sich sofort einige höchst bedeutsame Übereinstimmungen:
1. Bei beiden ist das Motiv, das Tiberius zu seiner Ackergesetz-
gebung getrieben hat, der Unwille über die Kassierung des Mancinus-
Vertrags, bei dem er mitge^virkt hatte, d. h. aus der Sphäre des Persönlichen
herausgehoben, der Gegensatz in der spanischen Politik ^ : Vell. II 2 Anfang:
Inmanem dedüio Mancini civitatis movit cUssensionem. qydppe 2'iberius Oracchus
.... quo quaestore et auctore id foedus ictum erat^ nunc gramter ferens aliquid
a 86 pactum infirmari .... deacivit a bonia^ Cic. de fiarusp. resp. 43 : Nam
Tl. Oraccho invidia Numiantini foederis^ cui feriendo quaestor C. Mancini
consulis cum esset interfueratj et in eo foedere improbando senatus severitas
dolort et timon fuit eaque res illum fortem et darum virum a gravitate
patrwm desciscere co'egtt, ebenso Brutus 103: tribunatum^ ad quem ex invidia
foederis Numantini bonis iratus accesser at und Quintilian VII 4. 13; ZU
civitatis movit dissensionem bei Vell. vgl. ausserdem Cic. de rep, I 31 :
divisit populum etc. und Sallust Jug. 41. 10: moveri civitas et dissensio civilis
quasi permixtio terrae oriri coepit. Zu dieser Gruppe gehört ferner die
livianische Überlieferung, vertreten durch Orosius (V 8. 3: Gracchus
tribunus plebi iratus nobilitati, cur inter auctores Numantini foederis notaius
esset), und Dio Cassius 24 frgm. 83. 2, Boissevain 1 327. Endlich hatte auch
die Quelle der Schrift de viris illustribus dieselbe Motivierung gegeben.*)
Dagegen bei Plutarch (7V. Or. 7) ist die Aufhebung des Vertrags nur
der Grund zu einem Zerwürfnis, und zwar, wie ausdrücklich betont wird,
keinem unheilbaren Bruch zwischen Tiberius und Scipio Aemilianus.
Die Ursache zum Auftreten des Tiberius als Gesetzgeber aber liegt auf
einem ganz anderen Felde. Mit der Hervorhebung der agrarischen Not
und der Entvölkerung Italiens als des Grundmotivs für Tiberius tritt
Plutarch (c. 8 erste Hälfte) scharf auf Seiten des Appian (I 7). Schwartz'
Opposition (S. 800) gegen Nieses (Hermes XXIII 413. 2) und Meyers (14)
Ansicht ist verfehlt. Auch Plutarch hat an dieser Stelle, wenn er auch
sonst nicht vom Standpunkt des IraXixdv yivoq schreibt, wie Appian,
ganz Italien im Sinne, das beweisen die Worte am Schluss der ganzen
Auseinandersetzung: tSatt xaxv ti]v 'Irakiav anaaav bhyavdQiag
1) S. 21 ff.
2) Die Gracchen S. 448 : „Im Ganzen steht doch, was uns von ihnen (Livhis und
Velleius) Überkommen, der Darstellung Plutarchs viel näher als der Appians".
3) Über Spaniens Bedeutung für die römische Politik jener Zeit lese man die
trefflichen Ausführungen Meyers S. 22.
4) c. 64 Anfang. Das geht daraus hervor, dass hier im ersten Satz des Tiberius
Teilnahme am Vertrag noch einmal hervorgehoben wird, während die eigentliche
Erzählung des Ereignisses in c. 59 steht.
Zur Geschichte der Gracchenzeü. 3
ilBv&iguip aia&ia&ai.^) Beide genannten Motive sind nebeneinandergestellt
allein bei Florus n 2. 2 — 3 : aet hie sive Manctnianae deditumfa^ qaia Sponsor
foederis fuerat, contagium timens et inde popularis sive aequo et bono ductus^
qtua depulsam agris suis plebem misercUus est^ ne poptdus gentium Victor
orbisque possessor laribus ac focis suis exularet,^
Im zweiten Teil des Kapitels 8 nennt dann Plutarch noch eine An-
zahl Persönlichkeiten, die bei Tiberius, als er Volkstribun geworden war,
den letzten Anstoss zu seinem Auftreten gegeben haben sollen : nach den
einen {oi nkilaroi) der Rhetor Diophanes von Mitylene und der Philosoph
Blossius aus Cumae, nach anderen (i^vioi) die Mutter Cornelia, oder end-
lich (&kkoi) Spurius Postumius. Dagegen wird eine Schrift des Gaius
Gracchus zitiert, worin dieser nachgewiesen hatte, dass dem Tiberius schon
der Anblick der Verödung Etruriens bei der Reise nach Numantia den
Gedanken zur Reform eingegeben habe. Die an erster Stelle stehende
Version (ol nkelaToi) lesen w^ir, was den C. Blossius angeht, auch bei
Cicero Laelhis 37 in den Worten: non enim paruä äle (Blossius) 7V.
Oracchi temeritati sed praefuit nee se comüem tUius furoris sed ducem
praebmt^^) und Diophanes von Mitylene wird Brutus 104 als Lehrer des
Tiberius genannt. Diese Version entstammt also vielleicht derselben Quelle,
auf die die übrigen Übereinstimmungen zwischen den Lateinern und
Plutarch zurückgehen.
2. Bei Velleius TI 3. 1 wird scharf betont , dass P. Scipio Nasica
zum Kampf gegen Tiberius aufrief als privatus et togatus, und geradeso
vergisst Cicero, der die That ein halbes Dutzend Mal erwähnt (in Catil
I 3, pro Plancio 88, de domo 91, Brtttus 107. 212, de off. I 76, Tusc. IV 51)
niemals den Zusatz privatus, wenn er auch, wie in Catil. I 3 oder Tusc.
IV 51, den P. Scipio als pontifex maanmus bezeichnet. Hierin hat offen-
bar Velleius einen Widerspruch zu entdecken gemeint und den Zusatz
gemacht : ob eas virtutes primus omnium absens pontifex maximus f actus est.
Damit dokumentiert er nur seine Unkenntnis im republikanischen Staats-
recht; denn der pontifex maximus hat keine Beamtenqualität, ist vielmehr
„dem Beamten gegenüber jedem anderen Privaten gleichgestellt".*) Wie
die Zusätze privatus bezw. privatus et togatus aufzufassen sind, zeigen
Cicero an der erwähnten Stelle der Tusculanen: ipse privatus, ut si
consul esset und Valerius Maximus in 2. 17, wo Nasica bei den Senats-
1) AUerdiDga scheint Appian oder seine unmittelbare Vorlage den Grundgedanken
der Urquelle einseitig weiterverfolgt zu haben, Schwartz S. 802.
2) Die letzten Worte stammen aus der Rede des Tiberius, die Plutarch c. 9 am
Ende zitiert.
8) Allerdings hier im Anschluss an das Verhör, das Laelius nach der Er-
schlagung des Tiberius mit Blossius anstellte; dieses Vorhör auch bei Val. Maximus
IV 7. 1 und Plut. Tiberius 20; an letztcrem Orte stellt aber Scipio Nasica die Fragen.
Nitzsch (Gracchen 829. 8) hat mit Recht betont, dass bei Plutarch die jüngste Version
vorliegt.
4) Mommsen, Staatsrecht IP S. 21.
!♦
4 E. Komemann,
Verhandlungen im Fidestempel, als der Konsul Mucius Scaevola entgegen
dem Willen der Mehrheit die Anwendung von Waffengewalt ablehnt, sich
so ausspricht: Qtwmam consul dum iuris ordmem sequäur id offä ut cum
Omnibus legibus Bomcmvm imperium corruat, egomet me prtvatus voluntaH
vestrae ducem offero. Darauf wickelt Nasica den Zipfel der Toga um den
linken Arm (Velleius), bezw. die linke Hand (Valerius Maximus) und
bricht mit dem Rufe : qui scdvam vellent rem publicum se sequererUur (VelL,
Val. Max., Cic. 7Wc., entsprechend Appian I 16 und ähnlich auch Plutarch
Ti, 19) gegen Gracchus (in Oracchum stantem in area cum ccUervis suis:
Velleius) los. Nasica befand sich also in dem Augenblick, da er seinen
Alarmruf erhob, im Tempelhof (Velleius sogar: ex superiore parte Capäolii
summis gradibus insistens, der Auctor ad Herennium IV 55. 9 sagt fälsch-
lich: evolat e templo Jovis)^ und die Gracchaner werden vom Jupiter-
tempel hinweggedrängt. Tiberius flieht und wird beim Hinablaufen vom
Kapitol auf dem clivus Capitolinus mit einem Stuhlbein erschlagen
(Velleius: fugiens decurrensque clivo Capitolino fragmine subsellii
ictus vitam finivä, Orosius V 9. 2 mit mehr Detail: Gracchus per
graduSj qui sunt super Calpumium fomicem, deiracto amiculo fugiens
ictus fragmento subsellii conruü rursusque adsurgens alio ictu clavae
cerebro inpactae exanimatus est), Aucli was das Togographische angeht,
rücken alle Lateiner, wie Hülsen nachgewiesen hat,*) eng zu einander.
Der Kampf entspinnt sich auf der area des Kapitols und endet auf dem
clivus Capitolinus; es ist ein Kampf von oben nach unten.^)
Schärfer als irgendwo anders tritt hier die Relation des Appian und
Plutarch der eben behandelten gegenüber. Nach der Versammlung im
Fidestempel geht es seitens der Senatoren aufwärts zum Kapitol
(App. I 16: kq x6 KaTtirdliov av^effav, Plut. 19: avkßaivov im rov
TißiQiov), an der Spitze steht P. Scipio Nasica 6 fiiyiarog agxtBQBvg
keyouBPog (App.).'^) Nach dem Alarmruf (App., Plut. s. o.) zieht er den
1) Festschrift für IL Kiepert S. 212.
2) Hülsen hat diese QueUengruppe zum ersteu Mal zur EnUcheidung der Kontro-
verse über die Lage des Fidestempels beigezogen (a. a. 0. S. 212). Richter dagegen
stützt sich einseitig auf Appians Bericht (Hermes XVIII S. 115 f. und Topographie^
S. 128. 4) und ignoriert alle übrigen Quellen, selbst in seiner nach Hülsen erschienenen
Arbeit: Beiträge zur römischen Topographie: II. Capitolium und Clivus Capitolinus^
Beilage zum XIII. Jahresher. des Kgl. Prinz HeinricIts-GymnasiumSj Berlin 1903 S. 22 f.
Ich möchte hier nur bemerken, dass ich Mommsens (Bull. d'eU. Institut. 1845 S. 124 f.
vgl. CIL. III Suppl. p. 2035) und Hülsens Ansicht, wonach der Fidestempel auf der
area Capitolina zu suchen ist, für hinlänglich gesichert halte. Mein unten folgender
Nachweis, dass ein so hervorragender Zeitgenosse wie Fannius in den uns erhaltenen
lateinischen Quellen zu Grunde liegt, wird hoffentlich weiter klärend wirken.
3) Auch nach Plutarch war, wenn es auch an der eben in Betracht kommenden
Stelle nicht ausdrücklich gesagt wird, Nasica schon vor dem Weggang aus Italien
pontifex maximus:, da« beweist Ti. Gr. 21: ovtco iilv vTrh^fild-s rijg 'ItaXlag 6 Naaixäg,
xalntQ iv&s&tiitvog Talg fify/ffTaiff ItgovQYlccig ' fjv yuQ ö ybifiatog naX ngiatog rvbv Isg^onv.
Darf Ed. Meyer bei dieser Übereinstimmung der Quellen behaupten (S. 19 A. 1):
Zur Geschichte der Graccheneeit 5
Saum seiner Toga über den Kopf (App.: to xgccamSov rov
ifiariov ig rr/v xifpalr^v nsgi^gvöaTo j Plut. fast wörtlich ebenso: ro
xgdaneSov rov Ifiarlov &ifievog ini rijg xa^paA^), während ihm
die Senatoren folgen, nach Plutarch, indem sie ihrerseits die Toga um
die Hand winden (s. o. Velleius und Val. Max.). Als man oben ankommt
(App. nochmals: avBl&ovri kg t6 iigdv), weichen die Gracchaner vor
Nasica zurück tl^ xar' a^iwaiv dvdgi dgiatq). Dasselbe Faktum kon-
statiert Plutarch mit den Worten: ovSevog kviaxapiivov ngog to dl^iwfia
Twv avdgwv, also mit dem Unterschied, dass was dort von Nasica allein
gesagt ist, hier auf die (Gesamtheit übertragen wird (vgl. App., der nach
den obigen Worten fortfährt xal rr)v ßovXi^v Sfia ol &eatgoi)vTeg iniovoav).
Man sieht deutlich, hier ist die ganze Darstellung auf das Faktum, dass
der Oberpriester führt, komponiert. Während bei den Lateinern das
Priesteramt des Nasica ganz aus dem Spiel gelassen wird, ist es bei den
Griechen gerade die Würde des pontifex maxtmiLs, die man in den Vorder-
grund schiebt. Nur so kann ich mir das Hinaufziehen der Toga über
den Kopf erklären : diese Massnahme, für welche Appian sclion vergeblich
eine Erklärung gesucht hat, und die alle Neueren nicht genügend be-
achten,^) ist nichts anderes als die Herstellung der Priester-
tracht.-) Unter Führung des pontifex mctximus ein Sturm der Senatoren
auf das Kapitol hinauf, ein Kampf von unten nach oben: das ist in
doppelter Beziehung eine den lateinischen Berichten durchaus entgegen-
gesetzte Darstellung. Nun aber trennen sich die Wege von Appian und
Plutarch. Bei Appian werden zwar die Anhänger des Tiberius verfolgt
(sie fliehen also) und werden die Abhänge des Kapitols hinuntergestürzt,
dagegen Tiberius selbst fällt, Blkovfuvog negi t6 Ugop, an der Thür des
Jupitertempels nagd rovg xwv ßaaiXiiov avögidvxag (dazu Vgl. man den
Auetor ad IIei\ a. a. 0. 20 : neque tarnen locum^ in quo constiterat^ reUnquenti
sc. Graccho), während Plutarch sich den lateinischen Quellen nähert, ohne
allerdings in allem mit ihnen übereinzustimmen. Wie dort flieht
Tiberius, und zwar wie bei Orosius in der blossen Tunika, er ^ird von
einem Stuhlbein getroffen (s. Vell. und Orosius), und es bedarf ooch eines
zweiten Schlages, um ihn zu töten (s. Orosius). Dagegen lässt Plut.
„Appian bezeichnet ilin fälschlich bereits als pontifex maximus, was er erst nach
Crassus Tode wurde"? •
1) Meyer S. 19.2: ,,Appian zerbricht sich unnötig den Kopf, um diesen sehr
natürlichen Vorgang zu erklären. Um das Kapitol hinaufstUrmen zu können, muss
man die Beine frei haben ; zugleich dient die um den Kopf geschlagene Toga zum
Schutz". Wenn es nur galt, die Beine frei zu bekommen, konnte N. die Toga wie
seine Begleiter auch um den Arm wickeln: das ist doch viel natürlicher und gab
zugleich die Möglichkeit, die Toga als Schild zu gebrauchen. Damit ffUlt auch das
»weite Argument Mejers.
2) Über diese Tracht Marquardt-Wissowa, Staatsverw. III S. 176 m. A. 6,
Wifisowa, Religion und Kultus der Bömer S. 838 A. 1, S. 429, MarquardtMau, Privat-
leben S. 562 (mit Fig. 6 S. 661).
6 E. Korn/mann^
Tiberius über Leichen stürzen und dann beim Aufstehen zusammen-
gehauen werden, bei Orosius wird er durch den ersten Schlag mit dem
Stuhlbein zu Fall gebracht.^) Die Angabe der Örtlichkeit, wo der Tod
erfolgte, fehlt bei Plutarch; die Erwähnung der Flucht des Tiberius
weist aber auf die Version der Lateiner hin. Dafür hat Plutarch die
Namen der Männer, welche die beiden Schläge führten (Publius Satureius,
ein Kollege des Tiberius, und Lucius Rufus). Endlich sagt Plutarch, dass
über 300 bei der „Holzerei" {^vloig xai Xi&oig avyxonivTeg, aidi]Q(p Si
ovSsig) fielen, während Orosius nur 200 Getötete angiebt
Hier also haben wir ein typisches Beispiel der Quellenverhältnisse:
auf der einen Seite die Lateiner, auf der anderen Appian, dazwischen
Plutarch, bei dem die Quellen der beiden Berichte kontaminiert, dazu
vielleicht noch andere Quellen mit biographischem Detail verarbeitet sind.
3. Den bekannten Ausspruch des Scipio Aemilianus: Tt\ Oracchum
iure caesum esse führen ausser Velleius (U 4. 4 hier mit dem Vordersatz:
si is occupandae rei pviUcae ammum habuisset) und Cicero (de orcU. II 106,
pro Mil 8) auch alle übrigen lateinischen Quellen an: Livius Epä 59,
Val. Max. VI 2. 3, Pseudo -Victor de vir Hl 58, die beiden letzteren, indem
sie wie Velleius daran eine zweite Äusserung des Scipio gegen die Massen :
Taceant quibus Itaita noverca e3t, anscliliessen. Dieses letztere Dictum allein
berichten Plutarch Apopkteg, Scip. Min. 22. 23 und Polyaen VIII 16. 5.
Livius giebt als Anlass, bei welchem das Wort iure caesum esse gefallen
sei, eine Kede des Scipio gegen die Rogation des Volkstribunen Papirius
Carbo auf Einführung der Iteration des Volkstribunats im J. 623/131.*)
Damit lassen sich alle übrigen lateinischen Quellen vereinigen, die aller-
dings den Ausspruch auf eine Frage des Carbo gethan sein lassen. Aber
dieser konnte sehr wohl innerhalb seiner Rede den Scipio apostrophiert
haben. ^) Dagegen Plutarch verlegt die zweite Äusserung in den Streit
über die Jurisdiction der Triumvim, in dem Scipio für die Interessen der
Bundesgenossen eintrat und die Rede contra legem iudicidriam Tiberii
Oracchi hielt (Liv. Epit. 59, Cic. Laelius 12, de rep, VI 12, Scliol Bob. in
Cic. pro Mil p. 283, Macrobius Sat HI 14. 6, dazu Mommsen, Rom. Gesch.
n » 99 Anm.), also unmittelbar vor seinen Tod (633/129). Schwartz (795) ver-
mutet, dass der Anspruch taceant etc. ursprünglich für diesen Zusammen-
hang, in dem Scipio der Beschützer der §chten Italiker ist, bestimmt war,
nicht für den Streit wegen der papirischen Rogation, die Rom, aber
nicht Italien anging. Diese Vermutung, die im ersten Augenblick besticht,
ist zurückzuweisen. Plutarch erzählt nämlich noch an einer zweiten
Stelle (Ti. Gr. 21 am Ende) den Hergang im allgemeinen, ohne die Dicta
selbst anzuführen, indem er für die Einzelheiten auf die verlorene
1) Schwartz S. 808.
2) Meyer verlegt das Ereignis irrtOmlich ins Jahr 180 (19. 3 und 26. 2).
3) Anderer Ansicht ist Schwarte (S. 794), welcher drei Versionen annimmt.
Zur Geschichte der GraccJwnjgcit. 7
Biographie des Scipio verweist. Hier stellen ol n^gi Fdiov xal ^ovXßiov
in der Volksversammlung die Frage, ri q>Qovohi mgl tijg Tißtgiov x^Xivt^q^
worauf Scipio sein Missfallen über dessen politische Thätigkeit ausspricht.
Als dann das Volk, was es sonst nie gethan hatt^, ihm gegenüber seine
gegenteilige Ansicht kundgiebt, lässt jener sich zu einer beleidigenden
Äussenmg gegenüber der Ma^sse liinreissen {avrog di x6v Sijfiop bIubIp
xaxwg ngorixf^n)' Hieraus ergiebt sich, dass auch Plutarch in der Lebens-
beschreibung des Scipio die beiden Aussprüche bei e i n e r und derselben
Gelegenheit erzählt hatte, allerdings bei einer anderen als die Lateiner,
nämlich gelegentlich einer Volksversammlung, in der Gaius und Fulvius
die Leitung der Gracchaner hatten. Eine Trennung der Aussprüche ist
also nicht möglich , entweder sind sie beide im Jahre 131 oder beide 129
gefallen. Nun ist zu beachten, da^s bei den Lateinern sowohl wie bei
Plutarch auch Gaius (Tracchus als Gegner des Scipio erscheint. Von einem
Auftreten des Gaius im Jahre 129 wissen wir wenig,*) dagegen ist es bekannt,
dass er im Jahre 131 eine Rede gehalten hat, ut lexPapiria acdpiatur^ aus der
uns mehrere Fragmente erhalten sind: Charisius p. 116. 119. 132. 143 L.
H. Meyer, Orot, Rom. fragm.- p. 192 f. Aber noch mehr als das: in einem
dieser Fragmente ((.)har. p. 143) kommt (^aius auf den Tod seines Bruders zu
sprechen: Peasimi Ttberium, fratrem meum Optimum, mterfecerunt. In dem
Kedekampf um die papirLsche Rogation ist also der Tod des Tiberius, der
ja durch den Versuch die Wiederwald zu erzwingen herbeigeführt wurde,
naturgemäss erörtert worden. Hierher passt also vorzüglich das Wort
des Scipio: Tiberium iure caeaum esse. Weiter: die Rede de^ Carbo wird
bei Cicero Laelius 96 mit den Worten charakterisiert: QtUbus blanditiia
C. Papiriua nuper influebat in aurea contionis ! die des Scipio aber : Quanta
iUay di immortaleSy fuit yravitas, quanta in oratione maiestas! ut facüe
dueem populi Romanik non comitem diceres. Bei die^^er Charakteristik wird
man also beruhigt auch das stolze Wort von der noverca Italift lüerher-
ziehen dürfen, ja auch die von Plutarch weiter hinzugefügten noch
stolzeren Worte, die auf den Ruf der Gracchaner xrelvai rov Tvgavvov
erfolgten: oi tfi natgidt nokifiovvTBg ifii ßovXovxai ngoavikelp, ov yag
oXov T€ xi]V *P(iifii]v maup JSxinlwvog iaxwxog^ ovSk ^rjv 2!xini(ava rrjg
*Pvif4fjg ni(Tovar^g, vielleicht für authentisch erklären. Ich behaupte also,
die Aussprüche des Scipio, die die lateinischen Berichte geben, am voll-
ständigsten Velleius, gehen auf m\e gute Quelle zurück, welche di(»selben
aus einer gegen die papirische Rogation gehaltem»n Rede des Genannten
voll gravitaa und maiestas entnahm. Nicht nur die Rede des Scipio
{Ixielius a. a. 0.: est in manibus oratio) , sondeni auch diejenigen des
Carbo (Cicero Brutus 104: Nam et Carhonis et (Tiberi) Qracchi habemus
orationes nondum satis splendidas verbis , sed acutas prudentiaeque j^l^^issi-
1) Meyer (19. 3) zieht hierher die Worte bei C'ic. Laelius 39: At vero Ti.
Gracchum sequebantur C. Carba ^ C. Cato et tninime tum quidem Gaius f rater, nunc
idem acerrimua.
8 E. Kornemann,
mas) und die des C. Gracchus (vgl. die oben angeführten Fragmente aus
der Rede des Gaius) waren erhalten. Cicero, Livius und die übrigen
Lateiner ergänzen und stützen einander gegenseitig; wo der Bericht des
Plutarch abweicht, ist er zu verwerfen.^) Appian übergeht leider die
ganze Sache. Hier taucht C. Gracchus erst auf (121), als er sich um
das Volkstribunat bewirbt, und es wird ausdrücklich gesagt: kg noi^v
fiiv riovxctoag knl rp rov aSiXtpov avfi(pog^j womit der Anfang der
Gaius -Vita des Plutarch vorzüglich übereinstimmt: Faiog 8i Fgdyxog kv
&QX^ fiiv jj deSiofg vovg kx^Q^^S ^ (p&ovov avvayaiv in avtovg vn$^iaTtj re
Ttjg ayogag xai xa&' iavrov r^cvxiccv tx^^ diiTQißev, wg £v rig iv r«
T(p nagovTi ranuvu ngarriov xal t6 Xotnov ovrwg angayfiovtag ßKaao-
(levog, wate xal Xoyov rial xa&^ avxov nagaüx^lv^ «S Svüx^gaivovxog xai
ngoßißXtifUvov r^ tov Tißtglov noXndav,^) Abgesehen von der Er-
wähnung einer Rede für seinen Freund Vettius weiss Plutarch an dieser
Stelle nichts von seinem Helden vor dessen sardinischer Quaestur zu be-
richten und er bemerkt, dass Gaius mit der Entfernung aus Italien ganz
zufrieden gewesen sei, weil es ihm vor der politischen Laufbahn und der
Rednerbühne graute (rijv nokireiav xal t6 ß^fia tpglTTwv). Plutarch
dehnt also die Ruhepause bis zur Quaestur aus und betrachtet auch die
Thätigkeit in Sardinien zunächst mehr vom militärischen als politischen
Standpunkt (am yag wv nole/iixog xal x^^ov oiSiv ngog axgaxtiag tiaxti-
fiivog i} dixag). Das steht nicht nur seinen eigenen Ausführungen im
Tiberius und im Scq)io minor, die wir eben betrachteten, sondern auch
Cicero und Livius, also den Lateinern, diametral entgegen. Wir sahen,
im Jahre 131 hielt Gaius bereits seine politische Jungfemrede gelegent-
lich der papirischen Rogation, im Jahre 129 lässt Cicero') den Laelius
von ihm sagen: rnmc idem acerrimua, im Jahre 126 bekämpft er als
Quaestor das Vorgehen des Pennus gegen die Peregrinen (Cicero de off.
m 47, Brutus 109, Festus p. 286, H. Meyer, fragmerUa « p. 229). Wieder
stehen die lateinischen Quellen den griechischen gegenüber, aber wir können
hier zum ersten Male bei den letzteren liinter die Kulissen schauen. Plutarch
beruft sich Garns 1 Ende auf Cicero {de div. I 56), welcher nach Coelius
Antipater von einem Traume des Gaius berichtet, worin ihm sein Bruder
Tiberius erschienen sei und ihn zur Bewerbung um die Quaestur auf-
gefordert habe unter Hinweis auf seinen Tod, der dem Bruder in gleicher
Weise bevorstehe. Dazu fügt Cicero die Bemerkung: Hoc, ante quam
tribunus plebi C. Gracchus factus esset, et se audisse scribit Coelius et illum
dixisse multis. Aus Cicero schöpft ebenso wie Plutarch auch Valerius
Maximus (I 7, 6) diese Erzählung. Die Ansicht, dass Gaius mit Wider-
streben wenigstens in die Ämterlaufbahn eingetreten sei, reicht also in
1) Meyer (26. 2) behält also gegen Scbwartz (794f.) Recht.
2) Dazu auch c. 1 Ende unter Berufung auf Cicero (dt div. I 56); über die Stelle
vgl. oben im Text.
8) Ladiua 89. Dazu oben S. 7 Anm. 1.
Zur Geschichte der Gracchetufeit 9
die eigne Zeit desselben hinauf. Schwartz (795) macht auch auf die
Worte in der Rede de legibus promulgatis (p. 234 Meyer) aufmerksam :
si vellem apvid vos verba facere et a vobis postulare tU pcUeremmi
hoc tempore me quiescere .... haud scio an luberUäms a vobis
impetrcissem , woraus hervorgeht, dass Gaiiis sein Thätigsein als vom
Wunsche des Volkes bestimmt hinstellt, wenn auch dem Agitator ein-
mal ein Ruhebedürfnis kommt. Das Schicksal und den Willen der Massen
hat demnach Gaius gelegentlich als die Faktoren bezeichnet, durch die er
nicht zur Ruhe gekommen ist. Daraus ist die Legende entstanden, Gaius
habe wirklich eine Zeitlang Ruhe gehalten.') Man sieht hier deutlich,
wie die Tradition weitergebildet worden ist. Cicero hat die Erzählung
vom Traume absolut noch nicht mit der Angabe von der Abstinenz des
Gaius gegenüber der Politik vereinigt, er gerade bietet vielmehr an
anderen Stellen die Nachrichten über die frühe politische Thätigkeit des-
selben. Bei Plutarch dagegen dient die Erzählung direkt zum Beweise
des langen Ruhehalteus.
4. Bezüglich des Todes des Scipio Aemilianus führt Velleius zu-
nächst (n 4. 5 u. 6) drei seiner Ansicht nach offenbar feststehende
Thatsachen an:
a) ut quaedam elisarum faucium in cervice reperirentur notae
b) nulla habita est quaestio
c) eixAsque corpus veUUo capite elcUum est.
Damit zeigt er, dass seine Quelle zur Annahme eines gewaltsamen
Todes neigte. Folgende Schriftsteller stimmen mit ihm in diesen Punkten
überein:
ad a) Scfiol Bob. in Mil p. 283 Or. : m eiusque faucibus vestigia
Uvoris inventa sunt, Plutarch C. Gracchus 10 unter Berufung auf die vita
des Scipio minor und Bomulus 27.
ad b) Cic. pro Mil 16. Liv. J^. 59. Plutarch C. Gr. 10. Plinius
K H. X 123.
ad c) Pseudo -Victor de vir. ill. 58: obvoluto capite elatus ^ ne livor
in ore appareret.
Dagegen haben wir die entgegengesetzte Überlieferung:
ad a) Appian 120: vixgog &vbv rgav/iarog riVQi&rj.
ad b) Ebda., insofern wenigstens, als auf Aussagen von Sklaven
Bezug genommen wird.
ad c) Plutarch Äomu/i« 27 : xairoi JSxtjnlwv ixBiro vexgog k fi(p a v rj g
iSiiv natfi, X. T. i.; bei Appian steht nur die Bemerkung: xai ov8i
drjfioalag Tacpijg ^|/otro.
Auch hier wieder das alte Verhältnis: die Römer auf der einen,
Appian auf der anderen Seite, Plutarch bald hier bald dort.
1) Schwartz bezeichnet nur die Worte aus der Rede als die Wurzel der Tradition.
Das halte ich für zu weit gegangen, zumal ich, wie sich unten zeigen wird, diese
Rede anders datiere als Meyer und Schwartz.
10 JS. Kornemann,
Die Frage, ob ein natürlicher oder gewaltsamer Tod vorlag, ist vom
ersten Moment an erörtert worden. Nach Valerius Maximus (IV 1. 12)
stürzte Metellus Macedonicus, obwohl er mit Scipio verfeindet war, auf
die Kunde von dessen Tod auf die Strasse mit dem Rufe: Concurrüe,
concurräe, cives, moenta noatrae urbia everaa sunt Sc^ioni enim Africano
intra suos penates quiescenti nefaria vis allata est] dazu stimmen
die Worte Ciceros {pro Mä. 16): quantum luctum in hoc urbe fuisse a
nostris patribus accepimuSy cum P, Africano datni suae quiescenti illa
nocturna vis esset illata; vgl. de fato 18: sie si diceretur: ^^morietwr
noctu in cubiculo suo vi oppressus Scipio^ ^ vere diceretur. Die Ansicht,
dass ein Tod infolge von Krankheit vorliege, vertrat Ladius in der
Leichenrede, die Q. Fabius Maximus dem Scipio hielt: Schol Bob. in
Cic. pro Mil p. 283 Or.^ Die Urquelle der Lateiner hat also offenbar
schon die beiden Ansichten nebeneinander gestellt und eine definitive
Entscheidung darüber, ob natürlicher oder gewaltsamer Tod vorlag,
nicht gegeben, sondern nur einige Momente hervorgehoben, die den Ver-
dacht eines Mordes hervorriefen: daher Velleius a. a. 0.: seu fatalem^ ut
plures, seu confiatam insidiis^ ut aHqui prodidere memoriae, mortem obiä
und Plutarch Romxdus 27 in einer schon weitergebildeten Version, d. h.
mit Hereinnahme der Bei Appian zu Tage tretenden Quelle (Selbstmord
oder Erstickungstod infolge nächtlichen Überfalls durch Uvoi): oi fiiv
avTOfiarwg ovta (fV6H voaoJSrj xafAÜv Xiyovaiv, oi ö^ avtov v(p' iavrov
(pagfidxoig ano&avBiv oi Si rovg kx^Q^^ ^V^ ccvanvorjv anokaßeiv avrov
vvxTuiQ naQSurneaovras,
Die zweite Frage ist, ob die Urquelle, die wir zu erkennen glauben,
für den möglichen Mord auch schon einen Verdacht über den oder die
Thäter geäussert hat. Da ist nun auffallend eine seltsame Ein-
stimmigkeit, vor allem bei den lateinischen Quellen, in einer Richtung,
dass nämlich ein Verwandtenmord vorliege, Qc. de rep. VI 12: si im-
pias jn-opinquorum manus effugeris , dazu Laelius 41 (s. Anm. 1), de not,
deor, in 80, jedesmal ohne Nennung bestimmter Namen. Dagegen wird die
Gattin Sempronia, die Schwester der Gracchen, als die Thäterin geiiannt
in der livianischen Überlieferung, Liv. Epü. 59 und Orosius V 10. 10;
dazu tritt C. Gracchus in den Sckol Bob. a. a. 0.,*) vgl. auch Plut.
C. Gr. 10 (darüber unten), und Cornelia als Anstifterin bei Appian I 20.
Auch hier zeigen sich wieder deutlich die verschiedenen Schichten der
1) Damit vergleiche man aber, waa Cicero ihn sagen lässt: Laelius 12, quo de
genere mortis difficile dictu estj quid homines suspiceniur videtis und ebda 41: Hunc
(i. e. Tiberium Gracchum) etiam post mortem secuti amici et propinqui quid in
P. Scipione e/fecerint sine lacrimis non queo dicere. Wenn diese Stellen auf eine
historische QueUe zurückgehen (darüber unten), so hat Laelius offenbar auch nicht an
einen natürlichen Tod geglaubt, sondern dies nur als offizieUe Version an der Leiche
in die Welt hinausgegeben, um beruhigend zu wirken.
2) Diese Schollen bedürfen einmal einer eingehenden Untersuchung auf ihre
QueUeu. Sie zeigen nahe Berührung mit der livianischen ÜberUeferung.
Zur Geschichte der Gracchcnsdi. 11
r\\
Tradition. Die Urquelle hat wahrscheinlich einen Verdacht, wenn über-
haupt, nur in der vorsichtigen Form, die Cicero andeutet, geäussert; die
Namen haben erst die Späteren hinzugebracht. Zwei weitere Ver-
dächtigungen mit Namennennung bewegen sich in ganz anderer Richtung,
nämlich gegen politische Gegner, 1) gegen Papirius Carbo, so Ciassus im
J. 119 bei Cic. de arcU. H 70 nur: P. Africani necia socius, Pompejus bei
Cic. ad QumL fr. IE 3. 3 bereits: qtmm C. Carbo irUei-emüsety Cicero selbst
ad fatn. IX 21. 3 vorsichtiger: Gaius (Carbo) . . . P. Africano vim
attuliaae exiatimatua eat,^) 2) gegen Fulvius Flaccus bei Plutarch
G. Oracchua 10 aus der vita Scipiania, wobei allerdings auch von Verdacht
gegen Gaius Gracchus gesprochen wird.
Zu der nahen Berührung des VeUeius mit Cicero giebt die ab-
schliessende Würdigung des Scipio noch einen interessanten Beitrag. Mit
den Wollen des VeUeius: poat duoa conaulatua duoaque triumphoa et hia
exciaoa terrorea rei puhlicae Vgl. man Cic. pro Murena 58: bia
conatd fuercU P. Africanua et duoa terrorea huiua imperii . . . .
deleverat und de rep, I 71: duobua huiua urbia terroribua
depulaia.
5. Bei der Charakteristik des C. (jracchus hebt VeUeius (II 6. 1) hervor,
dass derselbe seinem Bruder an ingenium und eloquentia bei weitem über-
legen gewesen sei, womit Cic. Brulua 125 u. 126 zu vergleichen ist:
Quam nie facüe tali ingenio diutiua ai vixiaaet^ vel patemam easet vel
avitam glariam consecutua. Eloquentia quiclem neacio an habuiaaet parem
neminem j weiter de har, reap. 41, de or, 1 154, Äuctor ad Herennium IV 1. 2.
Bei liivius Epit, 60 heisst es kurz : eloquentior quam frater. Im Gegensatz
dazu steht die Vergleichung der beiden Brüder bei Plutarch 7V. Gr. 2,
wo Gaius nicht sonderlich höher gestellt wird. Näher kommt Plutarch
den Römern schon C. Gr. 3 mit den Worten laxvwv r« r^ Xfyaiv tlg akkog
ovdtlg (s. oben Cicero).
Über die Motive des Gaius sagt VeUeius (II 6. 2): vel vindicandae
fraternae mortia gratia vel praemuniendae regalia potentiae etuadetn
exempli tribunatum ingreaaua. Das erste Motiv giebt auch Cicero BrtUua 126,
de haruap. resj). 43, ein wenig anders Plut. C. Gr. 3 im Änschluss an die
eben zitierten Worte: xai rov na&ovg avx^ naggrjaiav noXXrjv SiSuvrog
avaxlaiofiivq) rov adiX(f6v. Was das zweite Motiv betrifft, so weise ich
hier nur darauf hin, dass Vell. 6. 4 den Fulvius Flaccus, conaularem ac
triumphalem virum, entsprechend als aociua regalia potentiae bezeichnet,
während bei Livius Epit. 61 von dem conaularia aociua eiuadem furoria
geredet wird. Im übrigen komme ich später auf diese Sache zurück.
6. Über die Katastrophe des Gaius hat VeUeius leider einen sehr
kurzen Bericht (6, 5 — 7). Es fehlt bei ihm sowohl wie bei Cicero Aiv
ganze Szene auf dem Kapitol. Von den Römern stehen nur Orosius
1) Schwartz 794, vgl. auch C. NeumanD, Gesch. Borns während des Verfalls der
Bep. 1 S. 219f.
12
E. Kornemann^
(V 12. 5) und Pseudo -Victor 65 zur Verführung, die aber wiederum mit
Plutarch (c. 13) zusammen eine Gruppe bilden, welcher Appian und
Diodor, die sich sehr nahe kommen, gegenüberstehen.^)
Mit dem zweiten Tage, dem eigentlichen Tag der Katastrophe, 2) setzt
Cicero wenigstens ein. Er sowohl (m Catil 1 4, Phil Vm 14, de orat 11 132,
de domo aua 102) wie Livius (Ep. 61) und Plutarch (c. 14) erwähnen das
senatua consuUum uUtmum, während Appian dieses hochwichtige Faktum
übergeht. Nach Pseudo -Victor (65) wird nur C. Gracchus vor den Senat
geladen, bei Appian (126) Gracchus und Flaccus. Daraufhin ruft der
Konsul Opimius die Senatoren und Ritter zu den Waffen. Die zuletzt
genannten werden aufgefordert. Mann für Mann mit zwei bewaflftieten
Sklaven zu erscheinen: Plutarch c. 14. Zu dieser Thatsache hat
Meyer (30) sehr glücklich die Wort^ des Sallust Jugurtha 42. 1 über
die römischen Ritter : quos apes aocieioMs a plebe dtmoverat, herangezogen,
woraus hervorgeht, dass inzwischen die Ritter vom Senat gewonnen
worden waren. Unterdessen besetzen die Gracchaner den Aventin (Vell.,
Cic, Liv., Gros. V 12. 5, Plutarch 15, Appian I 26), bei Velleius, Orosius
und Plutarch geführt von Flaccus, während derselbe bei Appian erst an
zweiter Stelle genannt wird. Zunächst bleibt dann auch femer die Über-
einstimmung des Orosius mit Plutarch, welch' letzterer aber viel Aus-
schmückung im einzelnen hat, stellenweise auch mit Appian:
Orosius
V12. 6
Flaccus duohus fiUis
armatis cinctus comitante
etiam Graccho iogato
brevemque gladium
8uh ainiatra occul-
tantCf
quamvis et praeconem frus-
tra praemisisset qui servos
ad Uhertatem vocaret,
Dianium tamquam
arcem occupavit.
Plutarch
c. 15.
Flaccus bewaffnet
sich mit seinen Leuten
(nach wüst durchschwärm-
ter Nacht!), und zwar mit
Waffen aus der gallischen
Beute.
*0 dk rdiog ÖTtXicaö^ai
Ithv oi^x ifi'iXricsVf &XX*
müTteff eis icyoqciv iv xr^-
ßivVtp TtQO^Sl fllXQÖV
vns^oaaiLivog ^7%^^-
fehlt bei Flut., ist aber
nach Meyer S. 32 nur zu-
fällig ausgefallen
ixmgovv xatccXrjfif>6iisvot. tbv
*AßsvTtvov X6q>ov.
Appian
1 26.
Sucd^iovt^g re xohg d^egd-
novtag avvewiXovv in'
iXstfd'EQia. xal t&v&s fi^v
O'b&üg {yni/jxovevj
a'^Tol dk, ahv oaoig dxov
ic^up* a^ovg, xb 'Aqxs-
(tiaiov xaxcelaßdvxtg ixQu-
irvyof ro.
1) Busolt, Fleckeis. Jbb. für Phil 141, 1890, S. 337, Meyer S. 10. 20. 33,
Schwartz S. 805 f.
2) Plutarch hat fälschlich drei statt zweier Tage, Meyer 81, A. 1.
Zur Geschichte der Gracchcnzeit 13
Hyperkritik ist es, wenn Schwartz (S. 800) behauptet, die Worte
des Cicero, Phil, VTTT 14: qui cum Opimiö consiUe armati Oracchum in
Aventinum persecuti sunt (in Catil. IV 13: armatus Oracchum est
persecutus) setzten eine ganz andere Darstellung voraus, „in der auf
das senatus consultum unmittelbar die That folgte, in der Gracchus den
Aventin nicht vorher besetzt hatte, sondern dorthin gejagt wurde". Er
hat übersehen, dass bei Velleius (6. 4) fast wörtlich mit Cicero überein-
stimmend steht: Hunc L, Opimius consul .... persecutus armis.
Weiter: warum soll man nicht von einer Verfolgung sprechen können,
wenn auch zuvor eine regelrechte Besetzung des Berges stattgefunden
hatte? Endlich enthielten dieselben Berichte (Cicero an den beiden
Stellen,') Vell. H 7. 2) und Orosius (V 12. 9) die Erzählung von der
Sendung des jüngeren Sohnes des Flaccus, die doch vor dem Sturm auf
den Aventin erfolgt sein muss. Dass es sich allerdings um zwei Sendungen
des Flaccus iunior handelt, erfahren vnr nur aus Plutarch (16) und
Appian (I 26). Betreffs des Todes dieses Jünglings sagt Appian (ebda
Ende): Kotvrtp Si rtß ^I^Xccxxov naiSl avvsx^gtjaiv dno&avHV wg &ikoi;
Plutarch (17) und Orosius (12. 0) berichten nur kurz die Tötung nach
der Schlacht, während Velleius (II 7. 2) bei der Verbringung desselben
zum Gefängnis vom Selbstmord eines ihm befreundeten Haruspex spricht
und in dieser Hinsicht mit Valerius Maximus (IX 12. 6) übereinstimmt.
Dagegen zeigen Velleius und Plutarch (16) wieder Berührungen in der
Beschreibung des Jünglings (iuvenü speae exellens, r]V Si xceXkuSTog 6
vBaviag otpf^fjvai) und in der scharf verurteilenden Art, wie sie die Er-
zählung seiner Hinrichtung einleiten (Vell.: huicatrocitati adiectum scelus
unicum^ Plut. (17): wfioraxov Se ngoatiQyiaavTo rov ^>ovXßiov xov
vmvtgov vlov). Die zu (Jrunde liegende Quelle hatte also ein reiches
Detail und nahm hier eine Optimatenfeindliche Haltung ein. Der Reich-
tum im Detail zeigt sieh auch in der Nennung der Namen von Optimaten,
welche an dem Sturm auf den Aventin teilnahmen. Aus Orosius (12. 7)
erfahren wir, dass der C/Onsular D. Brutus der Anführer war, imd dass
der Stum a divo Publicio stattfand. Bei Cicero (PhilYIU 14, Catil IV 13)
werden der alte Q. Metellus Macedonicus nebst seinen vier Söhnen und
der princeps senatus P. Lentulus, der schwer verwundet wurde, als Mit-
streiter, bei Pseudo- Victor (72) M. Aemilius Scaurus als Parteigenosse des
Opimius genannt. Bei Orosius (12. 7) erfolgt seitens des Opimius ein
Nachschub von Bogenschützen, der die endliche Entscheidung bringt,
während dieselben bei Plutarch (16) von vornherein mit hinauf geführt,
aber auch hier als die die Entscheidung bringenden angesehen werden.
Alles dies macht Appian (I 26) mit den paar Worten : tolg Si negi rov
rgccx^ov rovg dinkiafiivovg ininifinev, ab.
1) Dieser allerdiugs nur insofern, als die Tötung der beiden Söhne des Flaccus
hervorgehoben wird.
14 E, Kornemann,
Über den Tod des Flaccus und seines ältesten Solines haben wir
unter den Lateinern nur die Berichte des Velleius (6. 6) und Orosius (12. 8),
womit sich der des Plutarch (16), abgesehen von der Örtlichkeit des
Todes, vereinigen lässt. Mehr Abweichung zeigt die appianische Er-
zählung (I 26). 1)
Das Verhalten des Gracchus auf dem Aventin wird unter den
Lateinern nur von Orosius (12. 7) geschildert: ör., postquam in templum
Miner vae secesserat, gladio mcumbere volens, tnterventu Laetorii retentua
est. Der Parallelbericht des Plutarch (16) ist breiter und zeigt kleine
Abweichungen. Gaius hatte Niemand am Kampfe teilnehmen sehen,^)
verzweiflungsvoll hatte er sich in den Tempel der Diana (ro xrig
'AgriiiiSog UoovY) zurückgezogen. Dann werden als diejenigen, die
ihn am Selbstmord verhindern, seine treuesten Gefährten Pomponius
und Licinius genannt. Dieselben kehren dann c. 17 unter der Be-
zeiclinung oi fjih dvo (piXoi als diejenigen wieder, welche die Verfolger
abhalten, während die anderen Quellen auch hier wieder Pomponius und
Laetorius nennen. Licinius heisst der Sklave, der durch ein Musik-
instrument auf Gaius beim Reden einwirkte.*) Es hat allen Anschein, als
ob von Plutarch die Namen Licinius und Laetorius verwechselt worden
sind. Denn abgesehen von den anderen Lokal- und Personennamen sowie
der grösseren Breite, ist der Bericht dem des Orosius ähnlich. Pseudo-
Victor hat nur die Notiz: dum a temph Lunae desäit, tdlum tntarsä, ein
interessantes Detail, aber wieder mit einer anderen Örtlichkeit. Appian
übergeht das Ganze.
Die Flucht imd das schliessliche Ende des Gaius verläuft nach
unseren Quellen in drei Stadien. Das Verhältnis der verschiedenen Be-
richte wird durch die Tabelle auf S. 15 illustriert.
Diese Übersicht ist äusserst lehrreich. Sie zeigt zunächst, welch'
reiche Überlieferung den Lateinern und Plutarch vorgelegen hat, sie zeigt
aber zugleich wiederum auch, wie stark die Tradition der Urquelle
weitergebildet und teilweise verschlechtert worden ist. In der Erwägung,
dass der am wenigsten ausgeschmückte Bericht der beste sein wird,
dürfen wir annehmen, dass die livianische Überlieferung die Urquelle am
reinsten wiedergiebt, und es ist daher ausserordentlich zu bedauern, dass
Orosius gerade hier so stark gekürzt hat. Aber trotzdem lässt sich, von
ihm ausgehend, einiges über die zu suchende Urquelle und die abgeleiteten
Berichte sagen:
1) Meyer 32. Irreführend ist es, wenn dieser behauptet, dass nur „VeHeius zu
Plutarch stimmt". Er stimmt geradeso auch zu Orosius; nur hat der letztere ein Plus,
welches die beiden anderen nicht bieten.
2) Vgl. auch Comp. Ag. et Cl et Gracch. 4; Meyer 31.2.
3) Meyer (31. 3) hält das für eine Flüchtigkeit des Plutarch , will also dessen
Bericht mit dem des Orosius aus derselben Quelle herleiten.
4) Cicero de orat. III 225. Plut. TL 2, dazu Meyer 22. 1 und 31.4.
Zur Geschicke der GraccJtemeit.
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16 E, Kornetnanny
a) Da auch Orosius von amici spricht, die für Gaius gekämpft und
den Tod erlitten hätten, und da er betont, dass Gaius aegre zum pona
sublidua gelangte, so wird die Darstellung des Pseudo -Victor und
Valerius Maximus, dass auch schon an der porta Trigemina ein Opfer-
tod stattfand, auf die Urquelle zurückgehen. Velleius und Plutarch er-
wähnen allerdings dieses Faktum nicht, und bei ihnen sind die Namen
der Helden von der Brücke gleich denen der Kämpfer am Thor bei
Val. Max. und Pseudo -Victor. Daher hatte ich ursprünglich an eine
Art sachlicher Dittographie in der weiter gesponnenen Tradition ge-
dacht, bin aber durch Orosius davon abgebracht worden. Welche Namen
die ursprüngliche Überlieferung bei den einzelnen Thaten genannt hatte,
ist nicht mehr auszumachen.
b) Da Orosius (und ebenso Appian) den Namen des Sklaven, der
Gaius den Gnadenstoss gab, nicht nennt, die übrigen Quellen bezüglich
dieses Namens aber auseinandergehen {Eupoms: Velleius und Pseudo-
Victor, PhiloTcratea: Plutarch, beide Namen: Valerius Maximus und
Macrobius), so ist anzunehmen, dass in der ursprünglichen Quelle der
Name überhaupt nicht gestanden hat, und dass erst in den biographischen
Quellen, die die Personen in den Vordergrund schieben, die Namen
hereingekommen sind.
c) Bezüglich des Kopfes des erschlagenen Gracchus liegen vier
Fakta in unseren Quellen vor: 1. dass er dem Konsul gebracht, und 2. mit
Gold aufgewogen wurde, 3. der Name des Überbringers, 4) die tihöhung
des Gewichtes durch Eingiessen von Blei. Orosius giebt nur die erste
Thatsache. Es fragt sich, ob damit die Geschichte schon aufhört und
die Legende beginnt. Ich glaube nein, vermute vielmehr, dass auch die
zweite Angabe auf die gemeinsame ursprüngliche Quelle zurückgeht. Denn
ausser Orosius haben alle Quellen übereinstimmend noch diese Thatsache.
Dazu wird sie gesichert durch den Hinweis auf die Proklamation des
Opimius vor dem Kampf, die Velleius, Plutarch und Diodor berichten.
Zum mindesten also diese Proklamation ist historisch und aus der Ur-
quelle geschöpft, nicht zum wenigsten auch wegen des scharfen Urteils
bei Velleius, das in dem Wort nefarie enthalten ist.^) Dann aber fängt
die Legende an: der Überbringer des Kopfes heisst bei Val. Max., Pseudo-
Victor und Plutarch Septtmuleius — bei den beiden ersteren ein Freund
des Erschlagenen, bei Plutarch ein Freund des Opimius — bei Diodor
L. Vttelh'us, ein Freund des Gracchus. Das Ausgiessen mit Blei be-
richtet Pseudo -Victor nur mit einem ferttir, Val. Max. mit sunt qui tradant.
Am meisten ausgesponnen ist die Sache wieder bei Plutarch. Eine voll-
kommen abweichende Tradition liegt bei Appian vor. Hier bringen nvig die
Köpfe des Gracchus und Flaccus und beide werden mit Gold aufgewogen.
1) Übor die Optimutenftundlicbe Haltung der Quölle siehe oben S. 13 und ein-
gehender S. 17 fr. und S. 20.
Zur Geschichte der Oracchenzcit. 17
d) Wie bei der Katastrophe des Tiberius (s. o. S. 6), so hat auch liier
Orosius wieder die beste Zahlenangabe bezüglich der Gefallenen (250),
wälirend Plutarch (17) 3000 Menschen erschlagen werden lässt (rgiaxi''
Xiwp avaiQi&ivttav). Diese Zahl 3000 ist eine Verwechslung mit der
Zahl der Hingerichteten.
e) Das interessanteste Faktum aber ist das Abrücken des Orosius
von VelleiiLs sowohl wie von Plutarch bezüglich der Nachricht, dass der
Leichnam des Gaius seiner Mutter Cornelia nach Misenum geschickt wor-
den sei, während er nach diesen, wie der des Tiberius, in den Fluss
geworfen wurde. Das ist eine sehi- bemerkenswerte Divergenz inner-
halb unseier Gruppe. Nur eines von beiden kann in der Urquelle
gestanden haben. Stammt die Darstellung des Velleius und Plutarch
von dorther, so müssen wir annehmen, dass Livius neben der bis jetzt
gefundenen, mit den übrigen Römern gemeinsamen Quelle noch eine
zweite Vorlage gehabt hat, der er diese Nachricht entnahm. Oder aber
die Erzählung des Orosius ist die der Urquelle — dann ist die andere
Version bei Vell. und Plut. erst durch eine Mittelquelle an Stelle der
richtigen gesetzt worden. I(!h wage noch keine definitive Entscheidung.
Auf der einen Seite ist festzuhalten, dass Orosius - Livius sich uns in
all(»n anderen Punkten an diestir Stelle ausserordentlich zuverlässig ge-
zeigt hat, und dass man, da auch die Leiche des Tiberius in den Tiber
geworfen wurde, eine sachliche Dittographie anzunehmen geneigt sein
könnte, endlich dass Plutarch insofern von Velleius abweicht, dass er
nicht nur die Leiche des Gaius, sondern auch diejenigen des Flaccus xai
TttJy äXXtav in den Fluss gelangen lässt. Auf der anderen Seite mache
ich darauf aufmerksam, dass auch bei dieser Gelegenheit Velleius wieder
tadelnd sagt: mira crvdelUate victorum,^)
7. Das Wüten der Optimaten gegen die (Traccheni)artei nach dem
Tode ihrer Führer erwähnt Velleius II 7. 3 in dem Satze: crudelesquv
mox quaestionca in ainicos clientesfjue Grcuchorum habitae ifurU^ WOZU ebenda
0 die veniichtende Bemerkung über Opimius hinzuzuziehen ist: factum
OjHmüj qxiod inimicüiarum quaesita erat ultiö , minor secuta amtoritas et
visa ultio j)rivato odio magts quam jmblicae vind ictae
data. Entsprechend schliesst Orosius (V 12.10) seinen BcTicht: Opimius
consul sicut in hello fortis ita in quatstione crudelis. nam arnji/lius tria milia
hominuni suppliciis necavit, ex quibus plurimi ne dicta qiu'dem causa inno-
centes interfecti sunt^ und Plutarch sagt c. 18 Auf.: Ourog (xivroi nQuJTo*^
i'^ovaic^ diXTciroQog kv inarticf xQ^'t^^l^^^oq xai xaraxTeivag dxQixovg knl
TQiax^Xiotg nokiratg rdiov roayxov xai ^ovXßiov 0Xaxxov x. r. A.
Sallust Jug. 42. 4: Ljitur ca vicforia nobilitas ex lubidine sua usa
1) Was Plutarch betrifft, so ist sein Zusammengehen mit VelleiuM hier und seine
Abweichung von Orosius ein Beweis, dass nicht alle seine (Übereinstimmungen mit tler
Rr»mergruppe durch direkte Benutzung des Livius entstanden sind. In die8<'r Beziehung
ist Schwartz (808 f.) auf dem richtigen Weg.
KorncmaDD, Zur Geschichte der Gracchenzeit.
18 E, Komcmann,
multos mortalis ferro aut fuga exstinxit plusque in reltquum terroris quam
potentiae addidit, ebenso 31. 7 in der Rede des Memmius, und 16. 2 von
Opimius selbst: L. Opimius^ homo clarua et tum in aenatu potens^ quia
conaul C, Graccho et JA Fulvio Flacco tnter fectis acerrume victoriam
nobüitatia in phbem exerctierai. Ganz ohne Stellungnahme dagegen be-
richtet Appian I 26: xal rovg ^vfiCfgovr^tsavTag b ^Onifiiog avXkaßofV kg
rrjv q>vlaxj^v ivißaXi re xai dnonpiyijvat ngoaera^Bv,
Über den Ausgang des Opimius heisst es bei Velleius 11 7. 3 im
Anschluss an den oben citierten Satz von den crudeles quaeationes: aed
Opünium^ virum alioqui aanctum et gravem (dazu oben Orosius), damnatum
poatea iudicio pxMico memoria iatiua aacvitiae nulla civilia proaecuta eat
miaericordia. Damit wird auf seine Verurteilung auf Grund der rogatio
Mamilia von 644/110 angespielt (Cic. Brutua 127. 128, Sallust J%i(j. 40,
Schol Bob p. 311 Or. unter Berufung auf Sallust, Plut. 18), wonach er
in die Verbannung gehen musste (Cic. in Plaon, 95: L. 0. eiectua eat e
patriaj Plutarch a. a. 0.).^) Sallust schliesst den Bericht über diese
Sache mit den Worten {Jug. 40. 5): Sed quaeatio exercita aapere via-
lenterque ex rumore et lubidine plebia : ut aaepe nobilitatem^ aic ea
tempeatate plebem ex aecundia reb%ia inaolentia ceperat. Das ist das
Gegenstück zu dem Urteil des Velleius: hüben und drüben ist in jenen
Zeiten gesündigt worden.
Das Schicksal des Opimius war also in der Quellengi-uppe, die uns
eben beschäftigt, eingehend behandelt. Auch die ei-ste Anklage gegen
denselben, unmittelbar nach der Verwaltung de.s Konsulates, seitens des
Volkstribunen Q. Decius im Jahre 634/120, die mit Freisprechung endete,
war hier ausgiebig erörtert. Das beweist einmal der Satz in der Epitome
des Livius (61 Ende): L. Opimiua accuaatua apud populum a Q, Decio
tribuno plebia^ quod indemnatoa civea in carcerem conieciaaet, abaolutua eat,
ganz besonders aber das überaus häufige Zurückkommen des Cicero auf
dieses Ereignis. Der Verteidiger des Opimius war bekanntlich der eine
Konsul des Jahres Papirius Carbo, der einst selbst eifiiger Gracchaner
in charakterloser Weise in das Lager der Gegner übergegangen war,
nach Ocero (de leg. III 35) ein aedäioaua atque improbua ciois, cui ne
reditua quidem ad bonoa aalxUcm a bonia j)otuit adferre (dazu Cic. ad fam,
IX 21. 3: tribuntia pl aeditioaua^ BrtUxis 103: alter (Carbo) propter perpe-
tuam in populari rationc levitatem). In seiner Verteidigungsrede für
Opimius hatte Carbo die That desselben als im Interesse de^ Staates
gelegen und daher für gesetzmässig erklärt, Cic. de orat II 106: niliil de
1) Hier heisst es: Kai dixriv 6(pX6}v uiGilarr^v dcoQodoxiag iv att^ia xartyi^gaüt
Hiöovnfvos xal TtQonriXuxi^o^svos vnb xov drjfiov, während bei Cieero an der im Text
angeführten Brutusstelle (128) gesagt wird: civcmquc praestantissimum L. Opimiumy
Ciracchi tnierfectorem a popido absolutumj ctim is contra popnli Studium stetisset ("über
diese Freisprechung wird noch gehandelt), Gracchanl iudtces sustulerunt. Cicero hat,
wie so oft, die Tendenz seiner Quelle umgekehrt.
Zur GeschidUe der Graccheneeit 19
C. Graccht nece negabai sed id iure pro salute pairiae factum esse dicebat,
worauf er gleich ad absurdum geführt wird durch den Zusatz: ut eidem
Carboni iribuno plebis alia tum mente rem publicam capessenti P, Afrzcarms
de Ti. Graccho tnterroganti responderat iure caesum videri^ vgl. weiter de
orat il 165. 169. Decius bestritt naturgemäss, dass ein Bürger einfach
aus Gründen der Staatsraison auf Grund des bekannten senatus consultum
ultimum getötet werden durfte: de erat ebd. 11 132, orcu, pari. 104.
106. Der Sieg seiner Gegner war ein Sieg der politischen Macht über
das Recht : so musste die betreffende Quelle die Sache dargestellt haben.
Schon im folgenden Jahre (635/119) erhielt Garbo seinen Lohn. Er wurde
von dem jungen L. Crassus angeklagt (Cic. Brutus 159, de off. II 47, de or.
I 40 : G. Carbonem^ qxiem tu adulescerUulus j^erculisti, ignarumi legum, haesi-
tantetn in maiorum institutisj rudern in iure civiiiy ebd. 121 ; III 74 dagegen:
annosque natus unum et vigmti nobilissimum hominem et eloquentissimum in
tudidum vocarim: cui disciplina fuerit forum, magister usus et leges et
instituta popuU Romam mostpie maiorum y^) Tac. Lhal de or, 34; später
bereute Crassus diese Anklage Cic. m Verr. Ul 3) und vernichtet.
Allerdings gehen dann über sein Ende die Quellen auseinander: Cicero
berichtet von Selbstmord: Brutus 103: morte voluntaria se a severitate tu-
dicum vindicavitj dazu ad fam, IX 21. 3: Gaius (Carbo) accusante L, Grosso
cantharidas sumpsisse dicitur , während Valerius Maximus (III 7. 6) von
Verbannung spricht, aber dies an einer Stelle, die auch sonst Unrich-
tiges enthält (s. die Ausg. von Kempf p. 291).
Halten wir hier ein und blicken einen Augenblick rückwärts. Die
gemeinsame Quelle der Lateiner, die stellenweise auch bei Plutarch zu
Tage tritt, zeigt uns bereits eine Menge charakteristischer Eigentümlich-
keiten : Ihr Verfasser sieht den ersten Anstoss zum Auftreten des Tiberius
Gracchus in Rom in seinem Scheitern in der spanischen Politik und lässt
daneben Beeinflussung durch Lehrer und Freunde zu. Er giebt eine —
auch inbezug auf die Topographie — brauchbare Scliilderung vom Unter-
gang des Tiberius und hält sich bei beiden Katastrophen frei von über-
treibenden Zahlenangaben bezüglich der Gefallenen. Er lässt uns ge-
legentlich der papirischen Rogation über die Iteration des Volkstribunate^
einen Blick in das stüimische Getriebe einer Volksversammlung jener
Zeit thun und skizziert uns die bei dieser (Telegenheit gehaltenen Reden.
Zu Scipio Aemilianus schaut er bewundernd empor und neigt bezüg-
lich dessen Tod zu der Ansicht, dass derselbe kein natürlicher war,
sondern dass aller Wahrscheinlichkeit nach ein Verwandtenmord vor-
liegt. Die politische Thätigkeit des (laius Gracchus verfolgt unser
Autor von ihrem frühen Anfang an durch alle Stadien und stellt den-
selben an inyenium und eloquentia viel höher als seinen Bruder. Als
1) Interessant ist wieder die direkte Umkehrung des Inhaltes bei Cicero, diesmal
nicht aus politischen, sondern aus rhetorischen Rücksichten.
2*
20 E. Korncmann,
eines der Motive, die Gaius zur Wiederaufnahme der Refoimgesetzgebung
treiben, hebt er die pietas gegenüber dem Bruder hervor. In der Kata-
strophe des Gaius wird Flaccus als der Führende geschildert, und auch
die leitenden Männer bei der Gegenpartei werden mit Namen genannt.
Über die rücksichtslose Ausnutzung des Sieges durch Opimius wird ein
vernichtendes Urteil gefällt, überhaupt die zu weit gehende optimatische
Reaktion tief beklagt, die Charakterlosigkeit eines Carbo, der vom
Parteigänger des Tiberius zum Verteidiger des Opimius geworden war,
Tvird aufs schärfste gebrandmarkt; beider Männer unrühmliches Ende,
das nicht unverdient war, Tvird besprochen. Wir erkennen also einen
Autor mit eingehender Kenntnis der Zeit und ihrer leitenden Persön-
lichkeiten, der den Gracchen absolut nicht persönlich feindselig gegen-
über steht, der politisch dem Standpunkt des Scipio Aemilianus sich
nähert, also auf einer mittleren Linie wandelt, gleich weit entfernt von
den gracchischen Heissspomen wie von den optimatischen Ultras.
Das gesuchte Werk hat grosses Ansehen in der eignen und in der
folgenden Zeit besessen. Wir sehen, dass sowolil ein Optimat -wie Cicero
seine historische Weisheit daraus geholt, als auch dass der Demokrat
Sallust es benutzt hat, femer dass es Livius in erster Linie ausgeschrieben,
endlich dass die mehr oder weniger vom biographischen Standpunkt
schreibenden Historiker der Kaiserzeit direkt oder indirekt es ausge-
beutet haben. Wer war der Verfasser?
II. Die Annalen des Fanning die grcsnchte Primftrqnelle.
Die Antwort auf die Frage nach dem Verfa.sser des Werkes giebt
uns Cicero. Während nämlich bei Velleius (H 7. 4) auch gegen die
Führer der optimatischen Reaktion nach der Erschlagimg des Tiberius,
die Konsuln des Jahres 622/132 P. Eupilius und P. PopilliiLs Laenas,
Stellmig genommen und kurz auf deren trauriges Ende angespielt wird
(eadem Rupilium Popiliximque^ qxu consules a8j)errime in Tiberii Gracchi
amicos saevierant^postea tucUctoj'um publicorum merito oiyprcsait invtdia),
k\sen wir bei Cicero speziell über Rupilius {Tusc. IV 40): aegre tulisse
P. Rupilium frairis repulsam consulatiut scriptum apud Fanninm est
Laelius 73 steht das Nähere , ganz augenscheinlich aus dei-selben Quelle,
wonach Lucius Rupilius ebenfalls ein Günstling des Scipio Aemilianus
war, den die^^er al)er nicht wie den Bruder zum Konsulat zu bringen
vermochte.') Dem Famiius begegnen wir aber auch sonst noch bei
1) Die Geschichte steht drittens auch bei Plinius II.N. Vll 122 (Hss. HuUUus);
es handelt sich um die Konsulwahlen für 624/130 oder 625/129, Neumanu I 215, wohl
eher um die fiir 129. Mau beachte, dass, wie diese beiden Uupilii Konsuln von Seipios
(luaden wurden bezw. werden sollten, Fannius selbst in gleicher Weise Tribun war
(Cic. Brutus 100). — Popillius wurde 631/123 von C. Gracchus zur Verbannung ge-
bracht, aber dann von L. Bestia wieder restituiert: auch hier ist Cicero unsere Haupt-
quelle: de leg. lU 26, Brutus 128, de domo 87, pro Cluentio 95—98, Plut. C. Gracch. 4,
Zur Geschichte der Gracchenzeit, 21
Cicero.^) An drei verschiedenen Stellen wird er zitiert zum Beweis für
die itgufvua des Scipio: acad. prior, II 15 (Fannius), Brutus 299 (m
historia sua Fannius), de orat II 270 (Fanm'us in annalibus). Von
Q. Metellus Macedonicus heisst es im Brutus 81: cuim et aliae sunt
oratumes et contra Ti. Gracchum exposita est in G. Fannii annalibus.
Es ist das offenbar die Rede, die nach Plutarch {TL 14) im Senat ge-
halten wurde bei Gelegenheit von Tiberius' Antrag auf Verteilung der
attalischen Erbschaft. Brutus 99 endlich wird eine Rede des Fannius
selbst erwähnt, die er als Konsul 632/122 de sociis et nomine Latino ge-
halten hat; ihr Anfang steht de orat. ITL 183 zu lesen: a quo numero
exorsus est Fafinius: „Si Quirites minas illius^ und ein Fragment daraus
bei Julius Victor p. 224 ed. Or. (Meyer, fragmenta- p. 201, Rhetores latini
min. ed Halm p. 402) : „ÄY Latinis civitatem dederitis^ credo^ existimatis vos
ita ut nunc constitistis (Hss. constitisse) in contione habituros locum aut ludis
et festis diebus interfuturos. Nonne illos oinnia occupaturos putatis?^ (vgl.
auch Charisius, Gram. lat. I 143. 13). An der erwähnten Brutusstelle wiid
die Echtheit der Rede von Atticus in Zweifel gezogen, nach den einen
sei sie von einem Gelehrten namens C. Persius verfasst, nach anderen
hätten viele Leute aus der Nobilität zu dei-selben beigetragen, sie sei
also aus vei-schiedenen Bestandteilen zusammengeschweisst. Cicero bekennt
sich darauf als ein Gegner dieser Verdächtigungen. Sie seien entstanden,
quod Fannius in mediocribiis oratoribus hahitus esset^ oratio antem vel optima
esset iUo quidetn tempore orationum omnium. Die Rede zeige einen ein-
heitlichen Ton und Stil, und wenn an der Sache mit Pei-sius etwas
Wahres wäre, hätte Gracchus damit nicht zurückgehalten, cum ei Fannius
de Menelao Maratheno et de ceteris obiecisset^ also ihm gerade derartige Vor-
würfe, offenbar bezüglich seiner Lehrer, gemacht hatte. P^annius sei auch
niemals für unberedt gehalten worden. Nävi et causas defensitavit et
tribuncUus eius arbitrio et auctaritate P. Africani gestus non obscurus fuit.
Neben der Vei-tddigung der Echtheit der Rede ist dies die wichtigste
Notiz der Stelle, dass Fannius auch zu den (jünstlingen des Scipio
gehörte.
Eine andere Kontroverse, die sich an dieselbe Bnitusstelle knüpft,
hat Mommsen gelöst.-) (Jicero untei-scheidet nämlich an der erwähnten
Stelle den Redner und Konsul C. Fannius Cf. von dem Historiker
C. Fannius 3Lf. Letzteren bezeic^hnet er zugleich hier {Brutus 100) als
Schwiegersohn des Laelius, während Atticus {ep. ad Att. XII 5. 3) dies
letztere glaubte yiwfHTQixwg widerlegt zu haben. Cicero lässt aber diesen
angeblich mathematischen Beweis nicht gelten, sondern erinnert daran,
GeUius XI 13 (Anfang der Rede dos C. Gracchus gegen P.), endlich Diodor 34/5, 26
(mit Darstellung vom Optimatcustandpunkt).
1) H. Peter, Ilist. Rmn. rell. I p. CCVI und 139, liRF. 88, dazu Soltau, Fleckeis.
Jhh. für klass. Phil. 153, 1896, S. 367.
2) Im Kommentar zu CIL, I 560 p. 158, vgl. H. Peter a. a. O. p. CCII.
22 E, Kornemann,
dass er Brutus, den Verfasser einer Epitome aus Fannius, also indirekt
Fannius selbst, und ausserdem Hortensius auf seiner Seite hat. Wenn
Hirschfeld») diese Leute für geringwertige Autoritäten hält, so kann ich
ihm darin nicht folgen. Cicero selbst nennt den Hortensius einen bonus
auctor. Es handelt sich um Scliriftsteller, welche Fannius' Werk selbst
in Händen gehabt hatten*): und beide, Brutus und Hortensius, stimmten
in dem streitigen Punkt tiberein. Das erschien Cicero so beachtenswert,
dass er darob sogar den sonst ihm in historischen Fragen als Autorität
geltenden Atticus*) nicht anerkannte. Wir dürfen daher bei dieser
Sachlage meiner Ansicht nach nicht dem Atticus den Vorzug geben.
Dass aber dieser Laeliusschwiegersohn und Historiker auch der Konsul
von 632/122 und demnach auch der Redner ist, ergiebt sich aus der
Thatsache, dass auch der Konsul inschriftlich als M. f. bezeugt ist.
Damit vei-flüchtigt sich Ciceros C. Fannius C f., und die Urteile, die
Cicero über die beiden Männer hat, sind auf einen und denselben zu be-
ziehen. Wenn nun der Historiker et moribus et ipso genere dicendi durtoi-
bezeichnet wird, so ist wohl dieses Urteil aus seinem Geschichtswerk ab-
strahiert, und es beweist das nur, dass sich Fannius in seinem Werke
sittenstrenger gab als im Leben, und dass das von ihm Geschriebene nicht
so flüssig war wie seine Rede. Aber doch kann der Unterschied nicht
gross gewesen sein: denn während Cicero ihn unter die mittelmässigen
Redner rechnet (vgl. auch Brutus 118), dem nur einmal ein grosser Wurf
gelungen ist, charakterisiert er das Annalenwerk als historia noti ineleganter
scripta, quae neque nimis est infans neque j^e^-fecte diserta, also etwa auch als
mittelmässig. Natürlich gilt dies Urteil nur nach der formalen Seite,
ebenso wie das noch schärfere in de leg. I ß: si aut ad Fabium aut ad
Catonem aut ad Pisonem aut ad Fannium aut ad Vennanium venias,
quamquam ex his alius alio plus habet virium , tarnen quid tarn exile quam
isti omnesf
Für die Zeitgeschichte wird das Werk des Fannius nur noch zitieil
bei Plutarch 7V. Gracchus 4, wo es von Tiberius gelegentlich der Er-
stürmung Karthagos heisst: xal xov ye Tsi'xovg knißi] twv noltfiiwv ngtaroq,
lüg (pi^Gi (l^dvviogj Xkywv xal avrog x^ Tißtglq) avvenißfjvai
xal avfdfieraax^llv ixeiptjg rfjg agiöTiiag*) In der Biogiaphie des C.Gracchus
1) Die Anncden des C. FanniuSy Wien. Stud. VI, 1884, S. 128.
2) Dass Hortensius aus Fannius geschupft hat, werde ich unten (S. 89) wahr-
scheinlich zu machen suchen.
3) Das beweist der ganze in Frage stehende Brief und Brutus 72 — 74.
4) Meyer (22. 1) erklärt von voniherein, dass dieses und andere Zitate bei Plutarch
für die Quellenfrage ohne Wert seien. Weshalb? Eine solche Behauptung versucht
plötzlich einen Bretterzaun aufzurichten, den die weitere Forschung aber mit Recht
rücksichtslos wieder umwirft. Schon Soltau (a. a. O. 367, vgl. auch H. Peter, Queüen
Plutarchs in den Biogr. d. Römer 97) hat die Stelle verwertet; allerdings jagt dieser
sofort dem viel zu schwierigen, dazu noch recht nebensächlichen Problem der Mittel-
queUen nach.
Zur Geschichte der Graccheneeit 23
findet sich kein Zitat aus seinem Werk, dagegen wird hier seine Persönlich-
keit, die durch die Bekleidung des Konsulates im Jahre 632/122 an die
Spitze der grossen Politik gebracht worden war, entschieden mehr
als in den Parallelberichten in den Vordergrund geschoben, worauf
Soltau*) zuerst aufmerksam gemacht hat. Man könnte darauf erwidern,
dass die Dai-stellung des Plutarch die ausführlichste sei und daher die
öftere Erwähnung des Konsuls sich hinlänglich erklären lasse, ohne dass
man an eine Benutzung seines Werkeis auch hier gleich zu denken brauche.
Es kommt, um diesen Ein^^iirf zu entkräften, darauf an, festzustellen, bei
welchen Gelegenheiten Plutarch den Fannius mit Namen einführt, und wie
er das Betreffende berichtet. Gleich bei der ersten Erwähnung in c. 8,
wo ei-zählt wird, dass Gaius den Fannius auf das Marsfeld begleitete
imd ihn bei seiner Wahl mit Hilfe seiner Freunde unterstützte, ist der
detaillierte Bericht auffällig, und der Schlusssatz: tovto gonrtv tjviyxs
x^ (liavvi(p fitydXijVj stellt Fannius ungebührlich in den Vordergrund,
dessen Name kurz hintereinander zweimal genannt wird. Auch der ganze
Zusammenhang, in dem diese Erzählung bei Plutarch steht, ist höclist
beachtenswert. Gaius habe im ersten Tribunat, in einer Zeit, als die
Massen alles für ihn zu thun bereit waren, in einer Volksrede einmal
geäussert, er werde sicli selbst gegebenen Falls eine Gunst ausbitten,
deren Gewähning ihm über alles gehe, deren Verweigerung er aber auch
nicht übel nehmen werde. Diese Worte habe man als eine Forderung
des Konsulates gedeutet, und alle Leute hätten erwartet, dass er sich zu-
gleich um das Konsulat und das Volkstribunat bewerben werde.-) Das
Erwartete ge>;chah nicht, sondem bei den Konsulwahlen trat, wie eben
er/ählt, Gaius für Fannius ein, der dadurch seinen Gegner Opimius, der
schon für 632/122 Kandidat der Optimatenpartei war (c. 11), zu schlagen
im Stande war, Gaius selbst aber wurde darnach zum zweitenmal zum
Volkstribunen gewälilt, ohne dass er sich dazu gemeldet oder darum be-
worben hatte, aiAa rov örifiov anovdaaaprog. Es ist, wie Meyer (29)
erkannt hat, der Höhepunkt von Gaius' Macht. Die ganze Erzählung
darüber ist durchaus einheitlich und durch die Berufung auf eine Rede
des Gaius sowohl wie durch die doppelte Nennung des Fannius der
Herkunft aus dessen Annalen zum mindesten hochverdächtig.
In demselben Kapitel springt dann Plutarch unmittelbar nach dem
eben behandelten Teil auf einen späteren Zeitpunkt über***) und berichtet,
dass Fannius in seiner Freundschaft zu (^ains lauer wurcU», und dass das
den Tribunen zu neuen Gesetzesanträgen bewogen habe, um die Menge
1) a. a. 0. 367.
2) An diese angebliche VennutuDg der Leute kann ich nicht so recht glauben.
Das ist die Stellung, wie sie später eine Zeitlang Augustus innegehabt hat (Meyer S. 29).
Sollte diese Deutung nicht erst eine ganz späte Tradition sein? Vgl. unten S. 42. 1.
3) Über die Chronologie dieser Ereignisse vgl. mau den zweiten Teil dieser
Untersachuugen.
24 E. Komcmann,
fester an sich zu ketten, zum Antrag auf Koloniegründungen in Tarent
und Capua und auf BürgeiTeclitsverleihung an die Latiner: inti Si iwga
T^v fih avyxXijTov kx&Qccv ävTiXQvg, äfißkvv dk i^ ngog avrov Bvvoitf rov
(pdvviov, av&ig iregoig vofioig ant]QTr^aaTO t6 nXr^&ogf anotxiag fiiv
elg Tagavta xal Kanvijv nifinea&ai ygdtpwv, xakwv 8e knl xoivwvitf
noXtrdccg xovg uiaxlvovg. Auch hier wird Fannius mit einer höchst
wichtigen Etappe in der Geschichte des Gaius in Verbindung gebracht,
nämlich mit der Aufnahme de^ Bundesgenossenproblems, wodurch bekannt-
lich de.ssen Katastrophe herbeigeführt \\nirde. In Kapitel 11 wird dann
gelegentlich der Erzählung der Konsulwahlen für 633/121 das früher
Berichtete ergänzt, indem erwähnt wird, dass Opimius, der nun gewählt
wurde, im Jahre zuvor de^halb^ durchgefallen wäre, rov Fatov rov
0dvvtov ngoayayovTog , kxBlvov 8h xaTagxciigBaidcavrog. C. 12 fülirt
uns mitten hinein in den Kampf um das Bundesgenossengesetz mit einer
Lebendigkeit, wie es nur eine zeitgenössische Quelle thun kann. Als zur
bevorstehenden Abstimmung eine Masse Menschen in Eom zusammen-
strömte, ineiaev fj ßovXtj rov vnaxov Q>dvviov ixßaknv rovg
äkkoug nXrjv *Pwfiaiu)v änavrag. Man beachte das Verbum innae^) und
die Nennung des einen Konsuls nur, und zwar mit Namen, wälirend
Appian (123) sagt: i] ßovX}) SiavagaxO^fioa rovg vndrovg ixikevae.
Zu imioiv passt dann vorzüglich, wenn im nächsten Satz das Edikt, das
erlassen wurde, als ungewöhnlich (ccrj&t]g) imd befremdend (dXXoxorog)
charakterisiert wird. Durch all dies ist deutlich gezeigt, dass der Konsul,
der das Edikt e'rliess, es selbst nicht gebilligt hat, sondern erst durch
Zureden im Senat dazu gebracht wurde. Gaius veröffentlichte dann eine
Gegenproklamation, in der er den Konsul angi'iff und den Bundesgenossen,
welche in der Stadt blieben, seine Unterstützung in Aussicht stellte.
Doch, heisst es w^eiter: ov fii^v ißofj&tiaev , dkXd ogwv %va twv ^ivtap
avrov xal ffvvfj&üjv ikxofnvov ino rHv ifttjgBtcSv rwv rov <Pavviov
nagtjk&t xal ov ngoar^fivvep eh 8 Tf;v ia^vv hniXeinovaav tjdt] Sediufg kXfyx^iv
ehe firi ßovXo/uvog^ wg iXiytv^ ätpifia^lag avrog xal avfA7tXoxr;g dg^dg
C,YiTov6i Totg kx^ß^^S nagaaxeiv. Das ist ausgezeichnetes Detail, hier
spricht ein wohlunterrichteter Zeitgenosse zu uns, der das von Gaius selbst
angegebene Motiv füi' sein Auftreten kennt, aber auch den waliren Grund
für die Zurückhaltung des Tribunen nicht vei-schweigt. Hier ist „der
entscheidende Wendepunkt" in dem Leben des Volkstribunen : „als Gaius
es trotz seines Edikts nidit mehr wagen kann , den vom Konsul FanniiLs
ausge>\iesenen Bundesgenossen den tribunicischen Schutz zu gewähren"
(Meyer 29). Wer hatte ein solches Interesse daran, die Bedeutung des einen
Konsuls von t)32 für den Höhe- und den W^endepunkt in (jaius' politischem
Leben in dieser Weise zu schildern wie Fannius selbst?
1) Darauf lenkt Bchon, wie ich Dachträglich sehe, H. Peter, Hist. liom. reJl, I
p. CCVII 3, die Aufmerksamkeit.
Zur Geschickte der Gracchenzeit 25
Zu Cicero und Plutarch tritt nun als Dritter noch Sallust. Auch
von ihm hatten wir an einzelnen Äusserungen zu bemerken geglaubt, dass
er im Jugurtha den Berichten der Gruppe Lateiner-Plutarch nahe steht.
Eine ausgezeichnete Stütze für diese Ansicht ist der Umstand, dass Sallust
bekanntlich im ersten Buch seiner Historien, offenbar im Proömium, an
Fannius die veritaa seiner Darstellung gerühmt hat; Victorin. ad Cic. rhet.
p. 57 Or. {Rhet lat min, ed. Halm p. 203, Maurenbrecher, Sali Iltst. rel.
I fragm. 4). Man hat es auffällig gefunden, dass ein Schriftsteller, den
C-icero mehrfach zitiert, in dem man also einen Schriftiiteller optimatischer
Tendenz vermutet, von dem Caesarianer Sallust gelobt wird. Schwartz
(797) hat das Lob abzuschwächen gesucht durch die Bemerkung: „Was
heisst denn das anders, als dass Fannius nach dem stehenden Gebrauch
der historischen Proömien diese Tugend für sich in Anspnich genommen
und seine Erzählung technisch so eingerichtet hatte, dass die Partei-
stellung nicht so krass hervortrat wie in den rein optimatischen Dar.
Stellungen der Gracchenzeit? Denken lässt sich auch, dass er durch
reiches Detail in besondere wichtigen und bestrittenen Punkten das Urteil
zu berichtigen strebte. Aber auch hier ist die Technik der Erzählung,
die Gruppierung der F.reignisse, die stilistische Farbe die Hauptsache,
durchaus nicht das, woran der Moderne immer denkt, die vorbereitende
Forschung und Untersuchung". Schwartz tritt mit diesen Ausführungen
(S. 795 — 797) Eduard Meyers Ansichten entgegen, der (S. 6 und 33) die
Annalisten der Gracchenzeit, was das politische und historische Verständnis
angeht, hoch über die späteren Rhetoren wie Livius stellt. Schwartz
giebt zu, „dass sie das republikanische Staatsrecht besser kannten und
die politischen (Tegcnsätze schärfer fassten". Damit sei aber noch nicht
gesagt, „dass sie gute historische Berichterstatter waren". Was Fannius
betrifft, so übersieht er, dass Sallust diesen so ho(!h schätzt, dass er ihn
neben Cato stellt, insofern er den letzteren in der brevüas, jenen in der
verüas nachahmen will, mit anderen Worten: in formalcT Hinsicht will
er den (Jato, inbezug auf den Inhalt den Fannius sich zum Vorbild
nehmen. Denn, sagt der erwähnte Scholiast, hütoria et brevts esse debet
in expositiane et aperta et probabHis, ut Sallust ius sibi ontmia in Catilina
tribuü, indem er die Worte {Catil c. 4 Ende) quam verissume j^otero
2) au eis absolvam zitiert. Dass bei dem durchaus rhetorisch gebildeten
und gerichteten Sallust, dem gelehrigen Schüler der Griechen, trotz
seines Strebens etwas ganz anderes zu Tage kam, darf das Urteil über
die Vorbilder nicht beeinflussen. Meiner Ansicht nach geht Schwartz zu
weit und kommt zu einer Überschätzung der Technik für diese ältere
Annalistik. Wohl beginnt in der Gracchenzeit „die hellenistische Rhetorik
ihren siegreichen Einzug in Rom" zu halten „und mit ihr ihre echte
Tochter, die rhetorische, mit allen Mitteln auf den Effekt liinarbeitende
Historiographie". Aber gerade die Heraushebung des Coelius Antipater
aus allen Historikem der Zeit, den exiks scripiores^ und die Bemerkung
26 E, Komemann,
des stets den stilistischen Massstab anlegenden Cicero, admonere reliquos
potuü %U adcuratius scriberent (Cic de hg. I 6), zeigt, dass die anderen
von rhetorischer Technik noch weit entfernt waren. Schwartz selbst
macht auch auf den Einfluss des Polybios aufmerksam, der doch die
Ehetorik in der Geschichtsschreibung scharf bekämpfte. „Das kolossale
Werk des Polybios muss einen Eindruck gemacht haben, den man sich
nicht leicht gross genug vorstellen kann" (796). Wie die Behauptung,
die Schw. daran anschliesst, dass die römischen jüngeren zeitgenössischen
Historiker aber nur die schlechten Seiten an ihm sich zum Muster ge-
nommen hätten, angesichts des bekannten Proömiums des Sempronius
Asellio und der Hervorhebung der verüas bei Fannius, wirklich hin-
reichend begründet werden kann, vermag ich nicht zu sehen. Warum soll
nicht, ehe die Rhetorik auch die lateinische Geschichtsschreibung ver-
seuchte, Polybios für kurze Zeit wenigstens einen heilvollen Einfluss auf sie
ausgeübt haben ? Ich will auch das Schwartz noch zugeben, dass das Lob
der verüas bei einem antiken Schriftsteller vielleicht in erster Linie das
Zurücktretenlassen eines einseitigen Parteistandpunktes bedeute, dass, wie
der Scholiast sagt, die hiatoria aperta et probabilia sei; aber, frage ich,
war die Ausschliessung der Tendenz bei einem zeitgenössischen Schrift-
steller nicht schon etwas Grosses? Es bleibt bei der Ansicht Ed. Meyers,
und Sallusts Urteil über Fannius ist nicht zu verwässern oder liinweg
zu eskamotieren. Das unerreichbare Ideal, sine ira et studio zu schreiben,
ist natürlich auch von Fannius nicht verwirklicht worden, aber das
Streben nach Wahrheit war den Menschen jenes naiveren Zeitalters noch
keine blosse Phrase wie der an der griechischen Rhetorik zu Grunde ge-
gangenen späteren Historiographie der Römer. ^)
Von drei Seiten ist uns somit wichtige Kunde über Fannius und
sein Werk zugeflossen. Nehmen wir dazu, was uns sonst noch über die
Persönlichkeit und ihre schriftstellerische Bethätigung bekannt ist.-)
Die Persönlichkeit begegnet uns zum ersten Male im Jahre
608/146 bei der Eroberung von Karthago (Plut. Ti. 4), zum zweiten
Male 612/142 in Spanien im Krieg gegen Viriathus (App. Jb. 67), beide
Male erwähnt wegen hervorragender kriegerischer Leistungen. Wie die
erste Erwähnung bezeugtermassen, so ist die zweite höchstwahrscheinlich
1) Der Einfluss des Polybios hat nicht lange vorgehalten. Von der sullanischen
Zeit ab machte sich die hellenistische Historiographie schlimmster Sorte in Rom immer
mehr breit; Sisenna nahm sich den Alexanderhistoriker Kleitarchos zum Vorbild, Cic.
de leg. T 7, CaeliusRufus studierte ihn aufs eifrigste, ebda, ad fam. V 10, vgl. F. Reuss,
Mein. Mus. 57, 1902, S. 597, Niese, Hermes 35, 1900, S. 301 mit Anm. 4. Dagegen
bedeuti't das Auftreten des Sallust mit seinem Zurückgehen auf Cato und Fannius
(daneben auf die besten Griechen wie Thukydides) bis zu einem gewissen Grade eine
Reaktion. An Sallust aber bilden sich Asinius Pollio und Tacitus; man vgl. dessen
Klage über das Schwinden der verüas: Eist. I 1.
2) Vgl. zum folgenden Mommsen CIL. I p. 158 und H. Peter, IJist. Born.
reU. I p. CCII.
Zur Geschichte der Gracchcnzcit 27
aus seinen eignen Annalen entnommen. Im Jahre 612/142 wird Fannius
schon bei Appian Schwiegersohn des Laelius genannt. Über die Zeit
seines Volkstribunates war man im Unklaren. Cicero schreibt an Atticus
(XVI 13 C. 2) : in praesentia mihi velim scribaa^ quibua censoribtis C, Fannius
M. f, tribunus pl. fuerit; videor mihi audiase P, Africa/no L. Mummio: das
wäre aber gleichfalls im Jahre 612/142. Man sucht heute aus dem
Widerspruch dadurch herauszukommen, dass man entweder eine Ver-
wechselung mit dem Kriegstribunat annimmt^) oder dass man mit Rück-
sicht auf die Thatsache, dass die Censur auch noch in das folgende Jahr
hinein sich erstreckt, das Volkstribunat ins Jahr 613/141 verlegt.-) Ich
halte die Sache für unlösbar, da Cicero selbst nur eine unsichere Kunde
giebt und Atticus' Antwort nicht erhalten ist. Interessant ist es zu
beobachten, wie Cicero allmählich seine dürftigen Kenntnisse über
Fannius erweitert. Der oben behandelte Brief stammt aus d. J. 710/44.
In dem zwei Jahre vorher erechienenen Brutus spricht er nui- (c. 100)
von dem tribunatua {non obscurus) des C. Fannius G. /! als arbürio
et auctoritate P, Africani gestus ^ ohne auf die Chronologie einzugehen.
In de republica (begonnen 700/54) werden (I 18) mit Laelius seine
Schwiegersöhne C. Fannius und Q. Scaevola unter d. J. 625/129 ein-
geführt als doctos adulescentes iam aetate quaestorios. Diese Worte stehen
mit allen übrigen Daten, die wir haben, in Widerspruch. Sie sind nur
ein Zeugnis für Ciceros damalige Ignoranz auf dem hier in Betracht
kommenden historischen Gebiet. Beide Pei-sönlichkeiten standen im
J. 625/129 im besten Mannesalter. Denn auch Q. Scaevola, der jüngere
von beiden (Brutus 101), welcher im Jahre 637/117 Konsul war,'*) musste
damals schon über 30 Jahre alt sein. Genau so unsicher wie bezüglich
des Volkstribunates ist unsere Kenntnis inbezug auf das Jahr der Prätur.
Als I^ätor (argatfjyog) wird Fannius nämlich allein bei Josephos (Ant,
Jud. XIII 9. 2. 260 u. 265 Niese) genannt. Die Erwähnung geschieht aber
in einem der bei diesem Schriftsteller eingelegten Senatskonsuite zu
Gunsten der Juden, deren Datierung bekanntlich viel umstritten ist. Für
das hier in Frage kommende*) lassen sich drei Parteien untei-scheiden.
Die erste setzt das SC. in das Jahr 621/133 oder eines der folgenden
Jahre, die zweite in das Jahr 632/122, die dritte unter Antiochos
Kyzikenos etwa ums Jahr 649/105.'^) Nur wenn die (»rste Datierung das
richtige trifft, ergiebt sich etwas daraus für unser lliema. Innerhalb
1) Orelli, Onomast. Tüll I p. 251.
2) II. PeUT a. a. 0. p. CCIV.
3) Fischer, Zeittafeln S. 153.
4) In der urkundlichen Form wiederhergestellt von Viereck, Servio graecus p. 112.
5) Von den Vertretern der ersten Ansicht wird im folgenden noch genauer
gehandelt. Die zweite Ansicht verficht G. Unger in den S.-Ber, der Münch,
Akad. 1895 S. 575 ff. , auch schon 0. Iloltzmanu bei Stade , Gesch, des Volkes
Israel II S. 390, letzterer aber mit Gründen, die eine vollkommene Unkenntnis des
28 E. Komemanfiy
dieser Gruppe stehen wieder zwei Ansichten einander gegenüber. Die von
Mendelssohn^) im Anschluss an Ritschi gegebene Datierung in die Zeit des
Krieges zwischen den Juden und Antiochos Sidetes, das Jahr 621/133, teilt
heute nur noch Schürer. *^) Eine grössere Zahl von Forschem steht dagegen
im Anschluss an von Gutschmid*) auf dem Standpunkt, dass das SC. erst
nach dem erwähnten Kriege anzusetzen sei, wobei aber zu beachten ist, dass
Zeit und Dauer des Krieges recht unbestimmt sind. Wir haben zwei unver-
einbare Zeitangaben aus dem Altertum (Niese, Hermes 28 S. 225 und Schürer,
Gesch. des jüd. Volkes I » S. 259. 5). Schürer setzt den Krieg darnach
in die Jahre 134—132, Wilcken*) 135—134, Niese*^) 130/29. So kommt
es, dass auch für das SC. kein bestimmtes Jahr von hier aus gegeben
werden kann: Viereck '^) sagt: ca. 622/132, Mommsen'): um 623/131,
andere*) verzichten auf die Angabe eines bestimmten Jahres und be-
merken nur, dass das Dokument noch in die Zeit des Antiochos Sidetes
(gestorben Anfang 625/129)») gehöre. Das Jahr 624/130 kommt aber
deswegen in Wegfall, weil HjTkanos damals als Verbündeter des Antiochos
den Partherzug mitmachte.^^) Mehrere Forscher wollen sogar in die Zeit
nach Antiochos Sidetes' Tod heruntergehen, weil Hyrkanos nach dem für
ihn unglücklichen syrisch - jüdischen Krieg sofort Freundschaft und ein
Bündnis mit Antiochos geschlossen habe, hier also kein Eaum mehr für
die Beschwerde an die Eömer bleibe. Dahin neigte schon von Gutschmid
selbst;^*) ausser ihm vei-treten Schlatter^-) und Niese'**) diese Ansicht. Dar-
nach kämen wir etwa in die Jahre 626/128, 627/127 oder gar 628/126
(Schlatter [S. 7] sagt: kaum vor 127). So haben wir also für die
Prätur des Fannius entweder die Jahre 133, 132, 131 oder 128, 127,
126 in Betracht zu ziehen. Wenn aber das Volkstribunat wirklich
römischcD Staatsrechtes verraten; die dritte ist diejenige von WeUhausen (Israel,
und Jüd. Gesch,^ S. 271. 3 und S. 274. 1), Th. Reinach, Rev. des Kt. juives 38,
1899, S. 166 ff. und H. Willrich, Itidaica S. 69 ff. Über diese beiden Ansichten vgl.
man den Anhang S. 54 ff.
1) Acta societatia phil. Lips. V, 1875, p. 123 ff.
2) Gesch. des jüd, Volkes !• S. 260 ff.
3) Kleine Schriften II S. 303 ff.
4) Bei PaulyWissowa I 2479.
5) Hermes 28 S. 225; ebda. 35 S. 286 f.
6) Sermo graecus p. 93.
7) Mm. St-R. m S. 923. 4.
8) Adolf Kuhn, Beilr. zur Gesch. der Seleukiden, Erlangener Diss. 1891 S. 11. 7,
Wilcken bei Pauly-Wissowa I 2479.
9) So von Gutschmid, Gesch. Irans S. 77, Wilcken a. a. 0. 2480, Schürer I*
S. 173 Anm.; anders (Anfang 626/128) von Gutschmid, Kleine Schriften II 313 und
Niese, Hermes 35, 1900, S. 287 und 288. 6.
10) Von Gutschmid. Iran S. 75.
11) Kleine Schriften II S. 313.
12) Zur Topographie u. Gesch. Palaestinas S. 5—10.
13) Hermes 35 S. 289. 1.
Zur Geschickte der Gracchenacit. 29
schon ins Jahr 612/142 oder 613.141 gehört, so ist man eher geneigt,
die Prätur in eines der drei früheren Jahre zu setzen. Dazu kommt,
dass nach unserem Dokument das Hauptanliegen der Juden verschoben
wird, orav ano tuiv Idiutv tj avyxkfjTog iiaxoXi^at).^) Auch das weist auf
^ie ereignisreichen Jahre 133, 132, 131 hin. Bei diesem Resultat
wird man sich beruhigen müssen, wenn man nicht überhaupt eine
Lösung des Problems im Sinne der Ungei-schen Hj-pothese vorzieht (siehe
darüber den Anhang S. 54). — Wie Fannius dann im Jahre 632/122 mit
Hilfe des C. Gracchus Konsul wurde, und wie er in demselben allmählich von
dem leitenden Volkstribun abrückte, ist genügend behandelt. Nach dem
Konsulat hören wir nichts mehr von ihm.
Seinem Beruf nach war Fannius Sacliwalter (cattsas defensitavit:
Bruhis 100). Mit seinem Schwiegervater Laelius stand er nicht be-
sonders gut {non admodum däigebat\ weil derselbe nicht ihn ins Augurn-
koUegium aufgenommen, sondern den jüngeren Schwiegersohn Q. Mucius
Scaevola vorgezogen hatte. Laelius entschuldigte sich dem Gekränkten
gegenüber damit, dass Mucius seine ältere Tochter zur Frau habe. Auf
Betreiben des Schwiegervaters war aber Fannius Schüler des Panaetios
geworden (ebda 101) und wie die meisten Stoiker ein schwacher oder
nm- mittelmässiger Eedner (ebda 100 u. 118), dagegen wohlgeschult in
wissenschaftlicher Disputation (117 u. 118).
In seinen Annalen war, wie aus dem bereits Zusammengestellten
sich ergiebt, die eigne Persönlichkeit, wo immer sie auf dem Schlachtfeld
oder im politischen Leben hervorgetreten war, nach echter Kömerart
stark in den Vordergrund gedrängt, aber so, da«s auch minder Rühm-
liches nicht übergangen war. Die Notiz des Plutarch, dass er wälirend
seines Konsulates ein Edikt erlassen musste, mit dessen Inhalt er offen-
bar nicht einverstanden war, Hess sicli mit grosser Walii-scheinliclikeit
aus seinem eignen Werk entnommen dartliun. Dass darnach auch Cieeros
Angaben über das Volkstribunat von Scipios Gnaden und die Bevor-
zugung des Q. Mucius Scaevola bei der Augurwahl seitens des gemein-
samen Schwiegervaters Laelius in letzter Linie auf dit^selbe Quelle
zurückgeführt werden müssen, liegt doch sehr nahe. Ist das richtig, so
haben wir damit schon einige Beweise für die vcräas, die an Fannius
gerühmt wurde. Scipio Africanus war eingeliend in dem Werk charak-
terisiert (Ironie). Keden der leitenden Männer im Senat und beim Volke
waren dem Gang und Inhalt nach mitgeteilt, wie das auch Cato in
seinen Origtnes getlian hatte (Cic. de orat I 227), darunter die eigne Rede
vom Jahre 632/122: de socüs et nomine Latino contra Gracchum. P]ndlich
ist hervorzuheb(»n , dass das Werk wohl von stoischem (leiste gc^tragen
war. Der Charakter des Verfassers ei-schien strtiiger darin als im
Leben, seine Diktion war imbeholfener als in den Reden.
1) 265 Niese.
30 E. Komemann,
Dieses Bild von Fannius' Persönlichkeit und Werk passt vorzüglich
zu dem, was sich uns über die gesuchte Urquelle der Lateiner und des
Plutarch ergeben hatte. Die Bewunderung für Africanus erklärt sich
jetzt leicht, wenn wir nun sehen, dass wirs mit einem Günstling des-
selben zu thun haben. Die scharfe Stellungnahme gegenüber Opimius'
Wüten wird verständlich, da wir wissen, dass Fannius und Opimius
politische Gegner waren und einst um das Konsulat gestritten hatten.
Den Hinweis auf Reden, die Einlage von Redeteilen und Aussprüchen
der leitenden Persönlichkeiten haben wir hier wie dort. Die brauchbaren
Zahlenangaben passen sehr gut für einen Autor, der sogar, wenn die
eigne Persönlichkeit in Frage kommt, von Übertreibung und Vertuschung
sich freihält. Es dürfte somit der Satz, dass die Annalen des
Fannius der Ausgangspunkt derjenigen Tradition sind,
welche in den lateinischen Quellen und stellenweise auch
bei Plutarch noch zu Tage tritt, bis zu dem bei Quellenunter-
suchungen erreichbaren Grad von Walirscheinlichkeit gebracht sein.
Um den gefundenen Satz noch weiter zu stützen, schliessen wir
nunmehr noc^h einige Übereinstimmungen innerhalb der betrachteten
Quellengi-uppe an, die augenfällig derselben Vorlage wie die finiher be-
sprochenen entstammen.
Es ist nicht unbemerkt geblieben, dass in der von uns in den
Vordergrund gerückten Quellengi-uppe eine vorzügliche Kenntnis der
persönlichen und Familien -Gegensätze innerhalb der römischen Aristo-
kratie der Revolutionszeit zu Tage tritt. „Der Konflikt ist," um mit
Ed. Meyer (22 f.) zu reden, „wie jeder innere Kampf in einer Aristokratie,
zugleich ein persönlicher und ein politischer ; die alten Familienfehden, die
durch Verschwägerungen wohl einmal überbrückt werden, aber immer
von neuem wieder ausbrechen, vei-schlingen sich mit den prinzipiellen
Gegensätzen." Wenn wir das berücksichtigen, begreifen wir, weshalb
Fannius den Verhandlungen über das foedua Numantinum solche Be-
deutung für das spätere Auftreten de^ Tiberius in Rom beigelegt hat.
Seitdem war der Bruch zwischen Tiberius und seinem Schwager Scipio
„unheilbar" (Meyer 23), und Tiberius wandte sich von der jedem Radi-
kalismus in der inneren Politik abgeneigten Politik der Scipionengruppe
hinweg. Wir haben ein einzig dastehendes Zeugnis bei Plut. ?V. 8. 3,
das ich trotz seiner Singularität für Fannius in Beschlag nehmen zu
dürfen glaube, i) über den Grad von Reformfreundlichkeit, der innerhalb
der Scipionenpartei herrschte: in^xtigriaB fih ovv r/J dioQ&iacu Faioq
AaiXiog 6 2^xri7ii(avog iraJgog, ävr iXQovaavrwv Öi rwv övvaxwv
fpoßfj&eig Tov ihoQvßov xai navaduepog inexkri&tj aotpog f] rpQOPifiog,')
1) DtT Zusatz ixccTfQOv yuQ idoxn armaivtiv 6 aanirivs weist auf eine lateinische
Quelle genügend hin.
2) Die Hervorhebung des Laelius (der Schwiegervater des Autors!) ist auch sonst
zu beobachten: Cic. de orat. II 341: Q. Tuberoni Africanum avunculum laudanti scripsit
Zur Geschickte der Chracchcnzeit 31
Von diesen Leisetretern war nunmehr Tiberius ein für allemal geschieden.
Durch seine Heirat rückt er auf die Seite des Appius Claudius und tritt
ausserdem in Verbindung mit dem alten einflussreichen Senator Metellus
Macedonicus, die beide erbitterte inimici Sc^ianü waren (betreffs des
Metellus vgl. Cic. de rep. I 31, Val. Max. IV 1. 12, Meyer 23). Be-
deutender Einfluss auf das gracchische Agrargesetz wird den beiden
Brüdern P. Mucius Scaevola (cos. 133) ^) und P. Licinius Crassus Mucianus,
dem Schwiegervater des jüngeren Gracchus — beide waren bedeutende
Juristen — zugeschrieben bei Cic. acai. prior, II 13, Putarch Ti. 9. Dieser
P. Ci-assus und Tiberius* Schwiegervater waren die Führer der Gracchen-
partei im Senat, die von der Scipionengruppe sich scharf absonderte:
Cic. de rep. I 31.
Das Scheitern des Tiberius wird bei Cic. de leg. III 24 in letzter
Linie auf die Absetzung des Octavius zurückgeführt: Quin ipsum 7V.
Gracchum non aolum neglectus aed etiam sublattis intercessor evertit\ quid
enim illum aliud perculit nisi quod poteatatem intercedenti collegae abrogavit f
Bei Plutarch 77. Gr, 11 heisst diese Massregel ^gyov ov vofiifiov ov8i
inierxig: das ist bei der apologetischen Tendenz der plutarchischen Bio-
graphie doppelt beachtenswert. Cicero spricht aus diesem Anlass von
vexare rempublicatn {Laeliua 37) und berichtet, dass damals bereits manche
Freunde, wie z. B. Q. Tubero,*) von Tiberius abgefallen wären. Orosius
(V 8. 3) bemerkt nur kurz : his cauaia aenatam ira . . . inväait. Das erste
Hervortreten des Scipio Nasica im Senat als Gegner des Tiberius, von
dem Plutarch 77. 13 erzählt, stand auch in der livianischen Darstellung
(Orosius V 8. 4: obaiatente Naaica, Meyer 24. 1). Aber erst nach dem
Antrag des Tiberius auf Verteilung der attalischen Erbschaft bricJit der
Sturm im Senat los. Reformfreunde wie Q. Metellus Macedonicus und
Reformfeinde (Q. Pompeius, T. Annius Luscus) wettern in gleicher Weise
gegen Tiberius. Den eingehendsten Bericht über die stürmische Senats-
sitzung haben wir bei Plut. 7Y. 14, einzelnes auch bei Livius und Cicero
(Ijiv. Ep, 58, Orosius V 8. 4, Cic. Brutua 79, auch ebda. 117, dazu Meyer
24. 4). Da die bei Fannius skizzierte Rede des Metellus Macedonicus
wahrscheinlich mit der in dieser Senatssitzung gehaltenen identisch ist,
dürfen wr wohl den Bericht über die ganze Sitzung auf Fannius zurück-
führen. Allerdings finden sich auch Diskrepanzen zwischen Plutarch und
Livius (Schwartz S. 808), aber sie sind nur derart, dass sie aus einer
C. LaeliuSf SchcH. Bob. zu Cic. ftro Mtl. p. 288 Or.: super eins laudibus ejctat oratio
C. Laelii Sapientis u. s. w.
1) H. Peter, Hut. ]{om. rcll. I p. CCVII 2 macht diewn P. Scaovola zum
Schwiegersohn des Laelius; das ist eine Verwechselung mit Q. Scaevola, dem Konsul
von 637/117, Mommsen zu CIL. I 560, Peter selbst a. a. O. p. CCIV.
2) Über seine Verwandtschaftsverhältnisse Cic. de o rat. II 341, Neumann I S. 198:
er war ein Neffe des Aemilianus, Sohn seiner leiblichen Schwester und Freund des
Laelius, gehörte also zur Scipionengruppe.
32 E. Kornemann,
Weiterbildung der Tradition im gracchenfreundliclien Sinn bis zu Plutarch
sich erklären lassen. Auch nach dem Tode des Tiberius bleibt die Ee-
formpartei im Senat bestehen und zwar unter Fülirung des Metellus und
P. Mucius Scaevola, der, wie wir oben sahen, bei der Katastrophe des
Tiberius ein gewaltsames Einschreiten hartnäckig abgelehnt hatte, in
scharfem Gegensatz gegen die Scipionengi'uppe : Cic. de rep, 131. Die
Sache des Tiberius hielt man, dagegen seine Person liess man fallen.
P. Mucius soll nachträglich erklärt haben, dass Scipio Nasica, obwohl
er Privatmann gewesen war, mit Recht die Waffen gegen Tiberius er-
griffen habe (Cic. de domo 91, pro Plancio 88, vgl. de orcU. II 285). Das
bedeutete eine Verurteilung der eignen Haltung an jenem bedeutungs-
vollen Tage auf dem Kapitol und ein jämmerliches Zukreuzekriechen vor
den optimatischen Heisssi)omen. Als die eignen Parteigenossen so den
Tiberius verleugneten, konnte Scipio Africanus mit seinem Ausspruch
iure caesum esse offen Stellung nehmen. Alle diese Männer thaten
schliesslich dasselbe wie früher Laelius: sie wurden der Sache der
Gracchen untreu, weil sie die Reform nicht durch eine Revolution her-
beigeführt Wissen wollten. Das Interesse an diesen Abtrünnigen war
offenbar bei Fannius ein ganz besonders grosses, weil er selbst später
von Gaius aus ähnlichen Motiven sich abgewandt hatte. Wir dürfen
daher in den zerstreuten Angaben in besagter Richtung, zumal sie uns
meist durch Cicero erhalten sind, Reste von Fannius* Annalen erblicken.
Die Rede des Metellus Macedonicus gegen Tiberius und die des Africanus,
in der er jenen vernichtenden Ausspruch über Tiberius gethan hatte,
waren so gut wie seine eigne Rede de sodis et nomine Latino gegen
Gaius w^ohl besonders eingehend in dem Gescliichtswerk skizziert. Über-
haupt waren hier das Koteriewesen der Zeit, die politischen und persön-
lichen Gegensätze der einzelnen und der Familien, die daraus sich er-
gebenden Parteiverhältnisse, die Verschiebungen in die>ser Richtung sehr
ins Einzelne gehend dargestellt, die Verhandlungen im Senat und vor dem
Volke waren in Rede und Gegenrede vorgeführt. Davon haben wir bei
Cicero und Plutarch noch einen Niedei-schlag.^) Gerade für Biographien-
schreiber war das Werk somit eine Fundgrube.
Was endlich das Verhältnis unseres Historikers zu den beiden
Gracchen selbst betrifft, so ergeben die Quellen unserer Gnippe noch
ein paar interessante Fingerzeige. Es ist bekannt, dass dem Tiberius
Gracchus vorgeworfen wurde, er habe nach der Kimigsherrschaft gestrebt.
Der Vorwurf ist alt, und zwar ist er nach der Absetzung des Octavius
innerhalb der Optimatenpartei laut geworden. In der Senatssitzung, die
sich mit Tiberius' Antrag bezüglich der attalischen Erbschaft beschäftigte
(riut. Tl. M), hat Q. Pompejus das Märchen aufgetischt, er als Nachbar
1) Nitzsch, Gracchen S. 447: In beiden LebcnsbeschrcibuDgeu giebt er (Phitarch)
über die Verhandlungen in der Curie ein reicheres Detail als Appian.
Zur Geschichte der Gracchenzcit S3
des Tiberius wisse, dass der Pergamener Eudemos diesem Diadem und
Purpur überbraclit habe, itg fikllovri ßaadniHv iv '-PnJ/ij;, und Metellus
Macedonicus macht es dem Tribunen wenigstens zum Vorwurf, dass er
sich mit einer Art Leibwache aus den schlechtesten Elementen der
Bürgerschaft umgebe. Bei der Schlusskatastrophe wird ihm ein Zeichen,
das er giebt, indem er mit der Hand nach dem Kopf greift, so angelegt,
als fordere er das Diadem. Da*s war — darin hat Meyer (26. 1) unstreitig
recht — die Optimaten -Version von dem ersten Moment an. Es ist die
alte Taktik der römischen Aristokraten, die gegen alle Unbotmässige aus
ihren Reihen angewendet wurde, ^) denselben das Streben nach dem ver-
fehmten Titel eines rex anzuheften, um sie dann mit Fug und Eecht aus
der Welt zu schaffen. An drei Stellen (bei Pseudo- Victor 64, Florus II 2. 7,
Plut. Tl. 19) ist die Sache überliefert und zwar jedesmal in der Version,
dass das Zeichen in Wirklichkeit dazu dienen sollte, seinen Anhängern,
die er nicht mehr mit der Stimme erreichen konnte, anzudeuten, dass er
sich in Gefahr befinde (nach Appian I 15 war es verabredet), und dass
die Gegner ihm erst den weitergehenden Sinn unterschoben. Die Über-
einstimmung der drei späten Schriftsteller 2) deutet darauf hin, dass
beide Erklärungen schon in der Urquelle standen: also hat Fannius
wohl die Optimaten -Version erwähnt, sie aber als das, was sie war,
charakterisiert.**) Dazu stimmt es, wenn Sallust Jtig. 31. 7 sagt: occüo
Tt, Oraccho^ quem regnum parare aiebant (sc. optimates), während
Cicero den Laelius {Lael, 40) ohne Weiteres den Optimatenstandpunkt
vertreten lässt: Ti. Gracchus regnum occupaie conatus est vel regnavit ü
2)auf'os menses. Da der Ausspruch des Africanus in der breiteren Form,
wie ihn Velleius bietet, si ts occupandae re%p\d)livae animum habuisset, iure
caesum, im Vordersatz ebenfalls schon auf diese Version Bezug nimmt,
so sieht man, wie schnell die Darstellung der Optimaten gesiegt hat.*)
1) Später auch gcgeuüber Caesar, vgl. meine Arbeit über Asinius PoUio, Jbb. f.
dass, Phil. 22. Suppl.-Bd. S. 607f.
2) Dit; ÜbereinstiinmuDg von Pseudo -Victor und Florus ist schon beobachtet
wordi'u von Spengel, S.-Ber. d. Münch. Ahid, 1863 S. 317, die der drei Stellen von
H. Haupt, De auctoris de tfiris iü. Ultra quaest. hist. S. 23 f.
3) Ich stimme also nicht vollkommen mit Ed. Meyer (26. 1) überein, der die Geste
für eine symbolische, nicht historische Handlung hält, erfunden, um die Beschuldigung,
dass Tiberius nach der Krone gestrebt habe, zu verkörpern. Mir ist entscheidend, dass
nicht nur die auf Fannius zurückgehende Gruppe, sondern auch Appian (I 15) das
Zeichen erwähnt, und zwar letzterer, ohne die Optimaten -Version beizufügen.
4) Inten^ssant ist der Bericht bei Plutarch (Apophth. Scip. 22. 23), wonach die
Gracchaner den Vorwurf zurückgaben und den Africanus als Tyrann bezeichneten, der
getütet werden müsse (Meyer S. 26. 2). Da Fannius, wie früher (S. 10 f.) gezeigt wurde,
an einen gewaltsamen Tod des Africanus, und zwar wahrscheinlich von Seiten der Ver-
wandten, glaubte, so scheint er die Dinge so dargestellt zu haben, dass die gracchische
Familie mit der nächtlichen Beseitigung des „Tyrannen" Africanus die Antwort gegeben
habe auf die Mordszene auf dem Kapitol, die die Optimat<;n als die Abwendung der
Königsherrschaft feierten, eine Auffassung, mit der sich Scipio Africanus seit jenem
Ausspruch zu identifizieren schien.
£. Kornemann, Zar Geschichte der Oracchenzeit. 3
34 E. Kornemannr
Bei Poseidonios (Diodor 34/5 33. 6) wird Gracchus beim Versuch, sich der
Tyrannis zu bemächtigen, von Nasica persönlich erschlagen. Hier sieht
man sehr deutlich, wie gewaltig die Darstellung des Fannius der opti-
matischen Tendenzen dienenden Erzählung des griechischen Stoikers über-
legen war. Auffallend ist, dass bei Velleius (IL 6. 2) als zweites Motiv
des C. Gracchus für die Bewerbung um das Tribunat das Streben nach
königlicher Macht, wie der Bruder sie gehabt hatte, genannt und dem-
entsprechend ebda. § 4 Fulvius Flaccus als aocius regalia poterUiae (Livius
Ejj, 61 dagegen nur aocius eiusdem furoris) bezeichnet wird. Die übrigen
Quellen geben dieses Motiv nicht, nur könnte man darauf hinweisen,
dass der Ausdruck fiovagxi^xrj ng laxvs, den Plutarch (G Or. 6) für die
Stellung des Gaius auf dem Gipfel seiner Macht gebraucht, mit regalü
potentia sich vollkommen deckt. Aber er ist bei Plutarch in anderem
Zusammenhang gebraucht (über die Fassung vgl. unten S. 42 Anm. 1).
Wenn Fannius hier auch die Quelle ist, wird man sagen können, dass das
Streben nach königlicher Macht noch nicht Streben nach der Königs-
krone ist ; man wird auch weiter in Betracht ziehen müssen, dass offenbar
Gaius, so hoch er auch in Bezug auf seine Geistesgaben in der Quelle
über den Bruder gestellt worden war, als Politiker eine härtere Be-
urteilung erfährt als Tiberius. Während Tiberius ursprünglich die besten
Absichten hatte (Vell. II 2. 2: propoaito sancHsaimus ^ dazu Appian I 17:
ägiarov ßovXii^avoq Hvexa), war Gaius' Streben von vornherein auf die
Gewinnung einer monarchischen Stellung gerichtet. Da er leidenschaft-
licher war als der Bruder, zeigte er sich auch rücksichtsloser gegen die
Menschen, radikaler in seinen Entwürfen. Gleich sein erstes Gesetz, die
lex frumentaria^^) hat offenbar eine scharfe Kritik bei unserem Historiker
erfahren, die an die Reden der Opposition anknüpfte. Sie tritt für uns
zu Tage bei Cicero {pro Seatio 103 und 140, dazu Schol Bob. p. 300. 303,
de off, n 72, Tusc. 11148), dessen Bemerkungen den Stempel fannia-
nischen Ursprungs an der Stirn tragen durch den Hinweis auf die Reden
des Gracchus bei dieser Gelegenheit (auch pro Fonteio 39) und das inter-
ressante Detail (vgl. TWc. HI 48 die Szene mit dem Konsular Piso
gelegentlich der ersten Getreideverteilung und Ausspruch desselben). Vor
allem aber das Bundesgenossengesetz, gegen das Fannius selbt als Konsul
aufgetreten war, muss eine ablehnende Kritik erfahren haben. In den
lateinischen Quellen und bei Plutarch hören wir das meiste über diese
Sache. Bei Velleius (II 2. 3) hat man nichts rechts damit anzufangen
gewusst, dass schon von Tiberius gesagt wird: j^olUcituaqtie toti Italiae
civücUem,') Nun wissen wir aber, dass der ältere Gracchus bereits eine
ganze Anzahl Gesetze plante, die erst sein Bruder durchführte (Plut.
Ti. 16, Dio fragm. 83. 7, Boissevain I p. 328); an diese glauben die
1) Über die Chronologie vgl. den 2. Abschnitt S. 43.
2) Herzog (Geschichte und System I 449. 1) nennt das eine Phrase, die als Zeugnis
nicht in Betracht kommen könne.
Zur Geschichte der Gracchenzeit. 35
Neueren zumeist.') Es ist daher eine Inkonsequenz, jene velleianische
Notiz so ohne Weiteres zu verwerfen.-) Sie gewinnt an Wert, wenn
man die Beobachtung dazu nimmt, dass bei Velleius gelegentlich der
Darstellung der Gesetzgebung des Gaius das Bundesgenossengesetz des-
selben, das bei chronologischer Beihenfolge ans Ende gehört hätte, an
erster Stelle genannt wird (II 6. 2). Die Umkehrung ist erklärlich aus
einer starken Vordrängung dieser Materie in der Quelle, aus der ein die
Vorlage sehr zusammenziehender Excerptor die Gesetze und Gesetz-
entwürfe nach ihrer Bedeutung auszog und zusammenstellte. Die Reich-
haltigkeit der Quelle in dieser Beziehung erhellt nun auch aus Cicero.
Bei ihm ist die Ermordung des Africanus durch sein Eintreten zu
Gunsten der Latiner und Bundesgenossen motiviert: Laeliua 12, de rep,
I 31, III 41, VI 12, Schol Bob, in Cic. pro Mil p. 283 Or. Über die lex
Junta de peregrinis des Volkstribunen Pennus sind wir nur durch Cic.
de off. in 47, Brutus 109 unterrichtet (dazu noch das Fragment aus der Rede
des Gaius Gracchus de lege Penni et peregrinis bei Festus p. 286 M. p. 402
De Ponor). Den besten Bericht über den Gesetzesvorschlag des Fulvius
Flaccus im J. 629/125 haben wir bei Valerius Maximus IX 5. 1 (geringer
App. I 21 : Herzog, Gesch. u. System I 462. 1, besser App. 1 34). Dass es sich
um zwei Anträge des Gaius in der Bundesgenossenfrage handelt,'^) erfahren
wir allein aus Plutarch. Femer haben var schon gesehen, dass die Mass-
nahmen der Optimaten, wenn sie über das Ziel hinausschiessen, bei Plutarch
geradeso rücksichtslos verurteilt werden, wie anderswo die gracchischen
Anträge. Ähnlich wird die lex Junia von 628/126, die bekanntlich ebenfalls
die Ausweisung der Peregiinen aus Rom bezweckte, bei Cicero kritisiert
(de off, III 47): Male etiam, qui peregrinos urbibus uti prokibent cosque
exierminant ut Pennus apud patres nostros, und gleich darnach : usu vero
urbis prohibere peregrinos sane inhumanum est. Ungemein schärfer
aber ist die Tonart gegenüber den Gesetzen der Gegner. Hei Val.
Max. (IX 5. 1) ist von pemiciosissimae rei publicae leges die Rede,
und dazu passt die eminent abfällige Art, in der Fulvius Flaccus bei
Plutarch C, Gracchus 10 kritisiert wird: ftv öi &ogvßviörjg xai fiiöoi*
puvoq iiiv ino rrj^ ßovXtj^ ävjixgvg, vnonrog öi xai rols äkkoig^ wg
rä avfifiaxi'Xa dtaxivwv xai nago^vvwv xgvfpa rovg'ItaXiW'
rag ngog änoaraaiv. Hier wii'd deutlich gesagt, dass Flaccus über
den Kreis der Senatspartei hinaus verdächtig war wegen seiner Stellung
zum Bundesgenossenproblem. Wir erkennen einen Autor — und das
passt ganz ausgezeichnet zu Fannius — , welcher in der Hereinziehung
der Latini und socii in die Bewegung den aHergrössten Schaden für die
an und für sich lobenswerte Reformthätigkeit erblickte. Und zwar hat
1) K. Klimke, Beiträge zur Gesch. der Gracchen^ Gymn.-Progr. von Sagan 1892
S. 12, Meyor S. 18. 2.
2) A. Kiene, Der röm, Bundesgenossenkrieg S. 123, thut da« aUcin nicht.
3) Darüber Abschnitt II S. 45.
8*
36 E, Korncmanny
nach diesem Autor die Gracchenpartei von vornherein die Bundes-
genossenfrage mit dem Agrarproblera verquickt. Der erste und einzige,
der dagegen den Rechtsstandpunkt der sodi konsequent vertrat, Scipio
Africanus (vgl. Schol Bob. p. 283 Or.: cum Laimorum causam aocietatia
iure contra G. Gracchum triumvirum eiusque collegaa perseveranter
defensurus esset etc.), ist darüber zu Grunde gegangen. Der Tod dieses
seltenen Mannes hätte davor warnen müssen, auf der einmal beschrittenen
Bahn weiterzugehen. Aber statt dessen wurde die Bewegung noch
radikaler und es wurde auf beiden Seiten gesündigt: die Optimalen
schössen mit der lex Junta des Pennus weit über das Ziel hinaus, aber
noch verderblicher war das Bundesgenossengesetz des Flaccus von 629/125.
Es wurde noch glücklich zu Fall gebracht, aber dass auch die zweite
Gracchenbewegung wieder in das falsche Fahrwasser geriet, daran war
dieser Mann schuld, der allgemein im Gerüche geheimer Konspiration mit
den Italikem stand. Durch ihn kam C. Gracchus in einen ähnlichen Ver-
dacht und wurde nach der Rückkehr aus Sardinien angeklagt, bei der
Verschwörung von Fregellae beteiligt gewesen zu sein (Plut. C. Chr. 3 Auf.).
Hiervon befreite sich der kommende Mann noch glücklicherweise, aber
Flaccus blieb sein böser Geist, der die meiste Schuld an der Katastrophe
von 633/121 hatte, ^) insofern er mit Gracchus zusammen die Sache der
Bundesgenossen wieder in den Vordergrund rückte : daran ist C. Gracchus
gescheitert.
Während also in der bei Appian zu Tage tretenden Quelle die
ganze Entwickelung vom spezifisch-italischen Standpunkt be-
trachtet wird und zwar letzthin formuliert von einem Mann, der nach
dem Bundesgenossenkrieg von 91 — 89 gelebt hat, haben wir bei Fannius
den diametral entgegengesetzten, einen durchaus antiitalischen,
nationalrömischen Standpunkt. In diesem Punkte war und
blieb Fannius der engherzigste Aristokrat, der jenen Gedanken seiner
Rede de sociis et nomine Latino, mit dem er auf die niedrigsten Triebe
der Massen, vor allem den Egoismus, spekulierte (s. oben S. 21), auch in
seinem Geschichtswerk zum Ausdruck brachte. Hier allein schauen wir
in die Denkweise der leitenden Männer vor den Ereignissen von 91 — 89
hinein.
Und was Fannius uns giebt, es war schliesslich nichts anderes als
die Anschauung der Scipionengruppe. Soviel näher er auch sonst den
Gracchen stand, in diesem einen Punkt befindet er sich vollkommen auf
jener Seite. Der vir sapiens Ijaelius ist in letzter Linie doch auch das Ideal
1) Das ist der Standpunkt dos Flutarch im Leben des C. Gracchus. Man miss-
verstehe micli aber nicht: ich bin weit davon entfernt, alles, was hier über Flaccus
steht, der Urquelle zuzuschieben. Es liegt hier eine lange Entwickelung der bio-
graphischen Litteratur vor (darüber unten S. 41), durch welche unter dem Einfluss der
Schulrhetorik die in der Originalquelle vorhandenen Tendenzen weitergesponnen sind,
vgl. Schwartz S. 810 f.
Zur Geschichte der Gracchemeit. 37
dieses den Gracclieii solange treu gebliebenen Stoikers. Aber himmelweit
ist dieses Werk aus den Kreisen der römischen Stoa verschieden von
demjenigen des griechischen Stoikers Poseidonios. Kd. Meyer behauptet:
„es ist der Standpunkt des Polybios, den wir bei Poseidonios voraus-
setzen müssen". „Aber," fügt Schwartz (798) mit Recht dazu, „es klafft
ein tiefer Untei-schied zwischen der mit scharfen Angriffen auf die ent-
artete Aristokratie gepaarten Verurteilung der Revolution bei Polybios
und Panaetios und den Hymnen, die ihr Nac.hfolger Männern wie Popillius
und Nasica singt". „Infolge der politischen Knt^vickelung ist die Stoa,
ich kann nicht andei-s sagen als degradiert zur Schleppenträgerin einer
unrettbar verlorenen Oligarchie." Das gilt aber nur von der griechischen
Stoa. Wie diese über ihre Vorgänger nach der oligarchischen Seite
hinaus geht, so die römische, wie sie Fannius vertritt, nach der demo-
kratischen. Beide treffen sich in der Verehrung des Scipio Aemilianus
und Laelius. Eine dritte Richtung endlich vertritt, nebenbei bemerkt,
der cumäische Stoiker 0. Blossius, der Freund des Ti. Gracchus: er steht
als Italiker vollkommen auf dem Boden der Reform. Wir sehen, der Unter-
schied gegen die vorherige Generation beruht darauf, dass das stoische Be-
kenntnis nunmehr mit jeder politischen Überzeugung vereinbar ist. Auch
unter diesem Gesichtswinkel sehen wir aber den Fannius, der auf einer mitt-
leren Linie wandelt, unstreitig den Idealen eines Panaetios und Polybios
näher stehen als Poseidonis oder Blossius. Und von hier aus wird es erst voll
und ganz begreiflich, wie Cicero dazu kam, aus diesem Annalenwerk sein
historisches Wissen zu schöpfen. Ihn, den begeisterten Verehrer des
Scipio Aemilianus, des letzten Vertreters einer grösseren Zeit, musste die
Wanne, mit der dessen Pers(*mlichkeit in dem vorliegenden Werk ge-
schildert war, berücken, wie andererseits die Masse urkundlichen Ma-
terials, namentlich inbezug auf Reden und Aussprüche, den Rlietor
anzog. So kommt bei Cicero neben seinem eignen strengen Optimaten-
standpunkt,^) namentlich da, wo er historisch spricht, mehrfach eine
milde, ja eine lobende Auffassung von den Grac^^hen zum Worte, die in
merkwürdigem Kontraste zu jener anderen steht und, soweit nicht die
Rhetorik oder die Rabulistik mitgewirkt haben, auf Kosten der Quelle
zu setzen ist.') Wenn umgekehrt Sallust nicht einseitig die (^racchen
lobt, sondern Dinge sagt wie etwa Jug. 42. 2 : et sane Gracchis cupidine
victoriae haud satis moderatus am'mus fuä, SO kommt auch darin deutlich
noch das Streben der Urquelle nach vcritas zum Ausdruck.
III. Die Frage uach den Mittelqaelleii.
Von den Mittelquellen zu reden, habe ich bis jetzt absichtlich ver-
mieden. Nunmehr behaupte ich: Keine der betrachteten späteren
V Vgl. Ncuinann I S. 195.
•J") Ncuinann, ebda. S. 196 f.
38 E. Korncmann,
Quellen hat das Werk des Fannius direkt benutzt, nicht
einmal Cicero. Die Beweise hierfür sind:
a) die Unkenntnis Ciceros bezüglich der Persönlichkeit des Autors;
b) die Berufung auf die Epitome des Brutus in einer wichtigen
Controverse, bei der die Heranziehung des Originals entscheidend sein
konnte;^)
c) die Urteile über die Diktion des Fannius (de leg. 16, Brutus
101. 118), die sich durch ihre, wenn auch geringe, Abweichung von ein-
ander als von anderswoher übernommen verraten. Cicero und seine
Zeitgenossen lasen als Angehörige einer rhetorisierenden Litteraturepoche
nicht mehr die schmucklosen Annalen der älteren Zeit: diese waren —
nicht wegen ihres Inhialts, sondern wegen ihrer Form — unmodern ge-
Avorden. Eine Ausnahme machte, wie es scheint, nur Cato, aber selbst
von diesem sagt Cicero {Brutus 65. 66): Catonem ve^-o quis nostrarum
oratorum^ qui quidem nunc sunt, legit? aut quis novä omnino? .... Jam
vero Origines eius quem florem et quod lumen ehquentiae non haient? Ama-
tores huic desunt, sicuti muüis iam ante saeculis et Phüisto Syracusto et
ipsi Thucydidi. Diese und ähnliche^) Worte zeigen am besten, wie die
ciceronianische Periode eine Zeit der „Moderne" war, wie schnell das
Alte, sogar wenn es als ersten Ranges galt, vergessen wurde. Dasselbe
wird durch die Thatsache bewiesen, dass M. Junius Brutus nicht nur aus
Fannius, sondern auch aus dem stilistisch diesem überlegenen Coelius
Antipater, endlich gar aus Polybios Auszüge fertigte.^) Ganz anders
war das noch in der suUanischen Zeit gewesen: da las man noch die
Originalwerke der vorhergehenden Generationen.
Wenn wir nun fragen, wer hat dem Cicero die Fanniuscitate und
wesentliche Teile aus dessen Werk übermittelt, so ist meiner Ansicht
nach die Brutusepitome als die allgemeine Grundlage für C-icero aus dem
Spiel zu lassen. Brutus ist erst etwa 675/79 oder 676/78 geboren.*)
Selbst wenn es sich daher bei der Epitome um eine Jugendarbeit han-
delt*) — was aber immerhin nur eine durch nichts gerechtfertigte Ver-
mutung ist — , so ist es doch noch unmöglich, dass Cicero in seinen
früheren Reden aus dieser Quelle schöpfen konnte.
Ebenso liegt es bei der Annahme, dass der Über Annalis seines
Freundes Atticus die Vermittelung geboten hätte, da dieses Werk erst
durch die Schrift de repvblica (begonnen 700/54)^) angeregt wurde und
1) Dass Hirschfeld llecht hat, wenn er sagt {Wien. Stud. VI 1884, 128): „Brutus
et Fannius^^ (in dem Briefe ad AU. XII 5. 3) „ist sicher nur scherzhaft zu verstehen
für Bruti ej)itoma Fannianorum^^j zeigt deutlich die Voranstellung des Brutus.
2) Z. B. Brutus 106 heisst es von dein Annalisten Piso: isque et orationes reliquit,
quae iam evanueruntf et annales sane exiliter scriptos.
3) Schanz, Mm. Litt.-Gesch. I« S. 242.
4) Teuffel-Schwabe I* S. 429.
5) Ebda. S. 430.
6) Schanz 1* S. 309f.
Zur Geschichte der GraccJwnacif. 39
zwischen dieser Zeit und dem Jahre 708/46 erst entstAnd.') In den
jüngeren Werken liat (Scero nachweislich dieses Buch seines in histo-
rischen Fragen offenbar äusserst versierten Freundes (vgl. Brutus 72—74)
benutzt. Aber dass er die Annalen des Fannius durch ihn erst kennen
lernte, dagegen spricht schon die ganze Anlage des Buches.
Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass Cicero in dem vielfach
herangezogenen Brief (ad. Ate, XII 5. 3) auch den Hortensius zitiert-)
und ihn ausdrücklich einen bonv^ auctor nennt. Es handelt sich um den
bekannten Redner und Ciceros älteren Zeitgenossen Q. Hortensius
Hortalus (640/114—704/50), welcher auch Annalen geschrieben hatte
(Vell. n 16. 3). Dieselben umfassten nachweislich noch den Bundes-
genossenkrieg (Vell. a. a. 0.), sind also frühestens in der Zeit der sulla-
nischen Herrschaft verfasst. Da nun Cicero (oratar 132) sagt: dicebat
melius quam scripsä Hortensius, und er hierbei wohl auch das Annalen-
werk im Auge hat, so vermute ich in letzterem eine Arbeit aus den
jüngeren Jahren des Hortensius und möchte etwa nicht viel unter Sullas
Tod mit der Abfassung herunter gehen. Dann haben wir wohl hier das
Annalenwerk der sullanischen Zeit vor uns, das den Fannius dem Cicero
und seinen Zeitgenossen vermittelte.
Es ist eben darauf aufmerksam gemacht worden, dass auch Velleius
einmal für eine Thatsache des Bundesgenossenkrieges den Hortensius
zitiert. Ich ziehe daraus nicht gleich den Schluss, dass Hortensius
die gemeinsame direkte Quelle des Cicero und Velleius sei. Mir ist es
vielmehr ziemlich sicher, dass bei Velleius eine biographisch gestaltete
Quelle die unmittelbare Vorlage bildet,-^) und dass Velleius an jener
Stelle nur ausnahmsweise aus Interesse für die Geschichte seiner Familie
zu der Originalquelle gegriffen hat. Es bleibt also höchstens die An-
nahme, dass auch hier möglicherweise Hortensius der Übennittler des
Fannius war, nur nicht direkt wie bei Cicero, sondern durch eine Schrift
de vfris älustribus hindurch.
1) Schanz, ebda. I« S. 201, Unger, Fleckeis. Jbb, 1891 S. 644 f.: 707/47.
2) Dass das ein Zitat ist und keine mündliche Mitteilung (ego tarnen de bono
anctore^ Jlortensio, sie acceperam) beweisen die folgenden Worte: hunc iffitur locum
expedtes. Bei Teuffei- Schwabe I"^ 303.3 werden die Stelleu ad Att. XIII 32. 3 ex
Jlortensio au di er am und XI II 33. 3 non fernere dixit Hortensius zum Vergleich
herangezogen. Dazu kommt noch XIII 30. 3: videor audisse ex Jlortensio (alle Briefe sind
aus dem Jahre 709/45). Da es sieh auch hier um eine geschichtliche Thatsache aus
längst vergangener Zeit (ob nämlich C. Sempronius Tuditanus einer der 10 mit
Mummius im J. 608/146 in Griechenland thätig gewesenen Legaten war) handelt, so
vermute ich auch hier ein Zitat, welches aber Cicero aus dem Gedächtnis gekommen
war. Interessant ist auch wieder das Lob des Hortensius XIII 33. 3: non etiim temere
dixit IL Über das Jahrbuch des L. Scribonius Libo, das von Cicero hier auch zitiert
wird, vgl. ünger, Fleckeis. Jbb. f. klass. Phil. 1891 S. 644 ff.
3) Das hat meiner Ansicht nach Burmeister, De fontibus VeUei Paterculi, Halle
1893 S. 21 ff., sehr wahrscheinlich gemacht.
40 E. Kormmann,
Was Plutarch betrifft, so hat ja schon Scliwartz bezüglicli desselben
die Auffassung Meyers erfolgreich bekämpft (S. 807 ff.). Ich glaube aber
nicht, dass Meyer selbst den betreffenden Abschnitt heute noch so schreiben
würde, seitdem er uns nach der eingehenden Analyse der Kimon-
Biographie die ausgezeichnete Erörterung über den grundlegenden Unter-
schied zik\ischen ßiog und htogiai. der Alten beschert hat (Forschungen
zur alten Geschichte II 65 — 71). Sätze wie: In den Biographien „ist nicht
der individuelle Schriftsteller die Hauptsache, durch den uns zufällig das
Material überliefert ist, sondern die biographische Tradition, aus der sie
schöpfen, und die sie alle nur mehr oder weniger selbständig ausge-
schrieben haben" (S. 66), oder: ,,In demselben Sinne, in dem wir die antike
Chronographie als Einheit betrachten dürfen und müssen, trotz aller
Diskrepanzen zwischen den Forschern im einzelnen, dürfen imd müssen
wir auch von der antiken Biographie als Einheit reden" (S. 67), oder
endlich: „Biographie ist keine Geschichte und darf keine Geschichte
sein ; die grossen historischen Begebenheiten, die ihren Helden das Recht
geben, eine Biographie zu beanspruchen, setzt sie vielmehr voraus, als
dass sie sie zu erzählen hätte" (S. 70), sind von hohem methodischem
Wert und dürfen von der Quellenforschung nicht mehr aus dem Auge ge-
lassen werden. Zwischen der hellenistischen und der römischen Biogi-aphie
besteht in dieser Beziehung kein prinzipieller, sondern höchstens ein
gradueller Unterschied. Jene ist konzipiert in der Blütezeit der alexan-
drinischen Gelehrsamkeit, diese erst am Ende der römisch-republikanischen
oder bei den jüngeren Helden sogar erst in der Kaiserzeit, als die Wissen-
schaft nicht mehr auf der Höhe von ehemals stand. So ist der Gegen-
satz von Geschichte und Biographie hier nicht ganz so scharf mehr, da
einerseits in den vitae auch stellenweise Historiker gi-össeren Stils ver-
arbeitet sind, und andererseits die geschichtliche Litteratur der Römer
frühzeitig einen Stich ins Biographische bekommt.
Nach diesen Vorbemerkungen bedarf es keines begründenden Wortes
weiter, weshalb ich den Nachweis von Schwartz (S. 807), dass Plutarch
in den beiden eben betrachteten Biographien keine einzige der zitierten
Primärquellen, auch nicht die Reden, Pamphlete etc. eingesehen habe, un-
bedingt zustimmen muss.^) Auch bin ich mit ihm der Ansicht, dass Livius
von Plutarch direkt nicht in grösserem Umfange, vielleicht sogar über-
haupt nicht benutzt worden ist.
Erstrebenswert ist es, den Zeitpunkt festzulegen, wann diese Viten
zum ersten Mal konzipiert wurden. Dafür erhalten wir einen Fingerzeig
in der Biographie des Tiberius durch das Zitat aiLs Cornelius Nepos (c. 21).
Im Anschluss daran hat Soltau'^) wahrscheinlich zu machen gesucht, dass
1) Auch Gaius' Schrift ad M. Pomponium ist wohl schon von Fannius benutzt
worden: sie begegnet nur bei Cicero (de div, I 36 und II 62) und Plutarch {Ti, 1 und 8).
2) Fkckeis. Jbb. für Mass. Phil 153, 1896, S. 123 ff. und 357 ff.
Zur Gcschkhie der Gracchcpiscit. 41
dessen LebenslK*schreniiiiigren noch nielirtaih bei Plutairh benutzt sind.
Ich \iill darauf nicht näher eingehen, sondeni nur l)etonen, dass, wenn
das der Fall ist, sicher nicht eine direkte Benutzung seitens des Plutarch
vorliegt. Denn Sciiwartz hat im Gegensatz zu Meyer mit Recht be-
tont (810), dass, wenn auch manche Vei-suche. die Gracchen zu ent-
schuldigen, alt sind (wir selbst haben solcht^ ol>en S. 33 schon für Fannius
statuiert), doch die eigentlich gi-obe apohigetische Tendenz, wie sie bei
Plutarch zu Tage tritt, das Erzeugnis der Schulrhetorik ist, die aus den
Gracchen su ziemlich das Gegenteil von dem gemacht hat, was sie eigent-
lich waren: «Schwächlinge, sentimentale, von ihivn Fn^unden gegängelte
Jünglinge, die träumen und, wenn der Endkampf herannaht, zittenr.*)
Schwartz l>egeht nur den Fehler, dieses rhetorische Machwerk nicht
allzuweit entfenit von der Gracchenzeit anzusetzen. Ich bin im (Gegen-
satz zu ihm der Ansicht, dass die apologetischen Farben das letzte
sind, was auf die Zeichnung aufgetragen wunle. Wenn nun diese rhe-
toris<*he Vorlage Plutarchs schon den Cicero (sielie oben S. 8>, Cornelius
Neiios, und ,in geringem Fnifange' (Schwartz ^>01>I vielleicht auch den
Livius Ivenutzt hat, so müssen wir sie frühestens in die spätaugustische
Zeit setzen, wir kommen also auf alle Fälle mit ihr in die Kaiserzeit.
Und das passt zu unserem Nachweis, dass l>ei Plutarch meist die am
weitesten au.sgesi)onnene Tradition vorliegt. Zwar behaui»tet Meyer «S. 21),
da,ss in der Kaiserzeit eine Anschauung geherrscht habe, welche die
Gracchen als die Irlieber des hundertjährigen Hürgerkriegs un^l des
Untergangs der Republik un])edingt verdammt habe. Ich halte diese
Behauptung aber für falsch. Man lese Seneca ad Hcln'am XVI G: Si
numergre funera Comeliae velles, amiserat decem (liberos) ; st nrstimarfy ami-
serat Gracchos, Flenfibus tarnen circa sc et fatum cius e^rccrantt'/fus inf<T'
dCrit, ne fortunam accusarcnt^ quae sifn fiUos Gracchus r/<//'m/Iv,v<'/. Air h<ic
femina delmit nasci qui dicerct in concüme: Tu matri tnaic maltdicas quae
me j>eper!t7 (dazu Plut. C. Gracchus A\ Wir wis.<en nun, dass Senecas
Vater, der Rhetor, ein Gesehichtswerk: histoiiae ah initio Mhimm ct'ciUum
usque ad vwrtis sune diem schrieb, das er si»inem Sohne zur Herausgabe
überliess.-) Wie .so viele andere» historische Bemerkungen,**) wird also
der Sohn auch diese aus deui Werk des Vaters entnommen haben, das
darnach sicherlich wohl nicht ein ..unbedingt verdammendes** Urteil üIkt
die Gracchen fällte, l'nter der juli.^ch-claudischen l)yna.*itie war bekannt-
lich eine ungemein lebhafte stoisc]i-rei)ublikanische Disposition am Werke,
die z.B. den Cato Uticensis geradezu in den Himmel erhob.«) Sollen in
diesen Kreisen die (Tracclien verdammt worden sein? Ich glaube, das
Vi So auch schon H. Petor, (Quellen Plutarchs S. 9S.
2) Flonis cd 0. Kosübach praef. p. LHI.
3) O. Rossbach, De Setunw phil. librorum rcccusioue et eme^Khitione p. 171 >t|..
FloruB-Auspabe pra»'f. p. LV.
4) Moinuisou, liOm. Gesch. HI "460.
42 E, Kornenianny
gerade Gegenteil wird das Richtige treffen. Daraals, vermute ich, ist die
direkte Vorlage des Plutarch entstanden,^) wahrscheinlich durch einen
griechisch schreibenden Rhetor, der noch eine griechische Quelle, diejenige,
die auch Appian benutzte,^) in die ihm vorliegenden lateinischen Bio-
graphien verarbeitete.
B.
Zur Chronologie.
I. Die zeitliche Folge der Gesetze des Gaius.
In allen modernen Darstellungen der Gracchenzeit wird es wegen
des trümmerhaften ZustAndes der Überlieferung für eine Unmöglichkeit
erklärt, die Reihenfolge und den inneren Zusammenhang der Gesetze des
Gaius, bei manchen derselben auch den Inhalt, festzustellen.^) Es dürfte
sich daher verlohnen, »auf Grund der vorstehenden Quellenunt^rsuchung
das Problem von neuem anzufassen.
Auch in dieser Frage steht Appian für sich auf der einen Seite,
auf der anderen Livius, Velleius und Plutarch,*) aber hier mit zahlreichen
Diskrepanzen, da der livianische Bericht durch die starke Verkürzung
gelitten hat, die Biographie dagegen um die Chronologie in der Regel
sich nicht kümmert. Ganz allgemein kann man den Gegensatz der beiden
1) Hierher passt auch die C. Gracchus 8 geäusserte Vermutung der Leute, dass
Gaius zugleich um das Konsulat und das Yolkstribunat sich zu bewerben gedenke.
Das ist der augustische Principat in seiner älteren Form, der in die Vergangenheit
projiziert wird. Auch die Fassung, in der ebda. c. 6 7on der monarchischen Gewalt
des Gaius gesprochen wird, erregt Bedenken, ob hier nicht ein Mann der Kaiserzeit
rede (iwvaQxiytri tig laxvs iytydvti ntQl ai^br, &ats xai triv avy^tlrurov &vi%iaQ'ai aviL-
ßovXfvovtog ainov), Soltau, Fleckeis. Jbb. 1896 S. 363 A. 18.
2) Ich weiss nicht, wie man anders die wörtlichen Übereinstimmungen zwischen
Plut. und Appian (Meyer S. 11. 1) erklären will. Auf das Appian-Problem gehe ich
diesmal nicht ein, bemerke aber, dass ich an der wichtigen lateinischen Mittelquelle aus
der augustischen Zeit (Asinius PoUio?) festhalte, auf die die im Text erwähnte griechische
Vorlage des Appian zurückgeht. Die lateinische Mittelquclle hat ihrerseits offenbar
mehrere Primärquellcn verarbeitet, unter anderen den Sempronius Asellio (fr. 7 =
App. I 14, Meyer 26. 3, Soltau, Fleckeis. Jahrb. 1896 S. 368) und wegen der nahen
Berührung mit dem Optimatcn-Bericht bei Diodor in manchen Punkten offenbar auch
die Quelle de^ Poseidonios. So ist bei Appian eine Darstellung auf uns gekommen, die
zwischen Diodor (Poseidonios) und dem Bericht unserer Gruppe (Fannius) in der Mitte
steht, die dem reinen Aristokraten-Standpunkt oft nahe kommt, daneben aber auch
ftir die Bestrebungen der Gracchen, vor allem für das italische Problem, sehr viel
übrig hat.
3) Nitzsch, Gracchen 400 und 437 ff., Neumann I 234, Klimke 3, Ihne V 82,
Mommsen, Jiäm. Gesch. II* 114 f., Herzog, Gesch. u. Syst. I 445. 1, 463.2, Niese,
Grundriss 106. 3.
4) Das hat Nitzsch richtig erkannt, vgl. S. 448: ,Im Ganzen steht doch, was uns
von ihnen (Livius und Velleius) überkommen, der Darstellung Plutarchs viel näher als
der Appians.*
Zur Geschichte der Gracchenzcit. 43
Gruppen so fassen, dass bei den Lateinern und Plutarch das erste, bei
Appian dagegen das zweite Tribunal das an Gesetzen reichere und des-
lialb das wichtigere ist.^) Wer also von den Modernen den Appian be-
vorzugt-, wie z. B. Nitzsch und Herzog,-) verlegt den Schwerpunkt von
Gaius' politischer Thätigkeit ei-st in das zweite Tribunat.
Als gesichert betrachten darf man die zeitliche Stellung von vier
Gesetzen, über die ich daher ganz schnell hinweggehe.
Begonnen hat Gaius seine politische Thätigkeit im ersten Tribunat
mit zwei Gesetzen, die sich gegen bestimmte Persönlichkeiten richteten
(Popillius Laenas und Octavius) und für die Vergangenheit Rache üben
sollten (Übereinstimmung von Plut. 4 und Diodor 34/5 25. 2. 26 ; Meyer
19. 4). Unter den konstitutiven Gesetzen ist anerkanntermassen die
lex frumentaria das erste Gesetz des ersten Tribunats (Übereinstinnnung
von App. I 21 und Livius Ep, 60), das Bundesgenossengesetz das letzte
des zweiten Tribunats, Aveil nachweislich Gaius an diesem Gesetz seine
Popularität eingebüsst hat.
Das sind die festen Eckpunkte: was dazwischen liegt, ist unsicher.
Der Schriftsteller, von dem wir ausgehen müssen, um in das Chaos
Ordnung zu bringen, ist Plutarch. Dieser Autor hat in c. 5 eine Auf-
zählung der hauptsächlichsten Gesetze, die so wenig wie diejenige des
Velleius (II 6. 2 u. 3) nach chronologischen Gesichtspunkten geordnet ist.
Damit ist also für unseren Zweck nichts anzufangen. Dagegen hat
Plutarch, wie schon Meyer (19. 4) bemerkt hat, für das zweite Tribunat
wenigstens (von c. 8 ab) eine zeitliche Anordnung der Ereignisse. Diese
Darstellung des zweiten Tribunates nimmt gar keine Rücksicht auf die vor-
hergehenden Kapitel, die nach ganz anderen, nämlich sachlichen, GesichtiJ-
punkten angelegt sind. So kommt es, dass manche (lesetze, wie das
Kolonialgesetz oder das Bundesgenossengesetz, mehrmals erwähnt werden
(Kolonien c. 6 und c. 8, Bundesgenossengesetz c. 5 und c. 12). Wir
haben den Grund für diese auffallende Inkonzinnität im vorigen Abschnitt
aufgedeckt : für das zweite Tribunat ist in die Biographie der betreffende
Abschnitt der Annalen des Fannius vei-arbeitet. Mit Hilfe», der auf
Fannius zurückgehenden Kapitel 8 — 12 in der Gaiusvita muss demnach
zunäclist versuclit werden, die Chronologie der Ereignisse dt»s zweiten
Tribunates festzulegen.
Da haben wir zunächst eine sehr präzise Zeitangäbe in c. 11, dass
nämlich Gaius 70 Tage lang als triumvir colonme deducendae in Karthago
abwesend war. Die Zeit dieser siebzigtägigen Abwesenheit lässt sich
einigermassen genau bestimmen. Sie lie^ nicht nur vor den Konsul-
wahlen für 633/121 (Plut. 11 von Opimius während der Abwe^jenheit
des Gaius: roxi ök noXXdv ßofi&ovvroiv iniäoiog ?/v vnaxiicuv), d. h.
1) Nitzsch a. a. O. S. 444 ff.
2) Nitzsch, S. 400, Herzog I S. 463. 2.
44 E. Kornemann,
also vor dem Spätherbst,*) sondern auch vor den Tribunen walilen (Plut.
12), d. h. vor dem Hochsommer,^) und zwar einige Zeit voraus; denn es
geschieht noch gar manches dazwischen, vor allem der Streit um das
Bimdesgenossengesetz entbrennt (Plut. a. a. 0.). Wir dürfen also wohl den
Aufenthalt des Gaius in Karthago etwa in die Monate März, April und
Mai 632/122 setzen. Nachher fällt nur noch die Entscheidung über das
bezw. die Bundesgenossengesetze (siehe unten S. 45). Das Scheitern dieser
(lesetze brachte Gaius nach Plutarch auch um das dritte Tribunat. Seit
dem Durchfall bei den Tribunen wählen für G33/121 aber war der Volks-
tribun politisch ein toter Mann. Wichtiger ist jener Aufenthalt in Afrika
als terminus ante quem.
In die Zeit vorher, auf alle Fälle aber schon in das zweite Tribunat,
gehören zunächst die (jegenanträge des Livius Drusus. Darin stimmen
Plut. (9 f.) und Appian (123 Ende) überein. Die Anträge lauten:
a) Gründung von 12 Kolonien (App. u. Plut), jede mit 3000 Kolo-
nisten aus den Reihen der Proletarier (Plut.);
b) Al)gabenfreiheit für die nach der lex agraria Angesiedelten (Plut.);
c) Abschaltung der Prügelstrafe für die Latiner im römischen Heer
(Plutarch).
Die drei Anträge gehen eingestandenermassen darauf aus, schon vor-
handene Gesetze des Gaius durch Volksfreundlichkeit zu übertrumpfen.
Also gehen zeitlich voraus von Gesetzen des Gaius:
a) das Koloniegesetz;
b) die lex agraria;
c) ein Gesetz, die Latiner betreffend.
Nun wii-d ausserdem ganz besondei-s von Drusus hervorgehoben (c. 10),
dass er sich von der Ausführung der von ihm beantragten Gesetze ge-
flissentlich fernhielt, z. B. von der Deduktion der neuen Kolonien oder
von der Verwaltung der (lelder, während Gaius die meisten und wich-
tigsten Geschäfte dieser Art sich selbst hatte übertragen lassen. Folglich
muss auch schon die Ausführung solcher Gesetze erfolgt sein, bei denen
Gaius selbst thätig war, z. B. die Deduktion von Kolonien und solche
Arbeiten, bei denen es Gelder zu verwalten gab: das waren aber vor
allem der Bau der Getreidemagazine und der grossen Verkehrsstrassen
in Italien, für die gerade die praktische Thätigkeit des Gaius eingehend
besprochen wird (Plut. 6 u. 7, Appian I 23 Anfang).
Wir kamen, wie gesagt, mit den Gegenanträgen des Drusus in die
ersten Monate des zweiten Tribunates. Es fragt sich nunmehr, wie sind
alle die erwähnten Gesetze und Arbeiten des Gaius, die finiher anzu-
setzen sind, zu ordnen.
1) Moininscn, Staatsr. P S. 583 mit Aiim. 2. Nitzsch, Gracchen 420, behaupte?!,
dass in diesem Jahre die Wahlen zum Konsulat ungewöhnlich früh stattfanden, ohne
aber (S. 449) ein«» genügende Begründung für diese Behauptung zu geben.
2) App. I 14, Meyer 19. 4.
Zur Geschichte der Gracchenzeit. 45
Als die jüngsten unter den genannten bezeichnet Plutareh (c. 8)
zwei Gesetze: den Antrag auf Aussendung zweier Kolonien nach Tarent
und Capua (dieselben Örtlichkeiten bei Pseudo-Victor 65) und den Antrag
auf Teilnahme am Bürgerrecht seitens der Latiner: änoixia^ (ihv üq
TagavTa xal Kanvtjv niiAnia&ai yQfitfwv, xaXaJv dk knl xoiviavi(f noXix^iaq
Tovg Aaxivovg. Genauer werden uns diese Gesetze charakterisiert in c. 9
gelegentlich der Aufzählung der entsprechenden Gegenanträge des Drusus
(oben a und c). Von dem Kolonialgesetz heisst es, dass Gaius in seine
zwei Kolonien rovg /apiccrrarov^ rHv noXixüv hinführe, während
Drusus in jede seiner zwölf xQiaxt^iovq twv änogcov zu scliicken
vorhabe. Daraus geht hervor, dass es sich bei dem Plan der Wieder-
belebung jener alten Handelsmetropolen Süd-Italiens durch Gaius nicht
um reine Proletarierkolonien handelte.^) Das Gesetz, das die Latiner
betraf, bezweckte, diesen nur gleiches Stimmrecht (iaoipfj(pia) zu ver-
leihen.*-) Das ist sicher nicht, wie alle Neueren annehmen, der vofiog
avfifiaxixog, der in c. 5 charakterisiert wird als: laoifßtirpovg notüv xolg
noXixmg xovg 'Itakicirag. Inc. 8 und 9 ist ausschliesslich die Bede
nur von den Latinern und, was das Ausschlaggebende ist, der entsprechende
Gegenantrag des Drusus, der diesen Antrag des Gracchus zum Scheitern
brachte, hat ebenfalls nur die Latiner im Auge. Also müssen wir ein
Latinergesetz und ein viel weitergehendes Bundesgenossengesetz, bezw.
Bundesgenossengesetze des Gracchus annehmen (das eine vor, die
anderen nach dem karthagischen Aufenthalt beantragt) und fasthalten,
dass Appian den Thatbastand dadurch verwirrt hat, dass er die Bundes-
genossengesetze bereits da erzählt, wo das Latinergesetz zu berichten
war.'*)
Wann sind nun die Aussendung von Kolonien nach Unteritalien und
das Latinergesetz beantragt worden? Ehe wir die Frage beantworten,
noch ein Wort über die lex Ruiria, durch die die Kolonie Karthago be-
schlossen wurde. Auf alle Fälle scheint diese lex noch später zu fallen,
als die beiden eben zur Erörterung stehenden Gesetze des Gaius. Sie
1) Nitzsch S. 403 ff. und 414, Neumann I S. 249 f. So erklärt «ich am eboKtcn
auch der Hcheinbare Widerspruch, eine Kolonie Capua zu gründen, während doch der
ager Campanus von aller Assignation cximiert war (Cic. de leg. agr. II Hl, Nitzsch
S. 407 f.).
2) Das Stimmrecht, das die Latincr hesassen, war bekanntlich wertlos durch dii?
Beschränkung auf eine Tribus Herzog I 1008, Mommsen, St.-li. III J^96 und
643 f. Es handelt sich bei dem neuen Gesetz um ein mit dem der Römer gleichwertiges
Stimmrecht.
3) Meyer 19. 4 kommt der richtigen Erkenntnis der Sachlage schon ganz nahe.
Auf alle Fälle haben alle Neueren übc^rsehen, dass die ßundesgenossenfrage zwei-
mal von Gaius angefasst worden ist. Nitzsch (419) löst das Probleni in d«'r Weise,
dass er Gracchus zweimal mit denselben Anträg<'ii her>ortreten lässt. Herzog (I 475
Anm. 2) gerät in ein eigentumliches I)ih>nuna, aus dem er nur dadurch herauskommt,
dass er, entgegen s<Mnem ursprünglich aufgestellten Grundsatz (445. 1), den Bericht des
Plutareh demj<'nigen des Appian vorzieht.
46 E. Kornamann,
wird bei Plutarch erst nach den Anträgen des Drusus erwähnt (c. 10),
und dementsprechend wird sowohl bei Plutarch (vgl. c. 6 und c. 10)
wie bei Livius (Ep. 60) auch die Deduktion der italischen Kolonien
vor der der afrikanischen erzählt. A priori ist es auch das Wahr-
scheinlichere, dass man zuerst in Italien und dann in der Provinz
kolonisierte.
Wenn wir darnach zur genaueren zeitlichen Fixierung der drei Ge-
setze übergehen, so zeigt sich ein Auseinandergehen unserer Quellen.
Livius (a. a. 0.) setzt die Begründung der italischen Kolonien sowohl wie
der karthagischen ausdrücklich in das zweite Tribunat. Eutrop (IV 21)
und Orosius (V 12. 1) dagegen geben als das Jahr, in dem die Gründung
von Karthago beschlossen wurde, das Konsulat des Q. Caecilius Metellus
und T. Quinctius Flamininus, d. i. 631/123, an, Velleius nennt in seiner
Übersicht über die römischen Kolonien (I 15. 4) dasselbe Jahi' für die
Gründung von Scolacium, Tarentum und Karthago. Schwartz (809) sagt,
das ist* nur ein scheinbarer Widerspruch, da die Tribunen ihr Amt früher
antreten als die Konsuln, das hiesse also, der Beschluss der Gründung
gehört in die Zeit vom 10. bis 31. Dezember 631/123, während die Aus-
führung in das Jahr 632/122 fiele;') für Karthago wenigstens ist diese
letztere Thatsache als unbedingt feststehend zu betrachten. Plutarch
hat in c. 8 folgende Thatsachen in dieser Reihenfolge:
1. Wahl des Fannius zum Konsul für 632/122 mit Unterstützung des
Gaius.
2. Wahl des Gaius selbst zum tnbunus pUbia iterum,
3. Abkühlung der Freundschaft des Fannius zu dem Tribunen.
4. Beantragung neuer Gesetze, um die Massen fester an sich zu
fesseln (Kolonialgesetz und Latinergesetz).
5. Gewinnung des Livius Drusus seitens der Optimaten zu den be-
kannten Anträgen.
In diesem Kapitel ist Plutarch von dem ersten zum zweiten Tribunat
übergegangen. In das erste Tribunat gehören sicher die unter 1 und 2
1) Au Vorlogung von Beschluss und Ausführung in zwei verschiedene Jahre
denkt auch Klimke a. a. 0. 16. Er macht darauf aufmerksam, dass die livianische
Epitome auch an anderen SteUen bei Ansiedelungsgesetzen nur die Ausführung, nicht
den Zeitpunkt des Gesetzes berücksichtigt: so ist der Senatsbeschluss , betreffend die
Ausführung der Kolonie Aquileia (Liv. 39. 55) , übergangen , erwähnt dagegen ist die
Deduktion der Kolonie {Ep. 40 aus Liv. 40. 34). Die Arbeit von Klimke ist, nebenbei
bemerkt, eine sehr nützliche, insofern darin zunächst die Zuverlässigkeit der Epitome
in Bezug auf leges an den erhaltenen Büchern d(»8 Livius nachg(>prüft wird. Das Resultat
ist, dass die Genauigkeit der Wiedergabe des Wesentlichen, im Verhältnis zu der ein-
getretenen starken Verkürzung ((;twa der 50. Teil der livian. Überlieferung liegt in der
Epit. nur vor), geradezu erstaunlich ist. Dabei fallt manches für den Sprachgi*brauch
der Epitome ab. Daraus hätte z. B. Schwartz ersehen können, dass die Bezeichnung
leges agrariae in der Epitome nicht nur von Ackergesetzen, sondern auch von Kolonial-
gesetzen gebraucht wird (Klimke S. 10); darnach ist die diesbezügliche Bemerkung bei
Schwartz S. 809 richtig zu stellen.
Zur GeschiciUe der Gracchemeit 47
aufgeführten Fakta, in das zweite No. 5 (siehe oben S. 44). Die Frage
bleibt, in welches Tribunat gehören 3 und 4. Meyer (19. 4) hat bereite
gesehen, dass die Erwähnung der Wahl des Gaius zum tribunus üerum (2)
nach der Wahl des Fannius zum Konsul (1) gegen die Chronologie ver-
stösst, dass Plutarch die Tribunenwahl „an der Stelle bringt, wo er
richtig den Antritt des zweiten Tribunats hätte erzählen sollen". Er
stellt sich damit auf den Standpunkt, dass das unter No. 3 und 4 Er-
wähnte in das zweite Tribunat gehört, ohne sich allerdings die Konse-
quenzen klar zu machen. Zur Unterstützung dieser Ansicht füge ich
noch folgende Erwägung bei: Wenn das unter 3 und 4 Erzählte noch
in das erste Tribunat oder den Anfang des zweiten, ich meine vor den
1. Januar 632/122, gehören würde, so ist die Folge, dass Fannius
schon vor dem Antritt des Konsulates, bereits als designatus, von Gaius
sich zurückgezogen haben müsste. Das ist möglich, aber wenig wahr-
scheinlich. Der Satz des Plutarch : inu äi ioiga triv fiiv oiyxl^tov
iX^QCcv ävTiXQvg^ ocfMßXvv ök rp n^fdg avrov Bvvoitf xcv ^äwiov^
av&ig irigoig vofioig unriotfiöaro x6 nkij&og erhält erst seinen vollen
Sinn, wenn nach dem Senat der im Amt befindliche Konsul
Fannius genannt wii'd. Somit bin ich der Ansicht, dass mit Livius
und Plutarch, die beide, in letzter Linie auf Fannius zurückgehend,
sich in voller Übereinstimmung befinden, die drei in Frage stehenden
Gesetze und die Gründung der betreffenden Kolonien in das zweite
Tribunat und zwar in den Anfang des Konsulates des Fannius zu setzen
sind, und dass die Nachricht des Eutrop, Orosius und Velleius^) als un-
vereinbar damit zu verwerfen ist.
Alles übrige gehört in das erste Tribunat: zunächst von den oben
erwähnten Massnahmen, die sich aus den Gegenanträgen des Drusus er-
geben, die lex agraria, der Bau der durch die lex frumentaria notwendigen
Getreidemagazine, die Anlage der Landstrassen.
Bezüglich der lex agraria hat die Angabe des Livius {Ep. 60) die
grösste Wahrscheinlichkeit für sich, dass sie das zweite der grossen
konstitutiven Gesetze sei. Das Getreidegesetz und das Ackergesetz er-
gänzen einander: sie stehen beide im Dienste der Massen. Mit ihnen
begründete Gaius seine Popularität, vermöge deren er dann im Hoch-
sommer 631/123 bei den Tribunenwahlen zum zweiten Male das Tribunat
errang.
Nun ist es eine sehr ansprechende Vennut ung von Meyer (19. 4),
dass Appian diese Wahl zum zweiten Tribunat mit dem Antritt des-
selben verwechselt hat. So kommt es, dass dieser Autor (I 22) das
Richtergesetz in das zweite Tribunat verlegt, während es na<jh
Livius als drittes Gesetz ins erste Tribunat gehört und zwar, wenn die
1) Man beachte wohl, dass es sich um eine SteUe des ersten Buches des
VcUeius handelt.
48 E. Kornemann,
Vermutung Meyers richtig ist, nach der Wiederwahl. >) Das Richter-
gesetz bedeutet die Gewinnung der Ritter zu derjenigen der Massen.
Dieser wichtige Fortschritt passt sehr wohl in die Zeit nach der Wieder-
wahl : da fühlte sich Gaius stark genug, diesen grossen Wurf zu wagen,
der ihn seinem hohen Ziele, das bei Diodor (34/5 25. 1) bezeichnet wird
als xaraXvaai, agiaroxocttiav, Ö9]uoxgatlav di avarr^aai^ erheblich näher
brachte. Alle unsere Quellen haben diesen entscheidenden Sieg des
Tribunen in einem bezeichnenden Ausspruch des Gaius oder einer
charakteristischen Anekdote zum Ausdruck gebracht.^) Nach Plutarch
(6) hatte Gaius seit der Annahme dieses Gesetzes und dem Auftrag,
die Richterauswahl aus den Rittern selbst vorzunehmen, eine Art von
monarchischer Gewalt inne.
Eine Ergänzung des Richtergesetzes ist das Gesetz über die Ordnung
der Besteuerung Asiens.^) Beide dienen der Gewinnung der ritterlichen
Finanzaristokratie. Also gehören sie wohl auch zeitlich zusammen. Dass
die Andeutung des Velleius (11 6. 3) : nova constüuebat portoria sich auf
dieses Gesetz bezieht, hat Mommsen (R. O. II 111 A) richtig erkannt
und Herzog (I 468) bestätigt. Der Beweis liegt in der Rede des Gracchus
gegen die lex Aufeia (Gellius XI 10), wo die Worte vorkommen (§ 3):
ego ipse, qui aput vos verba facto, uti vectigalia vestra augeatis etc. Somit
ist dieses Gesetz auch eine Ergänzung zu der lex frumentaria. Denn der
Staateschatz erhielt dadurch eine Bereicherung, die er notwendig brauchte.
Es ist daher auch möglich, dass dieses Gesetz schon vor das Richterge-
setz gestellt werden muss, wie Mommsen thut.
Erst nach der Durchbringung des Richtergesetzes sprechen sowohl
Appian (1 13 Anfang) wie Plutarch (6 u. 7) von dem italischen Strassen-
1) Appian bemerkt bei dieser Gelegenheit, dass die neuesten Fälle ungerechter
Richtersprüche des Senatsgerichts die Annahme des Gesetzes erleichtert hätten : er ver-
weist auf die Freisprechung des L. Aurelius Cotta (cos. 610/144), der von Scipio Afri-
canus zwischen 622/132 und 625/129 angeklagt worden war (Cic. pro Mur. 58, div, in
Caec. 69, Tac. Ann. III 66), auf diejenige eines Livius Salinator und des Manius
Aquillius (cos. 625/129, Cicero a. a. 0.) und bemerkt abschliessend: oi rt ngtcßsig ol
xat uvt&v ^rt TruQOvrtg cvv ffd^ova ravra ntQuovTtg ixsTCQdyeaav. Da Aquillius im
Jahre 628/126 (11. Nov.) triumphierte (Acta triumphal. CIL. I« p. 176), so fällt die
Anklage gegen ihn gewiss nach diesem Jahr, aber wohl nicht allzulange nachher.
Auch von hier aus erscheint die Verlegung des Gesetzes des Gracchus ins Jahr 631/123
als das wahrschi.'inlichere.
2) Diodor 34/5 27: rb fiir ^i(pog iTtlxtirai tolg ix^QoTg, Jttgl dk x&v äXXtov log kv
V ^^'Z^ ßQccßsvarj err^^lo/ifv (Meyer S. 10 gegen Mommsen und Ihne), Appian I 22: ort
ic^QÖtag ti}v ßot^Xiiv xa^i/^r/xot, Ciceros Zitat (de leg. III 20) von den sicae, die Gaius sich
rühmt, aufs Forum geworfen zu haben, gehört wohl auch hierher (Mommsen, HG,
II ® 117, Meyer a. a. 0.), Plutarch 5 bemr-rkt: rovrov tov rcifiov tlc(ptQ(oif rd xt &XXa
Xtytrai aTtovduöai ötafptQOvrag ^ woran dann die Anekdote geknüpft wird, dass sich
damals Gaius zum ersten Mal beim Sprechen nach dem Forum gewendet habe, woraus
hervorgehe, dass seitdem die Aristokratie* in eine Demokratie verwandelt worden sei.
3) Mommsen II « 111, Ihne V 95, Herzog 1468.
Zur Geschichte der Gracchenzeit, 49
bau. Die Nachricht hierüber bildet bei beiden die Überleitung zu dem
Antrag, Kolonien auszusenden, und dem Latinergesetz (Appian fälschlich :
Bundesgenossengesetz, s. o. S. 45), die, wie wir sahen, schon in den Anfang
des zweiten Tribunats gehören.
Die zeitliche Folge der bedeutendsten gesetzgeberischen Massnahmen
des Gaius, die wir hiernach zu erkennen glauben, erhält nun nachträg-
lich eine ausgezeichnete Stütze durch die Beobachtung, dass bei dieser
Datierung die einzelnen Akte in einen inneren Zusammenhang treten.
Nach der Gewinnung der Massen, die Gaius durch die lex frumentaria
und lex agraria gelang, wandte er sich an die Ritter, die er durch die
Auslieferung Asiens und das Rittergesetz an sich fesselte, um dann
endlich sein Interesse Italien und der italischen Frage zuzuwenden,
während sein Kollege Rubrius dazu noch die erste überseeische Kolonie
beantragte. Mommsen hat Recht, wenn er sagt,*) dass „Gaius keines-
wegs wie sein Bruder durch den Strom der Ereignisse weiter und weiter
gedrängt ward, sondern offenbar einen wohl überlegten um-
fassenden Plan in einer Reihe von Spezialgesetzen im
Wesentlichen vollständig realisierte".^) Vor allem verdient
die dritte Ktai)pe seiner Thätigkeit, in der Italien in den Vordergrund
trat, alle Beachtung. Was er in dieser Richtung that, hatte zugleich
auch Wert für Rom und für ihn selbst: der Bau der Landstrassen gab
Arbeitsgelegenheit und Verdienst für Proletarier und Unternehmer, das
stärkte seine eigne Position (Plutarch 6 , App. I 23). Der italischen
Landwirtschaft wurde der römische Markt zugänglicher gemacht und
dadurch zugleich das Getreideangebot in Rom vermehrt. Die Koloni-
sation Tarents und Capuas aus besseren Elementen der Bürgerschaft
scheint eine weitere Begünstigung des Ritterstandes zu bedeuten. Es
macht den Eindruck, wie schon gesagt, als wenn es sich um Neu-
belebung dieser alten Handelsemporien Süditaliens handeln sollte. Und
nimmt man dazu noch Karthago, so eröflnet diese Wiedererweckung
der drei alten Nebenbuhlerinnen Roms, die einst des grausamen
Siegers Faust in aller Schwere hatten fühlen müssen, Perepektiven,
die auf ein grosses staatsmännisches Talent schliessen lassen, das
neue Bahnen zu gehen beabsichtigte. Was das eigentliche Bundes-
genossenproblem angeht, so war der erste Antrag, den stammver-
wandten Latinem (vgl. avyywiai bei Appian I 23) das gleiche aktive
Stimmrecht wie den Römern zu verleihen, absolut nicht radikal zu
nennen, sondern es war nur die Erweiterung eines Rechtes, das sie im
Grund schon hatten. Von hoher Wichtigkeit wäre es für uns, zu wissen,
aus welchen Gründen Gaius von diesem äusserst gemässigten Antrag
zu dem eigentlichen Bundesgenossengesetz, dessen Inhalt uns am besten
1) Ebda. S. 115; gegenteiliger Ansicht ist Ihne Vi
2) Von mir gesperrt.
Kornemann, Zur Oesohiohto der Graochenseit
50 E. Komemann,
bei Appian überliefert ist (Bürgerrecht an die Latiner, gleiches Stimm-
recht, wie vorher für die Latiner, nunmehr für alle Italiker^) über-
gegangen ist.
Aber leider ist auch unsere Kenntnis des Verlaufs des zweiten
Tribunats, vor allem von der Abwesenheit des Gaius in Karthago an,
äusserst gering. Wir hören nur aus der Zeit, da Gaius nicht in Rom
weilte, von einer äusserst scharfen Agitation des Drusus gegen Flaccus,-)
dem direkt zum Vorwurf gemacht wird, dass er die Bundesgenossenfrage
nicht zur Ruhe kommen lasse und heimlich die Italiker zum Abfall
reize.^) Es ist also .deutlich , dass die Quelle offenbar dem Flaccus die
Schuld gegeben hatte, dass die Dinge einen weiteren Umfang annahmen.
Für die Zeit nach der Rückkehr hat Appian (I 24) nur noch die Notiz :
inaveXd^ovtBg t$ ig 'Fciuijv (liier: Gaius und Flaccus, siehe unten Anm. 2)
avvexdXovp 1$ okfjg UtaXiag rovg i^axigxMovg (das ist eine grössere Zahl,
als ursprünglich durch das Gesetz bestimmt war), wg xai tAöe t6v Sijfiov
vna^o^svoi, d. h. offenbar als Gegenmassregel gegen die Agitation des
Drusus, zugleich aber wohl auch mit Berechnung auf die Bundesgenossen,
aus denen ebenfalls die Kolonisten entnommen wurden.
Die Stellung des heimgekehrten Volkstribunen war aber schwer er-
schüttert. Plutarch (12 Anfang) bringt das dadurch zum Ausdruck, dass
er ihn seine Wohnung vom Palatin ans Forum ins Armeleuteviertel ver-
legen lässt, um dadurch wieder in engeren Konnex mit dem Proletariat
zu kommen. Im Anschluss daran heisst es dann bei Plutarch: i'nuta
twv vofiatp k^id'ijxB rovg koinoifg (ig ind^wv ri^v tfjrjifov avtotg. Von
diesen „Gesetzen" kennen wir nur das Bundesgenossengesetz. Das be-
sagt aber nichts. Denn, dass es sich um eine Mehrzahl von Gesetzen
noch handelt, beweisen auch Appian*) und die Rede de legibus promulgatis
1) Es heisst also hier: die Chronologie des Gesetzes nach Plutarch, der Inhalt
nach Appian. Plutarch hat den Inhalt des Gesetzes zusammengefasst in den Worten
(c. b): h 61 GviL\ui%iiib^ laotpritpovs noi&v rolg TtoXlraig rovg 'ItaXimtaSj wobei er
die beabsichtigte Höherstellung der Latiner übergeht, wälirend Velleius (II 6. 2) in den
Worten : dahat civitntem omnibus Italicis umgekehrt das, was nur den Latinern zu Teil
wurde, falschlich auf alle Italiker überträgt. Man sieht deutlich, hier liegen Fehler
infolge allzu starker Verkürzung vor. Für Appians Version spricht einmal der Titel
der Rede des Fannius (Brutus 99) : de sociis et nomine Latino (Herzog I 474 A. 2),
noch mehr aber das erhaltene Fragment daraus, in dem es ausdrücklich heisst: si
Latinis civitatem dederitis. Nicht ganz richtig ist es, wenn die Neueren sagen, für
die Bundesgenossen sei das bisherige Recht der Latiner beantragt worden. Denn dieses
war, wie oben (S. 45. 2) angedeutet, praktisch wertlos.
2) Plut. 10. 6 ^QOvßog ^cnovrog avrov rbv öfffiov vyrtXanißavs xocl »^offrJyfTo,
lucXiata raig xutä xov ^ovXßiov öiaßoXaTg. c. 11: inavfjXd'tv tlg 'Pco^r^r niij^kC^ai rbv
^ovXßiov vnb rov Jqovgov nvvd^uvofitvog. Bei Appian I 24 geht Flaccus mit nach
Karthago. Wenn das kein Versehen der jüngeren Quellen ist , so liegt hier also eine
ganz andere Tradition zu Grunde.
3) tag Tcc av^nuixtxä dtuxivdtv xal nuQo^vviav XQV(pa rovg*lTaXto}Tag jTQbg anofftaaiv^
4) I 23: Ttagä triv iaofiivriv irtffl rtavdt rdv vo^iav %tigozoviuv und xfoXvaai
xovg Vquxxov voiiovg.
Zur Geschichte der Gracchenzeü, 51
(H. Meyer, fragmmta - 234 f.), die meiner Ansicht nach unbedingt liierher-
zuziehen ist,^) weil das Fragment bei Gellius (X 3) die hervorstechendsten
Beispiele von Bedrückungen der Bundesgenossen vorführt.^) Welches
die anderen Gesetze waren, darüber sind nur Vermutungen zu äussern,*)
am wahrscheinlichsten ist mir die Vermutung, dass es sich inbezug auf
die Bundesgenossenfrage schon um zwei Gesetze handelt, 1. den alten
Antrag, betreffend die Latiner, der jetzt aufs Bürgerrecht gestellt war,
und 2. den neuen Antrag zu Gunsten der übrigen aocii,^) Die Gegen-
massregel des Senates, das Edikt des Fannius, welches allen auswärtigen
Nichtrömern für den Tag der Abstimmung den Zutritt nach Rom ver-
sagte, steht, wie schon erwähnt, bei Appian (I 23) und Plutarch, während
der erstere allein die entscheidende Nachricht hat, dass die Gesetze
durch die Intercession des Drusus verhindert wurden. Plutarch bietet
dagegen noch die Geschichte von dem Abreissen der Zuschauertribünen
für ein Gladiatorenspiel auf dem Forum, wodurch sich Gaius infolge
eine^ zuweitgehenden Eintretens für die Proletarier mit seinen Amts-
genossen verfeindete, und schliesst daran die Bemerkung: hx tovtov xal t^v
rgiiriv idoii SrjjaaQx^"^ a(fygr^ö&ai , worüber Gaius tief gekränkt ist.
Plutarch hat also die Geschichte des zweiten Tribunatii nur bis zu den
Neuwahlen für (333/121 erzählt. Seitdem war offenbar Gaius, wie schon
gesagt, ein politisch toter Mann.
Wie Appian (I 21 Ende), geht auch Plutarch (13) dann direkt zu
den Ereignissen unter dem Konsulat des Opimius, d. i. 633/121, über, in
welchem die Katastrophe, etwa im Juli,*) erfolgte.
Wenn wir sonach aus Plutarch auch in den allgemeinsten l^mrissen
die Chronologie des zweiten Tribunats wiederji^ewonnen haben, auf viele
Fragen, die uns noch interessieren, giebt auch er keinti Antwort.
1) So richtig Nitzsch S. J^OHf. und Ni'umaim I 251. Meyrr dagegen setzt die
Kcde an den Anfang von Gracchu»' Auftreten als die groKHO einleitende Programinrede.
llber den Inhalt «lieser Kede vgl. man a})er Plut. c. 8, dazu Neumann 1 S. 233.
2) Auch das änderte Fragment (Schol. Bob, p. 305 Or.) i)a8Kt mit seiniT »ganz ver-
biBwneii Heftigkeit* sehr wühl hierher: das hat Nitzsch (S. 450) gesehen.
8) Nitzsch (408) denkt an den Antrag auf Einführung des Loses fiir die Ab-
stimmung der (V'nturien bei den Magistratswahlen, von dem es bei Pseudo-Sallust ep. ad
Cacs.H heisst: /cc quam C. (»racchus in trihunatu promulgavcrat y ut ex confusin
qninque classibus sorte cenluriae vocarentur.
4) Dafür spricht der Tmstand, dass an den S. 50 Aiim. 4 zitierten Sti'llen de«
Appian auch von ro/iof- die Kede ist, während vorher nur die beiden Gesetze, betreffend
die LatintT und die socii, genannt werden.
5) Livius (Kp. 61) sagt: seditioso trihunatu acto. Für die V«Tlegung in den
Sommer verwertet M«'ver (19. 0' Appian I 25, wo es von Opimius heisst: og (nhdri\in ribv
vnccroyv. Daraus gehe hrrvor. dass der andere Konsul Q. Fabius Maximus bereits nach
Gallien abgegangen war. Dazu passt, weim in der Anekdote bei Plutarch 13 die an-
geblich von Conielia dem Sohne nach Rom geschickten Männer Erntearbeiter
waren. Über die g<*g«'n heute etwas später anzusetzende Erntezeit des Altertums iu
Rom vgl. Nissen. Ital. Landeskunde I S. 399 f.
4*
52 E, Kornemann,
II. Die Datierung der iex Tliorla.
Es ist heutzutage so gut wie allgemein anerkannt, dass die lex
Thanoy das zweite der drei Gesetze aus der optimatischen Restaurations-
zeit, durch die die gracchische Reformbewegung lahm gelegt wurde, ins
Jahr 635/119 oder 636/118 gehört.^) Diese Datierung stammt von
Mommsen,*) der sich auf die Schlussworte von Appian I 27 (mvtexai'
dexa iiaXiara heaiv äno rfjg Fgdxxov vofio&eaiag knl dlxaig hv ä^itf
yByovoTsg) stützt. Diese Worte 'bezieht er auf die gracchische Landauf-
teilungskommission und interpretiert sie in der Weise, dass er sagt,^)
sie habe etwa 15 Jahre nach der gracchischen Gesetzgebung über die
Arbeiten der Aufmessung müssig verstreichen lassen. Dann fährt er
fort: „Dass bei der „„gracchischen Gesetzgebung"" nur an das Gesetz
des Tiberius von 621, nicht mit Rudorff an das des Gaius von 631 ge-
dacht werden kann, ist von Huschke S. 584*) unwiderleglich dargethan
worden. Appian setzt also die völlige Beseitigung des sempronischen
Gesetzes um 636". Die Aufhebung der Kommission erfolgte nach
Momrasen aber durch das thorische Gesetz, „welches also hiemach 635
oder 636 erlassen worden ist".*)
Hiergegen wird man sofort einwenden, dass die Aufteilungskommis-
sion doch nicht von Anfang an unthätig gewesen ist, sondern erst seit
der Wegnahme der Jurisdiktion durch den von Scipio Aemilianus herbei-
geführten Volksbeschluss von 625/129. Das wird bestätigt durch Appian
I 19, wo es im Anschluss an die Erzählung dieses Faktums heisst: ol
Si xfiv yijv diavifiovreg ovx änavrwvxog ig avxdvg ovdivbg kg Sixtjv
kn* ccQyiag ^<rav. Dass die beiden Appianstellen in Beziehung zu
einander stehen, hat schon Rudorff erkannt,**) doch hat er nicht die
richtige Konsequenz aus dieser Beobachtung gezogen. Es folgt nämlich
daraus, dass die fünfzehn Jahre vom Todesjahr des Scipio, also von
625/129 ab zu zählen sind, wodurch man auf das Jahr 640/114
kommt, welches einzig und allein bei C. Neumann zu lesen ist.^
Schwierigkeit machen bei dieser Interpretation nur die Worte: ano
tijg rgdxxov vofio&Miag. Entweder darf man diese nicht wörtlich
nehmen, sondern muss allgemein „von den Zeiten der gracchischen
Gesetzgebung her" übersetzen oder man muss in ihnen eine Interpolation
1) Mommsen, Eöm. Gesch. IV 128: 635/119, Ihne, R. G. V 113: 118 v.Chr.,
Herzog, Gesch. «. System 1477: 118, Niese, Grundriss 108: um 118.
2) BerichU der säclis, Gesellschaft der Wiss, phil Ol. II (1850) S. 90 fF.
3) Ebda. S. 91.
4) Gemeint bt die Rezension in RicfUers und Schneiders kritisclien Jahrbüchern
für deutsche Rechtswiss. X (1841) S. 579 ff.
5) S. 94.
6) Zeitschrift der Savignystiftung für gesch. RechtswissenscJuift X (1842) S. 38.
7) I 285.
Zur GeschicJUc der GraccIienzcU. 53
erblicken.^) Zur Unterstützung der Neumannschen Datierung möchte ich noch
auf folgendes aufmerksam machen. Appian (I 27) bestimmt den Zeitpunkt
des ersten wie des dritten Gesetzes annähernd durch die Worte ov nolv
vaTBQov, während der Übergang zu dem zweiten Gesetz hergestellt wird
durch den Satz: xal n$gir^v kg x^^Qov (ri roig n^vijai^ P^^XQ^ JSnogiog Oogiag
öripiaQx^v köfjy^aato vofiov. Man setzt das erste Gesetz, welches nur
die Unveräusserlichkeit der verteilten Ländereien aufhob, selir bald nach
der Katastrophe des Gaius an.^) Wahrscheinlich gehört es noch in das
Jahr 633/121 selbst, da in den Jahren 634/120 und 635/119 wieder ein
gewisses Erstarken der Demokratenpartei zu bemerken ist.**) Wenn
dies richtig ist, so bedeutet ov noXv votiqov hier einen ganz kleinen
Zeitraum, offenbar einen solchen von noch nicht einem Jahr. Beim
dritten Gesetz aber, das ins Jahr 643/111 gehört, würde derselbe Aus-
druck, vorausgesetzt, dass die hx Thoria wirklich ins Jahr 636/118 ge-
hörte, sieben Jahre umfassen. Auch von hier aus empfiehlt es sich
ungemein, das Gesetz ins Jahr 640/114 zu datieren.
Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass ein Zeitraum von
fünfzehn Jahren zur Bezeichnung der Restaurationsepoche auch in der
Hede des Memmius von 643/111 bei Sallust (Jug. 31. 2) erscheint: nam
illa quidem ptgei dicere, hia annts qutndecim quam ludtbrio fueritia
auperbiae paucorum. Hier ist also vom Jahre 628/126 ab gerechnet,
wenn man nicht mit Jacobs*) quindecim „als runde Durchschnittszahl
der Daten vom Tode des älteren und des jüngeren Gracchus" erklären
will. Auf keinen Fall scheint es möglich, diese Angabe trotz des Auf-
tretens der gleichen Zahl mit der appianischen in Beziehung zu setzen.
Es bleibt bei dem gewonnenen Resultat, dass das erste der drei
Restaurationsgesetze bald nach der Katastroi)he des Gaius, wahrscheinlich
noch im Jahre 633/121, das zweite, die lex Thoria, nicht allzu lange vor
dem dritten, demjenigen von 643/111, wahrscheinlich im Jalire 640/114,
erlassen wurde.
1) Der Satc gicbt auch sonst zu kritischen Bedenken AnlasH; man vgl. Schweig-
häuser und Mendelssohn zu der SteUe, ebenso Rudorff 8. 38 und Kiene, Der römische
Bundesgenossenkrieg S. 131.
2) Moinmsen, Böm. Gesch. II 127, Ihne V 109.
3) Im Jahre 634/120 wird Opimiiis von P. Decius in Anklagezustand versetzt,
und ins «Tahr 635/119 fallt das Tribunat des Marius; vgl. Neumann I 260ff.
4) In dem Kommentar zu der Stelle.
54 E. Kornemann,
Anhang.
(Zu S. 27 Anm. 5.)
Die DatieraDg des Seuatsbe^cblasses bei Jonepho»
Änt, lud. X11I9. 2, 260-265 Niese.
Wellhausen, Tli. Reinach und Willrich ignorieren einfach die Er-
wähnung des ar()aTr}y6g Fanniiis Marci fUius in dem Senatsbeschluss.
Solange der Gegenbeweis, der in dieser Thatsache liegt, nicht aus der
Welt geschafft ist, verdient ihre Hypothese keine Beachtung, zumal auch
die trefflichen Bemerkungen von Gutschmids, Kleine ISchrifien II S. 313
und 314, mir bis jetzt nicht widerlegt zu sein scheinen. Zu dem hier
von diesem Gelehrten Vorgebrachten kommt noch die Thatsache, dass in
unserem Dokument der Name de.s Hohenpriesters noch gar nicht genannt
wird, während das jüngere SC. (XIV 10. 22, 247 ff. Niese), das im Gegen-
satz zu dem unsrigen auf Antiochos, den Sohn des Antiochos, d. h.
Antiochos Kyzikenos Bezug nimmt, nicht nur vom Volk der Juden,
sondeni auch von dem Hohenpriester Hyrkanos spricht. Die beiden
Senatsbeschlüsse gehören also auf keinen Fall zeitlich zusammen : die
zwischen ihnen liegende Zeitspanne wird aber dadurch einigermassen
begrenzt, dass einer der jüdischen Gesandten, Apollonios der Sohn des
Alexander, bei beiden (lelegenheiten ei*scheint.
Unger (S. 579) nimmt an, dass in dem zur Diskussion stehenden
SC. nach aTQari^yog das Wort vnarog ausgefallen sei, wie auch der
Vorname des Fannius verloren gegangen ist. Der Tit^l argarrjyog
vnarog (= consut) begegnet nämlich in dem (Teleitschreiben an die Koer
bei Joseph. XIV 10. 15, 233 N., dessen Zugehörigkeit zu unserem Senats-
konsult — allerdings abgesehen gerade von der Adresse — schon
Mendelssohn (Acta soc. plnlol. Ups, ed. F. Kitsclil V, 1875, p. 155) be-
hauptet hatte. Unger sucht nun zu zeigen (S. 580), dass in der Adresse
wohl der Vatersname (Fatov viog) auf den Statthalter der Provinz Asien
von 705,49 passt, nicht aber jener Titel {aTQartjydg vnavog). Denn der-
selbe Mann wird an einer anderen Stelle des Josephos (XIV 10. 13,
230 N.) richtig avTiargccTr^yog (nach p]rnestis Konjektur; die Codices
haben uQxiciQdxijyog) genannt. So kommt l'uger dazu, trotz des falschen
Zur GcschiclUe der Gracchcnzeit, 55
Vatei-snamens auch die Adresse des Briefes für unseren Fannius in An-
spruch zu nehmen. Er setzt also das SC. und den Brief in das Konsulat
des Fannius, das Jahr 632/122, und bemüht sich, die Möglichkeit diaser
Datierung aus den damaligen jüdLschen und römischen Verhältnissen zu
erweisen. Zugegeben muss ihm werden, dass die Verschiebung des
Hauptbescheides durch den Senat und das Versprechen der Behandlung,
örav dsio tup iSia)p ?; avyxlrjrog Hcxohjarjj unstreitig vorzüglich für den
Anfang dieses Jahres passt. Ich muss überhaupt gestehen, da,^s die.se
scharfsinnigen Kombinationen Ungei^H etwas Bestechendes haben, und dass
nur die Worte Fatov vius in der Adresse des Geleitsbriefe^s mich ab-
halten, sie anzunehmen. Auf alle Fälle verdient die.ser Abschnitt von
Ungei-s Ausführungen nicht die scharfe Ablehnung, die Willrich (Judaica
S. 02. 1) der ganzen Abhandlung hat zu Teil werden lassen.
Sehr zu denken giebt immerhin, auch wenn man Ungers Beweis-
führung nicht für gelungen hält, die gi-osse Unsicherheit, die bei Jose-
phos, namentlic^h in den schlecht überlieferten Urkunden, bezüglich der
römischen Mjigisti-atstitel herrscht, worauf auch Viereck (Sermo ijraec
p. 115, dazu p. 70 f.) mit l^echt hingewie.sen hat. In der Urkunde
Jos. XIV 8. 5, 145 N., die von einigen Fo]>ichern ebenfalls aus der Re-
gierung Hyrkanos' IT. in die Zeit Hyrkans I. oder gar Simons vei-setzt
wird (ins Jahr 015; 130 von Ritschi und Mendelssohn, vgl. Schürer P,
S. 250 ff., unter Hyrkan I. und zwar ins J. 028/120 von Viereck, p. 103 ff.,
ins J. 020/128 von Unger, S. 553 ff.), ei-scheint auch wieder ein aTQaxviyo^
{ytivxiog OvaUQtog ^ivxiov viog aTQatfjyog) als Senats v()i*sitzend er. Es
muss höchst auffallend genannt w(»rden, dass innerhalb so kurzer Zeit
zwei wichtige Senatsbeschlüsse untiT der L(»itung von Prätoren ge-
fasst werden, während dies doch im allgemeinen nur ausnahmsweise ge-
schah, Mommsen, Staatsrecht II '\ S. 120 f. und 232. Ich stelle daher die
Frage zur Diskussion, ob nicht unter dem axQaviiyog in den beid(»n
Urkunden der Kcmsul zu verstehen ist, was l)ei der flüchtigen Art, in
der diese Urkunden abgeschrieben sind, nicht aller Wahrscheinlichkeit
entbehrt. Dann ist die Urkunde XIV 8. 5 die älteste, und zwar g(»hr>rt
sie in das Jahr 023/131, in welcheni ein L. Valerius Flaccus (wohl der
Sohn des Mannes gleichen Namens, der im Jahre 002,152 dius Konsulat
bekleidete) Konsul war. Natürlich muss in diesem Fall mit Kitschi und
Äfendelssohn die Zugehörigkeit der nach der Urkunde folgenden ^^'orte
bei Josephos (148N.): ravra kyivtxo kni ' Ygxavov äo^iBgiwg xai i&vagxov
txovg ivdiov fit]v6q fJaviftov geleugnet werden, was schon aus dem Grunde
sich empfiehlt, weil Hyrkanos I. auch in dieser Urkunde so wenig wi(^
in der des Fannius erwähnt wird. Es wäre dann also dies das Doku-
ment, durch das die eivte Annäherung Hyrkans I. an Kom nach der
Besiegung durch Antiochos Sidetes stattgefunden hat. Es folgen die
Senatsbeschlüsse Josephos XIII 0. 2, darnach mit Unger ins Jahr 032/122
zu setzen, endlich Jos(»phos XIV 10. 22, erst aus dem Ende von Hyrkans
56 E. Komemann, Zur Geschichte der Crraccheneeit.
Regierung. Der Inhalt der drei Senatebeschlttsse passt vorzüglich zu
dieser Reihenfolge. Die beiden ersten beschäftigen sich, wie angedeutet,
mit dem Volk der Juden, nur der dritte erwähnt neben dem Volk der
Juden den Hohenpriester. Der zweite nimmt in den Worten nagä x6 tijg
avyxXf^tov 86yua (261 und 262 Niese) Bezug auf die Bestimmung des ersten
in Betreff der Häfen (Unger, S. 584). Was die vorstehende Datierung
endlich noch empfiehlt, ist der Umstand, dass jeder Senatsbeschluss von
den Juden, bezw. Hyrkanos, gegen einen anderen Seleukiden erlangt worden
ist, der erste gegen Antiochos Sidetes, der zweite gegen Ant. Gryi)os,
der dritte gegen Ant. Kyzlkenos; im übrigen vgl. man Ungers Aus-
führungen a. a. 0., S. 551 ff. Wird die Lösung des Problems in dieser
Richtung erfolgen, so kommt die Josei)hosstelle für die Datierung von
Fannius' Prätur in Wegfall.
Drnck Ton O. Kreyting in Lelpsig.
Die
neue Livius-Epitome
aus Oxyrhynchus
Text nnd Untersachungen
von
Ernst Komemann.
Mit einer Tafel.
^
^N^^raBcf^/?
Leipzig
Dieterich'schc Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1904.
Theodor Motntnseh
zum
Gedächtnis.
Theodor Mommsens Bild ziert den diesjährigen Band unserer
Beiträge; in seinem Namen soll auch dieses Beiheft hinausgehen. Hat
er doch nach einem sechzigjährigen Gelehrtenschaffen sondergleichen,
dessen dauernde Verdienste nicht zum wenigsten gerade auf der Zuführung
und sofortigen Verwertung gewaltiger Massen neuen Quellenmaterials
beruhen, noch im Angesicht des Todes an diesem Fund den grössten
Anteil genommen. So seien diese Blätter seinem Genius gewidmet,
zugleich ein Scherflein des Dankes von der Jüngsten einem unter denen,
die sich im eigentlichen Sinne seine Schüler nennen dürfen.
Unter den Lebenden gebührt mein Dank natürlich vor allen den
Herren B. P. G renfei 1 und A. S. Hunt, den glücklichen Findern des
Papyrus. Die Hallenser Philologentage, die mir die Bekanntschaft mit
Herrn Grenfell und dadurch den Anstoss zu dieser Arbeit brachten,
werden mir dauernd im Gedächtnis bleiben. Die Liebenswürdigkeit, mit
der Herr Grenfell meine Bemühungen, eine Separatausgabe des Papyrus
zu veranstalten, begleitet und unterstützt hat, steht einzig da.
Zu ganz besonderem Danke verpflichtet bin ich auch meinem Tübinger
Fachgenossen Herrn Professor G. Gundermann, dessen sachkundiger
Rat in paläographischen Fragen und dessen stets bereite, fruchtbare
Mitarbeit bei der Textherstellung mich bedeutsam gefördert haben.
Der Unfertigkeit meiner Arbeit bin ich mir trotz alledem wohl
bewusst. Aber noch länger mit der Veröffentlichung zu warten schien
mir nicht geraten. Der erste Wurf muss frisch gewagt werden. Auch
in dieser Beziehung habe ich von meinen englischen Vorgängern zu
lernen versucht.
Tübingen, den 28. August 1904.
Ernst Kornemann.
Inhalt
Seite
I. BeschreibuDg des Papyrus 1 — 9
II. Die Wiederherstellung des Papyrus 9—12
in. Text und Kommentar 13—68
a) Text 13—34
b) Kommentar 35 — 68
IV. Das Verhältnis des Papyrus cum Livius-Original sowie den vorhandenen
Livius-Epitomatoren und Livius-Bentitzern 68 — 87
V. Die Geschichte der Jahre 604/150 — 617/137 auf Grund des neuen
Fundes 87—110
1. Die äussere Geschichte . 87—104
2. Die innere Geschichte 104—110
Nachträge 110
Zeittafel für die Jahre 604/150—617/137 111—121
Register 122—131
Beigabe: Kol. VIII des Papyrus.
Die Auffindung eines grösseren lateinischen literarischen Papyrus
in Ägypten muss als ein Ereignis bezeichnet werden. Was uns das Nil-
land in dieser Beziehung seither geliefert hat, beschränkt sich auf ein
kleines Stück aus Vergil (Oxyrh. Pap. I S. 60 No. XXXI) sowie einige
geringfügige Fragmente aus römischen Historikern und Juristen. Nun
sind wir mit einem Schlag entschädigt worden durch den umfangreichen
Fund, der im Nachfolgenden uns beschäftigen soll.
L
Beschreibung des Papyrus.
Der Papyrus No. 668 im IV. Bd. der Oocyrhynchus Papyri besteht
aus acht doppelseitig beschriebenen grösseren Stücken und vier kleinen
Fragmenten einer Handschrift in Rollenformat. Er wurde bei den Aus-
grabungen in Oxyrhynchus im Jahre 1903 gefunden, zusammen mit
Dokumenten in Kursivschrift aus dem 2. bis 4. Jahrb., hauptsächlich aus
dem 3. Jahrh. n. Chr. Die lateinische Livius-Epitome steht auf dem Recto,
während auf dem Verso ein griechischer Text, Teile des Briefes an die
Hebräer {Oxyrh, Pap, IV No. 657), niedergeschrieben ist.
Die Höhe des Papyrus beträgt 0,26 m. Die Breite der einzelnen
Stücke dagegen ist entsprechend dem verschiedenen Zustand der Erhal-
tung sehr verschieden, variierend zwischen 0,05 und 0,20 m. Von den
vier erwähnten kleineren Fragmenten, sind nur zwei (a und b) etwas
umfangreicher und zwar ist a (bei GH. ^) = b) 0,06 m hoch und 0,02 m
breit, und b (GH. a) 0,05 m hoch und 0,03 m breit. Sie waren an be-
stimmten Stellen des Recto aufgeklebt, um die Rolle zu verstärken. Die
Länge der erhaltenen Kolumnen beträgt 0,175 bis 0,185 m, im Durch-
schnitt also 0,18 m, die Kolumnenbreite dagegen ist bei der sehr ver-
schiedenen Länge der einzelnen Zeilen sehr schwer anzugeben, beträgt
aber im Maximum auch ca. 0,18 bis 0,19 m. Jede Kolumne besteht aus
27 Zeilen mit Ausnahme von Kol. HI (vielleicht auch Kol. V) mit
28 Zeilen. Was die einzelnen Zeilen betrifft, so sind diejenigen, auf
1) GH. = Grenfell und Hunt. Damit bezeichne ich die editio piinceps in den
Oxyrhynchus-Pap, IV p. 90—116.
Kornemann, Die nene Liyins-Epitome. 1
2 E. Komemanny
denen die Konsuln erwähnt, also die Jahre angegeben werden, um etwa
drei Buchstaben über den linken Rand vorgerückt. Ausnahmsweise kommt
dieses Vorrücken der Zeilen auch an drei anderen Stellen vor, nämlich
auf Kol. VI in Z. 145 und Kol. Vm Z. 210, wahrscheinlich auch Kol. Vn
Z. 182, doch sind es auch hier Eigennamen (L. Mummius, P. Africanus u,
Q, Caepio), die auf diese Weise herausgeschoben werden. Umgekehrt ist
das Ausrücken, trotzdem Konsuln genannt werden, auf Kol. VI in Z. 137
unterlassen. Am Ende sind die Zeilen, wie schon erwähnt, sehr ungleich
lang. Hier kommt es selten vor, dass zwei oder drei Zeilen hinterein-
ander gleichmässig endigen, trotzdem der Schreiber am Zeilenschluss mehr-
fach von der Worttrennung Gebrauch gemacht hat: Z, 15/6: admü-[ti],
Z. 33/4: GalUhgraeds, Z. 40/1 : [Ba\cchainyalia, Z. 46/7 : uoH-uos, Z. 53/4 :
deside-rante, Z. 95/6: [Aemiyiiani, Z. 103/4: [saeculayr^sl Z. 119/20: re-
[gnum], Z. 135/6: Bomano<r>[fml Z. 139/40: [inflammayuisset, Z. 153/4:
[conysulatum , Z. 165/6: [am]u»-[«]a€, Z. 185/6: (fo-[/]ormam, Z. 207/8:
[deysertores, Z. 213/4: [occ{\-dit Bei dieser Sachlage kann eigentlich nur
die Vermutung helfen, dass der Papyrus dem Schreiber stellenweise nicht
glatt genug war, und dass dieser daher ab und zu früher abbrach.
Die längsten Zeilen haben 40 und noch einige Buchstaben mehr, so
Z. 3 (40), Z. 18 (41), Z. 31 (41), Z. 114 u. 115 (beide ca. 40), Z. 120
(42, wenn die Ergänzung richtig ist), Z. 122 (40), Z. 123 (45), Z. 187
(42), Z. 212 (40, falls richtig ergänzt ist). Doch sind das Ausnahmen;
die grössere Zahl der Zeilen hält sich zwischen 30 und 40 Buchstaben,
so dass man für diese Hauptgruppe im Durchschnitt etwa 35 Buch-
staben annehmen kann. Diejenigen Zeilen, an deren Ende der Schreiber
Worttrennung hat eintreten lassen, haben mit Ausnahme von zwei
Zeilen der Kol. II (Z. 33 : 29 , Z. 40 : 26 Buchst.) auch über 30 Buch-
staben, nämlich 32—37, kommen also jenem Durchschnitt von 35 Buch-
staben sehr nahe. Eine dritte Gruppe bilden die Zeilen mit weniger als
30 Buchstaben, wobei natürlich die Zeilen, mit denen ein Buch oder ein
Jahr schliesst, nicht eingerechnet sind. Wenn wir von diesen absehen,
bildet die in Frage stehende Gruppe eine Minorität, allerdings etwas
grösser wie diejenige mit über 40 Buchstaben. Alles in allem genommen
wird sich aber die Buchstaben-Zahl pro Zeile im Durchschnitt doch etwas
über 30 stellen.
Die Schrift des lateinischen Textes ist eine mittelgrosse, aufrecht-
stehende Unciale bereits mit einigen Halbuncialformen (6, d, ä, m, j).
Der auf der Rückseite stehende Text des Hebräerbriefes zeigt eine
Schrift ähnlich derjenigen von Oxyrhynchus Pap, HI Tafel IV. Wenn
diese von den englischen Herausgebern mit Recht in die erste Hälfte des
4. Jahrhunderts gesetzt wird, so kommen wir auch mit der Niederschrift
unseres Textes spätestens in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Für einen
früheren Ansatz (3. Jahrh.?) spricht der Umstand, dass der grösste Teil
der mit dem Papyrus gefundenen Urkunden, wie gesagt, diesem Jahr-
Die neue Livius-Epitome. 3
hundert angehört. Die Schrift ist kalligraphisch schön, von geschulter
Schreiberhand geschrieben, und giebt den Text fortlaufend ohne Wort-
trennung. Nur ab und zu lassen sich Unterbrechungen am Wortende be-
obachten, z. B. vor oder hinter Eigennamen (Z. 1: Romani caesi, Z. 12:
Ambracia capto) oder da, wo Abkürzungen vorliegen (Z. 167 : Metellus
COS. alusitaniSj Z. 182: Cacpio cos. indelegem, Z. 186: fecit Q. Occitis), aus-
nahmsweise aber auch an anderen Stellen (Z. 51 : homini ccd, Z. 85 nach
dem Wort stuprauerat, Z. 113: [test]a quondam, Z. 186: hosUbus pacetn,
Z. 196 : ohiecerat clauo). Ja es kommen Unterbrechungen manchmal auch
da vor, wo ein Wortende nicht anzunehmen ist, der Schreiber aber in
der Begel falsch gelesen hat (Z. 72: ficti egrimonibus, Z. 123: subselli
socius, Z. 182: Ti. C[l}audi amassilium, Z. 184: lictore strigmn).
Abkürzungen sind regelmässig nur angewendet bei den praenomina,
den Titeln von Beamten: cos. (= consulj consules, consuUbus), pr(aetor),
trib(unu8) pl{ebis\ endlich den Buchüberschriften: Zi6(cr); ausserdem nur
Z. 207 : omnib{us\ während Z. \h:pass{d) erat und Z. 122: Masiniss(ae) erat
Verschleifungen in der Aussprache darstellen. Nach allen Abkürzungen
stand offenbar ein Punkt, an vielen Stellen ist derselbe noch nach-
weisbar.
Korrekturen von der Hand des Schreibers sind selten: Z. 187 war ur-
sprünglich geschrieben : Lussitanorum^ doch ist das erste s durch einen diago-
nalen Strich getilgt, Z. 22 scheint ursprünglich Chartaginientium geschrieben
zu sein und daraus erst von zweiter Hand: Chartaginietmum durch Ver-
änderung des ^ in ^. Schwieriger liegt der Fall Z. 95. Hier lesen GH.
f
/l^[o]]cfem. Die Photographie, die mir vorliegt, zeigt wohl, dass etwas
übergeschrieben ist, und zwar offenbar ein f, darunter aber vermag ich
(ebenso Gundermann) nur eine verschmierte Stelle zu statuieren etwa
von der Form eines dicken wagrechten Striches; die ausserdem noch
sichtbare Rundung, die offenbar als o angesprochen wird, entbehrt durch-
aus des kräftigen Duktus, der meist diesen Buchstaben auszeichnet.
Wenn also ein o hier gestanden hat, war es nur angedeutet^) Z. 98 lesen
h
die englischen Herausgeber Caridenmm, das h ist auf der Photographie
nicht zu erkennen, aber deutlich auf dem Original.^)
Diesen Versuchen des Schreibers, das Geschriebene nachträglich noch
zu bessern, steht eine ganze Masse von Stellen gegenüber, welche korrupt
geblieben sind. Denn wir haben es hier geradeso wie bei dem von Keil
herausgegebenen Anonymiis Argentinensis'^ mit der Kopie eines flüchtigen,
mit geringem Verständnis für den Inhalt begabten Schreibers zu thun.
1) Hr. GrenfeU teilt mir auf Aofrage brieflich mit, dass der Buchstabe eher ein o
als irgend etwas anderes sei.
2) Nach brieflicher Mitteilung von Hm. Grenfell.
8) Vgl. Keil S. 7.
1*
4 E, Kornemann,
Zahlreich sind die Auslassungen von einzelnen Buchstaben oder ganzen
Wörtern. Die fehlenden Buchstaben bezw. Wörter setze ich in < >.
Z. 7: <Bmy>nia de Soli<^sy, darüber unten
Z. 26: LfY<c>r[n]MW (falls richtig ergänzt ist)
Z. 36: Postum<J^
Z. 40/1: [J?a]ccÄa<n>aZwi
Z. 60: fune<fiyribus
Z. 103: Man<i>lio et Marc<i>o
Z. 120: <,Aeymüiaannum, dazu unten
Z. 123: vielleicht (X^cycKsyus
Z. 132: <cyap[t]ifKoys
Z. 134: prodKsy
Z. 135: JBömano<r>[um]
Z. 168 : statu<ä>s
Z. 183: tr<i>b(unum)
Z. 185: Vir<i>atho (es steht da: Virathio)
Z. 191: Po<l»>K»[ö
Z. 192: <e>^
Z. 197: <JDyitalco
Z. 207: ?MC^M>i.
Von Worten fehlen offenbar folgende:
Z. 14: OrigiacatUis <tucory
Z. 76: <Calpurmoy.
Das Gegenstück zu den Auslassungen von Buchstaben und Worten
sind die an falscher Stelle zugesetzten (ich mache sie wie in der eng-
lischen Ausgabe durch { } kenntlich), so vor allem wieder in Eigen-
namen:
Z. 14: Or{i}giacofUis
Z. 21 u. 113: Man{i}Uus
Z. 38: IUUil{i}us
Z. 50: Licin{i}o
Z. 120: <iAeymiU{a}an{n}ufn, der Schreiber las offenbar milta annum
Z. 174: Nu{a}fnantinis(
Z. 185: Vir<i}(jUh{i}o.
Ein überflüssiges Wort steht Z. 3. Hier liest man : maximus [pontif]ex
maximusy sodass man das erste mcmmus als eine Dittographie bezeichnen
muss.
Ganz Singular sind Stellen wie:
Z. 7: {Iihad)(Mia {de SolKs» deducta und
Z. 176: [C] Laelio {Salßsso},
Hier liegen schwerere Verderbnisse vor, die zum Teil nicht der
ungebildete Schreiber, sondern derjenige begangen hat, welcher den Text
aus einer viel umfangreicheren Vorlage zusammenzog. Z. 7 sind nämlich
zwei ganz verschiedene Ereignisse ineinandergeschachtelt:
Die fieuc Livius-Epitonie. 5
1. Rhodiiiy de SolKs)^ sc. vgcrunt, vgl. Livius XXXVII 56. 7.
2. <ßonyonia deducta, Liv. ebda. 57. 7.
Z. 176 dagegen ist an Stelle des richtigen Beinamens des C Ladius
Sapiens das Wort Sdlassiis eingedrungen. Das lässt sich doch nur da-
durch erklären, dass in Buch Lin des Livius — allerdings stammt Z. 176
aus Buch LIV — von dem Feldzug des Konsuls Appius Claudius gegen
die Salasser die Rede war.
Durchaus dem Schreiber aber fallen wieder zur Last die zahlreichen
Verlesungen einzelner Buchstaben oder Buchstabengruppen, wobei natür-
lich die meisten Fehler wieder in den Eigennamen gemacht sind. Wenn
wir die stärkeren Verschreibungen in den Eigennamen einmal bei Seite
lassen, ergeben sich folgende paläographisch meist nicht gerade schwer
zu erklärende Fehler, die zum grössten Teil auf eine Vorlage in alt-
römischer Kursive führen, zum Teil aber auch aus der spätlateinischen
Aussprache (Diktat?) resultieren.^)
1. a statt l:
Z. 57: uastaita statt uasilica (graphisch schwer zu erklären).
a statt s:
Z. 111: entdsi statt [m{]flsi,
2. b statt r:
Z. 184: tcrbuit statt tcrruit.
Umgekehrt r statt h:
Z. 17: conurium statt conubium
Z. 66: Berio statt Bia^ibio,
3. c statt g:
Z. 14: Or{i}giacontis statt Orgiagontis
Z. 193: Cahinius statt Oabinius
vielleicht auch Z. 84: [Ceth]ecus\ doch ist die Lesung hier unsicher: es
kann auch [Ccth]effiAs dagestanden haben.
Umgekehrt g statt c:
Z. 27: intergessit statt iniercessit
Z. 72: grimonibus statt crim[i]nibus
dazu Z. 214: Suriajjfue statt Suriaque.
c statt s:
Z. 19: Calinatore statt SaUnatore.
c statt t:
Z. 20: Cra[eces statt T<hyra[eccs,
4. e statt s:
Z. 72 : fictie statt fictis.
5. i statt c (Aussprache):
Z. 114: ligationem statt legatiancm
Z. 182: ^5rfK««i« statt ^55eZ[r|Mm.
1) Das sind Beobachtungen, auf die mich Gundermann gelenkt hat.
6 E. Kornemann,
ii statt e:
Z. 133: ohsidontiis statt olsidcntes (kursives c in der Vorlage).
Umgekehrt c statt i (Aussprache):
Z. 203: Dccem statt Decim(um),
i statt l:
Z. 182: Assilium statt AsseUum,
6. ? statt c:
Z. 136: subaUi statt subacti,
l statt ^:
Z. 9: compellüoribus statt competitorihus
Z, 192: rt? wohl statt <c>^ Ze[aZw»].
Umgekehrt / statt l:
Z. 37: Hispata statt Hispala.
7. n statt «:
Z. 62: na^e5 statt tiates.
Umgekehrt u statt w:
Z. 40: itidicium statt indicium,
8. o statt i:
Z. 95: /]^[o]]dcm nach der Lesung der englischen Herausgeber.
Z. 72: grimombus statt [c]rminīi5.
9. p statt 6:
Z. 74: JPaebio statt Baehio,
10. r statt 6:
S. oben unter 2.
11. f statt c bezw. i:
Ta. 57: uastaita statt waÄi[Z]*ca
Z. 111: cw^m' statt [m]i[5]M'.
t statt Z:
S. oben unter 6.
12. u statt n:
S. oben unter 7.
Dazu kommen folgende verlesene Buchstabengrappen, die sich alle
leicht aus einer Vorlage in Kursive erklären lassen:
13. Stellen, an denen ein fn allein oder zusammen mit anderen Buch-
staben verlesen ist:
Z. 8 : imnantes statt niinantcs ; vgl. dazu die nicht ganz klare Schreibung
von admit Z. 15 Ende.
Z. 111: entasi statt m[is]si
Z. 145: Mumanus statt Mumniias (Z. 168 dagegen richtig [M}ummius)
Z. 217: planus statt primus
Z. 178: ülmiUus statt MatiUus.
14. Desgl. ein n:
Z. 14: captian statt captiua
Die neue lAvitAS-Epitomc. 7
Z. 26: [lA\tratum statt [IÄ\Ke)^rnum,
15. Desgl. ein u:
Z. 19: Lulio statt lAtm.
In den Eigennamen stecken noch weitere, z. T. sehr schwere Fehler,
die sich teilweise auf andere Weise erklären lassen, teilweise aber jeder
Erklärung spotten. Leicht erklärlich sind Verschreibungen wie:
Z. 55: hofium statt Baium (vielleicht in der Vorlage boiium)
Z. 78: Liuius statt VilUf4S
Z. 120: müiaannutn statt <^Aeymilianum
Z. 203 : decemuiru[ Jstatt Decim. Bru[tufn], weil hier dem Schreiber be-
kanntere Wörter in die Feder geflossen sind. Anders dagegen
steht die Sache, wenn wir lesen:
Z. 25: Metellis für Petiüis
Z. 75 : Ncrylli für PetiUi
Z. 182: Ti C[l]audi amassilium für Tt. Claudium Asellum
oder gar Z. 3: P. Lepidinus statt P. Licinius
bezw. Z. 56: dianatone für a Jf. Catane. Doch beachte man, dass der
Schreiber dagegen Z. 114 ganz richtig M. Cato schreibt.
Hinsichtlich der Orthographie zeigt der Papyrus folgende Eigen-
tümlichkeiten.
1. Einfaches f, wie gewöhnlich, haben wir in folgenden Fällen:
Z. 26: abä
Z. 51: uenefici
Z. 59: P. Lictni
Z. 100: fiU, Z. 120 u. 141: ßis
Z. 134: proelKsy.
2. Mehrfach kommen infolge der Aussprache Buchstabenverdop-
pelungen vor:
Z. 9 : compeUitoribus = compettüoribus statt competitoribus
Z. 182: Assüium = AsseUum statt AseUum
Z. 188: Ännio statt ^io
Z. 174 u. 212: anNumantinis
Z. 187 vom Schreiber selbst verbessert Lu[[s]]8itanarum] sonst auch überall
Lusüani.
3. Schreibung ohne Assimilation:
Z. 9: conposito
Z. 47: conZato
Z. 122: adfinis.
4. Sonstige Eigentümlichkeiten:
Z. 22. 83. 90 u. s. w.: Chartaginienses
Z. 101 : Phüippi pÄfKu[m] , oflfenbar in Anlehnung an das vorausgehende
Phüippi^)] denn in der Zeile vorher (Z. 100) steht /W», ebenso
1) Bossbach (Berl phil Wochenachr, No. 31/32 vom 6. Aug. 1904 Sp. 1020 Anm.)
8 E. Korncmann,
Z. 120 u. 141 filis, Z. 179 ßium. Ähnlich inkonsequent ist der
Schreiber, wenn er Z. 157 St^ und Z. 214 Suria oder wenn
er Z. 66 Bebio (eigentlich Berio) und Z. 74 Pacbio für Bacbio
schreibt.
Z. 57 : uasilica (eigentlich uastaüa) = hasüica
Z. 39: drcumscribserant.
Mehr noch als die Orthographie verdient die Sprache des Papyrus
unsere Aufmerksamkeit.
Z. 51: steht homini statt homines (oder hominum)
Z. 71: in marem für in mare
Z. 111: Marco ^ während wir einen Nom. erwarten; doch ist die Lesung
des 0 nicht sicher.
Syntaktisch liegt eine Bevorzugung des Nominativ und Accusativ
gegenüber den übrigen Casus vor.
1. Der Nominativ steht statt des Ablativ:
Z. 25 — 26: dies dicta für die dicta.
2. Der Accusativ statt anderer Casus:
a) statt des Nominativ:
Z. 4 — 5: quod flamen Quirinaleni erat
Z. 133: obsideni[e]s Bomanos wahrscheinlich auch Acc. pro Nom.
b) statt des Ablativ:
Z. 8 — 9: minantes [a4^cu8d\tionem compe\t']jitoribus
Z. 125: in Äfiricam, während man in Africa erwartet.
3. Unsicher ist, ob Z. 125 dimicatus est als Deponens behandelt ist
Inhaltlich zerfällt der Papyrus in zwei Teile:
1. Kol. I— in mit Auszügen aus den erhaltenen Büchern 37—40 des
Livius für die Jahre 564/190—575/179.
2. Kol. IV — Vin mit Auszügen aus den verlorenen Büchern 48 — 55
für die Zeit 604/150—617/137.
Nach Kol. m sind also einige Kolumnen verloren, die die Auszüge
der Bücher 41—47 enthielten. Vom Hebräerbrief auf der Rückseite
fehlen an der entsprechenden Stelle 12 Kolumnen. Da aber dort auf
derselben Fläche mehr Kolumnen niedergeschrieben sind, so ist der
fehlende Teil bei unserer Epitome auf alle Fälle geringer als 12 Kolumnen,
etwa 9—10 Kolumnen. Weiter fehlt innerhalb des zweiten Teils eine
Kolumne, nämlich zwischen VI und Vn mit einem Teil der Auszüge für
die Jahre 611/143 und 612/142, was ebenfalls bewiesen wird durch eine
entsprechende Lücke im Hebräerbrief, hier nach Kol. VIII.
Der Umfang der Auszüge aus den einzelnen Büchern des Livius ist
sehr verschieden. Verhältnismässig gross ist der Auszug aus Buch 39
deckt bei philium, wie ich ursprüngUch auch gethap habe, an einen griechischen
Schreiber. Aber ob der Papyrus auf dem Recto in Ägypten und nicht in Italien be-
schrieben wurde, ist immerhin die Frage. Die Schrift spricht nach Gundermann für
die zweite Annahme.
Die neue Livius-Epitonw. 9
und im zweiten Teil aus den Büchern 50, 54 und 55. Auch Buch 53
war offenbar sehr ausführlich ausgezogen, ist aber infolge des erwähnten
Verlustes einer Kolumne nur mit Anfang und Schluss erhalten. Bei
Buch 51 und 52 war schon der Auszug ein sehr dürftiger, dazu kommt
dann die schlechte Erhaltung von Kol. VI.
Die Anordnung des Stoffes ist im allgemeinen streng chronologisch,
d. h. jedesmal mit Voranstellung der Konsuln des betreffenden Jahres,
dessen Ereignisse verzeichnet werden sollen.
Die Stoffauswahl ist äusserst wunderlich. Besonders wertvoll wird
aber der neue Text dadurch, dass er nicht nur die Ereignisse der
äusseren, sondern auch solche der inneren Geschichte berücksichtigt.
Neben den grossen historischen Ereignissen der äusseren und inneren
Geschichte sind dann dem Zeitgeschmack des Verfassers entsprechend,
einzelne Heldenthaten, Anekdoten, z. T. mit pikantem Inhalt, stupra,
Notizen über Spiele, Giftmischerei, Vertreibung der Chaldaeer aus Rom
und Italien, Prodigien etc., alles in buntem Wechsel mit den Haupt- und
Staatsaktionen, aufgenommen.
Dass die Vorlage des Papyrus wahrscheinlich viel umfangreicher war,
habe ich oben (S. 4) schon angedeutet.
Welchem Zweck der Auszug diente, ergiebt sich aus dem Inhalt.
Derselbe verbietet an ein Schulbuch zu denken. Vielmehr haben wir es
mit einem jener kurzen chronologischen Arbeiten, für Erwachsene ge-
fertigt, zu thun, wie sie in Ägypten schon mehrfach, bis jetzt allerdings
nur in griechischer Sprache, zu Tage gekommen sind, wie z. B. die
sechs Kolumnen eines chronologischen Werkes Oxyrhynchus Pap. I No. XII
oder der von Keil herausgegebene Auszug aus einer Geschichte Athens
{Anonymus Argentinensis) oder endlich der neuerdings zu Tage gekommene
kleine Rest eines solchen Auszugs aus einer Geschichte Siziliens (Oxy-
rhynchus Pap. rv No. 665). Dass ein gleichartiger Auszug aus der
römischen Geschichte in letzter Linie auf Livius zurückgeht, ist nicht
auffällig. Denn Livius bezw. eine Liviusepitome des ersten nachchrist-
lichen Jahrhunderts war nicht eines von vielen historischen Werken
sondern war das Geschichtsbuch, aus dem man die Geschichte der Re-
publik in der Kaiserzeit studierte.
n.
Die Wiederherstellung des Papyrus.
Je nachdem die Verluste an dem Papyrus im Anfang, in der Mitte
oder am Ende der Zeilen eingetreten sind, können wir die Kolumnen in
drei Gruppen scheiden. Am leichtesten ist die Arbeit des Ergänzers im
Falle dass die Verderbnis innerhalb der Zeilen liegt, wie das im all-
gemeinen bei den Kolumnen n und Vn (bei letzterer mit Ausnahme der
drei letzten Zeilen, deren Anfang fehlt) der Fall ist (a). Damach (b)
10 E. Kornemann,
behandele ich die Kolumnen (I und V), bei denen die Anfänge der Zeilen
fehlen. Auch hier ist die Möglichkeit der wörtlichen Ergänzung gegeben,
weil die Zeilen, abgesehen von den wenigen ausgerückten mit den Eonsul-
namen, gleichmässig einsetzen. Ungemein schwieriger ist bei der oben
beschriebenen ungleichen Länge der einzelnen Zeilen dagegen die Wieder-
herstellung, sobald Teile der Kolumnen auf der rechten Seite, also am
Ende der Zeilen fehlen. Das ist der Fall bei den Kol. m. IV. VI. VIH,
die ich daher unter c besprechen werde.
a) Die Wiederherstellung von Kol. n und Vn.
Von Kol. n sind zwei Stücke vorhanden, die uns den Anfang und
das Ende sämtlicher Zeilen geben. Die innere Bruchlinie verläuft bei
beiden Stücken bis Z. 44 ziemlich geradlinig. Erhalten sind auf dem
vorderen Stück 8 — 11 Buchstaben, im Durchschnitt also etwa 9 — 10 und
der Ausfall beträgt bis dahin, wie sich aus den ganz sicher zu ergänzen-
den Zeilen 37. 38. 39. 40, auch 42 und 43 ergiebt, pro Zeile etwa
12 — 13 Buchstaben. Dagegen in Z. 45 ist vom vorderen Stück ein
klein wenig mehr verloren gegangen (erhalten 9 Buchstaben gegen
11 in Z. 44), so dass etwa 14 Buchstaben hier als verloren angenommen
werden können, während bei Z. 46 und 47 (mit 9 [darunter zwei t]
bezw. 7 erhaltenen Buchstaben, auf dem vorderen Stück) sogar für etwa
15 verlorene Buchstaben Kaum vorhanden ist. Von Z. 49 verengert sich
durch bessere Erhaltung des vorderen Stückes wiederum die Lücke:
Z. 49 selbst mit 9 erhaltenen Buchstaben im Anfang verlangt wieder
etwa 12—14 Buchstaben zur Ausfüllung der Lücke, Z. 51 — 54 dagegen
mit durchschnittlich 11 erhaltenen am Anfang nur etwa 11 — 12 Buch-
staben.
Von Kol. vn fehlt ein viel kleineres Stück. Das Fehlende lässt
sich aus den im Innern allerdings etwas lückenhaften Zeilen 178. 179.
180 und den dann folgenden, gerade gegen das Ende hin vollständig
erhaltenen Zeilen 182 — 189 berechnen, da die beiden gradlinigen
Bruchlinien durch den ganzen Papyrus hindurchgehen. In Z. 178. 179
und 180 stehen auf dem Kaum, der der Lücke im oberen Teile des
Papyrus entspricht 7 Buchstaben, Z. 182 dagegen 8, Z. 183 und 184
(die allerdings die zweite Bruchlinie nicht erreichen): 6, Z. 185 und
186: 7V,, Z. 187 und 189: 8, Z. 188 wieder nur knapp 7 Buch-
staben. Zur Ausfüllung der ganzen Lücke sind demnach 6 bis 8 Buch-
staben erforderlich. Die Lücke in diesem Umfang nun liegt in den
Zeilen 164 und 165 vor. Dagegen von Z. 167 ab verengert sich die
Lücke etwas, weil das hintere Stück mit den Zeilenenden um etwa zwei
Buchstaben breiter wird. Von dieser Zeile ab dürfen wir nur noch 5 bis
6 Buchstaben als fehlend annehmen, bezw. für die Zeilen, die nicht bis
auf das hintere Stück sich erstrecken, im Maximum 5 Buchstaben.
In Z. 177 ist die Lücke durch geringes Zurücktreten des hinteren Stückes
wieder ein wenig grösser, so dass man auf 7 Buchstaben von neuem
Die fwue Livius-Epitome. 11
hinaufgehen könnte. Dagegen in Z. 178 — 180 schrumpft sie stark zu-
sammen, um von Z. 181 ab ganz zu verschwinden.
Bei den letzten drei Zeilen (Z. 187—189) der Kolumne haben wir
den Fall, der uns unter b beschäftigen wird, dass nämlich der Anfang
der Zeilen fehlt. Die Berechnung der fehlenden Buchstaben ist sehr
sicher. Denn die Bruchlinie, vor der der beschriebene Teil des Papyrus
hier abgesprungen ist, setzt sich nach oben durch die erhaltenen Teile
hin bis zur Zeile 174 fort. Die Zahl der Buchstaben auf diesen Zeilen
bis zur Bruchlinie beträgt 11 — 13. Soviel wären also am Anfang von
Z. 189 zu ergänzen, während auf Z. 187 und 188 je ein Buchstabe
weniger fehlt.
b) Die Wiederherstellung von Kol. I und V.
In Kol. I haben die Anfänge der Zeilen 1 — 13 etwa denselben Ver-
lust erlitten. Derselbe lässt sich berechnen aus den Zeilen 4 und 5,
sowie 7 und 8, die sich leicht und sicher ergänzen lassen, und zwar Z. 4
und 5 mit 6%, Z. 7 mit 7, Z. 8 mit 6 Buchstaben. Es ergeben sich
also 6 — 7 Buchstaben hier als verloren. In Z. 14 ist der Verlust um einen
Buchstaben geringer. Dagegen in Z. 15 und 16 weicht die Bruchlinie
etwas zurück, sodass wir wieder 7 oder gar 8 Buchstaben ergänzen
dürfen. Z. 17 ff. wird der Ausfall noch grösser und zwar um weitere
2 — 3 Buchstaben. Wir dürfen jetzt, wie sich auch aus der sicher zu er-
gänzenden Z. 18 ergiebt, 9 — 10 Buchstaben als verloren ansehen und
zwar anfangs 10, später (von Z. 21 etwa an) ca. 9 Buchstaben.
In Kol. V beträgt der Verlust im Anfang der Zeilen HO — 114, wenn
man die Ergänzungen von HO und 112 zu Grunde legt, etwa 8 Buch-
staben. Von Z. 115 ab bis zum Schluss ist der Verlust um ca. 2 Buch-
staben grösser, so dass man jetzt etwa mit 10 — 11 ausgefallenen Buch-
staben rechnen darf.
c) Die Herstellung von Kol. HI. IV. VI. Vm.
Bei der sehr ungleichen Länge der Zeilen kann es sich hier nur
darum handeln eine Ergänzung zu finden, die der Durchschnittslänge der
Zeilen (34—35 Buchstaben) nahekonmit, eine Ergänzung, die natürlich
nur den Anspruch erhebt, den Sinn des Berichteten wiederzugeben.
Voft Kol. ni ist bis Z. 64 noch nicht die Hälfte der Zeilen erhalten,
nämlich 11—15, im Durchschnitt also etwa 13 Buchstaben. Die Zeilen
67 — 70 sind am meisten verderbt, da hier auch die Anfänge der Zeilen
(ca. 6 — 7 Buchst.) fehlen. Z. 71 ist wieder wie Z. 55 — 64 erhalten
(13 Buchst), dagegen von Z. 72 ab bis zum Schluss besitzen wir beinahe
die Hälfte der Kolumne (15—17 Buchst).
Besser steht die Sache im oberen Teil von Kol. IV bis Z. 92. Hier
fehlen im Durchschnitt nur etwa 5 Buchstaben, wie sich aus den sicheren
Ergänzungen von 83 (5 B.), 89 (ebenfalls 5 B.) und 90 (4 B.) ergiebt
Dagegen von Z. 93 ab bis zum Schluss wird die Möglichkeit einer sicheren
Ergänzung immer geringer. Jetzt sind nur 14 — 16 Buchstaben (Z. 101 :
12 E. Korfwmann.
19 B., aber darunter 7 t), also knapp die Hälfte der Zeilen erhalten,
Z. 107 sogar nur 13, 108: 10, während 109 abgesehen von den ersten
drei Buchstaben ganz unsicher ist.
Bei Kol. Vm ist das Umgekehrte der Fall wie bei Kol. IV, d. h.
sie ist am Ende besser erhalten als am Anfang. In Z. 191—201 sind im
Durchschnitt nur etwa 15 B. erhalten. Von Z. 202 ab bekommen wir
zwar ca. 4 Buchstaben mehr, dafür sind aber die Zeilen 202 — 204 im
Innern verdorben. Z. 205 giebt schon 21 erhaltene Buchstaben, 206 : 20,
207 ca. 24. Erst mit Z. 208 kommen wir auf festeren Boden. Hier haben
wir 26 erhaltene Buchstaben und fast die gleiche Zahl ergiebt sich nach
Ausfüllung der Lücke im Innern für die Zeilen 211 — 213 (25 B.). Am
besten erhalten sind endlich die Schlusszeilen 216 (mit 26) und 217
(mit 27 B.).
Am schlechtesten ist der Erhaltungszustand von Kol. VI, daher hier
die Möglichkeit der wörtlichen Wiederherstellung auf ein Minimum redu-
ziert wird. In den Zeilen 137 — 145 sind im Durchschnitt etwa 9 Buch-
staben vorhanden, Z. 146 — 162 sogar nur etwa 7, in der letzten Zeile
(163) dagegen noch einmal 9, also noch nicht einmal ein Drittel des
Ganzen.
m.
Text und Kommentar.
a) Text^)
1) Hinweise auf deo Text der englischeii Herausgeber Grenfell nnd Hunt
werde ich auch im Folgenden mit GH. geben. Mit Reid zitiere ich die nachtrSglicb
mir bekannt gewordene Arbeit dieses Forschers in der Ckuaical Beview XVHI No. 6
(Juli 1904) S. 290—300, mit Rossbach weise ich amf Berl phil Woehensehr. No. 81/32
vom 6. Aog. 1904 Sp. 1020—22 hin.
14
Kol. I.
1 6 — 7 B. niaromani caesi
2 „ cn. manlio cos
3 „ paxiteromdataestp. lepidinnsmaximas
4 „ exmaxünus q. fabiom pr. qnodflamen
5 „ alemeratproficisci insardiniam
6 „ ant antiochoregipaxdatalusitani
7 „ rhodonia desoli deductaacilius
8 „ censuram petens inmantes
9 „ tionemcompellitoribnsconposito
10 , t
11 „ üb. xxxuni
12 „ cia capta
13 „ raecisinpamphyliaprQ^lionastatis
14 5—6 B. aliberataorigiacontiscaptiaimobilis
15 7 — 8 B. nemcuiusuimpass. erataurumadmit
16 7 B. poscentemocciditcaputqueeiusaduirum
17 10 B. campanisconuriumdatum e/t
18 „ osetlacedaemonioscrnenta / / gelia
19 „ ulio calinatore cos
8 Vor pax ist nocb der Rest eines s zu erkennen.
4 e am Anfang ist nur teilweise erbalten.
5 a am Anfang ebenfalls nur teilweise erbalten.
6 §int lesen GH. a ist auf der Pbotograpbie kaum zu seben. Von dem angeblicben n
sind aueb nur teilweise die beiden Längsstricbe vorbanden. Es ist meiner Ansiebt
nacb nicbt ausgescblossen, dass die zweite Hasta ein i ist.
7 acilius feblt bei GH.
8 ensuram GH. minantes GH.
9 composito GH.
12 c am Anfang nur teilweise vorbanden.
15 admit oder adimt.
16 p am Anfang nur in einem letzten Best vorbanden.
17 coniurium GH. Baum für ein i ist nicbt vorbanden. Es könnte böcbstens eine
Ligatur von i und u angenommen werden.
e[8]i feblt bei GH.
15
Kol. I.
1 in Hispa]üi& Bomani caesi.
2 M. Ikduio ]CiL ManUo cos. 565/189
3 Actolis] pax itemm data est. P. Lepidinns {maximus}
4 pantiflex maximns Q. Fabinm pr(aetorein), qnod flamen
5 Qumnjalem erat, proficisci in Sardiniam
6 .]ant Antiocho regi pax data. Lusitani
7 uastati,] Rhodonia de Soli<5> deducta. Acilius
8 Olabrio] censuram petens minantes
9 accusa]üonem competitoribns conposito
10 destUtjt.
11 lib(er) XXXUm
12 Ambra]ci9, capta.
13 GaZ%]raecis in PamphyUa proelio uastatis
14 Phrygi]8L liberata. Or{i}giacontis captitia nobilis
15 c€nturio][iem, cnins nim pass(a) erat, aonun admit-
16 ti node] poscentem occidit capatqne eins ad nimm
17 repartauü.] Campanis conuMnm datnm e[5]t.
18 inter Achae]os et Lacedaemonios cmenta [prjoelia.
19 M. Messala C. Ljiuio Salinatore cos. 566/188
3 Über die Zufiigung einer Negation vgl. den Kommentar S. 35.
P. Lepidinns heisst bei Liy. XXXVli 51 : P. Licinius. Wenn maximus nicht das
Cognomen dieses Licinias ist (Livios aUerdings hat keinen Beinamen), so ist es als
Dittographie zu tilgen, s. o. S. 4.
4 — 5 flamen [^trtn]alem : Acc. pro Nom., darüber oben S. 8.
6 Hier kann ich, &Us ant richtig gelesen ist, keine Elrgänsung finden. Verlangt wird
impedj^i oder prohib]ait
7 Gandermann fasst Rhodonia als spSten Namen fUr Rhodos. Die zwei meiner An-
sicht nach ineinandergeschachtelten Sätze (darttber oben S. 4) lauten: Rhod<tt> de
Soli<«-><^erun<.?>: Liv. XXXVn 56. 7 und <Äm>onia<cotonta> deducta: ebda. 57. 7.
8 minantes: Acc. pro Abi. s. oben S. 8.
9 GH. vermuten statt conposito [projposito.
15—16 Oder: admit[feiulf<m] ? ; Gundermann: ad mliltendam se]; Rossbach: ad<«e^
mit[tendum\.
16
E. Kamemann,
raedaexgallograeciapercra
inuciusmyrtilusetlmaniliu
oschartagini^nsiomqui
t
aminio cos
africanusa quintismetellisdies
tratumabitquinereuocaretur
rib pl intergessit 1. Cornelius
20 Am Ende ist Doch der Rest einer Längshasta zu sehen.
22 UrsprüDglich offenbar Chartaginientiam ; nachträglich ist dann t in s verbessert,
vgl. GH.
23 Nach dem t scheint kein Wort mehr gefolgt zu sein ; doch ist die Sache nicht ganz
sicher.
24 Vom a am Anfang ist nur wenig noch erhalten.
26 Zwischen tr von tratum ist ein kleines Spatium.
20
9—10 B.
21
W
22
>?
23
n
24
T)
25
V
26
n
27
»
KoL n.
28
scipiodam
11-
-12 B.
^ni
29
mT
30
per cflami
12-
-13 B.
incos.ligures
31
perdomitia
W
taemiliamiinitaesniit.
32
latinoram
»
inamcoacta
33
abromare
n
mde/allo
34
graecisint.
n
9,T 1 1 1 j cunia
35
qnaetrans
n
tisp / r / oluta
36 sp,
. postamo
s.
37
hispatafa
12-
-13 B.
ceetpupillo
38
aebutioqu
V
rutilius
39
tntoretma
V
rcumscribserant
40
iudicinmr?
n
ccha
41
aliasubla
n
pan
28 ^ni sehr unsicher.
31 Nach perdomiti nur der Anfang eines u.
31 Ende: aemiliana munita[e GH.
32 In inum ist die erste Hasta wahrscheinlich ein i.
34 Ende: an[ / pejcunia GH.
35 Von dem t in tis ist nur der Rest des Querstriches erhalten.
37 hispala GH.
41 Ende: In pan ist das a gesichert, weniger das n.
Die neue Livius-Epitomc. 17
20 deportata jp]raeda ex Gallograecia per Trs[eces
21 direpta. L. Jfjinucius Myrtilus et L. Man{i}liu[5
22 penes lcgai\o^ Chartaginiensiiim, qai
23 ptdsati eranjt
24 M. Lepido 0. i^aminio cos. 567/187
25 P. Scipio] Africanus a Quintis Pettllis die{s}
26 dicta in Lip^cymwoi abit qui ne reuocaretur
27 Gracchus t]nh. pl. intercessit. L. Cornelius
20 — 21 Ergänzung von Gundermann (ähnlich Beid). Ich vermutete im Anschluss an
GH.: permagna j9]raeda — per ThT9[eciam tracta,
22—23 penes auf Vorschlag yon Gii^dermann. GH.: per legat](M und am Ende von
23: <au«ctt>.
25 P. Scipio] sind nur 7 Buchstaben, während ca. 9 wie in 26 u. 27 erwartet werden.
Vielleicht stand P. Cornelius (= 10 B.) da.
dieSj falls die Ergänzung richtig ist, Nom. pro Abi. s. oben S. 8.
25—26 Gundermann: dies [longas tmpejtratum.
Kol. IL
28 Scipio iBjn[natus jeni.
29 [lib{cr)XXXÜ]im
30 per C. Flami[ntt«m, M. Aemiliu]m cos. Ligures
31 perdomiti. u[iae Flaminia e]t Aemilia munitae sunt.
32 Latinorum [XII milia Aom^um coacta
33 ab Roma re[dir6. Manlius cu^ de [(rjallo-
34 graecis int[ triumph'\9,r{ct^ pcjcunia
35 quae transfZoto erat, %a]tis p[c]r[5]oluta.
36 Sp. Postum<i>o [Q. Marcio co]s. 568/186
37 HispaZa Yd\ecenia nwrefrijce et pupillo
38 Aebutio, qu[cm T. Sempronius^ Rutil{i}us
39 tutor et ma[<er Duronia ct]rcumscribserant,
40 iwdicium Te[ferentibus 5a]ccha<n>-
41 alia subla[^a in Italia. His]pam
80 Hier setzen GH. zwischen die beiden Konsuln noch ein et £• sind aber schon
ohne et 12 ergänzte Buchstaben, darunter zwei m.
82 Die Ergänzung nach Rossbach. muUüudo ^m]inum: Reid.
34 ist Yon GH. falsch ergänzt; triuniph]9j[et ist wohl das Richtige. Unsicher bleibt die
Ergänzung yon int[ Ich habe an ini[eruallo gedacht; ygl. Liy. XXXIX 6. 8:
extremo anni magisiratibus iam ereatis .... Cn, Maniius Vüiso de Oaüis
triwnphauit , serius ei triun^Juindi causa fuit etc. Gundermann: uk\[efUatus.
35 Wenn die Lesung Us richtig ist, bleibt wohl nichts anderes übrig, ab (o^ajtis zu
ergänzen. Über iogaii ^= plehs urhana im SpäUatein ygl. Isidor, Orig. XIX 24. 14,
Spartian, vita Hadr, 3. 5, dazu 0. Hirschfeld, Wien, Stud. III 115. Gundermann:
tribu]ÜB\ Rossbach: 8tipen]diB,
37 SUtt FB[ecenia] bei Liy. XXXIX 9. 5 Fecenia,
Kornemann, Die neoe Liyiua-Epitome. 2
18
E. Komematm,
42
sabactiat
12
—13 B.
amina
43
primamafa
n
eedita
44
galliinital
n
rcelliim
45
persnasit
14 B.
nt I. Cornelias
46
scipiopos
15 B.
Indosuoti
47
uos conl
n
t
48
app/o claud
n
0 cos
49
liguresfa
12
-U B.
Uisaccepta
50
p. claudiopulchr
11
-12 B.
cinio cos
51
bomini ccdoc
n
eficidamnati
52
1. qnintiusfla
n
gallia
53
quodphilippQ
n
suodeside
54
fantegladia
n
culum
44 Id rcellum ist das r kaum noch zu sehen.
45 von dem n in nt ist nur die zweite Hasta erhalten.
47 am Ende ist von dem t nur der letzte Teil des Querstrichs vorhanden.
Koi. m.
55
soaipanubona
56
alanatonecen
57
uastaitaporcia
58 m.
clandiomarcello
59
p. licinicrassipo
60
ludisfuneribus
61
tabemacnlispo
62
nate / / eci / / rat
63
inforofuturai
64
dim / / / / / mhan
65
1 ////// »l^e
55 Das m yon manu ist sehr eigentümlich geschrieben. Die erste Hasta ist unter die
Zeile heruntergezogen.
62 ecin 6H. Ich vermag kein n zu sehen.
63 Am Ende ist nur eine Längs- Hasta noch zu sehen. Da auch nicht feststeht, ob
dieselben nicht unter die Zeile heruntergeführt war, so ist es sehr unsicher, ob ein
i vorliegt.
65 Anfang: f 1 . . . GH. Hier ist nur der oberste Rand der Buchstaben erhalten,
f scheint mir sicher, dagegen ist die Lesung eines 1 sehr unsicher.
Die netie lAvius-Epitome. 19
42 subacti. dkHiJUetarum c^Jamina
43 primum a Fupwto NobiUor\(^ edita.
44 Galli in Ital[iam ductL per Jlfajrcellam
45 persuasit [senatus ut redtr^Jnt. L. Cornelius
46 Scipio pos[^ heUum Antiochi] ludos uoti-
47 uos conI[ato pecunia feci]t
48 App[t]o Claud[»o M, Sempron{\o cos. 569/185
49 Ligures fx^gati clade ab »Jlis accepta.
50 P. Claudio Pulchifo L. Parcio L*]cin{i}o cos. 570/184
51 homini ccdc^ oo a Naeuio uenjefici damnati.
52 L. Quintius Fla[finninüs cos, in] Gallia
53 quod Philipp[o Poeno scorto] suo deside-
54 rante gladia[^orn«m spccta]c\ilnm
44 — 45 Eine zweite mögliche Ergänzung (ähnlich GH.): lial[iam trculucti. 3fa]rcelluin
persuasit [ut domum redire]nt, 3fa]rcellum wäre dann wieder Agc. pro Nom.
45 GH.: [ut trana Alpes redire]ni — zu lang!
49 Die Ergänzung gebe ich mit Vorbehalt; vgl. unten S. 48.
51 GH.: hominum c(tr)o(a) d(iio) (müia)? Liy. XXXIX 41. 6 steht: ad duo milia
Jwminum damnauit. Die Auflösung ist aber gegen allen Sprach- und Schreib-
gebrauch. Gundermann: c(e)c({)d{ere) cp oo, bezw. wie Reid: od.
52 [cos, in] Gallia ergiebt, wenn richtig ergänzt, enklitische Stellung der Konjunktion,
die nicht selten ist. Dass Flamininus die Unthat als Konsul beging, ergiebt sich
aus Liv. XXXY 20. 7 u. 22. 8 (etwas anders ebda. 40. 2.); auch Cic. Cato 42.
KoL m.
55 sua manu Botu[m fwbüem occiderat.
56 a M. Catone cen[sore senatu motus est
57 basilicsL Porcia [facta,
58 M. Claudio Marcello [Q. Fabio Laheone cos, 571/183
59 P. liicini Crassi ^[ntifids maximi
60 ludis fune<&>ribus \fadis epulum datum.
61 tabernaculis ^[sitis in foro id quod
62 t<ate[^ c]eci[ne]rat [euenit tabemacula
63 in foro futura.i 17—20 B.
64 dim m . Han[m&a2 ueneno periit?
65 f übe
56 Die Verderbnis alanatone für a M, Catone ist bei einem so bekannten Namen sehr
auffällig, zumal Z. 114 ganz richtig M. Cato geschrieben ist; s. oben S. 7.
57 SUtt facta Rossb« aedifieata,
59 — 68 Die Ergänzung lehnt sich an diejenige von GH. an, sucht aber die Yorhandenen
Lücken besser auszufallen.
64 Hier war der Tod des Hannibal berichtet, in dieser oder einer anderen Form.
2»
20
E. Komemann,
66
1
67
n berig
68
bellnmp
69
^llitesin
70
theoxen
71
üunarem / ngien
72
flcti egriqionibns
73
perpatreip coactu
74 p.
lentulo m paebig
75
inagro Ineryllisc
76 a.
p ostumio c.
77
cumliguribus his
78
1. liniustrib. pL quo4
79
magistratompete
80
est
81 q.
foluio 1. manlio c
82
mlepidietfuluiino
67 1. Si[emlu) c]n, berio GH. Die mir Torliegende Photographie bietet 1. a nicht
68 Am Ende der Zeile ist nur eine Yertical-Hasta zu sehen, die die Zeile nach unten
überschreitet. Statt p könnte abo auch r gelesen werden.
77 Ende: hisp GR
78 Der letzte Buchstabe der Zeile ist nur mit einem winzigen Teilchen erhalten. Es
ist nicht ausgemacht, dass es ein d ist
81 m. manlio GH., offenbar ein Versehen. 1. ist sehr deutlich geschrieben.
Kol. IV.
83 aduersuscha / / aginienseslnsitaniua
84 c. Cornelia / / / / / eQusquod p. decimsu
85 a / ictamingenij / mstuprauerat dci
86 damnatus
87 IIb XXXXÜ/m
84 ecus oder egus.
85 Lesung im Anfang sehr unsicher.
Ende: nach stuprauerat ein grösseres Spatium.
d cu GH. Meiner Ansicht nach steckt darin eine Zahl.
86 Vor damnatus ein Raum für 8 Buchst, der aber offenbar unbeschrieben war.
Die neue lAviu^Epitomc. 21
66 \[ib{er) XXXZ].
67 L. AemiUo C\vl B<a>ebio [cos 572/182
68 Hispani\ bellum i^[arcMerunt?
69 heUa u]el lites in[^ -^m'oö rögrc5 composita,
70 6 — 7 B.] Tlieoxeii[a cum uiro liberisque
71 in mare{in} |/Jugien[5 se iectt. Demetrius
72 flctw (Timinibus [accusatus a fratre
73 per patrem coactu[^ jpocu&im haurire.
74 P. Lentulo M. -Baebio [coä. 573/181
75 in agro L. Nerylli Hc[ribae libri Numae inuenti.
76 A. Postumio C. <Calpurmoy [cos. 574/180
77 cum liiguribus ffis[jpam subacti.
78 L. Liuius trib. pl. quo^ [annos nati qucmqiAe
79 magistratum fete[rent rogauü. Annälis appeUatus
80 est
81 Q. Fuluio L. Manlio c[os. 575/179
82 M. Lepidi et Fuluii No[Wto)m censorum
[inimicitiae finüae].
75 Der Name NeryUi lautet nach Liviu« (XL 29. 8) Petüii, nach der Per, PeHüi.
76 Nach C. ist noch ein Raum von 2Vt cm. erhalten, der unbeschrieben ist. Nun sind
ja allerdings die Namen der Konsuln mit grösseren Spatien gesehriebefiy sodass man
anzunehmen geneigt sein könnte, Calpumio habe auf dem Yerlorenen Teil der Kol.
gestanden. Aber zwischen praenomen und nomen wäre ein so grosser Zwischen-
raum höchst auffäUig.
78 L. Liuius ist verschrieben für L, Viüius.
7g_79 GH.: pete[ren^ rogoHo lata] est Meine Ergänzung von Z. 79 ist etwas lang
(48 B.); kürzer Ännälia uocatus.
Hier fehlen ca. 9—10 Kolumnen.
Kol. IV.
83 aduersus Clia[r<]aginienses. Luedtani UB[staH.
84 C. C!onieliu[5 Ceth]effus quod P. Decim(am) 8v[lpicio?
85 a[cM]ictam iiigenu[a]m stuprauerat DCI . . .
86 damnatus.
87 Hb(er) XXXXV[i]m
88 Die beiden ersten Worte sind das Binde eines Gedankens der vorhergehenden
(verlorenen) Kolumne; vieUeicht war die Rede vom btüum Masinissae] aduersus
Carthaginienses; vgl. Per. 48 Ende.
84_85 Hier dachte ich Mher zu ergänzen P. Deci<tf>m . . . ingenu[tf]m unter An-
lehnung an die seitlose Geschichte bei Val. Max. VI L 10; vgl. Oxyrh. Pap, IV
S. 104. Jetzt glaube ich, das« in P. Decim. der Name der geschändeten Frau
steckt. Die Abkürzung Decim(us) kehrt Z. 203 wieder. Über den Freien an
Sklavenstatt infolge von addietio vgl. Mommsen St, R, DI S. 46 u. 47 Anm. 1;
Strafrecht S. 751, 946 und 1028.
85 Ende: Gundermann: D(e)ci[mae?
22 E. Kornemann,
88 1.
inarciocensorino m. man lio cos.
89
bellnrnpimicumtertiiunexortumutic
90
/ enignelocant^uxiliatechartagin / ^
91
/ n / edicionemo^nenmtiassiQmn / ^
92
inaliumlocnmtr /////// emo
93
reäieruntroman ///////§
94
pepuleruntscipio
95
i
aemilianif[[o]]deinp
96
lianiairtuteexer
97
^poeniseratliber
h
percaridemnmpoe
98
99
tanisrensproduct
100
fili quosflenscoip
101
tuisephilippiphilio
102
p^rarmaoccupata
103
manlioetmarcoc
104
re / factosquo / opo
105
carminibu^ / / / en
106
1
107
persoc / ospop?
108
inultim / mc
109
lat / / / 1 / / »t
88 In man Ho ist zwischen n und 1 soviel Raum, dass ein i dazwischen gestanden
haben kann. Dieser Buchstabe ist daher wohl als verloren zu ergänzen. GH. da-
gegen Man<(t)>lio.
90 Die Lesung locan^ ist am Ende nicht ganz sicher.
92 GH. lesen tr^ vor der Lücke.
98 Das 8 am Ende nach GH. Ich vermag es nicht zu sehen.
95 Ob ursprünglich fodem hier stand, ist zweifelhaft. Darüber s. o. S. 3.
98 Das übergeschriebene h ist auf der Photographie kaum zu lesen.
101 Anfang: tji GH. Vielleicht hat qui dagestanden.
107 socios GH. Aber schon das c ist kaum zu lesen.
109 So GH. Die Buchstaben ausser lat am Anfang sind aber nur in Andeutungen
vorhanden.
Die neue Livius-Epitome. 23
88 L. Marcio Censorino M. Man[i]lio cos. 605/149
89 bellum Punicum tertium exortum. \Jti(![enses
90 [ftjenigne locant auxiliate Chartagin[f]e[fWö*
91 [i]n [dfjedicionem uenerunt . iussi omii[»]a [saa
92 in alium locum tT[ansferr]e mo[ta ira ad arma
93 redierunt. Romaii[orttm con]^[tdes Poeni obsessi
94 pepulerunt. Scipio [trib. mil. fugiewtes defendit,
95 Aemiliani fidem ^oeni admirati 8UfU(^). Aemi-
96 liani uirtute exeifciYti^, qui obsessus
97 a Poenis erat, liber[a^M^. 16 B. ca.
98 per Charidemum poe[ Ser. Odtba a Lusi-
99 tanis reus prodact[f<^. quem seruauerunt
100 fili, qnos flens cxim[mcndauü. ab Andriseo^
101 9]ui se Philipp! /*iliü[m ferebtU, Macedonia
102 per arma occapata.[
103 Man<i>lio et Marc<»>o c[os, quarti ludi saectda-
104 Te[s] factos quof^J opo[r^ö Diu ex SibyUae
105 carminibus [Tar]eii[^' facti sunt.
106 \[ib{cr) L]
107 per soc[i]os popu[!i Bomani PseudopMUppus
108 in ultim[.]m c[ lex de pecuniis repetundia
109 lat[a . .] l . . at[ Nicamedes re-
90 Die YerderbnU von locaot auxiliate ist schwer zu heilen. GH. denken an auxillat«
(sunt) und eine stärkere Verderbnis besUglich locant. Vielleicht stand da: locant
auxilium oder locant auxilia et. Auffällig ist allerdings, dass das Verbum dann
im Praesens und vor seinem Objekt steht; zu der zweiten Eigentümlichkeit vgl.
man aber Z. 111.
92 Die Ergänzung am Schluss nach Reid; vgl. Florus I 81. 8.
94 Hier kann trib. mil. auch wegbleiben, bezw. durch Äemilianus ersetzt werden.
fugientes defendit stammt aus Orosius IV 22. 7.
97—98 Die Ergänzung ist hier aus Mangel eines Parallelberichtes unmöglich.
100 com[mendauit] oder Qom[plexu8 est] (so GH.).
101 steht eine sachliche Unrichtigkeit. Andriscus nannte sich nicht PhiUppi filium,
sondern es müsste dastehen Philippum Persei fUium, vgl. Per. 49 S. 54 Z. 15 — 6 (Jahn).
Reid will daher statt tii se Philipp!: [Per]8ei se Philippum lesen.
103—5 Die Ergänzung stammt von Wissowa; vgl. im übrigen unten S. 50.
109 ergänze ich nicht Prtuiiis wie GH. sondern Nicomedes mit Rücksicht auf die ersten
Worte von Kol. V. Vor Nicomedes stand vielleicht p]at[r« occiso.
24 E. Komcmann,
Kol. V.
110 niaepo^itusestadattalomregeip
111 inpagnamentasisantlegatiinarcQ
112 ricus a. hostilinsmancinuscapite
113 a quondam 1. maniliusuolsostolidus
114 ligationemdixerunt m. catorespondit
115 necpedesneccorhaberent m. sca/tius
116 amtnlit in staprodepr^^ensi
116a
117 ne cos
118 imaesenectutis liberos IUI
1 19 sreliqnitdecedenscuiusre
1 20 imisfilispermiliaannumdistribntnm
121 atusadmasinissaminissas
122 sdrubal quodadfinismasiniss^rat
123 tasi]Lbselli sociusestscipioaemilianas
124 ^s
125 inafricampr / / peredimicatus / / 1
126 thessaliaexercituscaesiis
127 metellocaptussacrarium
128 ossocimaximoincendio
110 Für das erste s in positus scheint ursprünglich ein anderer Buchstabe dagestanden
zu haben.
111 Das o am Ende der Zeile ist höchst unsicher. Es ist hier wie auch am Ende der
vorhergehenden Zeile eine Verschmiernng eingetreten.
116 deprehensi GH. Das i ist sehr unsicher. Es scheint die erste Hasta eines neuen
Buchstaben zu sein.
116a Nach Z. 116 ist noch Raum für eine Zeile, die bei GH. nicht in die Erscheinung
tritt. Ich habe sie mit 116a bezeichnet, um in der Zählung der Zeilen mit der
englischen Ausgabe in Übereinstimmung zu bleiben.
118 ist der erste Buchstabe schwer zu lesen. Es kann auch ein t sein; dann wäre das
i vergessen.
123 Hier ist vom ersten Buchstaben nur der Querstrich vorhanden. Darnach liegt der
Schluss auf ein t am nächsten.
126 pr[o]8pere GH.
Ende: dimicatus [es]t GH.
Die neue Livius-Epüame. 25
Kol. V.
110 gno Bitihy]m2LQ po^itus est. ad Attalam regem
111 deductum] in pngnam missi sunt legati Marc[tt^] (JAciniusy
112 uir iMM^a^Jricus A. Hostilius Mancinus capite
113 idus tes(\h quondam L. Maii{i}Iins Volso stolidus.
114 his qui eam] legationem dlxeront M. Cato respondit
115 cum nee capui\ nee pedes nee cor haberent M. Sca[n]titts
116 qui rcpttfojam tulit in stupro deprehens[tt5]
116a [se occidü?]
117 Sp. Albino L. Pfoojne cos. 606/148
118 Miisinissa uttj^mae senectatis liberos mi
119 ei XL nothd]p reliquit decedens. cuius re-
120 gnum legifpnis Alis per <i4e>milia{an}num distributum.
121 Claudius 2^^]atas ad Masinissam missns
122 interiit. i7a]sdrubal, quod adfinis Masiniss(ae) erat,
123 per fragmen]tA subselli {s)o<c>ci<5>us est Scipio Aemilianns
124 cansui creat]as,
125 M. Manilius] in Africa{m} pr[o«]pere dimicatus [^]t
126 luuenti pr. in] Thessalia exercitus caesus.
127 Andriscus a] Metello captus. sacrarium
128 Opis ei laur]as soei maximo incendio
111 Die Ergänzung von Gnndennann; ich wollte schreiben: [a Romanü] iu Perg&mum
statt in Pergamtfno« (?) GH.; [et Prusia]m FergtLsnum: Reid; [Pergami] et Prugiam:
Rossb. Aufföllig ist, dass der Vorname Marcus allein ausgeschrieben ist. GH.
vermuten, dass in der Vorlage gestanden habe M. und dann ein Cognomen
Arc[Äww^
114 Vielleicht auch [quoa esse],
115 Anfang genügen nee caput nicht sur Ausfüllung der Lücke. Etwa zwei Buch-
staben fehlen noch; neben cum könnte man auch an qui denken^
115 Ende: M. Sca[nK«i>iu8 GH.
116 Warde Fowler vermutet, dass hier die lex Scantinia (Mommsen, Böm. Str(ifr,
S. 708) erwähnt sei und ergänzt daher: (^dey in stupro deprehensi<«^.
118 Ma8ini8(8a) t42t]imae GH. Es ist, da ein Eigenname an der Spitze steht, auch die
Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Zeile etwas ausgerttckt war.
120 Ergänzung im Anschluss an Reid. natu tiuu;]imis GH. (zu lang).
121 MarceUus leg]9,tm GH. 12 Buchstaben!
122 obrutus J7a]sdrubal GH.: nur 9 Buchst.! Ausser interiü könnte man etwa noch
absumptus vermuten.
123 Da das t am Anfang wenig sicher ist, könnte wohl auch ergänzt werden: a suis
in curjia subsellis oc<^e^i^«)>us. Auf diese Weise flinde das s von socius auch Ver-
wendung.
125 Der richtige Vorname des Mannes ist M.*; s. aber o. Z. 88.
126 ist aufzulösen: [luuentü pr(aetari8) in] Thessalia.
127 [Phüippus a] GH.
128 Mit soci weiss ich nichts anzufangen. Rotsbach: /bei. Gundermann: loei oder
[2at4r]us soci = ,die beiden Lorbeerbäume*? (vgl. aber Obsequens 19).
26 K Kamemann,
129
130
131
cos
132
gineinappinscrudelissime
133
reobsidentiisromanosnon
134
inemcrebrisproeli
135
um pr. corinthilegatiromano
136
^itanisabalti
129 — 180 Nach 128 nehmen GH. zwei unbeschriebene Zeilen an, weil hier auch die
Angabe des neuen Buches (51) gestanden haben müsse. Der Raum ist allerdings
für zwei Zeilen etwas knapp. Aber man beachte, dass 129 wahrscheinlich nur
aus einem Wort bestand, und dass in diesem Falle die Buchangabe so hoch hinauf-
gerückt sein konnte, dass die Buchstaben von 130 noch auf den Raum von 129
hinaufttigten. Diesen Fall können wir in Z. 172 und 178 auch beobachten.
o
182 Appius GH. Ich glaubte auf der Photographie appius lesen zu können. Hr. Gren-
feil belehrt mich aber auf briefliche Anfrage hin, dass das Original diese Lesung
nicht bestätige.
188 Anfang: ne GH. Das r ist aber sehr deutlich.
Kap. VI.
137 cn. corne
138 / erscipion
139 / ireptaqu
140 ^issetoxo
141 dnobusfil
142 potestate
143 aemiliaq\i
144
145 1. mnmanusc
146 uxoreo
147 peruriam
148 accepta
149 q. fabiomax
150 m. petron
151 aduersn
152 ser. galba I.
187 Zu beachten ist, dass die Zeile, obwohl sie die Konsuln des Jahres enthält, nicht
ausgerückt ist.
140 u am Anfang ist unsicher.
148 Ende: qu GH. Vom u ist kaum noch etwas erhalten und auch das q ist nicht
über allen Zweifel erhaben.
147 Der letzte Buchstabe ist wahrscheinlich ein m.
150 n am Ende unsicher.
Die neue lAvius-Epücme.
129 [inuiolata].
130 \lib{er) LT]
131 P. ComeUo C, Liuio] cos.
132 Car^AaJgine in <c>apäu<o>s crudelissime
133 saeuitum. guajre obsidentes Bomanos non
134 Carthag\m!&m crebris proeli<«>.
135 per Ackaeor^ijim pr(aetorem) Corinthi legati Romano<r>-
136 tim uiolati. Irujsitani subactL
27
607/147
132 <c>aptin<o> yerdanke ich GuDdermann.
183 obsidentes RomaDos wahrscheinlich Acc. pro Nom.
133/4 DOD ist meiner Ansicht nach verderbt; daher ist die Ergänzung von 134 Anf. so
schwierig, con-dunt oder con-<«runt(?).
136 pv^aii l4i]sitani GH. Nur 9 Buchst.! pulsati ist genommen aus Per. 51 Ende;
uiokUi haben Per, 52 Z. 8 und Florus I 32. 2 (Rossb.).
Kol. VL
137 Cn. Com^Uo L, Mummio cos.
138 jp]er Scipion[cm Carthago ea^pugnata et
139 djirepta. qü[am cum AemiUanus inftamnui'
140 aisset, uxo[r Hasdrubalis pracceps cum
141 duobus fil[f^ in medium incendium iada
142 potestate[m uictoris euasit. Scipio exemplo
143 Aemili, a q\i[o Perseus uictus est, ludos fecU.
144 [Kft(er) LII]
145 L. Mammtus Q^oritUhum diripuU. Diaeus
146 uxore o[cci8a perOt. a Viriatho Bomanarum
147 per<t>uria m[emoria tenente graues clades
148 accepta[e.
149 Q. Fabio Max[tmo L. Hostüio cos.
150 M. Petron[»i«
151 adaersu[^ Virialhum Fabius cos. missf$s est.
152 Ser. Galba L. [Cotta cos.
608/146
609/145
610/144
142—143 Falls qu am Ende von 143 richtig gelesen ist, ist die ErgSniung der Stelle
gegeben. Man erwartet hier eine Erwähnung der Spiele des AemllianuB (vgl.
Per. 51 gegen Ende).
145 C\orinthum diruü GH. Ich siehe diripuü vor mit Rücksicht anf Z. 189.
147 Die Ergänzung nach Appian Jb. 61.
28 E. Komemann,
153
1. meteil
154
sulatum
155
quiinuis
156
Petitum
157
syrian^
158
c / / tent
159
160 q
metello
161 ■
rethog
162
liberos i
163
proposito^
160 Der erste Buchstabe darf nicht ohne weiteres als q bezeichnet werden (so GH.).
Die Photographie wenigstens zeigt am äussersten Rand nur eine Längs-Hasta, die
nicht nur unter, sondern auch über die Zeile ragt Aus letzterem Umstände könnte
man auch auf ein 1 schliessen.
161 Das g am Ende ist nicht deutlich.
162 Am Ende ist nur eine Yertical-Hasta sichtbar. Dass ein t dagestanden hat (GH.),
möchte ich nicht behaupten.
168 am Ende: a GH. Dieses a aber kaum sichtbar.
Koi. vn.
164 occiditatyresioquemdeuici /////// m
165 donoaccepitsaguloquerem /////// ici
166 / / aedextramdedit.
167 / / ^tellus COS. alusitanisuex
168 / igna statustabulascorintli / / / / / ummius
169 distribuitcircaoppidaetrom ////// uit
170 n caepione q. pompeio cos
171 q. fabiusmaximuslusitanisca
172 uiriathumfugauit
173
Üb. Lim
174 pompeiuscos annuamantinisd ////// sin
175 scordiscisciadesaccep ta
176 pione laelio salasso c
177 appiusclaudiuseuicitneduos /////// annus
178 haberettu / miliustorquatus d. § / / / num
179 filiumsuu / / / emacedoniad / mn / / / / / uneri
180 nonint^rfuiteademquedieindo / / / sua
172 und 173 sind etwas ineinandergeschoben; vgl. das oben zu 129 und 130 Gesagte.
178 haberet Uemilius GH. Nach haberet glaube ich noch ein zweites t zu erblicken.
Die neue Livius-Epitome. 29
153 a Metell[o Macedonico, cui populas con-
154 snlatum [iam bis negauercU
155 qai inuisfu^ erat ob nimiam seueritcUeni,
156 petitur v^ehemefUissime constdatus.
157 Syria \is[stata, quod inter reges
158 c[on]tent[um est,
159 [lib(er) LHI]
160 Q Metello [Appio Claudio cos. 611/143
161 Bethog[ene^ a Centobrigensibus obsessis
162 liberos t[ occidi passurus erat. MetcUus
163 proposito ^[bstitü.
153 Die Zeile beginnt mit einem 1. Aber die Geschichte, die enählt wird, geht auf
Q. MetelluB Macedonicus. Paläographisch am einfachsten löst sich die Sache, wenn
wir eine Verschreibung von { and a annehmen.
161 Bei Val. Max. V 1. 5 ist der Name Bhetogenes geschriehen.
161—168 Die Ergftnzung soll nur eine Andeutung des Inhaltes sein; vgl. auch Reid
S. 297. Bei Florus I 38. 10 heisst die Stadt Nertohriga,
Hier fehlt eine Kolumne.
Kol. VII.
164 occidit. a Tyresio, quem deuicip, gladiu\m
165 dono accepit saguloque rem[isso am]ici-
166 [^t'Jae dextram dedit.
167 [Jlfjetellas cos. a Lusitanis nex[a^tt^.
168 [^]igna stata<a>s tabolas Corinthfie» L, üfjummius
169 distribuit circa oppida et Rom[am ornajuit.
170 C]n. Caepione Q. Pompeio cos. 613/141
171 Q. Fabius Maximus Lusitanis ca[m5
172 Viriathum fugauit.
173 Ub(er) Lim.
174 Pompeius cos. a{ii} Nu{a}mantinis iL{euidu^. in
175 Scordiscis clades accepta.
176 Q. C7ac]pione [C] Laelio Salasso q{os\ 614/140
177 Appius Claudius euicit, ne duos \ddectusl'] annus
178 haberet T. Jlfanlius Torquatus D. S[»te]num
179 fllium suu[m d]e Macedonia d[a]mn[at«iYy /]uneri
180 non interfuit eademque die in do[mo] sua
164 occidit gehört noch zu dem letzten Satz der verlorenen Kol.
164—166 Die Ergänzung dieser Stelle wird Reid und Wissowa verdankt.
177 duos [deledus]: Warde Fowler, duo t[t%pendia]i Greenidgc. Beide Vorschläge
setzen 8 Buchstaben in die Lücke ein, während höchstens 7 gefordert werden ; im
übrigen vgl. im Kommentar 3. 61 f.
30 E. Karnemanny
181 consoltantibasrespoiidit
182 aepio cos. m4elegem ti c / aadi amassiliam
183 ti'b. pL interpeUantemprofectioiiem
184 / uaipl / / tore strigemreddeterbuit
185 /f ablas maxirnnsauirathiodeoictusde
186 / ormemcomhostibas pacemfecit q occios
187 insidiislu[[s]]sitÄnorumfortissime
188 Inaedeaotaestaqaaannioaqaa
189 toliumcontrasibyllaecannina
190
182 Ti. Claudiam ÄBsiliam GH. Bian beachte aber das Spatium vor amafwilium.
188 trb. statt trib.
184 l[t|ctores trigem GH.
185 yiriath{i}o GH. Meine Lesung ist sicher.
187 t]n insidiis GH.
Koi. vm.
191 cn. pisone cpolli
192 chaldaeinrbetil
193 acabininsuema
194 soffragiumperta
195 seruilius caepio a
196 obiecerat clauo
197 audaxminurus ita
198 niriathuiniugula
199 üb
200 / §c / pione d. iunio
201 interfectoresuiri
194. 195 sind am Schlüsse nur die äossersten Enden der sehr spitz zulaufenden a zu
sehen.
197 ist auch nur eine Andeutung des a zu konstatieren.
200 P. Sc[tlpione GH.
Die neue Livius^Epitome, 31
181 consultantibas respondit.
182 C]aepio cos. inde legem Ti. C[r|audiwm AssdZum
183 tr<t>b. pl. interpellantem profectionem
184 s]uam „l[ic]tor{e} stragem redde" terruit.
185 [Q] Fabius Maximus a Vir<i>ath{i}o detdctus de-
186 [/]ormem cum hostibus pacem fecit Q. Occius
187 [ifUerceptus] insidiis Lusitanorum fortissime
188 [pagnauit, Joui] in aede<m> uota est aqua A{n}nio. aqua
189 Mar da in Cajpijtolium contra Sibyllae carmina
190 [perducta.]
182 Die Zeile war wohl ausgerückt; es ist daher möglich, dass Q, Cjaepio dagestanden
hat. Entsprechende Zeilenanfange haben wir auch Z. 167 und 174. Hier
scheinen die Vornamen (vgl. 174) gefehlt zu haben: daher ist offenbar auch die
VorrUckung unterblieben. Über inde legem vgl. zu Z. 184.
182 Ende: AsselZum; die gewöhnliche Schreibweise ist Asellum.
184 stragem redde ist eine Konjektur von Gundermann. Das überflüssige e nach
l[ic]tor glaubte ich im Anschluss daran in t ändern zu sollen; aber die Stellung
müsste sein: t, lictor^ stragem redde. Von hier ausgehend hat Gundermann
die Vermutung weiter ausgesprochen, dass vielleicht auch Z. 182 ein Imperativ
(inde legem) vorliege und dass hier die Worte des interpellierenden Volkstribunen
erhalten seien, wie 184 die Antwort des Konsuls.
188 GH. glauben, dass statt deuota etwa renouata oder refeeta dagestanden habe.
Sicher ist, dass in aede uota est abgeteilt werden muss. Die weitere Ergänzung
verdanke ich Gundermann.
KoL vm.
191 Cn. Pisone C. Po<l>i>Ui[ö cos. 615/139
192 Chaldaei urbe <c>t lt[alia intra X dies eoapulsi.
193 A. 6^abinius uerna[e nepos rogationem tulit
194 suffragium per ta[6cKam ferri. in Hispania
195 Seruilius Caepio a[6 equitilmSf quos pericuh
196 obiecerat, clauo [ ca. 20 B.
197 Audax Minurus <D>ita[fco cansiUo Caepionis
198 Viriathum i\xgula[uerunt.
199 lib(er) [LV].
200 P. Sa]pione D. Junio [cos. 616/138
201 interfectores Yin[atht praemium petunt. quod
191 Der zweite Konsul heisst in Wirklichkeit M. Popillius.
192 urbe <«>t lt[alia GH. p. 102 u. 113 nach Val. Max. I 3 (Par.).
193 uerua[6 nepos ist besser als uema[6 filiw vgl. GH. p. 113 und unten S. 64.
196 Warde Fowler und Beid (bei GH. p. 114) ergänzen clauo [ictus und vermuten statt
clauo claua. Das entspricht aber nicht dem Sachverhalt bei Cass. Dio XXII 78.
Reid daher jetzt: claut[« cinctus paene ttsttis est]. Ich dachte an c]auo[2w paene
inflammatus e8t\.
201 interfectores (Nom. oder Acc. pro Dat.) . . . jfraemium negatum GH.
32 E. Komemann^
202 negatumc I j j j I j j j Qn
203 decemuiru / / / / §licm
204 trib. pl. incar^ / / em / oll
205 precibuspopolimal / are
206 trib. pl. procommodispop
207 jmnib lucti expiranit co/un
208 sertoresincomitiomrgiscae
209 singolisaenierunt
210 p. africanus cum 1. cottaip / / / / sar
211 magnitudinemnom / / / / / ca^
212 lositaiiiuastatiann / / / / tin
213 diodotustryphonan / / / / huip
214 ditsurigguepotituse
215 m. aemilio chostilio m / / cino
216 decimusbrutusinhispaniareb
217 obliuionisflumenplaimstrans
202 9n am Ende ist sehr ondeatlich.
208 slicini: s und das erste i von licini sind kaum zu sehen.
205 precibus: vom ersten Buchstaben ist nur die Längshasta deutlich.
207 6mnib(uB) GH. Das o sehe ich kaum. Ende: un, nicht ganz sicher.
211 Ob e am Ende steht, ist durchaus unbestimmt.
Die neue Livius-Epitome. 33
202 negatum. c[um P. Scipi\oii[em Nasicam et
203 Dec»m(um) Brv\tum cos\ §. Licini[u5 et C. Curatius
204 trib(uiii) pl(ebis) in carc[er]em [c]oll[ocar^, ....
205 precibus populi mul[^]a re[mma
206 trib(unus) pl(ebis) pro commodis pof[fdi agens, qui
207 ommb(us) luct<w>i expirauit, co[6]un[^ jptefce elatus . de-
208 sertores in comitio uirgis cae[5» sestertiis
209 singulis venienmt.
210 P. Africanus cum L. Cottam [accu^j\et, propter
211 magnitudinem nom[inis sui] ca^
212 Lusitani uastati.a{n} N[u»min]tin[i^ cUxdes accepta.
213 Diodotus Tryphon An[tioc]tmm [regem ocd-
214 dit Suria^ue potitus ^[8t\
215 M. Aemilio C. Hostüio M[a]ncino [cos. 617/137
216 Decimus Brutus in Hispania re h[ene gesta
217 Obliuionis flumen pnmus tr2^)&[iuü.
204 Ende: totiua oder uniuersii Beid.
205 Ende fehlt der Name des volkstümlichen Tribunen.
207 [ah] omiiib(u8) lact[tt«] : GH. Es ist aber meiner Ansicht nach einfacher den Auh-
fall eines Buchstaben anssunehmen, zumal das auf dieser Kolumne öfters vorkommt ;
vgl. Z. 191. 192. 197.
211 Die fehlende Ergänzung am Ende muss den Gedanken zum Ausdruck bringen,
dass der Prozess für Africanus einen ungünstigen Ausgang nahm, etwa cad[tY in
iudicio]. Bossbach: [itkdicea oh] magnitudinem uom[tni9 eum] ca[d6r6 n6i%terufU\.
212 Die Ergänzung ist etwas lang; aber immerhin mehr als 40 Buchst, sind es nicht.
KornemanD, Die neue Livius-Epitome.
34 E. Komemann,
Fragmente.
b. c. d.
237 ]uir[
218
/]amili[
226
]sullanis[
234
]H
219
] [
227
Jnenm
235
] [
220
] [
228
]6nonre[
236
] [
221
]n[iom[
229
] [
222
] ü c[os.
653/101?
230
C0]8.
223
]isme . [
231
] . samin[
224
(?u]stodia[
232
] auitp[
225
] ■[
233
]•[■
a. b. bei GH. in umgekehrter Beiheufolge. Ich glaube aber, dass a. zeitlich b.
vorausgeht. Z. 222 scheint sich nämlich auf das 5. Konsulat des Marius (653/101) zu
beziehen. Das wird bestätigt durch das Wort [cu]stodia in Z. 224, wodurch wir auf
die Geschichte geführt werden, die Val. Max. 1X7. 1 erzählt: X. Equüium, gut se
Ti. Gracchi ßium simulabat tribunatumque aduersus leges cum L. Satumino petebat,
a C. Mario quintum consulatutn gerente in publicam custodiam ductum poptUus
claustris carceris conuulsis raptum humeris suis per summam animorutn alacritatem
portauit. Wir haben demnach hier ein Fragment aus Bch. 68 oder noch wahrschein-
licher aus dem Anfang von 69 (cf. Periochae) vor uns. b dagegen wird durch das
Wort Sullanis in eine Zeit verwiesen, da es eine Partei des Sulla gab, vgl. z. B.
Per. 88: a Lucretio Ofella^ SyUanarum partium uiro. Wir kommen demnach hiermit
in die livianischen Bücher 77 — 90.
Die neue Livius-Epitome. 35
b) Kommentar.
I. Zu Kol. I— m.
Aus Buch 37.
Z. 1: Liv-O 4:6. 7—8 zum Jahre 564/190: huius triumphi minuü
laetitiam nurUius ex Hispanta tristis, adversa pugna in Bastetanis ductu
L. Aemilii proconsulis apud oppidum Lyconem cum Lusitanis sex mOia de
Bomano exercitu cecidisse etc. Orosius^) IV 20. 23: in Hispania ul-
teriare L. Aemilius proconsule a Lusitanis cum universo exercitu caesus
interiit. Die gesperrten Worte kehren auf dem Papyrus wieder.
Z. 2. Die Konsulwahl für 565/189: Liv. 47. 7. Die neuen Konsuln
ebda. 48. 1: M. Fulvio Nobiliore et Cn, Manlio Vidsone consuUbus; in
derselben Reihenfolge auch bei Cassiodor {M. Fulvius et Cn, Mardius).
Dagegen in den Fasten in umgekehrter Reihenfolge: CIL. I* p. 142,
ebenso bei Velleius I 15. 2 (Halm).
Z. 3. Da das in Z. 4 — 6 Berichtete aus Liv. 51. 1 — 6 stammt, so
muss Z. 3 auf die Aetoler bezogen werden, von denen die Kapitel 48 und
49 handeln. Auch das Wort Herum stimmt dazu; denn XXXVII 1. 1—6
wird schon ein gleiches Faktum bezüglich der Aetoler berichtet. Die
Schwierigkeit liegt nun darin, dass an den beiden Liviusstellen von einer
Verweigerung des Friedens gegenüber den Aetolem gesprochen wird, in-
dem jedesmal ein Senatsbeschluss gefasst wird, welcher bestimmt, dass
die aetolischen Gesandten noch am selben Tag Rom und innerhalb
15 Tagen Italien verlassen sollten (Liv. 1. 6 und 49. 7). Ich glaubte
daher keinen anderen Ausweg zu finden, als in unserem Text mit GH.
und Reid {Class. Eev. XVIII 6 S. 291) den Ausfall von non anzunehmen.
Gundermann dagegen findet alles in Ordnung, sobald man nur pax im
Sinne von „Friedensverhandlung" , „Friedensmöglichkeit" fasst Der
definitive Friedensschluss wird erst bei Liv. XXXVIII 11 berichtet
Z. 4 — 6: Liv. 51. 1 — 3: priusquam in provincias practores irent,
ccrtaincn inter P. Licinium pontißccm maximum fuit et Q. Fabium Pictorem
flamincm Quirinalcm^ quäle patrum memoria inter L. Metcllum et Postu-
mium Älbinum fuerat. consulem illum cum C. Lutatio collega in Siciliam
ad classcm proficiscentem ad sacra retinuerat Metellus, pontifex maximus;
praetorcm hunc, nc in Sardiniam proficisceretur, P. Licinius tenuit,
Z. 6: Der Friedenschluss mit Antiochos steht Liv. 55. 1—3: Anti-
ochi Icgati .... obtestati sunt patres conscriptos ut postrcmo pacem
da tarn a L. Scipione impcratore, quHms legibus dedisset, conßrmarent
auctoritate sua: et scnatus eam pacem servandam ccnsuit et paucos post
dies populus nissit. Per,^) 37 S. 40 Z. 4 — 6: vicio dcinde Aniiocho ab
1) Editio maior von A. Ziogerle.
2) Ed. Zaugemebter im corpus Script, eccl. latin. V.
3) AUe Zitate aus den Periochae geschehen nacli der Ausgabe von O. Jahn unter
Zuziehung der Kollation von 0. Kossbach im Rhein. Mus. N. F. 44, 1889, S. 65—103.
3«
36 E. Kornemcmn^
L. Cornelio Scipione . , . . pax data est ea condicione etc. Eutrop.
IV 4. 3 (Eühl): tum rex pacein petit. isdcm condidombus data est a
senatu, quamquam victo, quibus ante offerebatur.
Z. 6 — 7: Die Besiegung der Lusitaner wird erwähnt bei Liv. 57.
5 — 6 : in qua provincia (i.e. in ulteriore Hispania) prius aliquanto, quam
successor veniret, L. AemiUus Paulus, qui postea regem Persea magna
gloria vicit .... tumuUuario exercüu collecto signis coUatis cum Lusitanis
pugnavit; fusi fugatique hostes, caesa decem octo milia armatorum; duo
milia trecenti capti et castra cxpugnata. Hier ist, wenn die Ergänzung
vastaii richtig ist, — vgl. Z. 13, 83, 212, dagegen Z. 136 Lusitani
subacti, was auch möglich wäre — keine Übereinstimmung im Ausdruck
zu konstatieren, vastare mit den Leuten anstatt mit dem Lande ver-
bunden gehört der silbernen Latinität an, vgl. Nipperdey zu Tac, Ann.
XIV 23.
Z. 7 : Über den missglückten Versuch der Rhodier gelegentlich des
Friedensschlusses zwischen den Römern und Antiochos auch der Stadt Soli
in Kilikien die Befreiung vom Seleukidenjoch zu erwirken handelt Liv.
56. 7 — 10: Bhodii de Solis urbe, quae in Cilicia est^ egcrunt. Per.
(S. 40 Z. 10—11) und Eutrop. (IV 4. 3) erwähnen dieses Faktum nicht
sondern sprechen nur (fast mit denselben Worten) von der erfolgten
sonstigen Gebietsabtretung an den rhodischen Staat {Per.: Bhodiis quo-
que, qui etipsi iuverant^ quaedam civitates concessae; Eutrop.: et
Bhodiis, qui auxilium Bomanis contra regem Antiochum tulerant, multae
urbes concessae sunt). In unserem Text steht das erwähnte Faktum
insofern an falscher Stelle, als es bei Livius vor der Besiegung der
Lusitaner erzählt wird; doch beachte man andererseits oben in dem
Tiiviustext (57. 5 — 6) die Worte prius aliquanto.
Die Gründung der Kolonie Bononia folgt auch bei Liv. der Nieder-
werfung der Lusitaner: 57. 7 — 8: eodem anno ante diem tertium Kai.
Januarias Bononiam Latinam coloniam ex senatum consulto L Valerius
Fhccus M. Atilius Serranus L. Valerius Tappo triumviri deduxerunt.
Per. (S. 40 Z. 11—12; gehört aber in Z. 9 nach appellatus: Rossbach,
Bhein. Mus. 44. S. 83 f.) colonia dcducta est Bononia. Velleius I 15. 2:
Cn. autem Manlio Volsone et Fulvio Nobiliore constdibus Bononia deducta
colonia.
Z. 8 — 10; vgl. Liv. 57. 9 — 58. 2: eodem anno censuram multi et
clari viri pcticrutU, darunter M.' Aciliu^ Glahrio, der Sieger über Antiochos
und die Aetoler. Dieser wurde aber von zwei Volkstribunen angeklagt
wegen Unterschlagung von Beute. M Cato (einer der Mitbewerber um
die Censur) ante alios tcstes conspiciebatur .... postremo in huius maxime
invidiam des ist er e se petitionc Glabrio dixit, quando, quod taciti indi-
gnarentur nobiles homines, id aeque novus competitor intestabili periurio
incesscrct. Unser Text ist also in zweierlei Beziehung ungenau: er
spricht 1. nicht von einem competitor, sondern von melireren und 2. nur
Die netie lAvius-Epitome. 37
von einer Androhung der Klage, während sie wirklich erfolgte, allerdings
dann wegen des Rücktritts des Glabrio von der Kandidatur nieder-
geschlagen wurde.
Aus Buch 38.
Z. 12. Die Belagerung von Ambracia durch Fulvius Nobilior wird
von Liv. c. 8, 9 — c. 9 Ende geschildert; vgl. 9. 7: (Amynander) posfremo
consulis pcrmissu ingressus urbem partim consilio partim precHms evicit^ ut
permittereYit sc Romanis. Per. 38 (S. 40 Z. 17 — 19): M. Fulvitis cos. in
Epiro Ambracienses obsessos in deditioncm accepit^ Ccphaleniam subegit,
Aetolis perdomitis pacem dedit. Orosius und Eutrop. erwähnen das Er-
eignis gar nicht. Die Periocha ist weit ausführlicher als unser Text und
nennt auch den Namen des siegreichen römischen Konsuls.
Z. 18—14; Livius c. 12—27. Per. 38 S. 40 Z. 19—22: Cn. Mantius
cos. collega eins Gallograecos .... vicü , also wieder mit Namennennung.
Orosius IV 20. 25 nennt fälschlich statt MardiiAS den anderen Konsul
Fulvius. Unser Text ist eine ungeschickte Zusammenziehung: die Be-
siegung der Gallier geschah nicht in Pamphylien, sondern in Galatien,
vgl. Mommsen, R G. T^ S. 743, Staehelin, Geschichte der kleinasiat.
Gallier S. 66.
Z. 14 — 17. Liv. c. 24. Hier heisst der Gallierhäuptling (regulus)
schon Orgiago, während die richtige Form des Namens (Ortiago) ebenda
c. 19. 2 erscheint. Dieselbe Form haben wir bei Polybios XXI 38
(Hultsch) nach Plutarch, de virt. mulierum c. 43 p. 258 und bei Suidas.
Die gesamte von Livius abhängige Literatur der Kaiserzeit dagegen
(Val. Max. 6. 1 ext. 2, Per. 38 S. 40 Z. 28—26, Florus I 27. 6 ed. ßoss-
bach, Pseudo-Victor de vir. ill 55 ed. Wijga) nennt den Mann Orgiago.
Der Name der Frau (Chiomara) steht nur bei Polybios-Plutarch. (Gunder-
mann vermutet, dass der Verfasser der Vorlage des Papyrus Orgiacontis
wohl als Name der Frau im Nominativ gefasst habe. Das Adjektivum
mbiU.'i hat auch das Livius-Original , aber nicht von der Chiomara,
sondern von der Stadt Ancyra, bei der die That im römischen Lager
sich ereignete, vgl. Liv. 24. 1 : supererat bellum integrum cum Tectosagis.
ad cos profectus consul tcrtiis castris Atwyram^ nobilem in Ulis locis
urbem ^ pervenit. Die Bezeichnung captiva nobilis wird auch von der
Mutter des Servius Tullius gebraucht in der Per. Ib, Jahn S. 4 Z. 15
und bei Hieronymus-Eusebius 1432, Schoene II p. 95. Um den Grad
der Abhängigkeit der Liviusbenützer vom Original darzuthun, stelle ich
die Parallelberichte (S. 88) nebeneinander.
Dem Original am nächsten kommt Valerius Maximus durch die Be-
zeichnung reguli uxor, die Erwähnung der grossen Schönheit der Frau
(aber mit anderen AN'orten), den Hinweis, dass die Tötung des Centurio
!)eim Wiegen des Goldes geschah (wieder allerdings nicht wörtlich), die
Erwähnung des Befehls der Gallierin und zwar in keltischer Sprache
(wörtliche Übereinstimmung) und endlich den Schluss der Geschichte, wo
E. Korncmann^
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Die neue Livius-Epitamc. 39
allerdings captU involutum veste ferens und mambus retinens eine kleine
Divergenz darstellen. Kleine Abweichungen zeigen sich abgesehen von
den erwähnten noch auf stilistischem Gebiete: vim fecit: siuprum pati;
iugukui praecisum caput: intcrfecti caput abscisum; ad virum: ad eoniagem;
pervenit: venu. Trotzdem darf man behaupten, dass beide enger zu-
einandergehören , als die übrigen. Diese bilden nämlich deutlich eine
zweite Gruppe, wie sich aus folgendem ergiebt: Florus, Pseudo-Victor und
die Per^ haben statt reguli uqdot, regis uxar^ Per, und der Papyrus
occiditf Florus und der Papyrus (vgl. Val. Max.) stuprum oder vim paesa
erat Innerhalb der Gruppe stehen die Per. und der Pap. stilistisch dem
Original am nächsten: beide haben wie das Original vim statt stuprum
(vgl. de vir. ill: vi stupratä), Per. sogar vim intulerat (Orig.: vim fecü),
beide occidü, der Papjrrus endlich wie das Orig. ad virum, während
Florus und Pseudo-Victor hier vom maritus reden. Auch sachlich endlich
gehören Per. und Papjrrus zusammen, indem sie sagen, dass die Frau
selbst den Centurio erschlug (anders Pseudo-Victor).
Z. 17. Von den Campani wird bei Liv. 28. 4 unter diesem Jahre
berichtet: dccretum, uti Bomae censeretUur, und erst 36. 5 heisst es zum
folgenden Jahre (566/188): Campani cum eos ex senatus consutto^ quod
priore anno factum erat, eensores Bomae coegissent censeri .... petierunt^
ut sibi cives Bomanas ducere uxores licet et et si qui prius duxissent, tU
habere eas et nati ante eam diem uti iusti sibi liberi heredesque essent.
utraque res impetrata. Da die im Papyrus Z. 18 folgenden Ereignisse
aus Livius 30—34 stammen, so steht die Thatsache an falscher Stelle.
Offenbar hat in der Vorlage eine Zusammenziehung stattgefunden, inso-
fern alle auf die Campaner bezüglichen Fakta aus der Censur des
T. Quinctius Flamininus und M. Claudius Marcellus unter dem Jahre
565/189 berichtet waren.
Z. 18 aus Liv. 30—34; für den Ausdruck vgl. 32. 7: controversias
inter Achacos ac Lacedaemonios, auch 35. 1.
Z. 19. Die Wahl der Konsuln für 566/188 steht bei Liv. 35. 1, der
Amtsantritt ebenda § 7 : Jlf. Valerius Messala et C. Livius Salinator consu-
latum idibus Martiis cum inissent etc. Obsequens 2 (56) M. Messala C. Livio
coss. Cassiodor: M. Messala et C. Livius Salinator.
Z. 20—21. Es ist die Rede von der Rückkehr des Cn. Manlius aus
Galatien. Nach Liv. 40. 4 ist es ein grave pracda omnis generis agmen,
weshalb der Marsch nur sehr langsam von statten geht. Über den
Überfall der Thraker und die Plünderung der Bagage vgl. ebda. 40. 7 ff.
Z. 21 — 23: Liv. 42. 7: co anno L Minucius Myrtilus et L. Manlius,
quod legatos Carthaginienses ptdsassc dicebantur, iussu M. Claudii praetoris
urbani per fetiales traditi sunt legatis et Carthaginem avecti. Val. Max.
vre. 3 M. enim Aemilio Lepido L. (statt C.) Flaminio consulibus (Kon-
suln von 567/1871) L. Minucium et L. Matdium Karthaginicnsium legatis,
quia manus his attülerant, per fetiales a M. Claudio praetore dedendos
40 E. Komemann,
curaverunt. Die falsche Eonsulnangabe ist wohl daher entstanden, dass
bei Liv. 42. 2 bereits die Konsulwahl für 567/187 mit Angabe der neu-
gewählten berichtet wird.
Z. 24: Konsulwahl Liv. 42. 2: crmti M. Aemüius Lepidus C. Fla-
minius. Cassiodor: M, Lepidus et C. Flaminitis (567/187).
Z. 25—27: Liv. 50—53, vgl. 50. 5: P. Scipioni Africano, ut Vakrius
Anitas auctor est, duo Q. PetiUii diem dixerunt (vgl. 56. 2: alii M, Nac-
vium, äUi PetilUos diem dixisse scribunt), 52. 1: die hngiore prodicta in
Liteminum (Hss. auch: Liternum) concessit, 52. 9: trihunus plebis eo
tempore Ti, Sempronius Qracchus erat .... is, cum vetuisset nomen suum
decreto collegarum adscrihi^ tristioremque omnes sententiam expectarent^
ita decremt: cum L. Scipio excusasset morbum causae esse fratri, satis id
sihi videri; se P. Scipionem, priusquam Bomam redisset, accusari non pas-
surum (vgl. GelUus K Ä. TV 18. 3 ff.). Per. 38 S. 41 Z. 5—17: Scipio
Africanus die ei dicta^ ut quidam tradunt, a Q. Petillio (P. Petilio
NP; vgl. Rossbach, Eh. Mus. 44 S. 84) tr. pl, ut quidam, a Naevio, quod
praeda ex Antiocho capta aerarium fraudasset, postquam is dies venit,
evocatus in rostra: „hac die^\ inquit, j,Qmrites, Carthagincm vici^^ et prose-
quente populo CapitoUum escendit (N^, ascendit N*P). inde ne amplius
tribuniciis iniuriis vexaretur, in voluntarium exilium {Liternum [fehlt in
NP]) concessit. incertum ibi an Bomac defunctus sit; nam monumentum
eius utrobique fuit. L. Scipio Asiaticus frater Africani eodem crimine pe-
culatus accusatus damnatusque cum in vincula et carcerem duceretur, Tib.
Sempronius Gracchus tr. pl.^ qui antea Scipionibus inimicus erat^ inter-
cessit et ob id beneßcium Africani ßiam duxit (vgl. hierzu Gellius
VI 19 und Mommsen, Böm. Forsch. 11 469 A. 103, Münzer bei Pauly-
Wissowa IV Sp. 1475ff.), Val. Max. IH 7. le, V 3. 2b, Pseudo- Victor, de vir.
ill. 49. 16 — 18: a Petilio Ateio tribuno plebis repetundarum accusatus . . .
in voluntarium exilium concessit, ubi reliquam egit actatem. Die
Per. stimmt mit unserem Text in den Worten die dicta und intercessit
überein, dagegen hat sie aus dem Original concessit (unser Text abit) er-
halten. Auffallend ist die starke Übereinstimmung von Per. und Pseudo-
Victor, vor allem in den Worten: in voluntarium exilium concessit.
Z. 27—28: Liv. 55. 4, 56. 8. 10, 57. 3, 58-60, Per. S. 41 Z. 12
bis 22. Unser Papyrus giebt füi- die beiden Scipionenprozesse die livi-
anische, aus Valerius Antias genommene Hauptversion, vgl. Gellius VI 19
und Mommsen a. a. 0. S. 427 — 430, wo auch die übrigen Parallelstellen
angeführt sind.
Aus Buch 39.
Z. 30 — 31: Liv. c. 1 u. 2; vgl. 1. 1: consules ambo in Liguribus
gerebant bellum: 2. 6: his quoque perdomitis^ 2. 9: subactis eis Ap-
penninum omnibus tum transmontanos adortus . . . omnes AemiUus subegit.
Per. 39 S. 41 Z. 24: M. AemiUus (Aemulius N) cos. Liguribus sub-
actis etc. Beide Epitomatoren lehnen sich also Im Ausdruck (Per.: sub-
Die neue Livius-Epitome. 41
actis, Papyrus: perdomüi) an das Original an. Sachlich ist der neue
Text genauer, weil er die Unterwerfung durch beide Konsuln ge-
schehen lässt.
Z. 31. Über den Strassenbau vgl.'Liv. 2. 10 (Aemilius) paccUis
lAguribus excrcitum in a^rum Gallicum duxit viamque ab Placentia, ut
Flaminiac committeret^ Ariminum perduxit. Per, S. 41 Z. 24—25:
M. Aemilius cos. Liguribus subactis viam Placentia usque Ariminum per-
du dam (productam NP) Flaminiac iunxit. Hier schliesst sich die Per.
sachlich und sprachlich viel enger an Livius an. Der Papyrus behauptet,
falls die Ergänzung richtig ist, sogar etwas, was im Original gar nicht
steht, insofern er nicht nur den Bau der Acmilia sondern auch der
Flaminia berichtet.
Z. 32 — 33: Liv. 3, 4 — 6: Q. Terentio Culleoni praetori negotium
datum est, ut eos (i. e. Latinos Romae censos) conquireret et quem G. Claudio,
M. Livio censoribus postvc eos censores ipsum parentemve eius apud se
censum esse probassent socii, ut redire eo cogeret, ubi eensi esscnt.
hac conquisitionc duodecim milia Latinorum domos redierunt.
Z. 33 — 35: Liv. 6 — 7; vgl. 6. 3: extreme anni^ magistratibus tarn
creatis, ante diem tertium nonas Martias, Cn. ManliusVulso de Gallis,
qui Asiam incolunt^ triumphavit; 7. 1: in triumpho tulit Cn. Marüius
Coronas aureas etc. ; 7. 5 : senatus consultum factum est tU ex pecunia,
quae in triumpho trän s lata esset, Stipendium cotdatum apopulo in publi-
cum, quod eius solutum antea non esset, solveretur. Die Per. hat an dieser
Stelle (S. 41 Z. 25 — 26) nur die Notiz: initia luxuriae in urbem intro-
ducta ab exercitu Asiatico referuntur nach Liv. 6. 7: luxuriae enim pere-
grinae origo ab exercitu Asiatico invecta in urbem est, vgl. aber Plin.,
H. N. XXXm 148.
Z. 36 : Liv. 8. 1 : inscquens annus Sp. Postumium Albinum et Q. Mar-
dum Philippum consules (568/186) avertit. Eutrop. IV 5. 1 : Sp. Pos-
tumio Albino Q. Marcio Phüippo consulibus. Cassiodor: Sp. Postumius et
Q. Marcius.
Z. 37 — 41: Liv. 8 — 19; vgl. 8. 3: consulibus ambobus quaestio de
clandestinis coniurationibus decrcta est. 9. 1: tandem in die tum Imc
maximc modo ad Postumium consulem pervenit. P. Aebutius ... pu-
pillus relictus mortuis deinde tutoribus sub ttUela Duroniae matris
et vitrici T. Sempronii Rutili educatus fuerat. (Butilus) tutelam ita
gesserat, ut rationem reddere non passet; 9. 5: scortum nobile , libertina
Hispala Fecenia, non digna quaestu, cui andllula adsuerat etc.;
11 — 13: die Anzeige des Aebutius und das Geständnis der Hispala; 18. 7:
(latum deinde consulibus negotium, ut omnia BaccJuinalia Romae primum,
deinde per totam Italiam diruerent. Val. Max. 1 3. 1 {ep. Par.): Baccha-
fuilium safrorum mos novus institutus, cum ad perniciosam vesaninm iret,
sublatus est; (ep. Nepot): Bacrhanalium mysteria fuere Romae. sed cum
temporibus nocturnis viri ac feminae pariter essent furerentque, multo colen-
42 E. Kornemann,
tium sanguine +fe et peregrina sacra abolita sunt. Per. 39 S. 41 Z. 27 —
S. 42 Z. 3: Bacchanalia^ sacrum Graecum et nocturnutn, omnium scelerum
seminarium^ cum ad ingentis (iungenti^ N) turbae coniurationem pervenisset^
investigatum et multorum poena &ublatum est. Unser Text bietet also das
meiste Detail, ist aber sprachlich relativ selbständig {mcrctrix statt
scortum, circumscribserant). Interessant ist die Beobachtung, dass das
Verbum subla[td\ unseres Textes auch in der Periocha und bei Paris
(anders Nepotianus) wiederkehrt.
Z. 41 — 42 zu [His]pan[i] subacti vgl. Liv. 21. Hier wird sowohl ein
Sieg der Römer im jenseitigen Spanien über die Lusitaner durch
C. Atinius erwähnt (vgl. 21. 2: ad sex milia hostium sunt eaesa, ceteri
fusi et fugati castrisque eocuti; auf ihn beziehen GH. die Worte des Pap.),
als auch ein solcher im diesseitigen über die Celtiberer durch L. Man-
lius Acidinus vgl. 21. 9 — 10: superati proelio sunt; ad duodccim milia
hominum caesa, plus duo capta et castris Bomanus potitur. et nisi suc-
cessor adventu suo inhibuisset impetum victoris^ subacti Celtiberi forcnt.
Ich glaube, dass die Epitome auf diesen Sieg anspielt; sonst hätte sie
nicht Hispani sondern Lusitani gesagt. Ausserdem ist der Sieg über
die Celtiberer viel bedeutender gewesen. Aber trotzdem macht sich unser
Exzerpt einer Übertreibung schuldig. Was Livius nur hypothetisch aus-
drückt, erhebt der Epitomator zur Thatsache.
Z. 42—43: Liv. 22. 1—2: deinde . . ludos M. Fulvius . . . fecit
athletarum quoque certamen tum primo Romanis spectaculo fuit.
Cassiodor CÄr. z. d. Jahre : his conss. athletarum certamina primum
a Fulvio edita. Der Papjrrus giebt noch das cognomen des Fulvius,
im übrigen stimmt er also mit Cassiodor wörtlich überein.
Z. 44—45: Liv. 22. 6 — 7: eodcm anno Galli Transalpini transgressi
in Venetiam sine populatione aut bello haud procul inde^ ubi nunc Aquileia
est^ hcum oppido condendo ceperunt. legatis Bomanis de ea re trans Alpes
missis responsum est neque profectos ex auctoritate gentis cos nec^ quid in
Italia facerent^ sese scire. Die Rückkehr der Gallier in die Heimat er-
folgte aber erst im Jahre 571/183 wie sich aus Liv. XXXIX 54 ergiebt.
Es liegt also hier wie oben (S. 39) bei der Erzählung von den Campanem
eine Zusammenziehung von Ereignissen zweier verschiedener Jahre vor.
Hier wie dort ist die gesamte Darstellung der Sache unter dem Jahre
gegeben, in das der Anfang des Berichtes gehört. Dieselbe Zusammen-
ziehung haben wir bei Obsequens 3, wo es auch unter dem Jahre 568/186
heisst : Galli qui Alpes transierunt in Italiam sine proelio eiecti. Ungenau
ist die Behauptung unseres Epitomators, dass die Gallier durch Über-
redung seitens des Senates und des Marcellus zur Rückkehr bewogen
worden seien. Der Senat hat eine friedliche Lösung angestrebt, vgl.
Liv. 45. 7, weniger Marcellus (54. 2 — 4), über den sich die Gallier daher beim
Senat beschwerten. Im Effekt war das Ganze eine Vertreibung, vgl. Liv.
55. 4: Gallis ex provimia exactis und darnach Obsequens richtiger: eiecti.
Die neue Livius-Epitomc. 43
Z. 46 — 47: Liv. 22. 8: L. Scipio ludos eo tempore, quos hello
Antiochi vovisse sese dicebat, ex conlata adid pecunia ab regibus
civüatihusque per dies decem fecit. Unser Text nennt L. Cornelius
Scipio, hat also wie Z. 43 den vollen Namen, während das Original den
abgekürzten bietet.
Z. 48: Die Wahl der neuen Konsuln (für 569/185) Liv. 23. 2: creati
consules sunt Ap. Claudius Pulcher, M, Scmpronius Tuditanus. Cassiodor :
Appius Claudius et M. Sempronius,
Z. 49: Liv. 32. 1 — 4: consules dilectibus aliisque, quae Bomae agen-
dae erantf peractis rebus in Ligurcs provinciam exercitum duxerunt.
Beide haben grosse Erfolge. Wenn die Ergänzung unseres Textes richtig
ist, so wird damit die Niederlage des Konsuls Q. Marcius durch die
Ligures Apuani im vorhergehenden Jahre nachgetragen (Liv. XXXIX 20.
5 — 10). Wir hätten dann einen dritten Fall von Zusammenziehung zweier
Ereignisse (vgl. oben zu Z. 17 und 44/5), nur mit dem Unterschied, dass
diesmal das Ganze unter dem zweiten Jahre gegeben wird. Die PeriocJia
giebt nach der Erwähnung des vom asiatischen Heere eingeführten Luxus
(aus Liv. 6. 7 s. oben zu Z. 33/5) und vor der Beseitigung der Bacchanalia
(aus Liv. 8 ff. s. zu Z. 37/41) die Bemerkung (S. 41 Z. 26—27): Ligures
quicumque citra Apenninum erant, subacti (sublaii N) sunt. Das Livius-
Original berichtet aber zwischen 6. 7 und 8. 1 keine Besiegung der Ligurer,
sondern erst nach der Beseitigung der Bacchanalia c. 20 5—10 die er-
wähnte Niederlage des Konsuls Q. Marcius und c. 32 1—4 die Siege
über die Apuani und die Ligauni d. h. über Ligurcs citra Apenninum.
Die Per. hat also den Ligurersieg an falscher Stelle, d. h. zu früh, während
er in unserem Text an der richtigen Stelle steht.
Z. 50. Das Resultat der Konsulwahl für 570/184 steht Liv. 32. 13:
creatus P Claudius Pulcher locum suum tenuit L. Porcius Licinus,
dazu 33. 1 : principio insequeniis anni P, Claudius^ L, Porcius consules etc.
Cassiodor: P. Claudius et L Porcius Licinius, wie der Papyrus.
Z. 51: Liv. 41. 5: (Q. Naevius) quem quattuor non minus mcnscSy
priusquam in Sardiniam irct, quaestiones veneficii . . . tenuerunt si
Antiati Valerie crederc libet, ad duo milia hominum damnavit.
Z. 52—56: ein Ereignis aus der Censur des M. Porcius Cato und
L. Valerius Flaccus: Liv. 42. 5 — 12: Septem moverunt senatu, ex quibus
unum insignem et nobilitate et honoribuSf L, Quinctium Flamininum consu-
larem iti/cr cetera obiedt ei, Philippum Poenum, carum ac
nobile scortum, ab Borna in Galliam provinciam spe ingentium donorum
perductum .... forte epulantibus iis, cum iam vino incaluissent, nuntiaium
in convivio esse, nobilem Boium cum liberis transfugam venisse ....
Quinctius scorto : ^vis tu*", inquit, ^quoniam gladiatorium spectaculum
reliquisti, iam hunc Gaüum morientem vidcre?^ et cum is vixdum serio
adnuisset, ad nutum scorti constdem stricto gladio, qui super caput pendebat,
loquenti Gallo caput primum pcrcussisse, deinde fugienti fidemque populi
44
E. Korncnmnn,
r
Romani atque eorum, qui aderani, imploranii latus iramföäisse. In c. 43
folgt dann eine zweite Veraion nach Valerius Antias. Danach hatte
Flainininus zu Placenfia auf Anstiften einer fanwsa mulier, cuius amore
(Icperirot^ einen znni Tod Venir teilten vor deren Augen beim Malile
mit dem Beile hinrichten lassen. Per. S. 42 Z. 5 — ^10: motus est senatu
L. Qiiintiii^^ Flamininus, T, (fehlt in NI^) fratöTj eo qtiod^ cum (fehlt 'in N)
Gallium provinciam eomul ohtmerei^ rogatu.9 in convivio (so NP) n Poeno
(Poenio NP) Philip po qucni aniabaf, scorto nobili^ GaUum quenihim
sua manu occiderat sive, ut quidam tradidcrimt^ unum ex damtuitis securt
pcmtsscrai rogafus a mcretrice Plaeenfimi, cuius amore d ep e r i h a t.
Der Aiischloss der Per. an das Original ist also enger: sie hat, wie oben heim
Scipinnenprozess beide Versioneo, während unser Text nur die ei^te bietet.
Per, und Papjinis haben aber die AVorte sua nmnn ebenso Plutarch (Caio
waior 17, Flmninin. 18: löia iBtgt), die im Original fehlen. Die Per.
(auch Seneca li. A,) nennt weiter das placentinische Weili eine mereirix,
wie in unserem Papyrus Z. 37 die Hispalu Fecenia tituliert war, während
beidemal das Original von dieser Bezeichnung keinen Gebrauch macht
Die zweite Vemon steht auch noch bei Cicero^ Cato maior 42 (aber:
exoratus in contrmo a scorto), Pseudo- Victor 47.4 (auch ad citnmlam
scorti spectamdum) j Val. Max, EI. iK 3 (ad arbitrium et spcctaculum
mulierculaej cuius amore tenebafur, vgl. Liv,-Original)y endlich
Seneca, Controv. 1X2 (25) ed. H. J. Muller (« mcretrice rogaim)^ umi
ähnlich Hieronym,, Comm. ad Mattk II 14.
Z. 57: Liv. 44. 7: basilicamque ibi feciij quae Poreia appcllata
est. Pseudo-Victor 47. 5: basilieam stio nomine primt^s feeit
Z. 58: Konsulwahl Liv. 45. 1: in insequetitem annum (571/183) crea-
verunt consules M. Claudium Marcellum, Q, Fahium Labeonmu. Cornelius
NepoSj Hann. l^. 1 nnd Orosius IV 20. 27: M. Claudio MarecUo Q. Fabio
Lahiionc consuUbm\ Ohsequens 4 (59): M. Claudio Q, Fabio Labcone coss.
Uassiodor: M. Cluudius et Q. Fabius Labeon.
Z, 59 — 63: Liv. 46. 1 — 4: huius $irincipio anm P. Ltcinius Crassus
pontifex mau^imus morluus est. P. Licinii fimeris causa , . . . ludi
funehr es per tridumn facti, post JimIos epulum. in quo cum toto foro
trielinia strata essent, tempestas atm magnis procellis coorta coegit plerosquc
tabernacula statuere in foro . . , , dcfunctosque mägo ferebatd, qnod
iiUcr fatalia vafe s c e c i n issentf fwcesse e^sse tabernacula in foro stat u i.
Unser Text unterscheidet sich vom Original dadurch, dass vates im Singular
steht ^ und dass statt statuere, sfatui po[fi-itis] und ßdura gebraucht sind.
Z. 63—65. Ausser dem Tod des Hannibal (Liv, 51 Per. S. 4:! Z. KJ— 16,
Eutrop. IV 5. 2, Orosius IV 20. 29, Ohsequens 4 [59] Cassiodor) st^ht im
Original noch der Tod des Philopoimen imd Scipio und zwar in folgender
lleihenfolge: 1) Philopoimen 49. 5—50, 2) Hannibal 51, :l) S<*i[iin 52, 1 — 6,
darauf Schlusswort (52. 7 — 9) mit einem Vergldcli des Endes der drei
berühmten Männer. Die Periodm (S. 42 Z. 11— 18) und Orosius IV 20. 29
Die neue Livius-Epüame. 45
dagegen erzählen übereinstimmend zuerst Scipios, dann Hannibals, endlich
Philopoimens Tod.
Aus Buch 40.
Z. 67. Konsulwahl für 572/182: Liv. XXXIX 56. 4: creavit cansules
Cn. Bachium Tamphilum et L. Äetnilium Paulum. Dagegen CJomelius
Nepos, Hann. 13. 1 und Obsequens 5 (60): L. Aemüio Paulo Cn. Baebio
Tamphilo coss. Cassiodor: L. Paulus et Cn. Baebius. Das ist auch die
Reihenfolge in unserem Texte.
Z. 68. Wenn die Ergänzung richtig ist, so ist Liv. XL 1. 4 aus-
geschrieben.
Z. 69 geht vielleicht auf das, was Liv. c. 2 6—8 erzählt wird.
Z. 70 — 71: Liv. 4. 2 ff.; vgl. § Ib: et hostes aderant et auctor mortis
instabat. alii alio leto absumpti semianimes a nave praecipitantur. ipsa
deinde virum comitem mortis complexa in mare sese deiedt. Per. 40
S. 42 Z. 27 — S. 43 Z. 4 : Theoxena^ verita pro liberis suis admodum pucris
regis libidinem^ prolatis in medium gladiis et pocuio in quo venenum erat
suasit his, ut imminens ludibrium morte effugerent et cum persuasisset , et
ipsa sc interemit. Die Per. hat also die Todesart der Th. nicht an-
gegeben; in diesem Punkte ist die Erzählung farbloser als die des
Papyrus (vgl. oben S. 37 die Geschichte von der Chiomara).
Z. 71—73: Liv. 5—16. 3 und 20. 5—24; vgl. bes. 5. 2; Perseus enim
cum in dies magis cemeret favorem et dignitatem Demctrii fratris apud
multitudinem Macedonum crescere et gratiam apud Bomanos, sUn spem
mdlam regni superesse nisi in scelere ratus, ad id unum omnes cogitationes
intendit. 5. 5 wird Demetrius ein incauius a fraude fraterna iuvenis
genannt, 5. 8 heisst es: suspectum se patri et opportunum criminibus
facicbat, vgl. 5. 14: (Philippus) crimina accipiebat, 6. 7: eamque rem
ipsam dicere praebituram causam criminandi iuvenis und vor allem die
Worte des Vaters 8. 7 : „sedeo miserrimus pater, iudex inter duos fUios,
accusatorein parricidii et reum, aut conficti aut admissi criminis
labern apud meos inventurus^, 11. 4 in der Rede des Perseus: cupidi-
tatis regni crimen , 12. 7 in der Rede des Demetrius: illam vanam
criminationem . . . hoc ficto et composito argumento fulciret. 12. 10:
vana accusatio, 13. 1: conficti ordinem criminis^ 15.3: haec regnum
tuum criminibus et suspicionibus replent. 24. 1 (zum Jahre 573/181):
Demetrium iterum ad patrem accusavit Perseus, 24. Q: in ea cena
dicitur venenum datum. pocuio epoto extemplo sensit, et möx .... crude-
litatem patri s conquerens, parricidium fratris ac Didae scelus incusans
torquebatur .... ita innoxius adulescens . . . interßcitur. In der Per. 40
sind diese Ereignisse seltsamerweise zweimal berichtet 1) S. 43 Z. 4 — 10
und noch einmal am Ende 2) Z. 18 — 23. An der ersten Stelle heisst es:
ccrtamina inter fUios Phüippi Macedoniae regis Persen et Demetrium re-
feruntur; et ut fraude fratris sui Demetrius fictis criminibus
46 E. Komemann,
(Z. 19/20 statt dessen: falsis aUerius filii in eundem delaUonibus), inter
quae accusatione parriddii et adfectatione (so NP) regni, primum
petüus ad ultimum^ quoniam populi Bomani amicus erat, veneno necatus
est, regnumquc Macedcmiae morttu) Philippo ad Fersen devenit Es hat also
sowohl in der Per. wie in unserem Texte wieder eine Zusammenziehung
der Ereignisse zweier Jahre (572/182 und 573/181) stattgefunden, ja in
der Per. sind auch noch die Ereignisse von 575/179 (aus Liv. XL 54 :
Tod des Philipp und Thronbesteigung des Perseus, wiederholt am Ende
der Per,) dazugenommen. Sehr beachtenswert ist ausserdem die nahe Be-
rührung der Per. und unserer Epitome in den Worten fictis criminibm.
Livius gebraucht das Simplex fictus nur 12. 7, an zwei Stellen dagegen
das Compositum confictus (8. 7; 13. 1).
Z. 74: Wahl der Konsuln für 573/181: Liv. 18. 1: creati P. Cornelius
Lentulus, M. Baebiu^ Tamphüus. Bei Obsequens 6 sind die Eonsul-
namen ausgefallen. Val. Max 115. 1: P. Comelio Lentulo M. Baebio
Tamphilo consüHbus (kürzer 11.12, ebenso ohne Beinamen Plut., Numa 22),
Cassiodor: P. Lentulus et M. Baehius, Dagegen die fasti Capitolini,
Cornelius Nepos, Hann. 13. 1 und Plinius, H. N. XIII. 85 nennen den
einen Konsul P CornelitAS Cethegus.
Z. 75: Liv. 29. 3: eodem anno in agro L. Petilii scribae sub
laniculo .... dtme lapideae arcae . . . . inventac sunt, litteris Latinis
Graecisque utraque arca inscripta erat, in altera Numam Pompilium ....
sepültum esse, in altera Ubros Numac Pompilii inesse. Val. Max. I 1. 12
mit engem Anschluss an Liv.; Per. S. 43 Z. 12 — 18: Ubri Numae Pompiii
in agro L. Petilii scribae sub laniculo a cuUoribus agri arca lapidea
clusi inventi sunt et Graeci et Latini. in quibus cum pleraque dissolvendarum
reUgionum (wörtlich aus Liv. 29. 11) praetor, ad quem delati erant, legissct,
iuravit senatui, contra rempublicam esse ut legerentur servarenturque. ex
Sc. in comitio exusti sunt; ebenso Plut., Numa 22 und Lactantius, Inst.
I 22. 5. Eine andere, von dieser livianischen abweichende Version bietet
bekanntlich Cassius Hemina bei Plin., H. N. XIII 84 (vgl. Varro bei
Augustin., de civ. dei VII 34, Festus p. 173 M. p. 182 de Ponor, Pseudo-
Victor 3. 3), wonach der Schreiber Cn. Terentius heisst und nur eine
arca gefunden wurde.
Z. 76: Liv. 35. 1: Konsul wähl für 574/180: creavit A. Postumium
ÄUnnum Luscum et C. Calpumium Pisonem. 35. 3: principio eius anni,
quo A. Postumius Älbinus et C. Calpumius Piso consules fuerunt etc.
Cassiodor: A. Postumius et C. Tarpumius (sie!).
Z. 77 : Liv. 37. 8 — 9 ; 38. 1 : veris principio huius, dum consules novos
düectus Bomae tenet, mors dcinde alterius et creandi comitia consulis in
locum eius omnia tardiora fecerunt, interim P. Cornelius et M. Baebius,
qui in consulatu nihil memorabile gesserant, in Apuanos Ligures exercitum
induxerunt. Ligures . . . inproviso oppressi ad duodecim milia hominum
dediderunt se. Die Kämpfe in Spanien gegen die Celtiheri berichtet
Die neue Liviiis-Epitome. 47
Liv. 39 und 40; neue Kämpfe gegen die Ligurer seitens der beiden
Konsuln folgen c. 41.
Z. 78 — 80: Liv. 44. 1: eo anno rogatio primum lata est ab L. ViUio
tribuno plebis, quot annos nati quemque magistratum peterent ca-
perentque, inde cognomen familiae inditum^ ut Annales appellarentnr.
Z. 81: Liv. 44. 3: Q. Fulvio et L. Manlio consulibus] bei Obsequens
7 (61) steht in der Aldina fälschlich G. Manlio. Cassiodor: Q. Ftdvius
et L, Manlius.
Z. 82: Liv. 45. 6: censorum inde comitia Jiabita; creati Jf. Aemüius
Lepidus pontifex maximtfrS et M. Fulvius Nobilior. . . . inter hos viros nobiles
inimicitiae erant. Über die Beilegung dieser Feindschaft vgl. c. 46. Dazu
Valerius Max. IV 2. 1, Cic, de prov, cons. 21, Gellius XII 8. 5—6.
n. Zu Kol. IV— vin.
Aus Buch 48.
Z. 83: Die beiden ersten Worte beziehen GH. auf den Krieg des
Masinissa mit Carthago; vgl. Per. 48 gegen Ende S. 51 Z. 26 u. 27.
Lusitani vastati geht auf die römischen Erfolge von 604/150, da
der Prokonsul Lucullus und der Praetor Galba gemeinschaftlich
operierten, vor allem auf den verräterischen Überfall des Galba: Orosius
IV 21. 10: igitur in Hispania Sergius Galba praetor Lusitanos citra
Tagum flumen habitantes cum voluntarios in deditioncm recepisset^ per
scelus interfecit etc. Val. Max. IX 6. 2 , Sueton , Galba 3 , eingehender
Appian, Jb. 59. 60. Per. 48 S. 51 Z. 13—16 hat nur die kurze Be-
merkuDg: Servius Sulpicius Galba praetor male adver sus Lusitanos pugnavitj
womit sie auf die Niederlage des Galba im Jahre 603/151 anspielt:
Oros. IV 21. 3 u. App., Jb. 58; vgl. gegen meine AusführuDgen bei GH.
S. 104 Reid, Class. Rev. XVÜI 6 S. 293.
Z. 84—86. Die Geschichte steht in keinem Parallelbericht. Comelii
Cctivegi kommen in dieser Zeit vor. GH. weisen auf L. Cornelius Cethegus
hin, einen der Ankläger des Galba, vgl. Per. 49 S. 54 Z. 11, weiter
M. Cornelius Cethegus, den Konsul von 594/160.
Aus Buch 49.
Z. 88. Die Konsulnangabe für 605/149: L. Marcio Censorino M.
(statt Manio) Manilio haben auch die Handschriften der Per. 49 S. 53
Z. 5 — 6, Censorinus, de die nat. 17. 11 unter Berufung auf Antias, Varro
und Li vi US, Velleius I 13. 1, Orosius IV 22. 1, Eutrop. IV 10. 1 (iirtümlich
L. Manlio Censorino), Zosimus 11 4. 2 (der 2. Konsul Mdgxov MaXXiov
[llovrikiov]), Appian, Lib. 75, Zonaras I 26. 4, Boiss. I S. 306, Cassiodor,
Chron. Dagegen richtig L. Marcius Censorinus M! ManiUus geben die
Fast. Capit, Cic, Brutus 61 und Aead. pr. II 102.
Z. 89 : Wörtlich tibereinstimmend Orosius IV 22. 1 : tertium Punicum
bellum exortum est. Per. 49 Anfang S. 52 Z. 4 — 5: tertii Punici belli
48 E. Komemann^
initium altero et sescentesimo ab urbe condita anno (dieselbe Zahlenangabe
bei Orosius und Eutrop.), Eutrop. IV 10. 1 : tertium deinde beUum contra
Carthaginem susdpitur^ Florus I 31. 1 (Rossb.): tertium cum Africa bellum
et tempore exiguum . , , et in conparationem priorum minimum labore.
Zonaras IX 26. 1, Boiss. I S. 306.
Z. 89—90: Per. S. 52 Z. 16—18: üticenses legati Romam venerunt
se suaquc otnnia dedentes. ea legatio vehit omen grata patribu^^ acerba
Carthaginicnsibus fuit App., Lib. 75.
Z. 90—93: Ter. S. 52 Z. 21— S. 53 Z. 5: legati XXX Romam venerunt,
per quos se Carthaginienses dedebant. Catonis sententia devidt, ut in decreto
pcrstaretur et ut consüles quam primum ad bellum proficiscereniur. gut
ubi in Africam transierunt, acceptis quos imperaverant (impetraverant NP)
ccc obsidibus et armis omnibus instrumentisque belli^ si qua Carthagine erant,
cum (tum N) ex auctoritate patrum iuberent ut in alium locum, dum a
mari X (NP ohne Strich über X) ne minus remotunij oppidum facerent
indignitate rei ad bellandum Cartlhaginienses compuhrunt, Orosius IV 22. 3 :
sed Carthaginienses postquam arma tradiderunt et relicta urbe recedere procul
a mari decem miltbus passuum iussi sunt, dolorem ad desperationem contu-
lerunt etc. Florus I 31. 8: tum evocatis principibus (dazu Oros. IV 22. 2:
Carthaginiensibus evocatis iussisque), si salvi esse vellent, ut migrarent
finibus imperavit. quod pro rei atrocitate adeo movit iras, ut extrema mallent,
Zonaras IX 26. 6, Boiss. I S. 307 und eingehender App., Lib. 76—93.
Z. 93—94: Erste That des Aemilianus: Per. S. 53 Z. 5—9: obsideri
obpugnarique coepta est Carthago a L. Marcio M. Manilio cos. in qua
obpugnatione cum neglecios ab una parte muros duo tribuni temere cum
cohortibus suis inrupissent et ab oppidanis graviter caederentur^ a Scipione
Africano (so P^ Orßtiano P^) expliciti sunt. Orosius IV 22. 7: consüles
igitur quamvis aliquantam muri partem quassatam machinis diruissent, tamen
a Carth<iginiensibus victi ac repulsi sunt: quos fugientes Scipio repulso
intra muros hoste defendit. Appian, Lib. 98 (abschliessend: xal tovro
ngwTov avxov hnl So^rjs knoiriaBV, evßovkoteQov xov otQaxtiyoi (favivia).
Eine zweite That desselben Mannes, offenbar nach der Rückkehr des
Censorinus nach Rom {Per. S. 53 Z. 14 — 15, Oros. IV 22. 7 und App.,
Lib. 99), berichten Per. S. 53 Z. 9 — 13 und Appian, Lib. 99 gegen Ende.
Diese That scheint in unserem Texte übergangen zu sein.
Z. 95 bezieht sich wohl auf das, was Appian, Lib. 100—101 ge-
legentlich eines Zuges des Manilius ins Binnenland hinein erzählt; vgl.
bes. C. 101: ^ißvwv 3i roig kg nvgyovg xal q,Q0VQia^ ä nokkd ijv iv xf
X^Q(ft xaTatpvyovaiv oi fiiv äXXoc x^^^^QX^'' onBvdoftBPoi xal fted-iipreg
knsTi&BPTO amovaiVf 6 di JSximtav lg xä otxoi nagin^iini, xal ccno xovSe
ov ngiv ?} ^xmiaiva d(fixia&ai övperi&exo oiäeig. roaavtf] So^a aixov
dpdgeiag re nigi xal nlarewg xal nagä xoig iöioig Si oXiyov iyByipt]to
xal nagä rolg nokeftioig ; dazu Diodor XXXII fr. 7 und Cassius Dio XXI
fr. 70 Boiss. I S. 309 f.: xal t?}v niaxoTtixa oix onojg ngog rovg noXizag
Die fieue Livius-Epitome. 49
Tovg T€ xQ^H^^^^S ^'^1 ^^^ ^«' ^Qog ro b&vüov ro re nole/iiwraTov
axgißrj kxixTtiTO.
Z. 95—97: Per. S. 53 Z. 13—23, bes. Z. 19 ff.: cum, ^ict^ (Scipio)
praedixerat, fust^s fugatusque esset Bomanus exercitus et duae cohortes ah
Ihoste obsiderentur, cum paucis equitum turmis in saUum reversus liberavit
exis et incolumes reduxit, Pseudo- Victor, de vir. ill, 58. 4 : (Scipio) tribunus
in Africa sub T. Manilio imperatore octo cohortes obsidione vallatas consüio
et vir tute servavit, a quibus Corona obsidionaU aurea donatus^ Piinius,
H. K XXn 13. Das Genauere wieder bei Appian, Lib. 102 — 104 Anfang,
woraus wir ersehen, dass die erwähnten Vorgänge bei Nepheris sich ab-
spielten. Nach c. 103 wurden vier Cohorten der Römer (Per.: zwei,
Piinius: drei, Pseudo- Victor: acht) von Hasdrubal eingeschlossen und
von Scipio befreit. Eine allgemeiner gehaltene Anspielung auf die Helden-
thaten des Kriegstribunen Scipio hat auch Eutrop. IV 10. 3.
Z. 98—100: Per. S. 53 Z. 28— S. 54 Z. 14; vgl. namentlich Z. 6ff.:
complexus duos filios praetextatos et Sulpp^ci} Galli fiUum, cuius tutor
erat, ita miscrabüiter pro se locutus est ut rogatio antiquaretur. Cic,
Brutto 89 — 90: tum igitur <j%ihit} recusans Galba pro sese et populi
Bomani fidem implorans, cum stws pueros, tum C. GalU etiam ßium flens
commendabat, de orat. 1 227 — 228 (pro Murena 59), darnach oder nach der
Quelle Ciceros Val. Max. Vin 1. Absol, 2: reus pro se iam nihil recusans
parvulos liberos suos et Galli sanguine sibi coniunctum fiUum flens com-
mendare coepit eoque facto mitigata contione qui omnium consensu periturus
erat paene nullum triste suffragium habuit (auch VIII 7. 1); vgl. Gellius
1 12. 17 (Stelle aus Catos Rede gegen Galba), Liv. XXXIX 40. 12.
Pseudo-Victor 47. 7. Tac, Ann. III 66, Appian, Jb, 60 Ende.
Z. 100—102: Per. S. 54 Z. 14— S. 55 Z. 11: Andriscus quidam
ultimae sortis Iwmo Persei regis se filium fcrens et mutato nomine
Philippus vocatus .... contracto exercitu totam Macedoniam aut
voluntate incoleniium aut armis occupavit, Velleius I 11. 1: Pseudo-
philippus a mendacio simulatae originis appellatus, qui se PhiUppum re-
giaeque stirpis fercbat, cum esset ultimae, armis occupata Mace-
donia etc. Eutrop. IV 13, Appian, Lib. 111; zur Sache: Polyb. XXX VII
2. 4, Diodor XXXI 40 a, XXXH 15, Zonaras IX 28. 2—3, Boiss I S. 312:
Tt]v di MaxeSoviap 'Avdgiöxoq tig i^ 'AxQafAVtxiov (pvg, T<p TlBgoBl J* ku-
(fBQTjS ro BiSog yeroftevog xul naig elvai ixeivov nkarrofiBvog xai
^biXinnov iavxov ovoftäCwv knl nkelatov aniarrjaB x. t. X.
Z. 103—105: Per. 49 S. 52 Z. 18—21: ludi Diti patri ad Tarefitum
ex praeeepto Ubrorum facti, qui ante (fehlt in NP) annum ccntesimum
primo Punico belle, quingetesimo et altero anno ab urbe condita facti erant,
Censorin., de die nat. 17. 11: de quartorum ludorum anno triplex opinio
est. Anttas enim et Varro et Livius reUxtos esse prodiderunt L. Marcio
Censorino M. Manilio coss. post Bomam conditam anno DCV. Nach einer
zweiten (der richtigen) Ansicht (der des Piso, Gellius und Oassius Hemina,
KornemaDD, Die neue LiviusEpitome. 4
50 E. Kornemanny
also der Annalisten der Gracchenzeit) fanden die Spiele statt im Jahre
608/146, nach einer dritten (den cammentarii der XV virt) erst 628/126,
vgl. ausserdem Zosimus II 4. 2, Wissowa, Religion u. Kultus der
Römer S. 256 u. S. 364. Sehr auffallend ist die Nachstellung dieses Be-
richtes über die Saecularspiele in unserem Texte und zwar unter noch-
maliger Nennung der Konsuln von 605/149 (in der umgekehrten Reihen-
folge wie Z. 88 !) : das ist eine Singularität des Papyrus. Die Per, schliesst
den Auszug aus Buch 49 mit der Erzählung des Aufstandes des Pseudo-
philippus in Makedonien. Die entsprechende Anspielung auf die Saecular-
spiele dagegen steht im Anfang von Buch 49 nach der Gesandtschaft der
Uticenser nach Rom (s. in unserem Text Z. 89/90) und vor derjenigen
der Carthager, die die Unterwerfung ihrer Stadt anbot (Papyrus Z. 90/91),
also mitten drinnen in den Vorgängen, die sich vor dem Beginn des
3. punischen Krieges, d. i. im Anfang von 605/149 abspielen. Es ist
sofort deutlich, hier hat die chronologisch sonst ungenauere Per. die Stelle
bewahrt, an der im Original die Saecularspiele geschildert waren. Denn es
kommt wohl vor, dass in den Pcriochac Ereignisse des betreffenden Livius-
buches am Schlüsse nachgetragen werden, aber das umgekehrte, dass
Ereignisse, die an den Schluss gehören, in den Text hineingeschoben
werden, ist undenkbar. Es fragt sich nun, was war der Grund für
unseren Epitomator die Saecularspiele sozusagen in einem Postscriptum
zu geben. Es bleibt nichts anderas übrig, als den Schlüssel in der An-
gabe Censorins zu suchen, dass das Jahr der Spiele kontrovers war.
Unter diesem Gesichtspunkt habe ich ursprünglich auch an eine Ergänzung
gedacht, die dem Rechnung trug, etwa: Man<f>lio et Marc<»>o c[os.
dicunt ludos saeculd\v^s\ f actos quos o^o\rtuit fieri ex Sibyllae] carminibus
[Cn. L]en[/Mto L. Mummio cos.]; im übrigen vgl. unten S. 74.
Aus Buch 50.
Z. 107—8: Per. 50 Anfang S. 55 Z. 13—15: Thessalia, cum et iUam
invadere armis atque occupare Pseudophilippus vellet, per legatos Roma-
iiorum auxiliis Achaeorum defensa est; vgl. Polyb. XXXVII 2. 5:
xai OezTaXiZv ygafif^ara xai TtgeaßevTag nefixpccvTiav ngog Tovg 'j4^aioig
xal nagaxakovvTCJV 3of]&eiv, wg xai negi avtovg ynag^ovrog xivSvvov,
Zonaras IX 28. 4, Boiss. I S. 312.
Z. 109-110: Per. S. 55 Z. 15 — 17: Prusias rex Bithyniae, omnium
humilUmorumque vitiorum, a Nicomede fUio adiuvante Attalo rege Pergami
occisus. Strabo XIII p. 624 C: (Attalos 11) avcUe Si xal ügovaiav hm-
avöTTjöag avT^ ISixo^tdf] xov viov. Appian, Mithr. 5: xai Bid-vvoi vov
ftiv anoargiifovTaij top Öi aigoivxai^ Zonaras IX 28. 1, Boiss. I S. 311f.:
Bi&vvoi .... tov ftev yigovta htfovivaaVj ßaaiXia ä' ixHvov [xov Nixofifßrj)
äniSsi^av ; zur Sache auch Justinus XXXIV 4.
Z. 110—115; Per. S. 55 Z. 19—23: cum III legati {legatos Hss.) ad
pacem intcr Nicomeden et Prusiam faciendam ad Romanos (so die Hss. auch
Die neue Livius-Epitome. 51
N; wohl: ab Romanis) missi essent (so NP), cum unus ex his muUis
cicatricibus sartum (sarsum NP) caput haberet, alter pedibus aeger esset,
tertius ingenio socors haberetur^ M. Cato dixit eam in legationem (in fehlt
in P) nee caput nee pedes nee cor habere; dazu A. Otto, Sprichwörter der
Bömer S. 74 f. Die Namen der drei Gesandten haben Polybios und Diodor;
Pol. XXXVn6: oTi 'Pcüfiaioi Hneftxfjav ngsafievrag xovg inikfitpofiivovg
rijg OQfir^ rr^g rov Nixoftrjdovg xal xwkvaovvag rov "AtxaXov noXBfAtiv r^
rigovaia^ xal xarBöta&fiaav Mdgxog Aixlviog äv&gwnog noSayQixog
xal TsXBl(ag advvarog rolg noai^ xal fierä tovrov AvXog Mayxivog^ 6g
XBQafiiSog üg rfjfv XBtpaXijv ifiTiBaovofjg ovrib rfjXtxavrag xal xocavxag
ovXag bI^b 8iä trjg xBtpaXijg, wotb &avfiaaT6v Bivai nüg iaa&rj, xal Abv-
xiog MaXXioXiwv, og nuvxfav kd6xu*Pa)fAaia}v ävcua&rixoTatog indg^^Biv.
Sio xal (paöi Mdgxov flogxiov xov Kaxtava ngoaayoQBVOfiBvov bIubiv kv
üvyxXrjxtp ni!)g Si xaxara^rpaaav ävvöaa&ai xi xf^v ngBößBiaVy
fjLtjxB noöag ftijxB xBtfaXrjv fiijXB xagSiav ^;^oi;(Tay, Durch unseren
Text erhält nun die Verderbnis MaXXtoXitav ihre Heilung = MdXXtcx^gy
<iOv6yX[a]fav. Diodor, der mit Polybios im übrigen übereinstimmt (XXXII 20),
giebt die Namen nur abgekürzt wieder (Licinius, Mancinus, Lucius). Ohne
Namennennung ist die Sache noch erwähnt bei Plutarch, Cato maior c. 9 An-
fang und Appian, Mithr. 6 am Ende. Auffällig an unserem Texte ist auf
den ersten Blick, dass gesagt wird, die Gesandtschaft sei ad Attalum regem
geschickt worden. Das Hauptziel der Gesandten war unstreitig Bithynien
und die Beilegung des Streites zwischen Prusias und seinem Sohne Nico-
medes (vgl. Polyb., Per., Diodor). Plutarch (a. a. 0.) spricht direkt von
Gesandten Big Bt&vviav^ und Appian (a. a. 0. c. 7) erzählt von der An-
kunft derselben in Bithynien und ihren Versuchen den Streit zwischen
Nicomedes und Attalos einer- und Prusias andererseits beizulegen. Die
Gesandtschaft war also auch an Attalos gerichtet (vgl. Polyb., a. a. 0.:
xal xtaXiaovxag xov 'AxxaXov nolBfiBiv xtp ITgovoiq), der der eigentliche
Urheber des Zwistes war. Niese, Gesch. der griech. und mak. Staaten ITI
S. 329.
Z. 115— 116a: Wie schon angedeutet, kann ich den von Warde
Fowler eingeschlagenen Weg, um diese Stelle zu verstehen, nicht betreten.
An M. Sca[n]tius ist nichts zu ändern; eine Scantia begegnet bei Oic.
pro Mil 75. Parallelberichte fehlen.
Z. 117: Obsequens 19: Spurio Postumio L. Pisom coss., Cassiodor:
Sp. Postumius et L. Piso (606/148).
Z. 118—120: Über den Tod und die Kinderzahl des Massinissa:
Per, S. 56 Z. 4 — 8: Masinissa Numidiae rcx maior XC annis decessit,
vir insignis. inter cetera iuvenalia opera, quae ad ultimum cdidit, adeo
etiam . . . . m scnecta viguit ut post sextum et octogcsimum annwn filium
genuerit, Val. Max. V 2 Ext. 4 : (Masinissa) longa . . a dis immortalibus
scneetute donatus .... illc, cum iam actate deßciente magnas regni opes
quaftuor et quinquaginta fUiorwn numero relinquens in l^xtulo Inheretur
4»
62 E. Komemann,
Eutrop. IV 11: per idem tempus Masinissa rex Numidarum^ per annos
sexagifUa fere amictcs populi Bomani, anno vitae nonagesimo septimo mortuuSy
quadraginta qtMttttor ßiis relictis Scipionem divisorem regni inter
füios suos esse iassit Über die Teilung des Reiches vgl. auch Per. S. 56
Z. 8 — 12 : inter tres liberos eins .... P. Scipio Aemüianus^ cum commune
his regnum pater reliquisset et dividere cos arbitro Scipione iussisset,
partes administrandi regni divisit, Val. Max. a. a. 0.: eum dividendi
arbitrum habercnt, Orosius IV 22. 8 : Scipio Masinissa nioriuo inter Masi-
nissae filios tres Numidiae regnum divistt. Man beachte in allen diesen
von Livius abhängigen Quellen die Verwendung des Verbum dividere,
während in unserem Texte distributum steht. Über die Reichsteilung
vgl. ausserdem noch App., Lib. 106 Ende, Zonaras IX 27. 5, Boiss. I S. 310.
Controvers ist das Alter des Masinissa beim Tode und die Zahl seiner
Kinder. Was das Alter betrifft, so hat unser Papyrus nur die allgemeine
Angabe [ult]imae senectutis (denselben Ausdruck gebraucht Val. Max.
Vn 1. 1 von Q. Metellus Macedonicus und VIII 1. 2 vom alten Cato).
Per. 48 gegen Ende S. 52 Z. 1 giebt dem König unter dem Jahre 604/150
92 Jahre und Per. 50 S. 56 Z. 5 lässt ihn älter als 90 Jahre sterben.
Da wir hier aber im Jahre 606/148 stehen, so bekämen wir 94 Jahre
beim Tode. Dazu stimmt aber nicht Liv. XXIV 49. 1, wo Masinissa zum
Jahre 541/213 als siebzehnjährig bezeichnet wird. Auch wenn wir hier,
wie die Liviusherausgeber z. T. vorschlagen (vgl. Fischer, Zeittafeln S. 125),
statt XVII XXVII schreiben, ist die Sache noch nicht in Ordnung; denn
wir erhalten als Alter beim Tode (also 148 v. Chr.) dann 92 Jahre. Eutrop.
dagegen lässt Mas. sogar erst im 97. Jahre sterben. Ich glaube aber,
dass bei ihm eine Zahlen Verderbnis anzunehmen ist, XCVII statt XCII.
Die bei Livius zu Grunde liegende Tradition scheint das Alter des Mannes
demnach auf 92 Jahre angegeben zu haben: Per. 48 hatte also wohl
schon unter dem Jahre 150 das beim Tod erreichte Alter verwendet.
Dieser annalistisch-livianischen Tradition steht Polybios (XXXVII 10. 2
und 11) gegenüber, der von einem Alter von 90 Jahren (offenbar nicht
runde Zahl) spricht. Ihm folgen Diodor XXXII 16, Appian, Lib. 106,
Lucian, Macrob. 17 und Plutarch, Mor. p. 791 F. Da er nach diesen
Stellen bei seinem Tode einen vierjährigen Sohn hinterliess, so müsste er
denselben 86 Jahre alt gezeugt haben; die Per. 50 S. 56 Z. 7 sagt aber
ihrem Ansatz entsprechend richtig post sextum et octogesimum annum.
Unstreitig ist diese Bezeichnungsweise, nach dem 86. Lebensjahre, auf-
fallend ; sie ist nur verständlich als Polemik gegen die Ansicht, dass das
Ereignis i m 86. Lebensjahr erfolgte. Die polybianische Angabe hat durch
einen Annalisten offenbar eine Korrektur erfahren und dieser Schlimm-
besserung ist also Livius gefolgt.
Bezüglich der Kinderzahl des Numidier-Königs steht fest, dass das
Reich unter drei Söhne verteilt wurde: so Orosius, Zonaras; vgl. auch
Sallust., Jug. 5. 6: Micipsa, Mastanabai und Gulussa. Das sind die drei
Die neue lAmus-Epitotne. 53
yvi^aioi, von denen Appian, Lib. 105 spricht. Dazu kam dann im hohen
Alter noch ein vierter Sohn {Ter. s. o.): so kommen wir auf die 4, die
unser Text bietet. Dieselbe Zahl haben wohl Valerius Maximus und
Eutrop. vor Augen gehabt, wenn sie die Gesamtzahl der Kinder auf 54
bezw. 44 angeben (4 + 50 bezw. 4 + 40). Mit 50 bezw. 40 ist meiner
Ansicht nach nämlich die Zahl der v6&oi gemeint, die auch in den übrigen
Quellen als sehr gross angegeben wird: App., Ldh. 105: naiSag ix^v
vo&ovg fih nXnlovctg . . . yvtjaiovg Si rgeig., 106: noXkduv ydg avrcß
nalSwv yiyvofiivoiv ; Zonaras IX 27. 4: Siii tb t6 twv vUcov nXrj&og.
Die annalistisch -livianische Tradition gab also 4 (3 + 1) eheliche und
viele, bezw. genauer 40 oder 50 (richtiger wohl 40) uneheliche Söhne.
Anders wieder Polybios. Nach XXXVII 10. 5 hatte Masinissa ausser
dem Spätgeborenen (vgl. auch § 11), der hier (§ 5) mit seinem Namen
(Sthembanos) genannt wird, noch vier Söhne (4 -f- 1). Diodor (XXXII 16)
liinwiederum giebt 10 Söhne an. Diese Angabe findet ihre Erklärung
durch App., Lib. 106: noXkwv yag mrq> naiSav yiyvofAivwv re xat ccno-
&v7jax6vttav ovnoTB fiiv ijaav airtp fielovg toJv dixa. Zehn ist
also die Mindestzahl der jeweils am Leben befindlichen, wobei natürlich
eheliche und uneheliche zusammengerechnet sind. Es war daher eine
Übertreibung der annalistisch-livianischen Tradition, wenn sie von 44 — 54
hinterlassen en Söhnen sprach. Das hatte offenbar Polybios nicht
gethan ; denn auf ihn gehen wohl in letzter Linie die Angaben des Diodor
und Appian (wenigstens in c. 106) zurück. Es bleibt ausserdem noch
die Divergenz von fünf resp. vier ehelichen Söhnen zwischen Polybios
und Livius.
Z. 121—122: Per. S. 56 Z. 15—17: ex tribus legatis, gut ad Mast-
nissam missi erant, M. Cl{audius) Marcellus coorta tempestaie fluctibus
obruttis est. Von der Gesandtschaft ist auch die Rede bei App., Lib. 105.
Z. 122—23: Per. S. 56 Z. 17—21: Carthaginienses Hasdrubalan,
Masinissac nepotem^ quefn praetor em habebanty honiinem proditionis
mspcctum in curia occidcrunt (so NP); quae suspicio inde fnatmtnt,
quod propinquus esset Grulussae, Romanorum auxilia iuvantis; Orosius
IV 22. 8: Hasdrubal Poenorum imperator^ Masinissac nepos^ subsellio-
rum fragmcntis in curia a suis propter suspicionem proditionis
occisus est Appian, Lib. 111 Ende: 'Atidgoißav rov agxovra avxrjg
(rijff nokBbDg)^ aSiXtpiSoifV Svra roXooaoVy dUflakke xy flovXy rd
Kagxv^oviwp FoXocay ngoSiSovai, xal rov Xoyov nQOiB&ivtog hg fiiaov,
o fjiiv ijnoQBiTo wg kn' ädoxtjrtp^ ot Si Tvntovng avtov Toig ino-
ßdd'Qoig xaxißaXov. Die Darstellungen berühren sich sachlich und
sprachlich sehr nahe, vor allem Per. und Orosius {Masinissae nepos, su-
spicio proditionis y Tod in der Curie, Verbum occidere, abweichend nur:
Per.: praetorem, Orosius: Poenorum imperator), dann aber auch Orosius,
Appian und der Papyrus, welche die eigentümliche Art der Er-
schlagung (ähnlich derjenigen des TL Gracchus: Oros. V 9. 2, Vell.
54 E. Kornemann^
n 3. 2) berichten. Endlich berühren sich auch Per. und Appian in der
Bemerkung, dass Hasdrubal ein Neffe des Gulussa war. Unser Text da-
gegen steht einzig da bezüglich der Verwendung des Wortes adfinis (s. oben
distributum)
Z. 123—124: Per. S. 56 Z. 21—25: P. Sdpio Aemüianus cum aedi-
litatem peteret, consul a populo dictt^s, quoniam per annos canstiU fieri
non licebat^ cum magno certamine suffragcmtibus plebeis {suffragantis legis
NP) et repugnantibus ei dliquandiu patribus^ legibus solutus et consul creatus,
Eutrop. IV 12. 1: iuvenis adhuc consul est factus et contra Carthaginem
missus, de vir. ill. 58. 5: cum aedüitatem peteret^ consui ante annos üUro
factus \ genauer Appian, Lib. 112, Cassius Dio XXI fr. 70. 2 — 3, Zonaras
1X29.2; Boiss. I S. 313f.
Z. 125: Per. S. 56 Z. 25— S. 57 Z. 1 hat hier die Bemerkung:
M. Aemilius (so NP; M: ManiUus Sigonius) aliquot {aÜquod N) urbes
drcumpositas Carthagini expugnavit. Orosius IV 22. 8 (allerdings vor der
Ermordung des Hasdrubal) : quo (i. e. Scipione) drca Carthaginem reverso
ManUus Tezagam urbem expugnavit atque diripuit; duodecim miUa ibi
Afrorum caeso, sex miUa capta sunt. Dagegen an den entsprechenden
Stellen bei Diodor (XXXTT 18), Appian {Lib. 110 u. 113) und Zonaras
(IX 29. 1 Boiss. I S. 313) wird L. Calpumius Piso, der Konsul von 606/148,
als der Eroberer einiger Städte um Carthago (und zwar durch Vertrags-
bruch) genannt; vgl. darüber unten S. 89 if.
Z. 126—127: Per. S. 57 Z. 1—3: PseudophiUppus in Macedonia,
caeso cum exercitu P. Juventio (exercitus M. Juventio N) praetor e, ab
Q. Caecilio victus captusque est et recepta {relicta NP) Macedonia. Orosius
IV 22. 9 : Juventius praetor in Macedonia adversus PseudophiUppum con-
gressus cum maxima clade totius Romani exercitus interfectus est; Eutrop.
IV 13: interim in Macedonia quidam Pseudophilippus arma movit et Ro-
manum praetorem P. Juventium contra se missum ad internicionem vidi.
Post eum Q. CaedUus Metellus dux a Romanis contra Pseudophilippum
missus est et XXV müibus dus ocdsis Macedoniam recepit, ipsum etiam
Pseudophilippum in potestatem suam redegit. Obsequens 19 (78): Pseudo-
philippus devietus. Florus I 30. 4 — 5, de vir. ill. 61. 1 ; genauer: Zonaras
IX 28. 4—7, Boiss. I S. 312 f.; vgl. endlich Pausan. VH 13 1, Diodor
XXXII 9 b, auch Polyb. XXXVH 9. 13—14.
Z. 127 — 129: Obsequens 19(78): vasto incendio Romae, cum regia
quoque ureretur, sacrarium et ex duabus altera laurus ex mediis ignibus
inviolata steterunt (überliefert: est et erut, Verbesserung von ßossbach, Rhdn.
Mus, 52, 1897, S. 12). Über das sacrarium der Ops in der Regia vgl.
Varro, de ling. lat.YI21, Wissowa, Religion S. 481 Anm. 5; über den
Brand Richter, Topographie" S. 91.
Die neue Livius-Epitonie. 56
Aus Buch 51.
Z. 131: Obsequens 20 (79): P. Afrieano et <(?.> Laelio (Limo Scaliger)
coss, Cassiodor: P. Africanus et C. Livius (a. 607/147). Vgl. Appian
Lib. 112: Scipio und Drusus.
Z. 132 — 133: Obsequens 20 (79): cum Carthago ohsideretur, in cap-
tivos JRomanorum per Hasdrubalem barbaro more saevitum. Zonaras
1X29. 9, Boiss. I S. 315: dra 6 'AaSgovßag navrag rovg tüv *Pw-
ftaiwv alxM-ccXturas anixreiviv, omag anoyvwaiv avyyvwfirjg axovjeg
oi KaQxtiSovioi ngo&vfioTBQov avTi.xa(iTiQr^ab)ai\ genaueres bei Appian
Lib, 118.
Z. 133 — 134. Das hier Berichtete bezieht sicli auf die Einschliessung
von Carthago und die Kämpfe dabei im Sommer 607/147. Scipio bewerk-
stelligte zunächst die Abschliessung auf der Landseite (Appian, Lib, 119
bis 120), dann auch nach der See hin, wogegen sich die Carthager durch
den Bau eines neuen Hafenausganges wehrten (ebda. 121, Per, S. 57 Z. 8
bis 10, Florus I 31. 14, Zonaras IX 29. 9—10, Boiss. I S. 315 f.). Zu
crcbris proelis vgl. man Zonaras a. a. 0. 10 , Boiss. I S. 316 Z. 7 : xal
noXXal ftäxcci tv TovT<p tyivovto, auch Appian a. a. 0. 119: ot di
(die Carthager) inixBivro, xal rjv ctiziß (Scipioni) (gyov ini aradiovg
Tov fUTwnov nivTB xal elxoöiv kgya^ofiiv<p tb ofioi xal fia^ofiivip^
Vgl. Münzer bei Pauly-Wissowa IV Sp. 1446 ff.
Z. 135—136: Per. S. 57 Z. 21—24; belli AcJ^ici semina referuntur
haec, quod legati Romani ab Achaicis pulsati sint Corinthi, missi tU
eas civitiUeSy quae sub dicione PhiUppi fuerant, ab Achaico consilio secer-
nerent; vgl. Per. 52 S. 58 Z. 8: qtiia ibi legati Bomani violati erant.
In der Per. 51 ist die chronologische Ordnung verlassen und, wie das
öfter vorkommt, ein Nachtrag am Ende des Auszuges gegeben. Florus
I 32. 2 : Critolaus causa belli qui libertate a Bomanis data adversus ipsos
usus est legatosque Bomanos dubium an et manu certe oraiione violavit.
Eutrop. IV 14. 1 : propter iniuriam legatorum Romanorum, Cassius Dio
XXI fr. 72. 1, Zon. IX 31. 2 Boiss. 1 S. 318. Vjs handelt sich um die
erste Gesandtschaft der Römer zu dem achäischen Bund, welche geführt
wurde von L. Aurelius Orestes, dem Konsul von 597/157 ; zur Sache vgl.
noch Polyb. XXXVIII 7. 2, Strabo Vm p. 381 C, Justinus XXXIV 1. 8,
Vell. 112. 1 {cum gravibus etiam in Romanos contumeliis), Pausan. VII 14.
2 — 3, Niese, Gesch, der griech. und mak Stachen DI S. 3421 und unten
S. 92.
Z. 136: Für die hier erwähnte Unterwerfung der Lusitaner ver-
lassen uns alle Parallelberichte bis auf Appian, aus dem wohl Jb, 61
hierherzuziehen ist. Dort heisst es, dass die Lusitaner von dem Praetor
C. Vetilius {Per, 52 S. 58 Z. 17 M, Vetilius) in eine so bedrängte Lage
gebracht wurden, dass sie ngiaßeig ig tov OUtlXiov intfinov avv ixertj-
giatg^ yr^v kg cwo$x$afi6v aivovPTBg wg and tov 8b ka6fuvo$*P»iialwv ig
56 E. Kornemann,
ndvxa xarr^xooi. Das Abkommen war bereits dem Abschluss nahe,
als durch Viriathus' Dazwischentreten die Sache sich zerschlug ; im übrigen
vgl. unten S. 96 t
Z. 137 : Oros. IV 23. 1, V 3. 1 : Cn. ComeUo Lentülo L. Mumtnio cos.
(= 608/146). Vell. 112. 5, Censorin., de die not. 17. 11, Cassiodor:
Cn. Cornelius et L. Mummius; vgl. auch Cic. ad AU. XITI 33. 3.
Z. 138—139: Per. S. 57 Z. 12—14: a Scipione, gui tandem urbem
(fehlt in NP.) cxpugnavit septingentesimo anno quam erat condita. Ob-
sequens 20 (79), allerdings noch unter dem Jahre 607/147: mox Carthago
per Aemilianum diruta. Eutrop. IV 12. 2: is (Scipio) eam cepit et
diruit. § S: ita Carthago septingentesimo anno, quam condita erat^ deleta
est. Orosius IV 23. 1: P. Scipio, superioris anni consul^ delere Cartha-
ginem .... ingreditur, § 6: diruta est autem Carthago omni murali
lapide in pulverem conminuto septingentesimo post anno quam condita erat.
Florus I 31. 18: quanta urbs deleta sit etc., Pseudo- Victor, de vir. Hl-
58. 6: (Scipio) intra sex menses delevit, Zonaras IX 30. 4 — 6, Boiss. I.
« S. 316 f.; man vgl. auch Polyb. XXXIX 3—6 und darnach Diodor XXXII
23. 24, Appian, Üb. 127—132, endlich Vell. I 12. 5: Carthago diruta
est, cum stetisset annis sexcentis septuaginta duöbus {DCLXVII P,
DCLXVI A). Die livianische Tradition dagegen setzt das Ereignis in das
700. Jahr von Carthago. Die Per. hat wieder nach sachlichen Gesichts-
punkten den Stoff zusammengezogen. Wir lernen aus dem Papyrus, dass
die Einnahme Carthagos am Ende von Buch 51 dargestellt war. Interes-
sant ist endlich, dass alle livianischen Parallelberichte sich der Verba deleo
(Oros., Eutrop., Pseudo- Victor, Florus) oder diruo (Oros., Eutrop., Obsequens)
bedienen, nur unser Papyrus wieder eines anderen Wortes (direpta).
Z. 139—142: Per. S. 57 Z. 16—19: uxor eius (Hasdrubalis) , quae
paucis ante diebus de marito impetrare non potuerat ut ad victorem trans-
fugerent, in medium se flagrantis urbis incendium cum duobus
liberis ex arce praedpitavit. Florus I 31. 17: quanto fortius femina et
uxor ducisJ quae conprehensis duobus liberis a culmine se domus in
medium misit incendium imitata reginam, quae Carthaginem condidit.
Oros. IV 23. 4: uxor Hasdrubalis se duosque filios secum viriU dolore et
furore femineo in medium iedt incendium^ cundem nunc mortis exitum
facien^ novissima regina Carthaginis, quem quondam prima fecisset. Val.
Max. in 2 Eo^r. 8 : Karthagine capta uxor Hasdrubalis exprobrata ei
impietate^ quod a Scipione soli sibi impetrare vitam contcntus fuisset^ dextra
laevaque communes filios mortem non recusantis trahens incendio se fla-
grantis patriae obiecit; vgl. ausserdem Appian, lAb. 131, Zonaras IX 30. 6,
Boiss. I S. 317. Die livianischen Epitomatoren berühren sich sehr nahe:
die Übereinstimmung ist teilweise eine wörtliche; am nächsten scheint
unserem Texte Orosius zu kommen (vgl. se duosque filios).
Z. 142 — 143 : Falls die Ergänzung richtig ist, so kommt aus der Per.
in Betracht: S. 57 Z. 19 — 21: Scipio exemph patris sui Aemili Pauli,
Die neue lAvius-Epitome. bl
qui Macedomam vtcerat^ ludos fecit transfugnsque ac fwßtivos hestiis
ohiecii, vgl. App., lAb, 135.
Aus Buch 52.
Z. 145: Per. 52 S. 58 Z. 7 — 8: qui (L. Mummius) omni Achaia in
dedüione<ßny accepta Corinthon ex SC. diruit, quia ibi legati Romani
violati erant. Florus 132. 5: tum ah incolis deserta civitas direpta
primum^ deinde tüba praecinente deleta est. Orosius V 3. 5: qui (Mum-
mius) .... Carinthum sine mora expugnavit; § 6: urbe incensa muri
funditus diruti sunt. Eutrop. IV 14. 1: hanc (Corinthum) Mummif4S
consul cepit et diruit; vgl. de vir. ill. 60, Pausan. VIT 16. 5, Zonaras
IX 31. 5—7.
Z. 145 — 146: Pseudo -Victor , de vir. ill. 60. 2: duce Diaeo, qui
domum refugit eamquc incendit, coniugem interfecit et in ignem praeci-
pitavity ipse veneno periit. Pausan. VII 16. 4: Jiaiog .... änoxteivas
öi avTOX^i'Qi TViV yvvalxa^ i'va St] fifj yivoito alxfidXofTOS f reliVT^ nmv
(faQfiaxov, Zonaras IX 31. 5, Boiss. I S. 319: ^x Si rovxov /iiaiog fikv
icnoyvov^ lavvöv anixtuvB. An allen drei Stellen geht allerdings diese
Nachricht derjenigen von der Zerstörung von Corinth voraus. Doch ist
auch die umgekehrte Reihenfolge bei der Darstellung möglich, da die
Ereignisse zeitlich sich etwa decken. Denn TDiaios floh erst in seine
Heimat Megalopolis und fand hier mit der Gattin sein Ende; Niese,
Gesch. der griech. u. mak. Staaten III S. 350 ; doch vgl. auch unten S. 83
und S. 92 f.
Z. 146—148. Die Stelle knüpft an das an, was in Z. 136 zum
vorhergehenden Jahre angedeutet war. Der Bericht, der mir den Sinn
der Stelle im allgemeinen zu erfassen ermöglicht hat, ist derjenige des
Appian, Jh. 61: Ovgiat&OQ S* 6 ix rtjg FdXßa nagavofiiag kxifvywVf
tOTB avvwv cevtoJs, vnBfilfiyfjaxe r^g 'Pwßiaiiav aniariag^ ocaxig re
avTOlg ofioeavTBg kni&olvro xal wg oSi nag 6 argarog kx TO$wvdt
imogxioiv Fdkßa xal jitvxoXkov dia(pvyoifiiv. In der Zeile 148 lese
ich accepta[ej weil ich glaube (siehe unten S. 98), dass mehrere
Niederlagen der Römer in dieses Jahr gehören, die des Praetors Vetilius,
der selbst in der Schlacht gefangen genommen und getötet wurde (App.,
Jh. 63), und mindestens zwei des C. Plautius (ebda. 64) ; dazu Per. S. 58
Z. 14 — 18: Viriatus totam Lusitaniam occupavit, M. Vetilium
(so NP) praetorem fuso eius exercitu cepit ^ post quem C. Plautius praetor
nihilo felicius rem gessit\ Oros. V 4. 2—3 (ausdrücklich unter Berufung
auf die Konsuln des Jahres 708/146, vgl. V4. 1: isdem consulibus):
siquidem Hiberum et Tagum .... l(Ue transgredienti et pervaganti C. Ve-
cilius {Vetilius fh) occurrit: qui continuo caeso usque ad internecionem
paene omni exercitu suo vix ipse praetor cum paucis fuga lapsus evasit.
deinde C. Plautium praetorem idem Viriatus multis proeliis fractum
fugavit] vgl. auch Diodor XXXTTT 1. 3: (Viriathus) nokkalg ixgcirfice
58 E. Kornemann,
fiäxccig, dtg xal öTgartjydv 'Pwfialwv OviriXXiov (siel) avTtß xaranoXe-
fiilaai arganp xal a\xi*'OiXfutov Xaßelv xai ^iqu aveXilv xai noXXa higä
cvtjfiBQtjaai xata noXifiov twg 0äßiog x. r. A.; über C, PUmtius vgl.
ebda. XXXm 2.
Z. 149: Cassiodor: Q. Fahius Maximus et L, Hostilius (609/145).
VgL Cic, Laelius 96: Q. Maxime, fratre Scipienis, et L. Maneino con-
Z. 150: Was hier von M- Petreti^ius erzählt ist, habe ich so wenig
wie GBL ermitteln können. Diese verweisen auf die Thatsache, dass ein
G. Petronius Mitglied der römischen Gesandtschaft war, die im Jahre
598/156 an Attalos U. und Prusias 11. von Bithynien geschickt wurde,
cf. Polyb. XXXII 28 (26) Hultsch.
Z. 151: Per. S. 58 Z. 19 — 20. tatUumque terroris his hostis impulit
(Jahn: intülit), ut adver sus eum consulari opus esset et duee et exwcitu;
Diodor XXXIIT 1. 3; App., Jh. 65 Anfang: wv ol kv aöTU*P<afiaJo$ nvv^
&av6/iivoi^ Q^dßiov Md^tfiov AliuXiavov ^ AlfuXlov IlavXov to€ neQCia
TOP Maxedovojv ßaaiXia ävaXovrog vlov^ inefinov ig *Ißtjglav xai argariäv
iavjqt xaraygdifHv hnixgtnov.
Z. 152: Val. Max. VI 4. 2: S&r. Sulpicius Galba et Aurelim <(Jotta\
Frontin., de aquae ductu 7. 1: S<er.y Sulpicio Galba [cum] Lucio Aurelio
Cotta consulibusy Cassiodoi^: Scr. Galba et L. Aurelius (610/144).
Z. 153—156: Val. Max. VII 5. 4: eine (Q. CaedUo MeteUo) ergo
populus consulatum negare potuit, cui rnox duas clarissimas provincias aut
daturus erat aut debiturus, Achaiam et Macedoniam? und Pseudo- Victor,
de vir. ill. 61. 3: (Q. Caecilius Metellus) invisus plebi ob nimiam severi-
tatefn et idco post duas repulsas consul aegre (actus.
Z. 157—158: Per. S. 58 Z. 20— S. 59 Z. 6: praeterea motus Syriae
et bella inter reges gesta referuntur. Schon diese Einführungsworte lehren,
dass hier die Per. am Schlüsse alles, was von Syrien in dem Buche er-
zählt war, zusammen gefasst hat. Berichtet wird der Kampf zwischen
dem Usurpator Alexander I. Balas und Demetrios II. Nikator, der im
Bunde mit Ptolemaios VI., Philometor stand, die Verwundung des letzteren
in der Schlacht am Flusse Oinoparas und dessen Tod, die grausame
Regierung des Demetrios 11., der Aufstand des Diodotos genannt Tryphon
gegen den König zu Gunsten des kleinen Sohnes Alexanders Balas', der
als Antiochos VI. Epiphanes Dionysos zum König proklamiert wird, die
Besiegung des Demetrios und seine Flucht nach Seleukeia: Ereignisse,
welche in die Zeit 146 — 144 gehören (Niese, Gesch. der griech. u.
mak. Staaten III S. 263—265 und S. 276—278). Unser Text spielt
natürlich an dieser Stelle nur auf den Bürgerkrieg zwischen Demetrios
und Diodotos bezw. dem jungen Antiochos VI. an, der darnach ins Jahr
610/144 zu datieren ist; zur Sache vgl. Diodor XXXni4a, Justinus
XXXVI 1. 7, Tragus, prol. 35, 1. MaJck. 11, 56, Josephus, Antiqu. Xm 144,
App., Syr. 68 Anf., Niese a. a. 0. S. 278.
Die netic Livius-Epüomc. 59
Aus Buch 53.
Z. 160: Frontin., de aquae d. 7. 4: Appio Claudio Q. Caecilio con-
sulibus, Obsequ. 21 (80): Äppio Claudio P. (so die Aldina) Metello coss.
Orosius V 4. 7 : Appio Claudio Q. Caecilio Metello consulüms , Cassiod. :
App. Claudius et Q. Metellus, ebenso die Fasten; vgl. auch Cassius Dio
XXn fr. 74, Boiss. 1322: 6 Kkavdiog 6 avvägxf^y MtriXkov (611/143).
Es ist zu beachten, dass allein unser Papyrus eine andere Reihenfolge
der Konsuln hat.
Z. 161—163: Val. Max. V 1. 5: Q. vero Metellus Celtibericum in
Hispania gerens bellum, cum urbem Centobrigam obsideret et iam admota
machina partem muri, quae sola convelli poterat, disiecturus videretur, hu-
manitatem propinquae victoriae praetulit: nam cum Bhetogenis (so LA)
filios, qui ad cum transierat, Ceniobrigenscs machinae ictibus obiecissent,
ne pueri in conspectu patris crudeli genere mortis consumerentur ^ quam-
quam ipse Bhetogenes negabat esse impedimento^ quominus etiam per exitium
sanguinis sui expugnationem perageret^ ab obsidione discessit; vgl. Florus
133. 10: Metellus iUe, qui ex Macedonia cognomen meruerat et CeUi-
bericus ficri meruit, cum et Contrebiam memorabili cepissct exemplo et
Nertobrigae {nectobricae B , neros. brigis N , nersobrigis L) maiore gloria
pepercisset.
Zwischen Z. 163 und 164 fehlt eine Kolumne, auf der die Konsuln
von 612/142 verzeichnet waren; Obsequ. 22 (81): L. Metello, Q. Fabio
Maxime coss. ; genauer Oros. V 4. 8. : L. Caecilio Metello Q. Fabio Maxime
Serviliano consulibus. In diesem Jahre 612/142 befinden wir uns Z. 164 ff.
(Kol. VII). Ein Buchwechsel hat unterdessen nicht stattgefunden.
Z. 164—166 : Val. Max. HI 2. 21 : quorum virtuti nihil cedit Q. Occius,
qui propter fortitudinem Achilles cognominatus est: nam ut reliqua eius
opera non exequar, abunde tarnen duobus f actis, quae relaturus sum, quantus
bellator fuerit , cognoscetur. Q, Metello consuli legatus in Hispaniam pro-
fectus, Celtibericum svh eo bellum gerens, postquam cognovit a quodam gentis
huius iuvene sc ad dimieandum provocari arma sua extra vallum
defcrri equumque educi dam iussit, ne a Metello inpediretur et illum Celti-
berum .... interemit idem Pyresum (so L) nobiliiate ae virtute
omnes Celtiberos praestantem, cum ab eo in certamen pugnae devocatus
esset, succumbcre sibi coegit. nee erubuit flagrantissimi pectoris
iuvcnis gladium ei suum et sagulum utroque exercitu spectante tr ädere,
nie vero etiam petiit, ut hospitii iure inter sc iundi essent, quando inter
Romanos et Celtiberos pax foret restituta. Unser Text hat offenbar die-
selben beiden Heldenthaten erzählt. GH. (S. 108) konstatieren einen Gegen-
satz zwischen Val. Max. und unserem Text, insofern bei ersterem Q. Occius
als Legat des Konsuls Q. Metellus bezeichnet werde, während wir
seine Heldenthaten nach unserem Text ins Jahr 612/142, also unter das
Prokonsulat jenes Mannes, setzen müssen. Der Widerspruch besteht
aber in Wirklichkeit gar nicht; denn Val. Max. sagt Jiur, dass Q. Occius
60 E, Kornemann^
mit dem Konsul Q. Metellus nach Spanien ausgezogen sei (profectus).
Dann blieb er dort noch länger als Q. Metellus; denn wir finden ihn
nach Z. 186 unseres Textes unter dem Jahre 140 immer noch dort. Der
Name seines zweiten celtiberischen Gegners ist offenbar in den Hand-
schriften des Val. Max. verderbt überliefert. Denn auch Orosius V 8. 1
nennt (worauf Greenidge bei GH. S. 108 aufmerksam macht) nach dem
Fall von Numantia einen Thyresum quendam^ Cclticum principem. An dem T
im Anfang werden wir nach dem neuen Fund also festhalten; es fragt sich
nur, ob nicht im Papyrus Tpresio für Tyreso verschrieben ist, was bei den
vielen Fehlern gerade in den Eigennamen nicht auffällig wäre. Endlich
liegt insofern eine Divergenz zwischen den beiden Parallelberichten vor,
als Occius nach dem Papyrus nur den Mantel des Gegners iurückgiebt,
von dem anderen aber das Schwert zum Geschenk erhält, während nach
Val. Max. Schwert und Mantel dem Besiegten vom Sieger zurückgegeben
werden. Es liegt wahrscheinlich hier eine der vielen Flüchtigkeiten oder
rhetorischen Übertreibungen des Val. Max. vor.
Z. 167: Obsequens 22 (81): in Macedonia exercitiis Bomanus proelio
vexcUus; adver sus Viriatum dubie dimicavit (dimicatum: Scaliger).
Der in unserem Texte erwähnte Konsul Metellus kann nur L. Metellus,
der Konsul von 612/142, sein. Dass er in Spanien gegen die Lusitaner
gekämpft hat und besiegt worden ist, ist eine neue Thatsache, die wir
durch den Papyrus erst erfahren, s. darüber unten S. 99 f.
Z. 168—169: Die Per. hat am Ende des vorhergehenden Buches (52)
S. 59 Z. 6 — 7 nur die Notiz: L. Mummius de Achaeis triumphavä, Signa
aerea marmoreaque et tabulas pic<tasy in triumpho tulit; ebenso Eutrop.
IV 14. 2. Hier ist über die Verteilung der Kunstschätze des Mummius
nichts gesagt. Von derselben wussten wir seither sowohl durch literarische
Quellen (Cic, in Verr. act. II. I 55, Orator 232, de off. U 76, Strabo
Vin p. 381, Pseudo-Frontin., strateg, IV 3. 15: L. Mummius qui Carintho
capta non ItaUam solum sed etiam provincias tabuiis statuisque exornaoit,
adeo nihil ex tantis manubiis in suum convertit, ut etc., Florus I 32. 6,
de vir. iU. 60. 3, PHnius, K K XXXIII 149) als auch durch die In-
schriften (Dessau, Inscr. lat. sei I n. 20 — 21 d^ Mommsen, CIL I p. 150).
Aber die Zeit der Verteilung war durch alle diese Quellen nicht fest-
gelegt: man nahm allgemein an, sie sei unmittelbar im Anschluss an
den Triumph (dieser fand im Jahre 609/145 statt, Fischer, Zeittafeln
S. 130) erfolgt. Nach unserem Texte gehört die Verteilung aber in die
Censur des L. Mummius. Eine Andeutung in dieser Hinsicht bietet auch
schon Cic, de off. II 76: quid? qui eins (Aemiliani) collega fuit in cen-
sur a, L. Mummius, num qui copiosior, cum copiosissimam urbem funditus
sustulisset? Italiam ornare quam domum suam maluit; qumnquam
Italia ornata domus ipsa mihi videtur ornatior. Über die Volksfreundlich-
keit und Freigebigkeit des Mummius während dieser Amtszeit vgl. auch
Cass. Dio XXn fr. 76 Boiss. I & 322 f.
Die neue Ltvius-Epitome, 61
Z. 170: Cassiodor: Cn. Cepio et Q. Potnpeius; vgl. Vell. 11 21. 5 u.
ac. ad AU. XII 5. 8: Caepione et Pompcio (613/141).
Z. 171—172: Per. S. 59 Z. 12—13: a Q. Fabio procos. magna pars
Lusitanicu^ expugnatis aliquot urhibus recepta est, vgl. Per. 54 S. 60
Z. 1: rebus in Hispania prospere gestis, Orosius V 4. 12: igitur Fabius
consul contra Lusitanos et Viriatum dimicans Bucciam oppidum, quod
Viriatus obsidebat, depulsis hostibus liberavit et in deditionem cum plurimis
aliis castellis recepit Orosius setzt das Ereignis fälschlich ins Jahr
612/142, wie die Bezeiclinung consul und die Worte in § 13: Pompeius
sequentis anni consul beweisen. Florus I 33. 17: tandem cum (Viria-
tum) iam Fabius Maximus consul oppresscrat. Hier ist offenbar Fabius
Maximus Servilianus und nicht Fabius Maximus Aemilianus gemeint (vgl.
die dann folgenden Worte: sed a successore Popüio etc.); in diesem
Falle liegt bei ihm dieselbe falsche Datierung des Ereignisses vor wie
bei Orosius; vgl. auch App., Jh. 68.
Aus Buch 54.
Z. 174: Per. 54 S. 59 Z. 16—17: Q. Pompeius cos. in Hispania Ter-
mestinos subegit. cum isdem et Numantinis pacem ab infirmitate fecif.
Orosius V 4. 13: Pompeius sequentis anni consul fines Numantinorum
ingressus accepta maxima clade discessit^ non solum excrcitu paene
omni profligato verum etiam 2>i^^^is nobilium, qui ei militiae adcrant,
interemptis. Erwähnung des infame foedus ebda V 4. 21. Eutrop. IV 16. 2
nur: suecessit ei (Q. Caecilio Metello) Q. Pompeius, dagegen 17. 1: Q. Pom-
peius deinde consul a Numantinis super atus pacem ignobilem fecit.
Vell. II 1. 4: (Numantia) tum Pompeium magni nominis virum ad turpissima
deduxü foedera; vgl. Diodor XXXIII fr. 16 und 17, Cassius Dio XXII
fr. 77 Boiss. I S. 323, App., Jb, 76 Ende. Der schimpfliche Friedensschluss
(dazu App., Jb. 79) gehört erst ins Jahr 614/140 (s. unten S. 103). Die
Per. hat also wieder die Ereignisse zweier Jahre zusammengezogen,
während unser Text nur das giebt, was ins Jahr 613/141 gehört.
Z. 174 — 175: Für diese Niederlage der Römer im Scordiscerland fehlt
jeglicher Parallelbericht. Erst Buch 56 der Per. hat eine Erwähnung
der Scordisci, vgl. S. 61 Z. 18 — 19: M. Cosconius (cossonius NP) praetor
in Thracia cum Scordiscis prospere pugnavit zum Jahre 619/135, Fischer,
Zeittafeln S. 135, Mommsen, R. G. ir S. 169.
Z. 176: Obsequens 23 (82): Gn. (so die Aldina) Caepione C Laelio
coss. C'assiodor: Q. Ccfno et C. LaeUus; vgl. Cic, Brutus 161: Q. Cae-
pione consule . . . et C Laelio; dagegen in umgekehrter Reihenfolge bei
Frontin., de aquaed. 7. 4: C. Laelio Q. Servilio consulibus und in den
capitol. Fasten, vgl. CIL. V p. 148 (a. 614/140).
Z. 177 — 178: Wiederum mangelt es an Parallelberichten. Für die
Ergänzung der englischen Forscher spricht die Thatsache, dass in jener
Zeit die Frage des Heoresersatzes, namentlich infolge der langen Dauer
62 E. Kornemann,
des spanischen Krieges, eine brennende geworden war ; vgl. Per. 48 S. 50
Z. 21—25 zum Jahre 603/151, dann wieder zum Jahre 616/138 Per. 55
S. 60 Z. 14—16 und unser Pap. unten Z. 202—205; siehe daselbst und
zu Z. 182 — 184. Appius Claudius, der den Antrag durchbrachte, war
wohl der Konsul von 611/143.
Z. 178 — 181: Per. S. 59 Z. 19 — 26: cum Macedonum legati questum
de D. Junta Silano praetore venissent, quod acceptis pecuniis provinciam
spoliasset^ et senatus de querellis eorum vellet cognoscere, T. (fehlt in N)
Manlius Torquatus, pater Süani, petit impetravitque, ut sibi cognitio man-
daretur: et dornt causa cognita füium condemnavit ahdicavitquc, ac ne
funeri quidem eius, cum stispendio vitam finisset, interfuit sedensque
dornt potestatem consultantibus ex instituto fecit. Val. Max. V 8. 3:
T. autem Manlius Torquatus cum ad senatum Macedonia de
filio eius D, Stlano, qui eam provinciam optinucrat, querellas per legatos
detulisset, a 2)citribus conscriptis 2)etiit, ne quid ante de ea re statuerent,
quam ipse Macedonum fUiique sui causam inspexisset. summo deinde cum
amplissimi ordinis tum etiam eorum, qui questum venerant, consensu cogni-
tione suscepta domi consedit solusque utrique partiper totum hiduum vacavit
ac tertio plenissimc die diligentissimeque auditis testibus ita pronuntiavit: —
folgt das Urteil — tarn tristi patris sententia perculsus Silanus lucein
ulterius intueri non sustinuit suspendioque se proxima nocte consumpsit. ....
at illc neque exequiis adulescentis interfuit et, cum maxime funus
eius duceretur, eonsulcre se volentihus vacuas aures accommodavit.
Die drei Berichte stehen einander sehr nahe, derjenige der Per. steht
wie im Umfange so auch in sonstiger Beziehung zwischen dem des Pap.
und des Val. Max. Für das Wort funeri des Pap. und der Per. hat Val.
Max. exequiis, für consultantibus, eonsulcre se volentihus ; dagegen begegnen
sowohl in der Per, wie bei Val. Max. die Worte petiit und cognitio, die
der Pap. nicht hat. Pap. und Per. endlich unterscheiden sich sprachlich
in folgendem: Pap.: damnavit, Per.: condemnavit \ Pap. in domo sua, Per.
domi. Im übrigen steht die Geschichte auch schon bei Cic, de fin. I 24,
abgesehen von der Erwähnung des Fembleibens beim Begräbnis. Doch
erfahren Avir aus dieser Stelle, dass Torquatus der Konsul von 589/165 war.
Z. 182 — 184: Wieder ein bisher unbekanntes Faktum. Es handelt
sich um den Abgang des Konsuls Caepio nach Hispania ulterior. Derselbe
muss nicht gleich im Beginn des Amtsjahres erfolgt sein, sondern erst
später (darüber unten S. 101 f.). Die Persönlichkeit des interzedierenden
Volkstribunen Ti. Claudius Asellus war uns schon bekannt (über ihn am
besten Münzer bei Pauly-Wissowa HI Sp. 2676 Nr. 63). Er war ein
Gegner des Scipio Aemilianus, den er anklagte, postquam de Poems
triumphaverat censorque fuerat und zwar, weil der Censor ihm das Eitter-
pferd genommen hatte (Gellius, N. A. DI 4, dazu ebda. VI 11. 9, II 20. 6,
IV 17. 1 aus Lucilius, Cic, de erat. II 258 und 268, Festus p. 286 M. [aber
mit selir unsicherer Ergänzung]). Ein Claudius Asellus wird auch bei
Die neue Livius-Epitome. 63
Val. Max. VI 3. 8 als von seiner Gattin Licinia vergiftet genannt. Das
dürfte gleichfalls dieselbe Persönlichkeit sein, da an derselben Stelle des
Val. Max. die Vergiftung des Postumius Albinus, des Konsuls von 603/151,
ebenfalls durch die eigene Frau, berichtet wird. Als Grund für das Da-
zwischentreten des Volkstribunen vermutet Greenidge bei GH. S. 112
wiederum den Versuch, den Konsul an der Hinausführung neuer Truppen
zu verhindern, und er verweist auf einen ähnlichen Fall im jugurthinischen
Krieg: Sali., Jug. 39. 4: consul (Sp. Postumius Albinus, cos. von 644/110)
impeditus a tribunis plebis, ne quas paraverat copias secum poriaret, paucis
diebus in Africam profidscitur.
Z. 185—186: Per. S. 59 Z. 26— S. 60 Z. 2: Q. Fahius procos. rebus
in Hispania prospere gestis labern imposuit pace cum Viriato ctequis condi-
cionibus facta. Obsequens 23 (82) dagegen hat zu demselben Jahr die
Notiz : annus pacatus fuit Viriato victo. Einen Sieg des Viriathus berichtet
Appian, Jb. 69, wo wir zugleich den Inhalt des Friedensvertrages auf
Grund des Status quo haben: OvQiax&ov uvai -Pwfjialuiv fflXov xal vovg
in* avT^ nivras hi ^x^vöi yng &QZ^^\ Vgl. auch Diodor XXXIII 1. 4: ilg
övv&rixag avxov iX&tiv aval^iovg 'Pwfialatv tjvdyyaöev.
Z. 186 — 188: Diese Heldenthat des Q. Occius kennen wir aus anderen
Quellen nicht. Es ist wohl eine der reliqua eius opera, auf die Val. Max.
in 2. 21 hinweist, ohne sie zu erzählen.
Z. 188 — 190: Frontin., de aquaed. 7. 1—4 bes. § 4: co tempore de-
cemviri, dum aliis ex causis libros Sibyllinos inspiciunt, invenisse (invenit
cod.) dicuniur non esse, aquam Marciam seu potius Anionem — de hoc
enim constantitis traditur — in Capitolium pcrduci: deque ea re in senatu
M. Lepido pro coUega verba facientc actum Appio Claudio Q. CaeeiUo
consuUbus eandemque post annum tertium a Lucio Lentulo retractatam
C. Laelio Q. ServUio consulibus, sed utroque tempore vieisse gratiam Marcii
Regis atque ita in Capitolium esse aquam perductam; Plinius, H. N.
XXXVI 121: Q. Marcius Bex iussus a senatu aquarum Appiae, Animsis
[Tepulae] ductus reficere, novam a nomine suo appellatam cuniculis per
montem actis intra praeturae stme tempus adduxit. Zu diesen Stellen er-
halten wir hier eine wichtige Ergänzung. Es war darnach wohl ur-
sprünglich beabsichtigt, die aqtm Anio auf das Capitol zu leiten. Statt
dessen wurde die neue aqua Marcia dorthin geführt. Erbaut wurde die
Marcia nach Frontin., a. a. 0. 7. 2 u. 3 von dem Praetor Q. Marcius Rex
in den Jahren 610/144 und 611/143, nach unserem Texte geschah die
Fortführung bis auf das Capitol aber erst im Jahre 614/140.
Z. 191 : Cassiodor: Cn. Piso et M. Popilius (PompHius P). Die um-
gekehrte Reihenfolge dagegen bei Val. Max. I 3. 3 (Par.): M. Popilio
Laenate L. (statt Cn.) Calpumio coss. M. Popilius Laenas auch bei App.,
Jb. 79 (a. 615/139). C, Po<jn)ilius hat allein der Papyrus. Marcus ist
offenbar der richtige Vorname. Über Cn. Piso (Pap. u. Cassiodor) statt
L. Piso 8. u. S. 73 mit Anm. 3.
64 E. Kornemann,
Z. 192: Val. Max. I 3. 3, Par.: Cn. Cornelius HispaltAS praetor pere-
grinus M. Poptito Laenate L. Calpurnio coss. edicto ChalcUzeos citra decimum
diem abire e^ urbe atque Italia itissity Nep.: Chaldaeos igitur Cornelius
Hispalus urbe expulit et intra decem dies Italia abire it^sit ; vgl. Servius,
ad Aen. Vm 187.
Z. 193—194: Einen Parallelbericht aus der livianischen Tradition
haben wir hier nicht; vgl. aber Cic, de leg. III 35 (Vahlen): sunt enim
quattuor leges tabellariae, quarum prima de nmgistratibus mandandis: ea
est Gabinia, lata ab homine ignoto et sordido. secuta biennio post Cassia
est, ähnlich Laelius 41. Das Jahr der lex Gabinia ergab sich schon aus
Cic, Brutus 106, wo die lex Cassia in das Jahr 617/137 datiert wird.
Unser Text bestätigt dies. Ich vermute, dass Gabinius nicht Frei-
gelassenensohn sondern -Enkel war; vgl. Mommsen, St. JB. I^ S. 488.
Ein Volkstribun, dessen Vater ein Freigelassener war, begegnet uns zum
ersten Mal unter dem Jahre 654/100, vgl. App., b. c. I 33.
Z. 195 — 196: Warde Fowler hat zuerst erkannt, dass der einzige
Parallelbericht bei Cassius Dio XXn fr. 78, Boiss. I S. 323 f. erhalten ist:
oTi Katniwv tovq fiiv nolBfiiovg ovSh o n xai äl^iov tiniiv^ rovg Si
olxeiovg nolld xai Sei^vd üdgaaev^ äavB xai xivSvvevaai vn'
avTwv ocnolia&ai. ^aXenaig rc ydg avxov xai rga^itog roJg tb dXXotg
xai fidkiora zolg l n 7t evai xQ^f^^^^^i noXXoi noXXu xai axona talg vvl^iv
OTi (iccXiaxa diiaxatnxov xai Su&goovv xai htf öaov ye kxelvog 8id rot/r'
^yavdxxBiy kni TtXüov izdO-a^ov, öniag k^ogyiCfino. iLg ovv x6 ngaxxofuvov
tvStjlov 7Jv, vnev&vvog Sk oiSeig aigiffxexoy inoxonriactg vno xwv inniiav
avTO yiyvBö&ai, xai kg oiSiva xgirfjai^ Svvfj&eig x^v alxiav^ ndaiv avxoig
XTjV ogyr^v ^(pegev, xai kxikBvaev avxovg i^axoaiovg ovxag xcv noxafiöv,
nag* oo iaxgaxontStiovro^ uBxd fiovwv innoxofiatv Siaßijvat, xai ix xov
ogovg k(f' (p 6 Oligia&og fjvki^Bxo ^ukiaaa&ai. Als Vorstellungen der
Offiziere gegen diesen Befehl wirkungslos blieben, führte ihn die
Truppe unterstützt von der Auxiliarreiterei und anderen Freiwilligen aus.
Nach der glücklichen Kückkehr aber häufte man das mitgebrachte Holz
um das Feldhermzelt herum auf, um den Caepio zu verbrennen. Nur
durch eilige Flucht entging er seinem Schicksal.
Z. 197—198: Per. S. 60 Z. 2—6: Viriatus a proditoribus cofisilio
Servili Caepionis interfectus est et ab exercitu suo multum comploratus
ac nobiliter sejmltus; vir duxque magnus et per XI III annos, quibus cum
Romanis bellum gessit^ frequentius superior. Eutrop. IV 16. 2: quo motu
Viriathus a suis interfectus est, cum quattuordecim annis Hispanias
ndversus Romanos movissct. Orosius V 4. 14: Viriatus autem cum per
quattuordecim annos Romanos duces atque exercitus protrivisset ^ insidiis
suorum interfectus est; dazu noch Florus I 33. 17 {per fraudem et
insidias et domesticos percussores), Vell. 11 1. 3: {interempto Viriatho
fraude magis quam virtute Servilii Caepionis), Val. Max. IX 6. 4 {in amicis.
quod corum manibus interemptus est). Frappant ist liier die Ähnlich-
Die neue Livius-Epitome. 65
keit der Berichte der Per., des Orosius und Eutrop. bis auf die Worte
ifUerfcctus est (dagegen Vell. und Val. Max. interemptu^ est) und die An-
gabe der 14 Jahre der Feldhermzeit des Viriathus. Um so abweichender
in Form {iugulaverufd) und Inhalt (die drei Namen der Mörder) ist unser
Text. Dieselben Namen wie der Pap. hat (wenn auch in anderer Reihen-
folge) App., Jh. 71: Ovgiar&og dk Kamiwvi mgi aufißdöewv rovg niöxo-
rdtovg airtp (pilovg knintfin^v^ Avöaxa xal JirdXxuva xal Mi-
vovQOV, ot Siatfd-agivTBg vno xov Kainitovog Scigoig re fiaydlotg xal
vnaaxiiSMi noXXaig vniarriöav airtß xtsvbiv top Ovgiar&ov, xal ^xreivav
6üSb. Diodor (XXXTTI 21) dagegen giebt zwar dieselbe Folge der Namen,
aber diese z.T. in anderer Form: JvSag xal Jirdkxrig xal Nixo-
govTtjg, so dass bei ihm eine andere Vorlage (Polybios) angenommen
werden muss, während Appian hier der annalistischen Überlieferung gefolgt
ist. Ganz allein steht Pseudo- Victor mit der Nachricht von nur zwei
Mördern, vgl. 71. 3: Cacpio^ cum vincere aliter non posset^ duos Satellit es
2»ecunia corrujntj qui Viriathum humo depositum peremerunt
Aus Buch 55.
Z. 200: Per. 55 Anfang: P. Cornelia Nasica , . . et Dec. Junio Bruto
coss.\ Pseudo-Frontin. IV 1.20: P. Cornelio Nasica Decimo Junio consulibus ;
Cassiodor: P. Scijno et D. Brutus. Vgl. Cic, Brutus 85: P. Scijno et
D. Brutus . . . consules, de leg. III 20 : Decimum Brutum et P. Sdinonem
consules (a. 616/138).
Z. 201 — 202: Eutrop. IV 16. 3: et cum interfectorcs eius prae-
mium a Caejnone consulc peterent^ responsum est numquam Romanis ph-
cuisse impercUores a suis militibus inierfici; darnach Joann. Antioch. fr. 60 M;
Suidas s. v. Bogiav&og , kmßovXrj , fälschlich = Cass. Dio fr. 80 B. D. (so
GH. S. 114; vgl. dagegen Boissevain, Dio- Ausg. I S. CXII und CXXI,
sowie S. 325); Orosius V 4. 14: in hoc solo Romanis circa cum fortiier
agetitibus, quod percussores (derselbe Ausdruck bei Florus s. o. S. 64)
eius indignos praemio iudicarunt, Pseudo- Victor, de vir. ül. 71. 4: qtiae
. Victoria^ quia empta erat (Val. Max. IX 6. 4 : victoriam non meruit^ scd emit),
a senatu non probata. Bei Appian, Jb. 71 ist die Rede von grossen Ge-
schenken und vielen Versprechungen, wodurch Caepio die drei Männer
bestach, von der Verweigerung eines praemium ist hier nichts zu lesen.
GH. haben daher ganz Recht, wenn sie sagen (S. 114), dass die bei Eutrop.
erhaltene Antwort und die Verweigerung einer Belohnung, die erst in
dem auf den Mord folgenden Jahre stattfand, nicht von Caepio, sondern
vom Senate ausging. Das beweist vor allem die Stelle des Pseudo- Victor,
die GH. übersehen haben. Die livianische Tradition hat also darüber
keinen Zweifel gelassen, dass die Ermordung des Viriathus von Caepio
ausging (abgesehen von den citierten Stellen vgl. auch noch Per. S. 60
Z. 3: consilio Servilii Caejnonis), aber sie hat auch erwähnt, dass der
Senat nachträglich die That missbilligt^
Korn ema DD, Die neue LiTioi-Epitome. ^
66 E. Kornemann,
Z. 202—205: Per. S. 60 Z. 14—16: tribuni plebis quia non
inpetrareni , ut sibi denos quos vellent milites eximere Uceretj consules in
carccrem duci iusserunt. Dieser Bericht steht in der Per, hinter dem-
jenigen über die Bestrafung der desertores resp. eines derselben
(C. Matienus), während in unserem Pap. die umgekehrte Reihenfolge
eingehalten (vgl. über die desertores Z. 207 — 209), ja sogar noch ein
weiteres Faktum dazwischengeschoben ist (Z. 205 — 207). Diese Ereig-
nisse spielten sich allerdings alle bei derselben Gelegenheit ab, vgl.
Per. S. 60 Z. 10 — 11: consulibus dilectutn habentibus in conspectu tironum
res saluberrimi exempU facta est, worauf dann das Vorgehen gegen
G. Matienus geschildert wird. Trotzdem kann das Livius-Original nur
die eine oder die andere Reihenfolge in der Erzählung eingehalten haben,
und ich glaube, dass wieder der Papyrus, welcher mehr bietet, auch die
Folge der Dinge treuer bewahrt hat. Der rhetorischer gehaltenen Per.
kam es vor allem darauf an, das exemplum, das die Geschichte des
0. Matienus bietet, herauszustellen. Die vorlivianische Überlieferung über
das Vorgehen der Volkstribunen gegenüber den Konsuln haben wir bei
Cic, de leg. III 20 : etsi quinquennio ante Dedmutn Brutum et P. Scipionem
con&ules, quos et quantos vires y homo omnium infinms et sordidissimus, tri-
bunus pl. C. Curiatius, in vincula coniecit, qaod ante factum non erat
(das letztere falsch, vgl. Per. 48 zum Jahre 603/151). Während also
Cicero einen Volkstribunen, nämlich C. Curiatius, als Thäter nannte, spricht
die Per. von Volkstribunen, und dass das keine rhetorische Übertreibung
des Epitomators ist, beweist jetzt unser Text, der die Namen der zwei
Tribunen aufführt. Weiter lernen wir aus dem Papyrus, dass sich das
Volk einmischte und daraufhin den Konsuln die Strafe erlassen wurde
{multa im allgemeinen Sinn von Strafe auch bei Liv. XXIV 16. 13, vgl.
GH. S. 114). Der Volkstribun C. Curiatius erscheint auch sonst als
Gegner des Konsuls Scipio Nasica, vgl. Per. S. 60 Z. 8 — 9, Val. Max.
III 7. 3, Plin., H. N. VII 54.
Z. 205—207: Hier war der Tod eines sehr populären Volkstribunen
geschildert. Leider ist der Name desselben, der wohl am Ende von
Z. 205 gestanden hat, verloren. Warde Fowler und Reid suchen diese
unsere Stelle mit Plin. XXI 10 in Verbindung zu bringen, wo auch von
dem Tode eines sehr volkstümlichen Tribunen (die codd. haben in tribu-
mtu, während in consulatu Konjektur ist) und zwar eines solchen mit
dem Beinamen Serapio die Rede ist: obierat in tribunatu plebei admodum
gratus dignusque Africanorum familia, nee erat in bonis funeris inpensa.
asses ergo contulit populus ac fimus elocavit quaque prasterferebatur flores
e prospectu omni sparsit. Warde Fowler spricht die Vermutung aus, dass
hier vielleicht ein Bruder oder Sohn des Konsuls Scipio Nasica gemeint
sei, und dass daher vielleicht am Eiide von Z. 205: Nasicae frater oder
filius einzusetzen sei. Gegenüber diesen Ausführungen verweise ich auf
Münzer im Hermes 32, 1897, S. 471 und bei Pauly-Wissowa IV Sp. 1504
Die neue Livius-Epitome. 67
Nr. 355, der die Pliniusstelle , die aus Valerius Antias stammt, richtig
auf den Konsul von 643/111 bezieht, der bekanntlich während seines
Amtsjahres starb; über ihn, bes. seine Popularität Cic, Brutus 128, Diodor
XXXIV/XXXV 33. 1 und 8.
Z. 207—209: Per. S. 60 Z. 11— 14: nam C. Matienus (maiienius NP)
accusatus est apud tr{ibunos) pl{ebis), quod exercitum ex Hispama deseruisset,
damnatusque stA furca diu virgis caesus est et (fehlt inN) sestertio
nummo veniit (vemYNP); Pseudo-Frontin. IV 1. 20: P. Cornelio Nasica
Decimo Junio consulibus, qui exercitum deseruerant, damnati virgis caesi
publice venierunt. Hier hat also wieder nicht die Per. den unserem
Pap. zunächststehenden Text.
Z. 210—211: Val. Max. Vm 1. Absol 11: P. Scipio Aemilianus
Cottam apud populum accusavit. cuius causa, quamquam gravissimis crimi-
nibus erat confossa, septies ampliata et ad ultimum octavo iudicio absoluta
est, quia honiines verebantur ne praecipuae accusatoris amplitudini
damnatio eius donata existimaretur, dazu Tac, Ann. IIl 66 ; Appian, b. c.
I 22, wo aber eine ganz andere Begründung der Freisprechung (nämlich
durch Bestechung der Richter) gegeben ist. Die vorlivianische Überlieferung
haben wir bei Cicero, pro Mur. 58, div. in Caec. 69 und Pseudo-Asconius
zu der Stelle p. 124 Or., Brutto 81 (hiernach war Q. Metellus Macedonicus
der Verteidiger des Cotta). Cicero datiert das Ereignis ganz anders als
der Pap., nämlich nach 620/134 resp. 621/133; hierüber vgl. unten S. 104ff.
Z. 212: Was die Lusitaner betrifft, so weiss die Per, an der ent-
sprechenden Stelle (S. 60 Z. 16 — 18) nur die Ansiedlung der Soldaten des
Viriathus in Valentia in Spanien zu berichten, und erst Z. 27— S. 61 Z. 2
folgt die Bemerkung : Decimus Juniu^s Lusitaniam expugnationibus urbium
usque ad oceanum perdomnit, so dass auch hier wieder eine Abweichung
von der Anordnung des Stoffes im Original zu konstatieren ist. Zur Sache
vgl. App., Jb. 73 (71): kg dh rag nolug avrüiv higantro, Sixrjv tb ki^ipea&ai
n(}oadoxüiv^ xai rfj ötgariä nokv xigdog nigUatad-aiy xai xovg Xif^tsväg kg
ixdavfiv dg narglStt xivdwevovaav dialv&riatad-ai, 6 fihv dfi xüvx iv^
^vfiovfiivog kSyov xä kv noaiv unavxa av/iuaxovfiipiav xoig ixvdQWSi,
xwv ywaixcüv xai avvavaigovfiivwv xai ov xtva (fwv^p oiÖ' kv xalg aq>ayalg
CUfUlÖWV,
Zu der Niederlage durch die Numantiner vgl. Per. S. 60 Z. 18—20:
M. Popilius a Numantinis, cum quibus pacem factam inritam ficri senatus
censuerat, cum exercitu fusus fugatusque est ; anders Appian, Jb. 79 Ende :
xy ßovXy J* Uojc noXi^üv jNofiavxivoig, xai 6 TloniXiog kvißaXev kg xovg
ydrovag avxüv Aovöovag^ ovdiv d' kgyaaafAtvog (ijx€ ydo avx^ dia-
do^og knl xfiv argaxrjyiav *OaxlXiog Mayxlvog) av^ev^Bv kg 'Pwfir]v,
Z. 213—214: Per S. 61 Z. 4—8: Alexandri ßius, rex Syriae, X annos
admodum habens, a Diodoto qui Tryphon cognaminabatur, tutorc suo,
per fraudem occisus est, corruptis medicis, qui illum calculi dolore con-
sumi ad populum mentiti^ dum secant, occiderunt. Orosius V 4. 18;
5*
B8 E. Komemann,
qui (Diodotus) postea ipsum Älexandrum fUium, quem participeni pericuU
in pervadendo regno halmerat, ne in obtinendo consortem haberet, occidit
(über die Stelle s. unten S. 95). Die Per. hat wiederum die Reihenfolge
des Originals verändert, indem der Übergang des Decimus Brutus über
den Oblivio, der erst ins Jahr 617/137 gehört, vor diesen Ereignissen
erzählt wird (S. 61 Z. 2 — 4); Orosius dagegen giebt die citierten Worte
an der richtigen Stelle: denn § 19 beginnt mit den Konsuln für 617/137;
zur Sache vgl. ausserdem Diodor XXXin25, App., Syr. 68, Justinus
XXXVI 1. 7 (XXXVm 9. 3), Joseph., Ant. Jud, XHI 218, Niese, Gesch.
der griech. u. mak, Staaten III S. 283. Über das chronologische Problem,
das hier vorliegt, vgl. unten S. 94 ff.
Z. 215: Obsequens 24 (83): M, Aemilio {Aemylio a) C. Hostilio Man-
cino coss. Orosius V 4. 19: M. Aemilio Lepido C. Hostilio Mancino con-
sulibus, Cassiodor: M. Aemilius et G. Hostilius Mancinus-, vgl. auch Cic,
BruttAS 106: Lejndo et Mancino consulibt^ (a. 617/137).
Z. 216—217: Per. S. 61 Z. 2—4: Decimus Junius . . . cum flumen
Oblivionem transire nollent, raptum signifero Signum ipse transtulit
et sie ut transgrederentur persuasit. Florus I 33. 12: Decimus Brutus
(diquanto latius Celticos Lusitanosque et omnis Ccdlaeciae j^ojndos formida-
tumque militibus flumen Oblivionis x)eragratoque vietor Oceani litore
non prius signa convertit quam etc., vgl. auch Vell. 11 5. 1 und Appian,
Jh. 74 (72): (Brutus) xai xov Jogiov negdaag noU,d fiiv noXifitp xari-
ögafAB, nokkd öh nagä xiuv avxovg kväiSoPTwv Sfifiga alrijactg ^ni Ar^ß-tpf
fiBTfiu, ngdJTog oSe'Pdüfiaicüv kntvodiv tov norafiov rovSe Sia-
ßr^vai. mgdaagSk xal tovSb, xai fiixQ'' ^if^og irigov noxdfjLOV ngoik&wvy
. . . hargdrtviv inl xovg Bgaxdgovg. Wahrscheinlich war der Auszug aus
Buch 55 mit dieser Notiz beendigt.
Zu den Fragmenten ist oben S. 34 alles Nötige gesagt.
IV.
Das Verhältnis des Papyrus zum Livius-Original
sowie den vorhandenen Livius-Epitomatoren und
Livius-Benützem.
A. Für die Feststellung des Verhältnisses unseres Textes zum Livius-
original sind die drei ersten Kolumnen mit den Auszügen aus den er-
haltenen Bücheni 37—40 von entscheidender Bedeutung. Von ihnen
gehen wir aus:
I. Dass der Inhalt des Papyrus in letzter Linie auf Livius zurück-
geht, bedarf eigentlich keines Beweises mehr. Ich stelle aber zum Über-
fluss die Indicien noch einmal zusammen, die das unwiderleglich darthun :
1. Livius selbst hat XXXVIH 24. 2 Orgiago statt Ortiago (19. 2);
der Papyrus (Z. 14) giebt Avie alle von Livius abhängigen Schriftsteller
diese falsche Namensform, vgl. darüber Mommsen, Böm. Forschgen. II
Die neue Livius-Epitome. 69
S. 541 A. 38. Ebenso fehlt wie im Original und bei allen Li vianern der
Name der Frau, Chioniara (oben S. 37).
2. Der Name des einen Konsuls für 573/181 heisst (Z. 74) mit Livius
XL 18. 1 und den von diesem abhängigen Quellen P. Cornelius Lentulus,
während die nichtlivianische Überlieferung denselben Mann P. Cornelius
Cethegus nennt (oben S. 46).
3. Bei der Erzählung von der Auffindung der libri Numae hat der
Pap. (Z. 75) die Version des Livius XL 29. 3 und der Livianer (L. Petilius
heisst der Schreiber, auf dessen Grundstück die gefälschten Bücher ge-
funden werden, und es sind zwei Steinsarkophage, die den Fund bergen,)
im Gegensatz zu der antiquarischen Tradition, die den Schreiber Cn. Te-
rentius nennt und nur von einem Sarkophag redet (oben S. 46).
n. Der Inhalt des Papyrus ist aber nicht direkt aus Livius aus-
gezogen, sondern auch hier schiebt sich die umfangreiche, mit Zusätzen
aus anderen Quellen (nach WölflFlin z. B. aus Valerius Antias) versehene
Epitome dazwischen, welche im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung
hergestellt worden ist.*) Die Beweise für diese Behauptung sind zum
grössten Teil sprachlicher Art:
1. Pap. Z. 1 und bei Orosius IV 20. 23 lesen wir caesi bezw. caesus^
während dieses Wort im Livius-Original nicht gebraucht wird (oben S. 35).
2. In der Geschichte der Chiomara wird die Vergewaltigung der
Frau durch den römischen Centurio im Original mit den Worten mm
fecii angedeutet; dagegen in unserem Texte heisst es von der Frau:
vim passa erat und das Verbum pati (mit vim oder stuprum) kehrt
wieder bei Val. Max. und Florus. Dazu kommt, dass Florus, Per. und
Pseudo- Victor, statt reguli uxor des Originals und bei Val. Max., regis
uxor sagen. Im übrigen stehen aber hier, wie oben S. 39 ausgeführt ist,
die Per. und der Papyrus dem Original stilistisch noch am nächsten.
3. In der Erzählung von der Beseitigung der Bacchanalia bedienen
sich der Pap. Z. 41 und die Per. (auch die Epit. des Par. aus Val. Max.,
anders Nep.) in gleicher Weise der Worte sublata bezw. sublatum est,
vgl. F. Drescher, a. a. 0. S. 45 f. (oben S. 42).
4. Sowohl in unserem Text Z. 55 wie in der Per. (auch bei Plutarch,
CcUo maior 17 und Flaminin. 18) heisst es gelegentlich der Unthat des
L. Quinctius Flamininus, dass derselbe den vornehmen Gallier stui maftu
1) Über diese LIt. Epitome vgl. Th. Mommsen, Die Chronik des Cassiodorua
Senator in Abhandlungen der sächs. Geseüsch. der Wiss. III, 1861, S. 551 fF., auch Cliron.
minora II {Mon. Germ. Auct. antiqu. XI) S. 112, C. Zangemeister , Die Periochae des
Livius in d. Festschrift sur Begrüssung der 36. Philol. Vers, in Karlsruhe 1882 S. 87,
G. Ay, De Livii epitoma deperdita, Leipzig 1894, H. A. Sanders, Die Queüenconta-
mination im 21. u. 22. Buch des Livius I S. 18- 51 , Berlin 1897 , G. Reinhold , Das
Geschichtswerk des Livius als (^eüe späterer Historiker^ Progr. de« Luisenstädtischen
Gymnasium, Berlin 1898, Wölfflin, Archiv für lat. Lexikogr. u. Gramm. XI (1900)
S. 1—8, 79, 212 u. 278, XII S. 836, F. Drescher, Beiträge zur Livius-EpiUme, ErUuiger
Diss. von 1900, Schanz, Gesch. d. röm. LiU. II* S. 258.
70 E. Kornemann,
tütete: diese Worte aber fehlen im Liviusoriginal. Dem entspricht es,
wenn die Per. (ebenso Seneca und Hieronymus, comm, in Matth. II 14
nach der „historia Bomana^) in der zweiten Version der Geschichte das
placentinische Weib (bei Liv. famosa muUer, Val. Max. muUerculä) eine
mcretrix (Hieronym.; meretricula) nennt, wie in unserem Pap. Z. 37 die
Hispala Feccnia tituliert wird. Über diesen Fall vgl. man im übrigen
H. A. Sanders, a. a. 0. S. 50 und Wölfflin, Archiv XI, 1900, S. 5 f.
5. In der Notiz über den Bruderzwist im makedonischen Hause
zwischen Perseus und Demetrius haben der Papyrus Z. 72 und die Per.
die Worte fidis criminibus. Livius dagegen bevorzugt das Compositum
des Verbums (confingere) neben crimen (vgl. XL 8. 7 u. 13. 1) oder er
gebraucht Ausdrücke wie vana criminatio (12. 7), vana accusatio 12. 10).
Das Simplex fingere steht in dem ganzen Abschnitt nur einmal bei Livius
und zwar 12. 7 in der Phrase: ficto et composito argumenta.
6. Während Liv. XXXIX 22. 1 — 2 sagt: athletarum certamen tum
primo Romanis spectaculo fuit, heisst es sowohl in unserem Text wie bei
Cassiodor, Chr. z. d. Jahre : athletarum certamina primum a Fulvio (Papyrus :
dazu noch NobiUore) edita,
7. Bei Liv. XXXIX 32. 13 heisst der eine Konsul richtig L. Porcius
Licinus (ebenso in den fast. Capitol. und beim Chronogr, v. 354, CIL. V^
p. 144), auf dem Pap. dagegen und bei Cassiodor (ebenso in den fast.
Hydat. u. im Chron. Paschal.) L. Porcius Licinius; s. o. S. 43.
8. Bei Livius XXXIX 56. 4 werden die Konsuln des Jahres 572/182
in der Reihenfolge Cn. Baebius Tamphilus, M. Aeniilius Paulus genannt;
dagegen in unserem Text Z. 67, bei Obsequens 5 und Cassiodor (ebenso
bei Cornelius Nepos, Rann, 13. 1 und in den capitol. Fasten, CIL. I*
S. 144) in der umgekehrten Reihenfolge.
9. In einem weiteren Punkte von grösster Wichtigkeit für diese
Frage versagt leider unser Text wegen der zu starken Verderbnis des
Papyrus (Z. 63—65). Schon Zangemeister S. 99 hat gesehen, dass sowohl
die Per. wie Orosius den Tod des Scipio, Hannibal und Philopoimen in
eben dieser Reihenfolge erzählen, während das Original eine andere An-
ordnung (Philopoimen, Hannibal, Scipio) befolgt. Wir dürfen nach dem
Zusammengestellten die erstere Reihenfolge auch für den Papyrus ver-
muten, was, nebenbei bemerkt, auch bei den Versuchen, den Text zu er-
gänzen, im Auge zu behalten ist.
10. Daran füge ich noch einige Fälle, die auf eine andere Vorlage
als das Original hindeuten. Wir haben nämlich im Pap. Stellen, wo der
Auszug breiter ist als das Original : Liv. XXXIX 22. 2 ist von M. Fulvius
die Rede, dagegen in unserem Texte Z. 43 stand, wie eben angedeutet,
wohl a Fu[lvio Nobilior\e, ebenso heisst es bei Liv. ebda 22. 8 nur
L. Scipio ludos . . . fecit, dagegen im Pap. Z. 45/6 L. Cornelius Scipio.
11. Deuteten diese Stellen auf eine ziemlich umfangreiche, dabei mit
dem Original sich nicht aufs Wort deckende Vorlage hin, so haben wir
Die nctic LiviuS'Epitonw. 71
andererseits in den ersten drei Kolumnen zwei Stellen, die gerade das
Gegenteil beweisen. Z. 44 und 45 sind zwei Ereignisse, von denen das
eine, der Übergang der Gallier nach Italien, ins Jahr 568/186 (Liv.
XXXIX 22. 6—7), das andere, die Rückkehr derselben, ins Jahr 571/183
(Liv. ebda. 54) gehört, zusammengezogen und beide unter dem zuerst ge-
nannten Jahr berichtet. Da nun genau dieselbe Zusammenrückung der
Ereignisse bei Obsequens 3 begegnet, so ist dieselbe der beiden gemein-
samen Vorlage zur Last zu legen. Ein gleicher Fall liegt vor in Z. 71 — 73
und der entsprechenden Stelle der Per. 40 (s. oben S. 46) bei der Dar-
stellung der Wirren im makedonischen Königshaus. Hier sind auch die
Ereignisse zweier Jahre (572/182 und 573/181), in der Per. sogar noch
diejenigen von 575/179 (allerdings wiederholt am Ende der Per.), unter
dem Jahre 572/182 zusammengezogen. Bemerkt muss werden, dass aber
alle diese Zusammenziehungen als solche von Ereignissen eines und des-
selben Liviusbuches sich darstellen, und dass sie also niemals über mehrere
Bücher hinausgreifen, und das Gleiche ist zu sagen von den Fällen, wo
uns im Papyrus Ähnliches begegnete wie Z. 17 (darüber oben S. 39) oder
Z. 49 (oben S. 43) , ohne dass wir Parallelen dafür aufweisen können.
Die Vorlage hat offenbar in den Fällen, in denen Livius Ereignisse des
nämlichen Schauplatzes dem annalistischen Prinzip seiner Geschichts-
schreibung zu liebe an verschiedenen Stellen desselben Buches unter den
betreffenden Jahren behandelt hat, stellenweise eine Verkürzung dadurch
erreicht, dass sie den Stoff eines Buches nach sachlichen Gesichtspunkten
ohne Rücksicht auf die verschiedenen Jahre der Ereignisse gruppiert hat.
Das deutet auf eine Quelle, die das sachliche Interesse über das chro-
nologische gestellt hat, ein Verfahren, das dann in den Periochae, die
nach der chronologischen Seite bekanntlich am wenigsten ausgiebig sind,
eine weitere Ausgestaltung erfahren hat. Diese so eingerichtete Vorlage
war aber offenbar jene Epitome des ersten Jahrhunderts, von der wir
ausgingen, der es, wie auch von anderer Seite schon bemerkt worden ist,
„weniger darauf ankam, jedes Jahr und alle Konsuln zu berücksichtigen,
als vielmehr den Inhalt der einzelnen Bücher des Livius zusammen-
zuziehen".*)
ni. Mit diesem Prinzip kreuzt sich aber ein anderes, welches schon
bei Eutrop., Obsequens, Cassiodor und anderen beobachtet worden ist,^) viel-
leicht am reinsten aber in unserem Texte zum Ausdruck kommt, nämlich
das chronologische. Für einen Autor, der ein Chronikon, wie wir es in
dem Papyrus unstreitig besitzen, herstellen wollte, war jenes eben berührte
Verfahren der Epitome das denkbar ungünstigste, weil es die annalistische
Grundlage des Livius zerstörte. Ein solcher Chronikenschreiber wäre,
um seinen Zweck möglichst zu erreichen, am besten auf das Liviusoriginal
1) Vgl. (I. Reinhold a. a. a S. 13.
2) Mommsen, Ahh. d. säclis. Ges. III S. 552 u. Keinbold a. a. O.
72 E. Kornemann,
statt auf die das annalistische Prinzip weniger berücksichtigende Livius-
epitome zurückgegangen. Er hat aber, offenbar mit Rücksicht auf den
zu grossen Umfang des Originals, den letzten Weg gewählt und dadurch
sind jene beobachteten Zusammenziehungen des livianischen Originaltextes
in unseren nach den gerade entgegengesetzten Prinzipien bearbeiteten
Papyrus gekommen. Es fragt sich nun, ob alle chronikartigen angelegten
Auszüge, von denen unser Text ein hervorragender Typus ist, selbständig
auf die Liviusepitome zurückgehen, oder ob ein weiteres Mitglied zwischen
der Epitome und den uns erhaltenen Chroniken anzunehmen ist. Schon
Mommsen^) hatte beobachtet, „dass die Cassiodor vorliegende Liste die
Konsulnamen ebenso im Ablativ aufführte, wie dies bei Obsequens ge-
schieht", weiter „dass bei Obsequens nicht bloss die Prodigien verzeichnet
sind, sondern öfters auch andere historische Notizen gleichsam verloren
sich vorfinden", endlich dass die historischen „Notizen bei Obsequens und
Cassiodor in der Auswahl und Fassung" sehr nahe sich berühren. Im
Anschluss daran hatte er darauf aufmerksam gemacht, dass bei Cassiodor
und ebenso bei Eutrop. 11 3, Festus, brev. 2, den Fasten des Pseudo-Idatius,
endlich in der Hist. Aug. (Vopiscus, v. Tac. 1) und bei Zonaras VII 24. 9,
Boiss. I S. 85 (von Mommsen übersehen) die Zahl der Anarchiejahre nach
378/376 V. Chr. auf vier angegeben werde, während Livius selbst (VI 35),
die Per. 6 S. 12 Z. 12 (fehlt wiederum bei Mommsen), der Chronograph
von 354 und Lydus, de mag, I 38 ein magistratsloses quinquennium an
derselben Stelle annahmen.'-) Mommsen hat aber aus diesen Beobachtungen
nui' Schlüsse auf die Liviusepitome gezogen, auf die er alle diese Er-
scheinungen in den späteren Quellen zurückführte, zumal er, wie gesagt,
die Stelle in der Per. 6 übersah. Ihm folgend hat Zangemeister und
weiter fast alle, die von dessen grundlegender Arbeit ausgehen, stets nur
die Livius-Epitome als Mittelglied zu finden geglaubt, die darnach zwar
noch einen grossen Umfang, aber zugleich einen streng chronikartigen
Aufbau mit dem Namen der Konsuln jedes Jahres voran gezeigt haben
müsste. Dieser Auffassung von der Anlage der Epitome widersprechen
die Zusammenziehungen der Ereignisse mehrerer Jahre aus sachlichen
Rücksichten, die wir oben mit Hülfe unseres Papyrus dargelegt haben.
Bei dieser Sachlage ist es nun von grossem Interesse, dass G. Reinhold
vor kurzem schon sehr wahrscheinlich gemacht hat, dass wir ohne An-
nahme einer weiteren Mittelquelle, und zwar eines Chronikons, zwischen
der Livius-Epitome und den Breviarien der späteren Zeit, wie Eutrop.,
Festus, Obsequens und Cassiodor, nicht auskommen. Er geht aus
(S. 8) von der erwähnten auf die Anarchiejahre bezüglichen Stelle und
weist auf die Übereinstimmung der Per. mit dem Original, zugleich
aber auf die bei Eutrop., Festus und Cassiodor in gleicher Weise zu
1) A. tt. 0. s. 552.
2) Genaueres darüber bei Mommsen, Uüm. Chronolog.- S. 204 Aum. 398.
Die neue Livius-Epitomc 73
Tage tretende Abweichung gerade in einer chronologischen Frage liin.
Sein Schluss, dass das Zwischenglied zwischen Livius und den Periocluiej
eben die Mommsen-Zangemeister'sche Epitome, noch frei war von dem
Irrtum jener drei anderen Autoren, ist durchaus zwingend. Andere Ab-
weichungen, darunter weitere chronologischer Art, hat Keinhold z. T. im
Anschluss an W. Pirogoff, de Eutropii breviarii indole ac fotUibus p. 27 ff.,
danebengestellt: das Liviusoriginal und Per. 3 lassen das Dezemvirat
bis ins dritte Jahr dauern, Eutrop. (1 18) und Festus (3) dagegen nur
zwei Jahre lang, bei Eutrop. und Cassiodor fehlen in der Zeit von
316 — 362 a. u. c. alle tribuni miUtum consulari potestate, u. s. w.^) Das
auf diese Weise von Reinhold erschlossene Chroniken, das auf Grund der
verlorenen Livius-Epitome gefertigt worden ist ,2) scheint mir auch die
Grundlage unseres Textes gebildet zu haben.
1. Die Reihenfolge der Konsuln, die wir oben (S. 70) unter 8. als
dem Obsequens, Cassiodor und unserem Text gemeinsam, aber von Livius
abweichend gefunden haben, dürfte am ehesten diesem Chronikenschreiber,
der die Fasten des Livius überarbeitet hat, zur Last gelegt werden.
2. Die ebenda unter 6. und 7. konstatierte wörtliche Übereinstimmung
des Papyrus mit Cassiodor legt dieselbe Vermutung nahe.
B. Wenn wir nunmehr Kol. IV — VIII, also denjenigen Teil, für den
das Liviusoriginal nicht mehr vorhanden ist, in Betracht ziehen, so lässt
sich auch daraus einiges beobachten, was die vorgetragene Ansicht zu
unterstützen geeignet sein dürfte.
Was die Konsulfasten betrifft, so ist allerdings der Irrtum, dass in
unserem Text wie in allen Quellen der livianischen Tradition der eine
Konsul des Jahres 605/149 Marcus Manüius statt Manius Manüius
genannt wird, wenn nicht Livius selbst, so doch schon der Epitome aufs
Konto zu schreiben.
Dagegen haben wir bei den Konsuln des Jahres 614/140 den Fall,
dass der Papyrus, Obsequens und Cassiodor übereinstimmen, während
Frontin. (de aquaed, 7. 4) eine andere Reihenfolge hat, nämlich die auch
in den capitolin. Fasten zu Tage tretende, ebenso bei den Konsuln von
615/139, wo der Papyrus und Cassiodor, abgesehen von dem Vornamen
des PojnlUus, wieder zusammengehören, Val. Max. (Par.) aber divergiert =*)
(s. oben S. 63), während bei denjenigen für 606/148, 607/147 und 617/137
der Papyrus mit Obsequens und Cassiodor (für 617/137 auch mit Orosius),
an anderen Stellen wenigstens mit Cassiodor übereinstimmt, ohne dass
1) Vgl. Reinhold S. 8ff., dazu meine Ausfuhrungen u. S. 84 u. 86 f.
2) Dass die Livius-Epitome die sämtUchen Prodigien enthielt, welche Obsequens
bietet, beweist Orosius, der dieselben Prodigien, und zwar häufig noch ausführlicher
berichtet, vgl. Reinhold S. 18.
3) Kitschi (Opusc. V 11 7 f.) hat L. Calpumius als den richtigen Namen zu er-
weisen gesucht durch Vergleich mit Makkab. I 15. 16; so auch Mommsen, Hermes
IX 281 f., Münzer bei Paulj-Wissowa UI Sp. 1382.
T« E. Kornemann,
Ayj^*fV'Msa^tu iimerhalb der livianischen Tradition überiiefm wlnn.
±IiL «shunüÄrer Fall liegt dagegen bei den Konsuln des Jahres 611 143 tot:
iiit? ^1^Leo Obsequens und Cassiodor auf der Seite tod FnwtiiL md
'>r'.ȣiis. und unser Text einzig und allein hat die nmgekeliite \
•L. .l*en S. -^ö.: da hilft nur die Annahme einer ümstdliiiig'
i*^ V*rffTtiger des auf dem Papyrus vorliegenden AossngB.
Uilr^-wo in der Angabe der Konsuln vom Jahre 615,139 im Z. 191i
fiiK Abweichung: C F(/pi/lUu8 statt M. PopiKus zur Last gdeft
Von ganz besonderem Interesse aber ist die nachteagtidie Notiz iber
Qj^ Sibecular&piele am Ende des Auszugs aus Buch 49 in Z. 103 — liiS.
L*}«: ii'-ehmalige Angabe der Konsuln geschieht in umgdLdirta'
- >i?r wie Z. %%, wo die Ordnung, wie wir oben sahen, mit
ül>jr übrigen Ii\ianischen Quellen übereinstimmt Dieser Umstand sowohl
wie die Thatsache der Nachstellung — dass die Per. die m^vinglidie
.'M^lle der Notiz im Liviustext uns anzeigt, haben wir oboi (S. 50) wahr-
-!^:heinlich zu machen gesucht — sind von der aUergrOssten Bedeatimg:
Dass nämlich die Ldvius-Epitome noch dieselbe Ordnung der Ereigniase
wie das Original hatte, zeigt die Per. Daraus folgt, dass die UmsteUimg
erst einem späteren Bearbeiter zuzuschreiben ist : entweder dem YerEasBer
des CTironikons oder dem, der den Auszug des Papyms verfatigt bat
Nach allem früher gesagten liegt es am nächsten den Hedaktor des
rlironikons für diese Umstellung verantwortlieh zu machen, znmal wenn«
^ie ich vermute . die Ergänzung doch in der oben S. 50 angegebenen
Richtung zu erfolgen hat.
Kehren wir zu den Ül>ereinstimmungen mit Obsequens znrftck (Caasiodor
hat leider für die Zeit von (HU 150— 017 187 keine historischen Notisen),
.v> müssen diese, auch abgesehen von den Konsularf asten, anfallend grosse
srenannt werden. Wenn man in Hechnung zieht, wie wenige historiscbe
Kreignisse Obse^iuens neben den Prodigien vermerkt hat mnss die That-
^^che. »lasÄ derselbe an drei Stellen allein von allen lateinischen aus
IJvia- ?!iammenden QueUen den I^ararallelbericht zu den Notizen nns^-es
Papyro-s bietet. r»ehr h^Krh eingeschätzt werden. Es sind das die Be-
ri':ht^ über:
1. »lie Erhaltunir de< sacrarium Opis beim Brand von Bom vom
^^hT^. riMf, ue. Pap. Z. 127—121* und Obseq. 19 (78);
2. die Grausanjk^iten des Ha><lrubal gegenüber den römischen Ge-.
:<>r-?-ri-r.. Z. l:'/2-l;iL Ob>. 2«» 7t* ;
. . •::- Ni'-deria'/H t\^< L. M»'tellu> im Jahre 012142 durch die Lnsi-
•iLrr. Z. \hl. Ob?. 22 •'l..
A-l-r-ürj^^ i.-t «lie ^[»ra'lili^h»* Cbeivintimmung keine so vollständige,
>.- w.r <r ■ hvij <>. 7;'.} für den Papyrus und Caasiodor beobachtet haben:
^'j.. l*<\'. Z. 12-: t/'Ojiimo incrutUo mit Obseij. a. a. O. raste ineemdio;
• ••.^. Pa].. Z. l27: PhiliiipHs caj»tu!^. Obscii.: PsenilojthilippHS devictuS]
Die neue Limus-Epitome. 75
Z. 132: cmdelissime, Obseq.: barbaro more; Z. 139: direpta^ Obseq. 20 Ende:
diruta (wie Orosius und Eutrop.) oder die viel stärker abweichende Notiz
über die Niederlage von 6 12/1 42 (Z. 167: a Lusitanis vexatus, Obseq.:
dubie dimicavit).
Auch sachliche Abweichungen kommen vor, aber sie lassen sich leicht
aus der Arbeitsweise des Obsequens erklären. Die mit dem Pap. Z. 127 —
129 nicht übereinstimmende Reihenfolge der Ereignisse bei Obsequ. 19 (78)
erklärt sich aus dem Umstand, dass Obsequens die Erhaltung des saerarium
bei dem grossen Brande von 608/148 als Prodigium aufführt, und dass
er stets die Prodigien voranstellt. Die Abweichung, die darin erblickt
werden könnte, dass Obseq. 20 (79) am Ende die Zerstörung von Carthago
noch unter dem Jahre 607/147 berichtet, während sie der Pap. Z. 138/9
als ei-stes Ereignis von 608/146 bietet, ist nur eine scheinbare, wie das
Wörtchen mox zeigt. Obsequens hängt hier das wichtigste Ereignis von
608/146 noch an den Bericht von 607/147 an, zumal es in den Anfang
des neuen Jahres fällt. Grösser ist der Gegensatz von Pap. Z. 185/6
und Obsequens 23 (82), da der eine Berichterstatter einen Sieg, der
andere eine Niederlage des Viriathus zum Jahre 614/140 giebt. Der
Sieg des Viriathus ist das Richtige, wie die Parallelberichte der Per,
und des Appian beweisen (s. oben S. 63). Eine einleuchtende Erklärung
für die falsche Notiz des Obsequens hat hier 0. Rossbach *) geliefert. Er
bemerkt, dass Obsequens den Eindruck hat hervorrufen wollen, „als ob
die Prodigien in einem engen Zusammenhange mit den historischen That-
sachen ständen". Zum Beweis verwendet Rossbach u. A. gerade unsere
Stelle, „die in deutlichem Gegensatz zu dem vorhergehenden Abschnitt^
steht, „wo in Luna die Leichname der an der Pest Gestorbenen unbe-
erdigt bleiben und darauf die römischen Heere in Macedonien und gegen-
über Viriathus unglücklich kämpfen.". Dagegen an unserer Stelle wird
gesagt : prodigium maiaribus Ihosfiis quadraginia expiatum. annt$8 pacatus
fuit Viriato meto:-) Wir lernen jetzt noch dazu, dass Obsequens zu Gunsten
seines Systems den Thatsachen nötigenfalls Gewalt angethan hat. Doch
ist die Umbiegun^ nicht so schlimm, da der Hauptgedanke (antms pacatus)
durchaus der Wahrheit entspricht. Der Friede mit Viriathus wird von
allen Parallelquellen ebenfalls hervorgehoben (s. oben S. 63). Allerdings
bezeichnet ihn unser Papyrus als deformem pacem, die Per, dagegen als
einen solchen aequis condicionibus : es ist aber überhaupt eine Eigentüm-
lichkeit des neuen Textes, dass er sich von jeglicher Beschönigung oder
gar Verschweigung römischer Misserfolge fernhält, während die Per. ab
und zu in diesen Fehler verfällt. ^^) Möglicherweise liegt auch hier ein
1) Vgl. lihein, Mus. N. F. 52, isy", S. 3.
2; Vgl. aber 89 ^99) , wo allerdings nach den Worten hostiisqut expiaimn maiari-
bus der Ausbruch des jugurthinisehen Krieges notiert wird.
3^ Vgl. II. roter, Die ycsch. Litt, über die röm. Kaisers, II S. Mb.
76 J5. Komemann^
Gegensatz des jüngeren Chronikons zu der älteren den Zeiten der Republik
noch näher stehenden Epitome zu Grunde.
Schwerer als die betrachteten sachlichen Abweichungen unseres Textes
gegenüber Obsequens wiegt meinerseits die sprachliche Übereinstimmung
beider, und zwar nicht diejenige an bestimmten Punkten, sondern der
ganze sprachliche Habitus beider Texte. Sie zeigen beide in gleicher
Weise oft ganz kurze Sätze, vielfach ohne verba finita, gewissermassen
eine Berichterstattung im Lapidarstil. Weiter fällt eine gewisse inopia
verborum sofort in die Augen und eine Vorliebe für bestimmte Participia,
meist solche von Verba, die, ich möchte sagen, etwas dick auftragen,
wie devictus (Pap. Z. 164, 174 und 185, Obseq. c. 11, 19, 24, 32, 44, 47,
61, 62),^) caesus (Pap. Z. 1, 126, 171, Obseq. 25, 42, 59), subadus (Pap.
Z. 42 und 136, Obseq. 4, 43, 46, 48), vexatus (Pap. Z. 167, Obseq. 17,
22, 71: gravitcr vexati). Ein sehr beliebtes Verbum des Papyrus ist
vastare und zwar nicht nur in Verbindung mit Ländernamen, sondern
auch im Stile der silbernen Latinität mit Ethnika (Z. 13, 83, 157, 212,
vielleicht auch Z. 7); dieses kommt allerdings so häufig nicht bei Obsequens
vor, aber immerhin wir treffen es doch an: vgl. 43, 53, 54 (jedoch nicht
mit Ethnika). Unter den Verba des Tötens bemerken wir dagegen wieder
in beiden Texten eine grosse Vorliebe für ocddore: Pap. Z. 16, 123, 146,
164, 213/4, vielleicht auch Z. 55, Obseq. 9, 15, 27, 28 (zweimal), 33, 49
(zweimal), 51, 55, 56 (zweimal), 58, 65, 66. Auffallend ist auch der
starke Gebrauch so allgemeiner Redensarten wie prospere oder dubie
(varie) dimicatum (pugnatum) est (Pap. Z. 125, 216: re hene gesta, dazu
Obsequ. 40 und 26, weiter 2, 8, 18, 22, 46, 52 u. s. w.) oder clades
accepta (Pap. Z. 49, 147/8, 175, vielleicht auch Z. 212, Obsequ. 55). Unser
Text sagt Z. 102 per artna occupcUa, während die Per. an der ent-
sprechenden Stelle armis occupavit bietet. Die Formel per artna be-
gegnet aber, wenn auch in anderem Zusammenhang, bei Obsequens (17
am Ende).*) Ebenso ist eine Eigentümlichkeit beider Texte die Ver-
wendung von Participia Praes. im Nom.: Pap. Z. 100 flens, 119 deccdens,
vgl. Obsequ. 9 (zweimal), 11, 17, 28 u. s. w.
Dazu kommt dann der streng chronologische Aufbau beider Auszüge
und das Streben, in aller Kürze möglichst viel Fakta zu bringen. Gerade
in dieser Beziehung sind die Periochae das gerade Gegenteil des Obsequens
und des Papyrus. Dort ist die zeitliche Folge der Ereignisse durch eine
solche nach sachlichen Gesichtspunkten ersetzt, auch sind weniger Ereignisse
aus dem Original herübergenommen ; dafür aber wird das, was aufgenommen
1) Allerdings findet sich devinco statt vinco auch schon bei Livius XXXVIl 49. 7,
XXXVIII 58. 9, 60. 5, XXXIX 2. 9 u. s. w. Aber die Häufigkeit der Anwendung
steigert sich doch später immens. Über den geringen Gebrauch von devinco in der
Per. im allgemeinen vgl. Wölflflin, Comm, in hon. Montms. S. 838, anders dagegen in
der Per. 1 », darüber u. S. 79.
2) Vgl. Thesaurus l l. I 597/8 und 599.
Die neue Livius^Eintome. 11
ist, oftmals viel ausführlicher behandelt. Daher glaube ich mit Reinhold/)
dass die Periochae der verlorenen Liviusepitome näher stehen als Obsequens
und unser Text. Offenbar ist ihr Verfasser in Bezug auf die Gruppierung
nach sachlichen Rubriken noch über die Epitome hinausgegangen. Das
beweist ein Vergleich des Endes von Per. 55 mit Oros. V 4. 17/8 und
5. 12. Die Per, erwähnt zunächst den Übergang des Brutus über den
Oblivio und darnach die Ermordung des jungen Antiochos VI von Syrien,
während die umgekehrte und zwar richtige Reihenfolge der Dinge bei
Orosius vorliegt. Dass es so aber in der Vorlage stand, beweist jetzt
unser Text (Z. 213—217), der mit Orosius sich deckt. Den umgekehrten
Fall, dass die Periochae die richtige Chronologie bieten, haben wir Per. 53,
wo der Sieg des Q. Fabius Maximus ServUianus durch den Zusatz jyrocos.
ins Jahr 613/141 datiert wird (ebenso im Pap. Z. 171/2), während Orosius
V 4. 12 (und wahrscheinlich auch schon Florus, s. oben S. 61) das Er-
eignis ins vorhergehende Jahr setzt. Für Orosius nimmt Reinhold (S. 13)
auch direkte Benutzung der Livius-Epitome an. Zu dieser Ansicht passt
sehr gut dieses Schwanken in chronologischer Hinsicht bei Orosius und der
Per., während ein gleiches in den auf das Chronikon zurückgehenden
Breviarien der späteren Zeit nicht vorkommt.
IV. Auf dem bis jetzt begangenen Wege lässt sich allerdings nicht
alles erklären, was unser Papyrus bietet. Derselbe zeigt eine Anzahl
singulärer Erscheinungen, die ihn auch von den im Vorhergehenden
als ihm sehr nahestehend erkannten Texten unterscheidet. Auf einen
solchen Fall in den Fasten ist oben schon hingewiesen (S. 74). Dazu
kommt die eigentümliche Vorliebe für Thatsachen der inneren Geschichte
und Anekdoten, während die übrigen Auszüge die Ereignisse der äusseren
Politik bevorzugen. Dreimal überrascht uns der Papyrus durch Nennung
von Namen an Stellen, wo die übrigen lateinischen Epitomatoren wohl
die Thatsachen, aber nicht die Personen anführen: Z. 111 — 113 bei der
Dreimännergesandtschaft nach Bithynien im Jahre 605/149, Z. 197 bei
der Erwähnung der Mörder des Viriathus, endlich Z. 203 durch die Namen
der beiden Volkstribunen, die die Konsuln des Jahres 616/138 ins Ge-
fängnis warfen, während bisher nur der eine der beiden aus Cicero be-
kannt war (s. oben S. 66). Wie in sachlicher ist es in sprachlicher Be-
ziehung. Bei der Erzählung von Viriathus Ennordung bedient sich der
neue Text allein des Verbums iagtUare, während der Verfasser der Per,
Orosius und Eutrop. wörtlich übereinstimmend an dieser Stelle interfectus
est bieten (vgl. aber Pap. Z. 201: interfedares Viriathi, ebenso Eutrop.
IV 16. 3, dagegen Florus und Orosius an der entsprechenden Stelle per-
cussores), Velleius und Valerius Maximus interemj^us est (s. oben S. 65).
Ähnliches zeigt sich an anderen Stellen. Z. 120 bei der Schilderung der
Teilung von Masinissas Reich gebraucht der Pap. allein das Verbum
1) A. a. O. S. 13.
78 E. Kornemann,
disiribuere (vgl. auch Z. 169: distribuit, das Wort auch bei Florus 1 1. 6. 3
gelegentlich der Darstellung der servianischen Verfassung), während alle
Parallelberichte (Per,, Orosius, Eutrop.) dividere resp. divisor haben. Z. 122
wird Hasdrubal adfinis Masinissae genannt, in der Per. und bei Orosius
dagegen Masinissae nepos, in der Per. ausserdem lyropinquus Gidussac,
bei Appian äSeX(pidoig FoXoccov (s. oben S. 53). Z. 185/6 hat der Friede
des Servilianus das auffällige Attribut deformis. Z. 139 wird bei der
Notiz über die Zerstörung Carthagos der Ausdruck direpta gebraucht,
während alle übrigen Quellen (diesmal sogar Obsequens mit einge-
schlossen) die Verba diruo oder • deleo anwenden (oben S. 56). Ich be-
trachte aus diesen Gründen die Annahme zweier Zwischenglieder zwischen
dem Livius-Original und unserem Text nur als das Minimum dessen, was
nötig ist: die Möglichkeit, dass noch ein weiteres Mittelglied vorhanden
war, ist meiner Ansicht nach nicht ausgeschlossen. ^
Dahin führt mich noch eine Beobachtung. Wenn ich recht sehe,
besitzen vnv bereits einen sehr nahen Verwandten des neuen Textes in
der von Wölfflin sogenannten Per. 1*, d. h. jener am Anfang des ver-
stümmelten Textes der Periochae in den Handschriften (auch N)
stehenden kurzen Epitome aus dem I. Buche des Livius (Jahn, S. 3
Z. 1—23). 2)
Die Eigentümlichkeiten dieser Per. 1* gegenüber dem erhaltenen
Rest von 1^ hat schon Wölfflin^) zusammengestellt. Ihr Satzbau be-
schränkt sich in der Hauptsache auf drei Formen:
1. Verbalsubstantiva (adventus Aeneae, Superbi expulsio);
2. Participia Perf. Pass. ohne Copula (Amulius obtruncatuSy Gahii
direpti) ;
3. Verba finita im Perf. Act., und zwar nur in Hauptsätzen {Numa
Pomjnlius ritus sacrorum tradidit, Lucretia se occidit).
Daraus, sowohl wie aus dem Sprachgebrauch schloss dieser Gelehrte,
dass 1 ^ , welche im Gegensatz zu 1 * Periodologie und andere Wendungen
aufweist, zu Per. 2 ff. gehört, während 1* vollkommen unabhängig ist.
Dass nun Per, 1 * sehr stark dem neuen Text ähnelt, ergiebt schon ein
flüchtiger Vergleich. Der Text des Papyrus ist allerdings noch nicht
zu solcher Vereinfachung vorgeschritten wie 1*. Von den drei für 1'
charakteristischen Formen des Satzbaues begegnet 1. noch nicht auf dem
1) Ähnlich schon Wölfflin, Archiv XI, 1900 S. 2.
2) Über diesen Auszug vgl. Zangemeister a. a. 0. S. 90 f. — Die im Folgenden
vermerkten Beobachtungen über die Verwandtschaft von 1 » mit dem neuen Text
waren längst niedergeschrieben, auch gegenüber Fachgenossen ausgesprochen, als die
Bemerkungen von O. Rossbach in dieser Beziehung in der Berl. Phil, Wochenschr.
No. 31/2 (6. August 1904) Sp. 1022 erschienen. Rossbach ninmit für 1» und den
Papyrus einen und denselben Verfasser an, worin ich ihm nicht zu folgen vormag, vgl.
meine Notiz in der Berl. Phil. Wochenschr. 1904, N<>. 37 Sp. 1182 f.
3) Cotnmentationes in hon. Monims. S. 338.
Die neue Livius-Epitome, 79
Papyrus, und was unter 3. oben erwähnt ist, findet sich noch nicht so
rein wieder: vielmehr hat der Papyrus noch Periodologie, wenn auch in
sehr beschränkter Form. Mit anderen Worten: der Papyrus steht im
Satzbau etwa zwischen 1* und 1^. Und die gleiche Beobachtung lässt
sich bei einem Vergleich der Sprache der drei Auszüge machen. 1 ■ sagt
zwar in Z. 7: Fidenates Vcientes victi, dagegen dreimal kurz hinter-
einander devincere; Z. 13: Latinos devioit (Per, 1 *» an der ent-
sprechenden Stelle, Jahn S. 4 Z. 1: Latinis victis so auch das Livius-
Original I 33. 5: vincit)-, Z. 15: finitimos devicit (in 1** nicht erwähnt,
bei Eutrop. I 6 steht: vicit idem etiam Sabitws); Z. 16/7: Veientes
devicit (fehlt in 1*» wiederum, bei Livius I 42. 2 — 3 steht ein anderes
Verbum); über dcvinco im Pap. s. oben S. 76. Für „töten" gebraucht
1 ^ S. 4 Z. 13/4 occidere: (Tarqiünius Priscus) occisus est ab And ßiis etc.,
Z. 20/1 und S. 6 Z. 4 aber interßcere: (Servius TuUius) interfectus est a
Lucio Tarquinio; (Lucretia) cultro se interfecit, 1» dagegen Z. 4/5 ob-
truncare im übrigen aber nur occidere, und zwar gerade an den Stellen,
wo 1 ^ interficere anwendet. Z. 18: occiso Tullio, Z. 22: Lucretia se occidit;
über die Vorliebe des Papyrus und des Obsequens für occidere s. oben
8. 76.*) Dazu kommt dann endlich noch der Gebrauch von diripio in
1 * an Stellen, wo die anderen Quellen Verba des Zerstörens oder Eroberns
haben. Z. 11: Tullt^ Hostilius Albanos diripuit (man beachte auch das
Ethnikon; ähnlich Eutrop. I 4: Albanos vicit \ dagegen Florus II. 3. 8
und Pseudo -Victor, de vir. Hl 4. 2: Älbam diruit: aus Liv. I 22. 3),
Z. 20/1 : Gabii direpti,^) dagegen 1 ^ und Pseudo- Victor, de vir. Hl 8. 2 :
(Tarquinius Superbus) Oabios in potestatem suam (suam nur in der Per.)
redeffit; Eutrop. 1 8. 1 : Gabios civitatem .... subegit; dagegen Liv. 1 55. 1 :
Gabiis receptis.
Unter diesen Umständen dürfte es sich empfehlen auch einmal das
Verhältnis von 1* zu dem Livius-Original, Per. Pund den übrigen Epito-
matoren genauer zu untersuchen.
I. Dass sowohl 1 ■ wie 1 ^ nicht auf das Livius-Original direkt zurück-
gehen, sondern ebenfalls auf die verlorene Epitome, ist schon längst ge-
sehen worden.**) Die Hauptbeweise sind folgende:
1. Die Sage von der Gründung Roms (Liv. I 4 — 7) ist in 1 * Z. 5
in den Worten: urbs a Bomulo condita zusammengef asst , ebenso bei
Eutrop. I 2. 1: condita civitate, Orosius 11 4. 1: urbs Roma . . . a Ro-
1) Vgl. auch Wölfflin, Archiv XI S. 80.
2) Die handschriftliche ÜberlieferuDg ist allerdings verderbt: directuP direetüii
(der Strich über u von 2. H.). Es könnte hier also immerhin auch diruti gestanden
haben. Eine handschriftliche Verwechslung von direptum und dirutum haben wir auch
bei Florus I 1, 1. 11, vgl. den Apparat z. d. SteUe bei Rossbach.
3) Am ausführlichsten darüber neuerdings F. Drescher, Beiträge zur Livius-
Kpitome, 1900 S. 3—20.
80 E. Kornemann,
mtdo et Remo ... condita est. Pseudo- Victor, de vir. ill, 1. 4, Cassio-
dor: o quo Roma condita est.
2. Liv. I 8. 7 sagt von Roinulus: centum creat senatores. Per. 1*
Z. 5 dagegen: senatus lectus und damit übereinstimmend Eutrop. I 2. 1:
centum ex senioribus legit, quorum consilio omnia ageret, Lac-
tantius, instit. div. 11 6. 13: legit in senatum eos, qui aetate anteibant et
paires appell^ivit^ quorum consilio gereret omnia, Eusebius, vers.
Arm.j Schoene II S. 82: senes nobiles C senatores constituit, Euseb.-
Hieronym. ebda. S. 83, darnach Cassiodor: hie primum centum eonstituit
senatores.^)
3. Die Erhebung des Romulus unter die Götter (1 16) wird in 1*
(Z. 7 8) angedeutet mit den zwei Worten: Romulus eonsecratus.
Florus 1 1. 1. 17 hat die Worte consecrationis speciem, Eutrop. 12. 2:
ad deos transisse ereditus est et eonsecratus (Ausg. von Rühl), Augustin,
de civ. dei II 17: Romani in hoc erraverunt ut . . . Romulum consecra-
rent, Pseudo- Victor 2. 14: ipse (Romulus) 2^ro deo cultus et Quiritms
est appellatus; dagegen 3. 1: post consecrationem Romuli ^ Euseb.-
Hieronym., Schoene n p. 83. conseerare bezw. consecratio kommen im
Liviusoriginal nicht vor. Dagegen gebraucht Obsequens 08 dasselbe
Verbum gelegentlich der Apotheose Caesars.
4. Liv. I 19. 2: Janum . . . indicem pacis bellique fecit^ apertus ut
in armis esse civitatem, clausus pacatos circa omnes populos significaret.
Per. 1* Z. 9/10 dagegen: porta Jani clausa und entsprechend Pseudo-
Victor, de vir. ill. 3. 1: portas Jano gemino aedißcavit; Florus I 1. 2.
3 aber: Janumque geminum etc. Von 2)orta bezw. portae ist also im
Original nicht die Rede.
5. Die Thronbesteigung des Tarquinius Superbus ist bei Liv. I 49. 1
mit den Worten geschildert: inde L. Tarquinius regnare occepit, da-
gegen in den beiden Periochae (1* Z. 18 und 1** S. 4 Z. 24) steht reg-
num invasity in 1* genauer: occiso Tullio regnum invasit (reg-
num invadere aucli bei Florus I 2. 8. 2 von Romulus, gubernacula invadere
ebda. I 1. 6. 1 von Servius Tullius), Pseudo- Victor 8. 2: occiso Servio
Tullio (vgl. 1*) regnum sceleste occupavit, Orosius 114. 12: Tarquinii
Superbi regnum oeeisi soceri scelere adsumptum, Euseb.-Hieronym.
1478, Schoene II p. 99: socero Servio occiso arripuit imperium.
6. Der Krieg gegen die Volscer wird bei Liv. I 53. 2 folgender-
massen erwähnt: is primus Volscis bellum . . . movit. In der Per. 1*
Z. 20 steht: bellum cum Vulscis, in P S. 4 Z. 25: bellum cum
Vulscis gessity bei Eutrop. 18. 1: L. Tarquinius Superbus ....
Vulscos (so haben auch hier die Hss. GC; vgl. Ausgabe von Droysen,
ebenso Euseb.-Hieronym. a. a. 0., Schoene II p. 99) vicit
1) Für die Königszeit ist Cassiodor abhängig von Eusebius-Hierouymus, auf den
er sich am Ende seiner Chronik auch beruft, vgl. Mommsen, Ahh, der sächs. Ges. d.
Miss. lU, 1861, S. 550.
Die neue lAvius-JEpitome. 81
7. Liv. I 55. 4 erzählt, dass bei dem Bau des Juppitertempels auf
dem Capitol allein das fanum des Terminus an Ort und Stelle ver-
blieben sei. Dagegen !• Z. 21/22 weiss zu berichten: Termini (Cre-
mofuie N) et luventae aras moveri non potuerunt und entsprechend
schon Florus II. 7. 8 : quod (templum Jovis) cum inauguraretur cedentibus
ceteris diis — mira res dictu — restüere luventas et Terminus.
Der Verfasser der gemeinsamen Vorlage hatte also Livius aus Livius
verbessert: V 54. 7 nämlich lesen wir: hie cum augurato liberaretur
Capitolium, luventas Terminusque maximo gaudio patrum vestrorum
moveri se non passi. Nur von Terminus hat offenbar auch Cato ge-
sprochen, vgl. Festus p. 162 M., fr. 24 bei Peter, HRF. S. 47 f., dar-
nach Ovid fast, U 667 ff., Gellius XH 6. 2, Serv. Aen. IX 446, Lact.
Inst 1 20. 38 , dagegen die andere Version steht auch bei Dionys. Hai.
11169 und Plinius, H, N. XXXV 108; ausser Terminus und luventas
wird noch Mars genannt bei Augustin , de civ, dei IV 23. 3 (dagegen
V 21 Ende). Vgl. Richter, Topogr.^ S. 124, Wissowa, Rdigum und KuUus
der Römer S. 125, Wölfflin, Archiv XHI S. 90.
8. Zu Per. 1* Z. 22/3: SuperU expulsio vgl. P S. 6 Z. 4/5:
Bruti opera maxime expulsus est, Eutrop. I 9. 2 afc expulsis regihus
consules L. Junius Brutus, qui maodme egercU, ut Tarquinius peller etur,
auch 19. 5: Tarquinius, qui fuerat expulsus j aber 11. 2 u. 3, 12. 1, 13:
post reges exactos (ebenso Euseb.-Hieronym. 1505 u. 1507, Schoene
II p. 101), Pseudo- Victor 8.6: pulsus Cumas eoncessit, Orosius 11 4. 13:
unius regis expulsio y 14: expelliy 15: igitur regibu^ urbe propulsis,
Festus, hrev. 2: Tarquinius Superbus regno expulsus est, Augustin
III 15 Ende: usque ad expulsionem Tarquinii. Im Livius-Original
I 59 — 60 ist weder pellere oder expellere noch überhaupt ein Compositum
dieses Verbums angewendet (159. 1: exacturum, 60. 2: exactique
indc liberi regis, n 1. 3: Sujwrbo exacto rege, erst 11 2. 3: pulso Su-
perbo)', vgl. dazu Censorin., d, d, n, 17. 12: ad reges exactos, Eusebius,
Chron., Schoene I p. 295; ab exactis regibus, Hieronym.-Ettsebius 1507,
Schoene II p. 101; post exactos reges (s. o. Eutrop.).
n. Diesen Stellen, die die Abhängigkeit der Per. 1» und 1** von
derselben Mittelquelle, der Livius-Epitome , dokumentieren, stehen auch
hier andere gegenüber, welche so starke Abweichungen zeigen, dass 1»
weiter von 1** abrückt und näher zu anderen Epitomatoren sich stellen lässt.
1. Wie schon Wölfflin betont hat,*) ist V" viel umfangreicher. „Die
vollständige (1*) füllt 22, die unvollständige von Ancus Martins an er-
haltene (1*») nach Ausscheidung der Interpolation über Attus Navius 35,
Per. 2 gegen 60 Zeilen nach Jahns Text." Trotzdem bietet aber !• eine
ganze Anzahl Fakta, die P übergeht. 1» ist also im Verhältnis viel
stoffreicher, während 1** bei den einzelnen Ereignissen, die sie heraushebt,
1) Comm. in hon. Momms. S. 338.
Kornomann, Die noao Liyias-Epitome. 6
82 E. Kornemanny
mehr Worte macht.*) Es ist etwa dasselbe Verhältnis, welches zwischen
den späteren Pcriochae und unserem Papyrus obwaltet.
2. Liv. I 31. 8 berichtet: tradunt .... (Tullum Hostilium) fulmine
ictum cum domo conflagrasse und fast wörtlich ebenso Val. Max.
IX 12. 1, Pseudo- Victor 4. 4, Eusebius-Hieronym. 1339, Schoene 11 p. 87,
vgl. vcrs. Arm. p. 88. Eutrop. (14) dagegen hat statt conflagravit
arsit.^) Per. 1* Z. 12 aber sagt: Tullus fulmine consumptus und ähn-
lich Augustin, de civ d. UI Ib qui (Tullus) et ipse fulmine absumptus
est (unter Berufung auf Cicero) und gleich darauf: cum tota domo sua
fulmine concrematus est
3. Die Gründung der Kolonie Ostia durch Ancus Marcius berichtet !•
(Z. 13) mit den Worten: Ostiam condidit, V" (S. 4 Z. 2) dagegen:
Hostiam coloniam deduxit. Bei Livius 133. 9 steht: in ore Tiberis
Ostia urhs condita. Zu 1' gesellen sich Eutrop. (15): apud <ßstium
Tiberisy Hostiam civitatem supra ynare sexto decimo miliario ab urbe Bomea
condidit und darnach Eusebius Hieronym. 1397, Schoene II p. 91 sowie
Cassiodor: qui (Ancus Marcius) sexto decimo miliario ab urbe Roma Ostiam
condidit, zu 1^ dagegen Pseudo- Victor 5. 3: Ostiam coloniam maritimis
commeatibus oppartunam in ostio Tiberis deduxit Florus (II. 4. 2)
allein sagt: Ostiamque in ipso maris fluminisque confinio coloniam
posuit,
4. In 1' Z. 14 heisst es von Tarquinius Priscus: Latinos supera-
Vit, an der entsprechenden Stelle in 1** (S. 4 Z. 12): Latinos subegit,
bei Pseudo- Victor 6. 8: Latinos hello domuit. Es handelt sich um
den Auszug aus Livius 1 33. 7: bellum primum cum Latinis gessit et
op2)idum ibi Ajriolas vi cepit.
5. 1» Z. 14 fährt dann fort: circum fecit, ebenso Pseudo-Victor
6. 8: circum maximum aedificavit unter Hinzufügung von ludos
magnos instituit, mit ihm stimmt fast wörtlich Eutrop. (16): cir-
cum Romae aedificavit, ludos Romanos instituit, genau so
Euseb.-Hieronym. 1419, Schoene II p. 93. Im Gegensatz hierzu sagt 1**
nur: ludos in circo edidit; vgl. Livius I 35. 8: tum primum circo,
qui nunc maximus dicitur, designatus locus est. loca divisa p^atribus equiti-
busque, uhi spectacula sibi quisque facerent; fori appeUati .... § 9: sol-
lemnes dcinde annui mansere ludi, Romani magnique varie appellati.
6. 1* vermerkt die Verdienste des Tarquinius Priscus um die Um-
mauerung und Kanalisierung Roms mit den Worten (Z. 15): muros et
cloacas feeit und wiederum stimmt Eutrop. (16) mit ihr überein:
1) Wölfflin a. a. O. S. 338—839: ,Die Hälfte der Angaben von 1* fehh in Ib,
80 von Tarquinius Priscus : circum fecity finitimos devicit, von Servius TuUius: Veientea
devicit, von Tarquinius Superbus: TuUiae scelus in imtrem. Turnus Herdonius per
Tarquiniutn occisus. Capitolium inchoatum. Termini et luventae arae moveri non jHh
tuerunt. regnatum est CCLV."
2) Über arsit vgl. Wölfflin, Archiv XI S. 6.
Die neue lAvius-Epitome. 83
muros fecit et cloacas, Euseb.-Hieronym. 1419, Schoene n p. 93.
1^ (S. 4 Z. 13) aber ist ein wenig breiter und kommt dem Original
näher: urbetn muro circumdedity cloacas fecit. Bei Liv. 138. 6
steht nämlich: muro lapideo . . . urbem . . . cingerc parat et infima
urbis loca ... cloacis fastigio in Tiberim du et i 8 siceat
7. 1' Z. 17 hat: (Servius Tullius) aedem Dianae dedicavit; 1^
S. 4 Z. 20 dagegen: templum Dianae cum Latinis in Aventino fecit.
Pseudo -Victor 7. 8 — 9: Latinorum populis persuasit uti .... aedem
Dianae in Aventino aedificarent. Liv. I 45. 2: saepe iterando
eadem perpulit tandem, ut Romae fanum Dianae populi Laiini cum po-
pulo Romano facerent. P und Pseudo- Victor stehen dem Original näher
wie 1*, ohne sich mit ihm vollkommen zu decken, vor aUem beachte man
in Aventino gegenüber Roniae bei Liv. Zu der Fassung in 1* vgl. Festus
p. 343 M qtwd eo die Ser. Tullius . . . aedem Dianae dedieaverit
in Aventino.
8. 1* erzählt Z. 18/9 zunächst von der Thronbesteigung des Tar-
quinius Superbus und fügt daran die Worte: Tulliae scclus in patrem,
1^ (Z. 20 — 24) hat die umgekehrte Reihenfolge, die derjenigen des Ori-
ginals entspricht (vgl. Liv. I 48. 7 und I 49. 1). Florus (11.7. 2—3)
stimmt mit 1', Pseudo- Victor (7. 18 und 8. 1) mit P überein. Es ist
offenbar eine Eigentümlichkeit von 1' oder der Vorlage, das Hauptereig-
nis vorwegzunehmen und dann speziellere Vorkommnisse, die zu dem be-
treffenden Ereignis in Beziehung stehen, folgen zu lassen, vgl. Z. 11 — 12:
Tullus Hostilius Älbanos diripuit. trigeminorum pugna. Metti Fufeti sup-
plicium: dazu Liv. I 24 — 26 (Kampf der trigemint), I 28 (Mettius Fufetius'
Tod) , I 29 (Zerstörung von Alba , doch vgl. auch I 22. 3). Es ist das
dieselbe Technik, wie sie auch auf dem Papyrus uns entgegentritt, vgl.
Z. 13 — 17: zunächst Notiz über die Besiegung der Gallier und die Be-
freiung von Phrygien, dann die Anekdote von der Chiomara, oder Z. llOff. :
Erhebung des Nicomedes zum König von Bithynien, dann der Ausspruch
des Cato über die Gesandtschaft nach Bithynien, vgl. auch Z. 145—147
und Z. 185 — 188. Also nur in solchen Fällen sehen wir 1' ebenso wie
den Papyrus von der Folge der Ereignisse im Originale abweichen. Im
übrigen sind Umstellungen der livianischen Nachrichten in P viel
häufiger. 1* Z. 20 u. 21 spricht zuerst von Gabii, darnach vom Capi-
tolium, 1** (S. 4 Z. 26) hat die umgekehrte Reihenfolge. Diejenige von
1' ist aber diesmal die des Originals: Liv. I 54 (Eroberung von Gabii),
I 55 — 56 (Bau des capitolinischen Tempels), und mit 1* stimmt auch in
dieser Beziehung Eutrop. I 8. 1 überein ; über die Abweichung im Inhalt
s. u. S. 85. Ausserdem steht in 1** an falscher Stelle die Bemerkung
über Ancus Marcius S. 4 Z. 2 — 3: caerimonias a Numa institutas reno-
vavit aus Liv. I 32 (das in 1^ Vorhergehende dagegen aus I 33). Die Ge-
schieh t« von Aftus Navius Z. 4 — 7 (Liv. I 36. 3 ff.) gehört hinter ampli"
avit Z. 13. Der Satz successit ei — traditum erat: Z. 15 — 17 ist zu-
6*
84 E. Komefnann,
sammengestellt aus Liv. 141, 39. 5 und 39. 1. Die Worte Z. 18/9:
pomerium protulü, colles urbi adiccit^) etc. erweisen sich als eine Um-
stellung gegenüber Liv. I 44. 3. Z. 23—24 steht: neque patrum neque
populi iussuy im Original I 49. 3 heisst es umgekehrt: neque poptdi iussu
neque auctoribus patribus.
9. Über die Eroberung von Gabii durch Tarquinius Superbus lesen
wir in 1* (Z. 20 — 21): fraude Sexti Tarquinn Gabii direpti,^) in 1**
(S. 4 Z. 2G/27): Gabios dolo in potestate<^my sua<(my redegit.
Pseudo- Victor 8. 1: Gabios per Sextum filium simulato transfugio in
potestatem redegit. Florus I 1. 7. 5: sie valida oppida Lotio capta
suntj Ardea Ocricolum Gabi Suessa Pometia. Orosius 114. 12: oppida
valida in Latio per cum capta Ardeam Ocricolum Suessam Pometiamque
et quidquid in Gabios vel fraude propria vel poena fdii vel Romanis
viribus j)erpetravit. Eutrop. I 8. 1 : Gabios civitatem et Suessam Pömetiam
subegit, vgl. Livius 153. 4 — 54 Ende: Gabios ... fraude ac dolo
adgressus est etc. Die Eroberung von Suessa Pometia geht im Original
voraus , weil sie in den Volskerkrieg gehört , vgl. I 53. 2 , im übrigen
Drescher a. a. 0. S. 19.
Im allgemeinen kann man also sagen, dass Per. 1» dem Eutrop. und
Hieronymus-Cassiodor näher steht als der Per. P (auch stellenweise dem
Pseudo- Victor) , wie die unter 16, 113, 5, 6, 8 behandelten Fälle be-
weisen, woraus ich auch hier schliesse, dass die drei zuerst genannten
nur indirekt von der Epitome abhängig sind. P hat, wie die Periochae
überhaupt, den Livius öfter stilistisch in eine andere Form gebracht.
Abgesehen von dem früher Gesagten ist da noch von Interesse S. 4
Z. 16: puero adhuc in cunis posito, während Livius an der betreffenden
Stelle (I 39. 1) nur ptiero dormienti sagt. Gegenüber den Interessen von
1** in formaler Richtung liegen diejenigen von 1' durchaus auf der stoff-
lichen Seite, was wiederum zu unserem Papyrus passt. Endlich ist die
strengere chronologische Anordnung schon hervorgehoben,^) wodurch wir
auch hier auf ein Chronikon hingewiesen werden.
III. Aber die Übereinstimmung zwischen 1» und den ihm am nächsten
stehenden Epitomatoren (Eutrop., Hieronymus-Cassiodor) ist auch keine
vollständige, wie schon aus den oben unter I 2 (S. 80), II 2 (S. 82) und
II 9 besprochenen Fällen hervorgeht. 1* zeigt weiter Singularitäten, z. T.
eigentümlichster Art.
1. Z. 17 steht bezüglich des servianischen Census nur die Notiz:
poptUum in classes divisit (ähnlich Pseudo- Victor 7, 7 — 8). Dagegen haben
alle übrigen eine allgemeine Bemerkung über diesen Census: P (Z. 17):
1) Die Worte colles . . . fecit bIdcI aUerdings in P von zweiter Hand am Rande zu-
gefügt, vgl. Rossbach, mein. Mus. 44 S. 75.
2) Die genaue Lesung der Hss. s. oben S. 79 Anm. 2.
3) Eine Abweichung in dieser Hinsicht ist oben S. 83 aus der Technik der Dar-
stellung erklärt worden.
Die neue lAvius-Epitome. 85
is censumprimum egity Eutrop. I 7: primus omnium censum ordinavit,
Hieronyin.-Euseb. 1432, Schoene II p. 95, darnach Cassiodor Chr.: gut
primus censum instituit civium Romanorum. Das Livius- Original
(I 42. 5) hat nur die Worte: censum enim instituit Über diesen Fall
vgl. G. Ay, De Livii epitoma deperdita S. 65 No. 4 und F. Drescher
a. a. 0. S. 17 No. 29. Das Auffällige ist hier, dass Eutrop. und Hieronym.-
Cassiodor auf der anderen Seite stehen und dass die beiden letzteren
allein das Verbum des Originals (instituit) bieten. Wenn man hiermit
das oben S. 82 unter II 3 Zusammengestellte vergleicht, so könnte man
auf die Vermutung kommen, dass die Vorlage von !• Eutrop. und
Hieronymus-Cassiodor neben der Epitome das Original selbst vor sich
gehabt habe. Doch genügen diese Anzeichen für eine solche Behauptung
noch nicht.
2. In 1* Z. 21 steht in dem Bericht über die Regierung des Tar-
quinius Superbus: CapitoUum inehoatum (einigermassen ähnlich wieder-
um nur bei Pseudo- Victor 8. 4: cum CapitoUum inciperet), an derselben
Stelle von 1^ aber (S. 4 Z. 25/6): ex spoliis eorum (Vulscorum) temp-
lum in Capitolio Jovi fecit, ebenso Florus I 1. 7. 7: de manubiis cap-
tarum urbium templum erexit^ Eutrop. I 8. 1: templum Jovi in
Capitolio aedificavit, Augustin, de civ. d. UI 15: CapitoUum fahri-
cantem ... neque enim adJiuc innocens CapitoUum struxit. Dazu
vgl. man das Original I 55. 1: inde ad negotia urbana animum convertit;
quorum erat primum^ ut Jovis templum in monte Tarpeio monumefitum
regni sui nominisque relinqueret: Tarquinios reges ambos, patrem vovisse
(dazu 38. 7), fiUum perfecisse^ vgl. 56. 1: intentus perficiendo
templo. Die Herkunft aller dieser Berichte aus einer vom Original ab-
weichenden Quelle ergiebt sich aus der Ersetzung des mens Tarpeius
durch CajntoUum. Eine Sonderstellung aber nimmt 1» ein gegenüber allen
Epitomatoren, am meisten gerade Eutrop. gegenüber, der in voller Über-
einstimmung mit Liv. I 38. 7 von Tarquinius Priscus sagt: CapitoUum
inchoavit, wohl also in formaler, nicht aber in sachlicher Beziehung
mit 1* zusammenzustellen ist
3. 1» schliesst mit den Worten: regnatum est annis CCLV, Diese
Zahl steht ganz einzig da in der Überlieferung. Bekanntlich hat Liv.
(I 60. 3) an Stelle der älteren Ansetzung der Königszeit auf 240 Jahre 0
die Zahl 244: regnatum Romae ab condita urbe ad liberatam annos du-
centos qundraginta quattuor. Statt 244 erscheint aber bei den
Epitomatoren die Zahl 243, nämlich bei Eutrop. I 8. 3, Festus, brev, 2
(zweimal) und 3 Anfang, Orosius 114. 13, Augustin, de civ, dei III 15
Ende, Lydus, de mag. I 29, während bei Hieronymus-Eusebius 1505,
Schoene II S. 101 die beiden Ansätze 240 und 243 nebeneinandergestellt
1) Vgl. zum folgenden Mommsen, Eöm. Chron.^ S. l^ff. und Mommsen, Solinus^
p. xn.
86 E, Kornemann,
sind (ann. CCXL sive ut quibusdam x)lacct CCXLIII). Mommsen hat
diese Abweichung der genannten Epitomatoren vom Livius-Original als
eine „zufällige oder absichtliche Vernachlässigung des Interregnenjahres'* ^)
erklärt. Er hat übersehen , dass sowohl Eutrop. (I 2. 3) wie Festus
(brev. 2) dieses Jahr ausdrücklich erwähnen. Die Divergenz entsteht
vielmehr dadurch, dass Eutrop.^) und ganz entsprechend auch Festus^)
dem Tarquinius Superbus ein Jahr weniger , statt 25 (so Liv. I 60. 3)
nur 24 Jahre, geben. Mit dem Original aber stimmt die Per. 1^
S. 6 Z. 5 (auch Dio-Zonaras VII 12. 1) überein, die ebenfalls 25 Ee-
gierungsjahre für Superbus hat, sodass als die hier fehlende Gesamt-
summe ebenfalls 244 angenommen werden muss, wie auch Censorinus,
de die nat. 17. 12 angiebt. Daraus geht hervor, wie schon Reinhold
(S. 9) betont hat, dass die verlorene Epitome des Livius die Abänderung
noch nicht vorgenommen hat, sondern erst die dann folgende Mittelquelle,
d. h. das Chronikon. Um so auffälliger ist die Angabe der Per. 1*
(255 Jahre), von der wir ausgingen, für die auch Cassiodor nicht zum
Vergleich herangezogen werden kann, da derselbe auch hier wiederum
aufs engste an Eusebius-Hieronymus sich anschliesst, d. h. für die beiden
letzten Regierungen 34 u. 35 (statt 44 u. 25)*) und als Gesamtzahl
240 Jahre giebt.^) Die Zahl in 1' muss also entweder verderbt sein
— erwarten müssen wir nach allem Gesagten CCXLIII — oder es liegt
eine weitere und zwar sehr starke Abweichung von den am nächsten
stehenden Chroniken vor, für die ich keine Erklärung weiss. Da wir
den Auszug nicht frei von Singularitäten sahen, ist keine volle Sicher-
heit zu erzielen.
Das Resultat dieses Kapitels ist somit folgendes : Der neue Text hat
einen sehr nahen Verwandten in der sogenannten Per. 1*. Er berührt
sich ausserdem mit Obsequens, Eusebius-Hieronymus und Cassiodor, weiter
mit Eutrop. und Festus, dagegen steht er, wie alle diese Schrift-
steller (eingeschlossen Per. 1*), etwas ferner den Periochae, stellenweise
auch dem Orosius und Pseudo- Victor , de vir. ill. Ich bin mit Reinhold
der Ansicht, dass diese Gruppierung der Epitomatoren sich nur aus der
Thatsache erklären lässt, dass ein Chronikon aus der Liviusepitome des
1. Jahrh. gefertigt worden ist, welches ebenso wie die Epitome selbst
sich nicht ganz sklavisch an seine Vorlage gehalten, sondern ein anti-
quarisch-chronologisches Handbuch als Nebenquelle zu Rate gezogen und
mit Livius kontaminiert hat.^) Während die Epitome gleichmässig stilistisch
1) Rom. Chron.* S. 144 Aom. 270.
2) Vgl. W. Pirogoff, De Eutropii hreviarii ab u. c. indole ac fontihus I S. 12 ff.
3) So richtig G. Ay, De Livii epüoma deperdita 1894, S. 49 ff., Reinhold
a. a. 0. S. 9.
4) Mommsen, Rom. Chrono S. 189 Anm. 257.
5) Mommsen, Abh. der Sachs. Ges. der IViss. 111, 1861, S. 550.
6) Vgl. die guten Bemerkungen über die Arbeitsweise in den Breviarien des
Die turne Livius-Epitome. 87
und inhaltlich ab und zu Änderungen vorgenommen hat, waltet bei dem
Verfasser des Chronikons unstreitig das stoffliche und chronologische Inter-
esse vor. Der neue Fund giebt uns erst die Möglichkeit eine klarere Vor-
stellung von diesem Chronikon zu gewinnen, das wir mit Rücksicht auf
die getroffene Stoffauswahl (Prodigien, Spiele, stupra, Anekdoten aller Art
neben den grossen Ereignissen der Geschichte) frühestens etwa dem
zweiten nachchristlichen Jahrhundert zuschreiben dürfen. Auf ihm be-
ruhen direkt oder indirekt — im einzelnen bleibt noch vieles unklar:
wir gewinnen nur das Grundschema — die Breviarien und Chronika der
spätesten Zeit/) wie das Stemma auf S. 88 zeigt.
V.
Die Geschichte der Jahre 604|150— 617|137 auf
Grund des neuen Fundes.
1. Die ftnssere Geschichte.
Die in dem Papyrus vermerkten Ereignisse der äusseren Geschichte
Roms beziehen sich auf:
a) den dritten punischen Krieg von 605/149— 608/14G.
b) die Kriege auf der Balkanhalbinsel zwischen 605/149
und 613/141.
c) die Vorgänge in den hellenistischen Reichen des Ostens in
dem Zeitraum von 605/149 bis 616/138.
d) die Ereignisse in den spanischen Kriegen der Römer von
604/150 bis 617/137.
a) Der dritte punische Krieg.
Die Ereignisse des Ersten Kriegsjahres (605/149): Beginn des Krieges,
Übertritt der Uticenser auf die Seite der Römer, Ultimatum an die Car-
thager, ihre Stadt zehn Meilen vom Meer zu verlegen, die Ablehnung
dieses Ansinnens, die ersten Kämpfe um Carthago, wobei der Kriegs-
tribun Scipio Aemilianus sich mehrfach auszeichnete, haben sich schon
aus der seitherigen Überlieferung ergeben. Dagegen gehört der Tod des
greisen Masinissa, den die Modernen im Anschluss an Appian*) zum Teil
noch ins Jahr 605/149 setzten,-*) nach dem Papyrus in den Anfang von
4. Jahrh. bei II. Peter, l>ie gesch. Litt, über die röm. Kaiserzeit II S. 341 fF. und bes.
bei Wölfflin, Archiv XII S 833-344, 352f., XIII S. 69-97 u. 173-180.
1) Rossbachs Ansicht {Der prodigiorum liber des Julius Obsequens, Rhein, Mus,
N. F. 52, 1897, S. 2—7), dass Obsequens etwa in die Zeit Hadrians oder der ersten
Antonine gehöre, vermag ich nicht zuzustimoien. Dafür fehlt jeglicher Beweis. Dass
der Mann ein Heide war, ist auch mir das Wahrscheinlichste.
2) Vgl. Schwartz bei Pauly-Wissowa, E. E. II S. 220.
3) Fischer, Zeittafeln S 125, Mommsen, Rom. Gesch. 11* S. 31, Niese, Grundriss*
5. 100; unbestimmt Ihne, Röm. Gesch. III S. 296. Das Richtige hat bereits F. Münzer
88
E. Kornemann,
12:
o
g
Die neue Ldvius-Epitome.
89
606/148. Auch in diesem Jahre steht Scipio (Teilung des numidischen
Reiches durch ihn und seine Wahl zum Konsul) im Vordergrund des
Interesses. Der Papyrus beweist so aufs Neue, dass Ldvius, offenbar hier
dem Polybios folgend, die Darstellung des Bjtieges durchaus im Sinne
Scipios gegeben hat, allerdings unter gleichzeitiger Ausbeutung der
römisch-annalistischen Tradition, wie sich uns oben (S. 52 f.) in der Unter-
suchung über Masinissas Alter und die Zahl seiner Kinder gezeigt hatte.
Der Verlauf der Ereignisse im Kriegsjahre 606/148 ist aus unseren
stark verkürzten Quellen nicht ganz klar ersichtlich. Die livianische
Tradition wird aus folgender Nebeneinanderstellung am schnellsten
kenntlich :
Papyrus. Per, Oros. Eutrop.
1. Tod des Masinissa 1. ebenso,
und Teilung des
Reiches durch Scipio.
2. Tod eines der anMas.
geschickten röm. Ge-
sandten.
1. ebenso
Übergang des Pha-
meas zu denßömem.
3. Tod des Hasdrubal. 3.
Eroberung
von Tezaga
durch Mani-
lius (Man-
lius codd.)
1. ebenso.
2. —
4. Wahl des Scipio
zum Konsul für
607/147.
5. Glücklicher Kampf 5. = 4.
der Römer in Afrika.
6.
Tod des Gesandten
M. Claudius Mar-
cellus.
= 3 des Papyrus.
3. —
4.
= 3 des
Papyrus.
5. —
6. s. 0. No. 2.
3. —
4. —
5. Konsul-
wahl.
6. —
Eroberung einiger
Städte um Garthago
durch M. Aemilius
(so die Hss. ; dagegen
Sigonius: M'. Mani-
lius).
Der Papyrus und die Per. stehen sich hier am nächsten : der einzige
Unterschied ist, dass die letztere ein Ereignis mehr bietet und auch bei
den übrigen etwas eingehender berichtet. Aus der Per. sowohl wie aus
Orosius ersehen wir aber, dass es der Konsul vom vorigen Jahre
M.' Manilius war, dem in der livianischen Tradition für den Anfang des
Jahres 606/148 (vgl. dazu auch Val. Max. V2 Ext. 4, besonders die
Worte: gut pro consule Africam obtinehat) noch einige Erfolge gegen-
gesehen bei Pauly- Wissowa , B. E. IV Sp. 1445 unter Berufung auf Val. Max. V 2
Ext. 4, wo BianiliuB bereits als Prokonsul bezeichnet wird.
90 E. Kornemanfiy
über den Karthagern beigelegt werden. Eine andere Überlieferung hat
Appian {lAb, 105 — 113), aus der wir das Wichtigste herausheben (Über-
einstimmungen mit Livius in Sperrdruck):
1 . Gesandtschaft des römischen Senates an Masinissa (s. o. unter No. 2
bezw. 3): 105.
2. Tod des Masinissa und Teilung seines Reiches: 105
bis 106.
3. Unterredung des Scipio mit Phameas: 107.
4. Zweiter Zug des Manilius gegen Nepheris, dabei Übergang des
Phameas zu den Römern: 108.
5. Rückzug des Manilius und Beutezug des Scipio nach Magnum
Barathrum: 109.
(}. Kunde von der Ankunft des Nachfolgers Calpumius Piso; darauf-
hin Voraussendung des Scipio und Phameas nach Rom: 109.
7. Im Frühjahr Ankunft des Konsuls Calpurnius Piso nebst dem
Praetor L. Mancinus: 110.
8. Angriff des Piso auf die Küstenstädte, erfolgreich nur gegenüber
einer Stadt, dagegen ohne Erfolg gegenüber Clupea und Hippo
Diarrhytos: 110.
9. Tod des Hasdrubal: 111.
10. Wahl des Scipio zum Konsul: 112.
11. Belagerung der carthagischen Binnenstädte durch Piso: 113.
Hier ist einmal von Erfolgen des Manilius gar keine Rede: alles
was unter seinem Oberkommando erreicht wurde, wird dem Scipio zu
Gute geschrieben. Andererseits datiert Appians Quelle die Thätigkeit des
Manilius schon in den Vorfrühling 606/148 vor den Tod Hasdrubals
(s. 0. Orosius). An der Stelle dagegen, wo der Pap. und die Per. von
Erfolgen der Römer in Afrika sprechen (nach der Konsulwahl für
607/147) ist bei Appian Calpumius Piso der Höchstkommandierende und
gerade von ihm wird die Eroberung einiger feindlicher Städte berichtet:
man vgl. mit dem Bericht des Appian in c. 110 auch Diodor XXXTT 18:
oji 6 xdiv *Pwfiaia)V vnarog Kalnoigviog dt^^ ofioloylag tiv dg twv
TtoXtoiv tllfjcpwg xaTiaxaxfJiv ovSiv rijg nictitag (fQOVtiaag. Hier wird
man doch direkt an die aliquot urbes der Per. erinnert. Wenn also in
der Per. die Konjektur des Sigonius richtig ist, so hat Livius oder viel-
leicht erst die Epitome (bei der Zusammenziehung) die Erfolge des Mani-
lius vergrössert. Denn die Berichte des Diodor und Appian gehen offen-
bar in letzter Linie, wie vor allem die starke Hervorhebung von Scipios
Verdiensten beweist, auf Polybios zurück. Ein klein wenig näher dem
Livius, steht der im übrigen auch auf Polybios zurückgehende dionische
Bericht bei Zonaras (IX 27. 4—7, Boiss. I S. 310/1 u. 29. 1—4 S. 313/5).
Derselbe hat folgendes zu melden:
1. Tod des Masinissa und Teilung seines Reiches: 27.
4—5.
Die fwue Livius-Epitome, 91
2. Zu Frühlingsanfang Feldzug des Manilius gegen die Bundesgenossen
der Carthager: 27. 6: xai noXXovg fiiv avxiv ßlq, noXXoifg 8i
oiAoXoyitf^ xai fidXiora 6 JExmlitiV^ naQ^avTqcavro.
3. Unterredung des Scipio mit Phameas: ebda.
4.- Übergang desselben zu den Römern: 27. 7.
5. Rückzug des Manilius nach Utika: xavtiid-^ Mavlkiog fih eiy
Tfjv Ovrixijfif kX&atv i,ffvxct^€: ebda.
6. Scipio und Phameas nach Rom: ebda.
7. Aussendung des Konsuls Piso gegen Carthago: 29. 1.
8. Angriff auf die Küstenstädte, erfolgreich nur gegen Neapolis.
9. Konsulwahl: 29. 2.
10. Piso operiert im Binnenlande: 29. 4.
Dieser Parallelbericht zu Appian ergänzt dessen Angaben noch in
zwei Punkten:
1. der Rückzug des Manilius erfolgte nach Utika, wo er unthätig
wurde,
2. die von Piso eroberte Kästenstadt war Neapolis.
Die Hinneigung zu Livius aber erblicke ich darin, dass der Zug des
Manilius erst in den Frühlingsanfang gesetzt wird, während Appian um
diese Zeit schon den Piso in Afrika ankommen lässt, und dass auch bei
Zonaras die Erfolge des Manilius als bedeutende geschildert werden (s. o.
unter 2.).
Der Konsul Calpurnius Piso ist sicher erst im Laufe des Sommers,
allerdings noch vor den Konsulwahlen für 607/147, nach Afrika über-
gesetzt. Nur auf diese Weise erhalten wir genügend Raum für die Er-
eignisse im Anfang des Jahres und den Feldzug des Manilius von 606/148.
In chronologischer Hinsicht ist also der Bericht des Appian zu verwerfen,
dagegen hat er wahrscheinlich insofern Recht, als sowohl die Erfolge des
Manilius wie diejenigen des Calpurnius Piso im Jahre 606/148 recht ge-
ring waren. Hier hat die annalistische Überlieferung, wie sie vor allem
Livius repräsentiert, die Misserfolge zu verschleiern gesucht, und davon
haben wir auch auf dem Papyrus noch einen Niederschlag.
Für das Ende des Krieges, die Jahre 607/147 und 608/146, lernen
wir aus dem Papyrus nichts Neues.
b) Die Kriege auf der Balkanhalbinsel.
Was zunächst die Erhebung des Andriskos (Pseudophilipp.)
in Makedonien betrifft, so sind wir nunmehr in der Lage die Haupt-
ereignisse dieses Kampfes auf die zwei Jahre 605/149 und 606/148 richtig
zu verteilen. Ins erste Jahr gehört die Eroberung Makedoniens durch
den Abenteurer, sein Vordringen nach Thessalien sowie dessen Vertei-
digung durch die griechischen Bundesgenossen der Römer unter P. Scipio
Nasica (Pap. Z. 100 — 102 und 107 — 108), ins zweite dagegen die Nieder-
lage des Praetors luventius in Thessalien und der Sieg des Praetors
92 E. Komemann^
Q. Caecilius Metellus, dem die Gefangennahme des Praetendenten und
damit die Beendigung des Krieges folgte (Pap. Z. 126 — 127). Darnach
sind die neueren Darstellungen zu berichtigen, welche in der Regel den
Untergang des luventius noch ins Jahr 605/149 datieren.*)
Der Kampf in Griechenland, der mit der Zerstörung Corinths
endete, nahm seinen Ausgang im Jahre 607/147 von der Beleidigung der
römischen Gesandtschaft, welche von L. Aurelius Orestes geführt wurde:
Pap. Z. 135 — 136. Leider fehlt in dem neuen Text das Verbum, welches
die Art des Vergehens gegenüber den Gesandten angedeutet hat. An
der entsprechenden Stelle in Per, 51 steht, wie wir oben (S. 55) sahen,
pulsati, in Per, 52 aber violati. Niese (Gesch. der grteeh, und mak.
Staaten III S. 343 Anm. 1) macht mit Recht darauf aufmerksam, dass es
sicher ist, „dass eine körperliche Verletzung der Gesandten nicht statt-
gefunden hat." Es liegt offenbar eine Übertreibung der annalistischen
Überlieferung vor. Unsicher aber bleibt, wie Livius selbst die Sache
dargestellt hat, ob er nur von der körperlichen Verletzung der (Gesandten
gesprochen, oder ob er die zwei Überlieferungen gegeben hat. Wenn es
feststünde , dass Florus I 32. 2 Qegatosque Bomanos dubium an et manu
certe oraiione violavit) ganz auf Livius zurückginge, so wäre die Frage
im letzteren Sinne entschieden. Aber Florus stellt mehrfach zwei
Versionen nebeneinander,^) und zwar so, dass man öfter eine Kontami-
nation mehrerer Quellen bei ihm anzunehmen geneigt ist.^) Die Nennung
des Kritolaos an jener Stelle — er wui'de erst im Herbst 607/147 Strateg,
während wir uns eben noch im Sommer dieses Jahres befinden*) — ist
vielleicht auch der nichtlivianischen Quelle aufs Konto zu schreiben.
Bei Cassius Dio XXI 72. 1 (Boiss. I S. 318) wird richtig Diaeos in diesem
Zusammenhang genannt. Andererseits ist die Anwendung von pulsare
und violare in der Per. im Auge zu behalten, aber zu beachten, dass von
hier aus nicht der Beweis geführt werden kann, dass Livius auch die
mildere Form der Kränkung der Gesandten verzeichnet hat.
Was die Ereignisse des Jahres 608/146 betrifft, so ist schon oben
(S. 57) darauf aufmerksam gemacht, dass der Papyrus abweichend von
allen anderen Berichten (Pseudo- Victor 60. 2, Pausan. VII 16. 4, Zonaras
IX 31. 5) erst die Zerstörung von Corinth und dann den Tod des Diaeos
erzählt, und es ist an derselben Stelle schon hervorgehoben, dass beide
Anordnungen möglich sind. Im vorigen Kapitel (s. S. 83) ist dann wahr-
scheinlich zu machen gesucht, dass hier das zu Grunde liegende Chroniken
1) Vgl. Mommsen, Köm. Gesch. 11^ S. 40, Ihne, R. G. III S 248, Hertzberg,
Gesch. Griechenlands unter den Römern I S. 249, Niese, Grundrüs^ S. 101, Gesch. der
gr. u. mak. Staaten III S. 333, Wilcken bei Pauly-Wissowa I 2 Sp 2142.
2) Vgl. II 2. 2—3, dazu meine Arbeit Zur Gesch. der Graccheneeit^ Erstes Beiheft
der Beiträge S. 3.
3) Vgl. Wölfflin, Archiv XIII, 1902, S. 81 ff.
4) Niese a. a. 0. S. 342.
Die neue Livius-Epitome, 93
eine bestimmte Technik der Darstellung befolgt hat, nämlich immer das
Hauptereignis vorwegzunehmen: einer dieser Fälle scheint hier vor-
zuliegen.
Die Zerstörung Corinths hatte die Verschleppung einer Masse von
griechischen Kunstwerken nach Italien zur Folge. Die Verteilung dieser
Gegenstände durch Mummius an Rom und andere Städte Italiens sowie
des Westens, von der wir seither schon durch literarische wie inschrift-
liche Quellen wussten (Belege s. o. S. 60), und die man im Anschluss an
den Triumph des Mummius (609/145) erfolgt sich dachte, geschah nach
dem neuen Text erst im Jahre 612/142, d. h. also während der Censur
des Zerstörers von C!orinth: Pap. Z. 168 — 169.
Eine Folge der Einverleibung Makedoniens als Provinz in das Römer-
reich war offenbar der Kampf gegen die keltischen Skordisker') im
Jahre 613/141, der mit einer Niederlage der Römer endete: Pap. Z. 174
bis 175. Seit 608/146 hatte die römische Regierung den Schutz der
Nordgrenze auch auf der Balkanhalbinsel zu übernehmen.*) Vorher waren
die Kämpfe der Römer nach dieser Richtung von Dlyrien und Oberitalien
aus geführt worden.'^) So berichtet Obsequens 16(75) zum Jahre 598/156:
Dalmatae Scordis<,ci} superati, wobei es sich nur um einen Vorstoss im
Anschluss an die Besiegung der Delmaten {Per. 47 S. 48 Z. 25 — 26)
handeln kann.*) Wenn aber dann in der Per. 56 S. 61 Z. 18/9 u. d.
Jahr 619/135 von einem Sieg des Praetors M. Cosconius über die Skor-
disker in Thracia die Rede ist,^) so erkennen wir daraus die vorgegangene
Veränderung. Damit sind zu kombinieren die Worte des Strabo VII
p. 318: kni roaoirov Ö* tji^tjä-riaav (San xai fi^XQ'' ^^^ 'llkvgunluv xai
Twv Ilaiovixdiv xai Ogtjfxiwv fiQoijk&ov dgwv. Unter Berück-
sichtigung dieser Stellen wird die Vermutung nicht zu gewagt sein, dass
es sich bei dem römischen Feldzug gegen die Skordisker von 613/141
um einen solchen zur Sicherung der makedonischen Nordgrenze handelte,
und dass der Einfall der Skordisker in Thrakien i. J. 619 nur eine Folge
der Niederlage von 613 war.
c) Die Vorgänge in den hellenistischen Reichen des Ostens.
Dass die Ermordung des Königs Prusias IL von Bithynien und
die Thronbesteigung seines Sohnes Nicomedes II. im Jahre 605/149 er-
folgte, wussten wir schon.**) Neu dagegen entnehmen wir dieser Stelle
1) Über die Wohnsitze der Skordisker im Gebiete der Drau und 8aa sowie im
heutigen Serbien vgl. Strabo VII 5. 12 p. 318.
2) Vgl. Mommsen, R. G. II» S. 169
3) U. Zippel, Die römische Herrschaft in Ulyrien S. 133.
4) Zippel S. 182.
5) Zippel S. 139.
6) Niese, Gesch. der griech. u. mak. Staaten III S. 380.
94 E. Kornemanfiy
des Pap. (Z. 109—115) die vollen Namen der drei Gesandten, die damals
nach Bithynien und an Attalos II. von Pergamon abgeschickt wurden:
M. Licinius, A. Hostilius Mancinus, L. Manlius Volso, wodurch eine Ver-
derbnis im Texte des Polybios sich heilen liess; s. oben S. 51.
Wichtiger als diese Stelle sind die Andeutungen des Pap. bezüglich
der inneren Kämpfe imSeleukidenreich. InZ. 157 — 158 wird zum
Jahre 610/144 von einer Verwüstung Syriens durch einen inneren Kri^
berichtet. Wie wir oben (S. 58) sahen, handelt es sich um den Kampf
zwischen Demetrios II. und Diodotos Tryphon, der den kleinen Sohn
Alexanders I. Balas', seinen Mündel, unter dem Namen Antiochos VI.
Epiphanes Dionysos auf den Thron erhoben hatte. ^) In Z. 213 — 214
wird dann zum Jahre 616/138 von der Ermordung des jungen Königs
durch Diodotos und der Eroberung Syriens durch denselben erzählt. Be-
kanntlich giebt es zwei Ansätze in unserer Überlieferung für das letztere
Ereignis: nach den Münzen und 1. Makk. 13. 31 fällt es ins Jahr 143/2,
nach der übrigen literarischen Überlieferung (vor allem Diodor XXXTTT 28,
Joseph., Antiqu. Xin 218, vgl. auch Justin. XXXVI 1. 7, XXXVIH 9. 3,
Appian, Syr. 68) nach der Gefangennahme des Demetrios durch die
Parther (140/39, bezw. 139/8 nach der livianischen Tradition, wie sich
aus Oros. V 4. 16 ergiebt).-) Durch den Papyrus wird endgültig er-
wiesen, dass auch Livius die Überlieferung dieser zweiten Gruppe ge-
boten hat. Allerdings war dies schon seither wahrscheinlich durch den
Umstand, dass das Ereignis in Per. 55 berichtet war und weiter durch
die Angabe an dieser Stelle, dass Antiochos VI. etwa zehnjährig getötet
worden sei, während er nach Per. 52 bei seiner Schilderhebung als etwa
zweijährig bezeichnet wird. Die livianische Tradition hat ihm also eine
etwa achtjährige Regierung gegeben, d. h. 146/5 — 138 und das stinmit,
was den Anfang betrifft, vorzüglich zu dem Resultat, das aus der Be-
trachtung der Münzen gewonnen wird.'*) So richtig dieser Ansatz also
ist, so falsch ist nach Ansicht der meisten neueren Forscher der zweite,
das Ende der Regierung betreffende. Josephos, der, wie erwähnt, an der
angeführten Stelle im übrigen mit der livianischen Tradition im Einklang
sich befindet, giebt jedoch an derselben Stelle die Regierungszeit des
Antiochos VI. auf vier, XIII 224 aber die des Tryphon auf drei Jahre
an, wodurch er mit sich selbst in Widerspruch kommt, dagegen mit den
Münzen übereinstimmt. Ebenso geben Porphyrios und Eusebios (Schoene I
p. 257 und 263) dem Demetrios II. eine dreijährige Regierungszeit, womit
1) Niese lU S. 278.
2) Über die Kontroverse am besten: Wilcken bei Pauly-Wissowa, B. E, I Sp. 2478,
E. Schürer, Gesch. des jüdischen Volkes I' S. 172 f., Niese III S. 283 Anra. 2 u. S. 290,
ganz kurz £. K. Bevan, The house of Seleucus II S. 230 Anm. 4.
3) Niese III S. 278 Anm. 3: ,Die ersten Münzen des Antiochos VI. stammen
schou aus dem Jahre 167 Sei. (146/5 v. Chr.), sind also vor dem Herbst 145 v. Chr.
geprägt.'*
Die neue lAvius-Epitome, 95
sie wohl die Zeit von der Beseitigung des Antiochos VI. bis ziu* Gefangen-
nahme des Demetrios durch die Parther meinen.*) Daraus folgt, dass es
eine Überlieferung gegeben hat , welche Tryphon , zumal dieser seinen
Gegner bis zu dessen Gefangennahme zu keiner Zeit vollständig aus dem
Bereich des Seleukidenreichs verdrängt hatte, nicht in der Königsliste
mitzählte, sondern entweder die Regierungszeit des Antiochos VI. bis auf
616/138 heruntererstreckte (so Livius und die Anderen), oder von dem
wirklichen Jahr der Beseitigung des Antiochos ab (143/2) nach Jahren
des Demetrios zählte (Porph. und Euseb.). Dazu passt, „dass Tryphon
auf seinen Münzen nicht seleukidisch zählt, sondern nach seinen eignen
Regierungsjahren".-) Endlich ist beachtenswert, dass der römische Senat
gegenüber Tryphon sehr zurückhaltend war und eine goldene Nike, die
der Usurpator nach Rom sandte, nur im Namen des ermordeten Anti-
ochos VI. annahm.^) Wie der römische Senat hat also auch die Über-
lieferung, die uns bei Livius u. A. vorliegt, dem Tryphon den angemassten
Namen eines Königs bis zur Gefangennahme des rechtmässigen Königs
Demetrios II. nicht zugestanden : das ergiebt sich aus Orosius V 4. 17
und 18, wo es heisst: quo (i. e. Demetrio a Parthis) capto Diodotus qui-
dam cum Alcxandro filio regnum eius et regium nomen usurpavit. qui
postca ipsum Alexandrum ßtum^ quem participem in pervadcndo regno
habuerat, nc in obtinendo consortem haberet, occidit. Niese bemerkt zu
dieser Stelle:*) „Orosius berichtet, dass Tryphon nunmehr seinen Sohn
Alexander zum König gemacht, ihn aber bald beseitigt habe. Dies ist
vielleicht eine Verwechselung mit Antiochos VI., der Sohn Alexanders
war." Meiner Ansicht nach handelt es sich hier unbedingt um den
letzteren, und es ist in der Vorlage des Orosius von ÄlexandH ßius die
Rede gewesen. Livius hat demnach die Sache so dargestellt, dass Dio-
dotos erst nach der Gefangennahme des Demetrios für sich und seinen
Mündel ausser dem Königreich auch den Königsnamen usurpiert,^) dann
aber den Mitherrscher bei einer Operation durch Ärzte beseitigt habe.
Darauf ist jedoch Tryphon bald dem Antiochos VIL Sidetes, Demetrios'
Bruder, der schon seit 139/8, d. h. seit der Gefangennahme seines Bruders,
sich König von Syrien nennt, erlegen, ein Ereignis, das Livius wohl erst
unter dem Jahre 617/137 berichtet hat.^ Diese ganze gefälschte Tra-
1) Vgl. Schürer a. a. 0 S. 172.
2) Niese III S. 283 Anm. 2.
8) Diodor XXXUI 28 a, Niese a. a. O. S. 283.
4) A. a. O. S. 292 Anm. 8.
6) Vgl mit Orosius Per, 52 S. 59 Z. 5: regnum adserebat, und Per, 55 S. 61
Z. 4: Alexandri filittSj rex Syriae,
6) Es scheint in Buch 55 nicht davon die Rede gewesen zu sein, wie der Pap.,
der offenbar das ganze Exzerpt aus demselben noch bietet, bestätigt; vgl. auch Niese
a. a. O. S. 298 Anm. 5.
96 E. Komemann^
dition, wie sie auch Livins geboten hat, stammt offenbar aus einer dem
Tryphon feindlichen Quelle.
d) Der spanische Krieg der Römer zwischen 604/150 — 617/137.
Alle die im Vorhergehenden erwähnten Kämpfe und Katastrophen
bedeuten wenig für die römische Geschichte. Der Schwerpunkt der
äusseren Politik Roms während dieser Zeit ruht durchaus in Westen und
zwar seit der Zerstörung Carthagos in Spanien. Den grössten Ein-
schnitt in der Geschichte des spanischen Krieges aber bedeutet das Jahr
609/145. Bis dahin waren in den beiden spanischen Provinzen (Citerior
und Ulterior) Praetoren verwendet worden, nunmehr fand, zunächst in
der jenseitigen Provinz, der Übergang zum konsularischen Heer und zur
konsularischen Heeresleitung statt: Per. 52 S. 58 Z. 19—20, Pap. Z. 151.
1. Aus der Zeit vor 609/145 hat der Pap. auf Spanien bezügliche
Notizen nur zu den Jahren 604/150 (Z. 83), 607/147 (Z. 136) und 608/146
(Z. 146 — 148), und zwar zu den beiden zuerst genannten Jahren Be-
merkungen über Erfolge der Römer gegenüber den Lusitanem, an der
dritten Stelle über das Gegenteil. Z. 83 geht, wie oben (S. 47) aus-
geführt, auf den verräterischen Überfall des Praetors Servius Galba, wo-
für er im Jahre darauf in Rom angeklagt wurde: Pap. Z. 98 — 100.
Schwieriger ist die Frage, auf welchen Erfolg in Lusitanien im Buch 51
Z. 136 unter dem Jahre 607/147 angespielt wird. Die Mögliclikeit, die
Chronologie hier festzustellen, gewinnen wir durch Vergleichung der
lateinischen Epitomatoren mit Appians Iherica. Orosius V 4. 2 berichtet
unter dem Jahre 608/146 von der Niederlage des Praetors C. Vecilius
oder, wie er in der Per. 52 heisst, M. Vetilius. Dazu stimmt es, wenn
in der Per. 52 diese Niederlage nach der Zerstörung von Corinth er-
wähnt wird und weiter, wenn an beiden Stellen unmittelbar vorher
(Gros. V 4. 1 und Per. S. 58 Z. 14—16, ebenso bei Florus I 32. 15, an
anderer Stelle dagegen bei Eutrop. IV 16. 2) die Entwicklung des Viri-
athus vom Hirten zum Jäger, vom Jäger zum Räuber, endlich vom
Räuber zum Oberfeldherm seines Volkes gezeichnet wird, ähnlich wie
bei Diodor XXXin 1. 1 — 8 (hier Vitellius statt Vetilius) und Cassius Dio
XXn 73, vgl. auch Frontin., Strat. II 5. 7 und Pseudo- Victor 71. 1. Es
ist klar, dass dieser Lebenslauf des Viriathus im Livius-Original an einer
Stelle eingelegt war, wo das Auftreten des kühnen Lusitaners entscheidend
für den Fortgang des Krieges wurde. Den Zeitpunkt dieses Auftretens
vermögen wir genauer aus Appian festzulegen. Derselbe erzählt Jh. 63
die Niederlage des genannten Praetors, die wir eben nach den lateinischen
Epitomatoren des Livius und ebenso nach Diodor als ins Jahr 608/146 ge-
liörig erkannt haben. Das vorhergehende Kapitel (62) aber beginnt
Appian mit den Worten: kgi&ia&ivTwv S* avxwv {xwv jlvairavHv) xal iv
iXniai yEvofiivwv, ijQi&fj te öiQarrjyog. Diese Wahl des Viriathus
Die neue Livius-Epitome. 97
zum Oberfeldherrn, die Livius bezw. dessen Vorlage zur Einlage seiner
früheren Lebensgeschichte bewogen hatte, war aber die Folge eines ent-
scheidenden Sieges des Vetilius, der Jb, 61 erzählt wird (vgl. Frontin.,
Strat. n 13. 4). Das ist wohl derjenige, auf den unser Pap. unter dem
Jahre 607/147 anspielt, den Livius im 51. Buch erzählt hatte. Das Auf-
treten des Viriathus als Führer seines Volkes ist also nach der liviani-
schen wie der appianischen Überlieferung in das Ende von 607/147 oder
den Anfang des Jahres 608/146 zu setzen. Trotzdem berechnet Livius
an einer späteren Stelle, nämlich nach der Erzählung von Viriathus' Tod
(615/139), dessen Feldherrnzeit gegenüber den Römern auf vierzehn
Jahre (Per. 54 S. 60 Z. 5, Florus I 33. 15, Oros. V 4. 14, Eutrop.
IV 16. 2, Joh. Ant. fr. 60, Müller, FHG. IV S. 559): hierbei ist offen-
bar seine Thätigkeit als Unterfeldherr einbegriffen und einfach vom Be-
ginn des spanischen Krieges 601/153 ab gezählt. Innerhalb dieser vier-
zehn Jahre bedeutet aber nach Livius das Jahr 608/146 einen tiefen
Einschnitt, weil von da ab Viriathus an die Spitze seines Volkes trat.
Hier beginnen die acht Jahre, auf die Appian, Jb. 72 (75), auch 62 Ende
(Hs. allerdings hier rpia, aber Schweighäuser schon richtig oxtd) an-
spielt. Wenn im Gegensatz dazu Diodor (XXXIII 21a) von elf Jahren
der Führerschaft bei Viriathus spricht, so folgt derselbe einer anderen
Quelle, welche bereits von 605/149 ab, also unmittelbar nach der Ver-
räterei des Galba, rechnete.^) Hier hat aber Appian (Jb. 60) die Be-
merkung : okiyoi' S' airwv di(^(fvyov^ wv fjv Ovgiar&os, 69 fiBT ov noXv
r^yi^ffaro AvaixavCiv xai (xttivt nokkovg *Pwfial(av xal ^gya fiiyiara im-
diHiaro^ und daran schliesst er die Worte: alkd räSi fiev vangov
yivofiBva iategov JläSw. Dementsprechend beginnt c. 61 auch wieder
mit den Worten ov noXv Ök iangov. Deutlicher konnte es der
Schriftsteller nicht zum Ausdruck bringen, dass hier ein zeitlicher
Zwischenraum vorliegt, und dass er selbst im Anfang von c. 61 einen
Sprung macht, nämlich von 605/149 ins Jahr 607/147 (s. 0. S. 55). Diese
bei Appian übergangenen Jahre sind aber die nämlichen, aus denen auch
der Papyrus aus Spanien nichts zu berichten hat. Die Quelle des Appian
steht also dem Livius hier sehr nahe.
Treffen die vorstehenden Ausführungen das Richtige, so umfasste die
Statthalterschaft des Praetors Vetilius im jenseitigen Spanien mehr als
ein Jahr, nämlich 607/147 und mindestens den Anfang von 608/146:
denn erst in diesem Jahr erlitt er, wie wir sahen, die Niederlage von
Seiten des Viriathus, bei der er gefangen genommen und getötet wurde.-)
Sein Nachfolger war der Praetor C. Plautius, wie übereinstimmend Per. 52
1) Eine Abrundung dieser Angabe ist es wohl nur, Wenn Justin. XLIV 2. 7 von
zehn Jahren spricht. Bei Vell. II 90. 3 dagegen hat die handschriftliche Überlieferung
zwanzig Jahre, womit nichts anzufangen ist. Vgl. Mommsen, R. G, II* S. 9 Anm.
2) Der Bericht des Orosius (V 4. 2) ist falsch; vgl. Per. 52 S. 58 Z. 17, Diodor
XXXIII 1. 3, Appian, Jh. 63.
Koroomann, Di« D«oe Liviai-Epitome. 7
98 E. Kornemann,
S. 58 Z. 18, Orosius V 4. 3, Appian, Jb. 64 berichtcH (vgl. auch Diodor
XXXin 2). Dieser wurde mehrmals geschlagen : Appian hat zwei Treffen,
eines diesseits, ein anderes jenseits des Tagus, Orosius nennt ihn mültis
proeliis fractum (dazu Diodor XXXIII 1. 3: nollais . . fiaxaig), ja nach
Appian ging der Geschlagene schon infolgedessen „mitten im Sommer" in
die Winterquartiere.
Es fragt sich nun, in welchem Jahr wir uns mit C. Plautius befinden.
Appian (Jb. 63) berichtet, dass der Quaestor des Vetilius zunächst
interimistisch den Oberbefehl führte und dass auch dieser noch eine
Schlappe erlitt, bevor Plautius ankam. Trotzdem glaube ich, dass wir
die Niederlagen des Plautius mit Mommsen^) auch noch in den Sommer
608/146 setzen können, wobei wir allerdings annehmen müssen, dass die
Niederlage und der Tod des Vetilius schon zu Beginn des Frühjahres
eintrat und die Schlappen, die Plautius erlitt. Schlag auf Schlag folgten.
Ich komme zu dieser Aufstellung aus folgender Erwägung: Während
nämlich Per. 52 und Appian (Jb. 65) nach der Erwähnung des Plautius
keinen praetorischen Statthalter für Spanien mehr nennen, sondern sofort
von der Hinsendung eines konsularischen Heeres unter Q. Fabius Maxi-
mus Aemilianus reden , fährt Orosius (V 4. 3) nach den Niederlagen des
Plautius folgendermassen fort : post ctiam Claudius Unimammus cum magno
instructu belli contra Viriatum missus quasi pro abolenda superiore macula
turpiorem ipse auxit infamiam. nam congressus cum, Viriato universas quas
secum deduxerat copias maximasque vires Romani amisit exerciius. Und
dazu stimmt Florus 133. 16, wo der Bambergemsis denselben Namen
Claudius Unimammus (Rossbach : Unimanus) bietet, und von der Vernich-
tung des römischen Heeres 2>(^^^ ^ intemecionem berichtet wird, endlich
auch Pseudo- Victor 71. 1. Florus und Orosius enden ihre Darstellung
fast wörtlich übereinstimmend mit dem Hinweis auf die Tropaea, die
Viriathus in montibus suis errichtete, und man hat den Eindruck, dass er
jetzt erst auf den Höhepunkt seiner Erfolge und die Sache der Römer
auf den Tiefstand gekommen war, so dass die Aussendung eines Konsuls
für notwendig erachtet wurde. Dies war, wie gesagt, der eine Konsul
von 609/145, Fabius Maximus Aemilianus, der aber nach Appian 65
erst im Jahre 610/144 den Hauptschlag fühi^te. Es würde also möglich
sein, den Claudius Unimanus ebenfalls noch im Jahre 609/145 anzusetzen
als den unmittelbaren Vorgänger des Konsuls Fabius, ja vielleicht war
er derjenige, auf den die malitiöse Bemerkung bei Appian von den Winter-
(luartieren im Sommer sich ursprünglich bezog. Ganz besonders kompli-
ziert wird die Sache aber dadurch, dass Pseudo- Victor 71. 1 nach Claudius
Unimanus noch den C. Nigidius als von Viriathus geschlagen bezeichnet.
Wenn hier nicht ein Versehen dieses Autors oder seiner Quelle vorliegt,
so könnte man dabei an den Unterfeldherrn des Fabius denken, von dem
1} Ji. o. n^ s. 10.
Die neue Livius-Epitome. 99
es bei App. 65 heisst, dass er im Jahre 609/145 eine Schlappe seitens
des Viriathns erlitt. Oder aber man muss den Ausweg einschlagen, den
Mommsen vorgezogen hat,^) dass man nämlich einen oder den anderen
der genannten Praetoren für die diesseitige Provinz in Anspruch nimmt,
wohin Viriathns olme Zweifel auch übergegriffen hat.-) Dieser Ausweg
wird um so weniger zu umgehen sein, da auch von C. Laelius Sapiens
berichtet wird, dass er als Praetor im Jahre 609/145 mit Viriathns ge-
kämpft und diesen geschlagen habe (Cic. , de off. II 40 , vgl. Brutus 84,
zur Datierung Lael 96). Die Sache steht also so, dass wir nur die Jahre
607/147—609/145 zur Verfügung haben und im Ganzen fünf Praetoren
unterzubringen sind. Da für Vetilius und Plautius die Jahre 607/147
und 608/146 in Anspruch genommen werden müssen, so bleiben für
609/145 drei Persönlichkeiten: Claudius, Nigidius, Laelius. Wenn man
nun auch in Nigidius jenen von Appian erwähnten geschlagenen Unter-
feldherrn des Fabius Maximus Aemilianus sieht, so muss man doch zum
allermindesten annehmen, dass Laelius im Jahre 609/145 in der dies-
seitigen Provinz kommandiert hat. Mommsen geht noch weiter und ver-
setzt auch den Claudius Unimaniis in die Citerior, so dass er der Vor-
gänger des Laelius dortselbst 608/146 gewesen wäre. Auch das ist
möglich, mir aber weniger wahrscheinlich. Auf alle Fälle hat Mommsen
allein von allen Modernen das hier vorliegende Problem erkannt und zu
lösen versucht,'*)
2. Für die Zeit von 609/145 ab häufen sich die Nachrichten des
Papyrus über die spanischen Kämpfe ungemein. Aber durch den Verlust
einer Kolumne in diesem Abschnitt bleibt eine Hauptschwierigkeit, die
schon in der seitherigen Überlieferung vorlag, leider ungelöst. Wir
sahen, dass Fabius Maximus Aemilianus schon als Konsul im Jahre
609/145 nach Spanien gegangen ist, dass aber die Hauptthätigkeit des-
selben erst ins Jahr 610/144 fiel (App. 65, vgl. Mendelssohn I S. 114
Z. 16 — 17: fiitd x^ifAiüva). Hierzu passt sehr wohl die Nachricht bei
Val. Max. (VI 4. 2), wonach auf Betreiben Scipios, der offenbar seinem
Bruder das Kommando erhalten wollte, keiner der Konsuln von 610/144
mit dem Krieg gegen Viriathns betraut wurde. So klar die Sachlage
für dieses Jahr ist, so dunkel wird sie für 611/143. Für 612/142 war
uns durch Obsequens 22 (81) schon bekannt, dass das römische Heer
wieder Misserfolge erlitten hatte. Jetzt lernen wir aus dem neuen Text
1) R, G. II» S 9f.
2) Sowohl nach Florus (I 83. 15) wie nach Orosius (V 4. 2) hat Viriathns auch
Einfälle ins Ebrogebiet gemacht
3) M. Hoffmann, De Viriathi Numantinorumque belle S. 27—38, Ihne, R. G, III
S. 333 f., P. Wehrmann, fasii praeiorit S 7—9, D. Wilsdorf, fasti Htspaniarum pro-
vinciantmy Leipz. Studien I, 1878, S. 97—101 haben einfach die erwähnten Praetoren
auf die Jahre 605/149-609/145 als Statthalter der Ulterior verteilt. Da« ist wohl recht
bequem, aber sicher falsch.
1*
100 E. Kornemann,
Z. 167, dass der Konsul dieses Jahres, L? Metellus, es war, der von den
Lusitanern geschlagen wurde. Sein Nachfolger wurde sein Kollege im
Konsulat Q. Fabius Maximus Servilianus. Appian nun berichtet über die
Zeit zwischen dem Abgang des Fabius Maximus Aemilianus Ende 610/144
und der Ankunft des Fabius Maximus Servilianus Anfang 613/141 nur in
dem einen Kapitel 66. Hier erzählt er von der Niederlage eines
römischen öxgatriyoq mit Namen Kotvriog, die so durchschlagend war,
dass der feige und kriegsunerfahrene Führer sich auch wieder mitten im
Herbst nach Corduba ins Winterlager zurückzog. Appian hat also hier
wiederum ein Jahr übersprungen, und es fragt sich nur, ob die Nieder-
lage des Praetors Quinctius^) in das Jahr 611/143 oder 612/142 gehört,
ob also im letzteren Fall die Niederlage des L. Metellus gemeint, d. h.
Kotvriog, wie soviele andere Eigennamen, in der einzigen Handschrift
(Vat. 141), auf der der Appiantext hier beruht, verderbt ist. Hierfür
entscheiden sich GH. S. 110/1. Da in den Jahren 611/143 und 612/142
Quintus Metellus Macedonicus, der Bruder des Lucius, Statthalter im dies-
seitigen Spanien war, so sei eine Verwechselung der beiden Brüder nicht
ausgeschlossen. Darnach wäre bei Appian das Jahr 611/143 ausgefallen,
und die englischen Herausgeber suchen nun den Statthalter für Süd-
spanien in diesem Jahr zu ermitteln. Die Worte am Ende von c. 65:
dsvTSQov — AvXov (Mendelssohn I S. 114 Z. 21 — 25), welche Schweig-
häuser aus dem Ende von c. 68 hierher versetzte, haben hier gar nichts
zu thun und sind zur Lösung des Problems nicht verwendbar. Statt
dessen greifen GH. auf Val. Max. IX 3. 7 zurück, wonach Q. Metellus
Macedonicus utramq^uc Hispaniam im Jahre 611/143 innegehabt haben
soll. Aber man beachte, dass Val. Max. den Macedonicus nicht nur als
Konsul (d. h. 611/143) sondern auch als Prokonsul (also 612/142) im Be-
sitz der beiden Spanien sein lässt. Das widerstreitet der Nachricht des
Papyrus Z. 167, dass L. Metellus 612/142 als Konsul im jenseitigen
Spanien kommandierte. Wenn aber der zweite Teil der Angabe des
Val. Max. falsch ist, so wird auch der erste verdächtig. Dazu kommt,
dass alles, was wir von der Thätigkeit des Macedonicus in Spanien hören,
auf den Krieg gegen die Celtiberer in der Citerior sich bezieht.-)
Diesen Weg halte ich daher nicht für gangbar. Soviel steht auch fest,
dass bei Appian im Anfang von c. 66 vom Jahre 611/143 die Rede ist.
Denn es heisst da, Viriathus habe die Arevaker, Beller und Titter —
das sind celtiberische Stämme in der diesseitigen Provinz — zum Auf-
stand gereizt, woraus sich dann der numantinische Krieg entwickelt habe.
An diese Bemerkung knüpft Appian c. 76 Anf. direkt an, um von der Ent-
sendung des Q. Metellus Macedonicus gegen diese (611/143) zu sprechen.
1) So Mommsen, R. G. II» S. 11.
2) Florus I 33. 10. Per, 53 Val. Max. II 7. 10, III 2. 21 (dazu Pap Z. 164—166),
V 1. 5. Appian, Jh. 76, Psendo- Victor 61. 3—4.
Die neue lAvius-Epitome. 101
Wenn wir also nicht eine Lücke in der Mitte von c. 66 annehmen wollen,
sind wir gezwungen, das ganze Kapitel auf das Jahr 611/143 zu be-
ziehen und den Ausfall des Jahres 612/142 bei Appian zu statuieren.
Dann erhält allerdings das Problem, wie der Statthalter der jenseitigen
Provinz im Jahre 611/143 geheissen habe, keine Förderung.
Um so erfreulicher ist es', dass wir durch Auffindung des neuen
Textes für die Datierung der Ereignisse in Südspanien seit 612/142
wenigstens festeren Boden als seither gewinnen. Wir wissen jetzt durch
Z. 171—172 und 185—186, dass L. Metellus' Kollege im Konsulat Fabius
Maximus Servilianus erst als Prokonsul in der Ulterior thätig war und
zwar in den Jahren 613/141 und 614/140, während man seither diese
zweijährige Statthalterschaft ein Jahr früher ansetzte,*) gestützt auf
Orosius V 4. 12 (vgl. Florus 133. 17), dessen Datierung aber schon durch
die Per, widerlegt wird.-) In die Jahre 613/141 und 614/140 gehört
demnach, was Appian 67 — 69 erzählt, und zwar bezieht sich c. 69 auf
das Jahr 614/140, die Niederlage und den unrühmlichen Friedensschluss
des Servilianus (Pap. Z. 185—186), während noch c. 68 auf 613/141
geht wegen der hier erwähnten Eroberung einiger lusitanischer Städte,
worauf in Per. 53 mit eocpugnatis aliquot urbibt^s angespielt wird. Wie
aber der Pap. zeigt, ist bei Livius der Übergang ins Jahr 614/140 erst
in Buch 54 erfolgt. Aus den Kämpfen in der Ulterior im Jahre 614/140
erfahren wir jetzt durch den Papyrus (Z. 186—188) noch ein neues
Faktum in Gestalt der Heldenthat des Q. Occius, der sich schon in Nord-
spanien unter Metellus Macedonicus hervorgethan hatte (Pap. Z. 164 — 166),
gelegentlich eines Hinterhaltes, den die Lusitaner gelegt hatten. Appian
nennt statt dessen in c. 67 aus dem Feldzug von 613/141 mit Auszeich-
nung den Schwiegersohn des Laelius, C. Fannius, den späteren Geschichts-
schreiber. 3) An Mut der Unterführer scheint es also in diesem Krieg in
Spanien nicht gefehlt zu haben; woran es mangelte, das war eine tüch-
tige Oberleitung.
Der Nachfolger des Servilianus war, wie schon bekannt, sein leib-
licher Bruder, der Konsul vom Jahre 614/140 Q. Servilius Caepio. Der
Pap. Z. 182 — 184 belehrt uns nun, dass derselbe schon während seines
Konsulates nach Spanien abging; denn bei der profedio (Z. 183) kann,
wie oben (S. 62) schon ausgeführt worden ist, doch wohl nur an die Aus-
reise des Konsuls nach Spanien gedacht werden. Da aber Servilianus
noch im Sommer desselben Jahres das Kommando in Südspanien führte
und damals jenen mehrfach erwähnten schimpflichen Frieden schloss, so
kann der Beginn von Caepios Statthalterschaft erst ins Ende seines
1) Vgl. MommscD, B. G. II •» S. 11, Ihne III S. 334 f., Niese, GrundrJ S. 97.
2) S. o. S. 61.
3) Ich habe Zur Gesch. der Gracchemeit, erstes Beiheft dieser Beiträge S. 27
das ElreigDis noch ins Jahr 612/142 gesetit.
102 E. Kornemann,
Konsulatsjahres fallen, wobei die Interpellation des Volkstribunen Ti. Clau-
dius Asellus verzögernd mitgewirkt haben mag. Die Hauptthätigkeit
des Caepio in Südspanien fällt somit ins Jahr 615/139: Pap. Z. 195—196,
Cassius Dio XXH 78 (Boiss. I S. 323 f.), Appian 70— 72. In diesem Jahr
erfolgte auf sein Betreiben die Ermordung des Viriathus: Pap. Z. 197
und 198.0
Das Nachspiel der Ermordung, die Forderung einer Belohnung durch
die Mörder und die Verweigerung derselben, gehört nach dem Pap.
(Z. 201—202) sogar ins Jahr 616/138. Daraus geht hervor, wie schon
GH. betonen (S. 114) und wie oben (S. 65) näher begründet ist, dass
die Ablehnung der Forderung durch den römischen Senat erfolgte,
der auch die stolze Antwort erteilte, die uns bei Eutrop. IV 16. 3 er-
halten ist.
In den Jahren 616/138 und 617/137 war der Konsul von 616/138,
Decimus Junius Brutus, Statthalter in Südspanien. Mit Hülfe des Papyrus
können wir wiederum den appianischen Bericht über seine Thaten auf
die beiden Jahre verteilen. Die Unterwerfung Lusitaniens bis zum Duero
(App. 73 Mendelss.) gehört ins erste, die Überschreitung des Oblivio und
der Feldzug gegen die Bracarer und Callaeker (App. 74. 75 M.) ins
zweite Jahr.
Es erübrigt nun noch die Ereignisse in der diesseitigen Provinz
seit 609/145 zu verfolgen. Hier liegen die Dinge einfacher. Wer aller-
dings der Nachfolger des Laelius (über ihn s. o. S. 99) war, ist mir nicht
so ohne weiteres klar. GH. (S. 110) nehmen an, dass Q. Fabius Maximus
Aemilianus die beiden Spanien gleichzeitig verwaltet habe. Aber so wenig
ich die nämliche Annahme für Q. Metellus Macedonicus oben (S. 100) zu-
gelassen habe, so wenig ist sie mir für Aemilianus einleuchtend. Derselbe
brachte nur zwei Rekrutenlegionen mit (App. 65) : sollten diese (mitsamt
den Hülfsvölkern im ganzen 15 000 Mann zu Fuss und 2000 zu Pferd)
in jenem Augenblick'^) für ganz Spanien als ausreichend erachtet worden
sein? Zudem hören wir nur vom Aufenthalt des konsularischen Statt-
halters wie des Heeres in der Ulterior (erstes Lager in Urso, Fahrt nach
Gades, um dem Herakles zu opfern, Winterlager in Corduba: App. 65).
Münzer (bei Pauly-Wissowa IV Sp. 1448) nimmt an, dass dem Laelius
in der Citerior, wie dem Fabius Max. Aemilianus in der Ulterior, das
Kommando auf ein weiteres Jahr verlängert wurde. Aber möglich ist
auch, dass C. Nigidius (über ihn o. S. 98) praetorischer Statthalter der
Citmor 610/144 war. Im Jahre 611/143 wurde dann, wie wir sahen,
von Viriathus durch Aufreizung mehrerer celtiberischer Stämme der Krieg
auch im diesseitigen Spanien wieder entfacht (App. 66 und 76). Dahin
1) Fälschlich bei Fischer, Zeittafeln S. 133 unter dem Jahre 6U/U0. Das Rich-
tige schon bei Mommsen, Ji. G. II* S. 9 Aum. u. S. 12 und hei Anderen.
2) Über die Situation bei seiner Ankunft s o. S. 100.
Die neue lAvius-Epitome. 103
ging in diesem Jahre der Konsul Q. Metellus Macedonicus und blieb im
darauffolgenden Jahr (612/142) als Prokonsul daselbst {Per. 53, Val. Max.
IX 3. 7). Der Papjrrus ermöglicht uns wieder die Ereignisse , die wir
aus der Zeit seines Oberkommandos kennen, auf die zwei Jahre zu ver-
teilen. Ins Jahr 611/143 gehört die Geschichte von Rethogenes (Pap.
Z. 161 — 163) und der Schonung von Centobriga (so Val. Max. V 1. 5)
bezw. Nertobriga (Florus I 33. 10). Vorher erfolgte nach Florus (a. a. 0.
auch Velleins II 5. 2) die Eroberung von Contrebia. Im Jahre 612/142
vollbrachte Q. Occius seine Heldenthaten im Heere des Macedonicus (Pap.
Z. 164—6, Val. Max. III 2. 21). Von alledem hat Appian nichts, der die
zweijährige Thätigkeit des Mannes in c. 76 so zusammenzieht, dass es
den Eindruck macht, als berichte er über ein Jahr. Auch bemerkt
Appian, dass er seinem Nachfolger ein aufs beste geübtes Heer übergeben
habe, während Val. Max. (IX 3. 7) gerade das Gegenteil zu berichten
weiss : er sei mit seinem Nachfolger Q. Pompeius verfeindet gewesen und
habe, um diesem Schwierigkeiten zu bereiten, die Armee durch Beur-
laubungen und andere Massnahmen geschwächt. Wenn dies die livianische
Tradition ist, so haben wir an jener Stelle bei Appian eine Vorlage an-
zunehmen, die direkt gegen Livius polemisiert. Auch der Nachfolger
Q. Pompeius blieb wieder zwei Jahre in Nordspanien. Im Jahre 613/141
erlitt er eine schwere Niederlage seitens der Numantiner: Pap. Z. 174
und die Parallelstellen oben S. 61 ; aus Appian gehört offenbar c. 76 Ende
hierher. Dann wandte er sich gegen Termentia. Nach App. 77 (ebenso
Diodor XXXIII 16) blieb der Erfolg aber aus, während Per. 54 Anf.
meldet: Tcrmestinos subcgit. Ganz offenbar hat der Pompeins-freundliche
Livius diesen Vorfahr des Pompeius Magnus wenigstens mit einem Erfolg
auszustatten gesucht. Ins Jahr 614 140 gehört der Friedensschluss des
Pompeius mit den Numantinem. Zuvor weiss Appian, der offenbar mit
c. 78 in den Bericht über das zweite Jahr eintritt, von einem erneuten erfolg-
losen Vorgehen gegen Numantia zu erzählen. Dann kam eine senatorische
Kommission von Rom, und es erfolgten Truppennachschübe aus der Heimat,
um die alten schon sechs Jahre im Felde stehenden Soldaten zu ersetzen.
Pompeius hielt sich nun, da auch der Winter hereinbrach, vor Numantia
möglichst im Lager, wurde aber schliesslich von seinen Gegnern so be-
drängt, dass er sich ig rag noUig in die Winterquartiere zurückzog
(App. 79). Von hier trat er heimlich in Friedensunterhandlungen mit
den Numantinem ein, und es kam ein wenig ehrenvoller Friede zu Stande.
Von diesem Frieden sagt die Per. 54 wieder nur: pacem ab infirmitate
fccit, Eutrop. (IV 17. 11) nennt ihn j^oc^*^ ignohilem, Orosius (V 4. 21)
infame foedtis. Dagegen bei Velleius II 1. 4 ist die Rede von turjnssima
focdcra, wozu man die Wort« bei App. 79 vergleichen möge: rag Si aw-
\>rixag ilStug alaxQag^ woraus hervorgehen dürfte, dass auch hier die
Quelle vorliegt, die eine schärfere Tonart gegen Pompeius anschlug als Livius.
Der Nachfolger des Pompeius, der Konsul M. Popillius Laenas, blieb wieder-
104 E. Komemann^
um zwei Jahre in der Provinz: 615/139 und 616/138. Auffallenderweise
wird Appian im Gegensatz zum Vorhergehenden wieder ganz kurz in
seiner Darstellung, indem er in einem halben Kapitel (79 Schluss) diese
zwei Kriegsjahre erledigt. Wegen der Doppelzüngigkeit des Pompeius,
der die mit den Numantinem gepflogenen Unterhandlungen ableugnete,
kam die Sache in Eom vor den Senat, und infolgedessen ruhte 615/139
der Krieg gegen Numantia. Popillius wandte sich daher in diesem Jahr
gegen Viriathus: Diodor XXXTTT 19, Florus 1 33. 17, Pseudo- Victor 71. 2.
Nachdem dann die Sache des Pompeius mit den Numantinem zu Gunsten
des ersteren entschieden war, wurde im Jahre 616/138 der Kampf gegen
Numantia wieder aufgenommen, endete aber mit einer Niederlage des
Popillius: Pap. Z. 212, Per. 55. Appian dagegen hat nur einen Einfall
in das Gebiet der Lusoner, der Nachbarn von Numantia, zu berichten und
lässt den Popillius oiSh ky^aadfievog nach Rom zurückkehren: wieder
also wie bei Metellus Macedonicus die Tendenz, den Feldherm zu ent-
lasten. Popillius' Nachfolger wurde der Konsul von 617/137 C. Hostilius
Mancinus, der bekanntlich das Mass der Schmach für die Römer voll
machte. Von ihm berichtet der Pap. nichts mehr.
2. Die innere Geschichte.
Auf dem Gebiet der inneren Geschichte ist vor allem von grossem
Wert die genaue zeitliche Festlegung einiger Ereignisse, bezw. die Be-
stätigung schon bekannter Datierungen: so der Brand von Rom vom
Jahre 606/148 : Z. 127—129, die Verteilung der Kunstschätze des Mummius
erst während dessen Censur 612/142: Z. 168—169, dazu oben S. 60 u.
S. 93, das strenge Vorgehen des T. Manlius Torquatus gegen seinen
Adoptivsohn D. Silanus im Jahre 614/140: Z. 178—181 (bei Fischer,
Zeittafeln S. 133 unter dem Jahre 613/141), das Volkstribunat von Scipios
Gegner Ti. Claudius Asellus ebenfalls im Jahre 614/140: Z. 182—184
(bei Fischer a. a. 0. S. 135: 615/139, Münzer bei Pauly - Wissowa IV
Sp. 1453: um 617/137), der Bau der aqua Marcia bis zum Capitol hinauf
in eben diesem Jahr: Z. 188 — 190, die Vertreibung der Chaldaei aus
Rom und Italien im Jahre 615/139: Z. 192, die lex Gabinia tabellaria im
gleichen Jahr: Z. 193 — 194, die Einkerkerung der Konsuln von 616/138
durch die Volkstribunen: Z. 202 — 205, der Tod eines sehr populären
Volkstribunen, die Bestrafung von Deserteuren aus dem spanischen
Krieg, endlich die Anklage Scipios gegen L. Aurelius Cotta im gleichen
Jahr: Z. 205—211.
Mit der zuletzt erwähnten Datierung stellt sich der Papyrus in
direkten Widerspruch zu Ciceros Angaben. Dieser setzt die Anklage
(Div. in Caec, 69) nach dem zweiten Konsulate Scipios (620/134), pro
Mur. 58 sogar nach der Zerstörung von Numantia, so dass nur, da Scipio
bekanntlich im J. 625/129 gestorben ist, die Jahre 622/132, 623/131,
Die neue lAvius-Epitomc. 105
624/130 in Betracht kämen. ^) Handeln kann es sich bei dem Angeklagten
nur um den Konsul von 610/144,*) nicht, wie Jahn zu CSc, Brutus 81
meinte, den Konsul von 635/119. Dafür spricht so ziemlich alles, be-
sonders der Umstand, dass Scipio schon im Jahre 610/144 während des
Konsulates des Cotta sich als dessen Gegner erweist, wie aus Val. Max.
VI 4. 2 hervorgeht. Man möchte daher a priori die Anklage nicht all-
zuweit vom Konsulat des Cotta wegrücken, zumal es sich, wie aus
Appian (6. c. I 22) hervorgeht, um eine Anklage wegen Erpressungen
handelt. Andererseits benutzt aber Appian (a. a. 0.) diese Freisprechung
des Cotta, die nach seiner Quelle, ebenso wie diejenige eines Livius
Salinator und des M.' Aquillius (cos. 625/129), durch Bestechung der Richter
erfolgte, um dadurch den C. Gracchus das Kichtergesetz von 631/123«)
motivieren zu lassen. Von hier aus betrachtet möchte man die Datierung
bei Cicero für die wahrscheinlichere halten. Eine andere Beobachtung
führt uns aber auf die Ansetzung des Papyrus. Es ist bekannt, dass
Scipio im Jahre 617/137 aufs energischste für die lex Cassia tabeUaria
eintrat, die die Einführung der geheimen Abstimmung vermittelst Stimm-
täfelchen auch auf die Volksgerichte ausdehnte. Bei Cicero {de leg, lH 37)
wird Scipio von Q. Cicero direkt als der Urheber der lex Cassia be-
zeichnet, und im Brutus (97) tadelt Cicero selbst den von ihm sonst in
den Himmel erhobenen Scipio wegen dieses Eintretens für das Gesetz.
Hier wird erzählt, dass der Volkstribun M. Antius Briso gegen das Gesetz
Einspruch erhoben habe, gestützt auf den Konsul M. Aemilius Lepidus,
dass er aber von seinem Widerspruch durch Scipio abgebracht worden
sei. Von einem Eintreten des Scipio zu Gunsten der lex Gabinia vom
Jahre 615/139 wird dagegen nichts berichtet. Was hat den führenden
Mann der Republik so plötzlich zum warmen Anhänger der geheimen Ab-
stimmung gemacht? Ich meine alles wird mit einem Schlage klar, wenn
die Freisprechung des Cotta trotz der schwersten Anklagemomente (Val.
Max.: quamquam gravissimis criminibus erat confossa) im Jahre 616/138,
wie der Papyrus will, erfolgte. Denn dass gegenüber der Beschönigung
der Sache bei Cic. und Liv. (offenbar aus oligarchisch-annalistischer Quelle)
nur „die nüchterne Angabe Appians, dass Cotta die Richter bestochen
habe",*) Glauben verdient, bedarf wohl keines weiteren Wortes. Die
üble Erfahrung in eigener Sache hat den Scipio zum eifrigen Vorkämpfer
der den Optimaten aus der Seele verhassten geheimen Abstimmung (Cic,
de kg. III 33 ff.) gemacht. Zu erklären bleibt nur noch , wie Cicero zu
seiner irrtümlichen Ansetzung gekommen ist. Dass es derselbe, besonders
1) Darnach Klebe bei Pauly-Wissowa II Sp. 2484 f. No. 98, MUnzer ebda. IV
Sp. 1456; vgl. Zur Gesch, der Gracchenzeit S. 48 Anm. 1.
2) So auch Klebs a. a. 0.
3) Über die Datierung vgl. Zur Gesch, der Gracchemeü S. 47 f.
4) Worte von Klebs bei Pauly-Wissowa II Sp. 2485.
106 E Kornemann^
in den Reden, mit der Chronologie nicht genau nimmt, ist allbekannt
In unserem Falle war offenbar die Pointe der ganzen Geschichte, dass
nämlich die Freisprechung wegen des grossen Namens des Anklägers er-
folgte, die Ursache der falschen Datierung. So entstand die rhetorische
Ausmalung von dem zweimaligem Konsul und dem gewesenen Censor oder
an der zweiten Stelle (pro Mur. 58) noch dazu von dem Manne, der duos
terrorcs huius imperii, Karthaginem Numantiamque, deleverat. Schon diese
Verschiedenheit in der Angabe muss uns stutzig machen. Zudem habe
ich früher^) die eben zitierten Worte, die geradeso in de rep. 171 wieder-
kehren, als eine Lesefrucht Ciceros aus einem Nekrolog auf Scipio in seiner
Quelle (vgl. Vell. 11 4. 5) erwiesen. Wir dürfen also meiner Ansicht nach
getrost die bestimmte Angabe des Papyrus den unbestimmten Redens-
arten Ciceros vorziehen.
Überblicken wir zum Schluss die Notizen des Papyrus zur inneren
Geschichte im Ganzen, so können wir zusammenfassend sagen: Der Papyrus
bestätigt vollauf, was Eduard Meyer vor zehn Jahren in den Worten
ausgesprochen hat:^) „Die Sonderung der äusseren und inneren Geschichte
und die Zusammenfassung grösserer Abschnitte zu einer Einheit, wie sie
Mommsen in seiner römischen Geschichte durchgeführt hat, ist gewiss
berechtigt. Nur ist dabei die Gefahr vorhanden, dass die Wechselwirkung
der äusseren und inneren Politik nicht immer klar hervortritt und manche
Zusammenhänge verschoben werden; und diese Gefahr hat auch Mommsen
nicht immer vermieden. In Wirklichkeit ist jeder neue Fortschritt der
inneren Krisen in der Revolutionszeit durch eine äussere Krisis hervor-
gerufen worden. Vom universalhistorischen Standpunkt aus kann man
die Kriege nach der Schlacht bei Pydna wohl als untergeordnete Kämpfe
betrachten; aber der Satz, mit dem Mommsen die Darstellung der
Gracchenzeit beginnt: „„Ein volles Menschenalter nach der Schlacht bei
Pydna erfreute der römische Staat sich der tiefsten kaum hie und da
an der Oberfläche bewegten Ruhe"" ist nicht richtig. Die Kämpfe
der Jahre 154 — 133 haben dem römischen Staat viel mehr
Noth gemacht und sind für ihn viel verhängnisvoller ge-
wesen, als die der Jahre 200—168."^ Gerade der Papyrus lehrt
uns, wie keine der vorhandenen Quellen, welch' üble Bedeutung der lang-
wierige spanische Krieg für Rom gehabt hat, und wie er der Angelpunkt
ist für das Verständnis der weiteren inneren Geschichte der Republik.
Mit den niedergehenden Staatswesen des hellenistischen Ostens ist Rom
viel leichter und schneller fertig geworden als mit den jugendfrischen
Völkern des Westens. Die erste Krisis, die man bei der Entwicklung
vom italischen zum Mittelmeerstaat hatte durchmachen müssen, war der
1) Zur Gesch. der Gracchenzeit S. 11.
2) TIntersuchgn. zur Gesch. der Gracchen S. 22 Anm. 2.
3) Von mir gesperrt.
Die neue lAvius-EpUome. 107
hannibalisclie Krieg gewesen, der dem heimischen Bauernstand, auf dem
Italiens Blüte beruhte, die ersten tiefen Wunden geschlagen hatte. Der
Siegespreis, den dieser furchtbare Krieg für Rom brachte, war Spanien,
ein Danaergeschenk schlimmster Sorte, da von hier aus die zweite Erisis
heraufbeschworen wurde, die den Bürgerkrieg ofCen entfachte. Die Iberer
sind für die Republik bis zu einem gewissen Grade das, was für die
Monarchie die Germanen wurden, ihre Vemichter und Erben. Soviel
auch im Osten von der Republik sowohl wie von den Kaisem später ge-
kämpft worden ist, die grossen Gefahren für das römische Staatswesen
lagen, seitdem die Griechen und Karthager niedergerungen waren, bei
den Barbaren Völkern in Europa: „An den Opfern, welche die spanischen
Kriege fortwährend forderten, an der Notwendigkeit hier ein stehendes
Heer zu halten, ist die römische Republik verblutet."*) Der durch den
hannibalischen Krieg stark dezimierte, dazu durch die einseitig pluto-
kratische Entwicklung der römischen Oligarchie proletarisierte Bauern-
stand vermochte die Lasten der fortgesetzten auswärtigen Kriege nicht
mehr zu tragen.
So ist das Charakteristikum dieser Zeit der Kampf um die
militärischen Aushebungen. Schon für das Jahr 603/151 wird
der erste Fall eines scharfen Vorgehens der Volkstribunen gegen die aus-
hebenden Konsuln berichtet: Per, 48 S. 50 Z. 21—25: L, Licinius Lu-
culUis A. Postumtus Alhinus coss. cum dilectum severe agerent nee quem-
quam gratia dimitterent^ ah tribunis picbis, qui pro amicis suis vacationem
impetrarc non poterant , in carccrem coniecti sunt. Die Konsuln mussten
schliesslich zur Losung an Stelle der Aushebung schreiten (App. Jb. 49).
Im Jahre 616/138 wiederholt sich dann dasselbe Schauspiel, dass die
obersten Beamten der Republik, die im Dienst der Vaterlandsverteidigung
und der Staatsehre ihre Pflicht thun wollen, durch die Volkstribunen in
das Gefängnis wandern müssen und erst, wie uns der Pap. jetzt lehrt,
auf die Fürsprache des Volkes hin die Freiheit wieder erlangen: ein be-
redtes Zeugnis von der Ohnmacht der obersten republikanischen Magis-
tratur und der Allmacht des Volkstribunats schon damals. In dem Kampf
der Inhaber dieser beiden Ämter beginnt der Gegensatz „der altrömischen
italischen und der Reichspolitik"*) oder modern gesprochen einer Heimat-
und W'eltpolitik zum Ausdruck zu kommen. F^ mag wohl eine grosse
Seltenheit gewesen sein, dass ein Konsul auf die Interpellation eines
Volkstribunen so brutal reagierte, wie Q. Caepio gegenüber Ti. Claudius
Asellus, der ihn 614 140 am Ausmarsch nach Spanien hindern wollt^>.'*)
1) Ed. Meyer a. a, 0. S. 22.
2) Ed. Meyer a. a. O. S. 22.
3) Wesentlich anders liegt doch der Fall im Jahre 618/136, da nach Val Max.
(Ill 7. 5, vgl. Camius Dio X)ilU 82, lioiss. I S. 326) die beiden Konsalare Q. Me-
tellus Macedonicas und Q. Pompeias dem Aosmarsch des Kpnsuls L. Furius Philas
108 E, Kamemann^
Wie ein Blitzstrahl erhellt diese Nachricht des Papyrus (Z. 182 — 184)
das Dunkel, das bisher hier für uns herrschte, ebenso wie jene Notiz über
den Antrag des Appius Claudius aus demselben Jahr, der eine zweimalige
Aushebung in demselben Jahre verbot: Z. 177 — 178. Wenn wir damit
noch die Mitteilung bei Appian, Jb, 78 kombinieren, wonach dem Q. Pom-
peius, ebenfalls im Jahr 614/140, neue Truppen nach Spanien geschickt
wurden, weil die alten schon sechs Jahre unter den Fahnen standen, so
ist es klar, dass die Frage des Truppenersatzes in jenen Jahren akut
geworden war, und dass wir uns gewöhnen müssen, die gracchische
Reform mit vom Standpunkt der wieder zu gewinnenden Wehrfähig-
keit Italiens zu betrachten, wie das im Altertum schon Appians Quelle
gethan hat.^)
Soviel ist sicher, der Krieg in Spanien war höchst unpopulär in
Italien. Die Qualität des Heeres muss eine sehr minderwertige gewesen
sein, wie die öffentliche Auspeitschung und der Verkauf von Deserteuren
aus dem spanischen Krieg im Jahre 616/138: Pap. Z. 207 — 209,^) ebenso
wie die Säuberung des Heeres, die Scipio bei seiner Ankunft vor Numantia
vornehmen musste, beweisen (Per. 57 Anfang, App., Jb. 85). Das war
aber kein Wunder, da die herrschende Nobilität ausserhalb Italiens
gerade damals jegliche Moral mit Füssen zu treten begann. Die Folge
war zwar eine Anzahl Anklagen nach der Heimkehr, aber der Ausgang
aller politischen Prozesse der Zeit scheint ein negativer gewesen zu sein :
so bei der Anklage des greisen Cato gegen Ser. Galba im J. 605/149
wegen seines schmählichen Verrates an den Lusitanern : Pap. Z. 98 — 100
oder bei derjenigen gegen L. Aurelius Cotta im Jalire 616/138, obwohl
diese von Scipio Africanus ausging (Z. 210 — 211). Ein weisser Rabe
war in jenen Zeiten ein Mann wie T. Manlius Torquatus, der seinen
Sohn wegen Erpressungen in Makedonien selbst verurteilte und, als er
durch Selbstmord endete, ihm nicht einmal die letzte Ehre erwies: Z. 178
bis 181.
In weiten Kreisen war man des ewigen Kriegführens müde, da man
sah, dass Italien dabei ruiniert wurde. Trotz alledem gab es für die
leitenden Männer der Nobilität in dieser Beziehung kein Zurück mehr;
vor allem war Scipio Africanus, der führende Mann dieser Epoche seit
608/146, „der geborene Vertreter der Eeichspolitik" ,'^) so tief er auch
die Schäden dieser Politik durchschaut hat. Zugleich wurde er seit seiner
Wideretand entgegensetzen. Hier ist, abgesehen von der SteUung der dazwischen-
tretenden Personen, die Ureache und die Lösung der Sache eine andere. E^ spielt
nämlich hier persönliche Feindschaft herein, und der Konsul überwindet den Wider-
stand seiner Gegner durch die schlaue Massregel, dass er die beiden zu seinen Legaten
ernennt und sie mitzugehen zwingt.
1) Vgl die vortreffliche Analyse dereelben bei Ed. Meyer a. a. 0. S. ISflf.
2) Vgl. dazu Polybios XXXV 4 zum Jahre 603/15L
3) Ed. Meyer a. a. 0. S. 22.
Die neue Livius-Epitotne. 109
Censur von 612/142, die er mit grosser Strenge verwaltete,^) in die prin-
zipiellen und persönlichen Gegensätze der inneren Politik verwickelt.
Hass und Neid hefteten sich an die Sohlen dieses für eine oligarchische
Gesellschaft zu schnell emporgekommenen Mannes.^) Die Strenge während
seiner Censur brachte ihm im Jahre 614/140 eine Anklage des Volks-
tribunen Ti. Claudius Asellus ein, dem er das Ritterpferd genommen hatte.
Während er hier Sieger blieb, scheiterte er zwei Jahre darauf als An-
kläger gegen Cotta. Infolgedessen ist er, wie wir schon sahen, durch
Unterstützung der lex Cassia der Reformpartei in der inneren Politik
näher getreten. Aber in der äusseren trennte ihn so gut wie alles von
dieser Partei. Das zeigte sich im Jahre 618/136 bei den Verhandlungen
über das foedus Mancinum, Hier tritt zum ersten Mal Ti. Gracchus
politisch hervor als Führer der Demokratie aber zugleich einer einsei-
tigen Heimatpolitik: er plädiert für Mancinus und seinen traurigen Ver-
trag, bei dessen Abschluss er selbst mitgewirkt hatte. Diese Politik
konnte Scipio, schon mit Rücksicht auf die Traditionen seines Hauses und
seine eigne Vergangenheit,«) nicht mitmachen, und da er den Senat liinter
sich hatte, siegte er. 620/134 wird er zum zweiten Mal Konsul und ist
ausser Karthagos auch noch Numantias Henker geworden.*)
Aber schon lag der Schwerpunkt nicht mehr auf der äusseren, sondern
auf der daraus entstandenen verwickelten Situation der inneren Politik.
In demselben Jahr, da Numantia fiel, schnitt Ti. Gracchus das schwierige
Problem der italischen Agrarpolitik an. Der zwiefach lorbeergeschmückte
Sieger von Karthago und Numantia konnte, so sehr er der extrem-
oligarchischen Partei Feind war, den Anschluss an die immer radi-
kaler werdende Demokratie nun erst recht nicht mehr gewinnen. Er ist
als Vertreter einer mittleren Richtung, wie das in Revolutionen zu ge-
schehen pflegt, zwischen den Extremen zerrieben worden. Sein Tod im
Jahre 625/129, aller Wahrscheinlichkeit nach ein gewaltsamer,^) hat
die vorhandenen Gegensätze nur noch verschärft. Die innere Reform-
bewegung, die der spanische Krieg zum offenen Ausbruch gebracht hat, ist
nicht wieder zur Ruhe gekommen, bis eine andere Verfassung dem Staate
wurde, die zu seinem neuen Wesen besser passte. Aber sowohl die Demo-
kratie wie die aus ihrem Schoosse geborene demokratische Monan^hie
liaben schliesslich Scipios Erbschaft, die energische Durchführung der
Reichspolitik, übernehmen müssen. Der Mann jedoch, der nach aussen
in schwerer Zeit Rom gelenkt und seinem grösseren Reichsbau im Westen
1) Caaeiiis üio XXII 76, Boiss. 1 S. 322.
2) Cic, de rep. I 31.
3) Sehr richtig sagt Ed. Meyer a. a. 0. S. 22: »Der Conflikt ist, wie jeder innere
Kampf in einer Aristokratie, zugleich ein persönlicher und ein politischer.*
4) Die Worte im Anschluss an Ed. Meyer S. 22 Anm, 3.
5) Zur Gesch, der Gracchemeit S. 9 ff.
110 E, Komemann,
die stärksten Pfeiler eingesetzt hat, ist von der inneren Krisis, die daraus
hervorging, verschlungen worden, genau so wie später Julius Caesar, sein
grösster Nachfolger in der äusseren, aber sein Antipode in der inneren
Politik. Denn während jener seinen Zeitgenossen im Innern zu weit
zurückgeblieben war, eilte Caesar zu weit voraus. Und doch sind beide
zusammenzustellen als die grössten Märtyrer dieses aristokratischen
Staatswesens, das Jahrhunderte lang das Emporkommen Einzelner zu
verhindern gewusst hat, das, wie kaum ein zweites auf Erden, zwar
nicht Massen-, aber Geschlechtergeschichte in schärfster Ausprägung
bietet.
Nachträge:
Zu dem Text macht K. Fuhr in der Berl Phil Wochenschr, No. 37
(10. Sept. 1904) Sp. 1183 einige Vorschläge, die z. T. sich mit den
meinigen decken, z. T. ihnen nahekommen. Von den übrigen er-
wähne ich:
Z. 93 f.: Roman[o5 muro]s [transgressos] pepulerunt.
Z. 108: Pseudophilippus] in ultim[a]m c[alaniitatem deductus.
Z. 122 f.: Zfajsdrubal, quod adfinis Masiniss(ae) erat, [suspicionc or]ta
subsellis o<c>ci<Ä>us est.
Zu S. 34: Die Beziehung von fr. a auf das 5. Konsulat des Marius hat
auch Fuhr erkannt, ohne allerdings die Stelle aus Val. Max. heran-
zuziehen.
Zu S. 36 u. 76: Über vastarc mit Völkernamen in der silbernen Latinität
vgl. auch WölfQin, Archiv XIH S. 178.
Zu S. 76 per arma : Der Pap. zeigt überhaupt eine starke Vorliebe für
per-, vgl. das Wortregister s. v.
Zu S. 88 (auch S. 69) : Über die in der Livius-Epitome des ersten Jahr-
hunderts verarbeitete Nebenquelle spricht sich Wölfflin jetzt im
Archiv XII S. 146 u. 336 f. etwas vorsichtiger aus. Er hebt nur
hervor: „Das Programm dieser Zusätze lautete: in maiorem populi
Eomani gloriam." Seine instruktiven Aufsätze Epitomc im Archiv
XII S. 333—344 und über das breviarium des Festus, ebda, XIII
S. 69—97 u. S. 173—180 sind bei der Betrachtung des Stemmas
0. S. 88 zu berücksichtigen.
Zeittafel
rar die Jahre «04/150— »17/137 »uf Grund des neuen Chronlkons.')
1) Die leither anbekannten oder fiftiach datierten Ereignime sind in Sperrdrack
gegeben.
112
E. Komemann,
1
Äntsere
Jahr
KanBulit
1
1
j3_
Afrika 1 BalkanhalbjiiBel | Asiet»
1
604/150
T. Qttinctius
Flauüninus
M/ Acilius
Baibus,
48
Ende des Krie*
ges des Masi-
nissa gegen
Carthago.
Z, 88.
605/149
L. Marcius
, 49 i Beginn des 3.
Erhebung des
Censorinus
punischen
Andriskos
M/ Maniliua,
Kriegs. Über-
(Pseudophilip-
Z. 88,
gang der Uti-
censer zu den
Kömern. Ab-
lehnung des
rdm, Ultima-
tums durch die
pus) in Make-
donien.
Z. 100-102.
Carthagen
Thaten des
jungen Scipio
•
Aemüianus.
Z. 80-97, 1
-
Tod des Prii-
SO
Vertreibung
des Pseudo-
sias von Bi-
!
philipp. aus
Thessalien mit
Hülfe der
grieeh,Bundes-
genossen.
Z, 107-108
thynien und
Erhebung des
Ni(!omede.s. '
z. 109-no
Biim.Gesandt- ;
Schaft nach
Bithynien und 1
Perganion* |
Z. 110-118. 1
600 MS
S]K PoKtuuiius 1^ 1
Tod des Ma- Niederlage
Älbinus
1
sini^sa und
deiä Praetor
L, Calpumius
Teilung sei-
Juventius in
Piso,
nes Reiches
Thessalien.
1
Z. 117.
1
durchScipio.
Z. 118-120.
Tod des Mar-
cellnSyeiBesder
Z. 12Ö,
Besiegung und
Gefangen-
nahme des ;
1
Die neu« Liviua-Epitome.
113
(beschichte
Spanien
Imsare Oeftchiehte
Citerior
Ulterior
VeiTätischer Über-
fall des Sei\ Sul-
picius Galba und
Niedermetzelung
der LTisitaner.
$iuprum des C, Cornelius
Cethegtis.
ABgeblich : Feier dar Saeknlar-
spiele zum 4. Mal
Z. 103—105.
Anklage des Galba wegen seines
Verrates an den Lusitanern und
Freisprechung desselben.
Z. 97-100,
'I Ausspruch dej5 Cato über die fte-
I, sandtschaft nach Bithynien.
Z. 114-115.
stujfrum des M. Scantius.
z. li5-iir>.
Wahl des Scipio Aemilianus zum
Konsul.
Z. 123-124.
Brand in Rom, wobei die Regia
eingeäschert, aber das sacrarinm
Opis gerettet wird.
Z. 127—129.
KorseniftOD, Die neoe Livios-EpHone.
114
E. Komtimann.
I
AuBsere
Jahr
Konsul u
5
9
Lii
Afrika i Balkanhalbinsel
Asien
'! l! Gesandten an
Pseudophilip-
■
Masinissa.
pus durch
li
Z. 121-122.
Q. Metellus
!
Erschlagung
(darnach ge-
1
des carthag.
nannt Mace-
'1
Feldherrn
donicus).
1
i
Hasdrubal.
Z. 127.
li
ij
i''
Z. 122-123.
1,
1
1
Angeblich: Er-;
1
folge der Rö-
1
mer in Afrika.
1
1
1
Z. 125.
607/147
P. Cornelius
51 j Grausames
Beleidigung
il
Scipio Aemili-
Wüten gegen
der römischen
i|
anus
die römischen
Gesandten in
C. Livius
Gefangenen
Korinth.
j
Drusus.
seitens des
Z. 135—136.
Z. 131.
Punier.
Z. 182-133
EinSchliessung
1
1
Carthagos
II
durch Scipio; |
häufige Ge- i
1
fechte.
1
1
1
1
1 1
Z. 133 134.
1
1'
G08/14G '
Cn. Cornelius ' i Zerstörung '
Lentulus von Carthago.
L. Mummius. 2:. 138-139
Z. 137. Flammentod '
i von Hasdru-
bals Gemahlin.
Z. 139—142.
1
1 52 Zerstörungvon '
Korinth durch
Mummius. i
1
,
Z. 145. !
It Tod des Diaeos'
' und seiner
Frau.
1
Z. 145-146.
Di« neue Liviuit-Epitome.
115
CreiQliielite
Bpaniett
lüDere Getehichte
Citerior
■ —- ^- T
UHerior
Niederwerfung
der Lusitaner
durch den Prae-
tor C. Vetilius.
Z. 136 (App., Jö. 61).
Wahl des Viri-:
athus zum Ober-
feldherrn der
Lusitaner.
App,, JL 62.
,, 8piele des Hcipio Aemilianun,
MehrereNieder- ,
lagen der Römer .
durchViriathusJ;
sicher die desll
Praetor 0. Veti-;!
lins, wahr- ,
scheinlich auch
ii6
E. Kornemann,
Jahr
Kansnln
I
3
Ü09 145' Q. Fabius
Maximiis
' Äemilianus
L. Hostüius
Mancinim.
z. 149,
CIC» 144 Sen Siilpidus
Galba
L» Äurelius
I Cotta,
55. 152.
Äa»«ere
Afrik:! ' B^lkanhaibiDiel
Gl 1/143 Q, Caeciliiis 53
MeteUus
I Macedonicus i
I Appius Clau- '
dius
Pulcher. j
Z. 160. I
Äiioii
ImSeleukiden-
mch Kämpfe
zwischen De-
1 Diodotos Try-
phon(fiirAnti*
I ochos VI.), ]
' Z. 157 158,
!
I
Gl 2/142 L. Caecilius
Metellus
Q. Fabius
Maximus
Servilianus
(fehlen auf d.
Pap.).
Die funic lAvias-Ejntome.
117
Geschichte
SpaDien
Innere beschichte
Citerior
Ulterior
des Praetor
Plautius.
Z. 147—148.
c.
Sieg des Praetor
C. Laelius über Vi-
riathus.
Cic, de off, II 40,
Brutus 84, Lael 96.
Niederlage des
Praetor Clau-
dius Unimanus
durch Viriathus.
Oros. V 4. 3, vgl. Flor.
133. 16, Pseudo- Victor
71. 1.
Sendung des Kon-
suls Fabius Aemili-
anus nach Spanien.
Z. 151.
Niederlage des
Praetor C. Nigi-
dius?
Pseudo- Victor 71. 1
Statthalter: Q. Fa-
bius Max. Aemili-
anus als Prokonsul
' Wahl des Q. Metellus Macedonicus
i|zum Konsul nach zwei Wahlnieder-
' lagen,
i Z. 153-156.
Statthalter: Der
Konsul Q. Metellus
Macedonicus. Er-
oberung von Con-
trebia.
VclLII5.2.Flor.I38.10.
Schonung von Gen-
tobriga mit Rück-
sicht auf Retho-
genes.
Z. 161—163.
Statthalter: Nach!
App., Jb. 66 ein..
Praetor Quinctius.'!
Q. Metellus Mace-jDer Konsul L.
donicus als Pro- Metellus: Nie-
konsul: Helden- derlage des-
thaten des
Occius.
Z. 164-166
Q.
selben durch die
Lusitaner.
z. 167.
Censur des Scipio Aemilianus und
L. Mumnuus. Während der-
selben Verteilung der korinth.
Beute durch Mummius in Rom
und Italien.
Z. 168—169.
118
£. Korfusttiann^
Konsul D
1
AusAcre
Jahr
Afrika Balkaohalbbiel
Alien
j
613/141
Cn. Servüius
Caepio
Q. Pompeiüs.
Z. 170.
54
Niederlage
derRömerim
Skordisker-
land.
2. 174/5
(314/140 Q, Servüius
Caepio
C, Laelius
Sapiens,
Z. 17§.
,
Die neue Liviu^EßUome,
119
Geschichte
SpADiea
latitire Geicfaichte
CiteHor
Ulterior
Der Konsul Q. i^om-
peios.
y. i« abius Maxi-
mus Serviliaiius
als Prokonsul:
Sieg desselben über
die Lusitaner und
Viriathus.
Z. 171—172
Heldenthat des
C. Fannius.
App. 67.
Niederlage des
Konsuls Pompeius
durch die Numan-
üner.
X 174
Zug d^selbeii
gegen Termentia,
Per. 54> App> 77.
Q.
als
Pompeius
l^rokonM:
Schimpflicher Frie-
de desselben mit
den Numanünem.
Per. 54.
Zunächst Q. Fa-
bius Max, Servi-
' Hanns als Pro-
konsul: Nieder-
lage desgelben
! durch Viriathus
\ und ungünstiger
i Friede.
I Z. 185-186.
Heldenthat des
Q. Occius.
Z. 186-188.
In der zweiten
Hälfte des
Jahres der Kon-
sul Q. Servilius
Gaepio.
V^i. z. 183.
Antrag des Äppius Claudius
gegen zweimalige Aushebung
in einem Jahre.
Z. 177-178.
Verurteilung des J>. Silanus durch
seinen Vater T. Manlius Torquatos.
%. 178-18L
Interpellation des Volkstri-
bunen Ti. Claudius Asellus
beim Ausmarsch des Konsuls
Caepio (nach Spanien).
Z. 181—184.
Bau der aqua Marcia aufs
Capitol hinauf.
Z. 188—190.
120
E. Kommmnn^
J&W
Kansüln
£3
Auitere
Afrika ßalk&filia.tbm9el i Ail«t
615 139 Cii, (oder L)
Olpnmias
H. PopUlitB
Laenas.
z. IdL
616/138
P. Coineliiis
Bcipio Nagica
Serapio
D« Junius
BrutTxa
55
Diodotos Trj"-
pbon tötet
fieineuMfiiidel;
AßticHrhos VI
und bemä4!h-
t%t sich
^riens.
(Falsche Da*
tiemng; aber
so schoE bell
livius).
617 137 M. Aemiliiis
Lepidiis
C. HostiUuB
Maöcinas.
Z. 215.
Die twue lAvit^s-Epitomc.
121
Geschichte
Spanien
Citerior
ülterior
Innere Geschichte
Der Konsul M. Po-
pillios Laenas: |
Sein Kampf gegen |
Viriathus.
Diodor XXXm 19
Flor 183. 17. Pwudo-
Victor 71. 2.
Q. Servilius Caepio
als Prokonsul:
Revolte
seiner Reiter.
Z. 195—196.
Ermordung des
Viriathus.
Z 197—198.
Vertreibung der Chaldaeer aus Rom
und Italien.
z. 192.
Ux Gabinia tabeUaria.
Z. 193—194.
M. Popillius Laenas
als Prokonsul: Nie-
derlage desselben
seitens der Numan-
tiner.
z. 212.
Ablehnung
einerBelohnung
an die Mörder
des Viriathus.
Z. 201-202.
Durch den Konsul
Decimus Brutus
Unterwerfung Lu-
sitaniens.
z. 212.
I Einkerkerung der Konsuln durch
'|die Volkstribunen S. Licinius
und C. Curiatus.
jl Z. 202—205.
II Tod eines sehr populären
!• . Volkstribunen.
Z. 205—207.
Bestrafung der Deserteure aus dem
spanischen Krieg.
Z. 207-209.
AnklageScipios gegenL.Cotta.
Z. 210—211.
Statthalter: Der
Konsul C. Hostilius
Mancinus.
App. 80.
Der Prokonsul D.
Brutus überschrei-
tet zum ersten Mal
den Fluss Oblivio.
Z. 216-217.
Feldzug desselben
gegen die Bracarer
u. Callaeker.
App. 74. 75. M.
122
Register.
I. Wortregister.
Die Zahlen Yenreisen aaf die Zeilen des Pspyrns.
a 25, 43, 56, 97, 164, 167, 185, a{n} 174,
212.
ab 33, a[6] 195.
abire 26.
abdstere, »[bstitit] 168.
accipere 49, 148, 165, 175. cladem acci-
pere 49, 148, 175.
accusare, [accu]ukT[et] 210.
accasatio 9.
ad 16, 110, 121.
addicere, B[ddt]ctAm 85.
adfinis 122. I
admittere 15/6.
aduenuB 83, 151.
aedes 188.
ager 75.
alius 92.
amicitia 165/6.
annus 177.
aqua 188.
anna 102.
athleta 42.
aurum 15.
auxiliate (?) 90.
basilica (uasilica) 57.
beilum 68, 89.
h[ene] 216.
benigne 90.
caedere 1, 126, 171, 208.
canere 62.
capere 12, 127.
captiuus 14, 132.
Caput 16, 112.
carcer 204.
Carmen 105, 189.
ccd (?) 51.
censor 56.
censura 8.
centurio 15.
certamen 42.
circa 169.
circumacribere 39.
clades 175.
clano . . . 196.
cogere 32, 73.
coire, co[e]vLu[te 207.
coUocare 204.
comitium 208.
com[mendare] oder coiD[plecii] 100.
commodum 206.
competitor 9.
con^lecti] y. eom[mendare],
conferre, conl[ata] 47.
conpositum 9.
consul (CO«.) 19, 24, 30, 36, 52, 74, 81, 93,
103, 117, 131, 167, 170, 174, 176, 182,
222, 230.
consulatuB 153/4.
conftultare 181.
contendere 158.
contra 189.
conubium 17.
cor 115.
creare, [creaf jus 124.
creber 134.
crimen 72.
crudelissime 132.
cruentuB 18.
cum (Coni.) 33, 202, 210.
cum (Praep.) 77, 186.
cttjstodia 224.
Beyistcr.
123
d(?) 51.
damnare 28, 51, 86, 179.
dare 8, 6, 17, 166.
de 88, 179.
decedere 119.
dedicio 91.
deducere 7.
defoimis 185.
deprehecidere 116.
deiertör 207/8.
di^iderare 53.
detutere, [de8tü{\i 10.
deoincere 164, 174, 185.
dextra 166.
dicere 114.
dies 25, 180.
dim . . . . 64.
dimicare (dimicari?) 125.
diripere 139.
distribuere 120, 169.
domuB 180.
donam 165.
duo 141, 177.
edere 43.
ewe 3, 5, 17, 68, 80, 97, 110, 111, 122.
123, 125, 188, 214.
et 18, 21, 31, 87, 39, 82, 103, 169, 192.
euincere 177.
ex 20.
exerdtm 96, 126.
exoriri 89.
expirare 207.
facere 47, 104, 186.
faimlia(?) 218.
fem 109(?), 116.
fides 95.
filins 100, 101 (phUium), 120, 141, 179.
fingere 72.
flamen 4.
flem 100.
flumen 217.
fbrÜBsime 187.
forum 68.
fraffmen]iaL 123.
fugare 49, 172.
fogieni 71.
fonebrif 60.
fojias 179.
fatunu 68.
gladiatorius 54.
gladios 164.
habere 115, 178.
homo (homini, Nom. Plur.?) 51.
hostiM 186.
idem 180.
in 5, 13, 44, 63, 71, 75, 91, 92, 108, 111,
116, 125 (in Africa{m}), 132, 174, 180,
188, 204, 208, 216.
inde (inde legem?) 182.
incendium 128.
mdicimn 40.
i»fijuanimre(?), [fn//aiitinalui8w.'t 139/40.
irigeiiuai 85.
inndiae 187.
int 34.
in[ter] 69.
intercedere 27.
interease 180.
interfector 201.
interpellare 183.
inuisaa 155.
is 16.
iterum 8.
iubere 91.
iudicium v. iudicium.
iugulare 198.
laur]uB 128.
legatio 114.
: legatm 111, 121, 185.
legitimai(?), [legü]lmu 120.
lex (inde legem?) 182.
I Über 11, 66, 87, 178, 199.
liberare 14, 97.
üben 118, 162.
lictor(?) 184.
looani(?) 90.
iocuf 92.
luetn« 207.
ludof 46, 60.
magistratni 79.
magnitndo 211.
manm 55.
mare 71.
mater 89.
maximuB 8, 4, 128.
va[emoria] 147.
meretrix, \wieretri\ee 87.
minari 8.
nüttere 121.
mo[^'(?) 92.
124
Register.
multa 205.
munire 31.
ne 26, 177.
nee — nee 115.
negare 202.
nobilu 14.
nomen 211.
non 133, ISO, 228.
obieere 196.
obsidere j83.
oecidere 16, 123 ({8}o<c>ei<«>u8), 146, 164,
213/4.
oceupare 102.
omnis 91, 207.
oportet 104.
ornare, [omajuit 169.
pater 73.
pati 15.
pax 3, 6, 186.
peeunia 47.
pellere 94.
per 20, 30, 73, 98, 102, 107, 120, 138, 194.
perdomare 81.
per<f>urium 147.
persoluere 35.
persuadere 45.
pes 115.
petere 8, 79, 156.
planus y. primus.
plebs 27, 78, 183, 204, 206.
podagricus 112.
ponere 61, 110(?).
pontifex maximuB 4, 59.
populus 107, 205, 206.
poseere 16.
post 46.
potestas 142.
potiri 110? (v. ponere), 214.
prae^a 20.
pr(aetor) 4, 135.
prex 205.
primum 43.
primus (v. planus) 217.
pro 206.
produeere 99.
proelium 13, 18, 134.
profeetio 183.
proficisei 5.
propositum 163.
prospere 125.
pugna 111.
pupillus 37.
qua\Te 133.
-que 16, 165, 180, 214.
qui 15, 22, 26, 35, 38, 100, 101, 104, 119,
189, 143, 155, 164.
quod 4, 53, 84, 122.
quondam 113.
quot 78.
reddere 184. •
redire 33, 45, 93.
referre 40.
refifDiim U9/2D.
relinquere 119.
remittere 165, 205.
repul8a(?), [repuls]fim 116.
res 216.
respondere 114, 181.
reuoeare 26.
reus 99.
rex 6, 110.
sacrarium 127.
8aecula]res (ludi) 103.
sagulum 165.
seriba 75.
se 101.
seneetus 118.
Signum 168.
singuli 209.
8oei(?) 128.
soeius 107.
{8}o<c>ci<«>U8 123, V. oceidere.
speetaeulum 54.
statua 168.
stolidus 113.
strages(?) (strigem) 184.
stuprare 85.
stuprum 116.
subigere 42, 136.
subsellium 123.
8u£fragium 194.
8UU8 58, 55, 179, 180, 184.
tabella 194.
tabemaeulum 61.
tabula 168.
terrere 184.
tertius 89.
test]a 118.
togatus(?), [eo^ajtis 35.
tollere 41.
Register.
125
transferre 35, 92(?).
trannre 217.
tribonus plebis 27, 78, 183, 204, 206.
triumphare 34.
tutor 39.
uasilica (= basilica) 57.
aastare 13, 83, 157, 212.
oates 62.
uel(?) 69.
ueneficiom 51.
ucnire (ueneo) 209.
uenire (uenio) 91.
uerna 193.
uexare 167.
uir 16.
uirga 208.
uirtus 96.
uis 15.
ultimuB 108, 118
uotiuuB 46/7.
uoaere 188.
urbs 192.
uxor 140, 146.
Eigennamen:
Achaei 18, 135.
AciliuB [Glabrio] 7.
Aebutios 38.
Aemilia (via) 31.
Aemilianus 95, 120, «^e>milia{an}num),
123.
Aemilius 143, L. Aemilius 67, M. Aemi-
liu8 215.
Africa 125.
Africanus, P. Cornelius Scipio A. (xnaior)
25, (minor) 210.
Ambracia 12.
A{n}nio 188.
Antiochus (III.) 6, (VI.) 213.
Appiti8(?) 132 V. captiuus.
Appiofl Claudius 48, 177.
A«eUu8, Ti. Claudius A. 182.
Attalus 110.
Audaz 197.
A(ulu8) 76, 112, 193.
Baccha<n>alia 40/1.
Baebius, Cd. Baebius 67, M. Baebiu« 74.
Bithjnia 110.,
BoiuB 5^.
<Äm>onia 7.
Brutus 203, 216.
C. (= Gaius) 30, 76, 84, 191, 216.
Caepio, Cn. Caepio 170, Q. Caepio 176,
182, Q. Seruilius Caepio 195.
Campani 17.
Capitolium 189.
CarthagiDien8es(Chartaginionte8) 22, 83, 90;
Carthago 132, 134.
Cato, M. Cato 56, 114.
Ccnsorinus 88.
CVÄJegus 84.
Chaldaei 192.
I Charidemus 98.
Claudius, Appius Claudius 48, 177, M. Clau-
dius Marcellus 58, P. Claudius Pulcher
50, TL Claudius AseUus 182.
Cn. (= Gnaeus) 2, 67, 137, 170, 191.
Corintbius 168.
Corintbus 185, 145.
Cornelius, C. Cornelius Cetbegns 84, Cn.
Cornelius 187, L. Cornelius Scipio 27,
45, P. Cornelius Scipio v. Scipio.
Cotta, L. (AureliuB) Cotia 210.
Crassus, P. Licinius Crassus 59.
D(ecimu8), D. Silanus 178, D. Junius (Bru-
tus) 200, Decim(us) Brutus 203, Decimus
Brutus 216, P. Decim(a)? 84.
Diodotus 218
Ditalco 197.
Fabius, Q. Fabius 4, Q. Fabius Maximus
(Aemilianus) 149, (Seroilianus) 171, 185.
Fafecenta] 87.
FltL[mininus] 52.
Flanunius, C. Flaminlus 24, 30.
Fuluius, Q. Fuluius 81, Fuluius Nobilior
43, 82.
Gabinius, A. Gabinius 198.
Galba, Ser. (Sulpicins) Galba 152.
Galli 44.
GalUa 52.
Gallograeci 13, 33.
Gallograecia 20.
HAn[nihaI\ 64.
Hasdrubal 122.
Hispala Faecenia 37.
Hispani 41, 77.
Hispania 1, 216.
126
Begister.
Hostilius, A. Hostilius Maocinos 112, C. Hob-
tilins Mancinus 215.
Itaita 44, 192.
JunioB, D. JuniuB (Brutus) 200, y. 203, 216.
Lacedaemonii 18.
Laelius, C. Laelius Salassus (statt Sapiens)
176.
Latin! 32.
Lentulns, P. ((Cornelius) Lentnlus 74.
Lepidinus, P. Lepidinus (statt Licinins) 3.
Lepidus, M. Lepidus 82.
Lidnius, P. Licinius Crassus 59, y. Lepi-
dinus, S. Licinius 203.
Licinus, L. Porcius Licin{i}us 50.
Ligures 80, 49, 77.
Iiijt<«>rnum(?) 26.
Liuius, C. Liuius 19, L. Liuius (statt Vil-
Uus) 78.
L(uciu8) 21, 27, 45, 52, 75, 78, 88, 113,
145, 152, 158, 210.
Lnaitani 6, 83, 98, 136, 167, 171, 187, 212.
Macedönia 179.
Mancinus 112, 215, y. Hostilius.
Manillns, M. (statt M.') Manilius 88, 103,
y. Manlius.
Manlius, Cn. Manlius 2, L. Man{i}lius 21,
L. ManUus 81, L. Manfijlius Yolso 113,
T. Manlius Torquatus 178.
Marcellus 44, M. Claudius Marcellus 58.
Marcius 103, L. Marcius Censorinus 88.
M(arcu8) 58, 74, 82, 111 (Marc[i«s]), 114,
115, 150, 215.
Masinissa 121, 122.
Maximus 149, 171, 185, y. Fabius.
Metellus 127, 167, L. (statt Q.) Metellns
153, Q. MeteUus 160.
Minucius, L. Minucins Myrtilus 21.
Minurus 197.
Mummins, L. Mummius 145, 168.
Mjrtilus 21, Y. Minucius.
Neryllius statt Petilius (Petiilius) 75.
Nobiiior 43, 82, y. Fulnius.
Numantini 174, 212.
ObUuio 217.
Occius, Q. Occius 186.
Or{i}giaco (= Ortiago) 14.
Pamphjlia 18.
Petjlliu«, Quinti Petilli 25, r. Neryllius.
Petronius M. Petronins 150.
PbUippus 101, PhiUppus [Poenus] 97.
Phrpgi\K(?) 14.
Piso, Cn. Piso 191, L. Piso 117.
Poeni 95, 97.
Pompeius 174, Q. Pompeius 170.
Popillius, C. Po<iH>mus 191.
Porcia (basilica) 57.
Poetumius, A. Postumiua 76, Sp. Postu-
m<t>ns 86.
P(ublius) 8, 50, 59, 74, 84, 200, 210.
Pulcher 50.
Punicum (bellum) 89.
Quintius, L. Quintius Flamininus 52.
QuCmtus) 4, 25 (Quinti), 81, 149, 160, 170,
171, 186.
Qnirinalis (flamen) 5.
Rethogenes 161.
Rhodonia 7.
Roma 33, 169.
Roman! 1, 93, 138, 185/6.
Rutilus, [T, Sempronius] Rutil{i}us 88.
Salassus statt Sapiens 176.
Salinator 19.
Sapiens y. Salassus u. Laelius.
Sardinia 5.
Scantius, M. Scantius 115.
Scipio, L. Cornelius Scipio 27/8, 45/6,
[P. Scipio] Africanus 25, P. Cornelius
Scipio Aemilianus 94, 95, 96, 120, 123,
138, 210, P. Cornelius Scipio Nasica
200, 202.
Scordisci 175
Sempronius, M. Sempronius 48.
Seruilius Caepio 195, Ygl. 176, 182 und
Caepio.
Ser(uius) 152
Sibjlla 189.
Silanus, D. Silanus 178.
Soli 7.
Sullani 226.
Syria 157, 214 (Suria).
Tarentum 105.
Ti(berius) 182.
T(itus) 178.
Theoxena 70.
Thessalia 126.
Torquatus, T. Manlius Torquatus 178.
Register.
127
Tryphon 218.
Tyresius 164.
UticeDBes 89.
Villiiw, L. Villiu» (Pap. L. Liuiu») 78.
Viriathui 172, 185 (Vir<f>th{i}u») , 198,
201.
VoIbo, L. Mao{i}liu8 VoUo 113.
n. Sachregister.
Die Zahlen ▼enreieen aof die Seiten der Abhandlnng.
Achaeer, Streit mit den Lacedaemoniern 89,
gegen PBeudophilipp. 50, Beleidigung der
rom. Gesandten 55.
M. Adlios Glabrio 36 f.
F. Aebutius 41.
Aemilia, via 41.
AemilianuB s. Cornelius Scipio Africanus
(minor).
M. Aemilios Lepidus, cos. 567/187 40.
M. Aemilios Lepidos, cos. 617/187 68, 105.
L. Aemilius Paulus, cos. 572/182 45, 70
Aetoler 35.
Africanus s. Cornelius Scipio.
Alexander I. Balas 58.
Ambracia, Belagerung und Eroberung
565/189 87.
Andriskos, Erhebung 49, 91 , Sieg und Nieder-
lage 54, 74, 91 f.
Anio, aqua 68.
Antiochos III., Friede mit ihm 85.
Antiochos VI. Epiphanes Dionysos 58, Er-
mordung 67 f., Datierung 94 fr.
Antiochos VII. Sidetes 95.
M. Antius Briso, Volkstribun 617/187 105.
Apuani, ligur. Völkerschaft 48.
aqua Anio, aqua Marcia 68, 104.
M.* Aquillius, cos. 625/129 lOTy.
Arcvaker, celtiber. Völkerschaft 100.
Atbleteokämpfe , Ihre Einführung in Rom
42, 70.
Attalos II. Ton Pergamon 94.
Audax, einer der Mörder des Viriathus 65.
L. Anrelins Cotta, cos. 610/144 58, Anklage
durch Scipio 67, 108, Datierung 104 ff.
L. Aurelius Orestes, cos. 597/157 hb, 92.
Aushebungen, Kampf um dieselben in Rom
107 ff.
Bacchanalia, Verbot derselben 41, 69.
Cn. Baebius Tamphilus, cos. 572/182 45, 70.
M. Baebius Tamphilus, cos. 578/181 46.
Barathrum, Magnum 90.
basilica Porcia 44.
Boller, celtiber. Völkerschaft 100.
Bithjnien, Gesandtschaft der Römer dahin
77, 94.
Boier, Ermordung eines B. 48 f.
Bononia, latin. Kolonie 86.
Bracarer, Feldzng des Dec. Brutus gegen
dieselben 68, 102.
Brand von Rom 608/148 54, 74, 104.
L. Caecilios Metellus, cos. 612/142 59,
Niederlage in Sudspanien 60, 74, 100.
Q. Caecilins Metellas Macedonicos, Sieger
über Andriskos 54, 92, cos. 611/148 58,
Statthalter von Nordspanien 611/148 und
612/142 100, 108, Konsular 107 Anm. 8.
Callaeeia, Feldxug des Dec. Brutus dahin
68, 102.
C. Calpomius Piso, cos. 574/180 46.
L. Calpumius Piso, cos. 606/148 51 , Er-
folge in Afrika 90f.
L. 0. Cn. Calpumius Piso, cos. 615/139 68,
78 Anm. 8.
Campaner, Aufnahme in den röm. Census 89.
Carthager, Beleidigung ihrer Gesandten
566/188 89, Krieg mit Masinis^ 47, Ge-
sandtschaft nach Rom 605/149 48, Ein-
Schliessung der Stadt und Kämpfe im
Sommer 607/147 55, Eroberung und Zer-
störung der Stadt 56, 75, 78.
lex Cassia Ubellaria 617/187 105.
Celtiberer 100, 102.
Centobriga, im diesseitigen Spanien (s.
Nertobriga) 108.
Chaldaeer, ihre Vertreibung aus Rom und
Italien 64, 104.
Chiomara, Gattin des Galaterhftnptlings
Ortiago 87—89, 45, 69.
Chroniken (des 2. Jahrh.'s?) nach der Livius-
Epitome des 1. Jahrh.*s 72 f., 74, Tendenz
76, Technik der Darrtellung 88, 92 f.,
Per. !•> und Pap. abhängig von diesem
Chr. 84, 86, 88, Stoffauswabl und Zeit
87.
Ti. Claudius Asellus, Volkstribun 614/140
62f., 102, 104, 107.
128
Begister,
M. Claudius Marcellus, sein Tod als Ge-
sandter an Masinissa 58, 89.
Ap. Claudius Pulcher, cos. 569/185 43.
Ap. Claudius Pulcher, cos. 611/143 59, 62,
108.
P. Claudius Pulcber, cos. 570/184 43.
Claudius Unimanus, Praetor in Spanien
ca. 609/145 98 f.
Clupea, Belagerung 606/148 90.
Contrebia im diesseitigen Spanien, Er-
oberung 611/143 103.
Corduba 100, 102.
Corinth, Zerstörung 57, 92 f., 96.
C. Cornelius Cethegus 47.
P. Cornelius Cethegus, cos. 573/181 (bei
Livius Lentulus s. d.) 69.
Cn. Cornelius Lentulus 608/146 56.
P. Cornelius Lentulus (statt Cethegus s. d.)
46, 69.
L. Cornelius Scipio 40, 43, 70.
P. Cornelius Scipio Africanus (maior), Tod
44 f., 70.
P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus
(minor), Thaten als Rriegstribun vor
Carthago 48 f., 87, Teilung von Masi-
nissas Reich 52, 89, Unterfeldherr des
Manllius, Wahl zum Konsul 52, 89 ff.,
erstes Konsulat 55, Eroberung von Car-
thago 56, Spiele 56 f., Censur 109, sein
Gegner Ti. Claudius Asellus 62, 104, 109,
Anklage gegen L Cotta 67, 108, Da-
tierung dieses Prozesses 104 ff.. Eintreten
für die lex Cassia tabellaria 105, 109,
zweites* Konsulat, Tod 109, Würdigung
d. Persönlichkeit 109 f.
P. Cornelius Scipio Nasica, cos. 616/138 |
65, Einkerkerung 66, 104, 107. i
C. Curiatius, Volkstribun 616/138 66, 104,
107.
Demetrios, makedonischer Prinz, Zwist mit 1
seinem Bruder Perseus 45, 70, 71, Er-
mordung 46. I
Demetrios II. Nikator von Syrien, Kampf
mit Diodotos Tryphon 58, Datierung !
94 ff. 1
Deserteure, Bestrafung solcher in Rom
616,138 66 f., 104, 108.
Diaeos 92, Tötung seiner Frau und Selbst- {
mord 57, 92. |
Diodotos gen. Tryphon, Krieg mit De- ;
metrios II. 58, 94, Ermordung des Anti- |
ochos VI. 67 f., Dauer seiner Regierung j
94ff.
Ditalco, einer der Mörder des Viriathus 65.
Duronia 41.
Epitome aus Livius (1. Jahrh.) 69, Literatur
69 Anm. 1, Anlage d. Epit. 71, 73 Anm. 2,
77, 86 f., Tendenz 76, Ansschreiber dieser
Epit. 79 ff., vgl. Stemma 88, indirekte
Abhängigkeit der Per, 1* und des Pap.
von d. E. 84, 86.
Q. FabiuB Labeo, cos. 571/188 44.
Q. Fabius Maximns Aemilianus, cos. 609/145,
nach Südspanien 58, 98 f., 102, Abgang
von Spanien 100.
Q. Fabius Mazimus Servilianus, cos. 612/142
59, Ankunft in Südspanien 100, Sieg
über Viriathus 618/141 61, 77, 101,
Niederiage und Friede 614/140 63, 78,
lOL
Faecenia s. Fecenia.
C. Fannius, Heldenthat in Spanien 613/141
101.
Fecenia, Hispala 41.
Flaminia, via 41.
C. Flaminius, cos. 567/187 40.
Q. Fulvius Flaccus, cos. 575/179 47.
M. Fulvius NobiHor, cos. 565/189 35, 70,
Belagerung und Eroberung von Am-
bracia 37, Einführung der Athleten-
kämpfe 42.
L. Furius Philus, cos. 618/136 107 Anm. 3.
A. Gabinius 64, lex Grabinia tabellaria 64,
104, 105
Gades 102.
Galater s. Gallograeci.
Gallier, transalpinische, ihr Einfall in
Italien 568/186, Rückkehr 571/183 42,
71.
Gallograeci, Besiegung 565/189 37.
Giftmischer in Rom, ihre Vertreibung 43.
Gracchische Reform (s. auch Sempronius)
108, 109.
Hannibal, Tod 44, 70, hannibalischer
Krieg 106 f.
Hasdrubal, Masiniame nepos, Ermordung
durch d. Carthager 606 148 58, 78,
89 f.
Hasdrubal, Wüten gegen die röm. Ge-
fangenen 55, 74, Tod seiner Frau 56.
Hippo Diarrhytos, Belagerung 606/148 90.
Hispala Fecenia 41.
Begister,
129
Hispani, Sieg über dieselben 568/186 42,
desgl. 574/180 46 f., Kämpfe der Römer
in Spanien (zusammenfassend) 96 ff., Be-
deutung dieser Kämpfe für Rom 106 f.
A. Hostilius Mancinus, einer der röm. Ge-
sandten nach Bitbynien 605/149 51, 94.
C. Hostilius Mancinus, cos. 617/137 68,
104, foedns Mancinum 109.
L. Hostilius Mancinus, als Praetor 606/148
mit Piso nach Afrika 90, cos. 609/145 58.
Ingauni, ligur. Völkerschaft 48.
C. Julius Caesar 110.
D. Junius Brutus, cos. 616/138 65, Ein-
kerkerung 66, 104, 107, Sieg über die
Lusitaner 616/138 67, 77, 102, Über-
schreitung des Oblivio und Feldzug nach
Callaecia 617/137 68, 77, 102.
D. Junius Silanus, Verurteilung und Selbst-
mord 62. 104, 108.
P. Juventius, Praetor, seine Niederlage
H06.148 in Thessalien 54,. 91 f.
Karthager s. Carthager.
Korinth, Zerstörung 57, 92 f., 96.
Kritolaos, Stratcg der Achaeer 92.
Lacedaemonier, Streit mit den Achaecrn 39.
('. Laelius Sapiens, als Praetor in Spanien
99, 102, COS. 614/140 61.
Latiner, Vertreibung aus Rom 41.
M. Licinius, einer der röm. Gesandten nach
Bithynien 605,149 50, 94.
S. Licinius, Volkstribun 616; 138 60, 104, 107.
P. Licinius Crassus, pontifex max., 565/189
an der Abreise nach Sardinien verhindert
85, soinTod und Leichenspiele 571/183 44
Ligurer, Sieg über dieselben 567/187 40f.,
desgl. 569/185 43, desgl. 574/180 46 f.
C. Livius Drusus, cos. 607/147 55.
C. Livius Salinator, cos. 566/188 39.
Livius Salinator 105.
ludi 8. Spiele.
Lusitaner, Niederlage derselben 565/189 36,
ihr Sieg über Galba 603/151, Verrat des-
selben 604/150 47, 96, 108, vorübergehende
Unterwerfung 607-147 55, 96, Wahl des
Viriathus zum Oberfeldherm 96 f., Siege
desselben über die Praetoren Vetilius
und C. Plautius 57, 96, desgl. über Clau-
dius Unimanus und C. Nigidius 98, Nie-
derlage des Viriathus durch den Praetor |
C. Laelius Sapiens 609/145 99, Absendung >
eines konsularischen Heeres gegen die |
RornemanD, Die neue Livins-Epitome.
Lusitaner 609/145 58, 98, Sieg derselben
über den Praetor Quinctius 611/143 100,
desgl. über den Konsul L. Metellus 612/142
I 60, 74, 99 f., ihre Niederlage durch Q.
j Fabius Max. Servilianus 613/141 61, 101,
I Besiegung desselben und Friedensschluss
I 614/140 63, 75, 101, Kampf des M. Po-
j pillius Laenas gegen Viriathus 615/139
I 104, desgl. des Q. Servilius Caepio 101 f.,
Unterwerfung Lusitaniens durch D. Bru-
tus 616/138 67, 77, 102.
Lusoner, Nachbarn der Numantiner 104.
Magnum Barathrum s. Barathrum.
Makedonien, Zwist im Königshaus 45 f., 70 f.
M.' Manilius, cos. 605/149 47, in der livian.
Tradition Vorname Marcus 73, Thätig-
keit gegenüber den Carthagern, Zug ins
Binnenland 48, Eroberung einiger Städte
606/148 (livian. Tradition) 54, 89 ff.
L. Manlius Acidinus, cos. 575,179 47.
T. Manlius Torquatus, verurteilt seinen
Adoptivsohn 62, 104, 108.
Cn. Manlius Vulso, cos. 565/189 35, Sieg
über die Galater 37, Überfall durch die
j Thraker 39, Triumph 41.
I L. Manlius Vulso, einer der rÖm. Gesandten
' nach Bithynien 605/149 51, 94.
Marcia, aqua 63, 104.
L. Marcius Censorinus, cos. 605/149 47.
Q. Marcius Philippus, cos. 568/186 41,
Niederlage durch die Ligurer 43.
Q. Marcius Rex, Praetor 610/144 63.
Marius, Ereignis aus seinem 5. Konsulat 34,
110.
Masinissa, Krieg gegen Carthago 47, Tod,
Alter, Kinderzahl, Teilung des Reiches
51—53, 77 f., Datierung 87 Anm. 3, 89ff.
C. Matienus 66 f.
Minurus, einer der Mörder des Viriathus 65.
L. Mummius, cos. 608/146 56, Zerstörung
von Korinth 57, 92 f., 96, Censur, Ver-
teilung der korinthischen Beute 60. 98 104.
Neapolis in Afrika, Eroberung durch d.
Römer 606/148 91.
Nertobriga, im diesseitigen Spanien, s.
Centobriga 103.
Nicomedes IL von Bithynien, Erhebung
zum König 50, 93.
Nicorontes, nach Diodor Name eines der
Mörder des Viriathus 65.
C. Nigidius, als Praetor in Spanien von Viri-
athus geschlagen, ca. 609/145 98 f., 102.
9
130
Register.
Numantiner, Sieg über Q. Pompeios 613/141,
Friede 614/140 61, 103 f., Sieg über M.
Popillius Laenas 616/138 67, 104, Scipio
Aemilianus vor Numantia 108.
Oblivio, angeblich Name eines Flusses in
Spanien 68^ 102.
Obsequens, Übereinstimmangen mit dem
Papyrus 74 f., 76, Abweichungen 75, Da-
tierung des 0. 87 Anm. 1.
occidere, vorherrschend als Verbum des
Tötens im Spätlatein 76.
Q. Oecius, Heldenthaten in Nordspanien
612/142 59 f., 103, desgl. in Südspanien
614/140 63, 101.
Ops, Erhaltung des sacrarium beim Brand
von 606/148 54, 74 f.
Ortiago (in der livian. Tradition Orgiago),
Galaterhäuptling 37—39, 68.
Papyrus, Beschreibung desselben 1 ff., Über-
sicht über den Inhalt 8 f., Stoffauswahl
9, Wiederherstellung des P. 9 ff., Ver-
hältnis zum Livius - Original und den
Livius-Epitomatoren 68 ff., Singularitäten
77ff. , indirekte Abhängigkeit von der
Livius-Epitome des 1. Jahrh.'s 86, direkte
Vorlage ein Chronikon 86, 88.
Periochae, allzu Römer-freundliche Ten-
denz 75, Gruppierung der Ereignisse nach
sachlichen Gesichtspunkten, Verhältnis
zur Liviusepitome des 1. Jahrh.'s 88.
Periocha 1», Satzbau 78, Ähnlichkeit mit
dem Pap. 78 f., Verhältnis von 1» zum
Li vi US- Original, Fer. 1^ und den übrigen
Epitomatoren 79ff. , 1» nur indirekt ab-
hängig von der Livius-Epitome des
1. Jahrh.'s 84, 88, Singularitäten 84 ff.
Perseus von Makedonien, Zwist mit seinem
Bruder Demetrios 45 f., 70 f.
L. Petilius (Petillius), Schreiber 46, 69.
M. Petronius 58.
Phameas, Übergang zu den Römern 606/148
89 ff.
Philipp. III. von Makedonien 45 f.
Philippus Poenus 43.
Philopoimen, Tod 44 f., 70.
C. Plautius, 608/146 als Praetor in Süd-
Spanien geschlagen 57, 97 f.
Q. Pompeius, cos. 613/141 61, Niederlage
durch die Numantiner, Friede 61, 103,
Truppennachschübe 108, Konsular 107
Anm. 3.
Numa Pompilius, Auffindung der ge*
fälschten libri 46, 69.
M. Popillius Laenas, cos. 615/139 63, 73,
Vorname auf dem Pap. falsch 74, Thätig-
keit in Nordspanien 103 f.
M. Porcius Cato, Auftreten gegen Acilius
Glabrio 565/189 36, Censur 43, Aus-
stossung des L. Quinctius Flamininus
aus d. Senat 43 f., Bau der basilica Porcia
44, Vorgehen gegen Ser. Galba 605/149
49, 108, Ausspruch über die Gesandt-
schaft nach Bithynien 51.
L. Porcius Licinus, cos. 570/184 43, Cog-
nomen fälschlich Licinius 70.
A. Postumius Albinus, cos. 574/180 46.
Sp. Postumius Albin US, cos. 568/186 41.
Sp. Postumius Albinus, cos. 606/148 51.
Prusias II. von Bithynien, Absetzung und
Tod 605/149 50, 93.
Pseudophilipp. s. Andriskos.
Ptolemaios VI. Philometor von Ägypten 58.
Punischer Krieg, zweiter 106 f., dritter,
Beginn desselben 47 f., Verlauf 87 ff., das
Kriegsjahr 606/148 89 f.
Quinctius (?), nach Appian Praetor in Süd-
spanien 611/143 100.
L. Quinctius Flamininus, Tötung eines vor-
nehmen Boiers 43, 69 f., Ausstossung aus
dem Senat 43 f.
Rethogenes, Celtiberer 59, 103.
Rhodier 36.
sacrarium der Ops, beim Brand von 606/148
erhalten 54, 74 f.
Säkularspiele, zum vierten Mal, Kontro-
verse über die Zeit 49 f., Notiz darüber
auf dem Pap. 74.
M. Scantius 51.
Scipionenprozesse 40.
Scordisci, Sieg derselben über die Römer
613/141, Niederlage 619/135 61, 93, Wohn-
sitze 93 Anm. 1.
Seleukidenreich, Bürgerkrieg in demselben
58, 94 ff.
C. Sempronius Gracchus, Richtergesetz 105.
TL Sempronius Gracchus 109.
T. Sempronius Rutilus 41.
M. Sempronius Tuditanus, cos. 569/185 43.
Cn. Servilius Caepio, cos. 613/141 61.
Q. Servilius Caepio, cos. 614/140 61, sein
Auftreten gegenüber dem Volkstribuncn
Register.
131
Ti. Claudius Asellus 62, 107. Abgang
Dach Südspanien finde 614/140 101 f.,
Revolte der Reiterei 615/139 64, Er-
mordung des Viriathus 64 f., 102, Bitte
um Belohnung seitens der Mörder 65, 102.
Skordisker s. Scordisci.
Spanier s. Hispani.
Spiele des L. Cornelius Scipio 568/186 43,
Leichenspiele nach dem Tod des P. Li-
cinius Crassus 44, Säkularspiele s. d.
Sullani 34.
Ser. Sulpicius Galba, sein Verrat an den
Lusitanern 604/150 47, 96, Anklage und
Freisprechung 605/149 49, 96, 108, cos.
610/144 58.
Syrien, Bürgerkrieg daselbst 58, 94flf.
Cn. Terentius, Schreiber 46, 69.
Termentia, im diesseitigen Spanien, Zug
des Q. Pompeius gegen T. 103.
Theoxena, Tod 45.
Thraker, überfallen den Cn. Manlius 566/188
39.
Titter, celtiber. Stamm 100.
Triumph des Cn. Manlius über die Galater 41 .
Tryphon s. Diodotos.
Tyresius (Tyresus), Gegner des Q. Occius
612 142 60.
Urso, Stadt in SUdspanien 102.
Utica, Übertritt zu den Römern 48, Rück-
zug des M.' Manilius dahin 606/148 91.
Valerius Antias 40, 43, 44, 67, 69.
M. Valerius Messala, cos. 566/188 39.
vastare mit Völkernamen 36, 76, 110.
C. (oder M.) VetUius, 607/147 als Praetor
in Südspanien, Sieg, Niederlage und Tod
daselbst 55, 57, 96, 97 f., Dauer der Statt-
halterschaft 97.
L. Villius, lex Villia Annalis 47.
Viriathus, Lebenslauf 96 f., Aufreizung der
Lusitaner durch ihn, Wahl zum Ober-
feldherrn 608/146 57, 96 f., Siege über
die Praetoren Vetilius und C Plautius
57, 96, desgl. über Claudius Unimanus
und C. Nigidius 98, Übergreifen in die
diesseitige Provinz 99, Niederlage durch
den Praetor C. Laelius Sapiens 99, kon-
sularisches Heer gegen ihn 58, 98, Sieg
über den Praetor Quinctius 611/143 100,
desgl. über den Konsul L Metellus
612/142 60, 74, 99f., Niederlage durch
Q. Fabius Mazimus Servilianus 613/141
61, 101, Sieg über denselben und Frie-
densschluss 614/140 63, 75, 101 , Kampf
mit M. Popillius Laenas 615 139 104,
Ermordung auf Betreiben des Q. Servi-
lius Caepio 64 f., 77, 102, Verweigerung
einer Belohnung an seine Mörder 65,
102, Ansiedlung seiner Soldaten in
Valentia 67.
Wasserleitungen, stadtrömische 63, 104.
Druck Ton O. Kreyaing iu Leipsig.
Kol. VIII des Papyrus.
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Kömische Bleitesserae
Ein Beitrag znr Sozial-
nnd Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit
M. Bostowzew.
Mit zwei Tafeln.
Leipzig
Dietcrich 'sehe Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1905.
Den römischen Freunden
W. fimelung; H. Qraeven, E. Komemann, F. Muenzer, M. Siebourg,
J. Sieveking, R. Wuensch.
Vorrede.
Aaf mehrfache Anfforderang deutscher Freunde und Kollegen hin
habe ich mich nach langem und leicht verständlichem Zögern entschlossen,
das vorliegende, schon in russischer Sprache publizierte und nicht ver-
griffene Buch in neuer Auflage in deutscher Sprache nochmals heraus-
zugeben. Ausser dem Wunsche, die Resultate langjähriger Arbeit weiteren
gelehrten Kreisen zugänglich zu machen, bewogen mich dazu noch
folgende Erwägungen. Erstens kamen in den zwei Jahren, die seit der
Herausgabe des russischen Buches verflossen sind, viele wichtige neue
Monumente der mich beschäftigenden Gattung in meine Hände. Diese
sowohl, wie auch eine neue Durcharbeitung des schon behandelten Stoffes,
endlich Unterredungen mit Fachgenossen, liessen mich in manchen und
nicht unwichtigen Punkten meine Ansichten teilweise ändern, teilweise,
was noch wichtiger ist, ergänzen. Andererseits veranlasste mich der
Umstand, dass die Arbeit als Beiheft der Beiträge erscheint, auch den
Charakter der Untersuchung etwas zu modifizieren. Der Schwerpunkt
der deutschen Bearbeitung liegt in der Verwertung der historischen Er-
gebnisse des von mir zuerst in systematischer Weise bearbeiteten
Materials, in der Einfflgung der Tesseren in die Reihe der sonst be-
kannten und benutzten Oeschichts-Quellen, wobei manche Detailunter-
snchnng über die Tesseren als solche in die deutsche Auflage aus der
russischen nicht herübergenommen worden ist. Anderes wurde im Vor-
übergehen gestreift: so wurde die Untersuchung über die Typen der
Gottheiten auf den Tesseren und überhaupt über den Charakter der
bildlichen Darstellungen auf den Bleien in einige knappe Sätze zusammen-
gedrängt: in der russischen Auflage füllt diese Untersuchung mehrere
Bogen. Daher habe ich auch von einer Betrachtung der reichhaltigen
Tesserenserien aus Italien und den westlichen und östlichen Provinzen
Vin Vorrede.
abgesehen. Die Monumente selbst, in Abbildungen und lateinischer Be-
schreibung, sowie die historische Verwertung derselben findet man im
dritten Teile der russischen Auflage auf den S. 240 — 302 und den
Tafeln I — lH; ohne die Tafeln und das Material selbst wären meine
Ausfährungen schwer verständlich geblieben.
Nach dem Gesagten behält die russische Auflage meines Buches
auch neben der deutschen ihren Wert. Eine Detailuntersuchung über die
Tesseren als solche darf man in der deutschen Bearbeitung nicht suchen.
Die deutsche Bearbeitung, wie die russische Originalpublikation,
bilden ein Ganzes mit der Tesserarum urbis Ramae et 8t$burbi plumbea-
rum Sylloge (Petersburg 1903 und ein Atlas von XIT Tafeln), in der das
Material systematisch geordnet und genau beschrieben ist, mit Angabe
der Zahl der Exemplare und der Aufbewahrungsorte der einzelnen
Tesseren. Eine Ergänzung dazu bildet das erste Supplementum unter
demselben Titel (mit in Tafeln), herausgegeben von der Akademie der
Wissenschaften zu Petersburg (Petersburg 1905). Vollen Nutzen von
dem vorliegenden Buch wird nur der haben, der die genannten Publi-
kationen, vor allem die Sylloge^ daneben zur Hand nimmt. Als Mittel
zur ersten Orientierung und der Anschaulichkeit wegen sind auch der
deutschen Publikation zwei Tafeln mit den historisch wichtigsten Stücken,
Repräsentanten grösserer Gattungen, darunter einigen unedierten, bei-
gegeben. Die am Schluss beigefügte Aufzählung der Tesserensammlungen
und Publikationen mag bei der weiteren Erforschung des noch lange
nicht erschöpften Materials zur Orientierung dienen.
Über die Methode und die Ergebnisse der Untersuchung zu handeln,
liegt keine Veranlassung vor. Jedem Leser meiner Arbeit werden die-
selben auch ohne weitere Erörterungen klar sein. Meinen rein histori-
schen Standpunkt in der Verwertung archäologischen Materials brauche
ich nicht ausdrücklich hervorzuheben.
Das Buch erscheint also in deutschem Gewände und als Beiheft zu
den Beiträgen: das Eine wie das Andere verdanke ich meinem lieben
Freunde E. Kornemann, der wieder, wie bei der Herausgabe meiner
Geschichte der Staatspacht, jetzt als Redakteur, die undankbare Arbeit
der Revision des Manuskriptes und der vielen Korrekturen auf sich ge-
nommen hat. Ich brauche nicht hinzuzufügen, dass auch sachlich diese
Revision dem Buche mehrfach zu Gute gekommen ist. Ich bitte ihn,
meinen innigsten und aufrichtigen Dank auch an dieser Stelle entgegen-
nehmen zu wollen.
Vorrede. IX
Viele wichtige Bemerkungen und Anregungen verdanke ich Herrn
Prof. 0. Hirschfeld. Eine längere Unterredung mit ihm und seine
liebenswürdige Zusage, die Korrekturen meiner Arbeit durchzulesen, haben
meine Untersuchung in manchen wichtigen Punkten gefördert. Auch ihm
erlaube ich mir meinen aufrichtigen Dank an dieser Stelle auszusprechen.
Bestens danke ich auch meinem alten Freunde E. Pridik, der mir
bei der Korrektur vielfach geholfen hat.
Gewidmet ist dieses Buch meinen lieben römischen Freunden:
W. Amelung, H. Graeven, E. Kornemann, F. Muenzer,
M. Siebourg, J. Sieveking, R. Wuensch: ohne sie hätte ich
vieles in dem römischen alten und modernen Leben nicht verstehen und,
was noch wichtiger ist, nicht nachempfinden können.
Vade felix libelle!
Petersburg, d. 26. Febr./ll. März 1905.
M. Rostowzew.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung 1—9
T. Begriff der tessera 1—5
II. Herstellung der Bleimarken und Skizze der Greschichte des Sammeln«
und Studiums derselben 5 — 9
Kap. I. Verteilungsmarkon bei Korn- und Geldspenden 10—42
Kap. 11. Tesserae als Eintrittskarten zu den Schauspielen 43—58
Kap. III. Ttsserae der städtischen und munizipalen iuventta 5U— 98
Kap. IV. Tesseren der privaten Collegien und Unternehmungen .... 94»— 103
Kap. V. Tesseren in den Priratwirtschaften 104—116
Kap. VI. Ttsserae als Material für die Geschichte der römischen Kunst . 117—121
Anhang. Sammlungen der Bleitesserae und Publikationen derselben . . . 122—126
Sach- und Namenregister 127—129
Tesserenregister ... 180—181
Einleitung.
L
Begriff der tessera.
Das Wort tessera^) ohne nähere Bezeichnung wird in Rom und den
lateinisch sprechenden römischen Provinzen für die Benennung ver-
schiedenster kubikförmiger grösserer und kleinerer Gegenstände gebraucht
— griech. xvftog.^)
Die spezielle Bestimmung wird regelmässig durch ein Epitheton prä-
zisiert.') Die ältesten näher bezeichneten tesserae sind die tesserae hospi-
tales — halbierte Täf eichen, welche dazu dienten, einem hospes die
Möglichkeit zu geben, den anderen mit Sicherheit zu erkennen, grie-
chisch avfüßoXa von avfißdkluv, lateinisch conferre (Plaut., Poen., 1047).*)
Mehrere solcher tesserae besitzen wir noch.*)
Der Austausch der tesserae konnte durch Au&tellung besonderer Ver-
träge bekräftigt werden. Solche Urkunden wurden auch tesserae benannt,
wohl deshalb, weil sie fttr dieselben als Ersatz dienten oder dieselben
bekräftigten. Derartige tabulae, auf denen öfters die Herstellung einer tessera
hospitalis nur erwähnt wird (z. B. CIL. U 5763), waren wohl auch zur
ewigen Erinnerung an das Hospitium da. Ähnliche Erinnerungstesserae
1) Diese Fonn des Wortes ist die allgemein gebräuchlicliey daher tesserula^ itsse-
rariuSy tesseratuSj s. die Lexica. Es kommt auch tesera mit einem 8 vor (s. z B. CIL.
II 4693, 1). Daneben erscheint das Deminutirum iesseUa , tessala und ähnl., auch mit
einem 8 (e. z. B. CIL. III 9532; Rec. de la soc. arch. de Const., 1895, 154).
2) S. die Lexica.
3) Über die tesserae im allgemeinen, s. Moebius et Steinbrecher, De variis tesse-
rarum generibus^ Lipsiae, 1688; Casali, De urhe et Romano imperio, 283 ff.; Tomasini,
De tesseris hospitalibuSy Utini, 1687; Labus, Deüe tessere degli spettacoU rotnanif
dissertazione inedita delPabbate Morcelli, Milano, 1827; Rieh, Dict. d. antiquit^ s. v.;
Pauly, Realencycl.j s. v.; die münzförmigen tesserae bespricht Babelon in seinem Traiti
des monnaies grecques et romaines I, 1, Paris 1901, S. 696 ff.; Cagnat, Cours d'ipigraphie,
3 ^d., 1898, 334 ff.
4) Darüber s. Mommsen, Rom. Forsch. ^ 1 338 ff.; Marquardt-Mau , Privat-
leben, 197 f.
5) Zusammengestellt zuletzt von Lecrivun bei Daremberg et Saglio, Dict. d. ant,
II 294 ff., vgl. Ihm, Rh. Mus., 1896, 478 ff.
Roitowsew, Römisohe BleitoMera«. 1
2 M. Rostowjsew,
sind die tesserae pagi, paganae oder paganicae — Bronzetafeln von be-
sonders verdienstvollen Magistri und Patroni dem Pagus gestiftet. Ihr
Inhalt beschränkt sich hauptsächlich auf die Nennung der Namen der
Stifter wohl zum Zwecke einer ewigen Erinnerung an dieselben.^) Er-
innerungstesseren sind wohl auch CIL. Vn 1262 ; II 4963, 1 = 6246, 1,
vgl. auch XI 1195.2)
An die genannten Monumente in der Form eines Täfelchens oder
Stäbchens schliessen sich aufs engste der Form und dem Inhalte nach an
die sog. tesserae gladiatoriae oder constUares.^) Ihre Form ist wie bekannt
die eines zum Aufhängen bestimmten Stäbchens, ihr Inhalt die Erwäh-
nung eines Namens — es sind meist Sklaven, öfters aber auch Freie*)
— und eines Datums in Verbindung mit dem Wort, welches viermal
ausgeschrieben, fast immer aber abgekürzt ist, und spectat oder spec-
tavit lautet.^) Weihungen oder Geschenke sind unsere Tesseren nicht,
da das Charakteristische dedit, donavit^ dedicavit und der Name der Gott-
heit fehlen, vielmehr sind es Erinnerungstafeln und zwar an einen ein-
mal vorgekommenen Akt — der Betreffende spedavit — darüber stimmen
alle Forscher überein. Nun aber was ist dieser Akt? Man war und
ist wohl noch jetzt einig, dass unsere Tesseren sich auf Gladiatoren be-
ziehen: dahin führten die Worte des Horaz spectatum satis^) von einem
Gladiator und die Abkürzung sp, in Gladiatoren Verzeichnissen.^) Nun ist
aber speetatus bei Horaz ein ganz allgemeiner Ausdruck. Horaz sagt
nur, man hätte den Gladiator genug geschaut und ihm schon die rudis
gegeben: das Beifügen von satis ist gerade charakteristisch. Die Siglen
si). bei Gladiatorennamen werden wohl bis auf bessere Parallelen als die
auf den Tesseren unerklärt bleiben. Denn die Tesseren deuten mit
keinem Wort auf Gladiatoren oder Gladiatorenkämpfe. Der beste Beweis
dafür ist, dass man bis jetzt das rätselhafte spectat oder s^)ectavit
nicht erklärt hat, besonders da die Daten der Gladiatorenspiele zu den
Daten der Tesseren gar nicht passen.®) Mehrere haben das gesehen.
1) S. H^ron de ViUefosse, C. r. de VAcadimie d. inscr., 1893, 319ff.; Schulten,
Philologus, 1894, 648 ff.; De«8au, Inscr, lat, ad. II 6118— 6120. Dass, wie Schulten ver-
mutet, die tesserae an einem geschenkten Gegenstand angebracht wurden, ist nicht
notwendig; Geschenke werden in den bekannten Dokumenten nicht erwähnt, was mit
Sicherheit zu erwarten wäre. Den tesserae zu gründe liegt wohl ein Beschluss des
pagus, welcher gewitise Magistri und Patroni zur Aufstellung einer tessera ermächtigte.
2) Schulten a. a. 0.
3) Das Wichtigste darüber und eine Bibliographie findet man bei Lafaye,
Daremberg et Saglio, Dict. d. ant., II 1591 ff. (s. v. gladiator\ vgl. Dessau 5161a— 5161»^.
4) CIL. I 745, 747, 749, 756, 776.
5) S. CIL. I 776 a; X 8070, 1 und 5; XII 5695, 1 und Kph. ep., III, p. 203, vgl.
Dessau, 5161a-«.
6) Horat., Epist, I 1, 2.
7) CIL. VI 631.
8) Mommsen, Hermes, XXI, 270; Hülsen, Komische Mut., 1888,91; Fröhner,
Coli. Ihiiuit, 11, Paris, 1901, p. 162 , 211-218.
Römische Bleitesserae. 3
keiner aber sich von dem Gedanken an Gladiatoren ganz losmachen
können. Es ist deshalb ein grosses Verdienst Fröhners,^) dass er vor
kurzem auf die Unmöglichkeit der alten Auffassung hingewiesen und eine
neue viel ansprechendere Erklärung vorgeschlagen hat. Von der Tessere
von Arles*) ausgehend , auf der spectat num steht, was er spectat
num(en) liest, meint er, dass die Tesseren sich auf die incubatio beziehen
und zwar auf die Incubation im Asklepiosheiligtume auf der Tiberinsel, wo
die Sklaven nach Suet, Claud,j 25 mehrfach zur Heilung ausgesetzt wurden.«)
Näher ist Fröhner auf seine Hypothese nicht eingegangen. Ich kann
es hier auch kaum thun, weise aber auf Folgendes hin.
Die Incubation bestand, wie man weiss, hauptsächlich aus dem
Schauen des Gottes beim Schlafe, was für einen Gläubigen natürlich ein
grosses Ereignis war.«) Sie war in Rom ziemlich stark verbreitet; es
nahmen daran meistens niederen Klassen — Sklaven, Freigelassene, un-
gebildete Freie — teil.*) Die Incubation beschränkte sich auf die Tiber-
insel nicht — sicher ist sie auf dem Eapitol *) und vielleicht auch am
lutuma- und Dioskurenheiligtum 7) geübt worden. Damit steht es. im
besten Einklänge, dass die Tesseren öfters verschiedene Göttersymbole
neben der Inschrift tragen.^) Ist die Fröhnersche Meinung richtig —
und die oben angeführten Parallelen scheinen sie aufs Beste zu be-
stätigen ^) — so sind wohl unsere Stäbchen Erinnerungen an das wichtige
Vorkommnis im Leben der Heilsuchenden. Nach dem Schauen Hessen sie
ihren Namen, das Datum und das bedeutsame Wort auf Tesseren
eingravieren und hängten sie entweder zu Hause, oder im Heiligtume
selbst oder als Talisman um den Hals zur Erinnerung auf. Deshalb
findet man wohl die Tesseren überall, hauptsächlich in Privatwohnungen,
deshalb sind sie am häufigsten in den Zeiten der Blüte der Incubation
unter den kleinen Leuten Roms. Einen Zusammenhang mit der Mass-
regel des Claudius dürfte man auch nicht voreilig leugnen.*®)
1) Fröhner, 1. 1., p. 162 f.
2) CIL, XII 5695, 1, wo die früheren Erklärungen.
3) Darüber zuletzt M. Besnier, L'ile TibMne dans Vantiquiti, Paris 1902 (Bibl.
des ^c, 87), 207 ff., vgl. Shebelew, Die religiöse Heilung im alten Chriechenland^ Peters-
burg 1893, 28, 37, 44 (russisch) und Philologische Bundschau (russische), IX 159 f.
4) S. z. B. Besnier, 1. 1., 226. Zu spectat nuvien vgl. CIL., VI 14; 8 und das
auch sonst tausendfach vorkommende ex viso oder visu,
5) Belege bei Besnier, l. 1.
6) Plaut., Cure, 266 ff.; Serv., Verg. Aen., VII 88; Deubner, de incubatianCy
33 Anm.
7) Deubner, Neue Jahrbücher, 1902, 384 ff.
8) Fröhner, 1. 1. weist auf Blitz, Caduceus und Dreizack hin, s. Dessau, 5161^,
5161d; CIL. XI 6728, 4.
9) Dagegen spricht nur das Wort spectat; für das Schauen des Gottes gebraucht
man gewöhnlich visere.
10) Interessant ist der Hinweis Fröhners (S. 163), dass das häufigste Datum der
Tesseren der 1. Januar das Datum des Jahresfestes des Aesculapius auf der Tiber-
iusel ist.
1*
4 M. Bostowßew,
Wie dem auch sei, sicher ist es, dass wir auch hier wieder Er-
innerungsmonumente vor uns haben, welche mit vollem Rechte den Namen
tesserae von modernen Gelehrten bekommen haben.
Erkennungszeichen in der Art der tesserae hospüaUs waren die in
der Literatur oft genannten tesserae müüares (griech. cvfißoXov oder
avv&fifia\ wohl Holzstäbchen oder Holztäfelchen mit angeschriebenen
Worten zur Unterscheidung der Freunde von den Feinden.^)
Alle die aufgezählten Arten der tesserae kennen die Glossarien. Sie
übersetzen das Wort tessera entweder durch xvßos (Corp, ghss,, n 198, 4;
ni 76, 45 und V 581, 9, vgl. 395, 47) oder durch avfißoXov ohne nähere
Bezeichnung (IE 181, 1 und 4), oder aber civ&rjfAa — Parole (IE 198, 1;
V 581,7; 559,6). Daneben auch avvrofAov, avvröfi^a, xdkafiog (wohl
auch x^Q^^^'^ = X^Q^^^{9)'^\ ^^ ^^ Sicherheit auf die späteren tesserae
frumentariae zu beziehen ist {Corp. gl, U. 198, 1 und 4 ; 498, 12 ; 448, 27
verglichen mit Malal., Xu 289 ed. Bonn, und Themist., Orot., XXTTT
2900—291^).«)
Wir hatten es bis jetzt ausschliesslich mit Erkennungszeichen in der
Form eines Stäbchens oder Täfelchens zu thun. Die Bestimmung aller
Arten dieser Zeichen wird nicht durch das Wort tessera selbst , sondern
durch ein Epitheton gegeben. Dies erlaubt wohl die etymologische Er-
klärung des Wortes, welche tessera mit rkaaag^g zusammenbringt und
schon von den alten Grammatikern stammt, sachlich als sehr ansprechend
zu betrachten, ob auch sprachlich, wage ich nicht zu entscheiden.*) Wie
erklärt es sich aber, dass das Wort tessera sicherlich auch als Bezeich-
nung runder wohl münzförmiger Gegenstände gebraucht wurde? Dass
es der Fall war, lehrt die Zusammenstellung der verschiedenen Nach-
richten, welche wir über die sog. missiUa haben. Seit Augustus
wurde es üblich, bei allerlei Vorstellungen tesserae (Suet, Dom., 4 ; Mar-
tial. Vm 78«) oder auf griechisch aviißoXa (Dio, 49, 43, 4; 59, 9, 6—7,
vgl. Suet., CaUg., 18 und öfters) unter die Anwesenden auszustreuen oder
zu verteilen; dieselben gaben den Inhabern das Recht auf verschiedene
mehr oder weniger wertvolle (Gegenstände. Diese tesserae oder avfißoka
1) Domont, De plumbeis apud Graecoa teaaerie^ 44 f., vgl. die tesserarii im römi-
sehen Heere, auch die naves tesserariae (darüber zuletzt 0. Hirschfeld, Jahresh. d. Ö8t.
Inst, y 150), vgl. das Schiffsmosaik aus Althiburus in Afrika, wo diese Art der Schiffe
abgebildet ist, s. Daremberg et Saglio, Dict. d. ant. UV* 2116 Fig. 5251, vgl. Buecheler,
Eh, Mus. 1904, 823. S. auch CIL., VI 9915.
2) Man würde geneigt sein, auch Corp. gloss.^ V 541, 11: tesserae sunt quibus
frumentorum numerus designatur auf die tesserae frumentariae zu beziehen. Dagegen
spricht aber Isid., XX 14, 12, vgl. Corp. gloss.^ II 595, 15.
3) Eine abweichende Etymologie Prof. Cholodniaks, welche tessera mit testa
zusammenbringt, wurde auf meine Bitte von Prof. Cholodniak in der russischen Auf-
lage meines Buches S. 7 näher begründet, s. dagegen Netusil in Berl. phil. IVoch.
1904, 112. Bei NetuSil findet man auch einen schönen Hinweis auf die Allgemeinheit
des Gebrauches der Tessercn im heutigen Russland.
4) Vgl. auch CIL., IX 1655.
Bömische Bleitesserae. 5
beschreibt des näheren Dio (66, 25), indem er von atpaigia ^vliva fuxga
avfißokov ixovra rö fiiv kStaSlfiov uvog etc. spricht, vgl. 67,4, 3 (Parallelbericht
Suet. Dom. 4, wo diese atfaigla tesserae genannt werden).*) Aus diesen
Nachrichten ersehen wir zuerst, dass auch runde Gegenstände tesserae
genannt werden konnten, andererseits dass tessera und üvfißoXov in Rom
seit dem I. Jahrh. n. Chr. vollständig gleichbedeutende Worte waren.
In Griechenland aber bezeichnete man durch das Wort avfißoXov
Marken verschiedenster Art, die als Erkennungszeichen gebraucht wurden.
Abdrücke privater und öffentlicher Siegel auf Wachs, Thon, am häufigsten
Blei dienten hauptsächlich als solche Erkennungsmittel. Wo es darauf
ankam, mehrere Leute mit diesen Zeichen zu versehen, wie bei Theater-
marken in Athen und ähnl., wurden die Abdrücke in grosseren Massen
hergestellt, sogar geprägt. Mehrere Tausende solcher Marken aus Blei
sind in Athen gefunden worden, auf einer solchen Marke mit Gepräge
auf beiden Seiten (wohl aus Ägypten) steht ausdrücklich das Wort
övfißolov (zuletzt publiziert in der russischen Auflage meines Buches,
S. 296, Taf. V, 31).^) Auch ausserhalb Athens sind die Massenprägungen
der Marken ganz üblich gewesen.«)
Nun aber finden sich ganz ähnliche aCfißoXa in grösseren Massen
auch in Rom und der westlichen Hälfte des römischen Reiches. Es ist
von vornherein wahrscheinlich, dass dieselben auch als Erkennungsmittel
dienten und erstens als solche, zweitens als nach Rom übertragene
griechische avfißoXa mit dem Namen tesserae bezeichnet wurden.
Dass die Bleimarken nicht in Italien erfunden worden sind, sondern
als Nachahmung griechischer Sitte entstanden, werde ich im Folgenden
darzuthun suchen. Dafür spricht vor allem die später zu erweisende
Thatsache, dass die römischen Bleimarken ausschliesslich der römischen
Kaiserzeit angehören.
Nach dem Gesagten können wir getrost die römischen münzförmigen
Bleimarken als tesserae benennen, obwohl dieser Name nirgends aus-
drücklich literarisch oder inschriftlich für dieselben bezeugt ist
n.
Herstellung der Bleimarken und Skizze der (Jesohiohte
des Sammeins und Studiums derselben.
Es wurde schon angedeutet, dass Bleimarken sowohl im Osten wie
im Westen in grösseren Massen gefunden werden. Äusserlich unter-
scheiden sich die östlichen, hauptsächlich athenischen, von den westlichen,
1) Solche Us8er(u missües «lud wohl von Martial als nomismata bezeichnet, was
ihre Münzähnlichkeit ohne weiteres beweist, s. Mart., Vm 78, 9; Xu 62, 9—12 und
Friedländer zu beiden SteUen.
2) Dumont, de plumbeis apud graecos tesseris, Lut. Paris., 1870; Benodorf, Zeit-
sehr, f, Osten, Gj/mn.j 1875 (XXVI), 579 ff.; Svoronos, nsgltoiv BleitrinUav tdv &QxaUov
yjgog A—J, Joum, internation, de numismatique, 1899. 1900, bes. 1900, 319—349.
3) S. die russische Ausgabe dieses Buches T. m 263 ff.
6 M. BostowgeWy
vornehmlich römischen, dadurch, dass die ersteren geprägt, nicht gegossen
sind, und zwar erscheint das Gepräge nur auf einer Seite der Marke.
In späteren Zeiten kommen auch im Osten gegossene Bleie mit Typen
auf beiden Seiten vor, aber sie bleiben auch in römischer Zeit Aus-
nahmen. Nur in Ägypten überwiegen in römischer Zeit die zweiseitigen
gegossenen.
Dieselben herrschen im Westen. Die Art ihrer Herstellung kennen
wir genügend, da eine ganze Eeihe steinerner Formen, die zur Her-
stellung der Bleimarken dienten, noch vorhanden ist. Es sind ziemlich
kleine (15 — 20 cm.), rechteckige Steine mit unbearbeiteter Rückseite;
sie bilden je zu zweien eine Form. Die vordere Fläche jeder Platte wird
sorgfältig geglättet, und in ihr werden Negative für die herzustellenden
tesserac eingeschnitten. Es wird zuerst eine Vertiefung runder, quadra-
tischer oder dreieckiger Form mittels eines Instrumentes mit spitzem
Ende hergestellt, später die nötige Figur oder Buchstaben eingemeisselt.
Dadurch entsteht immer in jedem Negativ eine Vertiefung in der Mitte,
welche auf den Tesseren als Punkt erscheint und mit der Darstellung
oder Legende nichts zu thun hat. Es erscheinen auf jeder Form
Negative für mehrere Tesseren, immer in ungerader Zahl, indem ein
Negativ unten in der Mitte angebracht wird, die anderen sich in zwei
parallelen Reihen auf beiden Seiten gruppieren. In der Mitte der Form
läuft ein Kanal, welcher sich von oben nach unten stark verjüngt Von
dieser mittleren Rinne gehen Seitenrinnen zu jeder Tessere. Diese Seiten-
kanäle bringt man gewöhnlich nur an einem der zwei Teile der Form
an. Beim Giessen werden die beiden Teile der Form zusammengelegt, durch
zwei in zwei Ecken der Form eingelassene Stifte zusammengehalten und
heisses Blei oben in die mittlere Rinne eingegossen.^)
Die grosse Zahl der vorhandenen Formen zeugt von einer Massen-
produktion, dafür spricht auch die Masse der erhaltenen Bleie und noch
mehr der Umstand, dass es sehr viele Typen giebt, die nur in einem
oder zwei Exemplaren bekannt sind.
Es sind hauptsächlich die grossen Arbeiten des XVin. und XIX. Jahrh.
in Rom, die uns die meisten vorhandenen Bleie gebracht haben. Im
XVn. Jahrh. begegnen wir nur einzelnen Stücken. Das Interesse für
die Bleimarken entstand zu gleicher Zeit bei Numismatikem einerseits
und Philologen andererseits. Die ersteren erkannten, dass unter den
römischen Münzen aus Gold, Silber und Bronze auch münzähnliche Bleie
vorkamen und suchten nach einer Erklärung für diese Thatsache, die
zweiten bemühten sich die bei Plautus und Martial vorkommenden plumhci
1) Eine AufisähluDg der mir bekannten Formen gab ich in der Syüoge, n. 3572
—3599, vgl. Dressel, CIL. XV 2, S. 996. Seitdem publizierte deren acht Cesano in
den Not. d. Sc, 1904, 11 ff. Über die Technik s. Thödenat bei Daremberg et Saglio,
Dict, d. ant,, s. v. forma IIB g. 1236 f. Gewöhnlich werden die Formen aus dem fein-
körnigen palombino gemacht, es kommen aber auch andere Steinarten vor.
Römische Bleüesserae. 7
zu bestimmen und zu erklären. Die Deutung, welche die Philologen
den plumbei gaben — phimbeus sei gleichbedeutend mit vüis^) bei
Martial und mit Falschmünze bei Plautus — «) fand keine Zustimmung bei
den Antiquaren, welchen die Existenz münzähnlicher Bleie bekannt war.
Gegen Salmasius erhob sich der bekannte französische Numismatiker
Savot,«) welcher selbst Bleie besass, sie bei anderen gesehen hatte und
wohl auch die Publikation des Pignorius*) benutzen konnte. Auf die
Seite Savots traten französische Numismatiker, wie Seguin, Patin, Baudelot
de Dairval,*) welche Bleie im Besitz hatten und publizierten. Der
archäologische Protest verfehlte seine Wirkung auf die Philologen nicht
Man begann an der älteren Erklärung zu zweifeln.^) Auf die Seite
Seguins trat selbst der grosse Lipsius.
Der Streit entbrannte von neuem, diesmal auf Grund zweier Stücke :
einer gefälschten korinthischen Münze aus Blei, die Molan erworben hatte
(das Original bei Head, Eist. num. (griech. Ausgabe) I 528) und einer
echten Münze oder Abgusses einer Münze aus Blei, welche man in einem
ägyptischen Grabe fand.') Der Streit verlief in nichts. Es war zu
wenig Material da, und man warf zu verschiedene Dinge zusammen, um
irgend was Positives erschliessen zu können.
Eine grössere Masse (707 St.) gab zuert Ficoroni heraus, leider in
schlechten Stichen.^) Dun gehört auch die zum Teil richtige Erklärung der
Bleie als Eintrittsmarken für allerlei Schauspiele. Nach Ficoroni wuchs die
Zahl der Bleie fortwährend. In Rom entstand die grosse Sammlung des
barone Recupero (2700 St.), die leider verschwunden ist;®) es bildeten
1) S. DomitiuB Calderinos zu Mart., I 100 (99) und X 74; dasselbe Gronovius zu
I 100 (99), etwas anders Salmasius ad Scr. h, Aug,, Tac, 9.
2) Lambinos ad Mostellariam (J. 1577); Casaobonus denkt an xaXxoig %a\ xoUv-
ßovff, vgl. Taubmann ad MoBteU. (J. 1621).
3) Savot, Discours sur les midaiUes antiques, Paris, 1627, S. 44 (F.
4) Laur. Pignorii Patavini, De servis etc., Aug. Vind., 1613 (2 Aufl. Padua 1656,
3. Amsterdam, 1674), S. 129 (2. AuB. 122, 8—247).
5) P. Seguinus, Selecta numismata antiq%uif Lut. P., 1684, S. 2, 4, 14, 21 und
bes. 195 ff. ; Patin, Iniroductio ad histariam numismatum^ Amstelad., 1688, 87, cf. Haver-
camp, Thesaurus MoreUianuSf 815» und 473»; Baudelot de Dairval , De Vutilite des
voyages, Paris 1686, II 485 und 629 ff.
6) So spricht z. B. Scbrevel von der plumhea fnoneta als MUnxe fär Ankauf
biUiger Sachen. Die Numismatiker andererseits Hessen sich durch die Philologen nicht
beeinflussen, s. z. B. Wagenseil, De re monetali veterum Ji.^ Altdorfi Nor., 1691,27,28;
Lingen, De origine et inventoribus pecuniae et numismatumj Jenae, 1715, 90; Euch,
(i. Kinck, De veteris numismatis potentia et qualitate, Lips. et Francof., 1701; Jobert,
Science des midaiUeSy Paris, 1715 (2. Aufl.), 35 und a. m.
7) Eggcling, Epistula ad Hl. Luccensium abbatem de orbe stagneo Antinoi,
Bremae, 1691; J. Rutgersius (Rebke), De orbe stagneo aut numo potius adulterino
seu reprobo Antinoi etc., Francof., 1699; J. C. Schlaeger, Comentatio de numo Ha-
driani plumbeo et gernnia Isiacaj Helmaest., 1742.
8) Piombi antichi, opera di F. Ficoroni, Roma, 1740; 2 Aufl. (lateinisch), Roma,
1750; 3 Aufl, Leipzig, 1784.
9) S. darüber Giomale deüe scieme lettere ed arti per la Sicüiaj 1855.
8 M. Bostowaew^
sich die Sammlungen Altieri, Lovatti und andere. Man beginnt auch,
wissenschaftlich sich mit den Bleien zu beschäftigen. Anlass dazu gab
der Fund eines piombo in Velitrae. Die accademici Volsco - Velitemi
Sestini und Zoega gaben eine Erklärung desselben, an der Diskussion
nahmen Teil Muenter und Visconti.^) Einen Fortschritt bedeutet die
Publikation von Stieglitz.^) Er war der erste, welcher die Mannigfaltig-
keit der Bleimarken erkannt hat, und der auch die erste, allerdings rohe
und teilweise wenig überzeugende Klassifikation der römischen Bleimarken
gab. Als erster sah er auch, dass staatliche und private Marken zu
trennen sind. Gute Winke gab auch Ph. von StoscL«) Einen Fort-
schritt in der Publikation, aber Eückschritt in der Erklärung bildeten
die Arbeiten von GarruccL Er leugnete die sonnenklare Thatsache, dass
die Bleie aus Rom stammen und vindizierte ihnen die Provenienz aus
Latium, woher nur ein kleiner Teil der vorhandenen Bleie wirklich
stammt. Derselben Art ist das Urteil des schon erwähnten B^upero.
Dagegen gebührt Garrucci das Verdienst der Publikation einer reich-
haltigen Serie der Bleie aus den wichtigsten damals vorhandenen Samm-
lungen. Es ist nur zu bedauern, dass seine beiden Publikationen wenig
genau sind und nur wenig Abbildungen geben.*)
Mit Garrucci hört die Erforschung der römischen Bleie auf. Man
publiziert zwar neues Material, aber zur Erklärung desselben wird nur
weniges beigetragen. ») Dagegen herrscht frisches Leben in der Er-
forschung griechischer Marken. Postolacca,®) Dumont und besonders
Benndorf ^ haben die Wege gezeigt, auf denen man die Erklärung der
rätselhaften Serien erzielen konnte. Leider befassten sich die genannten
1) Muenter in Heerens Bibliolhek der alten Lüteroitwr, IX, Gröttingen, 1792;
Sestini, lüustrazione di una antica medaglia di piombo etc., Roma 1796; £. Q. Visconti,
Letter a su di un antico piombo VeUtemOj Roma 1796 {pp, varie, 11 83 ff.); Lettera eu
due monumenti ntf quaU e memoria di Antonia AugustOy Roma 1813 (op. o., 11 47 ff.).
Vgl. Labus in der Vorrede zu den opere varie von Visconti, S. V ff.
2) Stieglitz, Archäologische Unterhaltungen, Leipzig 1820 (Über antike Bleie,
135 ff. und 2 Taf.).
3) Ph. von Stosch in einem Briefe an Amaduzzi s. Justi, Antiquarische Briefe
des Bar. Ph. v. 8., Marburg 1871, 18.
4) R. Garrucci, I piombi AUieri raccolti dall'em. pr, il card. L. Aitieri, Roma
1847 (2. Aufl. im J. 1848 erschien ohne Tafeln); Dissertaeioni archeologiche di vario
argomento II, Roma 1865, S. 73—149 (Piombi scrittt), vgl. eine Reihe seiner Aufsätze in
der Bevue numismatique und die Bemerkungen Viscontis bei DiamiUa, Memorie nu-
mismatiche, 115 — 122.
5) Die neueren Publikationen werden im Anhange bei der Aufeählung der vor-
handenen Sammlungen verzeichnet Eine FuUe neuen Materials ergaben die Arbeiten
zur Regulierung des Tiberstromes, die von den achtziger Jahren bis vor kurzem
dauerten.
6) Postolacca, Annali deW Institute, 1866, 339—356; 1868, 268—316 (tav. d'agg. k)
und Monumenti deW Inst., VIU52; vgl. NoiUeiucta ix toi) i^vixoii voiueiuctixoH
MovesLov, A^fjvai,, 1888.
7) Ihre Arbeiten sind angeführt oben S. 5 Anm. 2.
Römische Bleitesserae. 9
Forscher mit den römischen Bleien nur vorübergehend und drangen in
das Studium derselben nicht ein. So liegt das Feld der römischen Blei-
marken vollständig brach. Die Masse des Materials, die schlechte Arbeit,
die Abgenutztheit der meisten Stücke, der schmutzige Stoff, die scheinbare
Öde der Darstellungen und Inschriften schreckten ab, man wurde bange vor
der Arbeit, die keinen Nutzen für die Wissenschaft versprach. Die Be-
schäftigung mit den Bleimarken ergab mir bald, dass diese Befürchtungen
unbegründet sind. Die Bleie, richtig behandelt, geben vortreffliches
Material für das Studium der ersten Eaiserzeit. Das Material ist aber
von ungleichem Werte. Nicht jede Serie gleichartiger Bleie giebt Wert-
volles, man muss sich aber mit jeder befassen, um die unwichtigen dann
aus dem Studium zu eliminieren. Methodisch vorgehen heisst bei dem
Studium der Tesseren, zuerst einzelne Serien gleichartiger Bleie nach der
Verwandtechaft der Darstellungen und Legenden feststellen, dann erst
nach der Bestimmung fragen. Antwort auf die letztere Frage kann
natürlich nicht überall gegeben werden, man darf aber hoffen, dass neues
Material und erneute Studien helles Licht in manche für mich noch
dunkle Gebiete bringen werden. Man darf dabei nie Athen und den
Osten aus dem Auge lassen; nur wer die griechischen Serien genau
kennt, wird sich in den römischen zurechtfinden.
Kap. L
Verteilungsmarken bei Korn- und Geldspenden.
1.
Seit Stieglitz^) hat man stets geglaubt, dass ein Teil der Blei-
marken zur Regulierung der Eornspenden gedient hätte. Man sah auf den
ersten Blick ein, dass die reichhaltigste Serie der Bleimarken mit Dar-
stellungen von modii, Kornähren und Ähnl. (s. unten S. 37) in direkten
Beziehungen zu den Komverteilungen stand. Das Einfachste war, diese
Marken ohne weiteres mit den aus den Schriftstellern bekannten tesserac
frumentariae zu identifizieren. Dagegen erklärte sich aber Garrucci,*)
indem er nachwies, dass unsere Bleie, die nur mit den allgemeinsten Dar-
stellungen und nur selten mit ganz kurzen Inschriften versehen sind,
keineswegs mit tcsserae frumentariae — Legitimationsdokumenten, welche
verkauft, vermacht u. s. w. werden konnten — identisch sein könnten. Der
Meinung Garruccis war auch Dumont,») ohne aber näher auf die Sache
einzugehen.
Benndorf *) war der erste, der an die tesserae nummariae Suetons
(Aug. 41) erinnerte und dieselben zwar sehr vorsichtig mit den Blei-
marken und den tesserae frumentariae identifizierte. Ihm schien die
Münzform der Bleie einerseits, die Erwähnung auf einer tessera der por-
ticus Minucia (Sylt. 336) zusammen mit einer liheralitas andererseits das
Massgebende zu sein. Die Idee Benndorfs, die kaum angedeutet war, wurde
von den meisten Forschem in derselben allgemeinen Form angenommen.
Hirschfeld ^) identifizierte unsere Bleie mit tesserae nummariae und fru-
mentariae, nach ihm thaten dasselbe Marquardt,'') Humbert,') Richter, **)
1) Archäologische Unterhaltungen^ 147.
2) Piomhi Altien, 11 ff.
3) De plumheis apud Graecos tesseris^ 48 f.
4) ZeiUchr. f. österr. Gymn,, 1875, 592 ff. und 612.
6) Verwaltungageschichte^ 132 u. 134.
6) Staatsv.y II 129 ff.
7) Bei Daremberg et Saglio, Dict. d. ant., s. v. frumentariae leges, vgl. Kariowa,
Hörn. Bechtsg., U 2, 840.
8) Topographie der Stadt Born (2. Aufl.), 217.
Römische Bleitesserae. 11
u. a. m. Mommsen^) erwähnt da, wo er von den tesserae nummariae
spricht, die Bleimarken gar nicht.
Demnach ist die Frage keineswegs entschieden. Tesserae frumen-
tariae des L— -HI. Jahrh. n. Chr., wie sie bei den Juristen erscheinen, sind,
wie oben angedeutet wurde und noch näher auszuführen ist, unsere Bleie
nicht Ihre Beziehung zu den Komverteilungen ist aber nicht zu
leugnen. Was sind sie denn?
Die Entscheidung dieser Frage scheint mir nur in einer Weise mög-
lich und wurde von mir schon zweimal an den unten anzugebenden
Stellen angefasst^) Ich glaube nämlich, man muss zunächst die vor-
handenen Monumente ganz bei Seite lassen und sich mit Hilfe von
Schriftstellern und Inschriften die Technik der Komverteilungen in der
römischen Eaiserzeit klar machen. Wenn das gelingt, so müssen auch
unsere Bleie, wenn sie überhaupt etwas mit der Sache zu thun haben,
ihren angemessenen Platz finden und zwar nicht nur ohne Zwang,
sondern mit Notwendigkeit
Näheres über die Art und Weise, in welcher die Komverteilungen
stattfanden, ist uns nur seit der Zeit des Augustus bekannt Wir wissen
zunächst, dass an der Spitze der Verteilung des Kornes an die 200 000 in-
eist frumento publica seit dem J. 22 v. Chr. besondere halb-senatorische
halb-kaiserliche curatares frumenti ex s. c, später praefeäi frumenti dandi
ex s. c. (auch ohne den letzteren Zusatz) standen.^) Diese halbsenatorische
cura eröfbiet die Reihe ähnlicher Ämter und ist ein Kompromiss zwischen
dem Kaiser und dem Senat Der eine wie der andere mussten in jeder
Weise versuchen, ein Mittel ausfindig zu machen , die römische plebs wr-
lana mit Kom zu versorgen. Dazu reichten die Mittel des Senats, wie
die Geschichte der ausgehenden Republik zur Genüge gezeigt hat, nicht
aus. Die ausserordentlichen Bevollmächtigten in der Art des Pompeius
waren nur Notbehelf. Man musste stabile Verhältnisse schaffen und vor
allem für genügende Dotiemng sorgen. Nur die Vereinigung der Mittel,
welche der Kaiser besass, hauptsächlich der Komproduktion Ägyptens
mit den Korarevenuen von den reichen Domänen des Staates in den
reichsten Komprovinzen — Sizilien, Asien, Spanien, auch Afrika — sowie
den Naturalabgaben der Grundbesitzer konnte die geforderte Ständigkeit
1) Res gestae divi ÄugusH, 2. Aufl., 26.
2) Etüde 8ur les plombs, p. 38 ff. und die rusaiBche Auflage dieses Buches S. 34 ff.
8) Mommsen, Hermes, IV 368 ff.; Staatsrecht, 11*675 und 1041, 5; Hirschfeld,
Phüologus, XXIX, 40 ff. und Verwaltungsg. , 133, 5; Cantarelli, La distribtuione di
grano in Roma e la serie dei praefecti frumenti dandi, Buü. com., 1895, 217—234;
Ruggiero, Die. epig., I 475 ff.; Kornemann bei Paulj-Wissowa, RE., IV 2, 1779 ff., ygl.
Liebenam, Buraiana Jahreab,, 1903 (Rom. StaatsaU,), 51, n. 143; xuletzt die gründliche
Untersuchung tob G. Cardinali in Buggiero, Die, ep., III s. v. frumentatio (auch se-
parat-Rommy 1904), & 15 ff. (des Separaiabdruckes, nach welchem ich auch sonst zitiere).
Die snletst genaoata ArbtÜ bekan iok leider erst, nachdem mein Manuskript schon
dmekf ertig war« . j
12 M. Bostowzew,
und Sicherheit ergeben und zur Kreierung eines festdotierten Amtes
führen. Dieses Amt musste aber ein Kompromiss sein und deshalb er-
hält es auch die seltsamen Formen, welche es in den ersten Zeiten an-
genommen hat, den Zusatz ex s. c, mit eingerechnet. Später, als es sich
herausgestellt hatte, dass stramme Zentralisation auch bei der Eomzufuhr
und Kombesorgung dringend notwendig war, übernahm der Kaiser (wohl
bald nach dem J. 7 n. Chr.) den schwierigsten Teil des Geschäftes —
das Zusammenbringen des Kornes an Ort und Stelle und die Komzufuhr
— ganz und übergab dies seinen ritterlichen Beamten, den praefecti annonae.
Der Senat verlor dabei scheinbar nichts ; in den Augen des Volkes blieb
er mit dem Kaiser zusammen der Spender. Der Kaiser aber gewann da-
durch ausserordentlich: es war zusammen mit der Schaffung der kaiserlichen
Finanzprokuratur in den senatorischen Provinzen, welche vielleicht mit
der Geschichte der antuma in Zusammenhang steht, der wichtigste Schritt
in der Politik der Konzentrierung der Staatsmittel und Staatsdomänen
in den Händen des Kaisers.
Die Komverteilung blieb den oben genannten praefecti frumenti
dandi. In welcher Weise sie aber organisiert wurde, wissen wir
leider nicht genauer. Man verteilte das Korn gratis^) monatlich*)
und zwar an einem Tage des Monats,*) nicht immer an einem
und demselben Orte. Neben den regelmässigen Komverteilungen gab
Augustus öfters Korn auf seine Privatkosten, wie im J. 23 (731): Mon.
Anc, 15: duodecim frumentationes frumento pr[i]vatim coempto emenst^s
sum, vgl. Dio 55, 26 (vom J. 6 n. Chr.), zuweilen ersetzte er auch diese
Komspenden durch entsprechende Geldgeschenke: statt 60 modii Korn
gab er 60 Denare (s. Hirschfeld bei Komemann in den Beiträgen zur
aUen Geschichte, IV, 90). Ähnliches sagt Augustus wohl im Man. Anc.
gr. IX, 21flF.: an kx]6lvov t[o]v kviavrov h[(f] o{j Ndiog xai IlonXiog
[A\kifxXoi vnaxoi hykvovto^ 3x6 vnkX^inov al 8rj[fi6]aiai ngSoodoi äXXotB
fiiv Sdxa fivg^dai äX[Xot€] 8i nXeloaiv autixäq Ttal agyvgixäs awra^etg
ix r^g kfiiijg indg^evjg (datxa. Der lateinische Text dazu ist leider schlecht
erhalten, lässt sich aber mit grösster Wahrscheinlichkeit in folgender
Weise ergänzen: lat in, 40 ff.: inde ab eo anno q]uo Cn, et P. LcntuU
c[on8]ul€8 fucrunt cum d[e]ficerent [vectiy[alia (oder publica) tum] cen-
tum müibus h[omi\num tu[m pVfArib%i8 [muT\to fru[mentarias et n]umma'
[ria]s ([esseras ex aere] et pat[rimonio] m[e]o [dedi,*) Diese und die oben
1) Hirechfeld, Annana, 12 ff.; VerwaUungsg. , 132, 1; Mommsen, Res gestae,
2. Aufl., 26.
2) Philo, leg, ad C, 28; Suet., Nero, 10 u. a. m.
3) Philo, 1. 1.; Lex. Jul. munic. (BOgenannte) , 15 ff.: et quam frumentum populo
dahitur ibei ubei frumentum popula dabüur^ cf. Suet., Äug, 40; Hirschfeld, Annona 19;
Verwaltungsg, 134, 3.
4) Über diese Stelle ist viel geschrieben worden. Bergk war dabei auf dem
richtigeren Wege als Mommsen, dessen Ergänzungen sicherlich verfehlt sind. In die
BUmüeht Bkäessm
ac.
w
zitierte Stelle des Mofiumentum liat wohl Sut^t<m im Ange^ wenn er ^«'Ureibt:
Aug, 41 ; frummdum quoqm in annonae difficultatifjus saef)e levissimo
ifUerämn nulh prcHo virifim admefisus est iessBtasqtm nummarias duplicapU.
Im 15. Kap. des ManumefUum handelt AugustiLs von seinen ausser-
ordentlichen Zulagen zu den ordentlirhen Frunientationen : öfters gab
er in Geld und Kom tanovrov iregov, wie Dio, 55, 26 sagt, aeop
äil kXupLßavov^ d, II 60 modii oder 60 denariu In den weiteren Kapiteln
spricht Augustus von etwas anderem: er erzählt, wie er dera Aerarium
zu Hilfe gekommen sei und zwar in c. 17 mit barem Gelde, wohl fiir
MilitHrzwecke , und in c 18 mit Geld und Kom für Zwecke der Korn-
versor«:ung der plebs: das staatliche Kom reichte nicht aus, Augustus
musiste die Vei*sorgung von 100000 Menschen und (ifters noch mehr über-
nehmen und that es mittels Geld- und Komspenden aus seinen Prirat-
mitt^ln.*) Er sagt aber nicht, dass er, wie bei seinen UbcralUaies an
das Volk^ Geld und Korn gab^ sondern dass er tessm-as nummarias d fru-
mcntarkts verteilte, d. h. er griff, i^ie der Vergleich mit Suet Äug.^ 40:
ter in annum t/uatemum mmm*m tesseras dare destinavit ^') zeigt, in die
regelmässigen Spenden, die durch less^rae reguliert wurden, mit seinen
eigenen Verteilungsmarken ein. Damit ist natürlich nicht gesagt, ob er
das Tesserensyst^m auch bei seinen HberaUlates angewandt hat oder nicht.
Beide Angaben des Äugustüs, die vom c. 15 und die vom c. 18
wirft Sueton in der oben angeführten Stelle (Äug. 41) in einen Topf.
Er sagt nämlich, dass Auguatus öfters in schwierigen Zeiten dem Volke
Kom spendete oder billig verkaufte.'^ Bei diesen Gelegenheiten hat er
Bahnoa ß«rgiu treton Wcilfflin, Sü^ingHb. d. Münvh. Ak. 18^6, 258 ff, und Schmidt,
Philologus 1B8S, 73 tt'., dt'Mou vurzügticht' Ergänzungen auch von Cagnjit, Inner, gr*
ad r<y* Tomanoi pertinenU^ 111 U «* 15S angonommen worden sind* Dir Ergiin«ungcn
Sehinldt» (statt multo htttte icb« wenn ennur Aex Raum zuliesse, lieber r^ra^uiVo gclrsün, mir
Ncheint aber mtdto epigrapbiiiujb das Beute» obwohl Augustus ähnliche Wendungen gewöhn*
lieb in umgekehrter Ordnung gebraneht^ », /at l 19; III 21^22), nehme ich nach einer
PrUfuog de« Gipuabguimen in Herltu jctst an. In der russbchcn Auflage (s. 318 C)
habe ich: fru{nientum ei ae^ prr n;umimlri4t]ß t[eiS€raM «jc agri*] et pat{rifmmio] m[e]a
lded%\ ?orge»chlagen ^ vgl. länger, Philoloffmcht Bemerkungfn (Petersb. 1886), S. 4€
(masltch), de»»eü ErgUnBUngen hi*ton»cb ganz «nhnltbar sind. Über die ganze Frag«
vgl. G. Cardinali» a. a, 0. l^fF.
1) Die HaupU asten dt^r Konüptnden l«g«n ditnuiaoh aicher auf dem Senate den
publica oder den vtctitfolia,
2) TfMsera auf Grund des Vorkommens dei Ausdrucket» teasera toMresi» auf
einer Bleiroh«* {CIL, XV 7240) aU Portion mi ver»tehen (Hinten, Annal. d. Ist.^ 1864,6;
Hirsehffld, Annona W) ^ neheint mir mit Dresael unmöglich. Ich teile volUtHndig
die Au^fiiMung Dresseb; coüaiü Inieribm n. 170 et 184^ J85 in quibu« €$t leaf«ra
ddUaris m figUiniB) iUis tt te3(sera) iUius, ttuera cailmmM mihi idem videtur eMe
ae fiHuta eaitresis,
8) Dieae Angabe war et wohl, die MommaeD im Auge hatte, als er von den
te&€rae nummariae &1» ttu^ae^ fUr die Geld besahlt wurde, apraeh, waa iwt&rlich
uomüglteh lat, «. Res geM^u d. A.* 26, t>i<i Aogabe Suetot» apricht «iNtr irohl von
14 üf. Bostowsseiv,
die Zahl der Marken, welche wohl zu den regelmässigen Spenden dienten,
verdoppelt. Dies bestätigt zuerst das oben von der Verwendung der
tesserac bei den regelmässigen Verteilungen gesagte, lässt aber noch den
Schluss zu, dass Augustus auch bei seinen UberdlüateSj wenn er die Eom-
ration verdoppelte, tesserac gebrauchte, so dass die Zahl der im Umlaufe
sich befindenden Tesseren doppelt wurde. Nun aber nennt Sueton diese
tesserac nummariae, Augustus spricht von frumentariae und nummariae.
Früher glaubte ich, ebenso wie Benndorf und Hirschfeld,*) dass die Bezeich-
nung nummaria sich ausschliesslich auf die Form bezogen hätte, wohl mit
Unrecht. Nach einer Unterredung mit Prof. 0. Hirschfeld und erneuter Prü-
fung des Thatbestandes scheint es mir wahrscheinlicher mit Hirschfeld anzu-
nehmen, dass tcssera nummaria eine tessera ist, welche zum Empfang einer
Geldsumme legitimiert, wie tessera firumentaria zum Empfange eines Kom-
quantums. Die 60 denarii bekamen die Eömer auf Grund der nummariacj
die 60 Supplementmodii auf Grund der frumentariae: Geld als Ersatz
für Korn aus den Privatmitteln des Kaisers bei den Senatsverteilungen
beim Ausweis einer nummaria, Korn beim Ausweis einer firumentaria.
Warum spricht aber Sueton nur von nummariae? Erstens, glaube ich,
deswegen, weil in der Form zwischen den nummariae und firumentariae
wohl kein Unterschied war, zweitens vielleicht deswegen, weil Sueton
wohl der Meinung war, dass die tesserae nummariae ihren Namen auf
Grund der Münzähnlichkeit führten, drittens und hauptsächlich, wie später
zu zeigen ist, weil die firumentariae seiner Zeit — die Legitimationsdoku-
mente — etwas total Verschiedenes von den nur für eine Austeilung
gültigen tesserae des Augustus waren.
Alles angegebene beweist mit Sicherheit, dass zu Augustus Zeiten
ein Markensystem bei den Verteilungen funktionierte, wobei Marken be-
sonderer, wohl münzähnlicher. Form jedesmal unter die Berechtigten ver-
teilt wurden, und ihnen das Recht gaben, ein Quantum Korn oder eine
Summe Geldes in Empfang zu nehmen.
Eine Änderung im Systeme der Komverwaltung und Komverteilung trat,
wie es scheint, unter Claudius ein. Es ist nämlich höchst charakter-
istisch, dass seit Claudius keine praefecti f. d. mehr erscheinen, es bleibt
nur der praefectus annonae,^) Unter Trajan kehren die halbsenatorischen
praefecti f d. wieder. Dieser Thatbestand kann kaum zufällig sein, er
passt vortrefQich zu der Politik des Claudius und seiner Freigelassenen
in den Finanzangelegenheiten, zu der starken Zentralisierung, die in
seiner Finanzpolitik überall zutage tritt. Dazu kommt noch die von
Vorgängen wie die des J. 6 n. Chr., Dio 55, 26: xal TtQoaixi xal &vdQeg vTtccTfvxotsg
inl TS Toü aitov xal inl tov &Qt(tv %€cziisxr\6av &6tt taxtbv ixdattp TiiTiQdaxtad'ai. Weiter
folgt die Angabe von dem Geschenke des Augustiis.
1) S. die oben S. 10 angeführten Stellen.
2) S. Hirschfeld, Verwaltungsg, 133; CantareUi, Bull com., 1895, 219; Korne-
maun bei Pauly-Wissowa, E, E. IV, 2, 1780.
Rmnisrh
serae.
15
Hirsclifeld festgestellte Tliatsaehe, dass unter Nero die ganze Lai^t der
FruTnentationeii auf dem Kaiser lag, wozu der Anfang wolü schou unter
Claudius gemacht wurde. ^)
Die Beseitig'ung einer besonderen Magistratur, welche die Koniver-
teilungen besorgte, führte zur Übergabe auch diesem Teils der Korn Ver-
waltung in die Hände de^ jmwfhctus annonae^) und verursachte wohl
auch eine Änderung in der Technik der Komverteilungen.^
Diese Änderung wird uns durch einige Dischriften veranschaulicht
In der Inschrift CIL, VI, 10223 nennt sich ein gewisser Januarius, Frei-
gelassener des Claudius, mirator de Minuda die XIV osiio XLII; in den
Inschriften CIL VI, 10224, 10225 = 33991 bescheinigt- man, dass die
Kinder, welche in die Listen der Getreideeinpfünger eingetragen wurden,
ihr Kom an einem bestimmten Tage des Monats {die X und d(Mj) VII)
und in einem bestimmten Bureau {osHo XXXIX und astia XV) em-
pfangen haben.
Diese Inschriften bezeugen mit voller Sicherheit erstens, dass die
Vert-eilungen nicht mehr an einem Tage vorgenommen wurden, zweitens
dass die Verteil imgen in der portictis Minuda konzentriert waren, und
zwar die Empfänger unter die 45 Bureaus der porticas verteilt wurden,
drittens, dass an der Spitze eines jeden Bureaus je ein kaLserlicher Frei-
gelassener mit dem Titel eines ctiraior de Minuda stand.
Nun aber meinte man bis jetzt, dass die Verteilungen auch frflher
111 der Minucia stattfanden, wie ich glaube, mit Unrecht. Zunächst spricht
dagegen die oben angeführte Stelle der sog. Ics Julia munidpaUs^ dann
finden wir in den Nachrichten, welche wir von der Minucia besitzen,
keine 8pur irgend welclier Einrichtung zu Zwecken der Frumentationen
oder irgend weh*.her Vorgänge, die mit den Frumentationen in Zusammen-
hang stiinden. Die Nachricht des Ohronographen vom J. 3,54, welche
die Minucia mit den Frumentationen und König Servius in Zusammen-
hang bringt, ist natürlich Machw<!rk spätester Zeit*) Dagegen wissen
1) Aof «einu B«form besi^^ii tleh vieUeicht die Müu&en dt?r J. 40 u. 41 mit der
DAmteUuug d»»6 mißäiujtt H' Kckhel, Doctr, num. VI 23Sf.; Kubitsrhek« Jakreahefte deg
OMi. arch. Inst. 190*2, 72 ff.
2) Die Refonii wird wahncbeiiiltch ent unter Pompeiu« PauHnua lu »taiide ge*
kiimTnen «ciu, weil 8ri»eca da, wo er von den Befugnissen def Poixipi^itis aU r
annonac spricht, v^ou Dinner Tliätlgkeit b«i den Verteilungen uiciita Nigt, m, ii, i
Annmia 95; Vtrumltunifit^eiich. Iä4; Schan«, Gesck, der töm, Lit, 112, 298.
3) Da£ Fcblcn d^ pratftcii bi« auf Traiaii bt für ('ardinuU^ &. a. (>. 24 ZtifalL Bei
der groiseu Menge der aoft aus der ivrciten llülfte de« L Jahrb. rrhiilt*'nen ln«ehrifleu
bt e» aber kaum mügtich^ an Zufall %\x denken. Dagegen spricht auch die rein
kaitM^rlicho Admuiii»tralion der mrf^ruH Minuda. Dieselbe nach der Wiederherstellung
d« > '? unter 'I r;^ war ctnfaehf ue etnotn »enaloriiichen Beamten
uirr «u, bei d>- k des ClaudiUH uanauglicb. Dem Senat in den
praeßcti ein 8pickeag wiederxugebeti, ist giinz die Art de4 e^tiat«freuudlichen Tr&ian.
4) Chron, tisini %h4, p. 187 (MuinmiM?ii): Strviu^ regnadt annos XLV* hie t>otum
frd4 wl quobiHot *innm rtgnas»^ f<*t *Miß ad fri^mentum pubUcum constUuerei.
16 M. BostowBew^
wir, dass in der Doppelportikas ^) sich Heiligtümer befanden,^) Spiele
gegeben,^ Magistratsakte vollzogen wurden.«) Erst unter Claudius hören
wir von einer Minuda frumentaria und neben ihr einer Minuda
vetus. Dabei wird die frumentaria als richtiges Horreum mit Magazinen
und Bureaus eingerichtet.*) Der Vorgang, glaube ich, ist klar. Die
alte Doppelporticus Minucia wird von Claudius in der einen Hälfte zu einem
horreum umgebaut, wozu ihre Lage vorzüglich passte, und für die Zwecke
der reorganisierten Komverteilungen verwendet.
Nun aber scheinen mit dieser Eef orm des Claudius auch einige Nach-
richten über die tesserae frumentariae verbunden werden zu müssen.
Erstens wissen die Juristen der Eaiserzeit von den tesserae firumeii^
tariae des Augustus gar nichts. Sie kennen aber eine tessera firumefh
tariüj die im beständigen Besitze des betreffenden Eomempfängers ist,
von ihm verkauft, vermacht, verschenkt u. s. w. werden konnte.*) Solch
eine tessera ist ein Dokument und muss auch die Form eines solchen
gehabt haben, mit den tesserae für Einzelverteilungen kann sie ausser
dem Namen nichte gemein haben. Wann begegnen wir aber diesen
tesserae zum ersten Male? Ich glaube bei Persius {Sat V 73 ff.): Über-
täte opus esty non hae ut quisque VeUna Puhlius emeruü, scabiosum tesserüla
far possidet. Die tessera gab also Anrecht auf possessio, ist deshalb ein
Dokument: die tessera der späteren Juristen. Nun aber passt die Zeit
zu dem oben gesagten vorzüglich. Die feste Regulierung der Verteilungen
nach Tagen und ostia^ die Revision der Listen für diese Zwecke machte
es notwendig, den neu verteilten Eomempfängem das neue Sjrstem auch
mit Hilfe eines kommemorativen Dokumentes zur ewigen Erinnerung
zu bringen.^) Dies ermöglichte es dem Besitzer, seine tessera an einen anderen
zu geben auf Lebenszeit und auch vorübergehend: der Regierung war
es doch gleichgültig, ob Titius oder Seins das Korn bekam. Die mannig-
faltigen Rechtsgeschäfte, die dabei entstanden, führten zur theoretischen
1) VelL II 8, 3. über die Minucia s. Hirschfeld, Ännana 63; Gilbert, Geschichte
u, Topographie der Stadt Bom lH 144, 1 und 286, 1; Richter, Topographie der Stadt
Äwi, 2. Aufl., 217; Huelsen, Nomendator topogr, 57.
2) Richter, a. a. 0.
8) Hemeröl, Praen. ad XI Kai, Jan. ; PhilocaX. ad pr. non, Jun.
4) Gilbert, a. a, 0. 144, 1.
5) Vgl die Reste der Jiorrea Galbiana mit den Magazinen und der pergula
Fabretti, de aquis et aquaeductibus ^ Roma, 1680, 166; Th^denat bei Daremberg et
Saglio, Dict, III 271 (s. ▼. horreum).
6) Ulp. Dig, 5, 1, 52, 1; Paulus, Dig, 31, 1, 87, pr.; 49, 1, cf. Dig. 32, 1, 35, pr.
Über die Veräusserlichkeit der tessera frumentaria s. zuletzt Cardinali, a. a. 0. 33ffl
Trotz seiner Einwände bleibt mir die Vererbung und Veräusserlichkeit der Tessere
das wahrscheinlichste. Möglich, aber nicht gerade wahrscheinlich, ist es, dass auch
der Staat die tesserae caducae verkaufte, und daas der Besitzer der Tessere dieselbe
nur auf Lebenszeit Teräussem durfte.
7) Als kommemoratives Dokument bekam die neu eingeführte Urkunde den
Namen der tesserae hospitaUs, paganicae und ähnl.
Römische BkttesMrac.
17
Behandlung der Verhältnisse und zur Regulierung derselben durch Magi-
stratur und Juristen.
Ob aber dabei die Augustischen tesscrae verschwanden? Ich glaube
kaum. Denn für die Zwecke der Kontrolle, für welche sie natürlich
eingeführt waren, blieben sie auch jetzt notwendig; dazu konnten die
Legitimationsdokumente nicht dienen. Die Fortexistenz der Augustischen
tesserae spiegelt sich auch in der Literatur wieder. Juvenal sagt nämlich
{Sat VU 174) : summula ne permt qua vilis tcssera venit frumentt. Die
tes^era der Juristen kann nicht so geringschätzig behandelt werden:
60 Denare und oft vielmehr — je nach dem Stande der Preise — re-
prÄsentieren ein grosses Kapital und die Summe, die für die tessera^ welche
darauf Recht giebt, bezahlt wird, konnte keineswegs mmmula genannt
werden. Wenn aber Juvenal von einer Kontrollmarke spricht, die Anrecht
auf 5 modii der Monatsration giebt, erklärt sich alles.*)
Nach dem Gesagten kann man sich das Verfahren bei den Korn-
Verteilungen nach Claudius folgendermassen vorstellen. Die Namen der
Empfänger wurden in Listen eingetragen {iahulac)^ jede Liste in capiia
eingeteilt.^ Die Bronzetafeln wm^den gleichmässig unter die einzelnen
Bureaus verteilt. Die Bureaus funktionierten nicht gleiclizeitig, dazu
hätte man ein zu grosses Personal gebraucht, das an den anderen Tagen
nichts zu thun gehabt hätte, sondern blieben nur an einem bestimmten
Tage offen. Jedes Bureau hatte einen Vorsteher, wohl mit einigen Sub-
alternen, die das komplizierte Rechnungsamt inne hatten, an der Spitze
des Ganzen stand der pracfeäm anmnaö. Jedem Empfänger wurde also
ein Tag und ein osiium angewiesen und zwar eins filr allemale ^ dies
wurde ihm durch ein Dokument notifiziert, auf dem sicher der Tasr und
1) Den Unterschied twiscbcn beiden Arten der iuterae leugnet Es«<*r, dt ptuqtrrum
eura apud Romanos ^ CampU 1902, IS7, 4 u. 196,2 auf tirnnd der .\ngjibe SaHons
Nero 11, wo teuerar frumenUariae unter den aiMgeslreuten missHia iingcfUhrt werden,
^iwer meint wie Htrschfeld, Annona 18,2», diuis i»s keine Legitimationstewerjn! »ein
konnten; ich möchte aber auf Maltü. XII 289 (ed, Bonn.) hinweisen , wo ein gewiaaer
Artabaniia : ^^tlorififjucrro qI^u^ iv rg Uq^ Jd(pp^ rcü drifua Kaluititov e%*rt6iita
äifttav &iataiiftZ6vftav naX^eag rofg avrob^ df^rov^ noXtnnovi. Artnbanue hat
wohl seine Stäbchen nicht erfunden, sunderu »ie au« Rom übernommen; daher stamml
auch der Brauch, die«e itmserae als misstUa zu gebrauchen, vgl Num, Chr. XX lOd.
8. auch Suldas i. v. TJaXattvoi (die Brot-, Ol-, Wein* und Fiei»ehverteilungen dea
Constantius) ä>v iiixQ^ riro^ t} n6kti catflXavift t^p vn avro^ Qt^^vtiop [naXafnav
■uppl. Salmacius] tpi^ovact ta /ro^^/fT^ccrcr; Codinut, di Origg, 15: ItptXoti^^^uTO <)l aal
r©üff . . . wi/ nal yttv rj noXi^ ccnoXavti rcor i-x* crVToO fuftrrtov itaJMp^v <j?^potT<y« ta
fimifUitÄtta. Diese Stellen alnd schon von Satmasius, adSeripL Eist, Aug.^ Paria 1620,
p, 373 ff. ausammeuge^leUl worden und sollten den neueren Bearbeiteni dea Oegeo-
stande» bekannt sein. Richtig und gründlich operiert damit Cardlnatl, a. a.0. 6f). Di«
auageitreuten ttsserae waren die, welche als cadueat oder vererbte wieder tn die Hilndc
des ptatfectu9 annonae gelangten oder von der kaiserlichen Verwaltung ni'U vrrfertigt
wurden.
2) S. CIL Yl 220.
K<»stowssWvlKiimltob« Blflt«is«T»«, 2
18 M. Bdstowjsew,
das ostium angegeben waren. Auf Grund dieser Dokumente wurden an
die Empfänger Kontrollmarken verteilt, mit welchen die itwisi ins be-
treffende Bureau kamen. Nach Vorweisung des Dokumentes, wohl
unter gleichzeitiger Abnahme der Kontrollmarke, wurden die 5 modii Korn
dem incisus abgeliefert. Dann wurden in den Bureaus Berichte gemacht
und auf Grund der tesserae und der Listen die Bücher in Ordnung ge-
bracht.^)
So blieb es wahrscheinlich bis in die Zeiten des Septimius Severus;
denn damals verschwindet die Minucia aus dem System der Komver-
teilungen. Ich schliesse dies daraus, dass, nachdem wir eine Zeit lang
von besonderen praefecti -) und curatorcs ^) der Porticus aus dem Senatoren-
stande hören, später eine fortlaufende Serie curatares aquarum et Miniciae
neben praefecti f, d. und annonae erscheint.*) Ob in der Minucia zu dieser
Zeit die Hauptstation der Wasserverwaltung residierte , wobei kleinere
stationcs in der Stadt verteilt waren, oder diese Frage anders zu lösen
ist, lasse ich offen. Eines aber scheint mir klar: eine Vereinigung der cura
aquarum mit der cura Minuciae firumentariae ist wohl kaum denkbar.
Dieses Verschwinden der Minucia steht vielleicht mit der Geschichte
der Ölspenden in Zusammenhang. Schon unter Marcus und Commodus
hören wir von regelmässigen Verteilungen des Öls, s. CIL. VI 34001 :
cui dcderat pinguem poptdis pracbcre liquorem (Äntoninus item Commodus
simul induperantes, cf. CIL, XIV 20), seit Severus werden sie ständig/)
Diese Verteilung konnte naturlich nicht in der Minucia stattfinden, man
gebrauchte dazu die horrea] wahrscheinlich verlegte man seitdem auch
1) Eines bleibt leider in dem geschilderten Verfahren dunkel. Waren die tesserae
frumentariae j die Legitimationsdokumente der claudischen und nachclaudischen Zeit,
anonym oder lauteten sie auf einen bestimmten Namen? Für das Erstere spricht das
Ausstreuen der tesserae als missilia, die so häufigen Fälle des Verkaufes u. s. w. der
tesserüf was bei einem anonymen Dokumente sehr erleichtert wird, für das Letztere
die Listen der Empfänger, welche doch genau waren und nicht die Zahl, sondern be-
stimmte Namen angaben. Auch die Inschriften der incisi frumento scheinen für das
Letztere zu sprechen. Es ist aber leicht möglich, dass die Eomempfanger nur in den
Listen namhaft gemacht werden, dass also bei jedem Wechsel der Inhaber eine professio
seitens des neuen Possessors abzugeben war; auf Grund derselben und der sie aus-
weisenden Dokumente wurde der neue Name zu den alten hinzugefügt oder an
Stelle eines anderen eingetragen. Bei dieser Auffassung beseitigt sich der oben an-
gegebene Widerspruch von selbst (die älteren Meinungen darüber s. bei Kariowa,
R, R. II 840). Die tessera nummaria diente dabei nur als Kontrollmarke. Die
Selbstprofession bei der Korn Verteilung ist seit Julius Caesar (s. die sog. lex Julia
municipalis) leider in ganz dunklem Zusammenhange bezeugt (s. Hirschfeld, Ännona
92; über die ganze Frage zuletzt Cardinali, a. a. 0. 42).
2) CIL. XI 4182 und Rev. arch. 1899, I 426.
3) CIL. VI 1408.
4) S. Komemann, bei Pauly-Wissowa, R. E. IV 2, 1784 ff.; Cantarelli, BuU, com,
1901, 180 ff., vgl. Vaglieri, Btill. com. 1900, 71 ff.; Boni, Not. d. sc. 1901, 128 ff.;
Hülsen, Beitr. e. alt. Gesch. 11244, n. 29; 271, n. 53. 54.
5) Hirschfeld, Annona 19.
Itömi9€fw Blmiesstrae.
VJ
die Koni verteiluji|2:en in die fwrrea.^) Dieses Übrr':ta<liuin fuhrt» wie
bekannt, zu dem System der Brot- und (dvii -^ii in besonderen
dazu eingerichteten Lokalen, welche in der gawien Stadt nach Regionen
verteilt wurden/'^) Auf den ffriidt4Jf (»der trihunnUa standen die Bronze-
tafeln, auf denen die Namen der Komempfän^er verzeichnet wui'den.
Jeden Tag am Morgen kamen zu diesen Tribunalen die twcm und be-
kamen nach Vorweisung ihrer Tessere, welche aus Holz gemacht wai*,
ihr Quantum Brot.*) Diese xälafioi sind natürlich die uns schon be-
kannten tesserac frumcniarme^ was auch die in der Einleitung angeführten
Stellen der Glossarien beweisen. Bei diesem Verfahren fallen die Kon-
trollmarken von selbst weg und e*i ist wohl kein Zufall^ dass wir in der
Literatui* der Zeit keine Spur derselben finden.
Es bleibt noch übrig anzugeben, wer eigentlich an den Kornspenden
teilnahm. Ausser der phls urhami sehen wir seit Nero die Prät<irianer,
(Tac, Ann, XV 72; Suet., Nero 10), dann die vigilcs nach drei Jahren des
Dienstes {CIL, VI 220), wohl auch die cokoties urhanaa *) an den Spenden
beteiligt. Seit Trajan kommen die pucri und puellac der Aliiuentationen
dazu. Einige Apparitorenkollegien genossen vielleicht besondere Rechte,*)
Die Kornspenden wurden in der Ivaiserzeit mit den ausserurdeutlichen
Zulagen, den sog. congiaria, welche eigentlicli im Jlilitärleben 7M Hause
sind und ursprunglich eine Weinzulage bedeuten, eng verbunden. Als
Ztilage zu dem monatlichen framcntum bekommen die Blirger bei irgend
einer besonderen Gelegenheit Geld oder ähnliches. Der Zusammenhang ist
besonders drastisch in den oben angefiUirt^n Geldcongiarien des Augustus
zu 6n dcnarii, welche eigentlich nur in Geld ausgezahlte 60 modti sind/)
Conj/iaria^ welche dem Militär gellen, bekommen in der Kaiserzeii den
1) Die InicHrift CIL. VI 10211 ibI zu ^rHf:inoiJti»Tt, tmj \<r\ lliri u B*_»ziubui)geii zu
den Fruni«iitation«*ii zu »precbeu. Li^idor ist auch ihre Zeit u:ir u > ht tn bL*ittiiiim«a.
Die Freske nui den Domitillakiitakomben, welcb«^ rcb iwit Wilp+^rl fhther als «leti Akt
der Kornverteilung darttelleiid erklärte, wird jct«t von Wüpert aU DarwtcHuug eiue«
Viktuaiien- (ich hätte «llerdiiigi gesagt Korn-;bÜDdler« iuterpretieK, wohl mit Recht,
wie die Daretellung de§ SubaUcraen, welcher eiuc Wage hält (die Wage hatte bei
Korttverteilußgeo aicbts %u thun), seigt, Aucb passt die wohl richtig bettimmte Zeit
(lY. Jahrb.) äu KürnvcrteilungeD nicht. S, Wilpert, ROmiai tß 1887» 20 C und
Taf 11; Di€ Malereien der Katakomben /{o«M(Freiburg 1903 1, hnc Abbildung),
2) £;^. die pistrina uud nxensae otcariae in den RegiODaricrii , liichter, Topogr.^
(2. Aufl.) 371 C u. 3dd; Uirschfeld^ VerwaUtingng, 138 und daneben die trihunaha oder
fffoduB Gothofreduft ad Cod. Th. XIV 2, 240. 241; Krakauer, Das VerpfUgungmum
der Stadt Born in der 9pätercn Kaieereeit, Lcips. 1894, 44 fl'., für Koti^tatitinopel Du
Fretne, (hnttantinnmli» chriniiana II 158; Cardinali, a, a, 0. 65 Ö', Übur die Zeit der
Eiijfn^ t'Uungoii f. suletst Qroag in der VierUl^akruchrifi für Social-
und I ^ IU94ff.
8) ö, bi*«, Tbemi»t. or. XXTIL p* 290ü— aSU
4) CardJTiaM, a. a. 0. 87.
5) S. CA, VI 10220; Waluiug, Corpw\ profm. IV 4 R; ßMcr, De pauperum
cum 160,3; CardinaU, a. a. O. 32,
e) S. Uinebfeld, Beiträge §, alt, Ge$ch. tV 90.
20 M. Bo8tow0ew,
technischen Namen donatim. In Rom wurden dieselben hauptsächlich den
Prätorianern zu teil, welche seit Nero, wie gesagt, zur plcbs frumentaria
gehörten.*)
Trotz dieser engen Verwandtschaft zwischen C!ongiarien und Frumen-
tationen sind es im Grunde genommen total verschiedene Dinge. Die
Frumentation ist eigentlich ein Ausfluss des Rechtes der Bürger auf das
Vermögen und die Einkünfte des Staates. Es ist eine regelrechte Folge-
rung aus dem heUenischen Pnnzipe der Volkssuprematie. Auch in
Griechenland fährte, wie wir soeben erfahren,') dieses Prinzip zu den-
selben Folgerungen in betreff der Frumentationen, mit dem einzigen
Unterschiede, dass es in einer Polis eine gesunde wirtschaftliche Mass-
regel war, in einer Weltstadt wie Rom dagegen in eine Fütterung des
Proletariats ausartete. Das congiarium dagegen ist ein persönliches Ge-
schenk eines Mächtigen, sei es eines Privatmannes oder eines Magistrats.
Die Vermengung des Congiarium mit den regelrechten Frumentationen
ist eine der Massregeln des Augustus, welche seine im Grunde monar-
chische, scheinbar republikanische Politik am besten charakterisiert.^)
Monarchisch ist auch die Beschränkung des Rechtes, CJongiarien zu ver-
teilen, auf die Person des Prinzeps und (nur mit seiner Erlaubnis) auf
die Mitglieder seiner Familie, worin das dynastische Prinzip schon klar
ausgesprochen liegt. Der persönliche Charakter der Congiarien äussert
sich stark auch in der Art der Verteilung derselben. In den ersten
Zeiten des Prinzipats ist diese Verteilung ein höchst feierlicher, aber rein
persönlicher Akt eines römischen Magistrates. Die Verteilung geschieht
in cantione: auf dem Tribunal sitzt der Spender auf einem curulischen
Sessel, rings um ihn sein Gefolge, neben ihm ein Beamter, der die Rech-
nung führt, vor dem Tribunal ein Prätorianer aus den principales —
tabUfer genannt — welcher, wie bei anderen feierlichen magistratischen
Akten, zur Bezeichnung der Natur desselben eine an einem Schafte be-
festigte tabula trägt: auf dieser tabtda stand wahrscheinlich die Bezeich-
nung des Aktes aufgeschrieben oder symbolisiert.*) Den Akt leitet der
1) Mehr darüber im Art. congiarium bei Pauly-Wissowa, R. E, IV 1, 875 ff., zu-
letzt Esser, De pauperum cura apud Romanos 174 ff.
2) S. Wiegand , Rehm , Wilamovitz in den Sitsungah, der Berl. Äkad, (phtl.-hist.
Cla8se\ 1904, 917 ff. — eine Inschrift aus Samos des II. vorchr. Jahrhunderts.
8) Ed. Meyer (Hist. Zeitschr. 55, 1908, 8. 385 ff.) geht zu weit in der Betonung
des republikanischen Charakters von Augustus' Regime, s. dagegen die guten Aus-
führungen von Gardthausen, N. Jbb. für das Klass. Altert. XIII, 1904, S. 241 ff., wieder
abgedruckt in Augustus und seine Zeit I 8, S. 1884 ff.
4) Diese Einzelheiten geben uns hauptsächlich die Darstellungen auf den Münzen,
besonders auf denen Neros mit den Aufschriften congiarium I und II. Die ältesten Dar-
stellungen dieser Art finden sich auf den Säcularmünzen des Augustus, s. Cohen I 180,
466; Basiner, Ludi saecutares, Taf. VI 8, S. LXVI, n. 2 (russisch) und Dressel, Eph.
ep, VIII 311 n. 1. Nähere Beschreibung der Münzen und des Reliefs am Konstantin-
bogen in meiner Etüde sur les plombs 72 ff. und meinem Aufsatze TabUfer in der Fest-
schrift zu Ehren Pomialovskys (Petersb. 1898), 131 ff.
Bamisehe Bleüesserae. 21
Spender selbst. Er giebt die Geldsumme dem Bürger, der in bürger-
licher Tracht auf die Stufen des Tribunals stieg und die Summe aus
der Hand des Vorsitzenden empfing. Die Verteilung dauerte zuweilen
einige Tage, bewahrte aber die ganze Zeit ihren rein persönlichen Cha-
rakter.^)
Dies war das Verfahren bei den magistratischen Congiarien, zu
welchen wichtige politische Ereignisse Anlass gaben. Daneben aber
kamen auch in Betracht rein private Ereignisse des persönlichen Lebens
der Kaiser: wie in jeder römischen Familie gab ein frohes Vorkommnis
Anlass zum Beschenken der Freunde und Klienten. Statt derselben er-
scheint nun bei den Festen der kaiserlichen Familie, wenn nicht das
ganze Volk im politischen Sinne, so doch der grössere Teil der städtischen
Bevölkerung, was faktisch dasselbe ist.
Diesen Unterschied notieren unsere literarischen Quellen und der
aus ihnen kompilierende Chronograph des J. 354 nicht; es ist aber cha-
rakteristisch, dass die Kaiser selbst auf ihren offiziellen Dokumenten
diesen Unterschied streng berücksichtigen. Das Monumentum Aneyra-
num ist dafür nicht massgebend, da es eigentlich kein offizielles Doku-
ment ist, und doch vermerkt diese Urkunde nur die wichtigsten der ausser-
ordentlichen Verteilungen aus Anlass des Todes Agrippas oder der deductio
in forum des Gaius und Lucius. Strenger sind in dieser Hinsicht die
Münzen. So erw&hnen unsere literarischen Quellen weit mehr Congiarien
des Nero, als er selbst auf seinen Münzen notiert und so auch
öfters.*) Mit der Zeit wird aber der Unterschied nicht mehr so streng be-
obachtet, die Congiarien haben die Tendenz fest reguliert zu werden und
fliessen je weiter desto mehr mit den Frumentationen zusammen. Des-
wegen werden die Erwähnungen auf den Münzen viel häufiger, der per-
sönliche Anteil des Kaisers beschränkt sich vielleicht auf die Einleitung,
und die Administration der Congiarien wird mit der der Frumentationen
verbunden, indem erstens tesserae verteilt werden, die auf eine frumctir
tatio und ein congiarium zugleich lauten und die Auszahlung des Geldes
in der porticus Minucia geschieht. Diese Tatsachen bezeugen zwei längst
bekannte tesserae: die eine ein Bronzestäbchen (jetzt nicht mehr vor-
handen) mit einer eingelegten silbernen Inschrift: auf der einen Seite Ani(0'
nim) Aug(usti) lib(eralitas) LI (wohl 77), auf der anderen fru(mcnt(Uio)
1) Dio 51, 21, 3: xm xb ^i^imo xad^ ixcctbp igaxitag ngotigoig iihv rotg ig ävögag
xsXoüciv insixa 6k xal xotg naicl dia xbv MdgxMav xbv &dsl{piSovv diivsirfu (Augustos);
Dio 60, 25, 7 — 8 : nal xm driiuo x^ öixoSoxaviikipm nivxB p^v xal ißSofn/jxovxa SgaxitMg Snaci
diidcaxsv .... Ol; {timoi, %al ndvxa avxbg diivsifuv (was also die Regel war), dXXa xal
Oi yaft^^ol uvxoü, instörinfg M nXslovg iifiigag i] diddocig iyivexo xal iftilrfit xal di-
xdcai iv ravraig (Claudias) ; 8cr. h, Aug. , Commodus 2, 1 : adhuc in praeUxta puerüi
congiarium dedit atque ipse in basilica Traiann praesedit.
S) a liarqnardt, Staatsv. U 136 £f.
22 M. BostowßeWy
n(umero) LXI-,^) die andere eine Bleimünze (Syü. n. 336), auf welcher
geschrieben steht: auf der einen Seite de lib{er<Mtate) /*) (prima) far(p) IV
(quarto = ostio IV), auf der anderen Minucia.
In den vorhergehenden Zeilen ist zur Genüge bewiesen worden, dass
man seit Augustus bei Korn- und Geldverteilungen besondere Zeichen
oder Marken — tesscrae genannt — verwendete. Nach späteren Zeug-
nissen ist es wahrscheinlich, dass diese tesserae, ob sie nun zu Eom- oder
Geldverteilungen dienten, dasselbe Aussehen hatten und wohl münzähnlich
waren. Für die Zeit vor Augustus besitzen wir über die Verwendung
der tesserae bei den Frumentationen kein Zeugnis. Solche Verwendung
wäre auch sehr unwahrscheinlich, da Korn zu empfangen damals jeder
Bürger berechtigt war, und es kaum denkbar ist, dass das Volk irgendwo
in der Ausübung dieses seines Rechtes beschränkt worden wäre.'*)
Sehr merkwürdig wäre es, wenn wir von den Hunderttausenden dieser
tesserae, deren Giltigkeitsbereich sich auf Rom beschränkte, bei der jahr-
hundertelangen Erforschung des römischen Bodens keine einzige nachweisen
könnten. Es ist zwar selbstverständlich, dass man die schon einmal ge-
brauchten tesserae nicht weggeworfen, sondern wiederholt verwendet und
öfters umgeschlagen hat, aber trotzdem mussten viele von den 200 000
abhanden kommen. Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass unsere
Museen zahlreiche specimina dieser tesserae bewahren müssen. Andererseits
frappiert es jeden, der die sogenannten Kleinfunde kennt, dass unter
diesen eine geradezu auffallende Menge münzähnlicher Stücke vorhanden
ist, welche nicht älter als Augustus sein können, und deren offizieller
Charakter durch das Erscheinen der Kaiserköpfe und der Köpfe von Mit-
gliedern der kaiserlichen Familie auf denselben sich beweisen lässt. Diese
münzähnlichen tesserae, wie sie seit langer Zeit bezeichnet werden
(Eckhel VIII 514 nennt sie sogar pseudomonetae), erscheinen in zwei Me-
tallen: in Bronze und Blei. Die Bronzeserien sind längst bekannt und
zuletzt auch vortrefflich gesammelt und gesichtet worden,*) für
1) Nach einer Kopie des padre Leslea mehrmals publiziert; s. Marini, AtH II 695;
Hirschfeld, Ännona 17; Dressel, CIL. XV 2, 7201. Der letztere bemerkt mit Recht:
Antonintis utrum Pitts sit an Marcus an CaracaUus an Elagabaius incertum est.
2) Nach Hirschfeld, VerwaÜungsg. 134, 4 vielleicht d(t)e Ub(eraUtati8) I.
8) Ich glaube nicht , dass schon in der republikanischen Zeit die Zahl der Korn-
empfänger festgesetzt war. Versuche dazu sind nur in den Zeiten nach Sulla zutage
getreten, aber sie verliefen doch in nichts, wie die Massregeln des Pompeius (Dio
39, 24, 1) und Cäsar (Dio 43, 21, 4) zeigen. Das Massgebende bei allen solchen Ver-
suchen wird wohl eine strenge Kontrolle des vollen Bürgerrechtes gewesen sein, vgl.
darüber zuletzt (J. Cardinali a. a. O. 7 ff .
4) S. A. de Beifort, Annuaire de numismatique XIII (18H9), p. 69 ff. pl. I— IV
und XM (1892), 127 ff., 171 ff.. 237 ff., vgl. auch Cohen, Monn. t>nj). VIII 24 ff.
Komische Bleitesserae. 23
die Bleie habe ich dasselbe zu thun versucht. Zusammen behandelt
wurden die beiden Serien nicht, wohl deshalb nicht, weil die Zahl der
bekannten offiziellen Bleitesseren zu klein war.
Der Zusammenhang der beiden Serien ist aber sonnenklar und braucht
nicht bewiesen zu werden :0 Grösse, Kopf typen, Unbeständigkeit des Ge-
wichtes und anderes mehr sprechen dafür. Derselbe Zusammenhang exi-
stiert auch, wie wir sehen werden, zwischen den nicht offiziellen Blei-
und Bronzeserien. Die offiziellen Bronzemarken entstehen mit Augustus
und verschwinden unter Claudius, die offiziellen Bleie beginnen ebenfalls
unter Augustus und dauern in grösseren Serien bis in die Zeiten der
Flavier, sporadisch bis zum ausgehenden zweiten Jahrhundert.
Die beiden Serien lassen sich in folgende Kategorien gruppieren.
Der Zeit des Augustus gehört die zahlreichste Gruppe der Bronze-
marken an. Wir haben folgende drei Kategorien: 1. Kopf des Augustus
mit Lorbeerkranz auf der Hauptseite, Zahl im Kranze auf der Rückseite,^)
2. dieselbe Hauptseite, auf der Rückseite entweder eine Zahl mit einer
Darstellung verbunden, oder eine Darstellung ohne Zahl, aber mit der
Legende Aug(ustus), oder die Legende Aug(ustt48) im Kranze,^ 3. statt
des Kaiserkopfes haben wir einen Kopf eines Mitgliedes der kaiser-
lichen Familie: zweimal Livia (?),*) einmal Julia (?),^) zweimal Gaius
und Lucius als Dioskuren<^) und eine Zahl auf der Rückseite.
In Blei ist nur die dritte Gruppe vertreten. Von den Bronzen
unterscheiden sich die Bleie durch grössere Münzähnlichkeit: sie tragen
Beischriften bei den Köpfen und haben verschiedene Darstellungen auf
der Rückseite. Die grössere Münzähnlichkeit lässt diese Gruppe leichter
bestimmen und datieren. Hervorgerufen ist sie wohl dadurch, dass bei
der Verwendung des Bleies mit der Gefahr der Verwechslung mit Geld
nicht zu rechnen war. Wir besitzen in Blei folgende tcsserae: 1. Julia,
Tochter des Augustus, oder Li via, Gemahlin desselben {Sylt. 2), 2. Gaius
und Lucius als principcs iuventuiis (Sylt. 3), 3. Gaius allein als Besieger
der Armenier (Syll Suppl. 3*, vgl. die beigefügte Taf. II), 4. Tiberius
als Adoptivsohn des Augustus (SyU. 5).
Für die Zeit des T i b e r i u s haben wir folgende Serien. In Bronze :
1. Augustuskopf im Strahlenkranze und eine Zahl im Kranze auf der
1) Doh ist auch vou Blanctiet, Rev. arch., 1889, 255 bemerkt worden. Blanchet
aber zieht auch die Beintesseren, d. h. Spielmarken rein privater Natur, wohl mit Un-
recht hinzu. Über diese Letzteren s. meinen Aufsatz in der Bev. arch,, 1905, Lief. 1.
2) Beifort, Ann. XIII 75 ff. Sor. 1—11; die letzten drei mit der Beischrifk /«/(t-
citer) auf der Haupt seite; auf den Ser. 7 und 8 wird ein lituus bei dem Kopfe ab-
gebildet.
3) Beifort, 1. 1. 83, Ser. 16-19.
4) Beifort, 1. 1. 84, pl. III 6—8.
ö) Beifort, I. I. 84, pl III \).
i>) Bolfort, 1. 1. 85, pl. Hl 10 und Ann. XVI, pl. 1X2.
24 M. BosiowMeWy
Bückseite,^ 2. derselbe Kopf und auf der Rückseite die Inschrift ^u^m^^)
im Kranze,^) 3. Kopf oder Büste des Tiberius und auf der Bückseite eine
Zahl im Kranze,^ 4. Antonia(?) und auf der Bückseite eine Zahl im
Kranze.*)
In Blei haben wir wieder nur die letzte Gruppe. Es herrscht die-
selbe Münzähnlichkeit vor. Wir besitzen: 1. Drei ^^^o« des G^rmanicus
{Syll, 4, 6, 7), 2. eine der Söhne des Germanicus: Nero und Drusus
{Syll. 8), 3. eine der Antonia, der Frau des Drusus {Syll 9), 4. eine der
Kaiserin Livia {Syll. 1).
Caligula ist der Kürze seiner Begierung gemäss ziemlich schwach
vertreten. Wir haben 1. seinen bekränzten Kopf und auf der Bückseite
eine Zahl im Kranze,^) 2. Büste der Drusilla(?) und eine Zahl.*) In Blei
haben wir bis jetzt keine Marken von ihm.
Unter Claudius existieren in Bronze zwei Serien: 1. Kopf des
Claudius bekränzt, und eine Zahl in Kranze, 0 2. Kopf bekränzt und
Aug{ustus) im Kranze.^) Daneben vielleicht 3. Claudius und Messalina
oder Agrippina (oder sind es Caligula und Agrippina ?).*)
In Blei wieder nur Mitglieder des Kaiserhauses : 1. Antonia {SyTL 10
unten Taf. I, 2); 2. Britanniens (Syß. 11), 3. Nero und Agrippina {Syll. 12).
Seit Nero wird es ganz anders. Von ihm haben wir nur
eine Bronzetessera,^®) dagegen eine reichhaltige Serie Bleimarken mit
seinem Kopfe und verschiedenen Bv. {Syll 15 — 32). Daneben Mitglieder
seiner Familie: Octavia {Syll. 33, vielleicht noch aus der Zeit des Claudius),
Agrippina {Syll 14), Claudia seine Tochter {Syll 34).
Nach Nero haben wir keine Bronzen mehr, die Bleie gehen
fortlaufend weiter: Galba {SyU. 35. 36), VitelUus (80. 81), die Flavier
(37—50, cf. 51), unter Trajan eine Lücke, dann sporadisch Hadrian
(62), Antoninus (71. 72) und ganz ausnahmsweise Carinus (74).
Wir besitzen also zwei Serien gleichartiger münzähnlicher Marken.
Vor Nero setzt man den Kopf des regierenden Kaisers nur auf Bronze,
nachher verschwinden die Bronzen und der Kopf erscheint auf den
Bleien. Daneben giebt es Bleie und Bronzen mit Darstellungen der
kaiserlichen Familie.
Die Bestimmung der Bleie, welche durch Köpfe der Mitglieder der
kaiserlichen Familie signiert sind, geben die Monumente selbst an. Die
1) Beifort, 1. 1. 80, Ser. 12—15.
2) Beifort, 1. 1. 88, Ser. 19, n. 2-3.
3) Beifort, 1. 1 85, Ser. 1—5.
4) Beifort, l. 1. 87, pl. IV 2.
5) Beifort, 1. 1. 87, Ser. 1—4.
6) Beifort, 1. 1. 88, pl. III 7 und IV 7.
7) Beifort, 1. 1. 89 ff.
8) Beifort, 1. 1. 90.
9) Beifort, 1. 1. 89, pl. IV 8.
10) Beifort, 1. 1. 90.
nische BUiiesserae.
85
der Äütonia (Si/U. 10 , vgl die beigegebene Taf I 2) trägt die
Inschrift: ex \ Ufwralitate \ Tu Claudi \ Cae{mriü) Aug{i^t{), Sie ist also
eine Marke zum Empfange des Congiariums, welches vom Kaiser zu Ehren
der Antonia (Anfoniao mmimi) verteilt wurde. Die ßleimarkeii Äeugeu
also jede von einer lar(fUw prindpis, die spcctacula natürlich mit ein-
begriffen. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dass fast alle vor-
handenen tesserae sich ohne Zwang mit bestimmten bekannten Vorgängen,
welche Anlass zu Verteilungen und Festi^n gaben, vereinigen lassen.
Wir beginnen mit den Marken der Enkel des Augustus, da die
Tessera der Livia cnler Julia (Si/W, 2) sich leider der einen oder der anderen
nicht zuteilen lässt (die Darstellung des Kopfes spricht für Livia» die
Inschrift für Julia). Die Tessera Syll 3 ist sicherlich eine Neuauflage
der bekannten Münzen des J. 2 v. Chr. (Cohen I 09, 42. 43; Eckhel
VT 171).*) Die Schilde und Lanzen des K sind das bekannte Geschenk
der Ritter an die principcs iiiveniuti^; auf den Münzen halten die Prinzen
diese Gegenstatidt* in den Händen. Der Lorbeerzweig und die Rolle,
auch der mit der Toga bedeckte Kopf deuten auf die mcerdotia der
Jünglinge, wie der Utum und das simpulum auf den Münzen; die sMt
curulä endlich weist auf die Designat ion zu Konsuln hin. Wir wissen
nun, dass die Ereignisse des J. 2 zusammen mit der Dedikation des
Tempels des Mars Ultor zu feierlichen Spielen, bei denen Gaius und
Lucius präsidierten, Anlass gaben (Dio 55, 6—7); es wurde wohl auch ein
t^ngiarium bei dieser Gelegenheit verteilt (Mommsen, Ren gestac^ 02),
Die Bronzetesseren des Gaius und Lucius mit ihren Köpfen als Dioskuren
(die Dioskuren sind, wie bekannt, die Patrone der römischen Ritterschaft)
beziehen sich wohl auch auf die Feste des J. 2. Gaius allein feiert die
Tessera S. 3* (s, die beigegebene Tat T l\ Denn dass Gaius dargestellt ist,
bezeugt erstens die Legende (leider zu Anfang verstümmelt), dann die Ähn-
lichkeit des Kopfes mit dem der stadtrömischen Münzen desselben,^) endlich
der Umstand, dass auf der Ktickseit^ die Victoria der Augustusmünzen '0 er-
scheint, nur hat man die navis prora aus der Darstellung eliminiert, Diei^e
Victoria spricht auch dafür, dass die Marke aus Anlass der orientalischen
Siege dejs Jünglings verfertigt wurde. Wie bekannt sind die Nachrichten von
dem Annenierzuge des Gaius höchst spärlich (s. Mommsen, lies gcstac^
113 ff»), dennoch ersehen wir aus denselben, dass seine Siege stark über'
trieben und hochgefeiert wurden (s. bes. das Dekret von Pisae CIL,
XI 1421, Z. 8 fr.: bem gesta re publica devicteis aul in [/id]tm rccepiis
bcUieosissimis ac mazHmis geniibus . . , *X*) wad ohne weiteres vermuten
1) Vgl Itrommseii, E$i ffitku* 52 fT.
2) Cobea I 181, 1 1
9) Cbärakterktiach ist, 4tm «s gersde Tiiumphiilniün«en «iod Oobeo I 80. 115»
cf- 74. 75.
4) Vgl Gardtliftuii^n, Awru$Ut9 umd »ttnt Zmi Ul 1, 1143 f. uttd 2» lUL, Ann* 44.
26 M. Bostow0ew^
lässt, dass auch ein Siegescongiarium in seinem Namen von Augostus
verteilt wurde.
Die Tessera des Tiberius (S. 5), gehört der Zeit nach 4 n. Chr.
an, da Tiberius erst in diesem Jahre adoptiert wurde und den Namen
Caesar erhalten hat. Nach der Adoption aber ging derselbe sofort
in die Provinzen zur Kriegsführung. Er kehrte als Triumphator
erst im J. 12 zurück.») In diesem Jahre wurde auch, wie Sueton {Tib, 20)
berichtet, ein Siegescongiarium verteilt. Auf einen Sieg deutet aber
die Victoria auf der Rückseite unserer Tessera (vgl. Prosqp, imp. R. H 183;
Eckhel VI 186).2)
Die Tessera mit dem Kopfe der Livia (Syll 1) und dem Carpentum
auf der Rückseite erinnert stark an die Münzen des Tiberius mit dem
Namen der Livia und dem Carpentum (geprägt im J. 22 n. Chr., Eckhel
VI 149; Cohen 141,6). Tacitus aber (Ann. 11164, vgl. 71) berichtet,
dass in diesem Jahre zur Erbetung der Genesung Livias grosse Spiele
geweiht und wohl auch gefeiert wurden. Dazu passt vortrefflich der
dem Kopfe beigeschriebene Name Augusta. Möglich wäre es vielleicht
auch, an die Verteilungen des Caligula auf Grund des Testamentes der
Livia zu denken (s. Dio 59, 2; Suet., Cal 16, cf. Dio 59, 1; Suet., Tib. 51;
Tac. Ann, V 1, 6).»)
Die Tessera der Autonia mit der Beischrift Antonia Drusi (S, 9)
gehört noch in die Zeit des Tiberius; nachher führte Antonia den Titel
Augusta. Es lässt sich an die Feier der Entdeckung der Sejanischen
Verschwörung denken : die Entdeckung derselben verdankte Tiberius, wie
bekannt, der Antonia (Dio 66, 14; Jos., Ant iud, 18, 6, 6; Prosap. 1 107,
vgl. Dio 58, 11, 7).
Die Tesserae des Germanicus (S. 4, 6, 7) lassen sich leider be-
stimmten Ereignissen nicht zuteilen. Feierlichkeiten und Verteilungen in
seinem Namen gab es viele, triumphiert hat er auch öfters (prnanutnta
triumphalia im J. 9 n. Chr., Triumph und Congiarium im J. 17). Etwas
älteres Aussehen im Vergleiche mit 6 — 7 hat Tessera 4. Es wäre
möglich, dass die Tessera den Vater des Germanicus darstellt und sich auf
die Spiele, die ihm zu Ehren im J. 6 n. Chr. von seinen Söhnen gegeben
wurden, oder auf die Feierlichkeiten nach seinem Tode, da er den Namen
1) Im J. 9 gab es keine Feier; über das Datum des Triumphes s. zuletzt Gardt-
hausen, Augustus 1X1 2, 834 ff., welcher sich für das Jahr 13 entscheidet.
2) Vgl. die Tessera S. 100 mit der Aufschrift t]r{tbiinicia) potieatas) auf der einen
Seite und Providentia auf der anderen. Die Darstellung der Rückseite erscheint öfters
auf römischen KaisermUnzen , die Haui)t8eit(' ähnelt den Münzen des Caninius GaUus
(Babelon, Monn. de 1a Rep. I 311, 1; Cohen I 116, 382) mit Darstellung eines sub-
sellium, eines Apparitorenstabes und der Inschrift: Äugusius — tr. pot. Vielleicht ge-
hört auch unsere Marke in die Zeit des Augustus; die dargestellte Szene ist wohl der
Akt der Verleihung der trtbunicia potestns an Tiberius.
3) Vgl. meinen Aufsatz in der Sirena Helhigiana 262 tV.
Rötnisclw Bleüesserae. 27
Germanicus erhielt, bezieht (Dio 55, 2 u. 27; Pros&p. I 368 und II 179,
vgl. Gardthausen, a. a. 0. HI 2, 707).
Die Tessera des Nero und Drusus (S. 8) bezieht sich, wie aus den Dar-
stellungen klar hervorgeht, auf das tirocinium der Prinzen (Suet., Tib, 54;
Tac., Ann. IH 29; CIL, XIV 244, cf. Eckhel VI 217).
Die Tessera der Antonia ist schon erwähnt worden. Eine liberdlüas
des Claudius zu Ehren seiner von ihm sehr verehrten Mutter ist nicht
bezeugt; vielleicht wäre an die Spiele, die Claudius am Geburtstage der
Antonia gab, zu denken (Dio 60, 5; Suet, Claud, 11; Eckhel VI 180).
Es ist also klar, dass die Bleimarken bis Nero sich auf die Uberali-
tates der Kaiser beziehen und zwar auf die Ubcrdlitatcs mehr persönlichen
privaten Charakters, nicht auf die grossen Magistratscongiarien. Das-
selbe ist wohl von den Bronzetesseren der Mitglieder der kaiserlichen
Familie anzunehmen. Nur lassen sie sich nicht leicht auf bestimmte Er-
eignisse deuten: es fehlen Inschriften und Darstellungen.
Was stellen aber die Bronzetesseren mit den Kaiserköpfen dar? Es
sind sicherlich offizielle Marken, die in grösseren Serien geprägt wurden.
Die Serien aus der Zeit des Augustus sind meistens doppelt, das Gewicht
der einzelnen Stücke ist sehr ungleich, die Typen sehr summarisch.
Innerhalb jeder Serie haben wir numerierte Gruppen, meistens mit den
Zahlen von 1 — 15. Die Bestimmung ist leider nirgends angedeutet.
Nach dem vorher Gesagten kann es, glaube ich, nicht bezweifelt
werden, dass die Bestimmung dieser Bronzemarken der der Bleimarken
und des anderen Teiles der Bronzemarken analog sein muss. Nur be-
ziehen sich die gewöhnlichen Bronzetesseren mit dem Kaiserkopfe auf
kein bestimmtes Ereignis, die Wiederholung der Serien deutet auf Regel-
mässigkeit der sie hervorrufenden Akte; kurz gesagt, von den ausserordent-
lichen Congiarien kann kaum die Rede sein, besonders wenn wir die feier-
lich persönliche Art ihrer Austeilung im Auge behalten. Es bleibt nur eines
— die Bronzetesseren mit den von Augustus selbst und Sueton bezeugten
tesscrae nummariac und frumentariac zu identifizieren.*) Die Zahlen könnte
man dann auf gewisse Abteilungen des nach vici rezensierten Volkes be-
ziehen und sie mit der Gliedening des Volkes bei der fnmcntafio in Zu-
sammenhang bringen.^)
Nun bleibt aber etwas bei dieser Erklärung auffallend. Wie kam es,
dass das von praefecti frumenti dandi ex. $. c. geleitete Geschäft der
1) Die früheren Theorien s. bei Beifort, a. a. 0. 70 ff., vgl. Mowat, Bull. d. anti-
quaires de France 1895, 25 ff. (Separatabdruck). Mowat erkifirt die Tesseren ab Spiel-
marken, was mit dem offiziellen Charakter derselben nicht zu vereinigen ist. Ein Teil
der privaten Tesseren konnte allerdings auch als Spielmarken gedient haben. Mit
den Contomiaten haben die Bronzetesseren nichts zu thun.
2) Das Erscheinen der Zahlen auch auf den bronzenen Congiarientesseren bezeugt
noch einmal die Gleichartigkeit der Verteilung bei den Congiarien und Frumentationcn.
28 M. BostowMew,
Verteilung durch Marken, worauf des Senates keine Erwähnung ge-
schieht, reguliert wurde? Es ist wohl sicher, dass zu den Zeiten der
Republik das Markensystem bei den Eornverteilungen nicht angewendet
wurde. Caesar hat es wohl auch nicht eingeführt: wenigstens wissen wir
davon gar nichts. Die römischen Grossen der ausgehenden Bepublik
kannten aber das System: wie ich in einem speziellen Aufsatze nach-
gewiesen habe, gebrauchte Antonius und nach ihm auch Augustus
Tesserae bei der Regulierung ihrer Verteilungen in Athen. ^) Es war
auch ganz natürlich, dass die Römer bei ihren Massengeschenken das alt-
einheimische und bequeme System der Marken in der Heimat des Systems
selbst gebrauchten,^) und es ist denkbar und wahrscheinlich, dass Augustus
in Rom das Markensystem zuerst bei seinen privaten Verteilungen an-
gewendet hat und bei dieser Gelegenheit den Typus der tesserae frumen-
tariae und nummariae schuf. Bei einer der von ihm vorgenommenen
Reformen wurden dann auch bei den Staatsverteilungen die Marken als
sehr bequemes Mittel eingeführt und der Typus der Augustischen Marken
einfach übernommen.«) Die Beibehaltung des Kopfes des Kaisers auf den
Senatsmarken ist wohl ein Zeichen dafür, wie stark Augustus in die Ver-
teilungen eingriff und wie viel er für dieselben geleistet hat: bei seiner
vorsichtigen Politik dem Senate gegenüber ist dieser Übergriff kaum
anders zu erklären. Man muss auch bedenken, was für ein starkes Agi-
tationsmittel die Tesseren vorstellten: in jedem Kornempfänger erweckte
die Tessera die Überzeugung, dass er nur satt sein könne, solange der
Kaiserkopf auf den Tesserae da sei, dass er eigentlich sein Wohl dem
Kaiser ausschliesslich verdankte.
Wie oben gezeigt worden ist, können wir die Bronzetesserae bis in
die Zeiten des Claudius verfolgen. Unter Nero verschwinden sie; da-
1) Festschrift sum 60 Geb. 0, Hirschfelds 303 ff.
2) Dass die Kornverteilungen in Athen sowie die Verteilung des d'imgixbv und
ixytXricutütiTibv durch Marken ganz gleicher Art reguliert wurden, erhellt sowohl aas
den Marken selbst (s. die russische Auflage 269), wie noch klarer aus der Eleusinischen
Inschrift, Dittenberger, SyU. II, 505; IG, IV 2, 614c (p. 159). Die Inschrift ist ein
Beschluss zu Ehren eines yQainuxtevtov x[6]ts xafilaLg t&v airoaviTi&v. Motiviert wird
die Ehrung dadurch, dass Lysias (Z. 10 ff.) ygafi^tevcov rcuf. ta^tiai tc5v ait(o\vixtav rbv
iviavxbv tbv inl Mtfkxl4ovg &gxovtos (282/281 v. Chr.) n'oi[i]T/v OTtovSriv 7tB7tolr\xai '
nfgi xi]v xov a{l\x(iv döaiv xal xäv ixrdriauxaxi^xav xcj[v] ÖLÖo^iivcov inl xbv alxo[v . . .
Mit Recht bemerkt Köhler, dass die ixxXriaucaxtxä die Marken sind, welche sonst zur
Verteilung des ixTdtiaucaxLxbv hergestellt wurden und öfters unter dem Namen av^ßoXa
erwähnt werden, s. bes. Dittenberger, St/ll 496», 35 (J. 341/340 v. Chr.); /. G. II 872;
Michel 648; Köhler, Ath. Mitt. VII 102 ff. . . . inaivköai intidi] xahag x[al djixauo;
iitt^Xr^^rioav xfig avXXoyi]g xov dtj/u^v xai xfig [6i]aS6as{to)g x<av övvßdXoiv . . ., vgl.
Aristoph., Eccl. 297. Diese oder ganz ähnliche Marken gebrauchte man auch für die
Kornverteilungen. Vgl. auch die auf S. 5 erwähnten Schriften Dumonts und Benndorfs.
3) Ob damit die Augustischen Doppelserien und die mehrmals erwähnte Angabe
Suetons tesserasqiie nummarias duplicavit im Zusammenhange stehen , wage ich nicht
zu entscheiden.
Römü
istl^tHUii
esserae.
S9
gegen erscheinen unter ihm znerst und zwar in gr^^sseren Massen mtni-
ähnliche Bleiraarken mit dem Kojife und dem Namen des Kaisers signiert
Die Inschriften und die Reversdarstellungen dieser Tesserae lassen ans
der ganzen Masse zuerst eine Reihe, die zur Regulierung der (J^ngiarien
gebraucht wurde, ausscheiden. Erstens die Tessera der Octavia (6\ 33),
welche aber noch der Zeit des Claudius angehört, in der, wie bekannt, die
Feierlichkeiten der Ehp^rhliessung zwischen Octavia und Nero stattfanden
(s. Suet., Nero 7). Claudius Hess auch die Tessera S. 12^ auf der Nero mit
Agrippina zusammen dargestellt und Ti. Cl(Qudius) Ne{ro) genannt ist, ver-
fertigen. Der Name Tt . Cl Ner(^ ist , wie bekannt, der Name, den Nero
nach der Adoption angenommen, aber sehr bald nicht mehr gebraucht hat,')
Deswegen ist es sehr wahrs^cheinlicli, dass unsere Marke das Congiarium des
Jahres 51 regulierte (s. Tac, Ann, Xllil, vgl Suet, Nero 7). Beide
Prinzen (auch Brrtannicus) fii^urierten dabei, Nero aber spielte die Haupt-
rolle: auf den Tesseren der dabei gegebenen Spiele (s, weiter unten S. 49),
die noch vorhanden sind, tritt diese Bevorzugung Neros ebenso klar wie
auch auf unserer hervor.
Zu einem Donativum vielleicht desselben Jahres gehört die Tessera
S. 18 (s. die beigegebene Taf* I 3). Auf der Hauptseite haben wir den
Kopf Neros mit der Aufschrift Nero Caesar, auf der Rückseite die Dar-
stellung des Mars nnd die Beischrift Chmdioritim), was zu der Adoption
des Neru, seinem Eintreten in die Familie der Claudier vorzüglich passt
(vgl Etudc S. r,5).
Zu einem Congiarium gehört auch die Tessera mit der Erwähnung
des armenis<'lien Königs (S 221 Näheres darüber s. Etmle hl. Daneben
haben wir auch Marken, deren Beziehungen zu den Spielen nicht zu
verkenjien sind. Es sind & 20, 31 (s. die beigegebene Taf. 14), 32;
von ihnen wird weiter unten, S, 49, 2, dii* Rede sein.
Es bleibt noch die Mehrzahl der Neronischen Tesseren, welche sich
in zwei Gruppen teilen lässt. Auf der einen heisst Nero Nero Caesar,
auf der anderen Nero Caesar Äugustus, In dei* ersteren Gruppe finden
wir Reverse, die stark an Claudische Münzen erinnern: die Figur
auf S. 16 ist die Constantta ÄuffusH der Münaien Kckhel VI 236,^) der
Mars (S. 17, 18) erscheint, zwar etwa« anders behandelt, auf den Münzen
des Britannicus (Eckhel VT 254; Cohen 1270, 1); daneben aber finden
sich (nach dem Typus des Kopfes und den Rs. zu urteilen) auch Tes&ercn
[apäterer Jahre: so S. 21 und 19 (s. Gabriel, Riv. üal di numism, 1897,
1879, n. 26 ff.).
Die Reverse der Neronischen Münzen allein geben dagegen die Tesseren
der zweiten (Gruppe : Apollo S, 27 s. C^hen I 292, 196 — 203 u, a. ; Ceres
1) YgL Mowat, Hip, ital di num, XI S7.
[PetQT ttud SaUet Imlten die Figur ftir eiu wt*ibUche» Weten: tiber die Vor-
der Constiuitia und Koma Virta» ». Roteher, Ltxicom l ^«
30 M. Bostoweew^
S, 24 — Cohen I 293, 217. 228 u. a.; Victoria S. 25 — Cohen I 302,
337 ff. Es wäre möglich, dass die zweite Gruppe im Ganzen einer späteren
Zeit angehört, als die erstere.
Die grosse Masse der Typen mit vollständig bedeutungslosen Reversen,
denselben, welche auch auf den Mttnzen erscheinen, lässt die Nero-
nischen Tesseren kaum als sämtlich zu Congiarien und Spielen ge-
hörig deuten. Ihre Ähnlichkeit aber mit den Bronzen einerseits und die
chronologische Continuität andererseits sprechen dafür, dass wir dieselben
tesserae nummariae und frumentariae vor uns haben, welche früher in
Bronze hergestellt wurden.
Es wurde oben schon ausgeführt, dass die Claudische Reform die
Eontrollmarken keineswegs unnötig machte. Die ständige tessera frumen-
taria war zu Eontrollzwecken nicht zu gebrauchen. So werden wohl
auch in den Zeiten nach Claudius monatlich tesserae ausgeteilt worden
sein. Jetzt aber dauerte die Verteilung den ganzen Monat, so dass zwei
Monate nacheinander dieselben Typen nicht gebraucht werden konnten,
was die Verdoppelung der Tesserenzahl nötig gemacht hätte. Anderer-
seits waren die Bronzetesseren ziemlich kostspielig ; man ging damit vor-
sichtig um: Caligula und Claudius scheinen hauptsächlich die alten
Augustischen und Tiberischen Marken gebraucht zu haben. Die Not-
wendigkeit also einerseits eine Masse neuer Bronzen zu prägen, anderer-
seits die Eostspieligkeit der Bronzen nötigten die Regierung nach billigerem
Material und billigerer Herstellung zu suchen: das längst bei den Con-
giarien gebräuchliche Blei und das Giessen waren gegeben. Dadurch
wurde es möglich, die Tesseren noch münzähnlicher zu machen und auch
die Rückseite, auf der früher die Zahl stand, die jetzt bei der Einrichtung
der Minucia zu Verteilungszwecken fortfallen musste, mit Darstellungen
auszufüllen. Die Herstellung durch weitere Vereinfachung der Typen
noch billiger zu machen, entsprach nicht der Art des eitlen Eaisers.
Man muss auch bedenken, dass es jetzt, wo die Eosten der Frumentationen
vollständig auf dem Eaiser lagen, worauf Nero sehr stolz war, nicht
gerade an der Zeit war, das Eostbarste, nämlich das Porträt, bei der Her-
stellung zu eliminieren.
Die späteren Eaiser gehen aber auf dem Wege der Vereinfachung
weiter. Das Porträt des Eaisers fängt an von den Tesseren zu ver-
schwinden. Charakteristisch sind in dieser Hinsicht die Tesseren der
Flavier. Wir haben drei Gruppen: 1. Vespasian allein (S. 37 — 39,
s. die beigegebene Taf. I 5), 2. Vespasian mit seinen Söhnen (S. 40 — 42),
3. Die Namen des Eaisers und seiner Söhne allein, ohne Porträts (S. 43 — 50).
Auf den ersten beiden Serien ist die Münzähnlichkeit frappant, die dritte
aber hat schon einen rein privaten Charakter. Ob dabei an Verschieden-
heit der Congiarien- und Frumentationentesseren oder an Wechsel der
Zeit oder aber für die letzte Gruppe an Privatmarken gedacht werden
muss, ist leider nicht zu entscheiden. Charakteristisch ist, dass wir
ßfi
81
von Domitian keine eirusige Tessera mit seinem Pitrtriit besitzen, eben-
sowenig von Titas.
Dasselbe ist auch von Trajan zu sagen. Der Xanie des Kaisers
kommt auf den Tesseren öfters vor, aber entweder in Verbindung mit
scbablonenliafteii 1>i)en (Apollo — S. 53; Fortuna — S. :A), oder mit
sicheren Beüdehungen auf seine Schöpfung, den portus Traianm (8. 56 bis
»30), ebenso nnter Antoninus (S\ 61 — 63).') Die zuletzt angeführten Marken
lassen sich mit Wahrscheinlichkeit auf die Frumentationen 1>eziehen, da der
Hafen, wie bekannt, fast ausschliesslich für die Annona erbaut wurde,*)
Aus der Zeit Hadrians besitzen wir nur Congiarienmarken* So ist wohl
S. 55 aus Anlai^s des posthumen Triumphes des Kaisern Trajan gegoasen
worden (vgl Cohen II 78, 5X5; Eckhel VI 441; Scr. h. Ann, '^«'^^ ^t •^';
Ä 98 feiert eine der adopiiones der Hadrianischen Regierung;^) auf Siegu
und Triumphe beziehen sich S, 82 und 88.*), Den Galerius Antoninus scheint
die Tessera Sil darzunk^Uen (vgl Eckhel VII 42; Cohen R 443). Nach Anto-
ninus haben wir nur eine scweifelhafte TeSwSera des Commodtis \S. 73) und eine
des Kaisers Carinus {S. 7Ö). Es wurden also seit Domitian nur ausnahms-
weise, seit Antoninus gar keine Tessereu mehr mit Darstellungen des
Kaisei-s oder der Aufschrift seines Namens gegossen.
Dagegen gehören dieser Zeit mehrere Serien von Bleitesseren mit
Darstellungen und Inschriften an, die ihren offiziellen Charakter und ihre
Beziehungen zu Verteilungen deutlich erkennen lassen. Ich verweile
zuerst bei den Tes;jeren mit Darstellun^ren und Inschriften militärischen
Charakters (S. 104—835).
Von selbst lassen sich mehrere Tesseren mit Dai*stellungen, die sich
auf Triumphe und Siege beziehen, ausscheiden. Als Beispiele mögen
Marken mit Darstellungen eines Triumphbogens (S. 107 — 110), eines
Triumphators (& 111 — 113), einer wohl triumphalen /Äcw^a (S. 713), einer
Victoria mit Beischrift V{ictoria\ auf der einen Seite, und der Darstellung
des Mercurius und der Beischrift Brittianica) auf der anderen iS. Iü4,
a die beigegebene Taf. I *)), sowie einer Victoria mit Beischrift V{ictoria)
und auf der anderen Seite Pairthiea) dienen. Höclist interessant ist die
1) Vgl. dif Munf.*'n Cohen II 875, 54. Dir Diirfti*Uungcn drr HUclucit« dieser
Münseii Bind zwischen der Iluijpt* und RückÄtit«* der Tr«««*rii vf*rt«»ilt.
2) 8. PnU«r, Siiiun3»hcf. d. Sdcha, Ges. 1849, 27 ff. Auch dii* MögUchkeif, eotwed«r
an die FeterUchkeitcn hei dt^r VoUciidung des Hikfeu!» (vgl. Etüde 60) odt^r ah privat«
Marken der bei d«r Anüonii im IJafeß heBchilfiij^tcn Arhc*it<^r zu denken^ ist nicht am-
getchloMCD.
3) Mnn köiiDtii auch an die adoptio dea Hadriaiius »elb»t durch Trnjan denken (vgL
t*^ht?n II 197^ 3—7), dlcielh^ aber ge«chtih nicht pir^^iiiHi-h apud colkfjium pontt'fictim^
wie auf der Marke angegeben wird, eondern auft^^Thalb Kom«i, ?gi Wii*»awa, EtUpon
und Kultus i40, 7, ja e» hi noch nicht ausgemacht^ oh nie übi^rhanpi erfolgtn, D«isau,
FeHsvhr. ßr Küpert 83 £
4) S. 65 — 67 und dtt--70 sind wohl Pr&vattnarken, i. waitvr untisn.
32 M, Bosiowßew,
Darstellung des Siegesaufzuges auf 8. 258: ein Kaiser ein Stadtthor
durchschreitend und auf der Rückseite eine aedicula aquüae.^)
In dieselbe Reihe gehört die Darstellung des Mars Victor (S. 114
bis 128) zweimal mit charakteristischen Beischriften: tr(iumpJM8) G{ermani'
cus) auf S. 127 und t(riumphus) P{arth4cu8) auf S. 128. Noch häufiger
ist die Darstellung eines tropaeum (s. z. B. S. 132 und die beigegebene Taf. 1 7),
auch dieses mit Beischriften : t{riumphfi8) P auf /S. 141 und iol auf
S, 146.
Die letztere Tessera erinnert stark an eine höchst interessante Serie in
Bronze. Beifort, Ann. XVI 37, pl. Vm 2. 4 publiziert zwei Tesserae mit Dar-
stellung eines Lorbeerzweiges und der Inschrift io io tr%ump{e) I auf der Vorder-
seite ; auf der Rttckseite von nr. 2 befinden sich zwei barbarische Spielhömer
und zwei phalerae.^) Die letztere Darstellung findet sich auf nr. 1 wieder,
auf der Ruckseite erscheint ein Consecrationscarpentum mit Maultieren
bespannt. 5) Diese Tesseren gehören sicherlich in die Zeit Domitians
(s. Cohen 1497, 300; 516, 544, 545, vgl. Eckhel VI 393), ihre Be-
ziehungen zu einem Triumph sind ohne weiteres zu erkennen.^) An die-
selben schUessen sich mit Notwendigkeit die ganz gleichartigen Bronzen
kleinsten Maasstabes mit der Beischrift S — C, ohne Eaiserkopf und Eaiser-
inschrift.*) In den Typen gleichen sie den Domitianischen Quadranten,
wie auch Cohen erkannt hat, sind aber kaum Münzen, erstens weil sie
sehr ungleichen Gewichtes, ungleicher Grösse und Dicke und auch un-
regelmässig in der Form sind, zweitens weil es kaum denkbar wäre, unter
Domitian Münzen ohne Eaiserkopf und ohne Eaisernamen zu finden. Sie
bilden aber alle, was mit voUer Sicherheit zu erkennen ist, eine Serie.
An die Tessera mit io io triump(e) schliesst sich die Bronze mit einem
Lorbeerzweige, der Beischrift 8 — C und auf der Rückseite einem
Rhinoceros (s. Cohen Vm 268, 2 und I 526, 676 und 525, 673 f.) an,«)
an dieselbe die Serie der mit Götterköpfen versehenen Bronzen, worin
Minerva mit der Eule, bezw. Ölbaum oder Füllhorn die Hauptrolle spielt.
1) Vgl. Domanewski, Die Religion des römischen Heeres 11.
2) Vgl. Cohen Vni 267, 1.
3) Vgl. Cohen VIII 271, 45.
4) Darüber s. zuletzt Seitmann, Zeitschrift für Numismatik XX 248 ff., der diese
Tesseren mit grosser Wahrscheinlichkeit auf den Domitianischen Triumph über die
Chatten bezieht (J. 84 n. Chr., vgl. Cohen I 515, 536 ff.). Den Hinweis auf diesen
Artikel verdanke ich Herrn Dr. K. Regung. Über die auf Germanenkriege und Germanen-
triumphe sich beziehenden Münzen s. Blanchet, Etudes de numismatique I 13 ff.; die
Domitianischen aus den J. 84 und 89 sind von ihm auf S. 27 ff. aufgezählt.
5) Cohen VIII 268, 10 ff. ; er schliesst sich der beiläufig ausgesprochenen und
grundlosen Vermutung von Blacas an, die Kleinbronzen wären autonome Münzen der
Neronischen Zeit; mit Nero und den Münzen des Vierkaiserjahres haben aber unsere
Kleinbronzen gar nichts gemein, s. duc de Blacas, Bev, num, 1862, 233 f.
6) Dazu die Bronzen mit einem Vezillum, Cohen VIII 271, 46 f., vgl. die Münzen
des Aügustus, Cohen I 80, 118; 107, 830; Mowat, Eiv. it, di num 1897, 23 f.
Bömisehe Bleitesserae. 33
(Cohen VIII 268, 3—9; 1526, 677«. und 518, 521 f.) ,0 die Lieblings-
göttin Domitians, wie znr Genüge bekannt ist.*) Dann folgen Juppiter
(ü Blitz oder Adler),*) Mars (R Signa, Panzer, Tropaenm),*) Merkur oder
sein Petasos (R Caduceus, Hahn),*) Apollinischer Greif (R Dreifuss),«)
Tiber (Wölfin mit den Zwillingen) ') und zwei Serien, die ich anders inter-
pretieren möchte, als es bis jetzt geschehen ist Es sind: weiblicher
Kopf, der stark der Domitia ähnelt, mit einer Taube oder einem Pfau
auf der Rückseite, also die Kaiserin als Venus oder Juno,^) dann ein
Kinderkopf, einmal eine Kinderbüste, öfters verhüllt mit einem Schilf-
kranze, öfters als kleiner Bacchus dargestellt. Die Büste ist immer
pahidata. Ich glaube in dem weiblichen Kopfe die Domitia, in dem
Kinderkopfe den Sohn der Domitia und des Kaisers zu erkennen. Mit
ihrem Sohne erscheint Domitia öfters auf ihren Münzen (Cohen I 536, 6 ff.).
Der Kopftypus der Tesseren ist der dem Flavierhause charakteristische.
Wir bekommen damit für die Zeiten Domitians eine geschlossene
Serie münzähnlicher Stücke, welche kaum für Münzen gehalten
werden können. Es liegt am nächsten, diese Monumente für Tesseren
zu erklären, die von Domitian für seine Congiarien, Frumentationen,
auch wohl als Eintrittsmarken für die Spiele ausgegeben worden sind.
Die Darstellungen passen dazu ganz vortrefflich, auch passt dazu der
früher hervorgehobene Umstand, dass wir aus der Zeit des Domitian
keine Bleie mit dem Kaiserkopfe besitzen.
Eines bleibt aber unerklärlich: wie kam Domitian dazu auf seine
y erteilungsmarken , zwar nicht auf alle, aber immerhin auf die meisten,
die Erwähnung des Senats zu setzen? Besonders senatsfreundlich war der
Kaiser nicht, und die Erwähnung des Senates auf den Frumentations-
marken muss doch als ein senatsfreundlicher Akt bezeichnet werden.
Deshalb ist immerhin die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass wir es
mit einer starken Emission von Quadranten zu thun haben. Es müssen
aber auch in diesem Falle die Bronzen ohne S — C als Tesseren bezeichnet
werden.^)
1) Vgl. auch die Rleinbronzen, Cohen I 516, 544, bei denen der Lorbeerzweig die
Rückseite bildet.
2) Ich erwähne nur die Bronzen, welche ich im Cabinet des M^dailles persönlich
studieren konnte. Die ganze Serie mUsste einmal gesammelt und beschrieben werden.
3) Cohen VIII 269, 18. 14, 15—17, vgl. 1 497, 801 flp.
4) Cohen VIII 269, 19. 20. 26. 27. 32. 83, cf. I 479, 98. 94 und 506, 422 ff.
5) Cohen VIII 270, 84-86.
6) Cohen VIII 270, 88. 89, cf. 40. 41 (wohl Apollokopf), vgl. I 518, 525 ff.
7) Cohen VIII 269, 22; die Wolfin mit Zwillingen ist eine ganz gewöhnliche Dar-
stellung auf den Münzen Domitians. Auch die anderen von Cohen beschriebenen
Bronzen, welche ich nicht gesehen habe, finden ihre Parallelen in den Darstellungen
der Domitian ischen Münzen.
8) Vgl. die Münzen der Domitia, Cohen I 585, 1 f.
9) Gegen die Erklirung als Münzen sprieht der Umstand, dast die Siglen S—C
auch auf Bleien vorkommen, s. S. 84 und 188, und zwar auf Bleien mit militärischen
Roitowxew, Römitehe BlaiteMenM). 8
34 IL Bastowsew,
Kehren wir aber za den Bleien znräck. Am hänfigstoi ist anf
unserer Serie der Bleie die Darstellong des mhig stehenden Mars {S. 148
bis 230) mit verschiedenen Berersen, welche meistens mit der Hanptdar-
stellang irgendwie im Znsammaihange stehen. Nicht weniger hanfig smd
Darstellungen des Adlers, welcher öfters als Legions- oder Heeresadler
charakterisiert ist (5. 261 — 318). Nun aber lassen sich einige der an-
geführten Typen nngefähr datieren. 5. 113 erinnert an die Aagnstische
Münze, welche ans Anlass des Sieges des Tiberios geprägt wnrde (Cohen
I 164, 300),^) S. 107 giebt denselben Typos wie die Monzen des dandins
ans den J. 41 und 45, geprägt znr Erinnerung an die militärischen
Thaten des Drosos und dandins selbst^ Die meisten Darstellungen ge-
hören aber späterer Zeit an. So werden die beiden Typen des Mars,
der laufende und der stehende, erst seit Yespasian auf den Münzen
ständig. Der Victor erscheint zuerst in der auf den Tesseren üblichen
Form unter Vespasian (Cohen I 376, 102. 111. 127, et Titus ebd. 134, 66),
unter Trajan wird der Typus geläufig, "^ unter Hadrian und Antoninns
erscheint er seltener (Cohen 11 132, 501 ; 195, 1072), unter M. Aurelins
wieder häufig.^) Der andere Typus beginnt mit Trajan ,*) wird seltener
unter Hadrian und Antoninns,^) erscheint am häufigsten unter M. AureL^
Auch der Adler wird auf den Münzen erst seit den Flaviem ständig.
Unter den Reversen notieren wir die Darstellung des Aeneas, welche zuerst
Dantellangen. Pro£ O. Hinchfeld macht mich darauf aufmerksam, dass der Triumph
senaius cansuUo geschah, .durch dies S — C wurde daher auch die Ausgabe der
tes$€r(u ermöglicht*. Diese Erklärung hebt die im Texte ausgesprochenen Schwierig-
keiten au£
1) In dieselbe Zeit setzt Mowat Riv. ital, di num, XI 23 ff. die drei Bronzetesseren
mit Darstellungen eines Vexillums auf der einen Seite und Mars, Victoria, Minenrs
auf der anderen (Cohen VIII 271, 46. 47. 49). Dass es Verteilungsmarken sind, be-
zeugen Kontremarken auf n. 47, welche zuerst von Mowat publiziert worden sind. Ihre
Zugehörigkeit zur Zeit des Augustus folgert Mowat aus der Ähnlichkeit ihrer Dar-
stellungen mit der einiger Augustischen Münzen, wo eine Victoria auf dem Globus
stehend mit Kranz in der Hand und einem geschulterten Vexillum erscheint (Cohen
180, 113; 107, 330).
2; S. Cohen I 220, 1—5; 2o2, 16—24; Milani, Böm. Mitt. 1891, 319 und Taf. LX;
Blanchet, Eiudes de numism. I 27 ff. Gamicci behauptete, auf der Attika des Bogens
unserer Marke die Buchstaben Vict'arid) gelesen zu haben. Die auf dem K: sieh be-
findenden Buchstaben PNR kehren auf den Münzen des Claudius aus den J. 40 und
41 wieder, ». Eckhel VI 238; Kubitschek, Jahreshefte des äst. Inst. 1900, 72 ff.
3) Cohen II 25, 63. 64; 29, 103; 39, 190 ; 42, 228; 45, 255; 46, 270; 57, 872-376;
48, 634.
4) (^hen III, n. 126-129; 144, 145; 254-256; 314—316; 353; 579; 617; 737—738;
759—760 und öfters.
5; Cohen II 24, 59; 57. 376—379; 82, 615; 83, 626; 84, 635.
6) Cohen II 185, 951; 194, 1074; 322, 549—550
7) Cohen III, M. Aur^le n. 146; 290-292; 294 f.; 468— 470 und öfters. Die beiden
Typen dauern dann fort bis in spätere Zeiten.
Römische Bleitesserae. 35
unter Hadrian vorkommt,^) und unter Antoninus öfters wiederholt
wird.*)
Andererseits giebt es nur wenige Typen, welche in die Zeit der
Severe und der späteren Kaiser gehören: vielleicht nur S. 170 mit der
Darstellung der Caelestis«) und der Löwe mit der Strahlenkrone der
Tessera S. 111 vgl. 112 (zuerst unter Caracalla?).
Noch genauer lässt sich vielleicht eine Serie von Tesseren mit Er-
wähnungen bestimmter Militärkorps datieren. Ich meine die Tesseren
S, 236 — 242 mit Erwähnungen der Legionen I, VI und X mit den Beinamen
Pia und Pi(a) D(omitiana) und der Britt(nnorum) ala X. Es ist merkwürdig,
dass die erwähnten Legionen gerade diejenigen sind, welche unter Domitian
gegen Antonius Saturninus gekämpft haben.*)
Einige der besprochenen Tesseren, wie die mit Erwähnung eines
Triumphes oder Sieges, werden wohl Congiarien- und Donativatesseren
sein; ich erinnere nur an die Tessera S, 103, wo neben der Darstellung
einer Victoria die Inschrift civile (wohl congiarium) steht. Die Masse
der verschiedensten Typen mit festen Beziehungen zum Militärleben lässt
sich aber in dieser Weise nicht erklären; man muss nach regelmässigen
Akten des Militärlebens, welche durch Marken reguliert wurden, suchen.
Einige Beobachtungen geben uns vielleicht den Schlüssel zur Lösung
des Rätsels. Der Hauptgott der Serie ist Mars, der Gott des Prä-
toriums,^) auf einer Tessera erscheint der Skorpion, das Zodiakalzeichen
des Prätoriums,®) auf zwei Tesseren haben wir die prätorianischen signa:
drei signa gruppiert wie zur Bezeichnung einer prätorianischen Cohorte,
einmal drei vexillaJ) Andererseits erscheinen auf den Tesseren mehrere
Namen und Initialen, die öfters als Namen von evocati Augtisti bezeichnet
werden.^)
1) Cohen II 226, 1446, cf. 238, 1549.
2) Cohen II, Antonin, n. 655, 766, 908.
3) Eckhel VII 183; Cohen IV, Septime Severe, 217-227, cf. III 164, 294; 274,
354, vgl. liabelon, Atti del Cangresso intern, dt scienze storiche (vol. VI, Roma 1904),
S. 82 ff.
4) S. Jurnal Ministerntva Narodnago Prosv, 1901, Mai, 80 ff. und Juni, 81 ff.
(rufwisch), vgl. Ritterling, De legione Romanorum X gemina, Lips. 1885, bes. 11 — 16
und irestd. Zeitschr. 1893, 203 ff.; Schilling, De leg. Rom. I Minervia et XXX Llpia,
Lips., 1899; Cagnat bei Daremberg et Saglio, Dict. d. ant. III 1075 ff. Interesnant ist,
dass eine Kaiserbüste auf Säule wie auf der Tessera der zehnten Legion (vgl. S. 76) auf
einer Bronzetcssera wieder vorkommt; die Rückseite derselben hat einen Kichenkranz und
die Inschrift A • P P • F = A(ugu8to) p{atri) p^atriae) f{eUciter) (Cohen VIII 272, 53)?
Die meisten Bronzetesseren gehören, wie oben nachgewiesen worden ist, in die Zeit
Domitians.
5) Domaszewski, Die Religion des röm. Heeres, 47.
6) S. 282, vgl. Domaszewski, ebda.
7) S. 235. 236 und 244 ; Domaszewski, Die Fahnen im römischen Heere (Abh. des
arch.-ep. Sem, in Wien, Y), 56 ff. und 59, 1. Die Vexilla erscheinen auch auf Bronze-
tesseren, Beifort, Ann. XVI, pl. VIII 5-7; Cohen VIII 271, 46 f.
8} 8. 254-257.
3«
36 M. BostovDBew,
Nun aber sind die evocati ausgediente Soldaten, welche allerlei tech-
nische und wirtschaftliche Geschäfte in einem Korps besorgen.^) Einer
bezeichnet sich ausdrücklich {CIL VI 2893) als Verpfleger, Intendant der
X. Legion. Wenn wir nun bedenken , dass im Prätorium die Evocatra
öfters zuerst fisci curatores waren ,^) so könnte man viellächt, die
evocati Augusti als diejenigen ansehen, welche die Eomverpflegung d^
Prätorianer besorgten. Seitdem aber die Prätorianer das fhimentum
piMicum bekamen, wird sich die Rolle der Evocaten auf die VermitÜuiig
zwischen der Administration der Frumentati<Hieu und der militärischen
Verwaltung beschränken.
Wir wissen aber, dass die incisi in die Minucia mit einer
tessera versehen kamen und dieselbe an die Verteilungsbeamten als
Kontrollzeichen abgaben; die Prätorianer bildeten sicher eine Ab-
teilung für sich, und es lag nahe sie mit besonderen von den evocati
verfertigten und signierten Tesseren zu versehen. Unsere Serie würde
vollständig erklärt werden, wenn wir annehmen wollten, die meisten
unserer tesserae seien solche Kontrollmarken, welche die Prätorianer
in der Minucia beim Komempfang abgaben. Seit Nero, sehen wir,
sind die Bleitesseren für die Frumentationen verwendet worden, und seit-
dem werden die Prätorianer mit frumcntum publicum versorgt; auf den
Tesseren der Zeit Neros haben wir mehrere militärische Typen konstatiert;
nach Nero kommen nur sporadisch Militärtypen in Verbindung mit Kaiser-
köpfen vor, 8) ja es verschwinden bald die Kaiserköpfe von den Tesseren
überhaupt. Da aber der Bedarf an Kontrollmarken derselbe bleibt,
so drängt sich die Annahme auf, dass man seit den Flaviem die
tesserae der gewöhnlichen Frumentationen vereinfachte und sie nicht mehr
mit Kaiserköpfen, sondern mit einfachen Typen, welche der Bestimmung
der Marken angemessen waren, versah. Diese Politik passt vortrefflich
zu der bürgerlichen Art der ersten flavischen Kaiser. Für die Militär-
frumentationen wählte man militärische Typen mit Erwähnung von
zeitweilig besonders verdienten Truppenkörpem ,*) für die bürgerlichen
passende Typen aus dem Bereiche der Thätigkeit der Annona.
Diese Typen, welche zuerst die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf
sich gezogen haben, sind in der Sylloge unter n. 336 — 489 vereinigt. Aus
denselben heben sich zuerst die Tesseren heraus, welche sich als Marken
für ausserordentliche largitiones durch das Beischreiben der Zahl des zu
empfangenden Korns charakterisieren (S. 338 — 345).
1) MommseD, Ephem. epigr. V 142 ff.; Schmidt, Hermes XIV 340; Domaszewski,
Korrespondenjgbl der westd. Zeüschr., 1899, 57; Bh, Mus., 1903, 218 f.
2) Z. B. CIL. III 7334; II 2610; XI 5646; Buü, com. 1899, 48.
8) S. 84—86 und 86» (SuppL).
4) Wie z. B. auf der Traiansmünze , Cohen II 70, 519, vgl. Domaszewski, Die
Fahnen, 45 ff.
Bömische Bl&Uesserae. 37
Aus den tbrigen, die wohl fttr die regelmässigen Verteilungen verwendet
worden sand, hebe ich als besond^^ charakteristische die Folgenden hervor :
1. Marken mit Erwähnung des frumcntwn oder der frumentatio und ent-
sprechenden Typen (S. 346 — 349); 2. Marken mit Darstellung des modius mit
oder ohne Kornähren (S. 350—382) ; 3. Marken mit Darstellung der Ähren
(S. 400, 402 — 427). Bezeichnend sind die Tiere, welche die Komprovinasen
charakterisieren: M^hant, Bhinoceros, Skorpion, Papagei für Afrika,
das Kaninchen f&r Spanien, die ephesische Fliege für Asien ;^) nicht
minder die Komtiare: Ameise, Heuschrecke, Eidechse, Schnecke^) (s. die
Indices zu der SyUoge),
Manche der vorkommenden Gottheiten sind höchst charakteristisch.
Öfters begegnet Fortuna mit dem modius:^ eine Darstellung, welche
zur Bezeichnung der Annona vielfach verwendet wurde. Annona
wird auch als Göttin, welche auf den Münzen Fides publica heisst, dar-
gestellt.*) Mit Annona steht weiter der Genius Somae in nächster Ver-
bindung;^) dasselbe ist endlich vom Bonus Eventus (S. 412) zu sagen.
Passend ist auch die Darstellung des Pfluges und des Ankers.*)
Schon das Gesagte und die angeführten Parallelen bestimmen an-
nähernd die Zeit unserer Monumente. Hervorzuheben ist noch, dass
ein Modius ohne Fortuna und die Kornähren die Annona erst seit
Hadrian symbolisieren (Cohen H 118. 119; 170—175, cf. 143; 439—441).
So ordnen sich die besprochenen Monumente in dieselbe Zeit mit
denen der militärischen Serie ein: es sind das ausgehende erste und das
zweite Jahrhundert, gerade die Zeit, in der man die Tesseren bei den
1) Vgl. Eckhel VI 489. Das KanincbeD encheint zuerst auf den Münzen Ha.
drians, Eckhel, ebda. 495 u. I 8 ff.
2) Vgl. die geschnittenen Steine, auf denen der annonarische Charakter dieser Tiere
mit grösster Klarheit hervortritt: z. B. Furtwängler, Ant. Gemmen XXIX 15: Heu-
schrecke und die Keule des Herkules mit Kornähre; XIV 67. 68: Heuschrecke
auf einer Ähre; XLVI 38: Heuschrecke mit Menschenarmen (vgl. Taf. XXIX, 85, 36,
41) vor einem Modius, aus dem Kornähren herabhängen, in der Stellung eines Korn-
beamten; auf den Ähren sitzt ein Papagei (?); Schnecke, Cikade und Fliege XLV, 58;
Fliege, Skorpion, zwei Ameisen mit Getreidekom XLVI, 46, vgl. Reinach, Pierres
gravies 71.
3) S. 850 — 355. Über die Darstellungsweise der Annona s. Brunn, Kleine
Schriften 50 ff.; Röscher, Lexicon I 359 (Wissowa); Benndorf, Beiträge zur Gesch. des
aU, Th. 47 ff., vgl. Matz-Duhn, Antike Bildwerke II 8095.
4) S. Rev. num, 1898, 257 ff.; Philol Bundschau XVl 197 ff. (russisch); Blanchet,
Buü. de la soc, d. ant. 1899, 243 ff. Bezeichnend ist die Vereinigung dieser Göttin mit
der korntragenden Ameise, dem Symbol des Sammeins und des Sparens, von denen die
Fides publica abhängig ist. Auf den MUnzen sehen wir die Darstellung seit Hadrian
(Cohen II 168, 716 ff.), vgl. Cohen 1880, 107 (Vespasian) und 1480, 108 ff. (Domitian).
Ahnlich auf einer Lampe, Dressel, CIL. XV 2, 6319, 8.
5) S. 363, 364, vgl. CIL. VI 868 das ReUef (J. 256 n. Chr.).
6) Vgl. CIL. VI 188: eine Weihnng an die Fortuna horreonm, Dargerteüt lind:
Krug und patera^ Olobns und Stenerrader, endlieh swei FÜUiOrBer mil ihnm vad
ein Pflug.
38 iL Bostowße^,
Karnxerteihimcea ganz regdmäsBig gebnnehte. Viele der aagefohiten
Typen sind in mehreroi Exemplaren rofhanden (S. 358ff^ 373, 383 n. a.).^)
Die Torstebende Untersni^nng hat gezeigt, daas die litefariachea und
inschriftlichoi Zeugnisse sowie die ans den Tesseren gewonnenai BesoHale
gegenseitig sieh statzen, dass die Teaseren, wie ich es am Anfange gefordert
habe, in der Technik der Verteflnngen ihren notwendigen und an-
gemessenen Platz finden nnd Manches in der bekannten Geschichte der
Fromentationen bestätigen nnd erweitern. Es lasst sich also die Geschichte
der Verteilnngstesseren in folgenAen Sätzen zosammenfassoL Die römisdie
Bepnblik gebrancht die Tesseren zom Zwecke der Verteilnngen noch
nicht, der hellenische and spezieU athenische Gebrauch der avfißola zor
Begoliemng von Massenakten wird in Born, Tielleicht zuerst Ton Augustns,
Tielleicht etwas früher, eingeführt Augustus gebraucht die Usserae
IsymboUi) zur Begnlierung seiner grossen personlichen Geld- und Kom-
spenden, wobei die Geldtesseren tesserac nummariae^ die Eomtesseren
frumeniariae genannt werden. Der Gebrauch der bronzenen münzähn-
lichen tesser(ie wird aber bald auch bei den Staatsverteilungen eingeführt,
und zwar werden die tesserac jeden Monat ausgeteilt und beim fimp&mg
des Getreides abgegeben. Auf jeder Tessera steht auf der einen Seite d^
Kaiserkopf, auf der anderen eine Zahl, wohl als Bezeichnung einer Unter-
abteilung der incisi. Daneben gebraucht man Bronzetesserae derselben
Art auch für Congiarien und vielleicht auch als Eintrittsbillete zu den
Spielen f s. unten S. 42 ff.;. Gewöhnlich aber, wenn die Verteilung im Namen eines
kaiserlichen Prinzen oder einer kaiserlichen Dame geschieht, bedient man
sich nicht der Bronze- sondern münzähnlicher Bleitesserae. Bei Verteilungen
im Namen eines Mitgliedes der kaiserlichen Familie erscheint auf den
Tesseren statt des Kaiserkopfes der Kopf der betreffenden Persönlichkeit
In dieser Weise verfährt man bis in die letzten Jahre des Claudius.
Unter Claudius wird die Komverwaltung in den Händen des praefedus
annonae zentralisiert, die Verteilung auf die einzelnen Tage des Monats
und auf einzelne Bureaus der für diesen Zweck umgebauten poriicus
Minuda repartiert. Jeder Komempfänger wird in eine besondere Gruppe,
welche ihr Korn an einem bestimmten Tage und in einem bestimmten
Bureau empfängt, eingereiht Dies wird jedem Empfänger durch Aus-
teilen besonderer Täf eichen — tcsserae frumeniariae genannt — , worauf
wohl der Tag und das ostium angegeben wurden, dauernd in die Elr-
innemng gebracht. Diese Tessera gilt seitdem als Legitimationsdokument
Daneben brauchte man aber Kontrollzeichen in der Art der Augustischen.
Deshalb wurden auch die Augustischen tesserac beibehalten und monat-
lich den Inhabern der tessera frumcntaria ausgeteilt. Diese münzähnlichen
tcsserae wurden seit Nero nicht mehr in Bronze geprägt, sondern in Blei
1) Die* enge Verwandtschaft mit den Bronzetesseren wird durch den Vergleich von
S. 378 mit Beifort, Ann. XVI 238 pl. VIII 8 cf. Ü dargetan.
Bamische Bleitessercui. 39
gegossen. Seit Nero wird Bronze für Tesseren nur ausnahmsweise ge-
braucht; das Blei wird vorherrschend. Der genannte Kaiser aber behält
die münzähnliche, mit dem Kaiserkopfe signierte Form der Tesseren bei. Bald
aber, wohl zur Zeit der Flavier, findet man es einfacher, den Kaiserkopf
wegzulassen und nur verschiedene passende Darstellungen auf die Tesseren
zu setzen. Man behält also nur die Reverse der Augustischen und späteren
Bleitesserae. Dementsprechend wählt man für Siegesdonativa und
Congiarien entsprechende Sieges- und ähnliche Darstellungen, für die
Frumentationen der Prätorianer vielleicht verschiedene geläufige Militär-
typen, für die bürgerlichen Frumentationen Typen aus dem Kreise der
Annona. Bis ins HI. Jahrh. lassen sich diese Typen verfolgen. Dann
verschwinden unsere Marken, wohl als Folge der unter den Severen sich
vollziehenden Reform der Korn Verteilungen , welche allmählich zu den
täglichen Brotverteilungen der ausgehenden Kaiserzeit, bei denen die
Kontrolltesseren überflüssig waren, führt. Die tesserae frumentariae hat
man aber beibehalten und sie siedeln auch mit der ganzen Technik nach
Konstantinopel über.
Diese Geschichte der Tesseren spiegelt die ganze Entwicklung und all-
mähliche Befestigung des römischen Kaisertums wieder. Die ersten Kaiser
halten es für notwendig mit der römischen Bevölkerung ernstlich zu
rechnen; sie wollen es den auserwählten Römern, die nicht mehr ihre
politischen Rechte ausüben, sondern ein beständiges Geschenk bekommen,
zum Bewusstsein bringen, dass sie in ihrer Versorgung mit Brot vollständig
vom Kaiser abhängig sind. Die Mitwirkung des Senats ist nur Schein. Diese
Idee wird durch ausserordentliche Verteilungen befestigt. Die letzteren
werden vermittelst der Betonung des persönlichen Anlasses dazu und der
Hervorhebung einzelner Mitglieder der kaiserlichen Familie zum mäch-
tigen Hebel der dynastischen Idee; und dazu tragen unsere Tesseren,
natürlich innerhalb Roms, wohl viel mehr, als die den Tesseren
ihren Typen nach ähnlichen Münzen, bei Die letzten Ausläufer dieser
Agitationspolitik sehen wir unter Nero. Seit Claudius aber sind die Fru-
mentationen etwas ganz Gewöhnliches geworden: sie werden allmählich
zum erblichen ständigen Vorrechte gewisser Personen; nur die Congiarien
behalten ihren Agitationscharakter. Dies alles spiegelt sich auf den
Tesseren wieder. Nur die Tesseren der Congiarien bringen von Zeit zu
Zeit gewisse Ereignisse den Bürgern in Erinnerung, die Frumentations-
marken sinken zu ganz beliebigen Zeichen herab, deren Äusseres
sie kaum von gewöhnlichen Privatmarken unterscheidet
Deswegen ist es auch sehr schwierig aus der Masse der vorhandenen
Bleie die, welche als Frumentationsmarken dienten, auszuscheiden. Es
ist leicht möglich, dass manche Privatmarken wegen zufälliger Ähnlich-
keit der Tjrpen mit imterlaufen können, und dass andererseits noch viel
inehr Frumentationsmarken sich unter den der Bestimmung noch harren-
den Tesseren befinden, so z. B. die schon von Stieglitz ausgeschiedene
40 M, Boriowaewy
Serie der Tessereu, welche die Aufschrift g(enio) p(opuli) R{amani) fiUmter
oder ähnliches trag^ (S. 1573—1607 oft oait der Darstellung des ga-
nanuten Genius verbunden). Pieser Aufschrift b^egnen wir auf yidan
Gegenständen ganz privater Art, ugd d^moch passt sie elmiso wie
mehrere Darstellungen der R&ckseit^ — Genius p. B. (öfters) ^ modim
(S. 1584), Fortuna (1580—1583) u. a. — auch zur Verwendung als Vw-
teilungsmajrken vortrefflich. Dasselbe darf nrnn von den Tess^w, welche
nur die Darstellung des Genius ohne Aufschrift trafen, sagen (S, 1608
bis 1652). Unter diesen kommen zwaor ganz sichere Privatmark^ vor: so die
Marke, auf welcher ein Genius vici dargestellt ist (S. 1613), und. die zwei
Marken mit Darstellung des Genius coüegii (S. 1611, 1612), anderersmts
aber spricht die starke Münzähnlichkeit mancher Typen und die oben
hervorgehobene annonarische Bedeutung des Genius für offizielle Y&r^
Wendung. Der Zeit nach gehiSrt die Serie hauptsäcbücti in das aus-
gehende erste und ins IL Jabrh. Di^ zeigt die Gescbichta des
Geniustypus auf den Münzen. Aus der repuUikaniscben T^it kennen
wir nur eine den Tesseren ähnelnde Darstellung (Babelon I 401. 402).^
In der Kaiserzeit begegnen wir dem auf den Tesseren üblichen Tjrpus
mit Füllhorn und Patera zuerst unter Titus (Cohen J 437, 95 ff.), ganz
üblich wird er von Hadrian (Cohen II 173, 796—801) bis Sevems
(IV 26, 209). Der andere auf den Künzra geläufige Typus mit Füllhorn
und Szepter, der auch auf den Tesseren öfters vorkommt, beginnt noch q^&ter,
nämlich unter Antoninus Pius (Cohen II 310, 405— 410).«) Unter Vespasian
wird der Genius mit Patera und Kranz (Cohen 1 362, 200), unter Trajan mit
Patera und Ähren dargestellt (Cohen 1146,275, auch auf den Tessi^en vor«-
banden). Ausserdem kommen aber auf den Tesseren mehrere auf den Münasen
nicht nachzuweisende Variationen des Geniustypus vor: mit Szepter und
Patera, mit Patera allein, mit Ähren allein, welche wahrscheinlich aus
den ins unendliche variierenden Darstellungen der Genien in der Klein-
kunst übernommen worden sind.
Was von dem Genius p. R, gesagt worden ist, gilt auch für die
Darstellungen der sogenannten Personifikationen, welche öfters auf den
Tesseren vorkommen. Abundantia, AeqwUas^ Bonus Eventus^ Cancordia^
Constantia, FelicH(xs, Fides populi Bomani, Hilaritas, Indulgentia (oder
ähnl), Liberias, Fax (oder äbnl.), Pieias Augusti, Saeculum aureum fdix
Augustum, Salus^ Spes^ Victoria, Virtus Augusia, daneben Bornas Africa^
der Tiber sind alle von den Münzen entlehnt und können ebensogut
private als öffentliche Marken charakterisiert haben. Auf die einzelnen
Typen und ihre Zeit bin ich in der russischen Auflage näher eingegangen
(S. 83 — 90) und möchte die Ausführungen nicht wiederholen. Als Resultat
1) S. 1616 cf. 1616 wiederholt wohl den repablikaDischen Typus, Babelon 1419.
2) Der Typus wird wieder seit Diokletian lebendig. Der Modius aber, welcher
in diesen späteren Darstellungen den Kopf des Genius sohmUckt, kommt auf den
Tesseren nicht vor.
Bömiaeke Bkitenerac. 41
ergab sich, daas «Jle Typen dem AUflgehendeu erst^ und dan zweiteiXi
ttsr «Asuhausweige dem dritten Jalurhimdert angdiären.
Es erttbrigt noch, ein paar Worte fiber die Tesseren, die zu der
Stadt Brai in engster Bezi^ung stdien, zn sagen.
Wir besitzen mehrere Tesseren, welche verschiedene Regionen und
vici der Stadt Rom erwähnen (S. 490—500). Möglich und wahrschein-
lich ist es, dass wir es in diesen Fällen mit Verteilungen oder Spielen *)
innerhalb einzelner Kreise zu thun haben. Ob dieselben vom Kaiser
kamen oder von der korporativ organisierten Bevölkerung der Distrikte,
lässt sich auf Grund des vorhandenen Materials kaum entscheiden. Wahr-
scheinlicher ist das Zweite.
Verteilungsmarken waren entschieden die Tesseren mit Erwähnung
der Satumalien mit der Aufschrift des bei diesem Fest üblichen Aus-
rufes (S. 501—512). Es war Brauch an den Satumalien Geschenke aus-
zuteilen und zwar mit Hilfe von Tesseren, deren Münzähnlichkeit ihnen
den Namen nomismata gegeben hat (das griechische Wort wohl zur
Unterscheidung von nummi), s. Mart. Xu 62, 9—12 : cernis ut Äusonio
sirnäis tibi pampa fnaceUo-\ pendeat et quanlu8 luxurietur honos? \ Quam
non parca manus? Largaeque nomismata mensae? | Quac Satume tibi
pemumererUur apes^ vgl. Friedländer zu der Stelle. Der Gebrauch der
Tesseren kam, wie wir gesehen haben, von oben; es ist wohl anzu-
nehmen, dass auch bei den Satumalien die Kaiser dazu den Anlass
gegeben haben. Für sie war bei der grossen Menge der zu Be-
schenkenden^) das Markensystem gegeben. Solche kaiserliche Tesseren
besitzen wir möglicherweise in unseren Bleimarken. Deswegen wird man
es wohl nicht als zu kühn ansehen , wenn wir die Kontremarke I • VE
auf S. 502 als Umpcrator) Veispasianus) interpretieren.
Durch Marken regulierte Koraverteilungen kommen nicht nur im
antiken Leben vor. Dass es das angemessenste System ist, Ordnung
in Massenausteilungen zu bringen, beweist das tägliche Leben mit seinen
Papierbons auf Schritt und Tritt. Aus der jüngeren Vergangenheit haben
wir aber noch schlagendere Parallelen. Den römischen Tesseren voll-
ständig analog sind die Marken der holländischen Städte des XVL und
XVn. Jahrb., die sog. Penninge. Eine Serie, die sog. Armenpenninge, tritt
unseren tesserae frumentariae besonders nahe. L. Minard van Hoorebeke
1) S. z. B. Tac., Eist 11 95: GladiatoreDspiele vieaiim, vgl. Säet, Tih. 76; FreHer,
Regionen 79; Hinchfeld, VerwaUungsg., 2. Aufl., 245 Aom. 2, wo nach dem Vorgang
Prellen die sehr ansprechende Vermutung ausgesprochen wird, dass die kaiserlichen
Sklaven und Freigelassenen, die a regionibus urbis heissen, «zur Beaufsichtigung der
vicatim vorgenommenen kaiserUchen Verteilungen und zu ähnlichen Verrichtungen . . .
▼erwendet worden*.
2) 8. Säet Veap. 19 : dabat sicut Satumalibus viris apophareta üa et per KäUn-
da$ Martiat femimi, cf. Mart V 19, 15; Suet Äug, 75 und Scr. h. Aug., Hadr. 17, 8.
42 M. Bostoweew,
{Description de mereaux et jetons de presence etc., 11 [Gand, 1878—1879],
Amsterdam, p. 66), sagt von ihnen folgendes : il y eut en 1662 une grande
disette, et la municipalite d^ Amsterdam fit proclamer que tous ceux gut
votdaient obtenir le pain de seigle de six Uvres un saus meüleur marckS
que la faxe devaient s^adresser au commissaire de la sectüm {il y avait
60 sections) pour recevair des mSreaux estampilles avec lesquels üs pour-
raunt aTier chez les baulangers de leur sectian. Die Marken (aus Blei)
haben auf der einen Seite das Stadtschild und Datum, auf der anderen den
Buchstaben W und die Nummer der Sektion. Ob diese Penninge nur
für einmal oder für die ganze Zeit gültig waren, sagt der Autor nicht,
vgl. ebda. I 377 : Marken mit Aufschriften auf der einen Seite BR = brood,
auf der anderen L (loodje = mereau) und die Nummer des Armen.
Kap. n.
Tesserae als Eintrittskarten zu den Schauspielen.
Ebenso reichhaltig wie die Verteilungsserie ist die Serie der Blei-
marken, welche Darstellungen und Inschriften aus dem Schauspielleben
aufweisen. Als charakteristisch wurden diese Darstellungen schon von
Ficoroni^) hervorgehoben, gaben ihm sogar Anlass, alle Tesseren als für
Schauspiele bestimmt zu erklären. Von Garrucci^) und Dumont*) ver-
worfen wurde diese Bestimmung von Stieglitz, Dancoisne*) und Benn-
dorf *) füi' einen Teil der Tesseren als richtig anerkannt. Auch hier
aber hat man sich mit allgemeinsten Vermutungen begnfigt und gar
nicht versucht, die Rolle der Tesseren bei den Schauspieden genauer zu
charakterisieren.
Manches Licht kam in diese Materie, hauptsächlich in der letzten
Zeit, aus Griechenland. Svoronos gelang es, eine reichhaltige Serie
von Tesseren aus Bronze, Blei und Thon als Eintrittsmarken ins Theater
zu bestimmen. •) Die reichhaltigsten Serien stammen aus Athen, andere
aus Mantineia. Besonders wichtig sind die anonymen Serien aus Athen,
welche durch Buchstaben signiert sind, zu denen entsprechende auf den
Sitzreihen des Dionysischen Theaters sich finden; dieselben bezeichnen
eine Volksabteilung. Diese anonymen Marken dienten wohl nicht bloss
zum Besuch der Schauspiele, sondern auch zum Eintritt in die Volks-
versammlungen. Sie laufen in ununterbrochenen Serien vom V. Jahrh.
V. Chr. bis in die späthellenische Zeit. Eine Fortsetzung werden wohl
die noch nicht untersuchten Bleitesseren mit Inschriften und Darstellungen
liefern.
1) Ficoroni, Pümbi antichi 77 ff.
2) Pümbi ÄUieri 17 ff.
3) De plumbeis apud Graecos iesseris 93 ff.
4) Bevue beige de numismaiique, 1891, 213 ff.
5) Zeitschr. f, oest Gymn. 1875, 88 ff.; 605 ff.; 610 ff.
6) £ßoQdivogy ^isd'vijs 'Efpr^ugls t^g Notiia^iatixfjs 'AQXcuoloylag, 1898 und 1900
IL€Q. A — ^; der erste Teil erschieD auch in französischer Sprache in der Riv. üäL di
num. 1898, 459 ff. und 1899, 461 ff.
44 iL Badavogew^
Wie dem aach sei, klar ist, dass das Maricensystem in Griechen-
land seit alter Zeit zor Begoliernng des Schanspielbesnchs mit £rfo]g
angewandt worde.
Wie war es in Bom? Bevor wir auf diese Frage Antwort gebra,
müssen wir nns, wie bei den Fmmentationen, zuerst die Technik der
Schauspielverwaltung in Bom nach litterarischen und inschriftlichen
Zeugnissen, soweit das möglich ist, klar machen. Leider ist das
Material, welches wir besitzen, lange nicht so reichhaltig, wie ffir die
Frumentationen.
Uns beschäftigen hauptsächlich zwei Fragen: erstens, wer hatte das
Becht, den Spielen beizuwohnen und wie übten die Berechtigten ihr
Bedit ans, zweiteosi wer leitete die administratiye Seite der Schaa^iele
und in welcher Weise geschah das? Die Antwort auf diese Fragen
ist längst von verschiedenen Forschem gegeben worden und ich habe
nur weniges hinzuzufügen.^)
Der Besuch der staatlichen Schauspiele stand jedem Bürger frd.
Ob, wie in Athen, die Sitzplätze in den Schauspielgebäuden nach Ab-
teilungen des Volkes ein für allemale verteilt waren, lässt sich leider
nicht sagen. Dionysius (m 68) weist für die älteste Zeit auf Kurien
hin, Mommsen hat an die Tribus gedacht; Beweise giebt es leider weder
für das Eine noch für das Andere.^ Eines steht aber fest: im Laufe
der Zeit werden besondere bessere Plätze für bevorzugte Stände
ausgeschieden und denselben ständig angewiesen. Man rechnet dabei
nicht nach Plätzen, sondern ndAYi pedes^) Senatoren, Priesterkollegien,
Gesandte und Gäste des römischen Volkes machen den Anfang, nach
ihnen kommen die Bitter und in der Eaiserzeit sehen wir im Kolosseum
besondere Plätze für paedagogi, praetextaii und ähnL ausgeschieden.^)
1) Für die ente der Fragen findet man das Material ziuaminengesteUt bei
HUbner, Ann, d. InMütOo 1856, 58 ff. und 1859, 122 ff.; Lanciani, BulL com. 1880,
236 ff.; MarqaaId^Friedl&lder, Staativeno, III 507 und 534 ff.; Hühen, J9iiS. oom. 1894,
312 ff. und CIL, VI 3206^—32348, s. auch meinen Aufiuttz in den Melanget de ^ieoU
de Rame XVm 199 ff.
2) Mommsen, Tribus 206. CIL. VI 995 bezieht sich auf die Frumentationen,
s. MommMn, StaaUreeht Ul 446, 1; Friedländer, SiUengeMchichte I 336, 5. Manehe
Analogien sprechen aber für diese Vermutung: so die Verteilung der Plätze in Lam-
baesis nach Curien (CIL, VIII 3293) , dann die Analogie mit Athen (oben die Arbmt
von Sroronos) und Ephesus, s. CIL. Hl 14195, 5—8 (ygl. Jdhrtsh, d. oest, arch. Inst.
1899, Beiblatt 43 ff.), wo jeder Phyle ein bestimmter Teil des Zuschauerraumes ange-
wiesen war. Auch die Sorge Ciceros um seine tribules gerade in den Tagen der
Spiele, Cic. ad, Q. fr. III 1, vgl. Mur, 78 u. 72 könnte für ein Zusammenbleiben der
tribules in diesen Tagen sprechen.
3) Dies hat Hülsen im BuU. com. 1894, 312 ff. glänzend nachgewiesen.
4) S. die in Anm. 1 angeführten Abhandlungen und die vollständige Zusammen-
stellung des inschriftlichen Materials bei Dessau, Inscr. sei. 5684«—/' mit Anmerkung;
5655; 5656.
Ebenso gellt man in den Provinzen vor.\) Dasselbe wissen wir auch für
Grieclienlanii
Der Raum in jedem Schauspielbau war natürlich genau bekannt;
man wusst^ genau ^ wie viel Leute bei jedem Schauspiele ünterkanft
finden können.^) Wir hören deshalb, daas das Volk lange vor dem Be-
ginne der Schauspiele sich bei den Schauspielgeb&uden versammelte,
natürlich um bessere oder überhaupt um Plätze zu finden.^)
So war es bei den Staatsschauspielen, Wir wissen aber^ dass neben
diesen auch Privatschauspiele geduldet wurden, besonders in der Kaiser-
aeit Bei denselben staad es natürlich dem Schauspielgeber frei, wenig-
stens einen Teil der Plätze zu vergeben oder zu verkaufen/)
Die Administration der uieisten Spiele (die ApolUnartn besorgte der
Praetor) gehörte, wie bekannt, zur Zeit der Republik den Aedilen, welche
Cicero {de leg. III 7) coeraiores , . . . ludorum s^hnmimn nemit Die Be-
sorgung der Spiele ist also eine cur^^) In den letzten Zeiten der Repu-
blik wmde es üblich, im Falle der Verhindening einem anderen seine
mru zu übertragen. So besorgte Antonius (zur Zeit allerdings auch
Prätor) die Apollinarischen Spiele des M. Brutus/) so hat sirh Matius
von Seiten Ciceros schwere Vorwürfe wegen der Besorgung der Spiele
des jungen Octavianus (im J. 44) zugezogen (s* Cic., ep. XI 28, S;
auch 27, 7).^) Rs war, wie Matius sagt, sein^wlts ein rein privates offi-
cium, wie auch die Spiele Privateache des jungen Erben ('äsars waren.
Octavianus hat Matius wohl wegen seiner zu zarten Jugend darum ge-
beten. Ähnliche omraUtmm scheinen schon in den Zeiten Cäaars ganz
ttbUch gewesen zu sein und galten für die, denen sie übertragen wnrdaii
als greese Ehre.^) Unter Äugustus be^or^en die regulären StMto-
spiele die Prätoren.^)
Daneben fanden die kaiserlichen Spiele halbprivaten Charakters
die grösste Entwicklung. Sie wurden, ebenso wie die Congiarien,
von Augustes und seinen Nachfolgern nicht nur in ihrem eigenen
1) Vgl. Mominsen, Staatsrecht IH 460, 2,
2) l>it* uns bekannten Aogaben »lad vao Hülsen« ji. a. O. xu^ammongcstpllt und
bespruüben worden.
3) Suet, Cah^. 2S. Dm »cbboF«»t dA« Sitzen nuch Tribu« nicht aus^ da natüftich
Hiebt öUe Tribulen in d*'m ibot^n angewieseocü Kaum Fiat« fimku konntrn.
4) S- Marquardf-Friedländpr, «- a, CK 472. 478,
b) Mommiiei) , S(mU9fvcM TP .^17 ff.; Ub«r den BcgriBT di^ cura t. Koniemanii
bei Pauly-Witwwa, Rll IV 1751 C
6) Die mdlf n Wi Drumanti I 324 tmd 141 (DrtiaiviE»>6roelit I 885 Oü^ 108).
7) Ludi Victorias VaumiM §. ItloauDseti, CIL. I H9i; üoik Ane. 91.
8) 8- Cic.» (am. VI 19, 2 (ad Leptam a. 46): de curat ion$ alifwi mitn^nm r#-
ffiorum cum Oppio hcvtwi mm etc. Dais munera aU Spiel» aufsurtit«» uü, itl denk-
bar; auch die cura ludorum iit ein munm^ ». Cic. ep,XJ2S, 6; qu^d iamem mnnm . * , .
prmssttm dehui, vgL ad. Ätt. XUl 46 und 8chmtdl, BfHfwMdml 34S und 358.
9} Monmiaen, maai9r€chi IP237.
46 M, Bostowzew^
Namen, sondern auch im Namen ihrer nächsten Angehörigen gegeben.')
Von der Verwaltung dieser Spiele in der früheren Kaiserzeit haben
wir keine Nachrichten. Unter Caligula scheint ein ständiger curator
dieser Spiele, die hauptsächlich aus Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen
bestanden, zu funktionieren. Wenigstens spricht für die Ständigkeit die
Art und Weise, in welcher Sueton das Amt anführt (Suet, Calig. 27):
curatorcm munerum ac venationum per continuos dies in conspectu suo catenis
verberatum non prius occidit quam offensus putrefadi cerebri odore. Diesen
curator mit Hirschfeld für einen Freigelassenen zu halten, haben wir keinen
Grund. Dagegen nennt Tac. , Ann, XIH 22 einen für bestimmte Spiele
ernannten curator: praefectura annonae Faenio Rufo, cura ludorum qui
a Caesare parabantur Arruntio SteUae, Aegyptus Ti. BalbiUo pcrmiUuntur.
Die genannte cura ludorum war, nach ihrer Stellung zwischen den zwei
höheren praefecturae zu urteilen, auch selbst eine der höchsten ritterlichen
curae.^) Später haben wir ständige Vorsteher der kaiserlichen Spiele
in der Gestalt besonderer dazu ernannter Prokuratoren.*) Im J. 80
hören wir, dass die Verteilung der Plätze im Kolosseum durch Laberius
Maximus den praefcctus annonae und zugleich Prokurator, wohl des Ko-
losseums selbst, geschieht*) Diese Nachricht wird uns vollständig ver-
ständlich, wenn wir bedenken, dass in dieser Zeit die Leitung der Frumen-
tationen in den Händen des Praefectus lag, dass er also allein im Besitze
des genauen Verzeichnisses der plebs frumentaria war, welche in der
Kaiserzeit wohl hauptsächlich, wenn nicht ausschliesslich, den Zutritt
zu den spectacula hatte. Man muss andererseits bedenken, dass das
Kolosseum eben erbaut worden war, und dass es besonders wichtig war,
gerade jetzt die Leitung des Gebäudes einem hochgestellten und er-
fahrenem Manne anzuvertrauen.
Wie gesagt, glaube ich, dass schon im ersten Jahrh. die pld)s fru-
mentaria fast allein zum Besuche der Schauspiele berechtigt war. Für
das IV. Jahrh. ist es durch die Serie der Inschriften des Tarracius
Bassus,^) deren Praescript lautet (nach Hülsen): ex auctoritate Tarraci
Bassi V. c. prae{fecti) urbi nmnina acre incisa [. . . .]nartorum qui 9ibi
pecuniam [publicam] et locum spectaculis et panem populi contra disci-
plinam Bonianam derel[ ] vindicare consucverant, bewiesen. Die-
selbe enge Vereinigung sehen wir schon früher überall in den Texten
1) Augastus referiert darüber genau in dem Monumentum Ancyranum c. 22,
vgl. den Kommentar von Mommsen, wo die anderen Zeugnisse verzeichnet sind.
2) Über die curatores ludorum s. Hirscbfeld, Vencaliungsg. 177 f.; Mommsen,
Staatsrecht II* 451; Marquardt-Friedländer, Staatsvenc. III* 488-, Romemann bei Pauly-
Wissowa, RE. IV 1798.
3) Hirschfeld, a. a 0. 178.
4) CIL. VI 2059 = 32363; Dessau II 5049; Pros. II 257, 3.
5) CIL. VI 31893—31901, vgl. Hirschfeld, Sitsungsh. d. Berl Ak., 1891, 852;
Waltzing, Corp. prof. II 109 und III 767-769.
Bömische Bl&itesserae, 47
und auf Monumenten, so z. B. besonders charakteristisch auf einer Sae-
cularlampe, welche Dressel folgendermassen beschreibt (CIL. XV 2, 6221, 7):
in media parte lucernae agitator adversus stans s. ramum pälmaej d,
coronam tenet. Ä parte 8, gladiator scutum qtuidratum et mucroncm
tenens; gdlea eius bactdo in terram dcfixo imposiia est. Aparte d. duo
modii cum spiciSj quorum aUcri duo globi imposüi sunt alteri quadrupel
(equus) sin. saltans; infra crumenae quattuor.^) Es ist klar, dass alle
drei Arten der Befriedigung des Volkes je später desto mehr zu fest re-
gulierten kaiserlichen Geschenken wurden, welche stets an dieselben Per-
sonen, die den Kern der hauptstädtischen Bevölkerung bildeten, verabreicht
wurden. Dass dies für die Schauspiele vor dem J. 80 geschehen ist,
zeigt die oben angeführte Inschrift; es ist möglich, dass der Wandel sich
unter Claudius mit der Schaffung der Schauspielprokuratur vollzogen hat*)
Wir sehen, die Überlieferung ist karg, von den Tesseren sagt sie
kein Wort: kein Wunder, da sie auch für wichtigere Fragen stumm
bleibt. Dennoch scheint es ganz sicher zu sein, dass schon in den Zeiten
des Augustus und vielleicht noch früher Tesseren für die Regulierung
der Spiele gebraucht wurden.
Wir besitzen noch mehrere Tesseren, auf welchen senatorische Cura-
toren genannt werden. Sie teilen sich in folgende Gruppen.
Zuerst (S. 516) haben wir auf einer Tessere den Namen Herenn(iu8)
Ruf{us) cur{ator) und auf der Rückseite einen curulischen Sessel mit je
drei fasces auf jeder Seite — den Sessel eines Prätors.*) Dasselbe auf
der Tessere S. 517; der Name lautet P. Tettius Rufus. Es fehlt nur die
Bezeichnung des Amtes. Tettius Rufus kennen wir; s. Prosop. III 309,
104: er hat es sicher bis zum Prätor gebracht und gehört in den An-
fang des I. Jahrh.
Nun aber ist es höchst interessant,' diese Serie mit einer Münzserie
der Augustischen Zeit, der des Livineius Regulus, zusammenzustellen.*)
Auf einigen der Münzen dieser Serie erscheint ein den unsrigen ganz
analoger curulischer Sessel, auf anderen allerlei Szenen aus dem Bereiche
der venationes, welche Livineius wohl als Prätor gegeben hat. Die Münz-
serie erinnert mich wieder an eine Tessere : auf der einen Seite derselben
sehen wir einen Kopf der ersten Eaiserzeit nach links, vor ihm einen
1) Das berühmte panem et circenses ist nur RedoktioD dieses vollstäDdigen Ver-
zeichnisses der emölumenta eines aere incisus; über panem ei circenses b. Friedländer,
i^litteng. II 296.
2) Dagegen spricht scheinbar Fronto, princ. hist. V 11: minus acribus stimulis
congiaria quam spectacula expeti; congiaris frumentariam modo plebem singiüatim
placari ac nominatim spectaculis Universum [populum Dabei denkt aber Fronto
hauptsächlich an die besseren Stände, an berorzugte Plätze und an die Maasenwirkimg.
3) Herennios Rufus ist eine bekannte Persönlichkeit des ersten Jahrh. (CIL. XI
3717; Prosop. II 138, 90).
4) S. Babelon, Monn. de la Rep. II 140, 9—11.
48 M. IhMowgew,
Litnns, rings die insefarift C. Limi[eiu]s Paulus; auf der Rttekseite
befindet sick ein Adler von vorne, Kopf n. r. nrit Kranz im Schnabel
mid Palme in den Krallen.*) Wen der Kopf darstellen soll, weiss
ieh nicht.
Den prätorischen Tesseren reihen sich drei ähnliche Bleie an
(5. 518 — 520). Allen gemeinsam ist die Darstellung eines cnrulisclien
Sessels auf einer Seite, auf der anderen sehen wir einmal (S. 518) einen
Porträtkopf, das andere Mal einen Medusakopf (8. 519),*) auf der dritten
(S. 520) ist die Darstellung unkenntlich, weil durch eine Kontremarke
nrit Darstellung eines siegreichen Pferdes ersetzt ; neben dem curulischen
Sessel der letzteren Tessere steht die Inschrift AVG. Der curulische
Sessel der beschriebenen Bleie unterscheidet sich von dem der prätorischen
Tesseren dadurch, dass er durch keine fasces flankiert ist — die Inhaber
und Verfertiger der Tesseren waren demnach Aedilen.
Daneben haben wir mehrere Tesseren, auf denen die Namen der
Guratoren als Rflckseite von kaiserlichen Porträtköpfen erscheinen. Attf
8. 513 sehen wir den Kopf einer Dame des Augustischen Kaiserhauses, der
Livia oder Antonia, und auf der Rückseite die Inschrift: C. ÄnniwPoUio
pviador) ä{e9ignatm) em{ator), Deii Annius Pollio kennen wir. Unter
Tiberius war er schon Konsular (Tac., Ann. VI 9, vgl. Prosap. I, n. 518
cf. n. 520; Pauly- Wisse wa, Ä jB. I 22, 72). S. 514 giebt ein sicheres
Porträt der Julia^ Augustus' Tochter,^) und auf der Rückseite die Inschrift:
M. JMisUus Labeo cMr(cUar). Dieser Labeo ist zweifellos der berühmte
Jurist der Augnstischen Zeit^) An diese zwei Tesseren reiht sich von
selbst eine vor kurzem aufgefundene Tessera S. 514*" an. Wiederum
haben wir das sichere Porb'ät der Julia und auf der Rückseite die In*
Schrift: Pr[i]sciüu8 cur(ator) (s. die beigegebene Taf. I, 16). Ä. 514*» giebt
ebenfalls ein Porträt — einen männlichen, dem der Tessere 8, 518 stark
ähnlichen Kopf — auf der einen Seite; auf der anderen steht die In-
schrift: Q. oder C] Caectlius Q. f. Oinogenus f{äius) cur(atory) Dass
unser sonst unbekannter Caecilius dem senatorischen Stande angehört
zeigt schon sein altertümliches Cognomen.**)
1) Abgebildet und beschrieben io der russischen Auflage S. 189.
2) Ganz ähnlich ist die Bronzetesscra Cohen VIII 265, 2: Medusakopf im Kranze
liV im Kranze D. 24 Mill.
3) Vgl. die Mariusmttnzen Eckhelll 102; gute Abbildungen in meinem AufiMtse in
der Strena Helbigiana, S. 262 ff.
4) S. Prosop. I 86, 594; Pauly-Wissowa R E. I 2548 n. 34.
5) Für das wenig gewöhnliche f[iliu8) statt iun(wr\ s. das S. C, de OropHs t. la
Ailo£ KaöxilUog A^Xov vibg 6 vi6g (nach der sicheren Lesung Bormanns, Htr8ehfeld9
Fes^hriß 432), vgl. L. Volusenus Catuhta fißius) CIL, VI 31543; Dessau 5898 (Aivftng
des ersten nachchr. Jahrb.).
6) Vgl. Asiagenus CIL. VI 1291. Oder soll man die Bildungen wie Primigeniiu
zur Erklärung zuziehen?
Bömische Bleüesserae. 49
Auf der aus Fröhners Sammlung stammenden Tessera S. 514° sehen
wir auf der einen Seite die Büste des Tiberius und . die Inschrift:
Ti, Aagustus,^) auf der anderen die Inschrift: T. Cornelius Paetus ponti-
f{ex) curat(ar) (s. Taf. I, 17), also auch ein senatorischer (s. Mommsen,
Staatsrecht 11 33), leider sonst unbekannter Beamter.
Endlich S. 515 giebt auf der einen Seite das Medaillon Caligulas auf
den Flügeln eines Adlers ruhend, auf der anderen die Inschrift: Caecilius
Justus cur(ator). Diese Persönlichkeit ist uns unbekannt.
Die Tesseren S. 522 und 523 mit den Namen der curatares: P. Gavius
Priscus und C. Oppius Honipratus) zeigen auf den Rückseiten den Kopf
der Juno Lanuvina, die n. 524 und 525 mit den Namen eines (7. Luccius
Crassus und Q, M Val die Göttin Roma, endlich trägt die
Tessera 521 nur den Namen C, Brtdtidi(us) Brutus mit dem Titel cur-
(ator) auf der Rückseite; es ist entweder der Rhetor der Augusti-
schen Zeit (Sen., Contr. VII 5, 6; IX 1, 11) oder einer seiner Nach-
kommen.*)
Nach allen den angegebenen Parallelen scheint es schon jetzt fast
sicher, dass wir es mit curatores ludorum (resp. munerum et venatianum)
zu thun haben. Es ist kaum Zufall, dass alle bekannten Namen Ver-
tretern des senatorischen Standes angehören, dass sich darunter zwei
Praetoren, denen seit Augustus (wie gesagt) die cura ludorum oblag, be-
finden, dass auf einer Tessera sich eine Zirkusdarstellung findet, dass
analoge Münzen eines Prätors denselben als Spielgeber feiern.
Nun aber haben wir noch andere Beweise. Auf der Tessera S. 528
haben wir auf beiden Seiten Darstellungen je eines kämpfenden Gladia-
tors, daneben auf einer Seite CVR, auf der anderen M, was doch wohl
cur{ator) m{uneris) aufzulösen ist (s. Taf. I, 18). Eine Kontremarke
cur{ator) befindet sich auf einer Tessera (S. 529) mit dem Kopfe eines
Kaisers oder Mitgliedes der kaiserlichen Familie; die Rückseite giebt
Diana, die Göttin der venationes,^)
Endlich findet sich noch etwas, was kaum zufällig sein kann. Wir
besitzen zwei fast vollständig ähnliche Tesseren S. 526. 527. Auf beiden
ist auf der einen Seite eine Viktoria dargestellt. Einmal steht bei ihr die
Beischrift cur(ator\ das anderemal V-A. Die Rückseite zeigt auf beiden
Tesseren die Darstellung eines halbliegenden Flusses mit der Beischrift
ARR. In den zuletzt angeführten Buchstaben lässt sich der Name des
Curators vermuten, die Buchstaben V-A bei einer Viktoria werden wohl am
wahrscheinlichsten in V(ictoria) Ä{rmeniaca) oder A(ugustt) aufzulösen sein;
1) Vgl. Cohen I, Tib^re, n. 49—63. Interessant ist es, dass auf der Tessere
sogar divi f. weggelassen ist.
2) Einen Mann dieses Namens aus senatorischem Stande kennen wir unter Tibe-
rius Prosop. I 240, 129 u. 130; Pauly-Wissowa, B. E. II 907.
3) Wissowa, Religion und Kultus, 198.
Kostowzew, Bömitcho Bleit«M«rae. 4
50 M. BostoweeWy
darnach lässt sich das Ganze auf die Spiele des J. 55 n. Chr. deuten, deren
Curator, wie oben angeführt worden ist, ein Arruntius Stella gewesen
ist (Tac., Ann. XIII 22); die Spiele wurden wohl sicher aus Anlaas der
Erfolge der J. 54 und 55 in Armenien gegeben.^)
Wie dem auch sei, curatores ludorum dürften auf Tesseren nachge-
wiesen sein. Das Tesserenmaterial ist aber noch nicht erschöpft. Auf
S, 530 haben wir die Köpfe des Nero und der Agrippina und die Bei-
schrift Ti. Cla(uditis) proc(uratar) , auf der Rückseite den Kopf Neros
und als Kontremarke CP wohl CQaudius) p(rocurator). Wir haben schon
(S. 29) das Zeugnis des Tacitus (Ann. XU 41) angeführt (cf. Suet, Nero 7),
um eine analoge, wohl Congiarientessera zu erklären ; auf das ladicrum cir-
censium quod acquirendis vtügi studiis edehatur wird sich, wie die folgende
Tessera zeigen wird, unsere Marke beziehen. Auf S. 532 sehen wir auf
der Hauptseite zwei applaudierende Zuschauer auf den Stufen eines Schau-
gebäudes sitzend und daneben die Beischrift IV V, wohl iuv{enale$), wie
weiter unten zu zeigen ist, auf der anderen rings die Inschrift Jul{iu8)
Quadr{atus) Ti. l{iheHus) proc(urator), im Zentrum einige ziemlich un-
sichere Buchstaben. Kein Zweifel also: vor uns stehen die seit Claudius
auch inschriftlich nachzuweisenden Schauspielprokuratoren, beide Male
wohl unter Claudius selbst tätig. An diese Tesseren schliesst sich eine
reichhaltige Serie an (S. 534 — 548). Fast ausschliesslich treffen wir
hier Schauspieldarstellungen. Die Hauptseite bilden überall Darstellungen
der applaudierenden Zuschauer, auf den Eückseiten: Palme (539), Lorbeer-
zweig (543. 544), ein Zirkuswagen mit 8 Pferden bespannt (533),*) Gla-
diator (534—537, s. Taf. I, 19), Juno Lanuvina (540, s. Taf. I, 20),
Ceres (541. 542). Fast auf jeder stehen Initialen: auf n. 545 APPRO
wohl Ajy^pit^) pro(curatar), auf 548 TICP = Ti. Claudius) p{rocuraior).
Damit. sind die Procuratoren der Spiele als Fortsetzer der curatores
evident nachgewiesen. Nun aber, was sind diese Curatoren und was
sagen uns die Tesseren darüber?
Das Spielegeben ist, wie oben gezeigt worden ist, eine cura; jeder,
der Spiele giebt, ist curator des betreffenden Schauspieles. Curatores
ihrer Spiele waren demnach die Prätoren unter Augustus. Kein Wunder,
dass sie diesen Titel auf die Tesseren setzen und ihre Prätorenwürde
nur durch die sella curulis symbolisieren. Diese Serie ist also klar:
Prätoren als curatores ludorum geben Tesseren aus zur Regelung des
1) S. Tac, Ann. XIII 7—9 bes. 9 am Eudc. Das Resultat des Feldzugs dieser
Jahre war das Verlassen Armeniens durch die Parther. Corbulo kommandierte in
Armenien. Auf die Privatspiele des Arruntius Stella unter Domitian (Marquardt-
Friedländer III 470) können sich unsere Tesseren nicht beziehen.
2) Vgl. die oben S. 29 angeführte Tessera mit demselben Rs. und dem Nerokopfe
auf der Hauptseite. Damit sind auch die anderen a. a. 0. zitierten Tesseren ab
Marken für Schauspiele nachgewiesen.
Römische BleUesserae, 51
Besuches der betreffenden Schauspiele. Dass ihr Porträt auf den Tesseren
nicht erscheint, ist unter dem Prinzipat selbstverständlich.*)
Daneben haben wir (oben S. 48) Tesseren ungenannter Aedilen, und
zwar einmal eine mit bedeutungsloser Rückseite, einmal mit einem un-
bekannten Porträt und einmal mit der Inschrift Augiustus) oder Aug{ur
stales) seil, ludiy) Aedilicische Spiele unter Augustus sind nur die Spiele
des Agrippa.^ Ob der Porträtkopf auf der zweiten Tessera den
Agrippa darstellt, ist zweifelhaft und kaum zu entscheiden. Falls es
wirklich Agrippa wäre, hätte Cäcilius Oinogenus (oben S. 48) in seiner
Vertretung figuriert.
Ganz klar und verständlich sind dagegen die Tesseren mit Frauen-
köpfen. Es sind sicher Marken für Schauspiele, welche Augustus im
Namen der abgebildeten Frauen gegeben hat, ganz wie bei den CJongiarien,
die im Namen eines Mitgliedes der kaiserlichen Familie verteilt
wurden. Die auf den Marken erscheinenden curatares sind die Vertreter
der kaiserlichen Frauen, da dieselben selbst die Spiele nicht veranstalten
konnten. Das Verhältnis ist dem des Matius Octavianus gegenüber gleich.
Diese Vertreter waren senatorischen Standes, wie es sich für hoch-
gestellte Damen gebührt.
Die anderen Tesseren sind leider nicht so ergiebig: vielleicht sind
die mit der Darstellung der Juno Lanuvina Marken der curaiores der
Spiele, die zu Ehren dieser Gottheit in Rom oder in Lanuvium gegeben
wurden (darüber weiter unten).*) Die Darstellung der Roma spricht
vielleicht von den ludi Bomani.
Eines ist klar: seit der Zeit des Augustus wird der Besuch der
Spiele durch Tesseren reguliert. Die Tesseren geben die Schauspielgeber
aus, d. h. die curatares der betreffenden Spiele, ob sie die Spiele stio namine
veranstalten oder im Namen eines anderen fungieren. Im letzteren
Falle, wenn die zu Vertretenden Mitglieder der kaiserlichen Familie sind,
erscheinen auf den Tesseren ihre Porträtköpfe.
Dass weder der Name noch der Kopf des Kaisers Augustus auf den Cura-
torentesseren zu finden ist wird wohl kaum Zufall sein und zeugt davon,
dass die Spiele des Augustus nicht durch Curatorenmarken reguliert worden
sind ; wenn überhaupt Marken dabei verwendet wurden, waren es Marken
1) Dass sie als Vertreter fungieren, ist kaum anzunehmen; der zu Vertretende
würde sich kaum in dieser Weise auf den Tesseren seiner Spiele zurückziehen. Ma-
gistrate als Curatoren sind in den Munizipien ständig, s. Komemann bei Paolj-
Wissowa, R, E. IV 2, 1803.
2) Dass sich die Tessera auf die bekannten ludi AugustdUs besieht, ist kaum
möglich ; seitdem diese Spiele im J. 14 (s. Mommsen, CIL. 1 404) ständig waren, worden
sie snerst von Tribunen, dann von Prätoren gegeben.
8) Dio 49, 48; Plin., Not, hüt. 36, 104, 121.
4} Dafür sprechen die unbekannten Namen. Es sind kaum Senatoren, eher Ritter.
4*
52 M. Bostowzew^
des Congiarien- und Fnunentationentypus, und es ist sehr wahrscheinlich,
dass die Bronzetesseren des Augustus auch bei den Spielen ihre Ver-
wendung fanden. Dasselbe kann auch von den Tesseren der kaiserlichen
Prinzen gesagt werden.
Zur Zeit des Tiberius erscheint ein curator auf einer Tessera mit
Kaiserkopf; es ist aber bei der Seltenheit der Spiele dieses Kaisers
kaum an ständige Vertretung zu denken.^) Dagegen scheint es, dass
seit Caligula die cura ständig wird und die Curatoren wahrscheinlich
nicht mehr dem senatorischen Stande entnommen werden. Die Häufig-
keit der Spiele unter dem jungen Kaiser und seine monarchischen Ten-
denzen machen die Eeform verständlich und erklärlich. Seit Claudius
und Nero haben wir auch auf Tesseren fast ausschliesslich Procuratoren
und an die Serie der Procuratorentesseren schliesst sich eine reichhaltige
Gruppe der sog. Spieltesseren, mit verschiedenen aus dem Leben des
Theaters, Zirkus, Amphitheaters entlehnten Darstellungen. Die Pro-
curatorennamen werden entweder stark abgekürzt, oder nur durch
Initialen angedeutet, was zu ihrer untergeordneten Stellung und ihrer
Ständigkeit vollkommen passt.
Leider ist es nicht zu entscheiden, ob Curatoren oder Procuratoren-
namen auf zwei Neronischen Tesseren (S. 23 und 531) erscheinen. Wenn
die Genannten {Man(lim oder ähnl.) For(tunatus oder ähnl.) und PatU-
linas) Curatoren sind, so bilden sie mit Arruntius Stella zusammen
eine Eückkehr zu Curatoren, die ausnahmsweise mit Procuratoren gleich-
zeitig fungieren.
Die Darstellungen auf den Rückseiten der Tesseren, welche auf den
Hauptseiten den ständigen Typus der applaudierenden Zuschauer auf-
weisen, führen uns von selbst zur Untersuchung der Tesseren, welche
verschiedene Darstellungen aus dem Schauspielleben tragen. Dabei ist
vor allem zu bemerken, dass Darstellungen aus dem Theaterleben
ungemein selten sind, ebenso selten sind die sich auf Athletenspiele be-
ziehenden Marken; häufiger sind die Tesseren, welche auf Gladiatoren-
spiele weisen, am häufigsten die aus dem Kreise der vcnationcs und
Zirkusrennen.
Mit Sicherheit lassen sich auf das Theater nur zwei Typen (S. 561,
562 und die beigegebene Taf. I 21) beziehen. Die Aufschrift lautet
ganz ausdrücklich ltid{i). Auch die Tessera S. 559 mit der Aufschrift
die 1 {primo) möchte ich für eine Schauspieltessera erklären, vgl. die
1) Dass Tiberius, wie Sucton {Tib. 47), v^l. Tac, Ann. IV 62, angiebt, überhaupt
keine Spiele gegeben hat, ist kaum denkbar. Sueton spricht wohl von den ausser-
ordentlichen Spielen, welche unter Augustus so häufig waren. Denn Spiele hat der
Kaiser sowohl als Konsul (besonders die Spiele zu Ehren des Augustus, s. Mommsen,
lies gestac'^ 9S)j wie auch sonst geben müssen (so bei seinen Decenualien, s. Dio 57, 24,
vgl. 58, 24).
Römische Bleitesserae. 53
Tessera S. 578 mit der Aufschrift dies venat(ionis) ^). Für athletische
Agone waren wohl S, 554—556 bestimmt
Tesseren als Eintrittsmarken in die Gladiatorenspiele sind durch
S. 565 (s. die beigegebene Tat 11 1) mit der Aufschrift spedas be-
zeugt. Die technische Bedeutung des spectare ist bekannt.*) Auf
S, 566 scheint mun(us) zu stehen. Die Darstellungen der Gladia-
toren (S. 568—577) weisen keine bemerkenswerten Besonderheiten auf.
Die vorkommenden abgekürzten Namen werden wohl Prokuratoren-
namen sein.
Reichhaltig ist die Serie der venationes. Die Tessera mit Aufschrift
dies venat{ionis) wurde schon erwähnt (S. 578). Ihre Bedeutung als Ein-
trittsmarke ist nicht zu leugnen. Derselben schliessen sich mehrere
Typen mit Darstellung von Kämpfen der venatores mit Tieren und von
Tieren unter sich (S. 579 — 705) an. Hervorzuheben ist S. 580 (s. die
beigegebene Taf. 11 2) wegen der Kontremarke. Auf beiden Seiten der
Tessera sind Kämpfe eines Venators mit Tieren dargestellt; auf einer
Seite unter der Darstellung steht in Kontremarke Sot{ ) (defiinctus).
Dieser Zusatz kann nur in der Weise erklärt werden, dass auf der
zum zweiten Male gebrauchten Tessera der Tod eines Venators, wohl
des auf der Tessera dargestellten, notiert worden ist. Es war zugleich
Reklame für die Spiele und vielleicht auch für das zum zweiten Male auf-
tretende siegreiche Tier.
Für die Chronologie sind einige Darstellungen wichtig: so bietet
S. 600 einen Löwen und einen Hasen, eine Zusammenstellung, die
an Martialis I 6, 14, 22, 48, 51, 104 erinnert. Den Kampf eines
i:iefant^n und Rhinoceros (S. 625—627) erwähnt Dio 55, 27, vgl. Fried-
länder, Sitteng. U 542. Zweihörniges Rhinoceros und der Bison sind
von Domitian zuerst gezeigt worden (S. 643 und Friedländer, Sitteng.
II 542; 544); ebenso wird unter Domitian eine Zusammenstellung des
zweihörnigen Rhinoceros und eines Stieres erwähnt (S. 645, 646 und
Mart. I 9).»)
Die Tessera S. 635 mit Darstellung eines Elefanten und seines
rector und der Inschrift Aug(ustus) erinnert an ähnliche Bronzen mit
Darstellung eines laufenden Kamels und auf der Rückseite der Inschrift
Aug{ustus) oder einer Zahl, ganz wie auf den Serien mit dem Augustus-
kopfe (Beifort, Ann. XVI 174) — ein neuer Beweis für die Verwendung
der Bronzetesseren zu denselben Zwecken wie der Bleimarken.
1) Vgl. S. 619 vielleicht tetitius) dec{imm) seil, dies,
2) S. Elter, Hh. Mus, 41, 530. Analog sind die athenischen Marken mit der
Aufschrift ^Qxov^ 8. Svoronos, Joum. intern, de num., nt^i xüv iioitr\Qi<av J^ n. 291 — 296.
3) Die Zusammenstellung von Stier und Elefant wie auf der beigegebenen
Taf. 11 3 ist zu jeder Zeit gebräuchlich.
54 M, BostowBew^
Ebenso reichhaltig ist die Zirkusserie,*) Das Zirkusleben sehen
wir hier reich illustriert. Es werden die Hauptteile des Zirkus, wie
die Delphine,^ die Meta,^ der Obeliscus,*) die Viktoriastatue ,^ die
pompa circensis,^) Quadrigen und Bigen,^ Zirkuskutscher,®) Desultoren,*)
endlich siegreiche Pferde, oft mit beigeschriebenen Namen, ^®) dar-
gestellt. Daneben kommen die im Zirkus oft gebrauchten Gegenstände
vor (S. 719).
Am zahlreichsten sind die siegreichen Pferde vertreten. Das Bei-
schreiben des Namens wohl des berühmtesten unter den Pferden, welche
zu laufen hatten, bestätigt den programmartigen Charakter der Tesseren^^)
und illustriert nochmals die allbekannte Verehrung, welche man für öfters
siegende Pferde hegte.")
Was die Zeit der beschriebenen Serien anlangt, so ist sie schwer zu
bestimmen. Die meisten Analogien bilden die ebensowenig wie unsere
Tesseren fest datierten Lampen. Die Eohheit mancher Darstellungen
aus dem Bereiche der Jagd- und Zirkusdarstellungen könnte uns viel-
leicht das Recht geben, manche Tesseren noch ins dritte Jahrhundert
zu setzen. Immerhin bleibt als die Blütezeit das I. — ü. Jahrh. n. Chr.
Nach dem Gesagten wird man wohl nicht zweifeln, dass neben der
Serie der Verteilungsmarken eine nicht weniger zahlreiche Serie von
Eintrittsbillets in Blei vorhanden war. Bei ihrer Einführung wirkte
1) Ganz ähnlich sind die Bronzeserien mit ZirkusdarsteUungen , s. Beifort, Ann.
XVI 173.
2) S. 706.
3) Ä 707—711.
4) S. 710, 711.
5) S, 709.
6) Ä 718, 714. Oder ist es die pompa triumphiüis?
7) S, 715—377, 8. die beigegebene Taf. 11 4.
8) S. 746—754, s. die beigegebene Taf. U 5.
9) S. 731—738 und 738—745. Ä 738, 739 sind mit den Münzen des Piso Babe-
lon, Monn. de la Rip, 1 299 zu yergleichen. Die Münzen beziehen sich auf Spiele zu
Ehren Apollos. Die desultores kommen auf Münzen des C. Censorinus vor, Babe-
Ion II 191, 18 vor.
10) S. 758—781 und die beigegebene Taf. II 6.
11) Es ist bekannt, dass in jedem Grespann ein Pferd die Hauptrolle spielte.
12) Eine schöne Illustration dazu bietet eine von mir in der russischen Auflage
zuerst publizierte Lampe des Britischen Museum (Taf. IV 1). Sie stellt den Triumph
eines siegreichen Pferdes dar. Derselbe ist ganz und gar dem wirklichen Triumphe
ähnlich. Vorher geht der tahlifer, welcher, wie oben (S. 20, 4) ausgeführt worden
ist, den Charakter des feierlichen Aktes durch die Inschrift auf der iabeüa cha-
rakterisiert (vgl. noch die Münze bei Drossel in der Hirschfeld-Festschrift 280 ff. —
Prozession bei den lud(i) dec{ennales) und Caetani-Lovatelli , Milanges Boissier 95 f.,
auch Dressel, CIL. XV 2, 6251; 6258 (auf der tabella steht: Äq{u)ilo vade felix);
6560, 17; vgl. VIII 22644, 7 und X, 8053, 182), hinter dem stolz einherschreitenden
Pferde kommen einige Palmen tragende Personen und ein applaudierender Zuschauer
(oder der scurra'^).
Römische Bl^tesserae. 56
natürlich, wie auch bei der Einführung der Verteilungsmarken, das grie-
chische Vorbild.^) Die Einführung der Eintrittsmarken für Schauspiele
bedeutet in der Geschichte derselben einen nicht geringzuschätzenden
Wandel. Es ist klar, dass unsere Marken nur für die popularia Geltung
haben konnten: für privilegierte Plätze waren sie ohne Nutzen. Nun
aber bedeutet die Einführung des Eintrittsbillets nicht mehr und nicht
weniger als eine Beschränkung des Rechtes jedes Bürgers auf den
Besuch der Schauspiele; es hängt jetzt vom guten Willen des Spiel-
gebers ab, wen er zulassen und wen er ausschliessen will, das Zuschauen
ist also nicht mehr Recht, sondern Gnade. Es ist höchst wahrscheinlich,
dass das Markensystem zuerst bei Privatschauspielen der Kaiser Eingang
fand; aber die Augustischen Prätorentesseren bezeugen, dass das System,
wie bei den Frumentationen, sehr bald auch bei den Staatsschauspielen
zur Geltung kam. Leider wissen wir nicht, in welcher Weise die Billets
verteilt wurden ; es mag sein, dass dabei der Wille des Spielgebers nicht
allein geltend war, dass die Billets nach Tribus oder anderswie durch
die Vorsteher derselben verteilt wurden ; immerhin bedeutet es aber eine
Minderung des Rechtes jedes Bürgers.
Hervorgerufen ist wohl unser System durch das Streben nach
Ordnung. Bald aber, wohl durch die systematisierende Thätigkeit
der Claudischen Administration, wurden auch die Schauspiele auf
administrativem Wege in die kaiserlichen Hände gelenkt. Es ist
kein Zufall, erstens dass seit Claudius die Curatorentesseren ver-
schwinden, zweitens dass die Tesseren des ausgehenden ersten und
des zweiten Jahrhunderts ganz unpersönlich werden: nicht mehr Kaiser-
namen und Köpfe, nicht mehr Curatorennamen , nur ganz allgemeine,
zuweilen programmartige Zeichen, ganz wie bei den Frumentationen
und Congiarien. Die Prokuratoren thätigkeit wirkte wohl dahin, dass
auch die alten Spiele, welche den Prätoren verblieben, in administrativer
Hinsicht in die Hände der Spielverwaltung gerieten. Die Prokuraturen
gipfelten wenigstens zeitweise in dem praefectus annanac. Wenn dies auch
nicht als ständig zu bezeichnen ist, ist es doch charakteristisch : es zeigt
uns, und die Masse der unpersönlichen Bleie bestätigt es, dass die Schau-
spiele eigentlich nur Zulagen zu den regelmässigen liberalüates wurden,
ein Vorrecht der plebs frumentaria.
Der Inhaber einer Tessera war natürlich nicht verpflichtet sein
Recht auszuüben, er konnte ebensogut seine Tessera dem ersten Besten
verkaufen, und dies ist wohl die Ursache, warum es bei den Spielen in
1) Als aus den letzten Zeiten der Republik stammend könnte man vielleicht
zwei Tesseren mit dem Namen des Sosius bezeichnen, s. S. 1319. 1320. Interessant
ist es, diese Tesseren mit den athenischen Marken des Antonius zu vergleichen,
8. Hirschfeld'Festschrift 303 AT. Vielleicht bezeugen die Tesseren eine Thätigkeit
des Sosius in Rom in Vertretung des Antonius. Ob diese Marken als Verteilungs-
marken oder Eintrittsbillets zu erklären sind, weiss ich nicht.
56 M. Rostowzew,
den Schaospielräumen so bunt aussah, weshalb z. B. Sklaven zu gleich-
berechtigten Besuchern der Schauspiele wurden.
Vieles bleibt in dem entworfenen Bilde noch dunkel; aber wenn
anderswo, so können wir hier noch manches Licht von neu hinzukommen-
den Monumenten erwarten.
Zu bemerken ist noch, dass das römische Markensystem der Kaiser-
zeit dem athenischen der Blütezeit kaum ähnlich ist. Auf den Tesseren
— mit Ausnahme vielleicht der Augustisch-Tiberischen — finden wir
keine Spur der Volksabteilungen, ebensowenig finden wir in den Schau-
spielgebäuden Spuren besonderer Plätze für bestimmte Teile des Volkes.
Das Billet scheint in Rom einer gewissen Persönlichkeit, nicht dem Teile
eines Ganzen gegolten zu haben.
Auch in dieser Frage müssen wir aber auf neue Funde hoffen.
In der Einleitung haben wir schon die sog. tesserae missiles, d. h. die
Marken, welche zur Regulierung der Geschenke der Spielgeber bei den
Schauspielen dienten, erwähnt. Es war eine Art Lotterie und die Marken
dienten als Lotteriebillets. Was Dio über diese Lotteriebons sagt,^) lässt
sich mit unseren Bronzen und Bleien keineswegs vereinigen. Öfters ge-
schah die Verteilung auch ohne Hilfe der Marken, man streute die
Gegenstände selbst unter dem Publikum aus.*)
Nun aber spricht Martial noch von einer anderen Art Theaterspenden.
Er bezeugt ein Ausstreuen von Marken, welche er nomismata nennt,
die also der Form und vielleicht der Bedeutung nach den Münzen
gleichen; und zwar dienen diese nomismata^ soweit Martial uns die Be-
deutung derselben erkennen lässt, entweder zur Austeilung von Wein,»)
oder zu Zwecken, die im Epitheton lasciva ausgedrückt sind.*) Gegen
die ersteren wird man wohl eine Portion Wein beim Schauspiel selbst
bekommen haben, aus den Kellern des Kaisers (s. Mart. I 26, 5) oder
vielleicht auch von Weinhändlern,'^) welche nachher die Tessera in einer
kaiserlichen Kasse in Geld umsetzten. Es ist möglich, dass uns solche
vinariaej vielleicht nicht gerade zum Bereiche der kaiserlichen Spenden ge-
hörig, noch erhalten sind: ich meine S. 424 mit Aufschrift VINA = vi-
na{na) seil, tessera (ebenso gebildet wie firumentaria und nummaria\ dann
S. 101 mit Aufschrift congius und Darstellung einer Weintraube, S. 344
1) Dio 66, 25: acpcciQia yocg ^vXiva iuxqu .... öviLßoXov ?;j;ovTa tb iihv i&mdliiov
rivbg tb &h iod'fjtog xrX.
2) Z. B. Stat., Silvae I 75 fF. und Vollmer zu der SteUe. Auch die Juristen
Dig. 41, 1, 9, 7, vgl. 41, 7, 5, 1 verstehen unter missilia Gegenstände nicht Marken.
3) Mart. I 11 und 26 und Friedländer zur ersteren Stelle.
4) Mart. VIII 78, 9 von Spielen des Arruntius Stella, vgl. aber Stat., Silvael^^
65 ff.: iam noctis propioribus sub umbris dives sparsio quos agit tumultus! Hie intrant
faciles emi puellae etc., vgl. Vollmer z. d. Stelle. Also auch die pudlas waren, wie
Wein, an Ort und Stelle, um gegen eine Marke eingetauscht zu werden.
5) Weinhändler laufen noch jetzt in Spanien bei Stierkämpfen herum.
Römische Bleüesserae. 57
mit Aufschrift 8{extarn) X (decem) und Darstellung einer Weintraube
und eines Weinblattes, vgl. S. 343, endlich S. 484—489 mit Darstellung
einer Weintraube.^) Wie gesagt, lassen sich aber diese Tesseren auf die
kaiserlichen Spenden mit Bestimmtheit nicht deuten; es können auch
private und Kollegienspenden derselben Art durch diese Tesseren ver-
mittelt worden sein.
Die zweite Art der von Martial erwähnten Tesseren verstehe ich
mit Friedländer (ad Mart. Vin 78, 9) als Tesseren, welche Anrecht an
die Liebe einer der zahlreichen Prostituierten Roms gaben. Die Tesöera
hatte wohl einen bestimmten Wert, wohl den einer Kategorie der faciles
emi puellaej welche, wie bekannt, fest taxiert waren.*) Die Prostituierte
oder der leno, wenn es in einem Bordell geschah, wiesen die Tessera in
einer der kaiserlichen Kassen vor und bekamen ihren Geldwert. Noch
wahrscheinlicher ist, dass, seitdem ein vectigdl lenocinii existiert hat,
dessen Höhe pro Monat qtMntum uno concubitu mereret (Suet, Gaius 40)
war,») die Tessera zur Bezahlung dieser Steuer gedient hat. Fried-
länder identifiziert die lasciva nomismata Martials mit den Bronze-
tesseren mit obscönen Darstellungen, den sog. spintruie, und zwar wohl
mit Recht.*)
In Blei giebt es auch eine ganze Serie, welche mit nicht geringerer
Wahrscheinlichkeit als lasäva nomismata erklärt werden darf. Es ist zu-
erst zu nennen S. 905 mit Darstellung eines bekränzten Kaiserkopfes auf
der einen und eines Phallus auf der anderen Seite. ^) An diese schliessen
sich einerseits die Tesseren mit den Aufschriften ama und era (wohl das
griechische ^(>«)>^) vielleicht auch die mit den Aufachriften 'amica und amor
(S. 907 — 909) an, andererseits wenigstens ein Teil der mit Darstellungen
1) Ähnlich siud die Tesseren mit Darstellung eines Trinkgefasses (z. B. S. 1020)
und mit Darstellungen aus dem Baechischen Kreise (S. 2068 fF. besonders S, 2072). Zu
vergleichen sind auch die Bronzen mit Darstellung des Bacchus oder einer Bacchantin,
des Silenus und der Weinbereitung, s. Beifort, Ann. XVI 172 und 175.
2) S. Seneca, Contr. I 2, 1 : deducta es in lupanar, accepisti locum, pretium con-
stitutum est, cf. 2 und 7; X 1: itane peribunt decem iuvenes propter dupondiarias tuas]
vgl. die Angaben des Preises in pompejanischen graffUif s. Rostowzew, Pompeji in den
J. 1893—1895, Petersb. 1896, 7 ff. (russisch); Mau, Böm, Mitt. 1896, 93.
3) Die Texte s. zusammengestellt bei Wilcken, Osträka I 217.
4) Vgl. Nardovsky, Blätter für Münehunde 1901, 167 ff. Mowat (Äir. it. di num.
XI 39) schlägt dagegen die Erklärung als Spieltesseren vor und meint, dass die
spintriae Marken des iactus Venerius bei dem Spiel der duodecim scripta waren. Nun
aber ist seine Theorie für die ganze oben erforschte Serie der Bronzetesseren mit
Kaiserköpfen und Zahlen (er erklärt sie im BuU. de la Soc. des Änt. 1895, 244 eben-
falls für Spielmarken) entschieden falsch. Es ist kaum anzunehmen, dass Bronzen
mit Köpfen dtT lebenden Kaiser, münzähnlich wie sie sind, Produkt der Privatindustrie
waren und im Zentrum der Kaisermacht zu Spielmarken verwendet wurden. Damit
fällt aber auch die Erklärung der spintriae als Spielmarken.
5) Vgl. die spintria in Bronze mit der Inschrift Äug(usttis) auf der Rückseite,
Mowat, Riv. it. di num. XI 39.
6) Vgl. Svoronos, mgl xmv kioixjiQiuiv J, n. 291 — 296.
58 M, BostowBew^
der phalU und sympUgmata (S. 911 ff.). Besonders bezeichnend ist die
Darstellung auf S. 917, 918 (s. die beig. Tat n 17): junger Mann, eine
Münze oder Tessera in der vorgestreckten Eechten haltend.
Für die Moral der römischen Eaiserzeit sind die lasciva namis-
mata höchst bezeichnend. Als Zulage zu Brot, Geld und Schau-
spielen behandelte man die Liebe einer Prostituierten, sie galt als ein
ausgezeichnetes Vergnügen, und man kümmerte sich nicht darum, dass
die meisten Empfänger verheiratet waren. Es ist natürlich auch zu be-
denken, dass dies nomisma, wie jedes andere, verkauft werden konnte.
Kap. m.
Tesserae der städtischen und munizipalen
iuventus.
1.
In der Stadt Rom wurden zu verschiedenen Zeiten melirere offizielle
(Kaiserkopf!) Tesseren, welche die Jugend und die Jünglinge (iuventus
und iuvenes) nennen, gefunden. Mehrere analoge Monumente unserer
Sammlungen stammen aus den Rom benachbarten Munizipien. Um bei
der Untersuchung dieser Hasse unserer Monumente methodisch vorzu-
gehen, muss man zunächst, soweit es bei den unsicheren Provenienz-
angaben geht, die beiden Serien separat behandeln. Fangen wir mit der
ersteren an.
1. Sicher in Rom ist die Tessera S. 833 gefunden worden. Auf der
einen Seite derselben haben wir die Inschrift: Ti, Claudius [Caesar] Aug{ustus)
p{ater) p(atriae), auf der anderen die Darstellung der Jugend : eine Frau
stehend von vorne, Kopf links, in der rechten vorgestreckten Hand einen
Lorbeei'zweig(?), in der linken ebenfalls, aber n. 1., ausgestreckten Hand
einen Kranz haltend, mit dem sie ein zu ihren Füssen stehendes Tropaeum
bekränzt; ringsherum die Beischrift: Iu(v)entus,^) Die Darstellung lässt
sich nur aus irgend welchen Beziehungen, in denen unsere Tessera zur
römischen Jugend stand, erklären.
2. Ebenfalls aus Rom (eher als aus einem Munizipium) stammt die
Ficoronische Tessera S. 834: Kaiserkopf des ersten Jahrh. (Caligula?) und
Inschrift P. Petr(onius) Sabi(nus), Rr mag{ister) iuv{enum) und Zahl VIIIL
3. An die zuletzt angeführte Tessera schliesst sich eine Serie Bronze-
marken engstens an.*) Auf allen bekannten Stücken dieser Serie sehen
wir auf der Hauptseite einen Kopf oder eher eine Büste des I. Jahrh.
1) Der Vergleich mit MUnzen gicbt folgende Resultate. Der Kaisertitel ist ver-
kürzt: es fehlt Oermanicus und die zur Datierung notwendigen Bestandteile. Die Dar-
stellung der luventas ähnelt der sich auf Münzen M. Aureis findenden (Ck>ben III 40,
394 ff.) mit einigen starken Abweichungen, vgl. Stevenson, Dict. 500.
2) S. Beifort, Ann. XVI177, pl. VII6— 7; Cohen Vm267; Garrucci, Piambi
scriUi 109.
60 M. Rostowaetc,
und die Inschrift: C. Müreius L. f. mag{ister) iuvent{utis). Unter der
Büste befindet sich auf dem mir bekannten Pariser Exemplare ein einem
Spielhome ähnlicher Gegenstand. i) Die Rückseite variiert: die Exem-
plare von Beifort und dem Pariser Münzkabinet geben ein rundes oder
elliptisches Gebäude auf Säulen mit Kuppeldach;-) auf dem Epistyle
eine Inschrift: Beifort: L • SEXTILIVS • S • P = L. Sextilius s{m)
2)(ecunia) und unten eingeritzt Villi] Paris (stark abgerieben aber mit
Sicherheit zu lesen): L -^SEXTILI S • P und unten eingeritzt IUI.
Ein zweites Exemplar der Sammlung Beifort hat auf der Rückseite XI
im Kranze, ein Exemplar aus der Sammlung Morell (jetzt in Paris?)
XII im Kranze.
Die römische Provenienz aller bekannten Exemplare ist höchst
wahrscheinlich, wie auch sonst bei den meisten Bronzetesseren. Die Zeit
wird durch die frappante Ähnlichkeit unserer Marken mit den im Kap. I
beschriebenen Bronzetesseren und durch den Augustischen Charakter des
Porträtskopfs bestimmt. Den Augustus stellt aber der Kopf nicht dar,
wohl aber einen der kaiserlichen Prinzen. Weder Mitreius noch Sextilius
sind uns bekannt.
4. Auf einer jetzt verschollenen Tessera des Baron Recupero befanden
sich auf der einen Seite der Kopf des Nero und die Inschrift Neronis invictiy
auf der anderen Pedo Paetus mag{i8tri) (S. 836, vgl. 837).
5. Im Tiber gefunden sind die Tesseren S, 835 und 835* (s. die
beig. Taf. 11 7). Auf der Hauptseite steht C. M, Pompei magiistri), auf
der Rückseite die Darstellung des Mars Ultor (von vorne gesehen,
gepanzert und beschuht, die R. auf die Lanze gestützt, in der L. das
Schwert und den Mantel haltend), wie er im Giebel des Augustischen
Tempels stand, •^) und die Beischrift Iu{v)enta{s).
6. Endlich giebt eine Ficoronische Tessera (S. 838) auf der einen Seite
die Dianabüste, auf der anderen die Inschrift mag{ister oder -istri) und
unten ///. Ausserdem tragen mehrere Tesseren die Inschriften iuvenes
Aug{ustalcs oder -ustiani) und iuvenes {S, 840 — 842).
Es ist klar zunächst : erstens , dass der Terminus iuvenes Jind iu-
ventus als technischer gebraucht wird und eine Gesammtheit darstellt,
1) Als solches erkannt von Caronni, Manuale doctr. num. vet.y Komae 1808, 96
(zitiert nach Garmcci, P. s., 109): ex qua — meint er — ministerium eius (d. h. des
Mitreius) praedicatur^ wobei er an die Troiaspiele erinnert.
2) Bei diesem Kappelgebäude Augustischer Zeit ist zunächst an eine Holzkon-
struktion zu denken. Ist es vielleicht eines der Augustischen Holzamphitheater?
8. Moramsen, Mon. Anc. lat, IV 41 und Friedländer, Sütengesch. II 362 f.
3) S. Petersen, Ära Pacis Augustae (Sonderschr. des oest. arch. Inst. II), 62 und
Fig. 27. Der einzige Unterschied unserer Darstellung von der im Giebel besteht darin,
dass der Mars der Tessera gepanzert ist, der des Giebels dagegen nackt. Man bedenke
aber, dass die Kultusstatue des Tempels gepanzert war. Vgl. die Darstellung des Gottes
auf der seltenen Münze des Britanniens, Eckhel VI 254 und Cohen I 279, 1 und 2. Falsch
beschrieben (nach Angaben Helbigs) ist die Tessera bei Dressel CIL, XV 2, 995, 4.
Hämische Bleitesserae. 61
welcher besondere magistri vorstehen; zweitens, dass die Tesseren offi-
ziell sind und demnach auch die Gesamtheit der iuvenes als offiziell an-
erkannte anzusehen ist; drittens, dass als Zeit der Tesseren die erste
Kaiserzeit bis auf Nero anzunehmen ist.
Soweit die Tesseren. Die Lösung des von ihnen aufgegebenen
ßätsels bringen Kombinationen der aus ihnen gewonnenen Daten mit
litterarischem und inschriftlichem Material.
In demselben technischen Sinne wie auf unseren Tesseren wird der
Begriff iuvenius in dem Titel der kaiserlichen Prinzen princeps iuven-
tutis (zuerst wird er an Gaius und Lucius Caesar verliehen) gebraucht.^)
Dieser Titel steht, wie seit Mommsens Forschungen bekannt ist, mit der
Reorganisation der römischen Ritterschaft unter Augustus im Zusammen-
hange.*) Die Ritterschaft bestand seit Augustus aus allen equücs cquo
publico und der senatorischen Jugend vor Beginn der senatorischen
Karriere durch die letztere.«) Sie war korporativ organisiert und
zu diesem Zwecke in sechs turmae, an deren Spitze je ein sevir equitum
Romanorum stand, eingeteilt. Diese Ritterschaft, durch seviri geführt,
paradierte jährlich bei der recensio equitum vor dem Kaiser und nahm
an den durch die seviri veranstalteten Spielen teil.*) An der Spitze
dieser Ritterschaft stand der princeps iuventutis, der Vorsteher der
iuniores. Die seniores (vom 35 J. an) konnten „das Pferd abgeben",
d. h. sie brauchten an den repräsentativen Funktionen der Ritterschaft
nicht mehr teilzunehmen, sondern konnten sich ausschliesslich der bürger-
lichen Thätigkeit — dem Beamten- und Geschworenendienste — widmen.*)
Theoretisch also umfasste die römische iuventus alle Mitglieder des
Senatorenstandes bis zum Alter von 25 J. und alle Ritter bis zum Alter
von 35 Jahren.*) In der Praxis aber war der Kreis der römischen
„Jugend" viel enger. Es ist bekannt, dass seit der Zeit des Augustus
es in den höheren Kreisen der Gesellschaft üblich wurde, die toga virilis
den Kindern schon im 15. Lebensjahre anzulegen. Von da ab wurden
die Kinder nicht mehr pucri sondern iuvenes genannt.')
1) Mommsen, Staatsrecht III 523; Koch, De principe iuventutis^ Diss., Leipzig
1883; Blanchet, Etudes de numismatique I (Paris 1893), 1 ff,
2) Mommsen, Staatsrecht III 476 ff.
3) Mommsen, ebda. 470 u. 486.
4) Mommsen, ebda. 522 fF.
5) Mommsen, ebda. 491 f., bes. 492, 1 und 494, 1.
6) Mommsen, ebda. 506.
7) Marquardt-Mau, Privatleben 1 127 ff. 14 Jahre, als das feste Alter für die An-
legung der toga virilis^ wenigstens für die kaiserlichen Prinzen, bedingen hauptsächlich
die Worte des Tacitus (Ann, XII 41), wo er einerseits von Nero sagt, ihm sei die
toga zu früh gegeben worden (Nero war noch nicht 14 J. alt), von Britannicus anderer-
seits, Nero hätte ihn getötet, da die Zeit der Anlegung der toga nahte {Ann. XIII 15:
Britannicus war nahe den 14 Jahren). Für Ck)mmodus ist 14 Jahre das selbstver-
ständliche Alter für den Empfang der Würde des princq^s iuveniutiSj s. H, Aug.,
Comm. 1, 10. Vgl. 0. Hirschfeld, Hermes XXV (1890), 367 f.
62 M, BostowaeWf
Der wirkliche Militärdienst begann aber mit ganz wenig Ausnahmen
erst im Alter von 17 Jahren.^) Die Zeit vom 15. bis 17. Jahre be-
zeichnete man als iirocimum: die Zeit der Vorbereitung zum militäri-
schen Dienste.
Zwei oder drei Jahre blieben also die vornehmen Jünglinge in Rom.
Nach Erreichung des 17. Jahres aber gingen die meisten jungen Leute
auf Grund der von Augustus betonten Pflicht des Militärdienstes in die
Provinzen mit der einzigen Ausnahme der Prätorianer. Nach der Rück-
kehr traten die Jünglinge senatorischen Standes die senatorische Karriere
an, die Ritter, auch wenn sie nicht als Beamte in der Provinz blieben,
kehrten doch gewöhnlich erst als ältere Leute zurück. So blieben in
Rom aus der Zahl der iuniores eigentlich nur die tirones und diese sind
es, welche wohl gewöhnlich als die organisierte iuventus figuriert haben.^)
Diese tirones füllten wohl hauptsächlich die Sitzreihen des cuneus iumo-
rum oder Germanici in den Schauspielgebäuden (Tac, Ann. H 83). Bei
der Zeremonie der recensiOj besonders aber bei den ludi seviraleSj bildeten
demnach unsere tirones im Alter zwischen 15 und 17 Jahren die Mehr-
zahl.»)
Womit beschäftigte sich aber diese organisierte ritterliche Jugend
in Rom? Eine ganz befriedigende Antwort darauf geben uns die
Augustischen Dichter, besonders Horaz, hauptsächlich in seinen carmina.
Vor der Zeit, mit welcher wir uns beschäftigen, dauerte das tiroci-
nium nach der Angabe Ciceros nur ein Jahr (Cic.,pro Caelio 5,11): nobis
quidem olim (in seiner Zeit also nicht mehr) annus erat unus ad cohi-
bendum brachium toga constittäus et ut exercitationc ludoque cam-
pestri tunicati uteremur^ eademque erat, si statim mereri stipendia
coeperamuSj castrensis ratio ac rnüitaris,^) Diese ausser Übung gekommene
und unter Augustus wiederhergestellte exercitatio campestris führt uns
die Augustische Poesie mit Anschaulichkeit vor Augen.
Lydia, die, per omnes te deos oro, Sybarin cur properes amando per-
dere ? fragt Horaz (Carm. I 8, 1 ff.). Sybaris geht zu Grunde , weil er
den apricus campus, d. h. das Marsfeld und, fügen wir hinzu, die exerci-
tatio campestris zu hassen beginnt. Und dann spezifiziert Horaz 1. cur
neque militares inter aequales equitat, Gallica nee lupatis temperat ora
frenis? — [[also er macht keine Reitübungen in militärischer Tracht in
der Schwadron seiner Genossen auf seinem feurigen Pferde mehr; Sybaris
1) Mommsen, Staatsrecht III 496 ff.
2) Vgl. Mommsen, a. a. 0. 525 und 498 : „bei der Auffassung der Ritterschaft als
der vornehmen Jugend" u. s. w.
3) Ob sie nicht auch imter dem Namen maiores pueri im lusus Trojae erscheinen,
ist mit Sicherheit nicht zu entscheiden, aber doch wahrscheinlich (s. Suet., Caes. 39;
Äug. 43; Tib, 6). Sonst erscheinen die pueri und die Erwachsenen beim Troiaspiel
getrennt, Dio 59, 10.
4) Es war also möglich, die Jahre seines tirocinium auch im Feldlager zu ver-
bringen.
Bömische Bleitesserae, 63
ist demnach ein junger Ritter, 2. cur iimet flavum Tiberim tangere? —
er badet nicht mehr in dem kalten Strome des Tibers, 3. cur olivum
sanguine mperino catUius vitat neque iam livida gestat armis hracchia saepe
disco saepe trans finem iactdo nobüis expedito? — er macht also keine
gymnastischen Übungen mehr, Übungen militärischen Charakters: Fecht-
übungen, Speerwerfen und dazu Discuswerfen.^) Ergänzungen zu diesem
Programm giebt III 12: Faustkampf, Wettlauf, Jagd. Hauptsache bleibt
aber doch: y. 7f.: 8imt4l unctos Tiberinis umeros lavü in undis, eques
ipso mclior Bellerophante.
So ging es auf dem Marsfelde zu, und dies Bild schwebt dem
Vergil vor, wenn er die exercUatio und den ludus campestris der latini-
schen Jugend beschreibt: Äen. VII 162 ff.: ante urhem pueri et primaevo
flore iuventus (also unsere tirones) \ exercentur equis domüantque in pulvere
currus; aut acris tendunt arcus aut lenta lacertis \ spicula contarquent cur-
suque ictuque laccssuntj oder wenn er dieselbe Jugend mit der energischen
Apostrophe charakterisiert, Aen. IX 601 ff.: quis deus ItaUam quac vos
dementia adegit? \ non hie Airidae nee fandi fietar Ulixes:^) \ durum a
stirpe genus natos ad flumina primum \ deferimus saevoque gelu duramus
et undis, \ venatu invigilant pt$eri süvasque fatigant \ flectere ludus equos
et spicula tendere comu,*) Graecisierend sind die Schilderungen des
Tibullus I 4; Propertius IV 13 ff.; Paneg. Messallae 89 ff.; Ovidius, Trist.
IV 1, 71 ff. u. a. m.
Es ging also hoch her auf dem Marsfelde in den Zeiten des Augustus,
die Menge der Übenden war gross, die Übungen selbst waren organisiert
und den Zwecken der Kriegserziehung angepasst Unter den Übenden
sehen wir aber nur Mitglieder höherer Klassen, die auch die Ritter-
übungen mitmachen konnten und wohl mussten.«)
Die Ideen des Augustus, welche dem neuen Leben auf dem Mars-
felde zu Grunde liegen, veranschaulicht uns am besten derselbe Horaz
(Carm. III 24, 51 ff.): eradenda cupidinis \ pravi sunt denunUa et tcnerae
nimis \ mentes asperioribus formandae studiis. nescit equo rudis
hacrere ingenuus puer \ venarique timct ludere doctiar \ seu Graeco iubeas
trocho I seu maUs vetita legibus alea und m 2, 1 ff. : angustam amice pau-
1) Dasselbe III 7, 25 ff.: quamvü non dUus flectere equum sciena \ aeque conspieüur
gramine Martio \ nee quisquam citus aeque Tusco denaiai alveo,
2) Vgl. Fr. Plessis in den Melanges Boissier (Troica Borna), 401 f.
3) Vgl Vei^., Aen. IV 156 ff.; VII 498 ff.; Norden, Vergils Äeneis im Lichte
seiner Zeit, Neue Jahrbb, 1901, 263, 1. Das idealisierte Bild ist mit dem wirklichen
bei Strabo V 236 zu vergleichen : tb lUys^og to{> nsdlav ^avuambv a|ia aal Ta^ agiuc-
rodgofUag xal rrjy &XXriv innaaUcp ScTunlvrov nc^^ixov t& tocovttft nl^n t&p ctpaLi^a
xal naXaiötQa yviiva^oiiiifoav , vgl. Hör., Sai, 112, 9 ff.; de arte poetica 161 ff. Auch
Ilor., Carm. III 6, 33 — 44 hat denselben Sinn.
4) Dies lässt schon das wiederholte Hervorheben des eques in den unten ange-
führten Stellen konstatieren. An diese Jugend sind auch die sog. Römeroden adreMiert,
s. Hör., Carm. UI 3, 9: hac arte PoUux — Pollux als Vorstand der Kittenwhaft, vgL
III 1 odi %)rofanum vulgus u. a. m.
64 M. Bostowsew,
periem pati \ robfistus acri militia pucr \ condiscat et Parthos ferocis \
vexet eques metuendus hasta \ vitamque sub divo ei trepidis agat in rebus.. .
Dies alles gilt hauptsächlich, wie Horaz schon in den angeführten Worten
andeutet und wie oben ausgeführt worden ist, der Jugend der höheren
ritterlichen E3assen.
Im Kreise des Maecenas meinte man also, es wäre Zeit, die auf-
wachsende Jugend aus dem Sybaritismus des feinen modernen grie-
chischen Lebens herauszureissen, sie nach altitalischer Art zu
erziehen, ihr starken Körper und starken Geist zu verleihen, und aus
ihr wirkliche Verteidiger der Heimat gegen Angriffe von aussen zu
machen. Dass das auch geschah, und dass die Ideen zur Wirklichkeit
wurden, zeigen die angeführten Bilder des Lebens auf dem Marsfelde.
Dass die Ideen dem Kaiser Augustus gehörten oder wenigstens von ihm
adoptiert wurden , beweist die oben charakterisierte Reform der Ritter-
schaft Auch das Interesse, das er der physischen Erziehung der Jugend
entgegenbrachte (s. Suet., Aug. 31 u. 45, auch 98), zeugt davon, wie hoch
er dieselbe schätzte. Endlich die Sorge für die Hebung des kriegerischen
Geistes (Dio 56, 32, 2)^) weist auch auf das letzte Ziel der ganzen
Thätigkeit hin, das Horaz so stark hervorhebt.
Wenn also die ritterlichen Übungen auf dem Marsfelde wirklich von
Augustus neubelebt und fest organisiert wurden, so musste der Kaiser
auch Mittel haben, das Programm richtig durchzuführen und die sich
nicht Fügenden zu zwingen. Die pueri und tirones mussten auf dem
Marsfelde täglich erscheinen und an ihrer körperlichen Erziehung arbeiten.
Wie konnte man sie dazu zwingen?
Augustus hatte dazu zwei Mittel in seinen Händen: für alle Ritter
die recensio equitum, welche ebenso stark die Kinder wie die Eltern
traf, da es dem Kaiser frei stand, jeden beliebigen ohne Gericht aus der
Ritterschaft auszustossen.^) Woher konnte aber der Kaiser wissen, ob
die Jugend thätig oder unthätig war? Zuerst natürlich mittelst Autopsie
auf dem Felde, dann aber bei Gelegenheit der neu belebten sacralmili-
tärischen Spiele des lusu^ Troiae für die ^würi, der ludi sevirales bei den
tirones.^) Auch an anderen Spielen mussten nohilissimi iuvenes schon
unter Cäsar und öfters unter Augustus teilnehmen,*) und zwar waren
1) Vgl. Suet., Tib,S.
2) S. Mommsen, Staatsrecht III 493 ff.
3) S. Ovid., Trist, IV 1, 71 : aspera milüiae iuvenis certamina fugt \ nee nisi lu-
sura movimus arma manu, worin ein Hinweis auf militärische Spiele und militärische
Übungen zugleich liegt. Ovid hält es für nötig hervorzuheben, dass er allen Forderungen
des Augustus gerecht wurde und doshalb bei den mehrfachen Rezensionen in den
Reihen der Ritter blieb, s. Ovid., Trist. II 541 u. 89; Mommsen, Siaatsr. III 493, 2.
4) Suet., Caesar 39: quadrigas bigasque et equos desultorios agitaverunt nobi-
lissimi iuvenes. Suet., Aug. 43: in circo aurigas cursoresque et confectores ferarum
et nonnunquam ex nobilissima iuventute produxit. Sed et Troiae Insum edidit frequen-
tissime maiarum minorumque pucvontm prisci decorique moris existimans clarae stirpis
VBwiSi
die Blüitesseras.
m
diese Spiele hauptsächlich Zirkusspiete, vgl. die oben (S. 63) angefülirten Woite
Vergils: domUafUque in pulvere currus. Es ist hier nicht der Ort, nälier
auf den lusus Troiae und die ludi sevirales einzugehen. Ihre Beziehungeu
zu den ritterlichen Kindern und timnes, ihr sacral-niilitärischer ('harakter^
ihre Neubelebung gerade durch Augustus sind in den Forschungen, welche
diesen Spielen gewidmet sind, genügend hervorgehoben.^) Für Augustus
waren es hauptsächlich Prüfungen der jungen Ritter^.haf t , und man
Tersteht so seineu Unwillen bei den mehrmaligen Unglücksfälleiu welche die
Senatoren veranlassten, um AbschattVing der ganzen Institution zu bitten
(Suet. Aug. 43).
Das ganze oben skizzierte Augustische Programm findet einen zwar
späten, aber getreuen Wiederklang in der berühmten Rede de,s Mäcenas
bei Dio (52, 26, 1 ff.): ni^l fniv olv rwv ßovkufTuiv twv n Innitop ravta
00t cvfißovkiviiv i)(w, xai vf) Jia xai kxüpa, fi^ar ^a;^ re in natdig uaiv
ig ti SiSaaxaXita av^^oittZoi^ xai inuSuv ig ^lugaHta ixßdXwmvt hni r«
toijg i'nnavg xai ini tä onla tginw^iat, StdaaHaXovg ixari^mv öti^oöuv-
ovTog ipifiiad-oug i^oPTtg' oitw ydg ii&vg ix natdmif nav&* oaa X9h ^*'*
dgag avtovg yivofÄivovg knttiXtitv xat fAa&ovvig xai faXitr^öaPTig ifitTf}-
diiottgol aoi n(}6g nup ^Qyov yiv/^aovTai xtU) Besonders charakteristi-Hch
ist hier die ausdrückUche Beziehung des ganzen Systems auf die sena-
torißche und ritterliche Jugend.
Nach dem Gesagten bleibt uns noch übrig, die Grundzüge der neuen
OrganiMtion, soweit es geht^ festzustellen. Manches Material bietet dazu der
Vergleich der römischen Institution mit der attischen Ephebie, wie wir
sie hauptsächlich aus Inschriften des U, — 1. Jahrh. v, Chr. kennen.^) Vor
allem sind die allgemeinen Zusammenhänge herauszuarbeiten. Das Alter der
inäolem nie ftotescere: Dio 53» 1^4: *ai n^v navilyvQiv ri^v m'i xfj i'iufi . . , t^'/ayt fitzet xofi
jiyifitinov x«l i^ ttiftfi litnod^o^iav dm ts täiv ^alötav %a\ Stet rtav ^pßifthv Töf ivytve&f
inalfiet, Ygl- Momnuicn, Staatsrrchi III 524, 7. E« genchuh, wie dmi M**iMtc bei Äugtulu»,
nsek älterem Vorbild, •. Marqumrdt-Friedliiiider, iSifutt^yerw. III h2^t
1) Über den lumjt Troiae §, A. Ootibel, De Trotue iudo, Dör»iii 1862 (Prugr);
Marquardt-Friedlander, Staatsv. ITl 525 f.; Benndorf, ÄiV^frer der Wien. Ak. 128 (1890),
fll 47 AT, (wlcdcrbolt bei Reicbel, Homerische Waffen, L AüfL 188 {f.); Momtn»en^ Staat»-
recht rU 81^ 8; v. Prcmerstein, FeMBchrifi ru Ehren Benndorß 261 IT.; Wiisowä, MeUqiofi
und KuUus 382; Holzapfel, Beiträge s. a, Gesch, I 243; ludi $€t>iralesi Marquardt-Fried-
länder, Staatm. DI 527; MommMO, 8taaUr. 111524*, auch bei Dio 55, 10 »lud ludi
HtirtütM geroeiot.
2) Vgl. darüber Momroim), StaaUrtcht III 491, 1; P. Meyer, De Ma4e€naH9 ora-
tiüne a Diane ficta, Ben 1891; die ZuaamrucnßteUttng dieser Worte der Rede mit Hör,,
Carm, lU 2 u, 24, «. betSeUar, The raman poets of the Äugu9ta*% agfi (2. Aufl.), 23 Atim.
Die Strumung«!» der Zeit, welche dienen Pasraa bei Dio heryorgenifen haben, findet
maii bei Herodian. V 7, 7 angedeutet,
8) S. Domodt, Es^ai mr VtpMhie atiique I— II, Pari« 1876—1875; Collignon,
Quid de oällegii» epheborum etc., Lut, 1877; Girard, U^ducation athiniinne au K. ei
IV 8,, Parit 1889, 54 ff, und 276 ff.; Rrasberger» Erziehung und Unterricht III; Gtrard
bei Dar^Rib«rg et Saglio» Dict, 111, t»21ff; Zlebarlh, <^iech, Ver^imweBen HO ff.
Ich titiere uanirlicb nur die wichtigBlm Arbeiten*
66 M. Bostoujgew,
iuvenes (14—17) fällt mit dem der attischen Epheben (18 — 20) nicht
zusammen, dagegen finden wir merkwürdige Analogien in den spartani-
schen Sitten, wo die Ephebie mit 14 Jahren angefangen hat und bis zum
Anfang des effektiven Militärdienstes dauerte.^) Was wir von der Be-
schäft^ung der attischen Epheben wissen, deckt sich fast vollständig
mit dem, was wir von den iuvenes gesagt haben: IG. 11481, 49 ff.
sagt uns darüber folgendes : kmfjiBfA[üri\if[T]ai di xal r^[( neQ]i t6 awfia
yvuvaa[l^ag xal äffxtjaea)^, [in 8i x^al tijg kv tolg onXoig (f[i]Xonovlag
nag olov t[6v i]viavT6v (in 482, 21 noch: xal Tfjg rwv tnntav yvfiva-
(fi(a)g) anovSijg xal tpiXoTifiiag [ovSkv kXktl\novT^.^) Es überwiegen also,
wie in Rom, militärische Übungen und die Jagd wird auch nicht ver-
gessen.^) Auch der religiöse Charakter der Ephebie findet seine Par-
allelen in der Augustischen Institution, besonders in den Munizipien.^)
Dazu kommt Spezielleres, was zugleich Licht auf die Organisation
der römischen luventus wirft.
1. Das Eintreten in die Zahl der Epheben fällt in Athen mit der Ein-
schreibung in das Buch der Demoten zusammen. Dies Einschreiben heisst im
IV. Jahrh. v.Chr.: iyygaqiBa&ai Big rovg htfnßovg (Ps. Plat., Axioch. 366^,
vgl. die inl tov S$Jvog agxovrog kyygafpivreg in den Inschriften (schon in der
ältesten IG. IV 2, 563^), was fto das IV. Jahrh. dasselbe heisst wie
iyygoffea&ai elg rovg drjfiorag. Besondere Listen der Epheben werden
erst seit dem 11.— L JahrL geführt (IG. U 467—471). Nun aber über-
setzt Dio das togam virilem sumere nicht anders, als durch den technischen
attischen Ausdruck iyygatftad-ai äg rovg kq^ßovg. *) Der Ausdruck trifft,
wie ich meine, nicht nur das Äussere, sondern auch den Kern der Sache.
Derselbe Dio (55, 10, 2 — 6) erzählt uns von der Einweihung des Mars Ultor-
Tempels. Augustus hat bestimmt, dass in diesem Tempel eine Reihe militäri-
scher Akte gefeiert würden: von hier aus sollten die Promagistrate in die
Provinzen gehen, hier geschieht alles was mit Siegen und Triumphen im Zu-
sammenhange steht, hier, vor den Stufen des Tempels, verlaufen die ludi sevi-
räles der römischen Jugend, mit denen die oben angeführten Tesseren (S. 835,
835») der Pompei magistri mit Sicherheit zu verbinden sind. Die Aufzählung
1) S. die trefflichen UntersachuDgen von Shebelew, A%ai%d^ Petersburg 1904
(russisch), 251 ff., wo zuerst die Gliederung der Altersstufen in Sparta richtig fest-
gestellt worden ist.
2) Vgl. IG. II 478c, 9; 479, 29; Grasberger III 224 ff.; Wolters, Zu griechischen
Agonen (Progr. d. Univ. Würzburg), 20 ff.
3) S. Plato, de leg. VII 824 AB.; Xenoph., Cgrop. 114, 11; Dumont, Essai 146 ff.;
Grasberger III 98 ff.
4) S. unten S. 86. Vgl. aber die Rolle, welche Kinder und Jünglinge in der Augusti-
schen Säkularfeier spielen. Wie oben hervorgehoben worden ist, sind auch der lusus
Troiae und die ludi sevirales Spiele sacralen Charakters. Vgl. auch, was unten S. 69 ff.
von der Beteiligung an religiösen Prozessionen gesagt wird.
5) Dio 51, 6, 1; 55, 9 und 22; 56, 29; 59, 8 und öfters. Ganz anders, dem rö-
mischen Ausdrucke viel näher, Plut., AtU. 71; Appian., b. c. 4, 30.
Römische Blmtesserae.
67
diaier Akte beginnt bei Dio mit den Wurten: rovg r« ix twp naidwv
^iovrag xal €tg tovg ^rptjßavg kyyQctfpoiiivQvq kxuöB ndvrwg ätfixpiia&ai.
Ich glaube, dags der Zusammenhang, in welchem diese Worte stehen, uns
zweierlei angiebt: erstens, dass der Akt der Einschreibung ein militiiri-
scher war, zweitens, dass die Anlegung der ioga mrilts mit Eiuselirei-
bung in besondere Listen, wie in Athen, verbunden war. Dass alle
Bürger dies thaten, glaube ich nicht.*) Zu militärischen Zwecken ge-
nugten die censorischen inhulae iuniorum vollständig;-) die Cerenionie galt
Wühl nur den höheren Klassen, der iuventus der seclis ritterlichen Tunuen, *)
Der Ausdruck fL^^tißoi selbst bezieht sicli bei Dio und sonst hauptsächlich
auf Jünglinge besserer Ivlassen, und die Ephebie wird in der römischen
Zeit der Ritterschaft gleichgestellt: so bildet in Ephesus im Theater das
Pendant zu der Statue der Ephebie die Statue der Rittei-schaft/) so be-
kommen in Athen und Ephesus die Epheben besondere Plätze in den
Schauspielgebäuden, wie die Ritter in Rom {eu^wns iuniorum).^)
2. In Athen verlieh man den neu eintretenden Epheben bei der
Ceremome des Eintritts im Theater vor dem versammelten Volke einen
Speer und einen Schild, die Abzeidien des Ephebenstandes und zugleich
ihre Waffen.*) Dasselbe geschah auch in Rom. Das Vorbüd dazu gab
die bekannte Ceremonie der Verleihung des Titels princeps mwmttdis an
Gaius und Lucius durch die Ritterschaft bei der Anlegung der hffa
virihs durch die Prinzen {üg k^tißovg ümovjig sagt Dio TiS, 12): eqtiües
Ya\uicm liomani universi prineipmn | iuvcfitutis utruniqm eorum piirm\i8]
e$ iMstis argenteis domäum aplpeUanerunt {Man. Anc^ lat. Dl 5) — auf
Griedüsch: Innug 8i 'tw\^aiwv Giv[n]avTig f^yifiova viortirag iKanl^ov
airuiv [n^\oariy6giVöaVf aaniatv ä^yv^img \ xori Öögaötv [ir]£//iij<Tai'. Es
wird wohl wahrscheinlich auch sonst der Brauch bestanden haben den in
die itptißot'iumnes Eintretenden Speer und Schild zu verleilien; bei Gaius
und Lucius geschah es in besonders feierlicher Art.^ Die Form des
runden Sclüldes ist dieselbe, wie auf den Darstellungen der attischen
1) Die Annahme lok-her KinBchreibuDg für aUe Bürger (Man^aardt-Mau, PHvaU,
1 125^ 1 und P26, 1—4) Ut durch koinc sicheren Zeugnisse begründet über Dionja. IV 15, 5,
8. LeviBOu^ Du Beurkurtdunff des CwM^ndes im ^-l^^fttiii, Bonn 1898, 9* Appiait, 6. e.
IV 30 versteht natürUeh anter nivank^ die Proteriptionatabellen. E» bleiben die An-
gaben DiüH^ welche lich fliimtUcb auf Jünglinge höherer Klassen beaiebeu.
2) S. Mommsen, Staatsrecht II 40a
S) Die zenaorisohe Aufnahme der Ritter geechuh auch in Ruberen Zeiten »eparat»
«. Momm»en^ Staatsrecht U 898,
4) S. die Inschrift dea Vibtufl Salutaris, Inscr, in the Br. Mus, 111 481, 85fr. Die
Pendaute <\i ßovXii und ytQot^ffla sind der Senat und da» Volk.
5) PüUux IV 122; Girard, Uiducalim 284; Inscf, in ihc Br. Mm, Hl 48L
6) Dumont, Emii 27 ^ Grasberger, EtHehung \l\ 27; Girard, Dict.desaifilt. II 1, 624.
7) Ob dies überhaupt der ertte Fall der Verleihung der Waifen war, wage ich
nicht SU entscheiden.
68 M, Bostoweew^
Epheben.^) Man wird wohl kaum irren, wenn nach dem oben Gesagten
angenommen wird, dass diese Ceremonie der Waffenverieihung mit der
Ceremonie der Einschreibung verbunden war und in oder vor dem Tempel
des Mars ültor vor sich ging.*)
3. Die innere Organisation der iuventus lässt sich auch mit Hilfe der
attischen Institutionen veranschaulichen. Als Vorstand der Epheben
funktionierte in Athen der Kosmet; als Kosmeten der römischen iuventus
darf man wohl den Kaiser selbst in Anspruch nehmen. Daneben leiteten
das ganze Leben der Epheben die Pädotriben, welche hauptsächlich mit
den Studien und Übungen der Epheben zu thun hatten; die Stellung dieser
Pädotriben war sehr ansehnlich. Diese Pädotriben rufen sofort die magistri,
die bei den Troiaspielen funktionieren, ins Gedächtnis. «) Sie leiten die
Spiele bei Vergil und bereiten die Jugend zu der Teilnahme an denselben
vor. Sie sind wohl die einzigen Erwachsenen in der Troiaspielorganisation,
wie die Pädotriben bei der Organisation der Ephebie. Es konnten solche
Lehrer auch für die tirones nicht fehlen, und das sind wohl die auf den
Tesseren genannten magistri iuvcntutis, deren Amt durch die Darstellung
des Spielgebäudes und des Kriegsgottes auf den 1^ ihrer Tesseren genügend
charakterisiert wird. Eine indirekte Bestätigung finde ich in den Nach-
richten von den Spielen Neros, worüber unten S. 74 zu handeln ist.*)
Die seviri equitum waren wohl junge Leute, sicherlich aber keine
tirones mehr. An den princeps iuvßnttäis erinnert der griechische agx^'
q>fjßog oder uqx^^ k^pjßwv.^)
4. Die Epheben in Athen beteiligten sich, wie bekannt, an allen
feierlichen Prozessionen des an Feierlichkeiten solcher Art reichen atheni-
schen Lebens. Ich' glaube beweisen zu können, dass es die iuvenes in
Rom auch regelmässig gethan haben. Dieser Beweis bedarf aber etwas
näherer Ausführungen.
Zuerst erinnere ich an die bekannte Beschreibung der pompa circensis
bei Dionysius, Vn 72: (als Erste kommen) ol naiSig avruiv ol ngoatjßoi
re xal rov nofineveiv Hxovre^ tjkixiav (also unsere tirones), Inmlg (liv wv
qI narifftg rifii^iiaTa Inniwv <t;ifov, ntCoi S* ol fUXXovttg kv roTg ne^olg
argaTtiBa&ai^ ol fih xat tXag tb xal xard Xoxovg, ol Sk xarä avfifiOQiag
r« xal tdl^Hg ojg elg SiöaaxaXüov nogtvoiuvoi.^)
1) Dargestellt sind die Waffen auf Münzen (Cohen I 68, 42—43) und Tesseren
(5. 3), s. oben S. 25, vgl. Cohen I 68, 38—41; 69 Anm. 1 (dazu Boutkowski, Dict.
numismatique I 357, 88).
2) Wiederholt wurde der Akt der Waffenverleihung, soweit überliefert ist, nachher
unter Claudius für Nero (Eckhel VI 261 ; Cohen I 284, 82 und 286, 96—99) und unter
M. Aurel für Commodus (Eckhel VU 104, vgl. VIII 376; Cohen lU 240, 105).
8) Plut., Cato maior 8; Verg., Aen, V 360; Goebel, De Troiae ludo 10 und 13 ff.
4) Schon jetzt führe ich Suet., Nero 12 an : institutt et quinquennale certamen . . .
magistroa toto certamini praeposuit constUares sortey sede praetorum,
5) Collignon, Quid de collegiis 49 ff.
6) Über diese Stelle Mommsen, Staatsr, III 522, 1.
Römische Bldtessürae,
Nun aber hat andererseits Petei'sen (Rom. 3Iitlj 1892, 258 ff.) bei
der Beschreibung der Keliefs des Traian^bo^ens scu Beneveut darauf hin*
gewiesen, dass bei vielen der Darstellungen der römischen pompa trium^
phalis bis jetzt unerklärte Figuren von bekränzten oder behelmten
tunieati mit runden iSchilden und vielleicht Speeren in den Händen an
Hanptstellen der Prozession erscheinen. Folgende Monumente geben uns
die Darstelhmg dieser iumcati,
1. Der Titusbogen* Auf dem Fries der Colosseumsseite (s. Bellori,
Vßteres arct^y tab. 7; Hossini, GU archi, 14; Petersen, a. a. 0, 261) ist, wie
bekannt, der Triumphalzug oder besser der Kopf desselben dargestellt.
An der Spitze des Zuges gebt ein Jüngling in kurzer bis au die Knie
reichender Tunika, bekränzt, mit einem Schilde iu der Ijinken ; narli ihm
kommt ein tablifer. Es folgen mehrere Opfertiere mit Be^ß:leitung, dann
wieder zwei dem eben be-schriebenen vollständig ähnliche Jünglinge (Bellori
macht sie bärtig, weil tsr sie für Soldaten hält; in der Zeit des Titus
sind aber auch bärtige Soldaten unmöglich), nach ihnen ein älterer /<?•
ffaim^ dann wieder drei junge cUpeaii und tumeeiti derselben Art und die
übrige Prozession. Auf den Schilden aller Junglinge sehen wir den Kopf
der Medusa dai^estellt,
2. Traiansbogen in Benevent. Auf dem rund herum laufenden Friese
mit der Darstellung des Triumphalzuges (A- Meomartini, / monumenti e
k op^e (forte della dtiä dt BemverUö fasc. 11 tav, XX VIII f.; Petersen,
Itöm. Mut, 1892, 248 fL und 259 ff.) erscheinen wiederum Jünglinge mit
Schilden (auf denselben eine Rosette) und vielleicht Speeren, mit der
tunica bekleidet und bekränzt Dieselben JUnglinge stehen auf jeder
Seite der Thymiaterien, welche das Centrum der >ier kleinen Bilder unter
dem Friese bilden (Meomartini, a. a. <), 189; Petersen 245), wohl als Ehren-
wache^ denn die Kulthandlung vollziehen bürgerlich bekleidete Jünglinge
oline Waffen.
3. Relief bei Gasali, De profanis d sacris veterUßm rittbus (Bomae, 1644)
zu S. 149 (vgl Petersen, 250), Fragment eines Triumphalzuges. Zuerst
kommt die Musik, dann fünf Jünglinge mit Schilden in den Linken, be-
helmt und nur mit der tunica bekleidet; ihnen folgen junge tunieati^
welche Thymiaterien tragen, und die übrige Prozession. Zu betonen ist
es, dass die Jünglinge kleiner als die Musikanten dargestellt sind,
4. Relief bei Montfaucon, AntiquitSs ea^^Uquees^ III 2, 170 (Dressel,
HirsehfeUls Festschrift^ 2Sl)i tUneines, nacli ihnen kleine tiinicati behelmt
und mit Schilden bewaffnet
5. Als fünftes Monument etwas anderen Charaktei's reiht sich an die
angeführten Darstellungen das von Dressel {Hirschfelds Festschrift 280 ff.) be-
schriebene und abgebildete Medaillon des Kaisers Antoninus an (zwei Exem-
plare bekannt: in Berlin und Paris; nach dem letzteren, welches ich im Ori-
ginal geprüft habe, beschreibe ich es}. Auf dem K des Medaillons sehen w^ir
zuerst einen agonistischen Tisch mit einem Kranze auf demselben, hinter
70 M. Bogtowjgew,
ihm steht ein tablifcr. Es wird also eine feierlich-offizielle Handlang
dargestellt Vor dem Tische steht der Kaiser n. r. mit vorgestreckter L^
welche einen Stab oder ein Szepter geschultert hält, und nach hinten aus-
gestreckter E., welche er auf die Schulter der hinter ihm stehenden
Fignr legt, wohl um dieselbe an den Tisch zu führen. Hinter ihm zwei
Jünglinge, betrachtlich kleiner als der Kaiser und kleiner als der die
Darstellung schliessende tibieen. Die Beiden sind mit langen, bis auf dieKniee
reichenden Tunicae bekleidet^ erscheinen bekränzt und halten in den Linken
runde Schilda Unten auf dem Pariser Exemplar steht COSDI, oben auf
dem Berliner LVD — D[E]C (auch auf dem Pariser habe ich deutliche
Spuren derselben Legende gesehen) = lud{%) d^e^i^eMiaies). Hier figurieren
also die Jünglinge nicht mehr als Neben-, sondern als Hauptpersonen, und
zwar ist es klar, dass die Scene die Bekränzung der Sieger an den ludi
decennäles durch den Kaiser darstellt
Nun scheint es mir ausser Zweifel zu sein, erstens, dass die eUpeaU
auf allen Monumenten immer dieselben Personen, dieselbe Gruppe der
römischen Bevölkerung darstellen, zweitens, dass überall nicht ganz er-
wachsene Jünglinge dargestellt werden — wohl im Alter von 14 — 15 Jahren.
Dabei ist zu bedenken: erstens, dass die Jünglinge tumeati sind, ganz
wie die tiranes bei Cicero,*) zweitens, dass sie runde Schilde — das
Charakteristicum der iuvenes — und zuweilen Speere tragen, drittens,
dass sie öfters behelmt sind, wobei an die Verleihung der Helme an die
pucri qui luserufU Traiam durch Augustus zu erinnern ist,^) viertens, dass
sie in grösserer Anzahl auch in verkürzten Darstellungen erscheinen,
fünftens, dass sie bei der Prozession keine thätige Bolle spielen, sondern
nur paradierend vorbeiziehen, sechstens, dass sie bei feierlichen Spielen
Siege davontragen und ihnen voran der Kaiser als Kosmet geht und den
Preis zuteilt Wenn man dies alles in Betracht zieht, so wird es klar,
dass alle unsere Monumente die organisierte luventus der Kaiserzeit dar-
stellen,*) welche, wie Dionysius angiebt, bei den feierlichen Prozessionen
nicht fehlen durfte, und dass demnach die Teilnahme an den Festzügen
eine der Hauptbeschäftigungen der römischen Epheben war. Es bleibt
1) Cic.y pro CatUo Y 11: et ut exercUatiane ludoque campestri tunicati tUeremur;
in MilitäraoBrÜBtuDg sind die tiraneSy also nicht togatiy obwohl ihnen die toga virüis
schon verliehen worden ist.
2) Serv. ad Verg. Äen, b, 556: Baebius Macer dicit a Caeeare Äugueto pueris
qui luserunt Troiam donalas esse gaUas et hina luistiliaf ad quod Vergilium constat
aUudere.
3) Die Deutung Petersens (a.a.O.)) die Jünglinge seien Tfinzer, findet in ihrer Haltung
keine Stütze. Auch ist ihre Verbindung mit den Thymiaterien (Benevent) inniger wie bei
den dgxriittai und nicht notwendig (Titusbogen). Sie bilden wohl die Ehrenwache bei
den Thjmiaterien, beschränken sich aber auf dieselbe keineswegs. Höchst interessant
ist es dabei zu notieren, dass die Münzen, welche uns das Porträt des Graius Cäsar
geben (Cohen I 181, 1 f.) auf den Rückseiten das Thjmiaterium haben. Sie beziehen sich
demnach auf eine der grösseren Feiern zu Ehren des Augustus, bei welcher Gaius in
der Prozession als Ehrenwache oder Träger der Thymiateria paradierte.
Bömiscl^ Bhitcsscrac.
71
nur eine Schwierigkeit: die Jünglinge sind nicht beritten, wie es
LHonjsiiis angiebt iind an sich zu erwarten wäre. Die Erklärung wird
wohl im römischen Ritual zu suchen sein* Zu bedenken ist, dass wir
nii*gends die pmnpo circensisj welche Dionysius beschreibt, vor uns haben.
Die obigeji Ausführungen erlaubten uns mehrere Blicke in die innere
Organisation der römischen luventus zu thun. Wir sahen vornehme Jfing-
linge in Scbwadi*oneu gegliedert mit ilirem obersten Vorsteher, dem
Kaiser, ihren Anfüluem, den seviri und ilireu Ehrenanführern, den
principes iuventuiis^ vor uns. Diese Jünglinge bereiten sich zum Militär-
dienste vor; sie üben täglich unter der Leitung erfahiener magtsiri auf
dem Marnfelde, reiten, schwimmen, fechten ; bei grossen Festen zeigen sie
sich in ihrer Tracht — tunica, Schild, zuweilen Si^eer und Helm — dem
Volke an der Spitze des Zuges der pompa wid als Ehrenwache der
Th.pniaterien feierlich vorbeisclireitend. Thätig sind sie bei den Spielen:
noch als Kinder beginnen sie zu üben und zeigen ihi'e Beit- und Fecht-
kunst im lusus Troiae, als iuvenes veranstalten sie ihre eigenen 1«^/*^ —
semrales genannt — und nehmen auch an anderen, besonders circensisclien,
als Reiter und Wagenleuker teil Aus den bei der Troia Beteiligten
wirbt man wohl die punri pairimi und matrimi, welclie eine so grosse
Rolle im Kultus sfüelen, und sie sind es, welche das Säcularlied des Horaz
bei der August unf ei er vortnigen.
Als sicheres Ergebnis kann umn noch bezeichnen, ism zuerst Augustus
den früher vorhandenen Keimen eine feste Organisation gegeben hat, und
dass er sich wohl dabei von athenischem oder überhaupt griechLschem
Vorbilde beeinflussen Hess. Wie weit dieser Einfluss ging, ist schwer zu
sagen; denn manche Zusammenhänge sind wohl zufälliger Art und bei
jeder Altersorganisation zu finden.*) Die Beeinflussung wird aber noch
dadurch bewiesen ^ dass Augustus der grie^liischen Ephebie grosse Auf-
merksamkeit zollte,^) dass er zweimal, das zweite Mal als Spielgeber und
Günner, in Athen geweflen ist und selbst einen echt griechischen Agon
gestiftet hat'*)
Die Organisation, me sie Augustus aus alten und neuentlehnten Stücken
geschaffen hat, dauerte auch unter seinen Nachfolgern fort. Für die Zeit
des Tiberius haben wir ein sicheres Zeugnis in der Tessera des Nero
und Drusus, der Söline des Germanicus, auf der sie auf der Rückseite
als Reiter dargesteUt sind, ganz wie Üaius und Lucius auf ihren Münzen,
1) 8. Usrtier, Mesäüche Blätter für Volkskunde l (1902), 195 ft,
2) Stti^t., Au^,9Si apßcta^ aa9id9te eactrcenUs tphebot ^iiomiii a%i(a adhuc copia
CUP Ptttre msiiiuic (Japreü €ra$; Mem ^iam Sputum im eonapee$u 9uo praebuit p€rmi$$a
iwtmo exacta iocandi UcmÜa diripiendique pontorum ei ob^oniorum rerumque mim Im,
c£ Strsbo V 170. BaMdehnend i«t fUr dus [nt^rene. daa AuguittiA der luir«ntiJ« zo\ht%
dftMft ftottfr düu von üim wiederbergesti^Uii^Q IVinpohi auch ein Tempel der luventiui
weh find<ft, B, Mon. Ant. Iftt. IV 8 und gr. X 12--18, X\'^riJ 28—24.
3) Friedläiider, Sitieng. U 47i>; Moiuönieü, Bes juesUu* 41 ff
72 M, Bostoweew^
Denselben Typus zeigen auch die Münzen des Nero und Drusus, geschlagen
unter CaUgula (Eckhel VI 217).
Caligula verlieh den Titel princeps iuventutis an Tiberius, den
Sohn des Drusus (Suet, Gal. 15 ; Dio 59, 8). Sein Interesse für die Jugend
und seine treue Anhänglichkeit an die Prinzipien des Cäsar bewies er
erstens dadurch, dass er zu der Feier der Satumalien einen Tag, welchem
er den Namen luvenaUs gab, und an welchem wohl Spiele der Jugend
stattfanden,*) hinzufügte, zweitens durch die von Sueton {Gälig. 18) be-
zeugten Spiele, an welchen hauptsächlich die senatorische Jugend thätig
teilnahm : edidü et circenses plurimas a mane ad vesperam interiecta modo
afiricanarum venatione modo Troiae deeursione et quosdam praecipuos^ minio
et chrysocolla constrato drco, nee viUis nisi ex senatorio ordine aurigantüms.*)
Claudius setzte die Politik seiner Vorgänger fort. Von Nero als
princeps iuventutis und der Verleihung des Schildes und Speeres an den-
selben war schon die Rede.«) Auch Spiele mit Teilnahme der vornehmen
Jugend sind für seine Zeit bezeugt: Sueton., Claud. 21: ac super quadri-
garum certamina Troiae lusum exhibuU et afiricanas conficiente turma equiknn
praetorianorum ducibus tribunis ipsoque praefeeto,*) Diese Spiele sind eine
Copie der Spiele des Caligula, die letzteren sind Wiederholungen ähnlicher
Spiele des Augustus und Cäsar. Charakteristisch ist die Teilnahme der
Prätorianer. Es dauert also die Tendenz des Cäsar und Augustus fort:
man will eine kräftige Jugend haben , ihre Kraft soll dieselbe bei den
Staatsspielen, welche immer noch ihren religiösen Character bewahren,
zeigen.*) Daneben kam, wie oben (S. 71) ausgeführt worden ist, auch die
musische Bildung nicht zu kurz: die Augustischen Chöre vornehmer
Jünglinge bei der Säcularfeier bezeugen dies mit voller Sicherheit; nur
trug man diese Bildung ausschliesslich für religiöse Zwecke zur Schau.
Den rein sportlichen Standpunkt trug erst Nero in die älteren lur
1) Suet, Calig. 17.
2) Vgl. Dio 59, 11 : (bei dem Begräbnis Drusillas) xal oi ts doQvq>6QOt iura toü
&QXOVt6s cq>&v xal xonglg ol ln%f]g tb riXog . . . of re ei^yerslg naldeg tr}v Tgolav tvsqI
xhv xdtpov a'bxfig nsgilnnsvaav. CharakteristiBch ist die VereiniguDg der unter ritter-
lichem Kommando stehenden Prätorianer mit unserer iuventtis und den Knaben. Das-
selbe bei den Spielen des Claudius und Nero.
8) Auf dieses Ereignis bezieht sich vielleicht die oben (S. 59) beschriebene
Tessera S. 838.
4) Merkwürdig ist die Übereinstimmung mit den Begräbnisspielen Drusillas,
s. Anm. 2.
5) Diese Spiele und manches in der Thätigkeit Neros hat Tacitus im Auge, wenn
er sagt (Eist. II 62) : cautum severe ne equites Bomani ludo et harena poüuerentur.
priores id principes pecunia et saepius vi perptderant ac pleraque municipia et coloniae
aemulabantur corruptissimum quemque adulescentium pretio irüicere. Ob bei der
letzteren Angabe Tacitus die von ihm missverstandenen munizipalen luvenesorgani-
sationen und Spiele im Auge hat, ist unsicher. Möglich ist es, dass ebenso wie diese
Organisationen, auch die Teilnahme erwachsener Ritter an Munizipalspielen sich in
den Munizipien einbürgerte.
KSmUchü Bleüesscrae.
TS
stitutioiifu hinein. Dass pr an Aelteres ankntipft^* und zunächst nichts
Neues untl Unerhörte« schuf, bezeugt einen^eits die bekannte Krklärungr,
welche er nach Tacitus (Ann, XIV 14) seinen sportlichen >feigriiDgen gab.
Dieselbe klingt ganz Äugnstiich: veU0 iJli cupida erat curricuio tfmdrigarum
itmstere, nee minus faedum studmrn cWiara ludicrum in modum camrc. con-
eerfare equis regium et aniiqms dudbus faciiiatum mömorahat idque vatum
laudibus cclehre et deorujit honari datunu miimmro canius Apollini sacros^ te-
lique cmatu astarc nan modo Graeeis in urbibus sed Romana apud temipla numtn
praecipuum et pracseium (er meint natürlich hauptsächlich den palat inischeu
Tempel)* Dies waren wohl auch die Ideen das Augustu8, als er auf der
Zuziehung der vornehmen Jugend zu Spielen und Festen ^o fest be-
stand.\) Andererseits äusserte sich die Politik des Nero in dieser Hin-
dicht in den Anfängen nicht andei-s als unter Caligula und Claudins:
seine Spiele des J. <55 sind nur eine Wiederholung der Claudischen, vgl.
Dio 61, 0: avÖQig rav^vg ano tnnwy {JVfinafja&iovri^ cifiöi xaxitsxQttfov*^)
TiTQaxociag r€ äoxtov^ xal t^iaxQaiovg Xiovtag ol inm^g ai öatfxaTotfvXaxig
Ni^wvog xattjxovTiiiap ore xal inneig ix rol riXovg rgiaxopta kpLovo-
pd^tjöav.
Das Auffällige war, dass der Kaiser selbst an den Spielen und «war
an griechischen nmsikalischen Agonen teilnahm. Es geschah aber nicht
ohne längere Vorbereitungen und Versuche, bei denen Nero an die
Organisation der römischen iuvet^4s anknüpfte. Bei der (jJelegenheit des
ersten Bartscheerens , d. h. des Austritts aus der Zahl der rihnistdien
Jugend/*) veranstaltete der Kaiser Spiele, welchen er den passenden Namen
itwenalia gab;*) dabei knüpfte er wohl an den f/tcj? /wr^fnalt^ des Caligula
und an die in den llunizipien zu «üeser Zeit üblichen Spiele diei>es Namens
(8. unten S. 87) an. Diese iuvcnalia wiederholte er seitdem Öfters.*) Das
Eigentümliche dieser Spiele war die Teilnahme ausschliesslich vornehmer
Personen jedes Alters und der theatralisch-musikalische Charakter der-
selben* Dass die Spiele nicht öffentlich waren, sondern für einen ge*
schlossenen Kreis der Zuschauer im Palast oder in (harten gegäben wurden,
1] Ei mtui d&rmn critinert werdeD« doM dir. vornehme Jugend lui den pcnodbchen
Spielen sur Erinnenuig »n drn Sieg bei Aetium teütiAhin; at» der Zahl di*T Götter
spielte dabei, wie bekmxuit, der Apollo Actiui die HnuptroUe, it. über die Attgtitti»cheo
bpiele Friedtändcr, SiUm^iSch, U 479.
5) V^gl Suet, CUiud. 21 : praetürea 'fhsuaU>9 equites qui ftroä lauroM per mpoJtia
dJPBJ ü$mni msüutniqiu deftuas et ad terram camibtis detrahuni . , « .
a) a Mau bei Paulj-WiftKown, E. K 111 83. Er war im J. 58 n. Clir. 21 J. alt
Dfti Datum de» Fettet — 18. Okt. — ist vielleiclil der Tag, wo er die toptt tirilin be-
kainni«^D hat, t, Hild bei Daremherg ei Stigliu^ Dict. ä. arU, HI 782^ der«elbe Ta^,
an dem Ao^^tnt die U>ffa ^irilis erbäit, t. CIL, l\ p. 882, wie nur Prof. O. HinMihfeld
bf^merkt.
4) S. Hild bei Daremberg ei SagHö, IHet, Ol 7B2 t. w. iuißmMa^ ?gl Witwjwa,
MeUßim und Kultwt im, a.
6) Tac., Ann. XV 33; 8aet, Netü Ih
74 M. Bostoweew,
kam auch früher öfters vor.i) Zur Vorbereitung für diese Spiele wurden
besondere Kurse mit mehreren Lehrern organisiert: ein Nachklang der
magistri des Marsfeldes.*)
Im AjQSchluss an diese Spiele organisierte Nero nach hellenistischem
Muster, wie wir später sehen werden, eine besondere jugendliche Leib-
garde, s. Tac, Ann. XIV 15 : tuncque primum conscripH sunt cquites Bo-
mani cognomento AugtAstianorum aettäe ac robore conspicui et pars ingenio
proeaces, vgl. Suet., Nero 20 : neque eo segnit^s adolescenttdos equestris ordinis
et quinque amplius milia e plebe robt^sUssimae iuventtdis undique elegit ....
insignes pinguissima coma et exeeUentissimo cultu .... quorum duces quor
dringena müia merebant.
Den Kern bildeten also ritterliche tirones, wohl bewaffnet,^ an sie
reihten sich andere; sie alle bildeten die gewöhnliche Umgebung des
Kaisers, wohl hauptsächlich in der Öffentlichkeit. Möglich ist es, dass
dieselben offiziell iuv(enes) Aug{ustiani) Messen, wenn ich mit Recht die
Tessera 8. 889 darauf beziehe.
Im J. 59 gab Nero öffentliche theatralisch-musikalische Spiele mit
Beteiligung von Rittern und Senatoren;*) im J. 60 stiftete er seinen
Agon , sein certamen quinquennäle (Suet, Nero 12 ; Tac., Ann, XIV 20 ;
Cohen, I, Nferon 46 — 65) , an welchem er selbst und natürlich die Vor-
nehmsten seines Kreises teilnahmen.^) Charakteristisch ist, dass auch
zur Vorbereitung zu demselben besondere Schulen geschaffen wurden und
an der Spitze des Agons zwei senatorische magistri standen.®)
Als Marken dieses Agons sehe ich die Tesseren S. 843 mit Auf-
schrift N — ^7T — wohl N(€ronia) (iterum) — und Darstellung des Apollo an,
vgl. auch S. 844—846. Vielleicht gehört auch die oben beschriebene
Tessera S. 836 dem Neronischen Certamen an: die Legende Neronis in-
vidi kann sich nur auf seine Spielleistungen beziehen.
In dieser Weise entstellte Nero die streng durchdachte Augustische
Reform. Die römische Jugend hat er nach hellenistisch-monarchischer
Art zu seiner Leibwache einerseits, zu Sportsmännem circensischer und
musikalischer Art andererseits umbilden wollen.^ Die erster e Idee findet
1) Über den Charakter der Spiele, s. Tac, Ann. XIV 15; XV 33; Plin., N(U. Mst.
XXXVII 19; Dio 61, 19—20.
2) Dio 61, 19, 2 uDd 20, 3: xal ainSi xal 6 Boüggog %cd 6 JSsv^xag xad^careQ uvhg
diddtnuxXot ^oßdXXovrie ti naQStati^xeoav . . .
3) Dio 61, 20 neDDt sie axQccti&taL, was doch nach Sueton und Tacitus unmöglich
Ut, vgl. Dio 63, 8 und 18; Habel bei Pauly - Wissowa, R. E. II 2363.
4) Dio 61, 17; Suet., Nwo 11 und 12.
5) Darüber Friedländer, Süteng, II 480 ff.
6) Suet., Nero 12 : instituü et quinquennäle certamen . . . magistroa toto certamini
praeposuit consulares sorte sede praetorum.
7) S. Tac, Ann. XIV 20 die Äusserungen der Gegner der neuen Richtung. Die
militärische und bürgerliche Erziehung, welche Augustus im Auge hatte, wird durch
die neue Richtung geradezu vernichtet, sagen diese Gegner ganz richtig.
Römische Bldtesserae,
75
iieli
Uiren Nachklang schon bei Galba: die jugendliche, ritterliche T '
mit welcher sich Galba umgeben hat, ist sicher aus den N«
iunenes ÄugusHani ritterlichen Standes hervorgegangen.*)
Auch den sportlichen Teil des NeronLschen Progi'amnis, mit der Idee
der Leibwache aufs engste verbunden, finden wir unter dem strengen
monarchischen Regiment des Domitianns wieder,') Die iuvenes
Auffustiani ^) ans den zwei ersten Ständen erscheinen unter ihm als Trä^ger
besonderer Feste, iuvctmlia genannt. Diese Feste bestanden aus Tier-
hetzen, scenischen Vorstellungen und dichterisch-oratorischen Agonen. Als
Spielgeber erscheinen besondere magistri. Die Spiele werden jährlich an
den quinquatria und wenigstens teilweise in der albanischen Villa des
Kaisers gegeben.*)
Mit Domitian scheint das besondere calle^um tuvenum AuffuaHanorum
aus Mitgliedern der ritterlichen iuverUus eingegangen zu sein. Die iw-
i>€$w9 als solche existieren aber weiter und scheinen an den kaiserlichen
Agonen weiter teilgenommen zu haben. Die seit Antoninus periodisch
wiederkehrenden Mi decennales^) sind offenbar agonistischer Nat ur gewesen,
wie das oben (S. 69 f.) beschriebene Medaillon des Kais*ers Antoninus bezeugt.
Die Darstellung des agonistischen Tisches ei*scheint seit Nero öfters auf
1) Suet, Galha 10: dehffit et equesiris ordinis tunen€9 fui manente auHlorumum
evocati appeUarentur excubia»que circa cubiadum 9uum vice militum aijertnt. Der eni»
Schritt daxu wurde von Cäanr gcthan^ iüdero er »ich mit tfiner Kittcrfrache umgab,
s. Dio 44, 4-^6.
2) Vespfläiaik bleibt bei der Augoitiichen Tnulition, indem er den Titel prin-
cep8 iuvenhitis an Titun uod Domitian verleiht ttnd auf MUnien den Zusammenhang
des Titeid mit der Ritterschaft betoot, s. Koch, de principe iuv. 30 und Blanchetf
Ktudes fiMm. I 8 f.
8) S, die Tetsera S. 847 (s. die htig, Taf. II 8) , weiche »iüh lieher iwif die Do-
mltiaulBchen Spiele {iuucnalia) besieht. In die«elbe Heihe gehört die Nachricht
Sueti»n»» Lkmi. 14 . . . honorem . . . recnstwit quo decretum erat ul tptotiens ffeftret
congulatum eq. R. quibus sors obtigisset trabeati et cum hasiiB milüaribuM (daa b#*
kauut« insitfne der jugeudiicben Ritter) praeceäerent eum intet lictorti apparttore*-^
qu^ Der Vorschlag de« Senain erümert stark an die ritterliche Wache Caeian und
Galbas und gehört iu die Reihe der heUenistitchen Ho6eformeD.
4) 8. Suet. Domit. 4: cehbrabat et in Jlbano q%^tanni9 QuinqwcMa Minervae
cW enUegium ^mtituerat ex quo iorte dueti magüterio fungerenimr edermtqm exmiae
venationu et seenicoi hidoe, Buperque oralomm m poetarum certamina, Daia dien«
Spiele iuvenaUa wajN^n und die Mitglieder des CoUeg^um« iuveneü am htaäertn
Ständen bcaeugt Dio 67, 14, <H: tbv äk iii fluß^lmpa rbp fMr^ tot) T^aucvoÖ &q*
iarttsL nani'f^iiffihtu td tt &lXa secel eilm oi n^lXol %ü\ Jri %a\ &fi^loig ifiäftto
^httttvtr. iip* ^ irov %a\ tii fmXtata d^yi^i^ ee^^ ^^^J^ ^ovov ioxtv Bit vnattvowret
ixirtbv ig xb 'Alßttvhv inl ra vtavio%tvfieefm i^9Oiitc0fiivet maiJ^ixg liovttt c(no%r»(vai
liiyttv iivitfnatfh %rL verglichen mit Fronio ¥29—28 (37—88): eon$Hl popuU Rowumi
poiäa praeieata manicam indutt leonem inier iupmue quinquatfibui peraasit ipectanU
populo JUmano , . . Antwort : fiuando id fachtm ? et an Jiofnae. Num iUud dim in
Albnno factum mb Domitianc?
5) VgL die Munxe desMslben Datums Cohen U 337, 678 (J. 148 p* Chr,), witleh«»
sioh auf die ludi decennak^ beiieht
76 M. Rostowjsew,
den Eaisermünzen und bezeugt sicherlich die Existenz der Agone nnter
den betreffenden Kaisern.^) Auch die seit Nero übliche Teilnahme der
Jünglinge besserer Stände an diesen Agonen kehrt auf dem Medaillon
wieder. Dies Alles lässt die ludi decennales vielleicht mit den Agonen
des Augustus und Nero verbinden. Auch inbetreff des princeps iuveniuiis
blieb Antoninus beim Augustischen System.*)
Die Spiele, bei denen Commodus persönlich auftrat, erinnern stark
an die iuvenalia Neros,*) es wird aber von einer Teilnahme der höheren
Stände nichts berichtet.
Dagegen sind eine richtige Erneuerung der Augustischen Tradition
in veränderter Form die militärischen Spiele, welche Severus bei Gelegen-
heit des Geburtstages des Geta gegeben hat.*) Es waren richtige
militärische Agone zu Ehren des princeps iuventutis. Ihr Ziel war wohl
die Hebung der militärischen Tüchtigkeit und des militärischen Geistes
der daran Beteiligten. Zu bemerken ist, dass dabei wohl ausschliesslich
Soldaten, die jetzt hauptsächlich unter dem Begriff iuventus (s. unten
S. 77 f.) verstanden werden, auftraten.
An die Augustische Tradition knüpft wohl auch eine andere Neuerung
der Severischen Zeit an. Herodian V 7, 7 berichtet, dass Elagabal einen
Schauspieler nai8elag tüv viütv xai tvxoopLiag rijg re vnoarao^mg xf^
(j^^aoBtog TÜv Sylburg) [xiv\ hg r^v avyxXtjrov ßovh)v rj ro Innixov
xayiAa xaTarattofiivwv ngoifftrjffe. Es wird mit Mommsen und Hirsch-
feld*) anzunehmen sein, dass das von Herodian erwähnte Amt an das
früher vorhandene ritterliche Amt des a ccnsibus angeknüpft und fast in
denselben Bahmen schon unter Caracalla^) funktioniert hat, so dass die
Erweiterung der Befugnisse des o censibus wohl noch zu den Severischen
Einrichtungen gezählt werden muss. Diese neuen Vorsteher der haupt-
sächlich ritterlichen städtischen Jugend besorgten vielleicht oder beobachteten
wenigstens auch die körperliche Erziehung der iuventus, wie es unter
Augustus der Kaiser selbst gethan hatte. Es wird wohl kaum Zufall sein,
dass Caracalla solch eine sorgfältige Leibes-Erziehung genossen hat und in
allen militärischen Übungen hervorragte.') Kein Zufall ist auch die Er-
1) S. Dressely a. a. 0. Die Münzen, welche er aufzählt, sind: Nero — Cohen 46—65;
Trajan — Cohen 349—360; Hadrian — Cohen 568. 1169; Aelius — Cohen 74; Anto-
ninus — Cohen 878.
2) Dio 71, 35; Scr, h. Aug,^ M. Aur, 6, 3; Dio nennt M. Aurel sogar ^^6x^1x09
innddogf so den Zusammenhang mit der Ritterschaft betonend.
3) Dio 72, 17, 1 ff. ; Scr, h. Aug., Comm. 8, 5.
4) Scr, h. Aug., Maxim, duo 2, 4: natali Getae ßii minor is Severus militarea
dahat ludos propositis praemiis argenteis id est armiUis torquihus balteolis . . . Vgl.
auch die ganze Schilderung des Auftretens des Maximinus bei diesen Spielen oder
richtiger Agonen.
5) Mommsen, Staatsr. III 490, 1 ; Hirschfeld, Verwaltungsh. 2. Aufl. 66.
6) Fragm, Vatic. § 204; Hirschfeld, a. a. 0. 66, 6.
7) Schiller, Gesch. der röm. Kaiserzeit I 2, 740.
Römische Bleitesscrae. 77
neuerung der Münztypen mit Darstellung des berittenen prmceps tuvetdutis
an der Spitze mehrerer Reiter.*) Severus wird wohl Sorge für die physische
Erziehung der ganzen Ritterschaft getragen haben, wie er für sein ganzes
Heer in demselben Sinne gesorgt hat^)
Dabei ist aber zu bedenken, dass der Begriff iuventusj wie oben an-
gedeutet worden ist, sich in unserer Zeit verändert hat. Es ist eine
schon von Eckhel®) betonte Thätsache, dass seit dem III. Jahrh. der
Titel princeps iuventutis vom regierenden Augustus wie vom Thronfolger
ohne Unterschied getragen wird; ihn führen sogar Kaiser, welche nie
Thronfolger gewesen sind. Diese Beobachtung ist von Koch und Blanchet*)
als vollständig richtig nachgewiesen worden. Andererseits verliert sich
im in. Jahrh., wie schon Koch betont hat, der enge Zusammenhang des
princeps iuvetUtäis mit der Ritterschaft, der zuletzt in starker Weise auf
den Münzen Getas hervortritt. Seit M. Aurel und Commodus bieten die
Rfi. der Münzen der principes iuventutis rein militärische Typen, welche
zur Betonung des Heereskommandos des Kaisers geschaffen worden sind.*)
Auch unter Severus wird insofern zwischen Caracalla und Geta unter-
schieden, dass Caracalla als Heervorsteher, Gteta als Ritterführer er-
scheint«)
Im Zusammenhange damit steht auch, wie unten (S. 90 f.) zu zeigen
ist, der rein militärische Charakter der provinzialen iuventus seit dem
m. JahrL n. Chr.
Es scheint aus diesen Beobachtungen zu folgen, dass seit Severus
der Rahmen der iuventus sich erweitert hat. Man sorgt zwar auch für
die körperliche Erziehung der Ritter (Senatoren kommen nicht mehr in
Betracht), dieselben bilden aber nunmehr nur einen Teil der iuvenhM^
welche das ganze Wehrvolk, alle im Dienste stehenden Soldaten um-
fasst. An die Stelle der Politik bezüglich der bevorzugten Stände tritt
jetzt auch in dieser Frage die Heerespolitik. Die früheren ngokgiToi
Innddo^ werden zu principes der ganzen militärischen im Dienste stehenden
Jugend.
1) Cohen IV, Geta 156—168. Charakteristisch ist die Münze mit dem Kopfe
Getas und der Darstellung des Castor, Eckhel, Z>. n. VII 229; De FoTÜle, Rev. num.
1909, 275. Castor ist der bekannte Vorsteher der Ritterschaft, der göttliche princeps
der Jugend (im alten Sinne). Sein Fest ist der Tag der transvectio equitum
(Mommsen, Staatsr. III 498; Wissowa, Religion und KuUus 216 ff., Tgl. Hör., Carm.
III 8). Es ist möglich, dass in -der Wahl des Typus auch der Tag der Geburt des
Geta, wie Foville hervorhebt, mitgespielt hat (Scr. h. Äug,, 8ev. 1).
2) Eine Übersetzung der Severischen Einrichtung, in den Rahmen der Djrarchie
ist der vjtotniTizrje der Rede des Maecenas bei Dio (52, 21). Das Amt hat wohl nie
existiert, s. Hirschfeld, Vene. 66, 4.
8) Eckhel, D. n. VHI 876-879. ...
4) Koch, De principe iuventutis, Lips. 1888; iuBlaiiditl|^JEIIiHifl9-ltt^iliiik I-lft
5) Koch, a. a. 0. 85 f. .**- •• '-
6) Cohen IV, CaracaUa 502— 507; G^a 156^
78 M. Bostowgew^
Aus den späteren Zeiten haben wir leider keine Nachrichten. Von
den iuvenäUa Gk)rdians wird noch die Rede sein: sie haben mit Rom
nichts zu thun.^) Aber noch zu Zeiten des Sidonius Apollinaris hören
wir von circensischen Spielen privaten Charakters, an denen vornehme
Jünglinge — iuvenes aulici — teilnahmen.*) Die alte Tradition scheint
nie gänzlich vergessen worden zu sein.
Dies sind die verschiedenen Veränderungen, welche die Augustische
Institution durchgemacht hat. Aus älteren Keimen entstanden, sollte sie
die körperliche und moralische Kraft der Jugend heben. In den Zeiten
Neros macht man aber daraus, die Augustischen Ziele verkennend, ein
Hofpagencorps mit rein sportlicher Erziehung. Nach Nero schwankt
man zwischen den beiden Auffassungen hin und her, öfters zu dem Augusti-
schen System wieder zurückkehrend.
Die monarchische Tendenz, welche ich mehrmals hervorgehoben habe
und die seit Nero stark hervortritt, nannte ich hellenistisch und zwar
nicht im allgemeinen Sinne, aber speziell in Beziehung auf die vor-
nehme Jugend. Dies bedarf näherer Beweise. Seit Nero sahen wir die
ritterliche Jugend zu einem richtigen bewaffneten Pagencorps umgebildet;
dies Pagencorps bildet die stete Begleitung des Kaisers, unter Galba hält
es unter dem Namen evacati, mit den Soldaten konkurrierend, bei der
Person und im Palaste des Kaisers eine Ehrenwache, unter Domitian er-
scheint das Collegium der Jugend im kaiserlichen Palaste in Alba an
den Spielen ihres Namens thätigen Anteil nehmend, immer also in engster
Verbindung mit der Person des Kaisers, als Teil seines Gefolges, wenn
nicht seines Hofhaltes. Das Vorbild dazu fanden wir in der cäsarischen
Ritter- und Senatorenwache, es liegt aber noch weiter zurück.
Das wirkliche Vorbild sind meiner Ansicht nach die ßaaiJuxol naldtg
oder vaaviaxoi (pl negl ri)y ail^Vy 'ligdvuoi) der hellenistischen Höfe.
Leider sind unsere Nachrichten über diese hellenistische Institution nicht
besonders reichhaltig, die Hauptzüge kennen wir jedoch.^)
Seit Philipp von Makedonien sind die ßaa^hxol naJdis bekannt
Unter Alexander spielen sie eine wichtige Rolle. Näheres erzählen
uns davon Arrian und Curtius bei Gelegenheit der Verschwörung eines
derselben, nämlich des Hermolaos.^) Danach sind die /Haadixol naidtg
Kinder vornehmer Makedonier, oao^ ig tiXixlav kfutgaxioivTo (Arrian; also
1) Scr. h. Äug.y Oordiani III 4.
2) Sid. Apoll., carm. XXIU 810 ff.: mos est Ccttsaris hie die bis uno \ (privates
voeüant) parare ludos, | tunc coetus iuvenum sed atdieorum | Elei simülacra torva campi \
exercet spcUiantibus qu<idrigis .... Man darf aber v. 428 iuvencUibus peractis nicht,
wie es gewöhnlich geschieht, auf Spiele beziehen.
3) Zusammengestellt sind die Nachrichten am vollständigsten bei Beloch, Grieeh,
Gesch, III 889 f., vgl. 898; mehrere falsche Zitate findet man bei Breccia, Studi dt
stör. arU. IV 80; auf Suidas s. v. ßaalUioi italdae hat Ditteoberger, Inscr. Or. 1247
hingewiesen.
4) Arn, Änab. IV 18, 1 f.; Curtius VIII 6, 2 ff.
Römische BlaHeiB&rm.
n
Im Alter unserer Urones), welche ausgewählt werden {xaTotXfys<T&0t bei
Arrian, Ciirtios spricht von freiwilligem Eintritt — trmlere)^) Sie
<lienten dem K5mg und hielten neben den Soldaten (Curtius) Wache vor
seinem Schlafzimmer; sie präsentierten ihm das Pferd zum Ritte und
halfen ihm auf den Sattel, begleiteten ihn auch bei der Jagd ond in
den Schlachten (das Letztere Curtius allein): auch assen sie mit dem
Könige und zwar sitzend ((urtius). Der K«jnig hatte allein das Recht,
sie zu bestrafen (Curtius). Allen war eine höhere Bildung eigen (OurtiusK
Sie waren die Pflanzschule späterer höherer Beamten (Curtius). Bei dem
Tode Alexanders standen sie auf der Seite des Perdikkas (Gurt. X 7, 16).
In Makedonien können wir ihre Existenz bis auf Perseus verfolgen.-)
Für Syrien sind sie einmal ausdrücklich erwähnt (PoK, V 82, 13)
und zwar um zu betonen, dass einer der militärischen Anführer ge-
wesener na7g ßaaikisto^ war. Vielleicht figurieren die nalÖBg unter dem
Namen itftißot auch in dem Zuge des Antiochus rV' (Athen. V 194 f),^)
obwohl es auch wirkliche Antiocheuische Epheben sein können.
In Ägypten, berichtet uns Suidas (s, v. ßaaiXuot. naldi^), gab es
deren 6000 und sie erlernten die Kriegskunst. Damit stimmt was Poly-
bios (XVI 21 (itf.) von Tlepolemos berichtet: er verbringe seinen Tag
atpmfofiaxoiv xai n^og tu ^ugmm dtafiiXlwfiivos iv tolg onlo$g. Die
nal8f^ oder viav^aKoi verschmUhen eM zuweilen nicht als bewaffnete Mann-
schaft zu fungieren (l^lyb., XVIII 53, 8). Vielleicht ist damit auch ein
Papyrus in Zusammenhang zu bringen. Ämh. pap. II, 39, zu verbinden mit
Grent 1, 30 (Kicci, Arek f, Papyr, II, 5 1 7), vom J. 1 03 v, Chr. ist ein Brief eines
gewissen floQuig if[y}i^wp rwv Iv n^oxnQiü'ß^ und der [ix] rov ai}uiiov
utavitfxoi gerichtet an Soldaten und zwar an einen dynastischen Verein
derselben (vgl Ricci, ebda., 515 mit der Herstellung Wilkens iymi/t)y,
deren viele aurh sonst bekannt sind.*) Diese auserwahlten Jimglinge,
die den Soldaten so nahe stehen, möchte ich mit den 6000 Jünglingen
des Suidas, die in Makedonien sicher von dem König erwählt werden, in
Zusammenhang bringen. Die Agone, wohl zu Ehren des Königs, dienten
ftlr sie als (lelegenheit das bei den Waffenübungen Erlernte zu zeigen.
In dieseibH Keihe gehören auch die j't«W<rxo< UgmHOi aus Ji^icilien.^)
C^ewiss war den Kömern diese hellenistische Institution gut bekannt;
sie war tiberall verbreitet und existierte bis in die spätesten Zeiten in
wobl
1) S^>äter, wtyUiT Persoui, bi^scicbiiei »ie Livius XXV 6 ftla ^i$dU^
auch dtt« lUcbiige t«t.
^ Polyb, XVI 22, 5: flt^U^T^q d i^ij^^H mttxmtU^^a^ th ^^ MamiovUtff
B) Siclic^rltcli uhrr sind die später «rwMhrit^n (195^) 7tatd§g ßaütXiKol Sklaveo,
da ftie die«elbirn Fttnktioncn erfüUenf wie» die SkUvfis dei Diouytitts; aadera, abfi
hd§ch Bfeccia^ a. a* O.
4) S. Strack, lH4i tyynoMU der l*tol€mder lOB; L Gr. Im. IM 44^; Ziebarth,
Vertinm, Cl, ri2; P. Mt-yi-r, Hefntt$tn «ü und 88; Witcken, Archiv 11 123,
5) Imcr. Sic. d IL 140; ilulm, Getck. Sic. SB und U7.
82 M, Bostoweew^
Ulubrae; im Gebiete der Sabiner: Beate, ^) ager Amiterninus, Nuräa,
Trebula Mutuesca; Etrurieü: Alsium, Capena, Falerii, Lucus Feroniae,
Nepete, Sutrium, Tarquinii,*) Volsinii') und vielleicht Cortona; Umbrien:
Ameria,*) Carsulae, Ocriculum, Pisaurum, Spoletium;*^) im Gebiete der
Vestiner: pagus Fificulanus; Campanien: Capua und Neapolis;
Samnium: Beneventum;«) Apulien: Venusia (?); im cisalpinischen
Gallien: Aquileia, Bergomum, Betriacum, Brixia, Mediolanium, Novaria,
Augusta Taurinorum, Verona.
In den Provinzen: Gallia Narbonensis: Narbo,^ Aquae Sextiae,
Gratianopolis, Vienna; Alpes Maritima e: Vintium; Aquitania: Agin-
num;8) Belgica: Augusta Treverorum (jetzt CIL. XIII 3708, vgl. oben
S. 81), bei Bitburg {CIL. Xm 4131); Germanien: Altenstadt, Mar-
bach, Neuenstadt, Vicus Aurelii, Moguntiacum, Sumelocenna (vgL noch
CIL. xm 6453); Noricum: Lauriacum, Virunum; Pannonien: Poe-
tovio, Brigetio; Dalmatien: Narona; Baetica: Nescania. In Afrika
spielten die Rolle der luvenesvereine die iuventus oder iuniares der
Curien.»)
Die meisten Erwähnungen unserer Collegien, namentlich in Italien
und Gallien, gehören ins 11. Jahrh.^®), in Germanien ins 11. und III. Jahrh.
Die Inschriften des I. Jahrh. stammen aUe aus Latium und zwar haupt-
sächlich aus Lanuvium {CIL, XIV 2121 vielleicht noch aus der Zeit des
Augustus) und Tusculum.^0 Denselben Städten und derselben Zeit ge-
hören auch alle die oben angeführten Tesseren an. Ausserhalb Latiums
1) Dio 66, 15.
2) S. 852.
3) S. 870,
4) S. auch CIL. XI 4390.
5) Not d. Sc. 1900, 141; Böm. Mitt 1900, 225.
6) Telesia würde auch zu verzeichnen sein, wenn die Form für die Tesseren
CIL. 1X6087, 1; S. Append., 3599 und tab. XII 7 echt wäre, s. die russische Auflage
dieses Buches S. 248.
7) CIL. XII 4371.
8) Auf die tuvenes möchte ich auch eine vor kurzem im Walde von Rouvraj
(Seine inferieure) gefundene Tessera beziehen. Auf der einen Seite derselben ist Mars dar-
gestellt, auf der anderen steht die Inschrift curato(r), s. Bull, de la comm. des ant. de
la Seine inf. 1902, 302, cf. Rev. num. 1902, 481 und die russische Auflage dieses
Buches 261, Fig. 3.
9) CIL. VIII 1886 = 16509; Cagnat, Ann. ipigr. 1896, n. 32, cf. den Beinamen
der Kolonie Cirta: cohnia Julia luvenalis Honoris et Virtutis, CIL. VIII, 7041, 7071.
10) Dem zweiten Jahrh. gehören mit Sicherheit CIL. XIV 4178b; 2113 (Commodus)
3684, 3638 (Commodus oder Caracalla), 2636 (131 n. Chr.); 1X4753 (Traian) an. Die
undatierten scheinen zum grössten Teile derselben Zeit anzugehören. Aus dem dritten
Jahrhundert sind die Inschriften aus Beneventum : CIL. IX 1681, Brixia V 4355, Ocri-
culum XI 4086, Carsulae XI 4580, 4589.
11) CIL. XIV 2592 aus der Zeit des Tiberius; wohl aus derselben Zeit sind
CIL. XIV 2631. 2635. 2640. Ins erste Jahrh. gehört auch die Inschrift von Velitrae
CIL. X 6555.
Bömi8(^ Bleitesserae. 83
finden sich Erwähnungen aus dem I. Jahrh. nur in Falerii (CIL. IX 3123)
und Beate (CIL. IX 4696). ^
Diese chronologischen Beobachtungen lassen mit grösster Wahrschein-
lichkeit auf das Entstehen der Vereine in den der Stadt Rom am nächsten
liegenden Munizipien und auf die Verbreitung derselben aus diesem
Zentrum nach Mittel- und Norditalien und den Provinzen im n. und HL Jahrh.
schliessen.
Mit dieser allmählichen Verbreitung der Institution selbst geht auch
ein Wechsel in der Benennung der Vereine Hand in Hand. In Lanu-
vium heisst der Verein soddles Lanivini (S. 849) und steht in engsten
Beziehungen zu den sacra Lanivina iuvenalia (S. 850) , was uns erlaubt
die soddles der Tessera mit den iuvenes Lanivini der Inschrift CIL. XIV 4178^*
aus dem II. Jahrh. zu identifizieren.^) Auch inTusculum heisst der Verein
im frühen I. Jahrh. sodales TusaUani (resf. Tusctdanae S. 8b9 — 861); seine
Verbindung mit den iliuven(aliä) Tusc{u)l(and) oder i}uven(es) TtMc(u)l{ani)
{S. 858) steht ausser Zweifel. Daneben nennt man in der alten Inschrift
CIL. XIV 2640 denselben Verein sodalcs lusus iuvenaliSj vgl. 2635. 2636:
soddlis iuvenum und 2631 einfach soddles, wie auf den Tesseren.
Sonst kommt die Erwähnung des lusus iuvendlis oder iuvenum nur
in Verbindung mit dem Titel curator und zwar in Inschriften sowohl des
ersten wie des zweiten Jahrhunderts*) vor.
Am verbreitesten ist aber schon im ersten und dann im zweiten
Jahrhundert der Name iuvenes oder iuventus mit oder ohne Beinamen.
Die Beinamen weisen entweder auf die heimische Stadt oder auf die Haupt-
gottheit des Vereins hin.*) In Germanien ist die Beifügung des Stadt-
oder besser hier des Dorfnamens die Regel,*)
Die Bezeichnung collegium für unsere Vereine ist spät und kommt
1) Vgl. CIL, IX 4543 aus Nursia.
2) Ganz dasselbe in Velitrae, wo noch auf die engste Verbindung mit dem Muni-
zipium hinzuweisen ist: die soddles Vditemi feiern die iuvenalia und beglückwünschen
das Muuizipium S. 864—866. Vgl. auch die sodaQes) Vols(inienses) S, 870.
3) CIL. XIV 409 — Ostia; 2592 — Tusculum; X 6555 — Velitrae; XI 4371, 4386,
4395 — Ameria.
4) Ohne Beinamen, in Latium: CIL. XIV 409, 2113, 2621; X5151; in Eturien:
XI 3123; in Umbrien: XI 4086, 4395; in Campanien: X 1493, 8909. Mit dem Stadt-
namen in Verbindung: iuvenes Verulani: S, 867, Tgl. 871— 873; iuvenes Tarquinienses:
aS. 852; iuventus An{agn)ina CIL. X 5919; iuvenes Fificulani: IX 3578; lAtcoferonenses :
XI 3938; Nepessini: XI 3210 ; Brixiani: V 4354, 4416, 4459; Ärianorum: V 5742 ; Coro-
gennaies V 5907 (für die beiden letzteren s. Nissen, ItcA, Landesk. II 1 183). Über die
Verbindung mit einer Gottheit, s. unten S. 86 f.
5) Brambach, CIRh. 1000. 1138, 1629, dazu Romemann, Zur Stadtentstehung in
den ehemals kelt. u. germ. Geh. d. Römerreichs 51 f. ; s. auch die spanischen Laurenses :
CIL. II 2008.
6»
84 M. BostowaeWy
fast ausschliesslich in Norditalien, mit Ausnahme von Carsulae und
Anagnia, vor.^)
Ganz vereinzelt sind die Namen soddlicium (Augusta Taurinorum,
CIL, V 6951), corpus (Reate, IX 4696), Studium (Beneventum, IX 1681)
und thiasus, der letztere wohl unter griechischem Einflüsse, in Narona
(m 1828).
Danach scheint die älteste Benennung sodales sacrorum iuvendUum
einer Stadt oder sodales lusus luvenaUs (resp. iuvenum) gewesen zu sein.
Aus diesem komplizierten Namen greift man das Charakteristische, näm-
lich iuvenes oder iuventus^ ohne Hinweis auf coUegiale Organisation heraus;
man setzt zu diesem Namen zuweilen nur den Hinweis auf das Muni-
zipium oder eine Gottheit hinzu.
Dadurch unterscheiden sich unsere Vereine stark von den anderen
Vereinen einer Stadt und erst spät nähern sie sich den letzteren an,
indem sie die Bezeichnung colUgium oder ähnliche annehmen.
Schon der Name allein spricht dafür, dass wir es mit einer In-
stitution zu thun haben, welche im munizipalen Leben eine abgesonderte
Stellung hat, indem sie die iuventus der einzelnen Städte als ein Ganzes
erscheinen und wirken lässt. Dieser erste Eindruck wird durch
die Erforschung der inneren Organisation der Vereine vollständig be-
stätigt.
Soweit zu ersehen ist, findet man unter den Magistraten unserer
Vereine fast keine Freigelassenen. Drei Ausnahmen von dieser Regel be-
stätigen dieselbe; denn der Agilius Septentrio aus Lanuvium {CIL XIV 2113)
ist wohl nur als bekannter Pantomim seiner Zeit und Liebling des
Commodus^) in den Verein als aUeetus /w^er ittvcne« auf genommen worden ;
T. Trebulanus T. lib. Nepos (CIL. XIV 3684) verdankt wohl die Auf-
nähme seinem Patron; nur für Q. Octavius Q. 1. Pob. Primus {CIL V 3415)
kennen wir die nähere Ursache nicht. ^) Zu betonen ist aber, dass wir
in allen drei Fällen sicher nicht mehr im ersten Jahrh. uns befinden.*)
Die anderen uns bekannten Namen gehören alle der munizipalen
Aristokratie an; fast alle machen eine glänzende munizipale Karriere,
wobei ihre Thätigkeit in den Jugendvereinen keineswegs eine sub-
1) Carsulae: CIL. XI 4579, vgl. 4589; Anagnia: X 5928. In Norditalien und den
Provinzen: Brixia: V 4355, 4416; Vintium: XII 22; Lauriacum: III 5678; Poetovio:
III 4045; Brigetio: III 4272; in Germanien: CIBh. 1098, 1612, 1551, 1410.
2) S. Paulj-Wissowa, RE. II 2433, 32.
3) Er ist auch nicht Magistrat, sondern sacerdos iuvenum.
4) Auch CIL. IX 3578 wäre eine Ausnahme (vgl. Demoulin, Mus. b. I 128—124),
wenn es sicher wäre, dass die aufgezählten Personen Mitglieder des Vereins der iu-
venes Fificulani sind ; denn unter den aufgezählten Personen kommen Freigelassene und
sogar Sklaven vor. Nun ist aber zu bedenken, erstens, dass wir nicht in einer Stadt
sind, zweitens, dass es keineswegs sicher ist, dass das Verzeichnis wirklich die iuvenes
au&ählt (s. die letzte Zeile, die vielleicht VI vi]r(t) Aug(ustales) zu ergänzen ist).
Bömische Bleitesserae. 86
ordinierte Rolle spielt. So z&hlt der Valerius der Angustischen Inschrift
CIL. XIV 2121 seine Karriere in folgender Ordnung auf: aed{ili3) d%ct(ator)
pracf{ectus) iuventutis. In der Inschrift des Sentius {CIL. XIV 409) steht
die Quästur bei den iuvei\cs neben der munizipalen. Charakteristisch ist
auch die Inschrift von Tusculum: CIL, XIV 2636: M, PotUio M. f. Quir. FeUci
senatori aedüi fnunic{ipi) sodaU it€mq{u€) acdili et curat{ori) 8odäl(ium),
In Fabrateria ist der Patroh des Munizipiums zugleich Patron der tu-
venös (CIL. X 5651 cf. XI 4086); in Anagnia ist der Patron der Stadt
zu gleicher Zeit Priester der Jugend (CIL. X 5919).
Unter den iuvenes begegnen wir öfters römischen Rittern/) von denen
einer eine vortreffliche prokuratorische Karriere macht. *) Interessant ist
es, dass die ritterliche munizipale Familie der Flavier in Reate mit den
reatinischen Jünglingen eng verbunden war, so dass noch Titus als Mit-
glied an den Spielen des reatinischen CoUegiums,') in welchem vielleicht
sein Grossvater magister war,*) thätigen Anteil nimmt.
Es ist also klar, dass die Mitglieder der luvenesvereine, wenigstens
in den ersten Zeiten, ausschliesslich aus Freigeborenen, zum grossen
Teil aus Rittern, bestaDden.^) Die besten Familien der Stadt hatten
ihre Vertreter als Mitglieder und Magistrate in den Vereinen dei- Jugend.
Dieser aristokratischen Zusammensetzung gemäss spielen die iuvenes
im Munizipalleben eine wichtige Rolle. Dem Range nach werden sie
nur den Augustalen, und auch diesen nicht überall und nicht immer gleich-
1) CIL, IX 4885, 4888; X 1498 (von KrascheDinoikow , Bdfnisehe muninpale
Priester und Priesterinnen 78, Adid. 117 (ruBsisch) rerdächtigt), 8909, 5928, 6555.
2) T.] Prifemius P. f. Qui, Paetus Memmius Apoüinaris aus Reate, s. Prosop.
imp. R. ni 94, 640.
8) Dio 66, 15, 2: 6(payäg dh 6 Oöiönaüiavbg ^rigUop fikv inoiBlto iv totg ^satgoig
liovo^iaxiccis dh icvdQ&v oi) ndw xi l^^tpe, xaLxoi xof> Tixov iv xatg x&v veavlüxmp
naidialg xatg iv x^ naxgldi a^ot) xsXaviiivaig axuciucxrioavx6g noxt ngbg xbv 'AXirivbv
onXoig. AlienuB ist wohl Caecina AlienuB, der bekannte Verräter GalbaB und des Vi-
tellius (Prosopogr. I 255, 71), welcher aus Vicetia stammte und wohl zu dem Vicenti-
nischen Verein gehörte. Der Verein der iuvenes und der lusus tuvenum in Keate sind
aus mehreren Inschriften bekannt, CIL. 1X4691, 4696, 4753, 4754, vgl. Böm, MitL
1900, 223 ff.
4) CIL. IX 4696 lautet : d. m. \ Valeriae lucundae | quae fuit corpore iuv(enum) \
vixit annis XVII m. IX T. F[l(avius)\ Sabinus VI vir Äug{ustalis) \ nuig(ister) tMr(«-
ft um). Der T(itus) Flavius Sabinus kann ganz gut der Vater Vespasians sein, s. Suet.,
Vesp. 1: huius filius cognomine Sabinus (wohl als ein in Reate geborenes Kind) ex-
pers militiae publicum quadragesimae in Asia egit . . . postea faenus apud Hdvetios
exercuit ibique diem obiit ... Er könnte also ganz gut seeir und tnagister iuvenum
in seiner sabinischen Stadt gewesen sein. Die Inschrift ist allerdings von Mommsen
verdächtigt worden, wohl aber ohne Grund, s. dagegen Waltzing, Corp.prof. III, n. 1587
und Mus. 6., 1901, 133.
5) Ausser den oben angeführten Zeugnissen s. noch die Inschrift von Nepet,
CIL. XI 325: mag{ister) iub{enum) sevir [eq]uitum praetor iuventutis. Es scheint, dass
in Nepet die Ritterschaft, welche zu dem Jugendvereine der Stadt gehörte, sich nach
römischer Art in turtnae einteilte und an die Spitze jeder turma besondere seviri stellte,
8. Mommsen, Staatsrecht III 524, 4.
86 Jf. Bostowsetv,
gestellt. 1) Überhaupt scheinen sie, nach den Inschriften zu urteilen, mit
den Äugustalen eng verbunden gewesen zu sein.^)
Mit den Äugustalen haben die iuvenes auch die engen Beziehungen
zu der regierenden Dynastie gemein. Nur dass dieselben der aristo-
kratischen Zusammensetzung gemäss etwas anderer und zwar vornehmerer
Art sind. Das oben angeführte Erscheinen der Kaiserköpfe auf den
Tesseren der Vereine konnte natürlich nur mit kaiserlicher Erlaubnis
geschehen. Die Kaiser und Mitglieder der kaiserlichen Familie inter-
essierten sich demnach sicher für unsere Vereine, es ist sogar wahrschein-
lich, dass ihre Köpfe auf Jünglingsmarken von einer Unterstützung der
Vereine seitens der Kaiser Zeugnis ablegen.
Damit steht vielleicht im Zusammenhange auch die Thatsache, dass
zuweilen, anstatt der gewöhnlichen magistri oder sogar neben ihnen, praefecti
und praetores als Vereinsmagistrate fungierten.^) Ob sie nun als ausser-
ordentliche von der Curie bestellten Magistrate*) oder Vertreter hoher
Persönlichkeiten anzusehen sind, bezeugen sie immerhin eine Besonderheit
der Organisation, welche nur in den militärisch organisierten Collegien
ihres gleichen findet.*)
Auch der curatar lusus (zu unterscheiden vom gewöhnlichen curator)
ist eine Besonderheit unserer Vereine.^)
Aus dem Gesagten scheint mit Deutlichkeit hervorzugehen, erstens
dass unsere Vereine erst seit dem Anfange des ersten Jahrhunderts uns
näher bekannt werden, und zwar in der nächsten Umgebung Roms,
zweitens dass sie engstens mit dem Munizipium als solchem verwachsen
sind, so dass sie in Africa nur eine Unterabteilung der munizipalen curiac
sind, drittens dass sie fast ausschliesslich aus Mitgliedern der höheren
Klassen zusammengesetzt sind, viertens dass fast alle ihre Beamten zur
Stadtaristokratie gehören, fünftens dass sie mit der munizipalen Ritter-
schaft eng verbunden sind, endlich dass sie mit dem Kaisertum in ziem-
lich enger Verbindung stehen.
1) CIL. IX 4691,4543; V 3450; XI 4371,4589. Den Äugustalen voran gehen sie
in CIL. XI 4579, vgl. Waltzing, Corp. prof. II 185; 0. Toller, De spectaculü cenis di-
atributionihtis etc., Altenb. 1889, 69.
2) S. z. B. CIL. XIV 3684 (Tibur) und besonders CIL. XIV 3638.
3) Über die Organisation der Vertretung in den Collegien s. die oben angeführte
Arbeit von Demoulin. Ich brauche seine Resultate nicht zu wiederholen. Praefecti
kommen in Lanuvium CIL. XIV 2121 im I. Jahrh. und in Poetovio {CIL. III 4045)
im dritten vor. Ist es in Lanuvium eine Vertretung? Vgl. CIL. XI 3256. Praetor,
Demoulin, a. a. 0. 129.
4) Demoulin, a. a. 0.
5) Waltzing, Corpor. prof. II 352 ff.
6) Demoulin, a. a. 0., 127. Der gewöhnliche curator konnte in einigen Vereinen
die Funktionen des Quästors inne haben, s. CIL. XI 3123, 4390, vgl. Krascheninnikow,
Die Aitgustalen und das Sacralmagisterium (russisch), 132.
Bömische Bleüesserae. 87
Nun kommen noch zwei wichtige Momente dazu: erstens die religiöse
und sacrale Seite der Vereinsbildung, welche schon oben auf Grund
der Tesseren hervorgehoben worden ist, zweitens die enge Verbindung
der Vereine mit einer besonderen Art der Spiele, dem lusus iuvenalis.
Die Verbindung der iuvenes mit den munizipalen sacra haben uns
die Lanuvinischen Tesseren und die Tesser'a von Tarquinii vor Augen
geführt. Dieser religiöse Charakter der Verbindungen wird durch eine
Reihe religiöser Beinamen, welche die Vereine annehmen, bestätigt. So
nennen sich Dianenses die iuvenes aus Nepet (CIL. XI 3210), Herculani
die aus Fabrateria vetus (X 5657) und Tibur (XIV 2638); cuUores dci
Herculis nennen sie sich in Beneventum (IX, 1681) und im pagus Fifi-
culanus (IX 3578), vgl. die Tessera von Trier; Ncmesii heissen sie in
Vintium (XII 22),^) a fano lovis in Aginnum (XIII 913); weniger sicher
ist das coll{cgium) iuv(€num) M{arteimum) F(prtensium) (XI 4086). Das
coUegium Honoris et Virtutis in Narbo ist wohl ein Verein der iuvenes
(Hirschfeld ad CIL, XII 4371), wie auch die ludi Honoris et Virtutis in
Tarracina wohl iuvenalia waren.*)
Merkwürdig ist es, dass der Zusammenhang mit dem Stadtkultus in
den Inschriften weniger hervortritt, dass dagegen die Gottheiten der
Vereine alle einen speziellen Anstrich haben: es sind Götter des
militärischen Lebens und des Spiellebens. '^)
Auch der Kultus des Kaiserhauses äussert sich in den Beinamen der
Vereine: lusus V{ictoriae) Fißidtatis) C{acsaris) heissen die iuvenalia in
Ameria {CIL. XI 1395),*) Augustdles nennen sich die iuvenes in Capua
(X 3909) und Ameria (XI 4395), Äntoniniani in Tibur (XTV 2638).
Wie spärlich auch die Naclirichten auf Steinen und Blei, welche uns
das Leben der Vereine veranschaulichen, fliessen, lassen sie doch es zur
Genüge ersehen, dass die Hauptsache für die Vereine der öfters erwähnte
lusus iuvenalis war.
Dies äussert sich schon in der älteren Form des Namens und dauert
bis in die spätesten Zeiten fort. So wird in CIL, X 5928 der Patron
eines collegius (sie) iuvenum ob renovatam ab eo lusus iuvenum quod ve-
tustate temporum fuerat obUteratum (consuetudinem) gerühmt. Der lustis
bestand, soweit es überliefert ist, aus Tierhetzen und Gladiatorenspielen.*)
1) S* gegen die AbleitQDg yod Nemesis Demoulin, a. a. 0., 122, 2.
2) CIL. X 8260, Tgl. Mommsen, CIL I 394 und den schon aDgeführten Beinamen
von Cirta, CIL. VIII 7041, 7071, cf. 6951 und Mommsen, ebda., 618.
3) Vgl. C. Jullian bei Daremberg et Saglio, Art. iuvenes 783 und Usener,
a. a. 0. 214, 215 und 225.
4) Vgl. aber Rrascheninnikow , Die Äugustalen und das Sacrahnagisterium 203,
Anm. 447.
5) S. CIL. XI 4580: editori iuven(jüium) ob insignis venationis ab eo edita[8] und
3938 : patrono ob merita quod amphü?^a]tru[m] . . . 8(ua) p(ecunia) f[ecü] dedieavitque.
88 M. Bostowaew,
Dabei aber fochten auf der Arena nicht gedungene Gladiatoren undVenatoren
sondern die jüngeren Mitglieder der Vereine selbst. Das letztere bezeugt die
von mir kommentierte Inschrift aus Spoleto, wo ein pinnirapus iuvenum er-
scheint i) und die oben (S. 85, 3) angeführte Erzählung des Dio, in welcher
von der Teilnahme des Titus bei Gladiatorenkämpfen der iuvenalia von
Reate erzählt wird. Der letztere Bericht lässt darauf schliessen, dass
der Kampf in Waffen nur eine Fechtübung war, und dass es sich nicht
um das Leben der vornehmen Jugend handelte.^)
Auch die Teilnahme der iuvcncs an Tierhetzen neben dem Gladiatoren-
kampfe ist gut bezeugt s. CIL, XU 533^, 3 — 7:^) uno minus quam bis
dcnos ego vixi per armos \ integer innocuus semper pia mente probatus \ qui
docili lusu iuvenum bcne doctus harenis \ Pulcher et ille fui variis eircum-
datus armis (wohl Gladiatur). Saepe feras lusi u. s. w.
Nach der zuletzt angeführten Stelle und dem Ausdrucke, welchen
Dio gebraucht {viaviaxmv naiSiat)^ scheint es klar, dass es wirklich nur
die jüngeren Mitglieder waren, die bei den Spielen thätig auftraten; den
älteren Mitgliedern waren wohl die Magistratsstellen in den CoUegien
reserviert.
Zu diesen Spielen bereiteten sich, wie wir aus dem oben angeführten
Gedichte ersehen, die jungen Leute mit grosser Sorgfalt vor, indem
sie wohl im Fechten und anderen körperlichen Übungen von ihren magistri
oder angeworbenen Lehrern {pinnirapus iuvenumf) unterrichtet werden.
Daneben blühte auch die Jagd, hauptsächlich die Jagd auf wilde Tiere;
dies sagt uns ausdrücklich der junge Felicissimus , dessen metrische In-
schrift wir eben schon zum Teile ausgeschrieben haben; nach der aus-
geschriebenen Stelle folgt (A 8 — 10) — medicus tarnen is quoque vixi^) \ et
comes ursariSy comes his qui victima{m) sacris \ caedere saepe solent et qui
novo tempore veris \ floribus intextis refovent simulacra deorum. Felicissimus
war also zugleich auch Mitglied eines Collegiums von Bärenjägem, eines CoUe-
giums sacraler Art, dessen Hauptgottheit wohl Diana oder Silvanus war.*)
1) Rom. Mitt 1900, 225, wo ich luv. III 152 ff. zur Erklärung von pinn(irapus)
zugezogen habe. Die iuvenes des pinnirapus und lanista sind aber nicht, wie ich
früher mit Friedländer ad 1. angenommen habe, Söhne derselben, sondern ihre famüia^
wie der Vergleich mit Seneca, Controv. X 4, 11: facit et lanista qui iuvenes cogit ad
gladium zeigt. Die Stelle gewinnt dadurch nur an Stärke.
2) Dio 66, 15; es heisst dort von dem Kampfe: axiafucxv^ccvrog . . . oitXoirg.
3) Vgl. Buecheler, Carm. epigr. 465; Cholodniak, Carmina sepulcr. 1160.
4) Vgl. CIL. VI 9610 : medicus equarius et venator,
5) Solch ein collegium s. Ber. der ant. Ges. in Zürich, 1868, 65, vgl. CHUt, 211
und Cagnat, Rev. arch.y 1895, I 218 (auf dem zweiten der von Cagnat publizierten
Disken ist sicherlich ein vivarium dargestellt, s, die Inschriften CIL. VI 130; CIRh, 336,
vgl. C. VI 10210 und Eph. ep. IV 524). S. auch die Inschriften der Collegien von
venatoreSj Waltzing, Corp. prof. I 198, 3, cf. 207; II 157. Es ist nicht leicht, in den
Inschriften wirkliche Jäger von Bestiariern zu unterscheiden. Alle für Bestiarier zu
erklären, wie es Waltzing und C. Jullian, 1. 1., 783, 51 thun, ist sicher verfehlt,
vgl. Domaszewski, PhilologuSy 1902, 5 ff.
Bömisehe Bleitesserae, 89
Die sacrale Grundlage der Jagd ist genügend durch Schriftsteller, In-
schriften und Darstellungen bezeugt.^)
Aus diesen Nachrichten ersieht man, dass das Leben der iuvenes sich
auf sacrale Handlungen und die ursprünglich einen Teil davon bildenden
Spiele konzentrierte. Daneben blühten Fecht- und Jagdübungen als Vor-
bereitung zu den Spielen, welche den Mitgliedern der Vereine die Mög-
lichkeit gaben, mit ihrer Kraft und Gewandtheit zu glänzen.
Die Ähnlichkeit dieser Einzelheiten mit dem, was wir oben über die
stadtrömische Jugend gesagt haben, ist frappant: hier wie da derselbe
Name, ähnliche Zusammensetzung, ähnliche innere Organisation ; hier wie
da als Hauptzweck periodische Spiele altrömischen sacralen Charakters
und als Vorbereitung dazu körperliche Übungen, hauptsächlich militärischen
Charakters; hier wie da enge Beziehungen zur Staatsreligion resp. zum
Staatskultus und zum Eaiserhause. Demnach ist die Schlussfolgerung,
dass wir es mit zwei Teilen einer Erscheinung zu thun haben, kaum
abzuweisen.
Bevor wir aber auf diese Schlussfolgerung näher eingehen, müssen
wir noch die spärlichen Nachrichten über die Entwicklung des Instituts
zusammenstellen. Wie gesagt, war die Zeit der Blüte für die Vereine
das I. und IL Jahrb., wo dieselben fast in jeder Stadt Italiens nach-
zuweisen sind und auch in den Provinzen festen Fuss fassen. Es ist
also dieselbe Zeit, da Italien das Land war, aus dem sich die Haupt-
wehrkraft des Staates, die Legionen, rekrutierte. Ende des II. und im
III. Jahrh. verfallen die Vereine in Italien,*) desto mehr entwickeln sie
sich in den Provinzen, wo sie aber, besonders an den Grenzen, den
Charakter einer städtischen provinzialen Miliz annehmen.*) Den Verfall
der Institution in Italien scheint auch die Nachricht über Gordian I.
1) S. z. B. Grattius 488 ff.; Usener, 1. 1. 225. Nur darf man Dicht die in der
Schilderung eines Lustralopfers der Jäger genannte tota iuventus für einen Iuvenes-
verein halten; es ist vielmehr die Jagdfamilia eines grossen Herrn, s. 881 ff.: cu»-
cumque haec regna dicantur \ ille tibi egregia iuvenis de pube legendus etc. ; Inschriften :
CIL. VII 830; III 13368, vgl. Domaszewski, Philologus 1902, 5 ff.; X 5671 (zu lesen
wohl: D. M, C, Julio Sotericho f{ilio), C. n(p8tri) W6c[r(to)J, eoUeg{%) venator{um) aacer-
(dotes) Dean{a)[e] lustri III\ bildliche Darstellungen, z. B. die schönen MedaiUons
des Konstantinbogens, Petersen, Böm. Mut 1889, 814 ff. (Taf. XII), welche eine
Jagdcampagne des Kaisers Traianus darstellen. Bei der Ausfahrt wird dem Apollo
als Schutzgott geopfert, dann nach der Tötung eines Wildschweines der Diana, eines
Bären dem Silvanus, eines Löwen dem Hercules, alles Gottheiten, welche auch in
unseren Collegien die Hauptrolle spieleit. Auch auf Tesseren wird Silvanus mit dem
Bären, Diana mit dem Wildschweine verbunden; Hercules und der Löwe ist eine
selbstverständliche Verbindung, s. S, 2119, 2507 ff. und öfters, 2982.
2) S. z. B. CIL. X 5928 und mehrere ähnl. Inschriften.
3) Mommsen , Ber. der sächs. Gesellsch, 1852, 197 ff. ; Die Schweiz in der römi-
schen Zeit 20; Cagnat, De municipalibus et provincialibus militiis^ Paris, 1888, 81;
Hirschfeld ad CIL. XII 4571, cf. Sitgber. der Berl. Ak., 1889, 481 ff.; Mommsen, Hermes,
1887, 547 ; Strafrecht 805 ff. ; C. Jullian, a. a. 0. 784; Komemann, Zur StadtetUsUhung 52.
90 M, Bostoweew,
(Scr, h. Aug., Gord. 4, 6) zu bezeugen: Cordus dicit in omnibus civäatibtis
Campaniae, EtruriaCy ümbriae, Flaminiae, Piceni de proprio illum per
quadriduum ludos scaenicos et iuvenälia edidisse. Diese Nachricht lässt
sich leider chronologisch nicht fixieren,^) ist aber wohl kaum zu ver-
dächtigen.«) Sie steht an letzter Stelle in der Aufzählung der vorkaiser-
lichen Liberalitäten des Gordianus und erinnert lebhaft an die späten
Inschriften, welche die Erneuerung des It^as durch mehr oder weniger
vornehme Persönlichkeiten, patroni der Vereine, erwähnen. Gordian war
ein reicher Mann und konnte gerade in den von Cordus aufgezählten
Gegenden Italiens begütert und dort zum Patrone mehrerer Munizipien
und Vereine erwählt sein. Das Einzige, was man der Verdächtigung
der Nachricht zugeben kann, ist, dass es wohl nicht alle Munizipien waren,
und die Liberalität nicht auf einmal allen Munizipien zu Gute gekommen
war. Cordus hat in seinen Quellen mehrere Erwähnungen der angeführten
Art gefunden und sie übertreibend in den kurzen oben ausgeschriebenen
Satz zusammengezogen. Seitens Gordians konnte es ein bewusstes Haschen
nach Popularität gewesen sein. Das Urteil darüber hängt aber vollständig
von der, leider unmöglichen, chronologischen Fixierung des Vorkomm-
nisses ab.
Von politischen Anmassungen der verfallenden Vereine zeugt vielleicht
die Massregel, welche in einem Fragment des Callistratus uns erhalten
ist.*) In den trüben Zeiten des HI. Jahrh. verändert sich das zu anderen
Zwecken entstandene Institut und die Blüte der munizipalen Jugend wird
entweder zu Soldaten oder, wenigstens nach der offiziellen Auffassung, zu
wenig ernst zu nehmenden politischen Ruhestörern.
Das Gesagte erlaubt uns jetzt ein Bild der Entstehung unserer
Vereine zu entwerfen. Es wurde schon oben hervorgehoben, dass die
ältesten Stätten der Jugendvereine und der iuvenälia Lanuvium und Tus-
culum sind, Städte, welche, wie bekannt, engstens mit der Stadt Rom
verbunden waren.*) Die meisten Bürger dieser Städte wohnten in Rom,
für die Tusculanischen und Lanuvinischen Kulte wurden, wohl von Augustus,
1) C. JuIliaD (a. a. 0 785, 1) meint, sie bezöge sich auf das J. 238, was sicher un-
möglich ist.
2) Dies thut zuletzt Lecrivain, Etudes sur Vhistoire d^ Auguste ^ Paris 1904, 284.
Er geht aber auch sonst in der Kritik zu weit; in unserem Falle müsste er, statt die
Nachricht nach unzulänglichen Kriterien zu verdächtigen, sich in der Frage über die
iuvenälia umsehen. Die neueren Biographen Gordians schweigen über die Stelle
(s. Rohden bei Pauly - Wissowa , RE. 12, 2628 n. 61, Pros. imp. Rom. 196, n. 664;
Schiller, Gesch. d. röm. Kaiserzeit II 787 u. a.).
3) Dig.AB, 19, 28, 3: solent quidam qui volgo se iuvenes appellant in quibusdam
civitatibus turbulentis se acdamationibus popularium accommmodare. Qui si amplius
nihil admiserint nee ante sint a praeside admoniti fustibus caesi dimittantur aut etiam
spectaculis eis interdicetur etc.
4) S. Dessau in den Einleitungen zu den Inschriften dieser Städte, CIL. XIV
192 f. und 254 f.
Römische Bleitesserae, 91
besondere ritterliche Priester — sacerdotes Tuseulani und Lanivini —
bestellt.^) Kein Wunder, wenn bei der Organisation der stadtrömiscben
iuventus, im Vereine mit der Schaffung der ritterlichen Priesterschaften
von Tusculum und Lanuvium und der Wiederbelebung der altlatinischen
Religion, zur Hebung der alten sacra und daneben zur physischen und
moralischen Hebung der ritterlichen Jugend, die teilweise mit der städti-
schen zusammenfiel, der Kaiser Augustus besondere aus lauter jungen
Leuten bestehende Vereine in den oben genannten Munizipien entweder
geschaffen oder zu neuem Leben gerufen hat.*) Wie der lusus Traiae
in Rom mit seinem stark ausgesprochenen sacralen und altnationalen
Charakter, wie die ludi sevirales daselbst, so sollten auch die Spiele zu
Ehren der altlateinischen Kulte von Lanuvium und Tusculum an Ort und
Stelle, wie auch in Rom, gefeiert werden und durch die Teilnahme der
vornehmen Jugend besonderen Glanz und besondere Bedeutung bekommen.
Einmal mit kaiserlicher Initiative und mit kaiserlicher Unterstützung
ins Leben gerufen, verbreiteten sich die Vereine der angegebenen Art
zuerst in Latium, dann in Etrurien und dem sabinischen Oebirge, endlich
in ganz Italien und den Provinzen, wohl mit Genehmigung oder wenigstens
unter den Auspizien der Kaiser und des Senats. Möglich ist, dass Keime
der Institution in manchen Städten und Gegenden schon früher vorhanden
waren.*) Die Vereine fanden grossen Beifall, weil sie aufs Glücklichste
eine Lücke im munizipalen Leben ausfüllten. Die Existenz des sacralen
Magisteriums und der Augustalität, der Träger der materiellen Seite des
1) Marquardt-Wisflowa, Staatsv. III 476; Wiisowa, Religion und KuUui 448—449.
Damit hängt sicherlich auch das oben Dachgewiesene Vorkommen der Tessereo mit dem
Kopfe der Juno Lanuvina in Rom zusammen. Es sind die römischen Spiele der Göttin
wohl von den sacerdotes gegeben, welche mit den munizipalen iuvenalia nichts zu thun
haben. Auch Marken der Spiele zu Ehren des Tiburtinischen Hercules sind vor-
handen. Für diesen Kultus scheint in Rom selbst ein Collegium der Herculanei oder
Herculanei ÄugustaleSy später Herculanei Antoniniani, ebenso wie in Tibur, existiert
zu haben. Solch ein Collegium bezeugen die stadtrömischen Tesseren S, 858—857 und
Inschriften, s. Buü. com,, 1887, 825; Böm. Mut, 1889, 262, vgl. CiL. VI 885 und
Waltzing, Oorp. prof, I 103, 4. Die Herculanei in Tibur s. CIL, XIV 877. Sie stehen
in näheren Beziehungen zu den iuvenes (CIL. XIV 8684) und fliessen vielleicht in der
Zeit Caracalla's in ein Collegium zusammen, s. CIL, XIV 8638.
2) Altere Keime lassen sich zwar bis jetzt in Latium nicht nachweisen, aber es
finden sich ähnliche Institutionen im oskischen Gebiete, namentlich in Pompei, s. Zvetaieff,
St/U, inscr, o»c. 63; Nissen, Pompeian. Studien 168 ff.; Conway, The itcUic DiaHecU 60;
Mau, Pompei 159 ff; Demoulin, Mus, b. III 185; C. JuUian, a. a. 0., welcher altitali-
sehen Urspning für die Vereine vermutet. In voller Kraft konnten diese Vereine zur Zeit
des Augustus allerdings nicht sein; sonst wUssten wir von ihnen etwas. Möglich wäre
es mit den iuvenalia die Patavinischen ludi cetasti, an denen Thrasea Paetus teil-
genommen hat, zusammenzustellen (Tac., Ann, XVI 21). Auf ihren vorrömiscben Ur-
sprung weist CIL. V 2787, s. W. Schulze , Zur Geschichte lateinischer Eigennamen 47.
3) Für Germanien nimmt Kornemann, Zur Stadtentstehung 52, Anlehnung an
einheimische Institutionen an, vgl. Tac. Hist, IV 66: occupatisque Sunucis et iuventute
eorum per cohortes composita\ IV 14; Batavorum iuventus.
92 M. Rosiowaeto,
munizipalen Kultlebens, i) gab einem Teile, dem weniger vornehmen, der
munizipalen Gesellschaft die Gelegenheit, am munizipalen Leben thfttig
und in Ehren teilzunehmen,^ bei Spielen und Festen zu glänzen. Dem
vornehmen Teile blieben zwar die Curie und die honores reserviert, aber
erstens kamen nicht alle zu diesen Ehren, zweitens kam man dazu erst
im vorgerückten Alter. Die luvenesvereine und die iuvenalia gaben schon
den jüngeren Aristokraten des Munizipiums Gelegenheit, in ungemischter
Gesellschaft vor der Menge zu glänzen, erlaubten ihnen ihre Namen schon
von der Jugend an den Munizipa^len bekannt und beliebt zu machen,
gaben ihnen Gelegenheit, der Gottheit zu dienen und zu gleicher Zeit sich
zu weiterer Thätigkeit als Soldat oder Offizier in aller Ruhe, allmählich
und in guter Gesellschaft vorzubereiten. Die glänzenden Spiele dieser
Jugend lockten natürlich auch die Väter, welche in den Vereinen als
moffistri^ praefecti, curatores und curatorcs Itisus Platz fanden. Dabei
wirkte natürlich auch das römische Vorbild mächtig; wenn die vornehme
Jugend in Rom auf dem Marsfelde ritt, focht, badete, so wollte dies die
munizipale auch, wenn die römischen pueri und tirones im Circus und Amphi-
theater mit dem princcps iuvmtuiis an der Spitze sich zeigten, wie konnten
das ihre munizipalen Genossen unterlassen ? Wenn die Senatorensöhne und
die jungen Ritter der Person des Kaisers nahe standen, so war es auch für
die munizipale Jugend eine grosse Ehre zu ihrem Namen Augustales hinzu-
zufügen oder den Kaiser (resp. kaiserlichen Prinzen) zu ihrem Ehren-
präsidenten ernennen zu dürfen und sein Porträt auf die Tesseren der in
ihrem Namen gegebenen Spiele zu setzen. -) Gegen das Letztere sträubten
sich natürlich weder Augustus noch seine Nachfolger. Die iuvenes waren
eine mächtige Stütze des Cäsarisraus im munizipalen Leben und in dieser
Hinsicht sind sie dem Institute der Augustalität vergleichbar;^) ihre
Vereine traten glücklichst in die von Augustus gewiesene Bahn der
Hebung der vornehmen Jugend durch kräftige Erziehung in den Prinzi-
pien der altitalischen Religion und der Vorbereitung eines — in physi-
scher und moralischer Hinsicht — kräftigen Nachwuchses von Bürgern
und Soldaten ; ihre Rolle im Munizipalleben ging mit der Differenzierung
der Stände, welche- Augustus überall so sorgfältig einführte und hegte,
1) S. KrascheniDDikow , Die Aiigtistalen und das Sacralmagisterium , Petersburg,
1895 (russiBch), dessen Auffassung ich bis auf einzelne weniger wichtige Kleinigkeiten
vollständig teile.
2) Als solche sind unsere Tesseren von Demonlin und Jullian (a. a. 0. 783, 58)
richtig aufgefasst worden; diese Bestimmung habe ich ohne Grund in der Etüde ge-
leugnet. Dabei können natürlich manche Stücke auch als Verteilungsmarken gedient
haben. Solche, und zwar aus den Mitteln des Vereins, sind S. 871—873.
3) Die nahen Beziehungen beider Institute sind schon öfters hervorgehoben
worden. Je später , desto enger werden sie , und es ist wahrscheinlich, dass je später
desto weniger die Schranken des Standes, welche beide Institute teilten, beobachtet
wurden. Künstlich errichtet, musstcn die Schranken beider hauptsächlich sacraler
und kaiserlicher Institutionen mit der Zeit fallen.
Bömist^ Bhitesserae, 93
Hand in Hand. Dies alles kann den Schluss nahelegen, dass bei der
Einführung der Vereine in Lanuvium und Tusculum die Weiterentwicke-
lung des Instituts von Augustus vorausgesehen und leise in die richtige
Bahn gelenkt wurde. Wahrscheinlich brauchte sogar Augustus gar nicht
zu lenken, denn das Vorbild und die allgemeinen von Augustus richtig
verstandenen und von ihm teilweise geschaffenen Bedingungen wirkten
stark genug.
So fällt auf die oben auf Grund der Augustischen Poesie ge-
schilderte Idee des Augustus volles Licht. Nicht nur die stadtrömische,
auch die italische Jugend sollte regeneriert werden, auch in den Muni-
zipien sollte das Pflichtgefühl, das Gefühl der Zugehörigkeit zum Staats-
körper gehoben werden, alte Zucht und alte Religion sollten eine moralisch
und physisch kräftige Jugend bilden und diese Jugend, die freigeborene
italische Jugend, sollte sich als ein Ganzes unter der Führung des Thron-
folgers — des princeps luventutis — fühlen, um dann als Soldaten und Be-
amte für den Staat und seinen Vorsteher, den Kaiser, zu wirken. Ein
kräftiges, sittliches, pflichttreues, standesstolzes und dem Kaiser im Inter-
esse des Staates ei^ebenes junges Italien sollte entstehen, der Materialis-
mus, die Gewinnsucht, die Gleichgültigkeit, der Atheismus, das griechische
Sybaritenleben sollten wegfallen und nimmer wiederkehren. Ein altes
Italien auf neuen Grundlagen sollte wiedererstehen. Die Römeraden des
Horaz, die ganze Augustische Poesie sagen uns das, und die oben ge-
schilderte Institution atmet diesen Geist und zeigt, wie die Idee zur Wirk-
lichkeit wurde oder werden sollte. Allerdings verblich das Gute in dem
von Augustus Gewollten gar bald. Die iuvcnaUa wurden — hauptsäch-
lich durch Nero — zu Sportübungen, die körperlich-militärische Erziehung
zu Athletentum, die Hingebung an die Staatsidee zu Servilismus und
Pagentum nach hellenistisch-orientalischer Art; das Fechten und Jagen, das
Kutschieren, Tiertöten und Duellieren trugen zu immer tieferem Sinken
der geistigen Bildung bei; kein Zufall ist es, dass seit dem Ende des
I. Jahrh. die lateinische Muse stumm ist. Eine italische Religion und
italische Kultur war es auch in Wirklichkeit nicht, was Augustus schuf:
aus griechischen Keimen wollte er Italisches schaffen.') Das Griechische
aber feiert nach dem Absterben des Italischen immer neue und neue Siege.
1) Auch in den munizipalen Vereinen findet man einige, wohl unbewusste, An-
klänge an die griechische Ephebie: so ist der (Ulectua unter die iuvenes, CIL,
XIV 2113 der griechische ^Tr^yypa^off; in Ficulea werden neben iuvenes noch pueri
und puellae erwähnt {CIL. XIV 4014) , was an römische Verhältnisse und das attische
Jioy^vtiov (Dumont, Essai ibß.) erinnert. Andererseits aber wirken die italischen
Vereine auf die Vereine der v^oi des Ostens, s. die Inschrift von Cjzicus, CLL. III 7060
und die Inschriften von Thyateira (Clerc, de rebus Thyatirenorum 49, 4; Waltzing,
Corp. prof. III, n. 154-166). Über die vioi vgl. Ziebarth, Chriech, Vereinswesen 111 ff.;
Kornemann bei Pauly -Wissowa, RE, III 389 f.
Kap. IV.
Tesseren der privaten CoUegien
und Unternehmungen.
Es ist selbstverständlich, dass die bei den staatlichen Massenver-
teilungen angewandte Technik auf die privaten Veranstaltungen gleicher
Art, und zwar zuerst bei den grösseren Körperschaften, einwirkte. Wo
sich, wie in Rom, zahlreiche und teilweise stattliche Collegien verschiedener
Art, besonders für sacrale Zwecke und die allgemeine Begräbnisversiche-
rung, hauptsächlich im L und IL Jahrb., gebildet hatten, und in diesen
Collegien ganz regelmässig Verteilungen und gemeinsame Belustigungen
stattfanden,^) würde es wahrlich Wunder nehmen, wenn man bei allen
diesen Akten keine Spur des Markensystems fände.
Leider schweigen darüber unsere litterarischen und epigraphischen
Quellen; desto beredter sind die Marken selbst.
Ich erwähne nur einige Tesseren, welche uns wahrscheinlich magistri
sacraler Collegien nennen {ß. 876— 878) 2) und weise auf die Tessera,
welche uns einen bis jetzt unbekannten sacralen Verein soda(Jes\ Con-
sua{lcs) nennt (S. 879)«). Die Tessera bezieht sich auf irgend einen Akt,
der mit dem wohl kurz zuvor verstorbenen Kaiser Nerva — auf der Rück-
seite haben wir den Kopf des Nerva im Strahlenkranze und die Inschrift
1) Das ganze Material Über das CoUegienwesen Roms findet man in dem be-
kannten Werke von Waltzing, Etüde historique sur les corporations professionnelles
chtz les Romains I— IV, 1896—1900 (B. III: Inschriften der Collegien, IV: General-
index), in seinem Artikel CoUegium bei Ruggiero, Diz. ep. II 340—409 und im Musee
beige U 281 ff. und III 130 ff. (die sog. coUegia funeraticiä) zusammengestellt und ver-
arbeitet. S. auch Komemann, Art. CoUegium bei Pauly - Wissowa , RE. IV 386 ff.
Bei diesen Forschern findet sich die übrige Litteratur. Unbekannt blieben ihnen
leider die schönen Werke Krascheniunikows (oben öfters zitiert) über munizipale Priester
und Priesterinnen (Petersburg 1891) und über Äugustalen und das Sacralmc^isterium
(Petersburg 1895) und die weniger bedeutende Arbeit Kulakowskis, Die CoUegien im
aUen Rom, Kiew, 1888.
2) Parallelen findet man bei Waltzing, Mus. b., a. a. 0.
3) Vgl. sodales Martiales CIL. IX 3065 ; Marienses, ebda. XT 4749 ; Fortunenses
X 174; sodalicium Florensium V 1705; Waltzing, M. b., a. a. 0.
Bömisehe Bleüesserae. 95
di(vus) Aug{ustus) — in Verbindung steht An diese Tessera reihen sich
mehrere mit Erwähnung von sodaleSj aber ohne nähere Bezeichnung (nach
den Rr zu urteilen, sind es auch Vereine sacraler Natur) an (S. 880-^887).
Daneben giebt S. 885 die Aufschrift colleg{ium) und S. 1611 auf
der einen Seite die Darstellung eines Genius mit der Beischrift G — C auf
der anderen die Concordia und die Beischrift COL— COR. Die Bei-
schriften sind wohl g{eniu8) c(pllegi) und colQegium) car(iarioirum) zu er-
gänzen. ^)
Mit der letzteren Tessera sind mehrere Marken mit Darstellung eines
Genius einer Gesamtheit in Verbindung mit allerlei Gottheiten zu ver-
gleichen (S. 1615 ff.). Am häufigsten verbindet man mit dem Genius den
Hercules. *)
Auf einer Marke erscheint ein genius vici (S. 1613) und an diese
reihen sich ungezwungen die Tesseren mit Darstellungen der genii fontium
(S. 1679—1688) an.»)
Damit scheint es mir festgestellt zu sein, dass die römischen Collegien
wirklich Bleimarken für ihre Zwecke ausgaben. Dies erlaubt uns einen
Schritt weiter zu gehen. Dabei aber bitte ich Folgendes in Betracht zu
ziehen:
1. Es ist schon oben mehrmals festgestellt worden, dass die Dar-
stellungen auf den Tesseren in direkter Beziehung zu ihrer Bestimmung
stehen. Anders wäre es auch nicht möglich; denn die Tesseren verfertigte
man jedesmal für bestimmte Gelegenheiten oder Persönlichkeiten, keines-
wegs wie Lampen und Gemmen, deren Darstellungen den unsrigen am
meisten verwandt sind, für einen unbestimmten Kreis aller möglichen
Käufer. Andererseits aber war eine der Bedingungen der Existenz der
Tesseren überhaupt ihre Billigkeit: das zeigt schon die Verwendung des
billigsten Materials, des Bleies, und die billige Prozedur des Giessens.
Man mochte kaum Lust haben, die Herstellung durch das Verlangen nach
guter künstlerischer Arbeit und neuen komplizierten Typen, wozu auch
der verfügbare Raum kaum Gelegenheit gab, zu verteuern. Deshalb
waren die Verfertiger der Tesseren einfache Handwerker, die natürlich
nur aus dem ganz begrenzten Vorrate der ihnen zur Verfügung stehenden
Typen eine Auswahl treffen konnten. Das Individuelle bestand haupt-
sächlich in der Inschrift, aber auch hier zog man einige, den Interessierten
leicht verständliche, Abkürzungen ganzen Worten vor. Bei dieser Selbst-
beschränkung der Verfertiger und Käufer auf gangbare Typen suchte
man aber der Individualität der Tesseren und ihrer Geltung für einen
bestimmten Zweck gemäss aus dem Bereiche der trivialen Bilder die
1) Vgl. die ähnliche Darstellung des Grenius des Vereins peU(ionum) in Ostia
CIL. XIV 10; Waltzing, Corp. prof. Ul 2184.
2) Vgl. Waltzing, Cb^. prof. IV 30 ff.
3) Vgl. die tnagistri undministri fontis CIL. VI 149—166, cf. Suppl. 80708-80709.
96 3f. Bostoweew^
passendsten Darstellungen ans, so dass schon die Typen entweder auf die
Bestimmung hinwiesen, oder wenigstens zu derselben passten.
2. Daneben ist es zur Genüge bekannt, dass die antiken Menschen,
besonders die Römer, sehr gern die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu
einer Person oder einer Gruppe von Personen, bis hinauf zu der Stadt
und dem Staat, durch eine bildliche Darstellung, neben oder auch ohne
Inschrift, charakterisierten. Belege dafür beizubringen wäre unnütz ; von
Wappen privater Leute wird noch im folgenden Kapitel die Rede sein.
Die CoUegien machen in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Um einige
Beispiele anzuführen, verweise ich auf folgende Fälle. Auf dem Denk-
male, welches die spanischen scapharii den Kaisern Antoninus Pius und
M. Aurel setzten, sehen wir eine navis oncraria, eine triremis, einige
kleinere Boote und einen Dreizack dargestellt (CIL. 11 1168, 1169). Die
Bäcker setzen auf die Basis der Statue des Antoninus einen modius mit
Kornähren und eine Mühle {CIL, VI 1002). Die piscatores und urina-
tores stellen auf einer Basis, welche sie ihrem Patrone, der zugleich
lictor decurialis war, setzen, den genannten lictar und das Wappen des Vereins
-7- zwei Männer in einem Kahne — dar (CIL. VI 1872). Die utricularii
von Cabellio statten eine Kontrollmarke ihres Vereines mit der Dar-
stellung eines Schlauches und der Inschrift colle(gium) täri(culariorum)
Cab(eüicensium) \ L, Valefiius) \ Succe3($t4s) aus (s. Babelon, Bronzcs ant.,
TL. 2315; Waltzing, Corp. prof., lU 1988). Auf dem Forum von Ostia
befanden sich die scholae verschiedener städtischer Vereine; jede ist durch
eine Darstellung oder Inschrift in Mosaik auf dem Boden vor dem Ein-
tritte charakterisiert: die pelliones setzen eine Inschrift (CIL. XIV 277),
die navicvHarii Inschrift und Darstellung: Leuchtturm und zwei Schiffe
(CIL. XIV 278, vgl. 279); die mensores firumentarii nur Darstellung.^)
Endlich, um auch die sacralen Vereine nicht ausser Acht zu lassen, sehen
wir auf dem Steine eines Mitgliedes des CoUegiums der Isis die Dar-
stellung eines Schiffes (CIL. IX 3338). Es wäre wohl möglich alle diese
Darstellungen mit denen auf den signa und vcxilla der Vereine in Ver-
bindung zu setzen.'^)
Nach dem Gesagten und infolge des Nachweises mehrerer Tesseren,
die sicher für Zwecke der CoUegien hergestellt waren, halte ich mich für
berechtigt, eine Reihe von Typen, welche auf allerlei Handwerkervereine
hindeuten, aus dem Tesserenvorrate auszuscheiden und als CoUegienmarken
zu erklären. Es muss schon hier hervorgehoben werden, dass die meisten
mit Sicherheit zu deutenden Tesseren sich auf die CoUegien der Arbeiter,
die es mit dem Handel und Wandel auf dem Tiber zu thun hatten, be-
ziehen. Das Wasser und der Tiberschlamra konservieren das Blei besser
1) S. Lanciani, Not. d. Sc, 1881, 116 ff., Taf. 18-20; Andr^, Melanges deVicoU
de Eome, 1891, 501; vgl. die Szene auf einem Gefässe des IV — V. Jahrb. De Rossi,
Annali deW Ist., 1885, 230 ff. und Taf. I.
2) Waltzing, Corp. prof. II 186 f.
Bömische Bleüesserae. 97
als der Stadtschutt. Ich brauche wohl nicht auf die Bedeutung des Tibers
als Handelsstrasse und das rege Leben, welches auf ihm und an seinen
Ufern herrschte, hinzuweisen. Die an diesem Leben teilnehmenden
Gewerbetreibenden schlössen sich, wie bekannt, in einer Reihe von CoUe-
gien zusammen.^)
Es 'lässt sich zuerst eine Tesserenserie ausscheiden mit Darstellung
eines Arbeiters, der auf den Schultern einen Sack oder eine Amphora trägt
(8. 1033—1036, vgl. die beig. Taf. II, U). Wir finden dieselbe Darstellung auf
mehreren sich auf das Leben am Tiber beziehenden Bildern. Ich weise auf
das Bild mit der Darstellung des Ausladens eines Schiffes (in Ostia gefunden ;
jetzt in der vatikanischen Bibliothek), wo analoge Gestalten Säcke mit
Korn auf den Schultern tragen,^) dann auf ähnliche Szenen auf den
Fresken der Domitillakatakomben'*) und ähnliche mehr*) hin. Überall
haben wir Mitglieder des grossen Vereins der saccarii, vgl. die späteren
fruffis et olci baitdi und die catäbolenses.^)
Die vecturarii oder vectorcs resp. catäbolenses^) finden wir auf den
Tesseren, auf denen Lastwagen mit Ochsen oder Maultieren bespannt
dargesteUt sind (5. 1037, 1038, vgl. die beig. Taf. II, 15).
Auf die oben angeführten CoUegien oder die bei den horrca be-
schäftigten Vereine ') lassen sich zahlreiche Tesseren mit Darstellungen von
allerlei doUa und ähnlichen Gefässen deuten {S. 992 — 1019). Es ist aber
schwer hier eine Grenze zwischen den staatlichen Verteilungsmarken und
den Marken privater Vereine zu ziehen.
Die zahlreichen Vereine der lenuncularii^ scapharii, Untrarii^) und
ähnliche werden wohl die Tesseren mit Darstellungen der verschieden-
artigsten Schiffe grösserer und kleinerer Dimensionen (S. 951 — 955;
961 — 978) ausgegeben haben. Die Rückseiten stehen im besten Einklänge
mit den Haupttypen, besonders oft kommt die Fortuna (S. 951 — 960),
1) Die betreffenden Collegien findet man Öfters aufgezählt, s. z. B. Kulakowski,
Die Collegien im alten Rom 81 ff. ; Liebenam , Zur Geschichte und Organisation des
römischen Vereinswesens 71 ff.; Waltzing, (Jorp, prof, II 19 ff.
2) Visconti, Ann. d, Ist.^ 1868, 823 ff. und tav. d'agg. T; Boissier, Promen. archidl.,
272 ff.; Waltzing, Corp. prof. II 59 f.
3) Wilpert, Römische Quartalschrift, 1887, 20 ff.
4) Matz-Duhn, Änt. Bildw. III 3550; das Relief Torlonia, Baumeister, Denkm.
III 1624, Fig. 1688 u. a.
5) CIL. VI 4417; Waltzing, Corp. prof. U 61 und IV 41 ff., 117 f. Auch die
exoneratores calcariarii, levamentarii, palangarii, saburrarii (Waltzing IV 17, 28, 85, 41)
gehören dazu.
6) Waltzing IV 47 und 10. S. besonders die schon angeführte von De Rossi
publizierte DarsteUung des mensor frumentarius. Ebendaselbst erscheint ein plostrarius
den unseren vollständig analog {Ann. d. Ist. 1885, tav. I).
7) S. Waltzing im Index B. IV unter apothecariiy mensores {acceptores) , sus-
ceptores, horrearii (7, 17, 29 f., 46, 156).
8) Waltzing, a. a. 0., 14, 27, 28, 38, 43.
Bostowsttw, Bömitditt DleiteMera«. 7
98 M, Bostoweew^
welche zweimal als Mar(üima) charakterisiert wird (S. 951, 957),
vor. 0
Man könnte ähnliche Serien mit grösserer oder geringerer Wahr-
scheinlichkeit in noch grösserer Zahl aussondern (s. die SyUoge)j aber
für unsere Zwecke genügen die angeführten. An der Existenz der
CoUegientesseren und an der weiten Verbreitung des Gebrauches der-
selben kann nicht mehr gezweifelt werden. Aber wozu brauchten
die Vereine jene Marken? Auf diese Frage geben die Tesseren
selbst ganz unzweideutig Antwort Die schon angeführten Tesseren
S. 880 — 882 (s. die beig. Tat ü, 11) zeigen die Legende: sodäles de suo
= die Vereinsmitglieder aus eigenen Mitteln. Es handelt sich also höchst
wahrscheinlich um Verteilungen (an Spiele oder Schmause könnte man
auch denken^)) aus den Zinsen der dem Gollegium gehörenden Kapitalien
oder aus den regelmässigen Einkünften. So verteilt der Verein Aßsctdapi
et Hygiae {CIL, VI 10 234) am Geburtstage des Kaisers Geld, am Ge-
burtstage des Collegiums Geld, Brot und Wein, am Tage vor Neujahr
strenae, endlich die carae cognationiSy violari und rosae. Dasselbe thut
das collcgium citrariorum et eborariartim.^) Dieses Gollegium feiert den
Geburtstag Hadrians und seinen dies imperi mit Geldverteilungen.*)
Für diese regelmässigen Verteilungen musste es ein bequemes und
billiges Kontrollmittel geben, und es ist sicher, dass gerade unsere Bleie
als solches Mittel gebraucht wurden. Viele Tesseren geben das aus-
drücklich an. Ich erinnere an die Tesseren der verulanischen iuvenes mit
der Aufschrift arca (8. 871—873) und an die Tesseren S. 65, 66 und 69,
wo, wie in den leges coUegiorum, steht: diei imperi Hadr(iani) Äug(usti)
fel{iciter)y Had{riano) Äug{usto) p{atri) p{atriae) f{elicitcr},^) fel{ix) Sabi{na)
Aug{u8ta) Had(riano) 8dl{vo)j vgl. S, 43 (s. die beig. Taf. II, 12): in^e-
ratoribus T{iti8 duobus) f{el%citer) — Domitiano C{aesairi) f{eliciter).
Die bestimmten Tage der Verteilungen, welche die leges coUegiorum
nennen, lassen die Tesseren, die auch einen bestimmten Tag nennen, un-
1) Über Fortuna als Handelsgottheit, Röscher, Lexicon 1 1507 uDd 1583.
2) S. AscoD. 6; CIL. IX 8857; Zielinski im Journal des Minist der VoUtsauf-
klärungy 1908, 9, 154 (russisch).
8) Born. Mitt, 1890, 288 fF.; Bmns, Fontes!^, 856; Waltzing, Corp. prof. lU 1847
und 2414; CIL. VI 83885.
4) Z. 9—10: item] VIU \Kal.] Febr. [natali Ha]driani Äug{u8tt) u. Z. 17-18:
in Idu8 Aug(u8ta8) die imperi Hadriani Aug(u8ti)j vgl. CIL. X 444, 10—15: sanxitque
uti ex reditu eorum fundoru[m] q(ui) s. s. 8. K. Janu(ariis), III Idus Febr{uana8)
Domitiae Aug. n. natale et V K. Julias dedicatione Silrani et XII K. Julias ftMO-
lihus et IX K. Novembr(es) natale Domitiani Aug. n. sacrum in re jyraesenii fiat ewt-
renirentque ii qui in coUegio essent ad epulandum und CIL. VI 9254, 11 — 18: die ]
IX Kai. Octobr(es) natali divi \ Augusti erogentur ex ark(a), vgl. Waltzing, Corp. prof"
IV 541 ff. und 587 ff. und besonders CIL. XIV 326.
5) Vgl. CIL. VI 10234, 10—11: ubi XIII K. Oct. die felicissimo n(atali) Ante-
nini Aug(u8ti) n{ostri) Pii p. p. sportulas dividerent.
Römische BUitesserae, 99
gezwungen erklären; ich meine: 8, 1088 mit der Aufschrift id(ibus) lunis
Merc{uri) (wohl die; oder Mcrc(uriales)?% 1089 — idus Itdiae, 1090 —
idus Itdias (wohl statt id(ibu8) lulis), vgl. dasselbe 1090*. Mit dieser
Nennung der idtis sind die collegia kalendarium ei iduaria duo {CIL.
II 4468), die decatrenscs (CIL. X 1696, 1697), das commune tricen-
simae (CIL. III 6671) und das xoivov ri/g rgiaxados (Bull des Ant. de Dr.,
1901, 110), beide letzteren in Berytos, nach den Tagen der Versamm-
lungen sogenanny) zu vergleichen. Damit bekommen unsere Tesseren
eine frappante Ähnlichkeit mit den athenischen avfißoka für die Di-
kasterien und die Ekklesia, die zugleich Eintrittsbillets und Kontroll-
marken für das öixuauxov und ixxkfjaiaarixdv waren. Die Rückseite
der Tessera S. 1089 mit der Darstellung der Aequitas giebt unserer Er-
klärung eine nicht zu verachtende Stütze.
Der angeführten Serie schliessen sich mehrere Tesseren mit der
Nennung eines Monats an. Am häufigsten wird der Januar genannt
(S. 1082—1086), dann Iuni(us) meses 8. 1087, August 8. 1091—1094,
endlich m(ensis) September und m(ensis) Octobcr 8. 1095. Die Rückseiten
sind charakteristisch : Genius einer Kollektiveinheit und die Göttin Roma
(1082), Fortuna (1083), Aequitas in der bekannten Gestalt eines Kra-
nichs oder Storches (1084),«) vereinigte Hände (1085), Löwe als
Zodiakalzeichen (1090''), Capricomus (1091). Es wird wohl an monatliche
Verteilungen (besonders bei der Tessera 8, 1095) zu denken sein. Denn
dass die Tesseren Verteilungen meinen, ersieht man klar aus «S. 1086,
wo wir neben Ian(uarius) auf der Rückseite das Signum denarii, dann I
und P sehen — wohl sicher d{enarit) s(inguU) p(optdo), bezw. p{lebi).
Auch die Tesseren S. 1096 dies PHscülae und 8. 1465 d{ies) Philo-
xenes meinen wohl Verteilungen an Gedenktagen reicher Stifterinnen.
Nach dem Gesagten lassen sich noch mehrere Abkürzungen auf
Tesseren auflösen. So die schon angeführte Tessera mit der Darstellung
des iumentarius {S. 1038): sie hat auf der Rückseite das Signum denarii
und V — S wohl v{iris) s{ingulis), dann 8. 975: die Zahl U und in der
Mitte ein Kreis, wohl Münze und 8. 1020 mit Darstellung eines Trink-
j^efässes und der Aufschrift sex{tarius), vgl. auch 8. 2680.
Es ist also klar: die Vereine haben, dem Beispiele der Regierung
folgend, auch für ihre Massenverteilungen, Spiele und Festessen das
1) Diese Erklärung ist eine glänzeDde YemuituDg Mommseiis (ad CIL. II 4468}
und 0. Hirschfelds, SiUb. d. Wiener Ak,, 1884,249, 3. Für das commune tricensimae
nehme ich jetzt, nach der Auffindung der Inschrift mit dem xoivbv tffiaxddog^ meine
frühere Erklärung {Staatspacht 509) zurück, s. Hirschfeld, Verwaltungsb* 81, 1, vgl. die
Tessera, S. 2184 mit der Aufschrift tUäg und der Darstellung von zwei Fortunae und
des Steuerruders: die Tessera gehört sicherlich einem xoivbv rffg aluddo^.
2) Vgl. Bahr. 13; Zielinski im Journ. des Minist, der VolksaufTdärung (russisch),
1903, 9, 154.
7*
100 M. Bostoweew,
Markensystem eingeführt. Es wurde dadurch Ordnung und Kontrolle in
das finanzielle Leben der Ck)llegia gebracht und unsere Tesseren bezeugen
uns, dass die grossen und reichen Vereine eine stramme und ordentliche
Verwaltung ihrer Finanzen durchgeführt haben. ^)
Zu vergleichen sind mit unseren Tesseren die Bronze- und Blei-
marken, mereaux, jetons und penningen, der grossen Korporationen von
Paris*) und der holländischen Städte,^) welche sich in ununterbrochener
Reihe vom XV. bis zum XVin. Jahrh. hinziehen. Meistens, aber nicht
ausschliesslich, sind es jetons de presence.
Besonders frappant ist die Analogie der Darstellungen. Wir sehen
entweder die Arbeitsinstrumente, oder die produzierten Güter, oder ein
Mitglied der Korporation bei der Arbeit, alles in Verbindung mit den
in der Korporation besonders verehrten Heiligen dargestellt. Am lehr-
reichsten für unsere Zwecke sind die Jetons von Amsterdam,*) welche
sich auf das Hafenleben beziehen; wir sehen hier alle oben beschriebenen
Darstellungen unserer römischen Serie: allerlei Schiffe, die ausladenden
Arbeiter u. s. w. '^)
Im n. wie im XVin. Jahrh. sind also die Tesseren Kontrollmarken
gewesen.*^) Höchst lehrreich sind in dieser Hinsicht die Tesseren vom
J. 1599 aus Utrecht: Einladungsbillets auf das vinum honorarium mit
Darstellung einer Weintraube geschmückt,') eine frappante Analogie zu
den tesserae vinariae des Staats und der CoUegien.
Aus der oben (S. 97) erwähnten Serie unserer Marken, die durch
die Darstellung eines Schiffes charakterisiert ist, scheiden einige Tesseren
aus, die als Collegienmarken nicht erklärt werden können. Es sind
S. 944 — 950. Das Charakteristische der Serie sind Darstellungen von
zwei Arten leichter Schiffe von besonderer Form, mit den Beischriften
auf zwei Exemplaren CYD, auf einem CYD | AES (s. die beig. Taf. n, 13).
1) Auch in den Provinzen finden sich ähnliche Marken. So in Ephesus gehören
wenigstens zwei interessante Tesseren in unsere Reihe. Ich meine die von mir (russ.
Aufl. 273 n. 17) publizierte Tessera mit der Aufschrift: Mivav^Qog taiil{ag) ysQoveLag
und die andere (ebenda 18), mit der Inschrift 'Agrifu^og iivat&v,
2) Forgeais, Collection des pUmbs historüs trouvSs dans la Seine, B. I— IV,
Paris, 1862 — 1866; Numismatique des corparations parisiennes , Paris, 1874 (Cap. I:
corparaiions partsiennes, II ; mireaux fiscaux, III : Offices des maisons royales),
3) L. Minard van Hoorebeke , Description de mireaux et jetons de presence etc,
des gildes et corps de mStierSf iglises etc., B. T— III, Gand, 1877—1879; Dirks, De
noord-nederlandische Gildepenningen , Haarlem, 1878 (vgl. seine Aufsätze in der Bev.
beige de num., 1859, 1866, 1873); G. van Orden, Bijdragen tot de penningkunde van
het koningrijk der Nederlanden, Zaandam, 1880.
4) Catalogus van Gedenkpenningen etc, betreffende de Stad Amsterdam, Amster-
dam 1889.
5) S. Hoorebeke, Description 1138-53.
6) F. de Vigne , Moeurs et usages des corporations de mitiers de la Belgique,
Gand, 1847, 77 f.
7) Orden, Bijdragen, pl. VII 6 und S. 47; Hoorebeke, Description 234, 439—441.
Bömische Bleitcsscrae. 101
Beide Arten der Schiffe sind leichte bewegliche Kähne mit einem
mendicium ^) und Rudern versehen. Der einzige Unterschied ist der, dass
die erstere Art (944 — 947) einen senkrechten, die zweite einen ab-
gerundeten Kiel hat.
Ein Schiff der zweiten Art sehen wir auch auf einer Serie von
Bronzetesseren mit den Buchstaben D, G, T, V auf den Rückseiten.*)
Die Beischrift CYD kann nur in cyd{arum) aufgelöst werden. Cyda-
rum aber ist eine Art von Schilfen, die von Gellius {K J.., X 25 5) und
Pollux*) erwähnt, aber leider nicht charakterisiert wird. Der Name
kommt auch auf dem bekannten, bis jetzt so gut wie unpublizierten, Mosaik
aus Althiburus mit Darstellungen von allerlei Schiffen, einem Fischer-
kahne, der leider nur zum Teile erhalten ist, beigeschrieben vor.*)
Was für eine Bestimmung hatten nun unsere gleichartigen Bronze-
und Bleimarken? Die Bronzen bezeugen durch die Buchstaben der Rück-
seiten, dass sie in grösseren Serien ausgegeben wurden, die Beischriften
auf den Bronzen der zweiten Art (s. Anm. 2) und den Bleien S. 445 und
449 (Initialen und abgekürzte Namen), dass es Privatleute taten. Endlich
die Beischrift auf 944 kann nur als cyd(art) aes: Geld für Benutzung
des cydarum verstanden werden.*)
So werden demnach unsere Marken Kontrollmarken auf Verkehrs-
schiffen, welche auf dem Tiber aufwärts und abwärts zirkulierten und
neben den Fuhrwerken der Landstrassen die bequemsten und wohl
billigsten Verkehrsmittel waren,**) gewesen sein. Besonders lebhaft war
1) S. Graser, Das Seewesen, Philol., SuppL, III, § 100, S. 210 ff. und 205, 54,
vgl. Graser, Die Gemmen des K. Mus. zu Berlin mit Darstellungen antiker Schiffe
(Berl. 1867), Taf. I 1 (89), S. 8 ff.; I 11 (90), 8. 18 ff.; vgl. Die ältesten Schiffsdar-
Stellungen auf antiken Münzen, Berl., 1870, Taf. D, 614 b, 192*>, 429b und S. 16
(948—950)
2) Beifort, Annuaire de num. XVI 241, pl. IX 7-10, vgl. noch CIL. XV 2, 7222:
MPV litteris exstantibus. Navis in qua sunt duo remiges. Tabeüae parvae aeneae
formae quadriangulae (16, 15, 13—18 mm). Mit unseren Schiffen der zweiten Art
könnte man die Schiffe auf geschnittenen Steinen, Reinach, Pierres gr. 59, 49, 2 (Gori),
auch Fol, Musie 76, 13 vergleichen.
8) Pollux I 82 ; Corpus gloss., Index s. v.
4) Ich verdanke diesen Nachweis und die Photographie eines Teiles des Mosaiks
der Liebenswürdigkeit H. Gaucklers. S. auch C. r. de VAc. d. inser., 1898, 642; De
la Blanch^re et Gauckler, Catal. du Musie Alaoui 166; Daremberg et Saglio, Dict.
d. ant IV 2116, Fig. 5251, vgl. HI 185, Fig. 3838 und 256; Buecheler, Neptunia
prata, Rh. Mus. 1904, 321 ff. Buecheler führt unsere Inschrift nicht an. Stammt sie
am Ende von einem anderen ähnlichen Mosaik, deren viele von Gauckler bei Darem-
berg et Saglio, Dict. d. ant. 2117, 1 erwähnt sind, keines aber bis jetzt gut publiziert
ist? Hoffentlich bringt die Publikation in den Mon. Piot Alles auf einmal.
5) S. die Beschreibung der Kanalreise des Horaz (Hör., Sat. 15, 13 : dum aes
ejcigitur, dum mula ligatufy tota dbit hora).
6) S. die Schildenmgen des Tiberlebens bei Strabo 5, 7; Propert. I 14, 1—4;
Preller, Born und der Tiber, Ber. der sächs. Ges., 1849, 134 ff. ; Nissen, Italische Landes-
kunde 1 316 ff.
102 M. Rcstoweew,
wohl der Personenverkehr zwischen Rom und Ostia. Zwar fehlen uns
Nachrichten darüber fast vollständig (s. z. B. Suet, Claud. 38), aber es
zeugt dafür ausser den allgemeinen oben zitierten Schilderungen noch die
gute Organisation des Überfahrtswesens in Ostia. Wir haben eine Reihe von
Inschriften, welche besondere CoUegien der bei der Überfahrt beschäftigten
Schiffer bezeugen.^)
Moderne Analogien für den Gebrauch von Tesseren beim Flussverkehr
anzuführen, wäre überflüssig. Ich weise nur auf die kleinen Dampfschiffe
auf der Seine in Paris hin, wo jetzt noch Bronzetesseren der antiken Form
gebraucht werden.
Noch schärfer ist eine andere Serie von Bleimarken, welche sich auf
private Unternehmungen bezieht, durch Inschriften und Darstellungen
charakterisiert. Es sind Marken von Badeanstalten. S, 886 trägt die
Inschrift balincum Germani (s. die beig. Taf. II, 16); S, 887: b<ü(neum)
no(vu)m; S. 888: bdl{neum) Ti. Qlaudi) und ein schwer zu lesendes
Cognomen, vgl. 889, wo auf der Rückseite eine Fortuna bälnearis-) dar-
gestellt ist.
Daneben giebt es mehrere Tesseren, welche durch Namen von Bad-
besitzem oder Badpächtem bezeichnet sind: S. 892: Iul(tus) bal{neator)
und Merkur auf einem Hammel reitend;^) S, 893: Sub(uranus oder ähnl.)
bal{neator); S. 891: Föl(ix) baHneator). Damit ist eine Bronzemarke
(Cohen, VIII 266, 9) mit der Inschrift Lotus — balneator zu vergleichen.*)
An diese Serie knüpft sich ungezwungen die Serie mit Darstellungen
von instrumenta balnearia (S. 894 — 900) an. Besonders charakteristisch
ist S. 895 : L, Bomiti JPrimig{ent) und die Darstellung des ffuttus ; R Ring
mit zwei strigiles und einer ampulla. Ganz ähnlich ist eine bis jetzt
unedierte Bronzetessera des Pariser Münzkabinets : Mann n. r. schreitend,
bekleidet mit einer Exomis, die Rechte an der Brust, in der linken stri-
gilis und ampulla] R Guttus und Kranz D. 13 mm.
Diese Marken müssen also für Zwecke der Verwaltung der Privat-
bäder allgemein benutzt worden sein. Dass es wiedenim Kontrollmarken
1) CIL. XIV 409, 254, 403, cf. 451, 425, vgl. den pm-titor in Interamna CIL.
XI 4175, 8. auch ähnliche Unternehmungen im Lykischen Myra (CJ6r, III, Suppl.
1136, n. 4302»; Lebas -Waddington III 1311) und in Smyrna (Dittenberger, SyUoge^
876). In Italien beschränkte sich der Flussverkehr natürlich auf den Tiber und den
Po. Über ägyptische Verhältnisse, wo der Nil die Hauptstrasse war, besitzen wir
reichhaltiges Material, das aber noch nicht zusammengestellt worden ist; Einiges bei
Wilcken, Ostraka I 386, § 190.
2) S. Ruggiero, Diz. ep. 1963; Koscher, Lexicon 1 1523.
3) Vgl. Anon. Einsiedl. 70: balineum Mercarii.
4) Balneator ist natürlich nicht ein ^serro che presia ü hasso sercizio'^ , wie
Ruggiero , IHs. ep. I 968 meint , sondern ein Besitzer , Verwalter oder Pächter einer
Badeanstalt, s. ed. Diocl. \ll 76: halneatori privatario in singulia lavantibus {denarios ,
duo8, vgl. Dig. III 2, 4. 2 (balneator — conductor balnei)\ Mau bei Pauly • Wissowa,
HE. II 2758.
Römische Bleitcsserae. 103
waren, ist augenscheinlich. Es liegt aber auch die Möglichkeit vor, dass
wir es mit Largitionsmarken zu thun haben. An kaiserliche Spenden
ist dabei natürlich nicht zu denken, die Marken haben einen zu aus-
gesprochenen privaten Charakter; wahrscheinlich sind es aber Spenden
eines Privaten für Mitglieder eines grösseren oder kleineren Vereines.
Eine solche Erklärung wäre vielleicht für Marken von der Art der
n. 899 und 900 die passendste.
Für grössere Badeanstalten mit einem umfassenden Bassin für kalte
Bäder galten sicherlich die Tesseren S. 901 — 903. Die auf diesen Marken
dargestellten nackten Männer, die sich wohl in die piscina stürzen (neben
ihnen steht ein labrum), illustrieren mit grösster Anschaulichkeit die be-
kannte Schilderung Seneca's (cp. 56); er beschreibt den Lärm, der in
Bädern herrscht und fügt hinzu : adice nunc cos qui in piscinam cum ingcnti
impulsac aquae sono säliunt vgl. 83, 5: in Virginem desilire,^)
Die Rückseiten der Tesseren (Neptun -) und Fortuna) passen zu dieser
Erklärung ganz vorzüglich.
Wir sehen also, die Tesseren als vorzügliches Kontrollmittel dringen
überall in das Privatleben ein. Sie lassen sich aber nicht nur bei
grösseren Körperschaften, sondern auch im wirtschaftlichen Leben einzelner
Unternehmungen und Persönlichkeiten nachweisen.
1) Es ist wohl das atagnum Agrippae gemeint, Oilbert, Gesch. und Top. III 293, 2.
2) Neptun ist Wasser-, nicht Meergott, Domaszewski , Korresp. der westd. Z,
XV 233 ff.; Wissowa, Meligion und Kultus 252; Bloch bei Röscher, Lexicon III 542.
Kap. V.
Tesseren in den Privatwirtschaften.
Mehrere Hundert Tesseren oder besser Tesserentypen weisen als ihr
Charakteristikum mehr oder weniger, zuweilen auch gar nicht, abgekürzte
Namen auf, ohne jede weitere Bezeichnung des Verhältnisses, in dem der
Träger des Namens zu der Tessera steht, und ohne irgend eine Angabe
über die öffentliche oder private Thätigkeit der Genannten. Die Ab-
kürzungen, bestehen, wie auf anderen Stempeln, öfters aus Initialen, und
zwar bilden die letzteren gegenüber den verständlicheren Abkürzungen die
Mehrzahl.0
Dies allein bezeugt uns schon, dass wir es mit Äusserungen des
Privatlebens der Genannten zu thun haben. Daneben beweist die Massen-
haftigkeit der Namen und Initialen und das Vorkommen der meisten Typen
nur in beschränkter Zahl von Exemplaren, dass es Namen sicherlich von
Besitzern der Tesseren nicht von Fabrikanten oder Giessern sind.*) Dazu
passt vortrefflich, dass der Name da, wo er ausgeschrieben erscheint, stets
im Nominativ und Genitiv, im Dativ dagegen nur in Verbindung mit
feliciter gebraucht wird.'^)
Dabei herrscht in der Auswahl der Namen noch mehr wie in den
Inschriften grösste Willkür. Es erscheinen die regelrechten tria nominal
daneben nomcn gentile und cognomen, nomen gcntilo allein oder mit dem
1) Die verstÄDdlich abgekürzten Namen sind von mir in systematischer und alpha-
betischer Ordnung in der SyUoge^ n. 1103—1511 zusammengestellt. Die Initialen
sind nicht immer mit Sicherheit als solche zu erweisen und sind deshalb nach den
Typen der Rückseiten verteilt. Es versteht sich aber von selbst, dass die Mehrzahl der
incertae in der SyUoge eben Privattesseren sind. Da aber Sicherheit nicht zu erreichen
war, habe ich es vorgezogen, dieselben in ihrer Masse als Ganzes mit incertae zu be-
zeichnen.
2) Mau vergleiche nur die Vasen- oder Lamprnstempel. Dass ein Fund zuweilen
viele Tesseren desselben Typus bringt, ist leicht verständlich und mit der Verbreitung
eines Fabrikstempels nicht zu vergleichen.
3) Das Verhältnis des Nominativs zum Genitiv ist annähernd 2 : 1. Der Dativ
ist sehr selten.
Römische Bleitesserae, 105
praciwmen, pracnomen allein und am häufigsten das cognomen allein.*)
Öfters erscheinen Frauennamen. 2)
Der Stand der Tesseren ausgebenden Personen lässt sich selten mit
Sicherheit feststellen. Wo es aber möglich ist, führt diese Feststellung
zu höchst lehrreichen Resultaten.
S. 1139 giebt Asprcn(as) Cacsian(us); damit zu vergleichen ist
CIL. VI 9356 : Olympus Caesiani dispensator marittis Naniae P. l lonicae
(vgl. Prosop.j n 409 n. 97). Es ist mit Dessau anzunehmen, dass wir
es in der Inschrift mit einem der Nonii Asprenates des L Jahrh. n. Chr.
zu thun haben ; dass es der mehrmals von dem Rhetor Seneca erwähnte
Deklamator ist, dürfte wohl möglich sein. Dasselbe ist von dem Besitzer
unserer Tessera zu sagen.
Senatorischen Standes ist der sonst unbekannte 3f. Caelius Clodianus
v{ir) cQarissimus), S. 1149.
P. Glitius Gallus der Tessera S, 1238 wird wohl der bekannte gleich-
namige Verbannte des Nero sein (Tac, Ann, XV 56, 71; Prosop. II 119,
n. 116). Die Rückseite der Tessera giebt sein Wappen, einen Hahn
(s. unten S. 107), auf der Hauptseite sehen wir wohl seinen Porträtkopf.
Für die Öffentlichkeit kann also die Tessera nicht bestinmit gewesen sein.
C. Jul{ius) SeveruSj S. 1266 ist dem Konsul des J. 155 n. Chr.
(Prosop,, n 214, n. 372) gleichnamig, ob auch verwandt, lässt sich nicht
entscheiden.
L. Plotius Vicinus% S. 1302; die Tessera bezeichnet auch den Ort,
wo sie Giltigkeit hatte (?) : Luceriae steht auf der Rückseite. Ein gleich-
namiger Plotius war Prokonsul auf Kreta im J. 4 — 3 v. Chr. {Prosop, m 55
n. 995). Dass die Familie aus Luceria stammte oder wenigstens dort
begütert war, bezeugt CIL, IX 935 (Freigelassener eines Vicina — Vicinai l).
Q. Tcrcntius Callco, S, 1323. Die Familie blühte in den letzten Zeiten
der Republik und in der ersten Kaiserzeit (Prosop, HL 300, n. 53 und 54,
vgl. Not. d. sc,, 1888, 439, n. 10).
M. Valerius MJ. Etruscus, S. 1327 (s. die beig. Tat 11 20) gehört
wohl zu derselbe™p,amilie, wie der gleichnamige Etruscus, der im J. 152
n. Chr. Legat des afrikanischen Heeres war.*)
A, Cae .... Cr .... iS. 1151 ist kaum anders als zu J. Cae(pio)
1) Tria nomina 62, voU ausgeschrieben 14; nomen und cognomen 62, nomen
allein 4.3*, in beiden letzteren Fällen müssen wohl mehrere abgekürzte Namen als
Frauennamen erklärt werden; nomen gentile und praenomen 24, praenomen allein 16,
cognomen allein mehr wie 100, dabei voll ausgeschrieben 49 mal. Vgl. W. Schulze,
Zur Geschichte lateinischer Eigennamen 487 ff.
2) Sichere Frauennamen habe ich 39 gezählt. Bei der Statistik habe ich das
Supplementum nicht berücksichtigt. Auch unsichere Fälle sind nicht mit in Betracht
gezogen worden.
3) Auf den Namen spielt vielleicht der Typus der Hauptseite: foiium viciae(y) an.
Das Cognomen lautet allerdings in den Inschriften Vicina oder VicinaSy s. Schulze,
Zur Geschichte latein, Eigennamen 102. Auf der Tessera kann es vulgarisiert sein.
4; S. Prosop. III o56, n. 48 und Cagnat, Ann. «/>., Bev. arch. 1899, 2, n. 3.
106 M, Bostowzew^
Cfiispintis) zu ergänzen (s. Prosop. I 262, n. 119 cf. 118). Den Ep]puleiu8
Proculus S. 1214 stelle ich mit M. Eppuleius Proculus Ti. Caepio Hispo
(Prosop, n 37, n. 62), Konsul unter Traian, zusammen (einen Freigelassenen
desselben s. S. 1150). L, Ne . , , . Pr . . . , S. 1288 ergänze ich zu
L. Ne(ratius) Pviiscus) und erinnere an den bekannten Priscus aus dem
Ende des I. Jahrh. (Prosop. II 102, n. 46).
Will man auch einige dieser Zusammenstellungen nicht annehmen,
so bleibt doch als feststehendes Eesultat der angeführten Beispiele, dass
unter den auf den Tesseren genannten Privatpersonen mehrere Mitglieder
der bevorzugten Stände erscheinen. Dieselben gehören sämtlich den ersten
zwei Jahrhunderten an.
Daneben kommen aber auch sicher Freigelassene vor. So auf den
Tesseren S, 1222. 1228. 1470. 1486. Die Mehrzahl der massenhaft ver-
tretenen Claudier, Fla vier, Ulpier, Aelier wird wohl auch von Frei-
gelassenen abstammen oder selbst Freigelassene sein. Möglich ist auch,
dass einige derselben ihren Stand absichtlich verschweigen.
Ausdrücklich als Sklave bezeichnet sich nur ein kaiserlicher Sklave
aus der älteren Kaiserzeit: Primus Caesar(is) servus Agr(ippianu8) S. 1471;
man muss aber annehmen, dass auch viele von denen, welche sich nur
mit einem Ck)gnomen, öfters einem griechischen, bezeichnen, Sklaven sind.
Dies wird durch die oben erwähnten Tesseren, auf denen das Pränomen
allein erscheint, nahe gelegt. Denn Tesseren mit Inschriften wie C{ai)
n(ostri), S. 1352; L{uci) n(pstri\ S. 1355; L(ucii) duo, S. 1358; Q{uinti)
n(ostri), S. 1359; L(ficis duöbus) f{clidter), S. 1357; Q(mnto) f(eliciter\
S. 1360 können nur die zur familia eines Haushaltes gehörenden Sklaven
oder Freigelassenen ausgegeben haben. ^)
Damit aber sind wir bei der Frage nach der Bestimmung dieser
privaten Tesseren angelangt. Das Gesagte allein genügt, um einige wesent-
liche Punkte festzustellen. Wir müssen nämlich annehmen, dass 1. die
Ausgabe der Tesseren Privatgeschäft ist, 2. als Ausgebende die einzelnen
wirtschaftlichen Einheiten, die domus und familiae, erscheinen, wobei die
ausgegebenen Gegenstände entweder durch das Haupt der Einheit, oder
durch seine familia in seinem oder eines der Mitglieder der familia Namen
signiert werden, 3. die Zahl der ausgegebenen Tesseren zuweilen sehr
gross ist (s. S. 1460).
Diese Thatsachen werden noch durch andere Beobachtungen wesent-
lich bekräftigt und erweitert. Der Familien- oder Hauscharakter
1) Analogieu aus den lu8chriften könnten massenhaft angeführt werden. Als
Beispiele mögen folgende Inschriften dienen: genio M(arci) n{08iri) et Laribus — duo
IJiadumem (auf einer Hausaedicula, CIL. X 861; Overbeck-Mau, Pompei 299); G{enio
P{üblii) n{08tr%) | Primigenius | lib{ertu8) (auf einer Porträtherme, Heuzey, Sodite not.
des Ant.j Centenaire 18U4 — 1904, 199); C{aio) n(ostro) decuritmes et familin, CIIj.
VI 10857; Abascant^o, tpä fuil (^uintC) n(os(ri) n fnment o], (IL. VI 9423, vgl. 9424,
XII 3050-8056 und öfters.
Hämische Bleitcsscrac. 107
der Monumente wird noch klarer, wenn wir die Tesseren, die von Mann
und Frau zugleich signiert sind, in Betracht ziehen. Ausser der Tessera
aus der Sammlung Fröhners S, 1195 (vgl. Suppl, und die beig. Taf. 11 19),
die uns die Namen beider Gatten und ihre Porträts bietet, i) erinnere ich
noch an S. 1512—1515, wo die Namen zwar nicht genannt, aber die Por-
träts der Gatten höchst charakteristisch gruppiert sind, und an die
Tesseren S. 1558 — 1563 mit der Darstellung zweier Schlangen, dem be-
kannten Symbole eines Hauses, in dem der Hausherr verheiratet ist. An
solcher Deutung lässt die Tessera S, 1560 mit der Inschrift C{ai) n{oslri)
und den zwei Schlangen als Br nicht rütteln. Lehrreich ist auch die
Tessera S. 1557' (Suppl): CD auf der Hauptseite und auf dem R zwei
Füllhörner. Auch Tesseren, wie die mit der Beischrift Murciorum
(S, 1287), S. et L. Sext .... (S. 1317), vgl. auch S. 1367, bezeugen
sicher den Familiencharakter unserer Monumente.
Der rein persönliche, private Charakter dieser Tesseren be-
kommt seinerseits seine Bestätigung durch folgende Beobachtungen. Die
den Namen beigegebenen Typen stehen nur selten in keinem Zusammen-
hange mit der Person oder dem Namen des Besitzers. Öfters sind es
redende Wappen, welche den Namen nach der bekannten römischen
Manier illustrieren oder ins Bildliche übersetzen. Einige Beispiele wurden
schon oben S. 105 angeführt, ich füge noch folgende hinzu.
Turius Celer, S, 1326 giebt auf dem Rs. ein schnell laufendes Pferd;
C. lulius Catus, S. 1528 einen Kater (catus im Spätlatein); S. Dam ....
S. 1198 eine damma; Aquä{ius), S, 1132 einen Adler; Cali(d)romus, S. 1384
einen schnell laufenden Hirsch; Lich(a8), S. 1416 den Kopf de^ Herkules.
¥j8 ist fast die Regel, dass die Fortunati, Fortumtae und Tychc (S. 1137,
1418 ff., 1502 u. a.) auf ihre Tesseren die Fortuna setzen. Die Fortuna
Felix erscheint demgemäss auf Tesseren des L. Mar{ius) Felix, S. 1282
und auf den Tesseren der vielen Eutychi (S. 1109, 1171 ff.), Fortuna
Valens auf den Tesseren der Valerii und Valentes (S. 1328. 1330), Viktoria
auf den Tesseren der Nice (S. 1456 ff.) und ähnl. mehr.*-) Interessant ist
es zu sehen, wie eine Vitla und eine Nice (S. 1264 und 1508, s. die
beig. Taf. II, 21) auf ihi-e Tesseren ein Kalb und eine Victoria in der Er-
innerung an die alt-italische Göttin Vitula oder Viteltia (identifiziert mit
Nike) setzen. 3) Der Isiskult beeinflusst eine Euresis, die in Erinnerung an
das Fest des Isidis navigium — Hcuresis auf ihre Tessera die Darstellung
eines Schiffes setzt.*}
1) Portrait) »ind überhaupt auf Tesüereo unserer Gattung eine gewöhnliche Er-
scheinung; ich habe 11 männliche und 4 weibliche Porträts mit ausgeschriebenen
Namen gezählt, vgl. S, 1512 ff., wo den Porträts nur Initialen oder passende Dar-
stellungen beigegeben sind.
2) Vgl. Festschrift der Wiener Studien zum 00. Geh, Bormanns, Wien, 1902,
180—185 und die russische Auflage dieses Buches 191t'.
3) Prellcr, Büm. Myth. I 407, vgl. Babelon, Monn, de la JUep. II 560 ff.
4) Vgl. Wissowa, Keligion und Kultus 294 ff.; CIL. IX 8338 und *S. 3181 bes. 8184.
108 üf. SostoweeWf
Die Sitte der redenden Wappen ist, wie oben S. 95 f. schon angeführt
worden ist, eine allgemein antike. Aus Oriechenland^) kommt sie nach
Rom und zeigt sich auf den römischen Denaren.') Von hier gelangt sie
auf Tesseren und Grabsteine.')
Massenproduktion seitens einer Wirtschaft, und zwar in fest
abgegrenzten Serien, illustrieren Tesseren wie S. 1373 — 1376. Ein und
derselbe ^Ac .... giebt fünf Serien aus mit den Typen der Diana, des
Herkules, der Juno, des Mars und einmal mit Wiederholung seines Namens.
Statt Typen sehen wir einfache Nummern, wie bei den Staatstesseren, in
8. 3543 — 3545 und 1734 — 1739. Es kommt aber auch vor, dass eine
und dieselbe Serie durch mehrere*) Personen ausgegeben wird, wobei
wohl an eine socictas zu denken ist, wenn nicht der Fall einer Familie
vorliegt (s. oben S. 107).
Ebenso wie die Tesseren der Ck)llegien scheinen unsere Haustesseren
einen Geldwert gehabt zu haben. Besonders klar wird diese That-
sache aus den Beischriften der Tessera S. 1460 (s. die beig. Taf. n, 18).
Alle 103 Tesseren des Olympianus und Eucarpus bieten denselben
Typus: auf einer Seite das Porträt, auf der anderen eine Summen-
angabe von 1000 Sesterzien. Diesen Wert konnte die einzelne Tessera
nicht haben, folglich hat diesen Wert die ganze Emission des Olympianus
und Eucarpus.
Dieser nun festgestellte Geldwert der Tesseren passt vortrefflich zu
allen oben ausgeführten Merkmalen unserer Klasse. Es wird klar, dass
wir vor uns private Scheidemünzen, mit sicherlich sehr eng ge-
zogenen Grenzen der Giltigkeit, haben.
Diese Grenzen bildeten wohl jede domus mit ihrem Verkehre im
Inneren und ev. einem kleinen Umkreis. Zu bedenken ist, dass jede
römische domus ein enggeschlossener wirtschaftlicher Organismus mit
strenger Buchführung war. Manche grössere Wirtschaft umfasste dabei
mehrere Unterabteilungen, mit genauer Buchführung und Kontrolle für
jede, aber einer gemeinsamen Kasse. Nichts einfacheres nun, als in dieses
wirtschaftliche Leben der grossen Haushalte bequeme und handliche
Kontrollzeichen einzuführen.
Andererseits aber wissen wir, dass in Rom in der früheren Kaiser-
zeit ein grosser Mangel an kleiner Scheidemünze — Sesterzen und
1) Redende Wappen auf Stadtniünzen Perdrizet, BCH. XX 548, vgl. Chase, The
shield devices of the Greeks (Harv. St. 1902, XIII) 90, 5; Bevan, Class. Rev. 1902, 200;
Hauser, Rom. Mut. 1902, 240 ff.; auf Schildern Chase, a. a. 0.
2) Babelon I 47 ff. ; Scherzi, Rom. Münzwesen (russisch) 54 ff. ; Samwer-Bahrfeldt,
Numism. Zeitschr. 1883, 67 und Beil. IV; Gabler, Zeitschr. für Num., 1902, 151 f.
und 161.
8) Welcker, Sylloge epigrammatum Chraecorum 135; Gatti, BuU. com. 1887, 114 ff.
Ein schönes Beispiel bietet CIL. XIII 612, vgl. AUmer, Rev, ep. II 305, 332.
4) S. 1150, 1417, 1183, 1228, 1300, 1426, 1434.
Römischö BtetteBBörae,
109
Quadranten — heiTSchte. Die Kuiissiüiien dieser Nominale waren Kpar-
lieh und selten,^) der Bedarf aber wohl sehr gross, die stets wachsende
Stadt mit ihrer meist anuen Bevölkerung, die ihr Dasein von heute auf
morgen fristete, brauchte dringend Kleingeld und Sclieidemünze. Deshalb
machen es die kleinen Leute den grossen Herren nach. Die meLsten
Namen unserer Tesseren stellen wohl kleine Hiiudler und Schenkwirte dar,
die für ihre armselige Kundschaft eine Hausniiinze schufen. Zu dieser
Kundschaft gehörten wohl auch Diener und Klienten grosser Häuser, und
diese kamen auf den Markt mit dem Hausgelde ihrer Herren, den Blei-
tesseren, die bei Gelegenheit in der Kasse des Haushaltes in wirkliches
Geld umgesetzt werden konnten.
Diese Bestimmung der Tvirtsehaft liehen Bedeutung unserer Bleie wird
durch eine Eeihe von Thatsachen bestätigt. Erstens durch ilie Fest-
stellung der Zeit, der die grusse Masse unserer Denkmäler angehi^rt,
dann durch die Erforschung der dargestellten Gottheiten mul SymlM>le,
endlieh durch manche litterarische Zeugnisse«
Es ist schon hervorgehoben worden, dass alle uns auch sonst be-
kannten Persönlichkeiten der Tesseren ins erste und zweite Jahrhundert
gehören. E^ zeigt sich keine Spur von Familien, die in späteren Zeiten
blühten. Diese Beobachtung wii-d durch die Statistik der am meisten
üblichen gentilkia völlig bestätigt. Wir zählen an sicheren Beispielen auf:
24 lulier, 35 Claudier (die meisten TL Clandii)^ 9 Domitier und 14 Flavier,
nur 6 ülpier, 7 Äelier, 6 (die zweifelhaften Fälle mitgerechnet) Aorelier
und 2 Septimier. Es ist also klar, dass die Blütezeit unserer privaten
Tesseren dieselbe ist. wie die der staatlichen: die letzten drei Viertel
des ersten Jahrhunderts und das erste Viertel des zweiten, gerade die
Zeit des mächtigsten Aufblühens der Stadt Rom, des schnellen Wachsens
der Bevölkerung, und des regsten Lebens innerhalb der Mauern der Stadt,
Es ist yjigleich die Zeit des starken Natiunalisums in der inneren Politik
der nimischen Kaiser, einer Strömung, die doch zuerst und vor allem
der Stadt Rom zu Gute kam. Seit Traian und Hadrian beginnt wieder
die Reichspolitik im grossen Stil, das Leben fängt an sich aus Rom und
Italien z\x entfernen, es beginnen auch die grossen Kriege an den Grenzen;
kein Wunder, dass je weiter desto mehr auch im wirtschaftlichen Leben
der Stadt Rom ein Rückgang zu bemerken ist; Hand in Hand geht da-
mit ein Rückgang auch in der Beviilkerung der Stadt. Damit ver-
schwinden von selbst auch unsere Bleie, ein Erzeugnis regsten wirtschaft-
lichen Lebens der unteren Klassen der Bevölkerung und ein Zeugnis für
die riesigen Dimensionen su mancher blühenden Privatwirtschaft,
Die oben angegebenen chronologischen Grenzen bestätigt auch die
Erforschung der dargestellten Typen.
I> MomuMou BI&cAn, UiM, d€ la monn, IIl;55fF.; Gabrici, Contrihuia alla $(aria
deUa mone(a romana, pawuim. ; Bubelon, TraitS du mmn, \ 1, 606, vgl. NetiiÄil in drr
Btrl phil Woeh, 1904, 148 1, KubiUchtk, Jaliresh. des ^t arch. Imt^ 1^00. 72 ff.
110 M. Bostoweew,
Zunächst die Porträts. Ein einziges männliches Porträt ist bärtig
(S. 1246), und zwar erscheint auf der Tessera der kurze Hadrianische
Bart. Langbärtige Köpfe Aurelischer und Septimischer Zeiten besitzen
wir gar nicht. Auch die Haartracht der weiblichen Porträts ist charak-
teristisch: die meisten Damen haben die Haartracht der augustisch-
claudischen Zeit (Curtia Flacd 8, 1195 Suppl, vgl die beig. Taf. 11 19,
Siitori4jt, S. 1347 u. a. m., s. Atlas tab. XI 6, 44, 45, 55, 58); Traianisch
ist S, 1453 (tab. XI 32, vgl. 56, 57), spätere Zeiten sind mit Sicherheit
nicht nachzuweisen.
Da^elbe Resultat ergiebt die Zusammenstellung der auf den Tesseren
dargestellten Gottheiten; zugleich charakterisiert diese Zusammenstellung
die rein materielle Bedeutung unserer Monumente.
Neben den redenden Wappen sind die Gottheiten die am meisten
beliebte Darstellung der Es. der privaten Tesseren. Dabei spielt eine
ganz hervorragende Rolle die Fortuna. Auf Tesseren mit ausgeschriebenen
Namen kommt sie und ihre Attribute 66 mal vor, daneben erscheint die
Viktoria als ebensolch' eine Gottheit des materiellen Gewinnes (samt
Attributen) 44 mal, 30 mal sehen wir Merkur und seine Attribute, 10 mal
Herkules, die anderen Gottheiten sind viel seltener: Minerva oder Roma 8,
Diana 7, Apollo 6, Neptun 8, Juppiter 4, Silvanus 4, Genius populi 3,
Bacchus 4, Venus 3, Amoren 3, Castores 2, Juno 2, Ck)ncordia 3, Vulkan,
Spes, Grazien, Aesculap, Priap, Janus, Mars, Flussgott, Bonus Eventus
je einmal. Ziemlich stark sind die Lichtgottheiten vertreten, nämlich
Sol 4, Hecate 4 und Attribute öfters. Ägyptische Gottheit.en sind nicht
häufig: Serapis 4, Isis 1.
Dasselbe Resultat ergeben die Tesseren, die nur durch Initialen be-
zeichnet oder unbeschrieben sind, wahrscheinlich aber zum grössten Teile
dieselbe Bestimmung, wie die sicher privaten Tesseren einzelner Wirt-
schaften, gehabt haben. Wie schon die Indices der SyUoge lehren, hat
Fortuna den entschiedenen Vorrang, indem sie entweder allein erscheint
oder mit anderen Gottheiten gruppiert; neben ihr herrschen Viktoria und
Merkur, auch Herkules kommt ihnen nahe.
Dabei ist zu bedenken, dass fast immer, wo nur möglich, die an-
geführten Götter als Spender von materiellen Güter erscheinen. So ist
die Verbindung von Fortuna und Mercurius gang und gäbe (so S. 2185,
2186 und öfters),^) so wird Herkules fast ausschliesslich als Gott des
materiellen Wohlstandes aufgefasst, indem er am meisten mit Mercurius
und Fortuna verbunden wird.^) Charakteristisch ist die Tessera S. 2594 :
die kapitolinische Trias und auf der Rückseite Fortuna und Mercurius.
Auch Viktoria wird am häufigsten mit Fortuna, Mercurius und Herkules
1) Vgl. S. 2786 ff. Mercuriuskopf zwischen zwei Füllhörnern, s. auch 2652 und
2641 ff., vgl. Fartwängler, BG. 2708, 2757 und öfters.
2) Dasselbe auf Gemmen, s. Furtwängler, AG. 39, 18; 67; 70; BG. 0636; 6687.
Rhnisehs Bkit^^iserae,
111
verlnmden, ist demnach auch rein materialistisch aufgefaHstJ) Die Durch-
blütteruDg unserer iSy?%e bestätigt diese.s Resultat auch für mehrere Teueren
anderer Gottheiten onJ bezeugt, dass die materialistische Auffassung der
Götter* auch im Vergleiche mit den Inschriften und der Kleinkunst, auf
den Tesseren besonders stark hervortritt» was sicherlidi durch ila-e Bc-
jstimmung als Wertzeichen beeinflusst ist.
Ich leugne «iamit natürlich nicht , dass daneben auch <lie ganze
religiöse Zeitstrumung als mächtiger Faktor wirkt jiImm auis ihr allein
erklärt sich die That^ache nicht.
Für die Zeit der Tesseren gewinnen wir auB »l«-ii obigen Zusammen-
stellungen dieselben Resultate, wie aus anderen Indizien. Die mate-
rialistische Kiclitung ist für die religiöse Auffassung des I. Jahrh. tias
am meisten Charakteristische. Bezeichnend ist auch das fast ausschlief-
lieh griechisch-römische Pantheon der Tessen ngötter; daneben erscheinen
nur einige ägyiJtische Götter und die phrygischen Udtter Kybele und
Attis, und auch diese nur ausnahmsweise. Der wüste religiöse Synkre»
tismus späterer Jahrhunderte ist noch nicht eingetreten. Für das erst<*
Jahrh. ist es auch charakteristisch, dass die Lichtgottheit^n ^ Zodiakal-
zeichen und ähnl zwar nicht vorherrschen, aber doch ziemlich stark ver-
treten sind, was mit dem Siegeszuge der Astrologie zusammenhängt.
Nach Allem Gesagten unterliegt es, glaube ich, keinem Zweifel mehr,
Abs» unsere Serie der Tesseren wirklich als Surrogat für Geld, als Tausch-
mittel innerhalb einzelner Wirtnchaften und eines engen Klientenkreises
aufzufassen ist, F*s wäre aber merkwürdig, wenn von diesem weitvei*-
breit^t-en Usus des täglichen Lebens und Verkelu-s die ganze reichhaltige
Litteratur des I. Jahrh., die für solche Verhältnisse teilweise sehr empfäng-
lich ist, uns keine Spur erhalten hätte. Ich glaube auch, dass es nicht
der Fall ist, und rlass der für diese Dinge besonders lehn'eiche Martial
auch über unsere Blei»' im \'orbcigehen gesprochen hat.
Ich meine die vielgequältt^n Stellen 1 99, 11—15 und X 74, 1—4.
Im ersteren Epigramm beschreibt Martial die Wirkungen einer groiseii
IhermilUis auf den ehemals Ireigiebigen Calenus 8 ff,: at tu sie quasi ncm
ford reUetunt^ | seil raptum lifn centies, abisti | in tantam miser esuritioneni,
ui convivia sumptuasiora , \ toto quae semel apparas in anno, | nigrae sor-
dH)us txplicm moneU^i^ \ et scj^mn vsieres tui sodaies \ consiümus tibi plum-
bea selibra,
Ztüet^t bandelte, soweit mir bekannt ist, über diese Stelle Gilbert
1^ Nicht wonijsjer fharaktctutmch tlii- ijic rn Aufladung di^r frott-
kdttii «od mancbo «icmmcn, no PiiriwJirj^'ler. hf ■ kar ali Triumphator);
2&6t— 256Ö ttud 2671 =-2575: M^^rcimas und Fortmia Ton der Viktoria gekrötit. Die
DiftlmalifitUch«* Grundlage dei Kultus d(^r Viktoria iti d«rr Kai«erxcil tiudet mau nirg(*tirU
bm Williowa lu aciuexn bahubrcicbeudeu Werke angedeutet. Als tSymbol der Kaifter-
seit i»t Viktoria jtuenst und hauptsüfhllcb d*u Sv^nbol de* Reichtum» und matiTielien
WüUUtandt^», wekbr die Knisirzcit mit sieb gebracht bat.
112 M. Bostowzew,
(K Jahrb, f. Ph. 1882, 832), dessen Erklärung von Friedländer (zu d. Stelle)
angenommen wird. Seiner Meinung nach ist nigra moneta „abgegriffenes
Courant", zu diesem fügt der Geizige eine halbe Ubra „unscheinbar ge-
wordenen" Silbers. Nun aber ist eratens nigra moneta nur ein anderer
Ausdruck für die plumbea selibra : Martial sagt nur, wie viel von dieser
plumboa-nigra moneta der Geizige im Ganzen ausgegeben hat; anderer-
seits verstehe ich nicht, warum eigentlich Calenus zu abgegriffenen CJourant
und unscheinbar gewordenem Silber gegriffen hat; Wert hat das Silber
doch, ob unscheinbar oder scheinbar.
Die Stelle muss anders erklärt werden und zwar ist eine doppelte
Erklärung möglich. Entweder, und dies wäre das einfachste, ist nigrae
sordes monot<ie das Bleigeld des Haushaltes des Calenus; im Ganzen ver-
braucht Calenus nur eine halbe libra des schweren Metalls, was natürlich
eine ganz winzige Summe darstellt Oder, indem man plumbeus gleich
vilis setzt, muss man erklären: für die Spesen gebraucht Calenus nur
das Kleingeld, die elenden schwarzen, im steten Verkehre verbrauchten
Quadranten, im Ganzen nur eine silberne selibra^ die einen ganz kleinen
Wert hat. Aber auch bei der letzteren Erklärung schwebten dem Dichter
beim Gebrauche der Epitheta plumbeus^ niger das billige, unscheinbare
Bleigeld vor.
Auch an der anderen Stelle X 74, 1 — 4 iam parce, Borna, graiulatori^l
lasse dienti, Quamdiu salutator | anteambuJones et togatulos it^er \ cefUf$m
merebor plumbeos die toto, brauchen plumbei nicht gerade das Bleigeld zu
sein , aber der Name plumbeus für einen Quadranten zeugt von der Be-
kanntschaft des Dichters mit den billigen Bleimarken der grossen Häuser
und kleinen Schänken, in denen er so oft verkehrte.
Die ganze obige Auseinandersetzung führt, glaube ich, zu folgenden,
ziemlich sicheren Besultaten. Der Gebrauch der Tesseren im Staatsleben
oder der direkt« F^inflnss des griechischen Ostens oder wohl auch beides zu-
sammen führten dazu, dass die bequemen Eontrollzeichen auch im Inneren
grösserer Wirtschaften gebraucht wurden. Grosse Häuser gaben ein Hansgeld
aus, bexeichnet durch den Namen und das Porträt des Hausherren oder durch
die Namen seiner arearii und dispensatores. Manche Zeichen dieser Art
sahen vielleicht die Aussenwelt gar nicht und dienten ausschliesslich zum
inneren Verkehre, manche aber vermittelten den Verkehr des Hauses mit
Händlern, indem sie für dieselben als bequeme Cheks mit festem Werte,
die auf einmal eingelöst wurden, dienten. Daneben brauchten die Händler
das neue Mittel auch in ihrem Kundenkreise, sie gaben selbst Tesseren
aus und die Emissionen wurden immer zahlreicher und zahlreicher mit
dem Wachsen der Bevölkerung und dem immer stärker werdenden Mangel
an Kleingeld. Ich stelle mir die Sache etwa so vor. Ein Händler oder
Sohenkwirt hatte in seiner Kasse 1000 Stück Bleie aus einer bestimmten
Form. Die ständigen Kunden des Hauses, die täglich nur wenige Quadran-
ten aussraben. erwarben vom Händler eine Anzahl Bleie für die Summe
Bömische Bleitesserao. 113
von einem Denar und bezahlten mit den erworbenen Marken das, was sie
verzehrten oder kauften, während längerer oder kürzerer Frist.
Frappante Analogien für beide Reihen von Zeichen oder Marken
bilden die Verhältnisse, in denen sich der Verkehr in den beiden Qross-
städten Europas im XVI — XVIII. Jahrb., ich meine Paris und London,
befand. Oben S. 100 habe ich über die Bleie, die uns die Seine geliefert
und die Forgeais publiziert hat, gesprochen. Im III. Bd. S. 144 sagt
Forgeais folgendes:
M. Hermafidy Dancoisne et J. de Fowtenay entre autres ont montre
plus d'une fois quo ga ei lä, jusqu'ä nos jours^ les mereaux avaient fait la
fonction de hillets fiduciaires ou de garantie cFun payement pour
Vexpedition de besognes courantes^ sans quHl fcUhU bourse delier^ si ce n'est
a la caisse centrale oü tout arrivait apres la tache faite. Je ne crais pas
(louteux qtie cela fut mis en pratique dans la comptabiliti des grandes
niaisons au moyen age. Pour tout ce qui n'etait point solde hebdomadaire
d*un emploi constant et bien difini^ Von se persuadera sans peine^ qu'il
etait assez simple davancer au chef cPoflice un certain nombre de pieces,
qui le rendaient responsable de toute depense et qui pourtant etaient de nulle
valeur hors du bureau de Vhötel.
Im Bd. V, 9 — 71 publiziert Forgeais eine Serie Bleimereaux mit
Wappen einzelner Familien, auf S. 110 — 124 eine andere mit Porträts
von Privatpersonen.
Nicht weniger frappant ist die Analogie unserer Händlermarken
mit den englischen tokens des XV. — XVI. Jahrh. in London. Ihre Ge-
schichte giebt J. H. Burn in der Vorrede zur Publikation der Bleie aus
der Sammlung H. Beaufoy.V)
Der Mangel an Kleingeld (Halfpennies und farthings) in England im
XV. Jahrh. führte zur Entstehung vieler Tausende von Bleimarken,
der tokens of lead. Im J. 1402 (S. 22) wird dem König eine Bittschrift
eingereicht, in welcher der Mangel an Kleingeld und die Zirkulation von
Fremdgeld und Bleimarken konstatiert wird. Im J. 1500 (S. 29) erwähnt
Erasmus das Bleigeld von London {plumbei AngUae),*) Unter Elisabeth
(S. 33) verfertigt ein gewisser N. Boll marketman in Chudleigh (Devonshire)
in den J. 1562, 1506, 1567 eine Reihe von Bleimarken. Im J. 1574 wird
es verboten Bleimarken in Zirkulation zu setzen. Im J. 1594 (S. 36)
werden Bleimarken von Städten wie Bristol, Worcester, Oxford aus-
gegeben, um die privaten Bleie aus dem Verkehr auszutreiben. Im J. 1613
(S. 41) giebt tokens sogar der Staat aus, trotzdem verschwinden die
Privatbleie nicht. i*>st seit dem J. 1674 hört man von den Bleimarken
nichts mehr.
1) A descriptive catalogue of the London traders^ iavern and coffee-home tokens
current in the 17 cent., London, 1895, 2. Anfl.
2) Vgl. Savot, Discours sur les mMailles antiques, Pari», 1627, 45.
Rogtowxew , Römische Bleitetserae. o
114 M. BostotoBeWj
Diese Auszüge sprechen beredt genug und brauchen nicht erläutert
und mit unseren Resultaten Punkt für Punkt zusammengesteUt zu
werden.
Es bleibt uns nun noch übrig, eine Kategorie der Bleie zu beleuchten,
die ich bis jetzt nicht erwähnt habe. Es sind die münzähnlichen Bleie,
Bleie, welche Münzen entweder nachahmen oder sogar treu wiedergeben.
Diese Kategorie ist wenig beachtet worden, hauptsächlich deswegen, weil
sie zu der grossen Masse der Falschmünzen gerechnet wurde. Einige
Typen aber können als Falschmünzen in keinem Falle gelten, so zuerst
die Wiedergabe der römisch-campanischen Quadrigaten in Blei aus dem
J. 268 V. Chr. mit dem Januskopfe und der Juppiterquadriga. *) Solcher
Bleikopien giebt es mehrere; sie sind seit Ficoroni bekannt und mehrfach
publiziert.*) Den Originalen gleichzeitig sind die Kopien keinesfalls,
eher gleichen sie den Restitutionen Traians;'*) es fehlt aber der Name
des Kaisers. Die Arbeit ist ziemlich roh, die Legende läuft am Rande;
nicht alle bekannten Exemplare kommen aus derselben Form. Alles in
.AUem sind es keine gleichzeitigen Fälschungen, sondern sicherlich Nach-
ahmungen viel späterer Zeiten, wohl des I. — ü. Jahrh. n. Chr.
Dasselbe gilt für Bleie mit Darstellung des Solkopfes auf der Hs.
und des Neumondes auf der Rs. , sicher eine Verkürzung und Vergröbe-
rung der genügend bekannten campanischen Münzen.*) Auch dieser Bleie
giebt es eine ganze Reihe keineswegs ganz gleicher Exemplare.*)
Nachahmungen von Münzen sind auch die Tesseren S. 728 (tob. V 27)®)
und 3004. 3005.0
Die Quadranten des Titius ahmt die Tessera S. 2960 nach.**)
Interessant ist die von mir vor Kurzem erworbene Tessera mit zwei
aus den Rs. der republikanischen Münzen entlehnten Darstellungen (S. 2014*
1) Mommsen-Blacas, Eist, de la monn, I 260 ff. und IV 17, pl. XVII 5; Babelon,
Monn. de la lUp. I 21 ff., n. 28—25 und TraiU d. Monn. I 1, 624 ff.
2) Ficoroni, P. anU II 2, 3; (rarrucci, Pümbi AUieri 49, 5 und tav. III 5; Pümbi
scritii 188; die von Garrucci beschriebenen Exemplare befinden sich jetzt in den
Sammlungen von Feuardent und Dressel ; vgl. Ruggiero, Catalogo del mtis. Kirch, n. 920.
Ein Exemplar besitzt auch das Berliner Münzkabinet, ein anderes ist in meinem Besitze.
3) Babelon, Monn. de la Fip. 11 571, 3 und Bahrfcldt, Münzkunde der römisch.
Republik, 269, Taf. XUI 1.
4) Babelon, Monn. de la Bep. I 20, n. 20.
5) Mir sind 6 Exemplare verschiedener Grösse bekannt: 17, 5 Mili. — eins im
British Museum, zwei im Thermenmuseum in Rom, s. Garrucci, Piombi AUieri 88,
tav. V 12; Piombi scritti 138; Ruggiero, Catalogo del mus. Kirch. 1007. 1009;
12, 5 Mill. — eins im Br. Mus. , zwei in den Diocletiansthermen , s. Garrucci,
a. a. 0. und Ruggiero, Catalogo 1008. 2008.
6) Babelon I 212, 1.
7) Babelon 1 856, 16.
8) Bahrfeldt, Nachträge und Berichtigungen zur Münzkunde der r. Rep., Wien,
1897, Taf. XI 264, cf. 263 und S. 251.
Bömisehe Bleitesserac. 116
Suppl). Die Hs. bietet die Darstellung der Pietas von Amphinomus und
Anapias aus Katana der Münzen der gens Herennia (Babelon I 539, 1),
die Es. den bekannten Typus des foedus (Babelon I 23, 27 f., vgl. 11 532, 1
und I 152, 21 — foedus popuU Bamani cum Gdbinis). Auch S. 1320 ist
charakteristisch; in diesem FaUe ist aber auch die Entstehung in den
letzten Zeiten der Republik möglich.
Diese späten Nachahmungen rufen die bekannte Erscheinung der
restituierten Münzen der Kaiserzeit ins Gedächtnis. Wie bekannt, be-
ginnt die Sitte unter Titus und dauert bis in die Zeiten von M. Aurel
mit einer besonders regen Periode in den Zeiten der Regierung des
Kaisers Traian. Hauptsächlich sind es Münzen mit besonders ruhmreichen
DarsteUungen aus den Glanzzeiten der römischen Republik, welche
der Operation des Wiederherstellens unterworfen worden sind. Einer
richtigen Erklärung harren diese Münzen noch immer. ^)
Es ist eine bekannte Sitte des römischen Lebens am Neujahrstage
jedem Bekannten kleine glückverheissende Geschenke zu machen.^) Mit
besonderer Vorliebe wählte man für diese Neujahrsgeschenke Münzen
und zwar zog man dabei alte Münzen, besonders Asse mit dem Janus-
kopfe, vor. So sagt Martial (¥11133, 11 — 12): hoc Unitur sputo Jani
caryota Kalendis \ quam fort cum parco sordidus (Mse cliens. Dasselbe
sagt Ovid (Fasti I 219 ff.): tu tarnen auspieium si sit sHpis utilcj quaeris, I
curque iuvetU vestras aera vetusta manus? \ Äera dabatU oUm, melius
nunc omen in auro est, | victaque concessit prisca moneta nowie. Diese
Zeugnisse werden auch durch Monumente bestätigt Auf den Neujahrs-
lampen'^) sehen wir neben der Darstellung der Viktoria oder Fortuna
Neujahrsgeschenke ausgestreut; dabei spielen drei Münzen — as, scster-
tius und quinarius der alten Prägung — die Hauptrolle. Dasselbe sehen
wir auf den Neujalirssparbüchsen.*) Die neue, von Ovid geschilderte
Sitte veranschaulicht eine Gemme des II. — III. Jahrh. mit der Inschrift:
annum novum fau[s]tum felicem feUci imperatori und Darstellung dreier
Commodusmünzen unter Anderem.*)
Dass es nicht bloss darauf ankam, Münzen mit dem Kopfe des Neu-
jahrsgottes zu geben, sondern auch darauf, dass die Münzen alte
1) S. zuletzt Mowat, Congres internal, de num. 1900, 210 fF., cf. ibid. 26; Gnecchi,
Riv. it. di num. 1901, 249 ff.; Dattari, Journ. intern, de num., 1902, 71 ff. Keine der
vorhandenen Erklärungen befriedigt Babelon in seinem TraiU d. monn. I 1, 626 ff.
2) S. darüber Lipenius, Strenarum historia, in Crraevii Thesaurus XII 409 ff. —
bis jetzt die einzige Arbeit, in der das Material in grosser Fülle zusammengebracht
ist, vgl. Marquardt-Mau, Privatleben I 252, 1.
3) Dressel, CIL. XV 2, 784 ff. n. 6195—6218, vgl. die Taf. IV 8 in der russischen
Auflage dieses Buches (eine dieser Lampen z. Z. in Dresden). Die Inschriften der
Lampen lauten entweder: annum novum faustum felicem mihi (oder tiht) hie mit
einigen Variationen oder: ob cives servatos.
4) Graeven im Jahrb. des deutschen arch. Inst. 1902, 179.
5) Furtwängler, B. O. n. 8100. Ist die Gemme sicher echt?
8»
116 Jf Rostoweew,
Münzen sein sollten, bezeugt Ovid. Das passt vortrefflich zu dem Vorzuge,
den man überhaupt den traditioneUen alten Gregenständen bei solchen
religiösen Bräuchen gab.^)
Nun aber wissen wir, dass die alte Sitte auch von den Kaisem
eifrig gepflegt wurde, und dass am Neujahrstage die Kaiser seit Augustus
Geschenke persönlich annahmen und wiedergaben. Augustus selbst
sammelte hauptsächlich Asse ein,^) Tiberius erwiederte auf die Geschenke
mit vierfachen avtlSufgaf) nur die Armen unter den Flaviem kommen
mit Assen als Neujahrsgeschenken, wie es Martial bezeugt. In der Zeit
der Flavier beginnen aber die restituierten Denare. Sehr naheliegend
scheint mir daher die Vermutung, dass die kaiserlichen dviidiaQa seit
dieser Zeit aus solchen, anscheinend alten, aber doch vollgiltigen restituierten
Münzen bestanden. Es passt vortrefflich zu der auf der alten Virtus
aufgebauten Zeit der Flavier und des Traian, besonders des Letzteren,
dass man füi* solche Eestitutionen die besonders stark diese altrömische
Virtus vor Augen führenden Münztypen wählte. Es war das eine anti-
quarische Spielerei, die Niemandem schadete und den Kaisem als
Erziehungsmittel des Volkes galt.
Die Sitte beschränkte sich keineswegs auf die begüterten Klassen
der römischen Bevölkerung. Die Armen, wie die Reichen, gaben und
empfingen Geschenke von Verwandten, Freunden und Bekannten. Nicht
immer war es aber möglich, eine wirkliche Münze, besonders eine alte,
zu schenken ; deshalb griff man, glaube ich, zu Münzimitationen aus Blei ;
dies sind unsere oben beschriebenen Tesseren. Man begnügte sich mit
einem Symbol; bestenfalls vergoldete oder versilberte man das Blei, wie
man es auch mit den Datteln*) und anderen Früchten machte. Unter
den vielen Bleimünzen, die man im Tiber bei der Regulierung des
Flusses in der letzteren Zeit fand und jetzt noch findet, sind viele ver-
silberte und vergoldete Stücke zu Tage gekommen;*) dass es sich dabei
immer um absichtliche Falschmünzerei handelt, ist mir wenig wahr-
scheinlich. Auch manche ägyptische vergoldete und versilberte Tesseren,
welche sicher in Rom gefunden worden sind,®) konnten ebenso als Rari-
täten demselben Zwecke, d. h. als Geschenk dienen.^)
1) Vgl. VVuensch in der Strena Uelbigiana, 8. 343.
2) Suet., Aug, 91, vgl. 57.
3) Suet., Tih. 34, vgl. Calig. 42.
4) S. Ovid., a. a. 0.
5) S. Etüde sur les plomba 14^. Zu betonen ist, dass die meisten Fälschungen
republikanische Denare sind, vgl. Gnecchi, Riv. it. dt num. 1892, 164 ff. Es wäre
nützlich, einmal diese Fälschungen oder Imitationen vollständig zu publizieren.
6) Eine Aufzählung solcher Stücke gab ich in der russischen Auflage dieses
Buches 297 f
7) In dieselbe Reihe gehr>ren vielleicht auch die Tesseren aus Blei und Terra-
cotta mit Darstellungen des «Januskopfes S. 2579 — 2582.
Kap. VI.
Tesserae als Material für die Geschichte
der römischen Kunst.
Das in den vorigen Kapiteln über die Bestimmung der Tesseren
und die RoUe, die sie im römischen Leben spielten, Gesagte führt uns
noch zu einer Betrachtung ihres Kunstwertes und ihrer Bedeutung für
die Geschichte der römischen Kleinkunst. Die massenhafte Produktion,
die fast notwendige Unselbständigkeit der Typen, die unbedingt erforder-
liche Billigkeit der Stücke lassen selbständige Erfindung und feine Aus-
führung nur in den seltensten Ausnahmefällen zu.
Der Ursprung der Tesserenanwendung im Bereiche der kaiserlichen
Administration einerseits und der athenischen Praxis andererseits lässt
von vorne herein auf zwei Produktionsmuster schliessen: die Technik
der staatlichen Münzproduktion und die griechische Steinglyptik , die
sicherlich die Mutter der athenischen (svfißola war.
Die ersten offiziellen Bleie und Bronzen wurden natürlich ihrer Be-
stimmung gemäss im Münzamte verfertigt. Wenig wahrscheinlich ist es,
dass man schon zu dieser Zeit mit dem Verfahren des (Tiessens operierte :
auf den Augustischen Bleien finde ich nirgends den für das Giessen
so charakterischen Mittelpunkt, ebensowenig findet er sich auf den
Bronzen.
Dementsprechend sind auch die Darstellungen mancher Köpfe von
Mitgliedern der kaiserlichen Familie ungemein fein. Ich verweise auf
das Porträt des Gaius (S. 3*), den Kopf des jugendlichen Tiberius (S. 514^),
den Kopf des Germanicus (?) {S. 7) u. a. m. Natürlich kann diese Fein-
heit nur Ausnahme sein und bleiben; gewöhnlich arbeiten die Tesseren-
meister auch in der frühen Kaiserzeit flüchtig und summarisch.
Auch die mehrmals hervorgehobene Abhängigkeit der Tesserentypen
von den Darstellungen der Münzreverse, wobei fast als Kegel die Ver-
teilung einer Münzdai-stellung auf zwei Seiten der Tessera gilt, lässt auf
118 M. Bostowzew,
die Verfertigung im Münzamte und durch Münzmeister schliessen. Ich
brauche wohl nicht die oben mehrmals angeführten Beispiele zu wieder-
holen, erinnere vielmehr nur an einige besonders beweiskräftige
Beispiele : so das Carpentum auf den Tesseren der Livia (S. 1 und 1*), die
Quadriga und Viktoria auf den Tesseren des Tiberius (S. 5 und 113), Gaius
und Lucius und ihre Waffen (S. 3), Viktoria auf der Tessera des Gaius
(S. 3*), der Lituus und das Tropaeum auf den Tesseren des Germanicus
(S. 6, 7), die zwei Reiter auf der Tessera des Nero und des Drusus
(S. 8). Dasselbe gilt für die sog. Curatorentesseren, bes. für ihre Magi-
stratssessel (oben S. 47), dasselbe auch für die Tesseren einiger, besonders
der Lanuvinischen Juvenesvereine, wie die Schlangenfütterungsscene (oben
S. 80), und ähnliches mehr.
In einigen Typen der frühkaiserlichen offiziellen Serie lässt sich
aber auch selbständige Erfindung oder Reproduktion der Werke monu-
mentaler Plastik direkt für die Tesseren nachweisen oder vermuten.
Ich meine hauptsächlich zwei Fälle: die Darstellung des Mars ültor auf
S. 835, die sich auf Münzen sowohl wie gleichzeitigen Gemmen nicht
wiederfindet, und die Darstellung der Venus- und Marsgruppe auf S. 153
154, wo, wie ich vermute, die Gruppe vom Capitol dargestellt ist. In
der Auffassung dieser Kultgruppe schliesse ich mich an Wissowa^) an;
die Tesseren machen die Gruppierung verständlich : Venus überreicht dem
sich rüstenden Mars die Waffen.
Seit der Einführung der Technik des Giessens werden die Grenzen
der Nachahmung immer enger und enger, die Typen immer allgemeiner
und schablonenhafter. Die Verwandtschaft mit den Münzen bleibt in den
offiziellen Serien bestehen : oben (S. 34 ff.) ist die Abhängigkeit der mili-
tärischen und auch einer Reihe annonarischer Typen von den Münztypen
bewiesen worden. Auch die Tesseren der Spiele schöpfen, hauptsächlich
in der ersten Zeit, aus dem Vorrate der Münztypen. Dasselbe haben wir
auch für die Darstellungen der sog. Personifikationen nachgewiesen.
Den Münztypen parallel gehen aber seit dem Ende des I. Jahrh. die
den geschnittenen Steinen und vielleicht auch den Lampen und ähnlichen
Produkten der römischen Kleinkunst entlehnten Typen. Auf starke Ähn-
lichkeiten in der annonarischen Serie ist schon oben hingewiesen worden.
Hier möchte ich auf einige Analogien in der Spielserie aufmerksam
machen. Ich beschränke mich dabei auf das Gemmenmaterial, welches
bei Furtwängler vorliegt, und auf die von Dressel gesammelten römischen
Lampen.'-)
1) De Veneria simidacris Eomunis 51.
2) Furtwängler, Beschreibung der geschnittenen Steine im Antiquarium (König-
liche Museen zu Berlin), Berlin, 1896 und Die antiken Gemmen, Leipzig, 1900; Dressel,
CIL. XV 2, 782-860.
Rämische BleUesserae. 119
Athleten/) Zirkusszenen in reichster Auswahl,*) Gladiatoren,«) wilde
Tiere*) finden sich auf (Jemmen und Lampen in derselben und noch
grösserer Mannigfaltigkeit wie auf Tesseren ; die Münzen versagen dagegen
fast in allen Fällen.
Die Lampen sind lebendiger und stehen dem Leben näher, als die
Gemmen: sie haben es auch leichter, an sie stellt man nicht, wie bei
den Gemmen, die Forderung der feinen Ausführung. Deshalb stehen auch
unsere Tesseren den Lampen näher als den Gemmen, deshalb erlauben
sich auch unsere Formenschneider manche Neuerung, ganz wie die Ver-
fertiger der Lampennegative. Im Gebiete der Neuerungen verweise ich
z. B. auf die häufig vorkommende kindlich-naive, unbeholfene Darstellung
der auf den Stufen sitzenden und applaudierenden Zuschauer (S. 532 ff.).
Soweit über die offiziellen Serien. Bei den privaten ist der Erfindungs-
gabe ein grösserer Spielraum gegeben. Leider aber begegnet man dem
Neuen und Frischen in diesen Serien ebensowenig, wie in den offiziellen.
Hier machen die Götter alles tot, hauptsächlich die schablonenhaften
und leblosen Fortuna, Mercurius, Viktoria mit ihren Attributen: in er-
müdender Gleichförmigkeit erscheinen sie immer in derselben Stellung
und Wendung. Die anderen Götter sind nicht besser. Eine Ausnahme
bildet vieUeicht nur Hercules, aber hier auch finden wir nichts Neues
oder Seltenes.*)
Neben den Göttern kommen andere Darstellungen selten vor. Nur
in den CoUegientesseren bemerkt man etwas Leben. Meist aber herr-
1) Te«8. S. 556, vgl. mit Furtwängler, B. (i. 2493, 4568 ff.; S, 550 — Furtwängler,
H. G. 2430, 2856 ff., 8180.
2) Reiter mit der Palme Furtwäogler, B. G. 4575—8, cf. 4579 (kommt auch auf
republikanischen Denaren vor), detmliiyr mit zwei Pferden, Üressel, CIL. XV 6651, 2;
temae, Dressel, a. a. 0. 6319, 18; 6433, 55; 6501, 6; 6614, 7; agüahtr allein, Drewel,
6350, 46—48; 6496, 3; Pferde, Furtwängler, B. G. 8309 und oft.; Drewel 6296, 16;
6610, 23. 24; PferdebUste, Furtwängler. JB. G. 7855; Drewel, 6350, 81; gefallenes Pferd,
Furtwängler, B. G, 7851 u. a. m.
3) Ganz gewöhnliche Darstellungen, «ifters zusammengestellt, s. Friedländer,
Sitteng. IP, 521 ff.; Daremborg et Saglio, Dict. d. ant. IIB 1600 Anm. Vgl. Furtwängler,
B. G. 4455, 7737, 8188.
4) Auf Gemmen, h. Keller und Imhoof, Tier- und PflatuenbildeTj Leipzig, 1889;
auf Lampen besondere Reichhaltigkeit der Darstellungen: Bestiarier mit Löwen,
Dressel 6350, 49 f.; mit Wildschwein, 6350, 88; 6221, 28; mit Bären, 6352, 3; mit
Buckelochsen , 6609, 6. Kampf oines Elephanten und Bären, 6221, 31; I^we und
Wisent, 6549; Löwe und Wildschwein, 6608, 4; Löwe und Nilpferd, 6610, 25; I^öwe
und Wildesel, 6482, 1; zwei Bären, 6496, 9; Löwe und Krokodil, 6433, 31. Elephant
allein mit Führer, 6221, 30; 6274, 5 (daneben ein Elephantenkalb , s. SyU. 626, 627);
Kamel mit Führer, 6221, 4; Tiger, 6381, 6; 6544, 40; Panther, 6350, 88; 6445, 40;
6515, 2; Hund und Hase 6319, 12. Die Gemmen geben weniger, vgl. z. B. SyU. 590
mit Imhoof-Keller, Taf. XIV 22; Furtwängler, B. G. 7741; Kamel, Furtwängler, B. G.
5419 und ähni. mehr.
5) Näher darüber habe ich in der ruKsischen Ausgabe S. 210 ff. gehandelt und
will meine Ausführungen nicht wiederholen.
120 M. Bostow/sew,
sehen auch hier schablonenhafte Dutzenddarstellungen aus dem Bereiche
der hellenistischen idyllischen Manier, die auch auf Lampen und Gemmen,
sowie auf manchen römischen Reliefs zu Tage tritt. Ich verweise auf
den Hirt mit seiner Herde,^) auf den melkenden Sätyr,^) den Reisenden
mit seiner Bürde,-') den earnis mit Ochsen bespannt,*) den gesattelten
oder beladenen Esel, bezw. Maultier ,5) auf allerlei Haustiere und ähnl.
mehr.
Auch mancherlei t-reräte, Schiffe, Vasen und dolia sind auf Tesseren,
ebenso wie anderen Erzeugnissen der Kleinkunst heimisch.
Originelles finden wir wenig. Ich möchte nur auf folgendes hin-
weisen: erstens auf den sich in die Piscina stürzenden Badenden (S. 901. 902),
eine Darstellung, die ich auf Lampen und Gemmen nicht finde ;^) zweitens
auf den Geld oder eine Tessera reichenden tunicatus (S. 917, 918, vgl. den
Contorniat Cohen VIII, S. 298 n. 201), endlich das individualisierte cy-
darum (S. 944 bis 950). Lehrreich ist auch die Darstellung des einen
Beutel haltenden Mannes (dispensator?) auf den Tesseren, S. 1327, 1473».
Sie scheint durch Auslassung des Caduceus aus dem üblichen Merkur-
schema direkt geschaffen worden sein.
Diese summarische Übersicht erlaubt uns auf die Tesseren und die
„öde Gleichförmigkeit'* , die in ihren Darstellungen herrscht , die W^orte
Furtwänglers, mit denen er die geschnittenen Steine des I.—II. Jahrh.n. Chr.
cl^arakterisiert, einfach zu übertragen.") „Unter den Darstellungen," sagt er,
„nehmen die handlungslosen Göttergestalten einen besonders breiten Raum
ein ; und nicht selten erscheinen sie zu mehreren vereint, aber auch dann
handlungslos in banalen Typen nebeneinander gereiht. Und die Auswahl
der Typen sowohl wie der Gottheiten schrumpft immer enger zusammen:
immer einförmiger werden diese Gestalten des Jupiter, Sarapis, Mars,
Mercur , Bacchus , der Minerva , Diana , Venus , Ceres u. s. f. ; ganz be-
sonders beliebt sind aber die Fortuna und Nemesis, sowie die Victoria,
diese nüchtern begrifflich allgemeinen G^talten. Die köstliche Fülle
immer neuer Typen und jene fast unendliche Mannigfaltigkeit in heiter
spielenden Bildern, besonders aus bakchischem und exotischem Kreise,
1) S. Furtwängler, A. G, XXVIII 48—54 und B. III 286; Dressel, CIL. XV 6240
(vgl. Toutain in Daremberg et Saglio, Biet. HIB 1326, Fig. 4589); 6274, 2; 6544,
24—26; 6585, 2. S. auch Jordan, Ärchä(^. Zeitung, 1872, 73 und Babelon, Monn. de
la BSp. II 336, 1.
2) Imhoof-Keller Taf. XVUI 10—12, vgl. 111 14.
3) Furtwängler, B. G. 6520 f.
4) Imhoof-Keller, Taf. XIX 19, cf. XVll 8. 4; Furtwängler, B. G. 4693 tf., 7709.
5 Imhoof-Keller, Taf. XVII 6, 7. Die Popularität der Phallusdarstellungen ist
allbekannt. Vgl. S. 927 mit Furtwängler, B. G. 6893«.
6) Vgl. die aus dem Badeleben stammenden Motive, Dressel (»598, 44; 6593, 31;
6565. 26.
7) Furtwängler, A. G. 362 ff.
Römische Bleitesserae. 121
welche die frühere Epoche auszeichneten, sucht man hier vergebens ; jene
Quelle rinnt noch kümmerlich oder ist gar versiegt. Und die Dar-
stellungen aus der Sage werden erst recht spärlich ; das relativ Wenige,
das sich aus diesen Gebieten findet, sind alles altbekannte Typen, die
eben noch ihr Leben fristen; nicht anders ist es mit den Darstellungen
aus dem Leben. Die harmlosen Bilder und Sagen genügten nicht mehr;
man frug nach bedeutungsvolleren Siegelbildem. Aber auch die schönen
reichen symbolischen Typen der früheren römischen Zeit finden sich jetzt
nicht mehr; noch weniger die künstlerisch schönen naturwahren Tiere;
dagegen die Masken, die kombinierten Masken und jene Grylli genannten
abergläubischen Kompositionen sehr beliebt bleiben, weil sie eben für
zauberkräftig galten. *"
Anhang.
Sammlungen der Bleitesserae und Publikationen
derselben. *
Ich beabsichtige in diesem Anhang keineswegs eine vollständige
Bibliographie der Bleitesserae zu geben. Ich möchte nur, um Nach-
forschungen zu erleichtem, die Sammlungen, in denen sich Bleie befinden,
soweit sie mir aus persönlicher Anschauung oder literarischen Angaben
(mit einem Sterne bezeichnet) bekannt sind, aufzählen und dabei die
mir bekannt gewordenen Veröffentlichungen vermerken. Ich bin fest
überzeugt, dass sowohl manche Sammlungen wie etliche Veröffentlichungen
mir entgangen sind; für jeden Hinweis in dieser Richtung werde ich sehr
dankbar sein. Die in der Einleitung besprochenen Schriften wiederhole
ich hier nicht, oder erwähne sie nur mit Verweisung dorthin.
Die Sammlungen sind nach Ländern und Städten geordnet, die Publi-
kationen nach den Sammlungen. Wo nichts angegeben ist, bedeutet das,
dass die Sammlung von mir durchgearbeitet worden ist. Das Sternchen
bezeichnet, dass ich die Sammlung nicht gesehen habe.
Italien: Rom. 1. Münzkabinet des Vatikanischen Museums.
Die Sammlung Ficoroni mit vielen neuen Erwerbungen, publiziert von
Ficoroni, nach demselben (ohne Autopsie) wiederholt von Scholz in
der Wiener Numismatischen Zeitschrifi, 1893.
2. Gregorianura des Vatikanischen Museums. Sammlung Fal-
cioni aus Viterbo. Beschrieben in Viterbo von Dressel, dessen
Scheden mir zur Verfügung standen.
3. Thermenmuseum. Sammlung Altieri, früher iuiKirche-
rianum und neue Erwerbungen, 1. als die Sammlung noch im Kirche-
rianuni war, 2. gefunden bei der Tiberregulierung, 3. Tesseren aus Ostia,
Frascati und älinl. Der Stock (Sammlung Altieri) bei Oarrucci,
Piombi Altieri ( oben S. 8 Anm. 4j. Derselbe mit den neuen Er-
werbungen des Kircherianum Piombi scritti (oben ebda.) und De Ruggiero,
Catahgo del mnseo Kircheriatw, Roma, 1872, p. IVJ — 21(3. Die
neuen Erwerbungen Not. d. Sc., 1888, 189 ft'.; Kustowzew und
Römische Bleitesserae. 123
Vaglieri, Not. d. Sc, 1900, 256 ff.; Cesano, Not. d. Sc, 1904, 11 ff.,
vgl. auch BüU, com., 1886, 236 f. (eine der im B. c publizierten Tesseren
sah ich bei Froehner in Paris).
*4. Museum Propaganda fide. Nach Garrucci, P. s. 99
und Visconti, Opere varie II 19 befindet sich hier die Sammlung
Borgia. Jetzt nicht mehr?
5. Sammlung Martinetti, s. Mowat, Bull, de Ja soc. des Anti-
quaires de France, 1895, 217 ff.; H6ron de Villefosse, Comptes
rendus de VAcad. des inscr., 1893, 350 ff.
Florenz. 6. Archaeologisches Museum. Der Hauptstock
bei Cavedoni gekauft.
Mailand. 7. Brera.
8. F.undE.Gnecchi,s.Rostowzew, RivistaüäUanadinumismatica,
1902, 151 ff. und Taf., vgl. F. Gnecchi, Rivista it. di num., 1892,
164—173 und Taf. IV.
Perugia. 9. Munizipalmuseum. Sammlung Guardabassi.
10. Sammlung Bellucci.
Catanzaro. *11. Provinzialmuseum. Sol. Ambrosoli,
Catdlogo della colleaione numismatica, Catanzaro, 1894, 268 ff.
Turin. 12. Königliches Museum. Hauptsächlich ägyptische
Bleie, s. Museo numismatico Lavy, Torino, 1839; Fabretti, Rossi,
Lanzone, Regio Museo di Torino, t. III, Torino, 1883.
Venedig. *13. Museo Naniano, s. Colhzione di tutte le anti-
chita che si conservano nel museo Naniano, Venezia, 1815.
Unbekannt ist mir , wohin die Sammlungen des Pignorius (oben S. 7
Anm. 4) und die von Garrucci in den PiomU scritti publizierten des Saulini,
Nardoni und Kiccio geraten sind, vgl. noch Bellori, Numismata vetera
apibus insignita, Thes. Gronovi VIII 410, tab. II, IV.
Frankreich: Paris. 14. Müuzkabinet der Pariser National-
bibliothek. Die Sammlungen Seguin, Patin, der Bibliothfeque
S-te Genevi^ve, Baudelot de Dairval (s. oben S. 7 Anm. 5), vgl.
Schlichtegroll, ^»wafon I 88 f. ; Cl. de Molinet, Cabinet de la
Bibliotheque de St. Genevieve, Paris, 1692, 162 und Taf. z. S. 56,
XXIV— XXV; Sammlung Caylus, s. Caylus, RecuciJ d'aniiquites 11,
p. 288 und pl. 78; IV pl. 104, vgl. UI, p. 268 und andere. Zuletzt die
Sammlung Le-Blant, s. Le Blant, Bulletin archeologiqm de VAthe-
naeum frangais , 1856 (II), p. 11 und pl. I und ein Teil der Samm-
lung Lovatti-Feuardent: Rostowzew et Prou, Catalogue de
plombs etc., Paris, 1900.^)
15. Rollin und Feuardent. Hauptstock: Sammlung Lovatti,
dazu viele Erwerbungen.
1) Im Louvre befindeD »ich mehrere Tesseren aun Kleinasien, s. die rassische
Ausgabe dieses Bnches, S. 272 ff.
124 M. Bostoweew.
16. Fröhner. Die in CIL, XH 5699, 4, 10, 11, 12 (a— r) publi-
zierten Tesseren habe ich bei ihm nicht gesehen, dagegen viele andere;
teilweise publiziert in Bull com., 1886, 326, vgl. Dressel, CIL. XV 2,
995, 3; s. auch Bull com 1887, 236; 1890, 106.
*17. Abbe du Tersan. Sammlung d'Ennery und Ficoroni(?),
s. Catalogue du Cabinet de M. Vabhe du Tersan, Paris, 1819, p. 18 n. 93;
Grivaud de la Vincelle, Aris et metiers des anciens, Paris, 1819,
pl. XVIII. Wo dieselbe jetzt sich befindet, ist mir unbekannt.
*18. J. Greau. Description des medaiUes romaines composant la
collection de M, J. Greau, Paris, 1869, p. 379 n. 4875—4883.
Lyon. 19. Städtisches Museum.
Marseille. 20. Münzkabinet bei der Universität.
Orleans. *21. Städtisches Museum. M. Desnoyers^ Les
tesseres du musee d'OrleanSy Orleans, 1898.
Belgien: Brüssel. *22. De Meester Ravestein, s. Catalogue
descriptif du Musee Bavestein, Liöge, 1872, t. U 54, n. 1015.
*23. Dancoisne, s. Dancoisne, Bevue beige de numismatique,
1891, 213, 1.
England: London. 24. British Museum. Hauptstock: Samm-
lung Blacas, s. AnntMire de numismatique, 1867, 11368. Dazu mehrere
Erwerbungen der Jahre 1854, 1860, 1862, 1870 (Sammlung Webster).
Aus dem Osten (Smyma) stammt die Sammlung Bor r eil, aus Klein-
asien die von Payne-Knight publizierte Tessera, s. Nummi veteres
in museo B. Payne-Knight asservati, London, 1830, p. 137, vgl.
Rostowzew, Num. Chr., 3 Ser., XX, p. 105 Fig. und die russische
Ausgabe dieses Buches, 288. i)
*25. Pembroke, s. Catalogue of the entire Pembroke collection.
Coins afid Medals, 1848, p. 321 n. 1486, cf. Mionnet, Medaüles Bo-
tnaines 11 139 und Numismnta antiqua . . . coUegit . . . Thomas Pembrochiae
et montis Gomerici comes, 1746, p. 3, tab. 49.
Deutschland: Berlin. 26. Münzkabinet. Ausser den römi-
schen (Sammlung Spinelli) noch kleinasiatische und athenische aus
den Sammlungen Komnos und Prokesch-Osten. Daselbst die in
Rom zusammengesetzte Sammlung Barthol dy, s. Friedländer,
Geschichte des Königlichen Münjskabinets 24 f. Einige griechische in der
russischen Ausgabe dieses Buches, Appendix I, S. 310.
27. Antiquarium. Sammlung Gerhardt, dazu 8 griechische
Tesseren in einer Bronze-pyxis, s. Bull delV Ist., 1869, p. 66; Archaeol
Zeitung, 1879 (37), \). 104, vgl. die russische Auflage dieses Buches,
1) Daselbst (in dor Vasenabteiluug) befindet sich die reichste Sammlung der
sizilianischcn Handelsbleie, welche Salinas publiziert bat, s. Salinas. Monumenti
deW Listituto VllI, tav. XI, cf. Annali, 1864, :{51tl', vgl. auch Annali, IHSO, IS ff.;
?iot. d. Sc, 1894, 409 i\'.
Römische Bleitesseras, 125
Appendix I, S. 317, n. 90—93 tab. II 22—24. Daneben griechische
Tesseren aus den Sammlungen K o m n o s und anderer, s. Fried erichs,
Berlins antike Bildwerke, t H 374 f., n. 1809% 1809^
28. Dressel. Hauptstock Sammlunpr Depoletti; teilweise publi-
ziert in CIL, XV 2, 995 f.
Dresden. 29. GrünesGewölbe, Münzkabinet ; auch athenische
Tesseren und sizilische und andere Handelsbleie, s. Benndorf, Zeiischr.
f. oesterr, Gifmnasien, 1875, 613 f., vgl.* Catalogue dune riche coUeetion
d'antiquües de feu M, le haron Stackeiberg, Dresde, 1867, p. 44.
Göttingen. *30. Archaeologisches Museum. Nur grie-
chische Tesseren, s. Benndorf, a. a. 0. 612; Hubo, Originalwerke in
der archaeohgischcn Abteilung des archaeotogisch-numismatischen Institutes
der Georg-Augustus-Üniversüät, Göttingen, 1887, 140, n. 821—824.
Gotha. *31. Herzogliches Münzkabinet; Benndorf, a.a.O.,
614 f.
Hannover. 32. Museum Kestner.
München. 83. Münzkabinet an der Akademie. Auch mehrere
griechische Tesseren aus der Sammlung Margaritis, s. Rev. num., 1886,
p. 26 pl. V.
Mainz. 34. Provinzialmuseum. Geschenk von Dr. F. Schneider,
gefunden bei der Kurie „zum Eigel", s. Frankf. Zeitung, 1904, No. 237,
wohl aus Rom.
Köln(?). *35. Mertens-Schaffhausen, %, Catalogue des cdüec-
tions laissees par feu M-me Mertens-Schaffliausen, Cologne, 1859, 2582
bis 2763.
Oesterreich: Wien. 36. K. K. Münzkabinet, s. Scholz,
Bömische Bleitesserae, 5 (Wiener numismatische Zeitschrift, 1893).
37. Trau, s. Scholz, a. a. O.
*38. Fürst Windischgrätz, Scholz, a. a. 0.
♦39. Scholz, Scholz, a. a. 0.^
Schweiz: Basel. 40. Historisches Museum, hauptsächlich
griechische Bleie, vgl. Bernoulli, Catalog ßr die antiquarische Ah-
teilungy Basel, 1880, n. 1093, 1093*-*" und die russische Ausgabe dieses
Buches, S. 315 n. 73.
Holland: Haag. *41. J. C. de Jonge, Notice sur le Cabinet
des MedaiUes de Sa M. le Boi des Bays-Bas, ä la Haije, 1823, Suppl.
1824, p. 11. Bei meinem Besuche der Sammlung waren die Tesseren
nicht auffindbar.
42. Leyden. Kleinasiatische Tesseren aus Smyma, s. die russische
Ausgabe dieses Buches, S. 272 ff. und Taf. EU.
1) Im K. K. Archaeologischen Institut befinden sich mehrere Tesseren aus
Smjma und hauptsächHoh Ephesus, s die rassische Ausgabe dieses Baches, S. 272 ff.
und Taf. III.
126 M, Bostowjsew.
Dänemark: Kopenhagen. 43. Münzkabinet des archaeolo-
gischen Museums (auch mehrere griechische Tesseren). Die römi-
schen teilweise bei Ramus, Catalogus nwnorum . . . musei regis Damae
11, p. 2, S. 383, n. 1, vgl. Catalogue de la coUection de Chr. Jörgensen
Thomsen 11, Copenhague, 1866 (am Ende) und Description des nwnnaies
grecques de Chr. Jörgensen Thomsen, Copenhague, 1869.
Bnssland: 44. EaiserÜQhe Eremitage. Aus mehreren An-
käufen gebildet. Die athenischen Bleie vermehrt zuletzt durch den An-
kauf der Sammlung Wolters, s. die russische Ausgabe dieses Buches,
Appendix I, S. 310 ff. und Taf. V.
Moskau. 45. üniversitätsmuseum , s. Oreschnikow,
Beschreibung der griechischen Münzen der Moskauer Universität, Moskau,
1891, 337 ff. (russisch).
Angaben über die in den römischen Provinzen gefundenen
Bleie findet man zusammengestellt und die wichtigsten Stücke publiziert
in der russischen Ausgabe dieses Buches, S. 241 ff. und Taf. I. Zur
Orientierung mag folgende Übersicht dienen:
Afrika: Carthago. Mus6e St. Louis; Tunis Mus6e Bardo;
Sousse Mus6e municipal. S. P. Delattre in C, r. de VAcademie
d'Hippone, 1892, 211; Bull, archeol. du Comite des travaux historiqueSy
1898; Gauckler, Gouvet, Hannezo, Musee de Sousse, p. 86 ff.
und pl. XVII; mein Buch S. 255; CIL. vm Suppl. 22656, 7, 9, 10, 14,
15, 17, 18, 20, 21».
Constantine, s. Doublet et Gauckler, Musee de Constan-
tine, 1892, 49 f.; CIL. Vm 10484, vgl. Doublet, Musee d' Alger, 8. 4
und Besnier et P. Blanchet, CoUection Farges, p. 76 ff., et BuU.
de la soc. des antiquaires, 1882, 272; CIL. VIII Suppl. 22656, 4—6, 8,
12, 15, 16, 19, 21.
Gallien: Die nötigen Verweise bei Maxe-Werly, Memoires de la
soc. des antiquaires, t. 55 (1869); neues und altes Material in der russi-
schen Ausgabe dieses Buches, S. 258 ff., Fig. 2 und 3 (vgl. Bull, de la
soc. des antiquaires de la Seine inf., 1902, 302, cf. Rev. num., 1902, 481).
S. auch A. Blanchet, Bull de la Soc. d. Ant. de France, 1904, 149—151.
Spanien : s. CIL. II 4963, 8—10 ; 6246, 2—5 ; Ephem. ep. IX, p. 182,
n. 429, 1 (gefunden auf der Stelle des municipium Arvense, vgl. p. 74).
Dalmatien: s. die russische Ausgabe dieses Buches, S. 249 und
Taf. I (Aquileia und Tri est). Über Salonae: Bulic, Bull. Dal-
mato XIII 179; CIL. III 10196, 1—3.
Germanien: Vor kurzem wurde eine Tessera in Trier gefunden,
jetzt daselbst im Museum, s. oben S. 81.
Italien: s. die russische Ausgabe, S. 211 ff.
Saeh- und Namenregister.
Amphinomns und Anapias 115.
C. Annias PoUio pr. des. carator 48.
M. Antistius Labeo curator 48.
Antonia Drusi 26.
Antonia, des Kaisers Claudios Mutter 27.
AntoniDOs Pins und die iuventus von
Rom 75.
Arruntius Stella curator 49 f.
Aruntius Dignus curator 80.
Asprenas Caesianus 105.
Augustus, seine Erziehungspolitik 64.
— Einführung der tesserae nummariae 28.
Bäder (Marken der) 102.
Baadixol natdig 78 ff.
Baudelot de Dairval 7.
Benndorf 8.
Bleitesserae mit Porträts der Mitglieder
der kaiserlichen Familie {tesserae num-
mariae) 28 f.
— mit dem Kopfe des Nero und späterer
Kaiser 29 ff.
— als Marken der Komverteilungen an
die Prätorianer 84 f.
— für Korn Verteilungen ohne den Kaiser-
kopf 87 f.
Blei- und Bronzetesserae als Eintrittsbillets
zu den Schauspielen 51.
— , Darstellungen auf denselben 119.
Bleitesserae als Hausgeld 108.
— , münzähnliche 113 f.
— und die Münzenreverse 117 f.
Vgl. unter Tesseren.
Bronzestäbchen (ieBsera) 21.
Bronzetesserae, runde, mit Kaiserkopf
(tesserae frumentariae et nummariae)
23 f., 27 f.
C. Bruttidius Brutus curator 49.
Caecilius Justus curator 49.
Q.] Caecilius Q. f. Oinogenus curator 48.
M. Caelius Clodiaous y. c. 105.
A. Caepio Crispinus 105 f.
Caligula und die städtische iuventus 72.
— und die cura ludorum 46, 52.
Certamen quinquennale des Kaisers Nero 74.
Claudius (Kaiser), seine Änderung des
Systems der Komverteilungen 14 f.
— und die städtische iuventus 72.
— und die Spiele 50 f.
Ti. Cla(udius) proc(urator) 50.
C^llegien, Verteilungen in denselben mit
Hilfe der Tesserae 98.
Collegium coriariorum 95.
Congiaria 19.
T. Cornelius Paetus pontifex curator 49.
Curatores aquarum et Minuciae 18.
— frumenti 11 f.
— ludorum 45 f.
— lusus iuvenum 86.
— de Minucia 15.
— muneris 49.
Cydarum 100 f.
Domitianus, seine Bronzetesserae 82 f.
— und die städtische iuventus 75.
Dumont 8.
Ephebie (attische) und die römische iuven-
tus 66 ff.
— und die Jugend der Munizipien 93.
Eppuleins Proculus 106.
Erziehung, physische unter Auguitus und
später 62 ff.
Evocati Augiisti und die Komverteilungen
35 f.
128
Sach und Namenregister.
Kxercitatio campestris (52 ff.
Felicissimus (iuvenil aus Aquae Sextiae) 88.
Ficoroni 7.
T. Flavlus Sabinus, Vespasiaus Vater 85, 4.
Freigelassene auf Tesseren 106.
Gaius Caesar (Porträt) 25.
Gaius und Lucius Caesares 25.
Galba und die städtische inventus 75.
Garrucci 8.
V. (xavius Priscus curator 49.
Geminus curator 80.
(^enius (Darstellung auf Tesseren) 40.
Germanicus 26.
Gladiatorenkämpfe der iuvenes 87 f.
Gladiatorenspiele, ihre Marken 53.
P. Glitius Gallus 105.
Götter auf den Tesseren 110, 119.
Gordianus und die munizipale iuventus 89 f.
Hadrian (Adoption desselben) 31.
Herennius Rufns curator 47.
Herculanei Augustales 90, 3.
Januskopf auf den Tesseren 115 f.
Idyllisehe Manier in den Darstellungen
der Tesseren 120.
Julia, Augustns* Tochter 48.
Julius Quadratus Ti. 1. procurator 50.
C. lulius Severus 105.
luno Lanuviua 51.
Juno Regina (Tarquinii) 80.
luvenalia des Kaisers Nero 43.
— in den Mnnizipien 86 ff.
Juvenes Augustiani 74.
— aulici 78.
— bildliche Darstellungen 69 f.
— Beteiligung an Gladiatorenkämpfen und
Tierhetzen 87 f.
— in den westlichen Provinzen 91.
— Organisation der munizipalen Vereine
derselben 66 ff.
— pinnirapus 87.
— Verhältnis zu den Augustalen 92, 2.
— Verhältnis zu den Thymiaterien 70.
Juventus städtische 61 ff.
— der Munizipien 80 ff'.
KalanoL — tesserae frumentariae 4, 19.
Korn Verteilungen in Athen 28.
Lampen 119.
Lanuvium {ßodales nnd sacra) 80.
Lenuucularii auf Tesseren 97.
Livia 26.
C. Livineius Paulus 48.
Livineius Regulus als Spielgeber 47.
Ludi (Marken) 62.
Ludi decennales 75.
— sevirales 65.
Lusus iuvenalis 86 ff.
— Troiae 64 f.
Magistri inventutis 68.
Mars Ultor 60, 118.
— , sein Tempel 66.
Mars und Venus (Gruppe vom Capitol) 118.
Matius 45.
M^reaux (jetons, Penningen) der Corpora-
tionen von Paris und Holland 99 f.
— (tokens) als private Scheidemünze in
Paris und London 113.
Minucia (porticns) 15 f.
C. Mitreius L. f. magister iuventutis 60.
Münzen, alte als Nenjahrsgeschenke 115 f.
— falsche aus Blei.
— restituierte 114.
— (aus Blei), vergoldet« 116.
Namen auf den Tesseren 104 f.
Nero (Kaiser), Reform der Kornverteilungen
29 f.
— und die hauptstädische iuventus 72 ff.
— und die Spiele 49 ff.
Nero und Drusus 27.
Neronia 74.
Neujahrsgeschenke (strenae) 115.
Neujahrslampen 115.
Nomismata (Saturnalienmarken) 41.
— lasciva 57 f.
Ölverteilungen 19.
1 C. Oppius Honoratus curator 49.
Paetus magister 60.
Pedo magister 60.
Penninge der holländischen Städte als
Verteilungsmarken 41 f.
P. Petronius Sabinus matter iuvenum 59.
Pignorius 7.
Pinnirapus iuvenum 87.
Piscina 102 f.
Plostrarii 97.
L. Plotius Vicina 105.
Plumbei bei Plautus 7.
— bei Martial 112.
Sach- und Namenregister.
129
C. M. Pompei magist ri 60. I
Postolacca 8. '
Praefecü annonae 12.
— als Platzverteiler im Colosseum 46. |
Praefecti framenti dandi 11. |
Princeps iuventutis 61, 68, 77.
Priscillos curator 48.
Procnratoren der Schauspiele 50 f.
Kegionen der Stadt Rom 41.
Recnpero (Baron) 7.
Saccarii 97.
Sacra luven alia 86 f.
Satomalien 41.
Savot 7.
Schablonenhaftigkeit der Darstellangen
auf den Tesseren 120.
Schauspiele, Verteilung der Plätze 44.
— und die plebs frumentaria 46.
Schilde und Speere der iurenes 67.
Sclaven auf den Tesseren 106.
Septimius Severus und die Romverteilungen
18 f.
— , sein Verhältnis zur städtischen iuven-
tus 76.
L. Sextilius 60.
Sodales Consuales 94.
Spiutriae 57, 4.
Strenae 115.
Subcura[t(or)] in Tusculum 80.
£viißoXa ixxXri6ucütixa bei den Verteilungen
in Athen 28, 2.
£vfL§oXov 5.
Svoronos 43.
Tessera, frumentaria 10 ff., 16 f.
— gladlatoria 2.
— hospltalls 1.
— militarls 4.
— minilis 4 f., 56.
— nummaria 12 ff.
— pagana 2.
— vlnarla 56.
Tesseren als Elntrittsbillets in Athen 43.
— als privat« Scheidemünze 108.
— mit Greldwertangaben 99.
— Familien- und Hauscharakter 106.
— Formen zum Giessen derselben 6.
— mit Daten und Monatsnamen 98 f.
— Massenproduktion 108.
— der Triumphalcongiarien 32 f.
(S. auch Bleitesserae.)
C. Tettius Rufus curator 47.
TiberiuB (Kaiser), Siegesconglarium 26.
— und die eura ludorum 32.
— und die städtische iuventus 71.
Tirocinium 62.
Titus (Kaiser) als iuvenis 87.
Traian (Kaiser) 81.
Tusculum (iuvenes) 80.
M. Valerius M. f. Etruscus 105.
Velitrae (iuyenes) 80.
Verulae (iuyenes) 80.
Venationes 53.
Vespasian (Kaiser) 30 f.
Vici der Stadt Rom 41.
Visconti 8.
Volsinii (sodales) 80.
Tablifer 2U, 54, 12.
Tarquinii (iuvenes) 80.
Q. Terentius Culleo 105.
Tessera, Begriff 1 ff.
— consularis 2.
Wappen der CoUegien 96.
— von Privatleuten 107.
Zirkusspiele 54.
Zuschauer, applaudierende 50, 119.
Rostowzew, Römische Bleitesserae.
Tesserenregister.
Sylloge n.
Seite
Sylloge u.
Seite
Sylloge n.
Seite
1
26. 118
69
98
346 ff.
37
2
23. 25
69. 70
31,4
350 ff
37 u. 37, 3
3
23. 25. 68, 1. 118
71 f.
24. 31
358 ff.
38
3»
23.
25. 117
73
31
363 f.
37,5
4
24. 26
74
24
373
38
5
23.
26. 118
79
31
383
38
6
24.
26. 118
80 f.
24
400
37
7
24. 26.
117. 118
82
31 1 402 ff.
37
8
24. 27.
71. 118
84 ff
36,3
412
37
9
24. 26
88 f.
31
424
56
10
24
. 25. 27
98
31
484 ff
57
11
24
100
26,2
490 ff
41
12
24. 29
101
56
501 ff
41
13
29
103
35
502
41
i4
24
104
31
513
48
15 ff.
24
107 ff.
31
514
48
16
29
111 ff.
31. 35
514*
48
17 ff.
29
113
34. 118
514b
48
20 f.
29
114 ff
32
514c
49. 117
22
29
127 f.
32
515
49
23
52
141
32
516
47
24 f.
30
146
32
517
47
27
29
148 ff.
34
518
48. 51
31
29
153 f.
118
519
48. 51
32
29
170
35 520
48. 51
33
•24. 29
235 f.
35, 7 521
49
34
24
236 ff.
35
522 f.
49
35 f.
24
244
35,7
524 f.
49
37 ff.
24. 80
254 ff
35,8
526 f.
49
43
98
258
32
529
49
53 ff.
31
261 ff.
34
530
50
55
31
282
35,6
531
52
61 ff
31
336
22 532
50
62
24. 31
338 ff.
36 534 ff.
50
65 ff.
31, 4 '
343
57 556
119,1
65 f.
98
344
56 1
559
52
Tesserenregister.
131
Sylloge u.
Seite
Sylloge D.
Seite
Sylloge n.
Seite
561 f
52
951 ff.
97
1347
110
565
53
957
98
1352
106
566
53
961 ff.
97
1355
106
568 ff.
53
975
99
1357 ff
106
578
53
992 ff.
97
1363 ff.
108
579 ff.
53
1020
57. 99
1376
107
590
119.4
1033 ff.
97
1384
107
600
53
1037 ff.
97
1416
107
625 ff.
53
1038
99
1417
108,4
626 f.
119,4
1082 ff
99
1418 ff
107
635
53
1086
99
1426
108,4
643
53
1089
99
1434
108,4
706 ff.
54
1090 ff.
99
1453
110
719
54
1095 f.
99
1456 ff
107
728
114
1109
107
1460
106. 108
838
59. 72. 3
1132
107
1471
106
834
59
1137
107
1486
106
835. 835»
59. 118
1139
105
1602
107
836
74
1149
105
1508
107
836 f.
59
1150
106. 108,4
1512 ff
107
838
59
1151
105
1528
107
840 ff
59
1171 ff.
107
1560
107
844 ff.
74
1176
106
1567»
107
847
76,3
1183
108,4
1558 ff
107
848
81
1195
107. 109
1573 ff
40
849-851
80. 83
1198
107
1580 ff
40
852
80. 82. 83, 4
1214
106
1584
40
858 ff.
80. 83
1222
106
1608 ff.
40
8^>4ff.
80. 83, 2
1228
106. 108,4
1611
95
H67
80
1238
105
1611 ff
40
868 f.
81
1246
119
1613
95
870
80. 82. 83
1264
107
1615 f.
40, 2. 95
871 ff.
80. 98
1266
105
1679 ff.
95
875*
81
1282
107
1734 ff.
108
876 ff
94
1287
107
2014*
114
879
94
1288
106
2068 ff
57, 1. 99
880 ff.
95. 98
1300
108,4
2072
57,1
885
95
1802
105
2184
99,1
886 ff.
102
1317
107
2185 f.
110
892 ff
102
1319 f.
55, 1
2641 ff.
110,1
899 f.
103
1820
114
2736 ff
110,1
901 ff.
103. 120
1323
105
2960
114
907 ff.
57
1326
107
8004 f.
114
911 ff
58
1327
105
3181
107,4
917 f.
58. 120
1328
107
3184
107,4
944 ff.
100 f. 120
1830
107
8543 ff.
108
Draek tod O. Knjting in Laipsig.
Epigraphische Beiträge
ZUl'
sozial -politischen Geschichte Athens
im
Zeitalter des Demosthenes
Johannes Sandwall.
kNvnEKj'ijj
Leipzig
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1906.
Vorwort.
Die epigraphische Forschung ist eine unerschöpfliche Quelle fttr das
Verständnis des griechischen Altertums. Obwohl sie bereits eine Autorität
wie August Boeckh mit sicherem Blick für ihre Bedeutung nach
mancherlei Richtungen hin ausgebeutet hat, liegt doch noch unendlich viel
unverwertet da, besonders für die soziale Geschichte, ein Gebiet, das die
antiken Geschichtsschreiber nur selten gestreift haben. Für die Geschichte
Athens hat vor allem Kirchners Prosopographia Attica neue Wege er-
öffnet, die inneren Verhältnisse eingehender zu erforschen. In den vorliegenden
Untersuchungen habe ich mir nun die Aufgabe gestellt, einige Seiten des
attischen Lebens in einer Zeit, für welche man nur auf widersprechende
.Äusserungen der Redner angewiesen war, zu beleuchten. Durch das epi-
graphische Material gebunden, habe ich mich darauf beschränkt, das
soziale Niveau einiger wesentlicher Verwaltungsbehörden sowie der Führer
des munizipalen und allgemeinen politischen Lebens zu betrachten. Immer-
hin hege ich die Hoffnung, den Steinen einige Beiträge zur wahrheits-
getreuen Beurteilung einer Staatsverfassung entlockt zu haben, die bisher
je nach politischer Auffassung eine verschiedene Beurteilung erfahren hat
Für die einschlägige Literatur habe ich die folgenden üblichen Ab-
kürzungen gebraucht:
IG. = Inscriptiones graecae. Wo keine andere Bezeichnungen gebraucht
werden, sind alle Inschriftzahlen von den IQ. zu verstehen.
Ath. Mitt. = Mitteilungen des Kais, deutschen archäoL Inst, zu Athen.
B. C. H. = Bulletin de correspondance hellenique. ^
Ditt. Syll^ = Dittenberger, Sylloge inscriptionum graecarum. Editio II.
Schaf., Dem. = Schäfer, Demosthenes und seine Zeit. 2. Aufl.
Schaf., B. = Schäfer, Demosthenes und seine Zeit. Beilagen. 1. Aufl.
Conze = Conze, Attische Grabreliefs I. ü.
P.A.=z Kirchner, Prosopographia Attica.
VI
Es ist mir an dieser Stelle eine angenehme Pflicht Herrn Prof.
C. F. Lehmann-Haupt in Berlin, der mich bei der Schlussredaktion
meiner Arbeit mit seinem Rate unterstützt hat, zu danken. Zu ganz be-
sonderem Danke fühle ich mich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn
Prof. I. A. Heikel in Helsingfors, gegenüber veranlasst, der meine Arbeit
stets mit Rat und Tat gefördert hat. Endlich spreche ich noch Herrn
stud. archaeol. H. Lattermann in Berlin, der das Sprachliche über-
wacht hat, meinen Dank aus.
Helsingfors im Januar 1906.
Johannes Snndwall.
Inhaltsübersicht.
8«iU
1. Der Rat 1
2. Die Strategen 19
3. Die Diaiteten 32
4. Die Marioebehördeu 85
5. Die FiDanzbeamten 41
6. Die Tempelyonteher and Kultiubeamten 45
7. Die Demeo 58
8. Gesandte und Redner 59
9. Die Asklepiospriester 75
10. Demen und Phjlen nach den Prytanenveneichniaten.
1. Die Demen 81
2. Versuch einer Vervollständigung von Prytanenveneiehnissen / . 86
8. Zur Zusammensetzung der Antigonls und Demetrias und tum
StftrkeverhältniMe der kleisthenischen Phylen im 4. Jahrh. . . 88
1. Der Rat.
Der Rat der Fünfhundert, der allen attischen Bürgeni mit 30 Jahren
zugänglich war, würde uns in seiner Zusammensetzung ein verhältnismässig
treues Spiegelbild von dem Einflüsse der verschiedenen Gesellschaftsklassen
auf die Verwaltung geben können, wenn wir nur imstande wären, diese Zu-
sammensetzung recht zu ermitteln. Ich habe diese Aufgabe zu lösen versucht.
So lange die Funktionen der Ratsmitglieder unbesoldet waren, ist es
wahrscheinlich, dass wenigstens die ärmsten Teile der Bürgerschaft, die
Theten, sich selten darum kümmerten, von ihrem Recht in den Rat ein-
zutreten Gebrauch zu machen.*) Eine Besoldung des Amtes wurde jedoch
schon im 4. Jahrh. eingeführt, wahrscheinlich im Zeitalter des Perikles,^)
und betrug nach Aristoteles'^ füi* jeden Sitzungstag und jeden Ratsherrn
5 Obolen, für die Prytanen aber eine Drachme. Die frühere Annahme nach
Hesychios, dass jedes Ratsmitglied 1 Drachme bekommen habe, ist wohl
daraus zu erklären, dass Hesychios beide Zahlen zusammengeworfen hat.
Meinem Ermessen nach lieferte dann sein Versehen ein beredtes Zeugnis
dafür, dass die Funktionen der Prytanen als die wichtigsten angesehen
wurden, und die übrigen Ratsmitglieder sich nur selten zahlreich zusammen-
fanden.*) Francotte, Uindustrie dans la Orece ancienne I 340, berechnet,
dass 1 Drachme kein besonders hoher Sold sei, und ein Familienvater
nur zur Not damit habe auskommen können. Während diese Summe für
35, höchstens 39 Tage gezahlt wurde, entfielen auf die übrigen Tage nur
5 Obolen. Nun berechnet Boeckh die Zahl der Tage, an welchen der Rat
zusammentrat, auf ungefähr 300. Also waren die Mitglieder für etwa
265 Tage auf diesen geringen Sold von 5 Obolen angewiesen, einen Be-
trag, mit dem wohl ein unverheirateter Mann seinen Lebensunterhalt
1) £. Caillemer unter BouU S. 740, Daremberg-StigUo, u. Schoemann-Lipsius, Gr.
Alt, 1*896.
2) Schoemann-LipsiuB a. 0.
3) 'A». icol. 62, 2.
4) Die Vermutung von Wilamowits-Moellendorff Aristot. u. Athen I 195, dass der
Sold der Ratsmitglieder gegen früher um eine Obole erniedrigt worden ftei, wird durch
keine Belege gestützt Nach Kaibel , Stil u. Text d, A». mx. S. 253 liegt der Hes..
Stelle vieUeicht ein Romödienzitat (XaxBlv ts xal laßfTv dgaifiriv ti)g rmigas) zu Grunde.
S u n d w a 1 1 , £pigr»phiBche Beitrftge snr äoziftlpoliUk Athens. 1
2 X Sundtvall,
hätte bestreiten können, aber kein Mitbürger mit Familie.^) Es ist also
schwer anzunehmen, dass unbemittelte Bürger mit Familie ihre Arbeit
liegen gelassen hätten, um an jeder Sitzung teilzunehmen. Wir sind da-
her zu der Annahme berechtigt, dass ein grosser Teil der Ratsmitglieder
verhindert war, regelmässig zur Stelle zu sein, eine Annahme, die auch
Schoemann-Lipsius teilen.®)
Die obigen Ausführungen leiten uns zu der Schlussfolgerung, dass
die angeführten Tatbestände im 4. Jahrh. auf den Zudrang der niederen
Teile der Bevölkerung zum Rat einen hemmenden Einfluss ausübten.
Indes, dies bliebe doch bloss eine Annahme, wäre es nicht möglich,
sie durch reelleres Beweismaterial zu stützen, und solches steht uns auch
zu Gebote in den Inschriften, namentlich Prytanenurkunden aus dem
4. Jahrh. Der Versuch, aus diesen die Bestandteile des Rates fest-
zustellen, ist noch nicht gemacht worden und wird sich doch sicher lohnen.
Man könnte nun freilich den Einwand erheben, dass diese Listen uns
möglichei-weise ein schiefes Bild von der Zusammensetzung geben, weil,
was für eine einzelne Phyle sich konstatieren lässt, nicht auch all-
gemein für den Rat zutreffend zu sein braucht. Dieser Einwand wird
jedoch wohl entkräftet, wenn es uns gelingt, ein so gut wie überein-
stimmendes Resultat aus allen Prytanenlisten verschiedener Zeiten und
verschiedener Phylen zu gewinnen. Dazu kommt, dass wir im 4. Jahrh.
immer noch eine annähernd gleiche Leistungsfähigkeit der Phylen anzu-
nehmen berechtigt sind, weil jede Phyle dieselbe Zahl von Mitgliedern
in den Symmorien der Vermögenssteuer zu stellen hatte. ^) Im 4. Jahrh.
würden wii' also bei einer Bevölkerung von rund 20 000 Bürgern, darunter
1200 Reichen, welche nach Beloch (Hermes XX 256) ungefähr den
früheren zu einem Talent eingeschätzten Pentakosiomedimnen *) ent-
sprachen, im Rate eine Zahl von ungefähr 30 Reichen finden, eine gleich-
massige Teilnahme aller Mitbürger vorausgesetzt.*)
1) Vgl. damit, dass schon die Epheben ein Tagegeld von 4 Obolen bezogen.
Aristot 'A^, nol. 42.
2) S. zu G, Alt, 1 476 u. A. 1 : «dass nicht alle Fünfhundert sich immer regel-
mässig einfanden, ist gewiss (Dem. g. Androt. 36, wonach auch die Zahl von Vier-
hundert noch zu hoch gegriffen sein wird)*". Boeckhs Behauptung {St. d, Ath. P295),
dass 500 Staatsbürger ungefähr 300 Tage als Ratsmitglieder an der Staatskasse zehrten,
ist also als gänzlich übertrieben anzusehen, ebenso die Angabe von Aristoteles
'A». nol. 24, vgl. damit Wilamowitz-MoeU., Arist. u. Athen I 196.
3) Boeckh, Staatsh. 18 612 f., vgl. dazu auch Beloch, Bevölk. d. gr.-röm, Welt
S. 102; Wilamowitz-Moell., Arist, u, Athen II 148.
4) Es ist wahrscheinlich, dass es die solonischen Vermögensklassen noch im
4. Jahrh. gab , was Boeckh bestreitet {Staatsh. I ^ 590) , aber aus AristoteW Worten
hervorzugehen scheint (A^. noX. 47, 1). Dasselbe nimmt auch Martin an (Les Chevaliers
athiniens S. 313) u. Gilbert, Gr, AU, I«, 1, 408.
5) Diese Zahlen dürften noch dazu eher zu hoch als zu niedrig sein, wenn man
bedenkt, dass die Auslosung der liatsmitglieder nicht aus der gesamten Bürgerschaft
geschah, sondern demenweise. (Hauvette-Besnaull , BulL d, corr, hell. V 367. Aristot.
Epiffraphuicht BeUriiye zur mzmJ-polUhvhm Oesehiehte Athem, 3
Wij' gehen also za der Untei-siiclrnng über, inwieweit wir dieses
Verhältnis in den Piytanenurk linden konstatieren können, und nin eine
möKlielist «Trosse Zeit.spanne zu berücksirbti^en ^ ziehen wir alle uns be-
kannten I*ry tauen verzeidmisse aus dem 4. Jahrh, heran.
In der Prytanenurkunde II- 8W können wir folgende als Reiche
bezeichnen :
'Jkxtöt^ivn^ yiXmßtddov XoXXiiäfjg, Trierarch i* d. Seeurk. »357/0
(U'^ 793 f. 31).
QifuöTüxXfjg 0g^d^(>tog, ein Nacli komme des bekannten Staatsmannes
Tlu^niiJitokles (s. das Stemma in J\ A, No. 6669). Die Familie ist ohne
Zweifel nocli sein- reich; der Vater des unsrig-en , gleichtalls ein Theini-
stokles, Sohn des Archeptolis, ist identisch mit &iuinroxlfJQ Uokitiißxov^
dessen Grabdenkmal atu Heiligen Wr^e Faiisanias (I .^7} erwähüt. Ein
Sohn wieder, Btataroxkft^ vnio Jtjfio^^oipov^ "Jltttnixfjtßnf anidwxiv \. d,
Seeurk. c. 342 (11'^ 803 c. 75). '
rXalxag rXavxirov iS OJov, ZU der reichen Familie der Huseliden
g^ehörig (Schäfer, B. 229 f.), sein Sohn <Tlauketes unier mehreren reichen
Athenern als ii^onQ(.6g in Del^thi um 330 (s, unten).
&oifXQtTog Krirfiao^mQQvAXt^ioimog. Nach Kirchner (K -4*) ein äp^ifna-
davg des 'rhukritos. S. d. Thiikritides aus Halimus (Dem. LVII). Die
Familie ist ui-sprünglich vermögend gewesen (vgL Dem. a. 0. § 19 über
Thukritos S, d. Thukiitides: y^dqtxofievog rJ^ oittimg nagu tüv &ittuv ro
fiiQog ftniXnßiv**). Ein andeies Mitglied derselben Familie, Nikostratos
S, d. Mkiades, ist taiiiaq tr^^ &iöv, über deren VermögensverhältnisÄe
& 2. ArisL 'A&. nnL 47, 1.
Als wenigstens wohlhabend sind folgende anzusehen:
NixiiQatoq AmxQUTQvq JXifiovmoQ, Sein Solm und seine Tochter
oder Gemahlin auf einem besseren Grabdenkmal (IP 1806 b> Über den
Aufwand bei «ler Beerdigung in Attika vgl Boeekh, sStaatith, I* 146, nach
welchem auf das Begräbnis und Grabdenkmal von Privat hauten 3, lu, 50,
ja 120 Minen verwandt wurden.
n^mßuxugti^ */i^t<jTiüipo^ Aktfiavüiog* Sein Vater (nach P. A.) Wp.
llu&iov Ui, der auf einem Grabdenkmal vorkommt (II * 1806 c),
KaXXi^iaxog *AXxlov Jivxovowg^ dessen Nachkommen im 2. und
l. Jahrh, sehr bedeutende Stellungen eingenommen haben (vgl. l\ A,
No. 8021).
A9, 9ol. 62). i^uch Kf^bler (Ath. Müteil IV 107} weist darauf hin, daaa es ia Anika
«ine Mjaderx&bi von ürmcren und fiitfernto/eii Demcü gab, cIrTen Mitglit^dcr weder
Zeit noch Bildun|^ g^^öug Imtteo, um an dor Leitung oder Verwaltuug der tiffeDÜichen
Angelegenheiten teiliUDehmen. Man muM auch bedenken, dikii^ die Zahl 1200 niemals
voUiihlig gewesen iat. Nach der ßei-ecbnung de« Demo«theuei ^ XIV 16 ^ wari*n von
diesen geigen 480 befreit. Ai«o wäre die Zahl der Ktncheu im llato vieLlcicLt näher
an 20 ttU 30 «u suchen. Auch bemerkt' it!hiioch, dass ich besüglich der Ein-
Wübneraahl Attikas din niedrigen Ausatmen Beloch» gefolgt bin am diu
Zahl der Heichen im Hat e auf ihr {Proportion eilet Maximum su brtogen«
4 J, Sundwdll,
MiviatQaTag Olvoq>ikov üaiovidfig. Ein Sohn Olv6(pilog kommt in
einer Prytanenliste um 330 vor (s. z. Ath. Mitt. X 106 und Beiträge z.
alt Oesch. 1905 S. 283 f.), ein Nachkomme Olv6g>iX<H; ist Polemarch um
216/5, also ist die Familie damals wohlhabend (vgl. über die Archonten,
Beloch, Att. Pol S. 256 Anm. 1: „Wenn auch die Teilnahme an der
Losung zum Archon, und damit der Eintritt in den Areopag gesetzlich
jedem Athener offen stand, so konnten doch tatsächlich nur wohlhabende
Bürger sich melden, da es sich um ein Ehrenamt handelte, das mit keiner
Besoldung verbunden war".
Miviiftgarog MevexguTovg KoX(avf,&ev, dessen Bruder Kovwv in einer
Grabschrift vorkommt (11 » 2209).
EixkBiSfjg EvxXiovg Al&ali8m- Ein Nachkomme Eukles ist Ephebe
123/2. Über die Epheben und deren gesellschaftliche Stellung s. Köhler,
Ath. Mitt. IV 324 f. und Girard unter Ephebos, Daremberg-Saglio. Viel-
leicht ist schon der obige vermögend.
112 865, Reiche:
^biXmnlSnq (l^ikofii^kov Uaiavieig gehörte einer alten, sehr reichen
Familie an. Er selbst ist Schüler des Protagoras gewesen, sein Sohn
Philomelos und sein Enkel Philippides kommen mehrmals als Trierarchen
in den Seeurkunden vor (s. über diese in P. A.),
'Akxlfiaxog Ilatavisvg. Ein aviipiog 'AXxlfiaxog 'Akxitov 77. wird
mehrmals als Trierarch erwähnt (vgl. P. A.), Ohne Zweifel ist der Obige
auch reich.
JSiaciaxgatog "Sia&sv. Ein Sohn — argavog ^toaiatgccTOv Si. in einer
Freilassungsurk. (11^77 Sc).
Ai]6d(aQog Uaiavutg. Ich ergänze Kol. III Z. 14 auf diese Weise,
nach AioStagog JSifiov IT., der um 334/3 und später Trierarch war, was
wahrscheinlicher ist als GeoSwgog, welcher Name bei einem Thesmotheten
i. J. 183/2 vorkommt. Dann wäre also unser Ai]6dtjjgog ein Grossvater
von dem Trierarchen, die Familie also reich.
Wohlhabend:
'Agiaroffovrjg 0iXinnov Kvda&fjvamg , der Komödienverfasser; er
selbst oder einer von seinen Vorfahren „xarBxXtjgwaB xal trjv Afyivav^j
d. h. ist Kleruch auf Aigina gewesen (s. zu P A. No. 2090). i)
IP 866,2) Reich:
. . aiargaTog /luviov <l^XvBvg , dessen Sohn wir ohne Zweifel in der
Seeurk. aus d. J. ca. 330, 11 ^ 806a 14 haben, wo zu ergänzen ist:
J]uviag [. . aiargccTov]
(iy\Xvnfg.
1) Weil er um 388 gestorben ist, ist diese Prytanenurkunde i. d. Zeit 400 — 388 zu setzen.
2) Kol. II, Z. 5 ist unter jiXair^g wahrscheinlich 'Agyslog Jri^oxjccQOvg zu ergänzen,
der in einer Weihinschrift aus der Mitte d. 4. Jahrh. in einer Kommission von An-
gehörigen des Demos Halai vorkommt (11*1208); ebenda auch der unten erwähnte
Prytane *AaTV(piXog ^ildygov *AXaifvg.
Inhaltsübersicht.
1. Der Rat 1
2. Die Strategen 19
8. Die Diaiteten 32
4. Die MariDebehörden 85
5. Die FiDatuBbeamten 41
6. Die Tempelvonteher und Kuitusbeamten 45
7. Die Demen 58
8. Gesandte und Redner 59
9. Die Asklepiospriester 75
10. Demen und Phylen nach den PrytanenverseichniBsen.
1. Die Demen 81
2. Versuch einer Vervollständigung von Prytanenverselchnissen / . 86
8. Zur Zusammensetzung der Antigonis und Demetrias und cum
Stilrkeverhältniate der kleisthenischen Phylen im 4. Jahrh. . . 88
6 J* Sundwall,
Inschrift (11' 2103). Nach Köhler gehören die beiden Fragmente von
2 Epistylien aus hymettischem Marmor demselben Grabdenkmal an.
Navatxgütfjg Ogiaaiog. Sein Sohn QgaovxX^g ist avaygatp&ig 321/0.
Zwei andere Söhne sind aus derselben Zeit bekannt. Die Familie ge-
hörte also zu den begüterten, denen das Bürgerrecht nach 322 geblieben war.
rXavxwv *Axagvsvg: ein Grabdenkmd seines Sohnes Demeas {Conze
649: „hydria marmoris Pentelici cum anaglypho^).
11* 868b, Eeiche:
Evßoiog 'O^d-ev, 11* 1114: „fragmefita duo cippi marmoris albi
Laurio Athenas translata: ^'Ogog änotifirjfiarog Evßoiov nal3wv 'Orj&tv.^
Unzweifelhaft handelt es sich um den Grenzstein eines Bergwerkes.
Avöiöxgarog 'Orj&Bv. Sein Grossvater AvaiargaTog 'EfiniSov ist
Strateg i. J. 418/7. (Über die Vermögensverhältnisse der Strategen im
5. Jahrh., s. zw dgxn in Pauly-Wiss), Sein Vater "ßfineSog ngetrßcvtfjg
n 88 (s. das Stemma in den Beiträgen z. alt Gesch. 1905 S. 282).
Xagiag Evxxrniovog Aovaievg. Sein Vater vaonoiog in Delphi (s.*P. A.
5785 u. Beiträge z. alt. Gesch. V 1905 S. 131).
Wohlhabende:
EvxXijg AlaxvXov Ilegi&oidrjg kommt nebst seinem Bruder in einer
Grabinschrift vor (II* 2471 tabula marmoris Hym. cum aetomate). Ein
Nachkomme Aristoteles macht i. J. 183/2 eine Spende (11- 983, Kol. I 50).
Kfjq>i,a6SoTog Bovvddijg, dessen Nachkomme Deinias in der Mitte des
3. Jahrh. als gewesener Thesmothet (s. P. A. 3162) auf einer Weih-
inschrift vorkommt, ist wohl auch vermögend.
2vgaT(av KXiotfwvtog Aaxiädrjg, dessen gleichnamiger Vetter nebst
seinen Söhnen 'HgaxXeJ ävdär^xBv (H^ 1563).
ABw]aTgaTog KaX[XiatgdTov\ TvgfABlSm- Die Ergänzung Ä'crAAOcyr^wrTOff
(Kol. n Z. 21) von Kirchner (P. .4. 8183) scheint nicht richtig zu sein,
weil vor — axgaxog nur für 3 Buchstaben Platz ist; ich ergänze infolge-
dessen Ai(!ii\aTgaTog\ dann wäre der Vater ohne Zweifel KaXXiaxgato^
Tvgfi., der auf einer Grabinschrift (11*2605) vorkommt.
l^AvägoxXrjg 'Aya&]ccgxov 'Axagvevg. Die Kol. I dieses Verzeichnisses
von Prytanen aus der Phyle Oineis ist wegen der Anzahl der dort Ver-
zeichneten zweifelsohne dem Demos Acharnai zuzuweisen (vgl. die Pi*y-
tanen Verzeichnisse unten u. Löper, fjp. agx- 1893 S. 200 f.), und in diesem
Falle wäre die Ergänzung^) (Kol. I Z. 2) berechtigt nach einer Grab-
insclirift aus dem 4. Jahrh. (IP* 1914), wo der obige Androkles mit seinen
Söhnen auf einer Stele aus Pentelischem Marmor erwähnt wird.
112 869, Reiche:
Kofialog Kofiiavog ^tjuaxiSrjg, Trierarch i. d. Seeurk. aus dem J. 342/1
(n^SOSe 143, vgl. 793 g 3).
1) Wenn sie richtig ist, haben wir auf Z. 1 wahrscheinlich — Jion]ei&ov{g) zu
ergänzen (vgl. P. A. 4316 u. Löper a. 0.).
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens, 7
Kvxvog fPikoxoQov jivatfXvatiogj Vater des Atthidographen Phüo-
choros. Ein Bruder kommt auf der Basis einer Statue vor (U* add. 1399 b);
die Familie ist ohne Zweifel reich (vgl. P. Ä. 14 782).
Kfjqtiaiog Ktjq>iaodfjfiov Ilalkrjfifmjg kommt in einer Freilassungsurk.
vor (II« 768 c); seine Enkel sind Epheben 283/2.
'AgxiStifioq ^BtSidSov AlyiXifvg. 11* 1127 ein Grenzstein eines an ihn
für 500 Dr. verkauften Hauses.
'AnoXXodwgos Vkvfinixov 'AvacfXvaviog gehörte einer vornehmen
Familie an. Sein Bruder nebst Familie hat ein grösseres Grabdenkmal
(II» 1872—4).
Wohlhabende:
BtoSwQoq l4vTi(favovg lAkatnücrj&iv. Ein Nachkomme mit demselben
Namen ist Thesmothet 229/8.
KUonü&nq GBonofinov IlakXfivnfg verkauft ein Grundstück (11^ 784).
112 870, Reiche:
!AxBatidtig !AvTKpdvovg ^fiyauug. Sein Bruder Ev&v8ixog Trierarch
um 325/4.
MvQ(aviSr^ Kkiutpog ^AQatprjviog. Der Vater Kkitav ist rofilag rrjg
dfov 377/6 (vgl. Arist. Jd'. nol. 41), ein Bruder ist Trierarch.
^EnixgccTf^g Nixofiivovg lAkaiivg. Sein Vater als dßi^xtvovtvwv iv
Ji]X(p 375—3 (n* 814), wozu sicherlich nur begüterte Leute auserwählt
wurden. Ein Verwandter Emxgdxng 'Emxägovg 'AJi. ävi&fix%v (11^ 1514).
Wohlhabende:
EinoXig 'yäpllXm !AXauvg, Ein Verwandter Eixxrumv Ev&rjfiovog ist
Trierarch (s. zu P. A. 5940).
Atoviaiog 'HipaiaTliavog ^iXatdtjg- Das Grabdenkmal seiner Tochter
(IP 2631), „columella marmoris hym,^
^(axgdxrjg ''Aßgiavog 'AXauvg. Einer der Vorfahren, 2iaxgatrig Avu-
yivovg, Strateg 432/1. Die Familie ist noch im 4. Jahrh. angesehen (vgl.
II« 1208).
Uuwofiaxog ^iXoxgdtovg Barrf&iv. Sein Enkel wird im Testament
des Epikur genannt (Diog. Laärt. X 16) und gehörte zu den angesehensten
seiner Schüler.
noXvxgdTt]g IIoXvn'XTOv ^riyaiwgi seine Nachkommen Prytanen und
Epheben im 3. Jahrh.
11*871, Reich:
ArjfiocfiXog Jr3fioy>dvovg flmavuvg kommt in einer Freilassungsurk. vor
(11- 773). Ein Oheim mit seinen Söhnen (fvXagxovvng kwixwv dv&innaaitf
(IP 1305). Vgl. Martin, Les chevalieis athvniens S. 313: „peut-etre ce
chiffre de trois talents etuit-il aussi le minimum exige pour servir dans
hl ca Valerie'^.
Wohlhabend:
— diogog ^(uavgdrov Haiavuvg. Seine Schwester *U8üa in einer Grab-
inschrift (11^ 2406 b).
8 J. Smidwall,
IP87Ib, Reiche:
4>ikox(iQvs .^i'^oxvSovg Ilaiavigvg. Sein Grossvater ^ikoxgdtfig kommt
um 390 in 11- 946 vor, welche Urkunde die Verzeichnisse der Parteien
bei den Diadikasien enthält. Nach Köhler (Ath. MM. VII 102) wai-en
die Leistungen hier Trierarchien. Sein Bruder ist Trierarch c 323.
XaiQiüt{}axog Xaigefftgarov ümavuvg. Sein Grossvater XaQfAavrldtjg
ra/iiag Ugviv xQ^ficcTwv t^g l4&fjvalag 427/6 , sein Bruder mit demselben
Namen als Choreg vixtjtrag Gagyi^Jua ävSgaaiv (TP 553) und Isokrates'
Schüler (XV '63: „vovtovg änavtag 17 noXig xg^^oig antfdvoig kaTB^ävwatVf
ovx (l^g Twv aXXoxgiuiV kffUfikvovg äXiC wg avigag äya&ovg oviag xal
noXXä Tüiv Idlwv elg ti}v noXiv avtjXwxorag^),
Q^oyhftig Aaiov IlgoßaXiaiog, dessen Grossvater Demosthenes erwähnt
(XXVII 58: „Kard tovrovg rotg vouovg 'AvTiSwgtp fiiv äx rgiwv xaXdviiav
xal rgtax^Xitav iv «| itHJiv «5 tdXavva xat nXiov kx rot fua&at&r^vai
nagedo&fj, xal Tav&' vfiwv tivig bi3ov' Qeoyivrjg ydg 6 llgoßaXloiog^
6 fAia&wadfiivog aixov xov olxov^ kv r{| dyog^ vavta xd xQ^f^'^' ^f}gi&'
/lioxXfig ^i(^vog KvSa&tjvauvg. Sein Vater nebst Frau und Tochter
haben ein grosses Grabdenkmal {Conze 454), ein Verwandter /iitav
jivx6<pgovog ebenso {Conze 1110), ein Nachkomme /lioxXrfi ist Archon
215/4, und auch noch in späteren Zeiten scheint die Familie angesehen
zu sein (vgl. P. A. 4496).
Jr^fioy^dvtjg] Jr^lfi^iov Ilatavttvg. In Kol. I Z. 5 ist unzweifelhaft
/ifj[fi]iov als das Patronymikon des dort verzeichneten Prytanen zu lesen ;
vielleicht können wir hier an /Irjfiotpdvtjg, Vater des, JtjfiotpiXog denken,
der um diese Zeit auch Prytane war, was immerhin nicht anstössig zu
sein braucht. In jedem Falle gehört dieser zu der reichen Familie des
Demeas aus Paiania (worüber schon früher und P. A. 3276).
Wohlhabende:
AvToxgdxrig Aiaxivov üaiavinfg. Sein Sohn Ephebe 305/4 (11* 251b).
Avöiiiaxog Avaifiivovg Mvggivovüiog , ein Nachkomme des Archon
436/5 Lysimachos, und infolgedessen einer besseren Familie angehörig.
flgoxXeidrjg Mevexgdrovg 'AyyBXij&Bv aus derselben Familie wie 'Em-
xgdxng <PiXoxXiovg 'Ayy., der 216/5 Thesmothet war (s. P. A. 12193).
Ta(fau6v6g Bv&tovixov Kvda&rjvauig, dessen gleichnamiger dviyjiog
in einer Freilassungsurkunde vorkommt (11* 775 b).
JiqtiXiStjg JicfiXidov Ilaiavievg (über die Ergänzung Kol. I Z. 8 s.
P. A. 4460 u. add. 4457 a) hat ein Grabdenkmal (ir^ 3634).
n2 872, Keiche:
TifioxgiTog Tifioxgdrovg 'Ixccguvg gehörte den Eupatriden an (Köhler
in IP 1190 c). Sein Vater ist Trierarch um 342 und vielleicht mit dem
gleichnamigen Schwager des Onetor aus Melite, dessen Vermögen auf
mehr als 10 Tal. geschätzt wurde, identisch (P. A. 13 750. Boeckh,
StaaM. l«5G2j.
Epigraphische Beiträge zur sozialpolitischen Geschichte Athens. 9
XaiQ9(p(5v Qgaamfog KokXvrtvg, ein Enkel des Redners nnd Staats-
mannes Thrasybulos aus KoUytos, der auch Strateg war und Amphiktyon
auf Delos 390/89. Nach Lysias XXVI 22—24 ist er aus einer sehr
reichen Familie.
^ii^ioc&iv9jg JtifioywvTog Tu&Qaciag^ mütterlicherseits der reichen
Familie des Demosthenes aus Paiania angehörig (P, A, 3598).
JtjfiotfiJiog Jfl/ioxkiovg TBi&(}d6iog. Sein Vetter väterlicherseits, Demo-
kies, ist um 326/5 Trierarch, also ist wohl auch dieser reich.
AvöiöxQatoQ IlokviCxtov Barrj&iv, Sein Sohn Polyeuktos Archon der
Mesogeier (11* 602 über die Mesogeier, Pfuhl, De Athen. Pompis S. 101:
CoUegium pompam splendidissimam ad Herculis sacrum deducehat), seine
Tochter ävid-tjxBv als die Priesterin der Athena Polias eine Statue, die
von dem Künstler Kephisodotos, Sohn des Praxiteles, verfertigt war. Die
Familie ist also reich.
Wohlhabende:
KvSiag Avaixoaiovg 'Egxuvg. Das Grabdenkmal des Vaters IP 2044,
fragmentum stelae marmoris cum reliquiis anaglyphi. Die Familie wird
noch im 3. Jahrh. bezeugt.
Jiovvaiog ' HtfoiarivDvog ^ikatdtig s. a. 0. U- 870.
nokvxXildijg KalkiarguTov ^Egxifvg. Nach P. A. 8165 nahmen
mehrere Mitglieder seines Geschlechts noch während des 3. Jahrh. am
Staatsleben teil. Ein Verwandter Kallistratos, S. d. Kallikrates, auf einer
Grabinschrift (n-'' 2042).
ügoxküSr^ ÜQül^ividov Tu&gaaiog. Sein Bruder ist Pächter eines
(Grundstückes auf Delos (IP 778).
II« 872b, Reich:
Avaavlag Avöixgdrovg <l>gedggiog ist walirscheinlich identisch mit
Avöaviag ^gedggiog in einer Freilassungsurk. (n* 774), vgl. Kirchner,
Ath. Mitt. XXIX, S. 252.
Wohlhabende:
/fictxoiTog /Jiivxovg ^giaggiog. Der Vater war ein berühmter Arzt
in Athen (s. zu P. A. 3765); er selbst auch als Arzt 11'^ 1449 nebst
seinem Bruder erwähnt.
JSfjiövgatog 'üXvuniodwgov ^giuggiog. Der Vater nebst Frau und
einem anderen Sohn auf einem Grabdenkmal {Conze 728 a).
IP87$, Reiche:
Alxlfiaxog ''AvSgtjjvog Ilaiaviivg, Sein gleichnamiger Vetter Trierarch
um 330/29 und später, also ist wohl auch der unsrige reich.
Xiovig Jr^fioargdrov Ilaiavuvg, eben derselbe wahrscheinlich in einer
Freilassungsurk. (II* 773 b, A. 27): — Jrnioaxgdxov Uaianwg.
'Etiavdgog XagfiavriSov Hatawiwg, ZU einer reiclien Familie gehörig
(vgl. a. 0. n& 871 b. Xtugkatgatog Xag/unßTU&w HX tShtif^liamVi
vgl. Isokr. XV 93; derselbe aaeh ab Oi
10 e7. Sundwally
Wohlhabende:
StgaTfaviSriQ SuHStyivovg üaiapovs. Ein Nachkomme ^Iwai/ivtjg
unter denen, die freiwillig zur Staatskasse beisteuerten 232/1 (11^334).
Qtofivrtötoq Jiotvog Ilaiavievg. Ein Sohn Theomnestos Ephebe 305/4
(P. A. 6771), ein anderer Sohn Dion wii-d in einem Dekret zu Ehren des
Philosophen Zenon erwähnt (Diog. La6rt VII 12).
Qtoyivnq 'EQyoq>i3iov l4yyiXfi&ev, Ein Sohn auf einer Votivinschrift
(nM558f.n.).
Nixiag XaigsUidov 'AyyiXrj&Bv auf einer Grabinschrift n* 1684.
Ath. MiU. X 106, Reich:
jdiotpdvriQ JioTiBl&ovg 2!ovvuvg^ ein Sohn des bekannten Diopeithes
aus Sunion. Dieser war sehr reich und unterhielt selbst die Soldtruppen,
mit denen er nach 343/2 auf eigene Faust gegen die Makedonier auf
der Chersonnesos vorging (Schäfer, Dem. 11-452); ein Sohn Diphilos ist
als Trierarch in den Seeurk. verzeichnet.
Wohlhabend:
EvßovXog /^loäcigov ^QtdgQioq. Sein Vater ist auf einem Richter-
täfelchen verzeichnet (II « 893). Nach Brück (Philol LII 311) können
wir aus dem Aussehen und der Gravur der Heliastentäfelchen auf die
gesellschaftliche Stufe ihrer Inhaber schliessen und weil diese Tafel von
Boeckh, CIO. 1207, folgendermassen beschrieben wird: „in hac lamina
litterae elegantes esse dicuntur et partim jmndu, margaritarum i^nstar,
in angulis et finibus linear um hahent^, können wir annehmen, dass sein
Vater zu den Wohlhabenden gehörte.
ntvQQog Ev&vfidyov IIoTa^iog nebst Gemahlin in einer Grabschrift
(n* 2497), sein Schwiegervater Philophron, S. des Kephisokles, aus Halai
hat ein Grabdenkmal {Co7ize 714).
OlvocfiXog] Maveargdtov Ilaiovidrjg (s. Beiträge z. alt. Oesch. 1905,
S. 283 u. seinen Vater oben II « 864).
Ath. Mut. XXIX 244, Reiche:
'^QXiötgavog MvtjijaQx'äov 'OrQvvevg : der Vater ist vielleicht mit dem
Trierarchen im 356/5 (11'-* 794 d, 103) MvnaaQxidng — identisch. (Man
ist wohl berechtigt, Mvriaagxidr/v Vrgvvia hier zu ergänzen, was der
Buchstabenzahl entspricht).
ITovkvriwv IloXvxUovg, wahrscheinlich wegen des ungewölinlichen
Namens ein Enkel des Pulytion (P. ^.12 154), der reich war.
NiXoötgaTog Nixiddov Ahfiovfsiog ist rapiiag rijg {y^ov 340/39.
Xaigmnog AlroxUovg llt&Bvg in einer Freilassungsurk. 11- 774 (v^l.
Kirchner, Ath. Mitt. XXIX 252), ebenso sein Sohn AvToxlr^g (An. Brit.
VIII 225). Derselbe scheint auch in den Seeurk. U-812a 127 als
Trierarch verzeichnet gewesen zu sein, wo man berechtigt ist idrrJoxA^
[^ni\ß'{Evg) zu ergänzen.
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 11
QQaövxXriq 0QaavkXov jdexekevg: sein Bruder GgäavXXog GgaavkXov
/l€x, ccvi&r]XBv xogr^T^v viKijoag 320/19; ein Sohn von diesem wieder
Agonothet 271/70.^)
Xagiag 'Egiiuog kommt in der Rechnungsablegung der iniöxuxai.
'EXtv6iv6&ev als Bauunternehmer vor (II * 834 add. b. col. II 60) und war
wohl reich (vgl. Scherling, Quibus rebus singuJorum Atticae pa^orum
incolae operam dederint S. 74: Intet' eos autem, qui ampüora negotia
habebant, cives inveniuntur, velut complureSf qui ruri habitant, ea vendunt,
quMe in fundis reperiebant).
Wohlhabende:
AvtoßovXog AvToaofpov ^vnaXtitTiog. Sein Sohn Autosophos hat
ein Grabdenkmal {C(mze 1048).
Xatgr,Tiog Xaigifikvovg Ili&ivg gehörte einem Kreise vornehmer junger
Männer an (Dem. LIV 31, Schät B. 250).
Bgäauiv Qgaavfiijdovg lävaxauvg. Ein OgaavfirjStjg aus der Phyle
Hippothontis ist imaTaxtig ngvxavitav (11^ lld), wahrscheinlich der Vater
von diesem Prytanen. Ein Nachkomme BgaavßirSfjg 'AvaxauCg ist Thes-
mothet 228/7; die Familie scheint übrigens zahlreich und bedeutend
gewesea zu sein.
IP995 u. 11* 995b,«) Reiche:
AvT]ix[Xildrig — ] Kri<piauvg, Diese Ergänzung Z. 1 scheint zutreffend
zu sein, und somit wäre der Prytane hier mit dem Trierarchen um 356/5
identisch (vgl. P. A. 1048).
2a)xgdtr^ *Avayvguaiog: sein Grossvater Strateg 441/40; also die
Familie reich.
I^ixoaxgaTog 0rjyaiivg. Derselbe in 11*947, welche Urkunde ein
nach Demen geordnetes Verzeichnis ist, vielleicht auf den Steuervorschuss
bezüglich (Larfeld, Haudb. d, gr, Epigr. II 177).
'AvTi(pccvT]g <I>fjyauvg: der Sohn Euthydikos ist Trierarch um 325/4.
1) Das Stemma stellt sich folgeDdermassen heraus:
Ggdavilog (I)
(II «948. 1247. Ath. Mitt. XXIX 244)
eQa6v%kft$ (I) B9dövU.oi (II)
Ath. Mitt XXIX 244 II «948. 1247. (1292—93)
B^a6vxkfi9 (II)
II • 1292—93.
2) Ich ziehe hier zu den PrytaDenverzeichnissen einige Listen hieran, die als solche
Ungewissen Charakters gelten, die aber wohl als Prjtanenlisten angesprochen werden
können. Die Zahlen der Mitglieder der rerschiedenen Demen entsprechen nSmlich
den Zahlen der in den PrytauenTenseichnissen aufgeführten Prjtanen (ygl. unten),
wobei zu bemerken ist, dass auch in den PrytaDenTeneichnissen eine Verschiebung
gegen früher zu erkennen ist. Ebenso kann es keinen Anatoat mehr herrorrafeni daat
man einige Reste von Buleuten Terzeichnissen aus oielifereii Fkyleii haXf aeitdiai ein
solches von dem ganzen Rate vorUegt (^M. MüL XXULSMX MmIi KAte gahdren
die beiden Yeneiclmiwe oben derselben Liste am u - * %
12 J, Sundwally
Wohlhabende:
'EnaivtroQ 'AvvKfiXav Ktj^aitvg in einer Grabinschrift U^ 2171b.
^tXwvidfig IlBgyaoij&tv: die Tochter Philotion in einer Grabschrift
11^ 2469.
üvgylwv ITvgyiwvog ^OvQWivg. Sein Vater ist inoygafifiatidg ägx^'^i*'
Tovog c. 408, er selbst hat ein Grabdenkmal „fragmentum stelae mar-
moris" 11« 2400.
112996,0 Reiche:
'j4QiaTüg>avrig 'AgiavoßiijSovg 'J^tivuvg, ein Neffe des bekannten Staats-
mannes Aristophon (vgl. Kirchner, Beiträge z. alt. Oesch. III 168). Sein
Vater war rafiiag iegaiv xQW^'^^^ 400/339 (P. A, 2011).
— Soigog JSuixv&ov Kugiddtig ^ sein Bruder rafjiiag xwv &kX(av &ewv
376/5 (s. P. a'. 12 790).
^at(s[noöiag flBigaievg], Wahrscheinlich der Strateg 415/4 , wenn
die Konjektur richtig ist (s. P. A. 8963).
'A9riv[innog Ilugaitvg']. Ein Sohn wäre JSavglag 14&. TL in einer
Freilassungsurk. (11« 773).
Wohlhabende:
Nixoavgavog Nixoatgätov Kugidör^q in einer Grabinschrift 11» 2126.
^ikfüviSng [ ^dwtddov Utigaievg] in einer Grabinschrift 11 ^ 2460.
IP997, Reich:
Qeoyivfig Qgidöiog ist tafilag leg£v xQWdtüiv 403/2.
Wohlhabend:
Ev\tpdvng ^igxirov 0vXdaiog: sein Vater ist /legxivrjg ^vkdotog^
ymgyog Aristoph. Achar. 1028 (P. A. 3245).
B. a H. XXin352, Wohlhabende:
AixoßovXog Avtoaotpov 2vnaXritTiog (s. a. 0. Ath, Mitt. XXIX,
S. 244).»)
XcugiYivng Al^tüvivg: sein Sohn ist Itgonoiog 320/19, muss also ein
Vermögen von mehr als 2000 Dr. besessen haben.
IP1006,«) Reiche:
— ng 'AvTixktovg [MüLirfvg]. Wenn die Ergänzung des Demotikons
richtig ist, ein Verwandter des Neoptolemos, S. d. Antikles, der sehr reich
war (vgl. P. A. 10652).
1) Über die erste Kol. vgl. Kirchner, Rh, M. LVII 476. Die Träger der elf
Namen in der zweiten Rol. können nur einem grossen Demos angehören, also entweder
Piräos oder Eleusis, wahrscheinlich dem ersteren, weil auch sonst schon mehrere Namen
für den Piräos nachgewiesen sind. Z. 13 ist wieder *E[X€ci,6aiot] zu ergänzen.
2) Das Verzeichnis kann wohl nicht älter als ung. 375 sein, weil 'A. noch
335/4 Frytane war. Die Z. 1—3 Verzeichneten sind wohl dem Demos Phlya zu-
zuweisen (vgl. TIoXv^Lvriörog 'Agiiiv/jarov 0Xvevg),
3) Ich ergänze im ersten zur Kekropis gehörigen Teil A. folgendermassen : die
Z. 3—7 erhaltenen Namen gehören offenbar dem Demos Melite an wegen der Möglich-
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 13
'A&T/voSwQog d — \Müxxn4\ wird einer reichen Familie angehören
(s. P. A. 274).
'AgiöTOfitdfjg ^A^ararptoVTos 'AC^nvMfQ, Sohn des Staatsmannes Aristo-
phon, Trierarch um 356/5.
Alaxgaiog [ — ^Xvtvg], (s. P. A. 372) aus einem alten Trierarchen-
geschlecht (P. A. 9238).
Wohlhabende:
AfiiAoq>iXov [üiXixtvq']: ein Nachkomme 'Egiwtog Jtjfio-
(piXov M. inidmxi 232/1 (P. A. 5082).
[Arifioargarog] ^AvÖQoa&ivovg [Svnnaiwv]. Ich ergänze auf diese
Weise die erste Hälfte der Zeile 6 des A. nach P. A. 3626, was auch
gut damit stimmt, dass der obige in Piatons Testament 348/7 als Grund-
besitzer erwähnt wird (Diog. Laört m 30).
y4lv]iag ^uy — 'Afia^avtnivg, ich ergänze SO nach Alviag *Afia^avttvg^
Thesmothet 223/2 (P. A. 297) und vielleicht Enkel des obigen.
Diese Ausführungen stelle ich in einer Tabelle S. 14 zusammen.
Wir können nach dieser Tabelle sicher behaupten, dass die Zahl
der reichen Bfirger im Rate erheblich grösser gewesen ist, als früher
angenommen wurde. Statt ungefähr dreier Reichen auf jede Phyle haben
wir, so wenig wir auch von den persönlichen Vermögensverhältnissen
der Athener wissen, doch wenigstens 5 für jede Phyle festgestellt, oder
50 im Rate.
keit der Identifizierung mit gesicherten Namen; die Z. 17 — 18 wieder dem Demos Fhlya
(P. A. 372). Weil Melite einer von den grössten Demeu von Attika war, iit an-
zunehmen, dass von Z. 3 — 15 die Mitglieder aus Melite verzeichnet waren und Z. 16
^Xvi^g stand. Der erste Teil der Z. 6 gehörte den StmtTai6vt9 (vgl. unten). Der
T(>il A. dieser Inschrift sieht folgendennassen aus:
KtxQonldog
— — — [MeXitii]s
[. .. .]rig 'Avti*liov(s)
[Svnfrai6vts] \^Ad'riv]6d(OQog J[ri ] r»
[JrHi6axQaxos] 'AvSgoad'ivov r[, .]iXivog Evd'v\ — — ]
— — — — — — — — ipto — J]ri ftoip l[Xo v]
— — — _ — 10
— — ——— — — 15
AlaxQat[og — — — —
0ov[yivrig — —
•E[
14
J. Sundwall,
Inschriften u. Datum.
Reiche.
Wohl-
habende.
Zahl der
erhaltenen
Namen.
Phyle.
II« 864
V,4Jahrh.
4
6
49
Leontis
n«865
400—388.
4
1
c. 15
Pandionis
n«866
V«4Jahrh.
1
2
c 4
Kekropis
n9 867
378/7.
(1)?
—
c. 6
Akamantis
n*868
360/59.
5
6
50
Oineis
n 5 868 b.
c. 350.
3
5
c. 15
Oineis
n«869
c. 350.
5
2
50
Antiochis
118 870
c. 350.
3
5
31
Aigeis
II« 871
348/7.
1
1
5
Pandionis
n6 871b.
k. n. 350.
5
5
44
Pandionis
II« 872
341/40.
5
4
48
Aigeis
n*872b.
400 350.
1
2
5
Leontis
II« 873
V. 307/6.
3
4
27
Pandionis
Ath. Mitt. X 106
c. 330.
1
3
17
Leontis
AtLMitt. XXIX 244
335/4.
—
—
6
Erechtheis
n
V
1
—
8
Aigeis
n
n
1
—
7
Pandionis
n
n
1
11
Leontis
n
n
1
—
9
Akamantis
n
n
—
—
8
Oineis
V
n
1
2
6
Kekropis
n
n
1
1
7
Hippothontis
n
y?
—
—
3
Aiantis
n
n
—
—
4
Antiochis
n«995
400—350.
2
2
c. 15
Erechtheis
IP995b.
400—350.
2
1
c. 14
Aigeis
11*996
400—350.
4
2
c. 20
Hippothontis
n«997
400—350.
1
1
5
Oineis
B. C. H. XXm 352
375—50.
2
12
Kekropis
n»1006A.
c. 350.
3
2
c. 5
Kekropis
n»1006B.
c. 350.
1
1
11
Hippothontis.
Mit diesem Ergebnisse steht durchaus im Einklang, was aus einer
Zusammenstellung der Buleuten hervorgeht, so weit sie uns aus der
Überlieferung und den Psephismen der Zeit von 360—322 bekannt sind.
Es sind im Ganzen folgende:
357/6. JioTiuog OivaJog, kniövccTt^g nQoiägwv U^ 62.
Mekrjaiag !/4kai€vg, imaxavrig ngoidgutv 11^ 63 (vgl. P. A. 0811).
Derselbe ist tafiiag rr^g &bov 334/3 (?) (11 ^ 739), also reich.
356/5. 'AoiaroyHTwv ^tjyanfg, ngoBÖgog Ditt. Syü:- 115, 6.
Mvtjaag^og , inKSTavrig ngoidgwv II * Add. ijij b, 6.
Epigraphische Beiträge zur sosial-poütischen Geschichte Athens. 15
'ÄQxias Xokagyevg (Schäfer, Dm. I* 357). Wird von Dem. (XXH 40)
als irnuxrig bezeichnet.
'Avdgotiaiv "AvSgwvog Fagyi^xi^ (s. zu P. A, 915), unter den Schülern
des Isokrates, zu denen zu gehören schon 2000 Dr. kostete, von Dem.
als nXovaiog bezeichnet (XXIV 112), scheint ziemlich reich gewesen zu
sein (vgl. das Dekret von Arkesina B. C. H. XII 224 f, wo das Kapital,
das Androtion den Arkesinäem ohne Zinsen verleiht, sich auf 1 Tal.
4 Minen beläuft).
^iXtnnoii (Schäfer, De^n, 1*357).
'Avxiyivni: (Schäfer, Dem. V- 357).
355/4. rXavxivti^ ^&tv hmax. ngoiSg. 11 ^ 70.
354jf3. Qdggrj^ jiafAnvgsvg an, ngoii. II* 71d. Wahrscheinlich der-
selbe, den Eubulos anklagte (Schäfer, Dem. I« 197).
353/2. 'AgiöToxgccTtig , Antragsteller des Dekrets für Charidemos
(Schäfer, Dem. I* 421). Ob er mit dem Trierarchen c. 342 Aristokrates
aus Lamptrai identisch ist (vgl. Schäfer, Dem. IM21, A. 5), ist völlig
unbestimmt, nur scheint er ein gewisses gesellschaftliches Ansehen ge-
nossen zu haben (Schäfer a. 0.).
352/1. *AgxB(pdiv Aa^nxgm (11« 104 a).
349/8. 'AnoXXoSiagog Ilaalwvog ^Axagvivg (Blass, Att. Ber. ITI« 1, 316)
brachte im Rate einen Antrag über die Festgelder ein. Er erbte un-
gefähr 40 Tal. (s. Boeckh, Staatsh. I»564).
2(üxig8rjg *AXauvg in. ngo. II « 107 b.
347/6. Jtjfioa&ivfjg JijfAOö&ivovg Uaiavigvg (Blass, Att. Ber. III* 1,
330). Sein Vermögen beim Beginn der Vormundschaft betrug 10 Tal.
(Beloch, Hermes XX 250).
Tifiagxog ^Agi^rjXov ^Lq^titnog^ erbte ägyvgiov ovx oXiyov und ver-
kaufte Grundstücke für mehr als ein Talent (Boeckh, Staatsh. I«301).
0iXoxgaTf]g 'Ayvoiciog. Nach Dem. XIX 229 „Aomo libidhwsus et
luxuriosus^ (P. A. 14 599), muss also ein gewisses Vermögen gehabt haben.
Qio^iXog 'AXifiovaiog, kn. ngoiög. 11* 109, 11 « 109 b.
346/5. MvfjaixXijg KoXXvt^vg (II« 803 c. 162). Dun ist Pantainetos
ein Talent schuldig (Schäfer, B. 201).
EvßovXidfjg 'AvutflXov'AXifiovaiog (Schäfer, B. 257) ist ein angesehener
Bürger, der kv agyitf lebte (vgl. Haussoullier, La vie municipale en Attique
S. 42).
343/2. Juvoaxgatog JuviaSov *AyxvXf(&w (Ditt Syll."^ 495).
€>av68fjfiog JivXXov OvfiaitäSfjg (Ditt Syll* 495), der Atthidogi*aph,
der die Kultusangelegenheiten gefördert zu haben scheint, wozu es
sicherlich eines gewissen Vermögens bedurfte (vgl B. C. H. XX 676
u. unten).
Kri^iaoqiwv KaXXißiov üaiavuvg (Ditt Syll.^ 495), au8 einer reidm
FamUie (Stemma P. A. 8415), der Vater Trierareh vm^ 877y
t§w AvtiXQatovQ Uap^mtwlm Q^
16 J. Sundwall,
EvSo^og QtttyytXov 2vnaXiixxiOQ 11^ 114 B. Vielleicht derselbe Dem.
Ep, in 31, wahrscheinlich reich.
BgaxvXXoq Ba&vkXov Egxi^m (11^14 C 9).
XaQixXiiSi^ üaiavuve in. ngoidg. (11^ 114 b, c).
341/40. "ÄQiaxofiaxog ^ Otov hn. ngoidg. HU 16.
c. 340. 0iX68fiiiog jivroxXiovg 'EgoidSfjg (11^» 117 b), Trierarch um
334/3.
340/39. 'AvSgoxXfjg og. Proedr., Rev. d. 4t Or. XHI 166.
338/7. YmgelSrig FXavxinnov KoXXvtevg (Schäfer, Dem. 11 « 563) ist
mehrmals Trierarch.
337/6. 'AvTKfdvfig Evatvvfiivg ^^. ng. (ü* 124): ein Enkel desselben
Namens unter den attischen Bürgern, die zur Besatzung von Eleusis als
onXJtai herangezogen waren, algB&sig inl ava&^aiv üxovog (11^ 614 b, 89).
Ev&vxgättjg JgaxovriSov 'AfpidvaJog (11^ 125, 126) ein Nachkomme
des Drakontides aus Aphidna, der zu den Dreissig gehörte, ist km-
fiiXfiTTig Twv fivGxrigifav 329/8 (ET* 834b); sein Enkel ist Proxenos von
Oropos in 3. Jahrh. (P. A, 4545). Die Familie war also reich.
KxYiatffwv (Schäfer, Dem. III» 83).
336/5. 'Ayaaiag (II^ 128b).
c. 334/3. Ji6q>avTog ^gaaixXaiÖo u Mu^^ivovaiog {U* SOiB, 41) Trie-
rarch c. 326/5.
334/3. HyiiAaxog Xai^fifiovog HBgi&oiSm (n«563b).
333/2. eeoyiXog ^nyovöiog hn. ngoiS. (ü* 168).
'AvvidoTog 'AnoXXoSdgov 2vnaXriTXiog (11^ 168).
^avoargarog ^iXatdi^g kn. ngoiS. (ü» 168).
Nixiag Orjfiaxuivg kn. ngoidg, (U^ 169b).
332/1. Nixoavgavog Konguog in. ngoiSg. {IV 173, 174; IP 173b).
'Emxotgm 'Ayvovaiog hn. ngoiäg. (Ditt. SylV 638).
331/30. ^avo^ayog Atoavog Kväa&rjvauvg in. ngoidg. (II ^ 175).
/Iwgo&Bog 'AXauvg (11* add. 175 b). Nachkomme eines Choregen aus
dem Ende des 5. Jahrh. (P. A. 4602).
329/8. KrjyiaodoTog Evagxiäov 'Axagvivg (11^ 179 b, 11), i^BtaaTtj^
298/7. Sein Grossvater ist K. "Ayagvtj&iv xi&agurrr^g (P A. 8326).
/Sri(i6(fiXog /IriiAOfpiXov Axagvetg (11- 834 b). Sein Vater ist Trierarch
gewesen.
/trjßioxdgrjg 0XvBifg in. ngoiSg. (Ditt. SylV^ 639).
328/7. 'Eniyivfjg 'EgoidSm in. ng. (11^ 178 b).
327/6? ^Xevg Ilavaonflov Oivaiog (IlM79b), als itgonoiog 336/5
bekränzt.
325/4. 0iXvXXog 'EXavalviog in. ngoiög. (IIM79b), ein Nachkomme
des gleichnamigen vafilag r^ &bov 418,7; vielleicht ist die Familie
noch reich.
'AXxlfiaxog iy Mvggivovrrtjg (11- 809 b).
c. 324/8. üoXvtvxTog KaXXixgdxovg 'Eauaio&Bv HI Sllc 104).
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 17
323/2. 'Hymag MuQa&üvioQ kn, ngoiSg, (Eq). a{)X' 1898, 8 nr. 3).
'£nafiBivü)v kn. ngoidg. (11^ 231b).
Tifioargarog kn. ngoiSg, (11^ 181).
c. 350. 'AgiöTUiv negyaa^&ev in. ngoiäg, (TI* 83 b). Sein Sohn
Aristeides ist raiiijxg rijg &iov (II « 724), also reich.
333—22 (n« 184 b, vgl. Ditt. Syll^ 496, 13).
üokvevxTog Kvdavriöfjg^ der bekannte Staatsmann, war wahrschein-
lich reich (vgl. P. A. 11947: „Propter rogationern de agro sacro Oropio
lutam pecunia multatus^).
^iXiag 'AvTi^yivov TlaiovlSfjg^)
*AnoXl6dü)gog EvxTtifiovoq nxAidaiog,
Xaigeqxivfig JSfptJTViag.
'Enixgdttjg Fkavxutvog ^A<piSvaiog,
ECvofiog T o . Evtavvfitvg.
^vßagivfig FagyriTTiog.
AiToa&ivm EvxXüdov Svnnaiwv (P. A. 2759).
^AfiiavTog AvgiSfig.
^iXoorgarog ^iXwrddov TlaXXtjvivg: sein Urgrossvater iXXtjvorafjiiag,
die Familie im übrigen im Staatsleben tätig (P. A. 14926).
Fvoiaiag Xaigi^fiovog Kvda&ijvauvg.
V. 330/29. KaXXiargatog Gogixiog (11*807 c. 10), auch kmardrtjg
Bgavgwvlov 367/6.
V. 322/1. Jfifjiiag i:qn^xTiog (II« 1347).
eiOfUvrigVfi&BV (n»1347) äfupixvvopivwv iv //^X(p {B.C. H. VIII 305),
also wahrscheinlich ziemlich begütert.
Jioq)otvYig Kfjffiaiivg (11' 1347).
KttiCixXfig Barij^Bv (U^ 1347).
Von ungefähr 73 verzeichneten Buleuten können wir also wenigstens
23 für reich halten.
Ich verbinde hiermit noch eine entsprechende ITntei-suchung über
den wichtigsten Beamten des Kats, den Ratschreiber, ygafjtfAanvg xatd
ngvxavHav, über den wir aus den Inschriften sichere Kunde erhalten
(vgl. das Verzeichnis bei Ferguson, The Athenian Secretane.^),
359/8. — innog ^fnxv&ov KugidSrjg. Ein Bruder ra^iag rwv SXXwv
&iwv 376/5 (II« 672).
357/6. JiodoTog /lioxXiovg 'AyytXijt^iv. Sein ävitfjiog^ JioxX^ /tto-
nd&ovg 'Ay.j Trierarch um 358 (P. A. 4010). Ob KaXXiaxgdvri JioxXiovg
'Ay. eine Schwester des letzteren oder eine Tochter des /ersteren ist
(11*2288 in epistylio aediculae marm. Peiit.), ist nicht zu entscheiden.
Auf jeden Fall ist wohl die Familie reich.
349/8. JievxTjg Jr^fidg^ov 0g€dggiog einer berühmten Ärztefamilie
angehörig.
1) Vennutlich derselbe ADtragssteUer II* add 280 b 4>aiag 'Av—,
8andw»ll, Epfgnphiteho Baitrlge sar SosialpoUtik Athmu. 2
18 J. StmdiffälL
347/6. AvalfiaxoQ ^axnSi^fiov 'Axagvivg: ein Verwandter ist Archon
339/8 (P. A. 9480).
346/5. Kt3(piff63a)Qog 'Ad-fjvotpavovg (PAr«ii. Seine Frau auf einer
Grabschrift (ET* 2239, tabula alta marm. Pent. cum aetomate).
343/2. KkBonrgaTog TifAoa&ivovg jiiyiXimig. XoQviywv Mxr/aBv um 350
(11» 1282). Der Vater war ein reicher Geschäftsmann (Dem. XLIX 31).
340/39. "Affnerog JtjfioaTQciTov Kv&^f^iog. Der Sohn Demostratos
Trierarch um 325/4.
324/3. Jioyvn^og ^gvvuivog Pafivovaiog; sein Vater, unter den
Makedonischgesinnten, sandte ihn zum König Philipp, um ihn an seinem
Hofe erziehen zu lassen und scheint im übrigen reich gewesen zu sein
(vgl. P. A. 15032).
Von 27 als Ratschreiber bekannten sind also unseres Wissens
wenigstens 5 aus reichen Familien.
Das Ergebnis der bisherigen Ausführungen lässt sich folgendermassen
zusammenfassen. Rechnen wir im Durchschnitt auf jede Phyle die Zahl
von 5 Reichen, die wir festgestellt haben, d. h. von 50 im Rate, so
hätten dort die Besitzenden überhaupt, deren es rund 9000 (s. zu Beloch,
Hermes XX 240) gab, nach der Gleichung 1200: 50 = 9000: x, durch-
schnittlich 375 Stimmen gehabt. Ich bin weit entfernt, diese Zahl anders
als ganz annähernd anzunehmen. So viel erhellt jedoch immerhin daraus,
dass ein unzweifelhaftes Übergewicht den besitzenden Elementen im Rate
zukam. (Dass wir nicht noch mehr wohlhabende oder reiche Bürger nach-
weisen können, beruht auf der Spärlichkeit unserer Überlieferung.) Ein
massenhafter Zudrang der ärmsten Schichten der Stadtbevölkerung ist
auch schon ausgeschlossen durch die proportioneile Vertretung der Demen.
Und wie unten gezeigt wird, haben die Besitzenden ein entschiedenes Über-
gewicht in Demenangelegenheiten. Ebenso haben die Tagegelder nicht
so sehr dazu beigetragen den völlig Mittellosen die Bewerbung um die
Ratsmitgliedschaft zu ermöglichen als vielmehr dem Mittelstande zur
Entschädigung und Aufmunterung gedient.
2. Die Strategen.
Wir leiten nunmehr die Untersuchung auf das Gebiet des an-
gesehensten athenischen Amtes hinüber. Damit scheint in einem gewissen
Zusammenhang die Frage zu stehen, wie die Wahl der Strategen sich
vollzogen habe. Aristoteles nun sagt in 'AO-.nol. § 61, 1: y^xuqotovovci
8i xai rag ngog tov noXifjiop icQxccg änaaa^f atgatfiyovg dixa^ ngovigov
fiiv cUp <ixatf riTff t^> tpvktjg tva , vvv 6* ij andvtwv^ ; doch kann dies
nur für die Zeit der Abfassung seiner Schrift zutreffen, d. h. die Zeit
kurz vor 329— -5, denn wie Schoemann-Lipsius*) bemerken, stellt nach den
Strategenlisten bis in die Mitte des 4. Jahrh.*) jede Phyle meist nur
einen und keine Phyle mehr als 2 Strategen, also kann bis dahin keine
Wahl il änavTutv stattgefunden haben. Dasselbe Verhältnis kann man auf
der S. 21 folgenden Strategenliste konstatieren, wenigstens bis 335/4, da-
gegen ist es auffällig, dass wir 823/2 vier Strategen aus derselben Phyle
haben. Wie hat sich nun der Wahlmodus bis dahin entwickelt? Wir
müssen annehmen, dass die Wahl der Strategen überhaupt in einer der
folgenden drei Formen geschehen ist: 1. Jede Phyle erwählte ihren
Strategen aus ihrer Mitte durch Abstimmung; 2. Das ganze Volk wählte
die Strategen, einen aus jeder Phyle; 3. Das ganze Volk wählte die
Strategen kl änavrwp. Unzweifelhaft hat sich die Wahl nach der ersten
Form in den ältesten Zeiten vollzogen, wie es uns Aristoteles bezeugt in
'A&. noX. 22, 2: „Irreira rovg argar^ovs ygovvvo xatä (pvXdg, ^ ixamtig
<r^> q>vXr}g Iva".*) Darüber sind jedoch alle einig, dass dieses Verfahren
nur bis die Mitte des 5. Jahrh. bestanden hat. Für die ganze folgende
Zeit von 441/40 bis 335/4 können wir feststellen, dass in der Regel eine
Wahl von einem Strategen für jede Phyle vorgenommen wurde, dass
aber auch manchmal eine Phyle 2 Strategen gestellt hat. Wir können
1) Gr. AU. I*i57a, 2.
2) Bei Beloch, Att, Pol 289 ff.
8) iifoiivto xora tpvldg ift lo su venteheD, dau die Phylen anter sich gewShlt
haben, was auch nach Beloch (Att. Pol 279) für griechiiche Begriffe das Natürlichste
war. Nach Hemnann-Thamser {Lehrb. d gr, AU. I« 602 u. Anm. 2) Itot sich aSffiaig
fBr die Wahl der Phylen, xtiQotopla für die der Volksreisammlung als gebräachUcher
2«
20 J. Sundwall,
somit annehmen, dass nunmehr derselbe Wahlmodus, wie für die Helleno-
tamiai*) und andere Beamte üblich wurde. Hiermit stimmt auch am
besten Xen. Mem. HI 4, 1. Aristoteles' Worte /^i9-. nol. 61, 1 beziehen
sich gerade auf diesen Modus und bestätigen damit, dass er die Regel
war.-) Im Gegensatz dazu stellt er vvv S' i5 inavrtov, womit er eben
angibt, dass kurz vor 329 — 5 eine Änderung im Sinne der dritten Form
eingetreten ist. Die Ursache liegt offenbar in der Umgestaltung der Kompe-
tenzen der Strategen, wonach diese für verschiedene Verwaltungskreise
gewählt wurden, wie Aristoteles *Ad: noX. 61 uns berichtet. Diese waren
schon für 5 Strategen gebildet, als Aristoteles seine Schrift verfasste.
Der Zeitpunkt, zu welchem die dritte Form eingeführt worden ist, muss
folglich z\^ischen 334 und die Abfassungszeit der Politeia (329 — 5) fallen.
Auch die Inschriften lehren, dass die Ausbildung der Spezialkompetenz für
die trierarchischen Symmorien erst nach 334 erfolgt ist (II* 804 A. Z. 63);*)
von den beiden Strategen für Munychia und Akte haben wir keine Be-
lege vor Aristoteles; 6 knl rovg onkirag und 6 knl <pvlax^v rijg x^P^S
sind schon in der Mitte des 4. Jahrb. bezeugt, jedoch geht aus den In-
schriften und den Rednern hervor, dass diese Posten nicht gleich bei der
Wahl bestimmt wurden, sondern das Volk einigen unter den erAVählten
Strategen besondere Aufträge gab.^) Ob die oben besprochene Reform
Lykurgos zuzuschreiben ist (Droge, De Lycurgo Athenieim pecuii'mrum
jmblicarum administratore S. 41) ist völlig ungewiss. Wenigstens hat
er nicht das Amt des rafiiag GxQavmxixuiv , während der Zeit von
338—30 bekleidet.*) Möglich ist jedoch, dass er daran beteiligt war,
1) S. z. SchoemanD-LipsiuB, Gr. AU, I * 453.
2) Vgl. auch Wilamowitz, Arist u. Athen II 108; Hauvette-Besnault, Les straihges
AtJUniens S. 29: ,i7 faut remarquer enfin que, si les inscriptions et les tcxtes foumis-
sent plusieurs exemples de deux strateges appartenant ä 1a m^me iribuj nous ne trau-
vons pas une seule fois deux tribua ayant chacune detw. strateges dans 1a meme annee.
Cette remarque permet, ce me sernhle, d'affirmer — que les faits contraires ä ccttc regit
doivent s^expliquer par la Situation e^ceptioneUe (Vun personnage dans VEtatj ou par
des circonstances extraordinaires que nous ne pouvons pas apprecier. jyune maniere
generale f an petU dire que Vhahitude de repartir egalement les chargcs de strathges
entre les dix tribiis fut conservee pendant toute la periode classiquc* Ed. Meyer
[Gesch. Ali. III 348) spricht die Ansicht aus, dass das gesamte Volk im 5. Jahrh.
nicht in den Phylen, sondern nur für die Phylen die Strategen erwählte. Er unter-
scheidet aber nicht den 1. und 2. Wahlmodus.
3) Lipsius {Das Attische Recht und Rechtsverfahren I 112 A. 230) scheint an-
nehmen zu wollen, dass der atQatriybg int tu^ ov^uoQiag naeh 330 zu datieren ist,
weil alle Strategen noch fiir die Symmorien der Eisphora in der Rede gegen Fhainippos,
welche um 330 gehalten wurde, tätig sind. Aus den Worten des Aristoteles ergibt
sich jedoch nicht, dass dieser Strateg bei der Schätzung für die speziell als Kriegs-
steuer zu charakt<Ti8ierende Eisphora, sondern nur, dass er bei der Ernennung von
Trierarchen und in den daraus entstandenen Rechtsfällen tätig war. ,
4) Spangenberg, De Atheniensium publicis imtituiis aetate Maccdonum commu-
tatk 1884, S. 48.
5) Beloch, Gr. Gesch. III 1, S.' 56 Anm. 4.
Epigrqphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 21
>1elleicht als ausserordentlicher Kommissar (vgl. das Ehrendekret des
Stratokies: ;|fei^orovi;(9'€iff knl xr^v xov noliuov naQaaxtvfiv önXa fiiv
TioXXcc xal fleldiv fivgiadag nivre ävifveyxiv ilg ti}v äxgonoXiv Vit X or.
841c), ebenso ist die Mitwirkung des Demades, der 334 — 30*) vafiiag
argaTtwTixwv war, nicht ausgeschlossen.
Nach Erledigung dieser Frage stellen wir uns die weitere, welche
Schichten der Bürgerschaf t ., das Strategenamt vorzugsweise bekleidet
haben und welche Bedingungen den Bürgern bei Bewerbung um dies Amt
gestellt wurden. In der Verfassung des Kleisthenes wurde an dem
Grundsatze festgehalten , dass tiür Bürger der 3 höheren Klassen zu
einem Amt gelangen konnten.*) Von dem Prinzip, nur bemittelten Bürgern
das Strategenamt zu übertragen, ist man wohl auch nicht abgegangen,
nicht einmal während des 4. Jahrh. unter der kaxart] SrifioxQaxia (vgl.
Deinarch. In Demosth. 71 „yrjv kyrog ogfav xBXT^a&ai^). Die ärmsten
Bürger kamen also gar nicht in Betracht Aber nicht einmal der Mittel-
stand scheint irgendwie herangezogen forden zu sein. Hauvette-Besnault
(a. 0. 48) und Ladein-^ haben dieser Frage für das 5. Jahrh. einige Auf-
merksamkeit gewidmet und sind beide zu dem Ergebnis gekommen, dass,
wenn es auch nicht gesetzlich bestimmt wai^, doch das Volk die Strategen-
würde ohne weiteres den Reichsten und Vornehmsten übertrug.*)
Wie haben sich nun die Verhältnisse im 4. Jahrh. in dieser Be-
ziehung gestaltet ? Zum Zwecke der eingehenderen Untersuchung, die ich
(lieser Frage widmen will, habe ich die folgende Strategenliste für die
Zeit von 360/59 bis 323/22 zusammengestellt.
360/59. Tifio&iog 'ApacpXvüuog X.
Krj(pia6SoTog. •
[©«OTI/iOff].
359/58. Xaßgiag Allw^ug VIL
Mapxiag. 0pgixiog V.
357/56. 'Akxifiäxog ^Avayvgaaiog I.
Xdgt^ *AyyBX^&6v IIL
MeviuP IIoTU^iog IV.
1) Bdocb a. ().
2) Busolt, Or. Gesch. I1M30.
3) De Atheti. saec. a. Chr. n. V praetoribm 1882, S. 39.
4) Ladoiii macht freilich darauf aufmerksam, dass auch ärmere Bürger im
Strategeion gesessen haben, wie Lamachos, Phormion, Phrynichos. Von diesen wird
aUerdings Lamachos als 7rtt*rig erwähnt, weswegen er jedoch durchaus noch nicht
völlig „arm"* dazustehen braucht. Vgl. auch die Klage des Eupolis, djiss so oft un-
fähige und geringe Leute zu dem Amte gelangten, bei Stobai. Anth. XLIII 9 u. Athen.
X 25, S. 425 Anm. , wozu Hauvette-Besnault die richtige Erklärung gegeben hat,
dass dieses während des Peloponnesischen . Krieges stattgefunden haben kann: ,ati
temps ou le peuple vouhU avoir ä la Ute des troupes des hommes de son parti, fussent-üs
Sans fortune et sans naissance*.
22 J. Simdwall,
'ICif]Xi<fTi8fjg Qoglxiös V.
[Xaßgias Ma^svg] VII
'Iqfixgätijg 'PafAvovaiog IX.
JioxXfjg *Akvjnextj&6P X.
356/55. Xdgfjg 'AyreXn&iv III.
'Iq)ixgdTr]g *Pafivovötog IX,
MivM&tvg ^Fauvöimog IX,
Tifio&iog 'AvarpXvariog X,
355/54. Xdgfjg \4rr^X^^^v III
MilavfüKog Äl^wvevg VIL
354/53. \^ÄkxiiAaxog 'Avayvgdaiog'] I.
Xdgt^ *Ayyüifj&6v HL
353/52. [OgaavßovXog *Egxuvg] IL
Xdgtjg *AyyBlfj&€V HL
NavaixXfig Ofj&ep VL.
351/50. XaglStjfAog "Axagpivg VL.
350/49. 'Eq>idXtng.
349/48. Xdgng 'AyrsXtj&Bv LLL
'HyriaiXmg [HgoßaXimog? HL]
^wxiwv \^l(piaTiä8f]g? F.]
XaglSfjfAog 'A^agvivg VL.
MoXoTTog.
348/47. Xdgfig 'AryiXij&ep LLL
MoXoTTpg,
347 ? A Tov atgaxriyov (II » HO b).
347/46. Xdgtig Ayy^fi&Bv HL
0al8gog 2(frirTiog V.
Hgö^epog *A(fibvaiog IX,
345/44. 0iXoxdg7ig Kod'iaxidfig VL
344/43. ^axiwp \^I(fiaudSrjg F.]
^tXoxdgrjg Ko&wxiSfjg VL,
343/42. Xdofig Ayr^Xfj&ev LH.
/liomi&rig 2!ovvuig IV.
^iXo^dg^ig Ko&wxISrjg VI.
342/41. Aionud-fjg ^owiivg IV.
K^ffiüoiftüv 'Afpiävato^ IX.
341/40. Xdgfjg 'AyytXfi»iv HL
[Jiomi&ii'^ 2^ovvievg'] IV.
^uxiwp [*I(fiöTiddf3g F.]
Kf](fiöO(paiv 'A(pi8ifaiog IX.
Epigraphische Beiträge zur sozicU-politischen Geschichte Athens. 23
346 — 40. diQxiflog 'Ayvovaiag V.
340/39. XdQfig 'AyrBXft&Bv IIL
Jionii&9jg ^vvievg IV.
^WTciwv \^I(piaTid8rjg F.]
Ktifficotfwv 'A(fiSvalog IX,
339/38. XagtK 'Arrdifj»6v III
0wxliav ['Ifpiaviddrjg F.]
338/37. JiOTifios EvwvvfMvs I
Xdgrig *A/yüifj&Bv IIL
^tiixliav ['I(fiaTid3rig F].
Xagldfifiag *AxccQvn;g VI
NavaixXijg 'Oijd'W VI
JSTQaToxlfjg,
AvöixXriq,
336/36. ^wxlm [^Itfiattadrt: F.]
JuVOTlQÄTtli.
335/34. ^lOTifiog EvwvvfAivg I
QgaövßovXog 'Eg^uig II
XoQYiq 'AyyiXii&w III
^(axiw¥ {^I^iavuiSijg F.]
[^alSgog \Sp^Tiog] F.
Xagldtifiog 'A^agvivg VI
*E(fidlrfjg.
334/33. NavatxXfiQ Vn^iv VI
333/32. Mevea&ofg 'Pafjivovatog IX.
332/31. Xdgvg 'Ayrdifi&iv III
k. n. 330. Jrjfiddfjg Ilaiavuvg III
330 — 26. JwTifiog Evoivvfuvg I
329/28. 0iXwv.
326/26. egaavßovXog Egxim IL
Jiw^€t¥8gog.
326/24. 0iXoxXr}g.
V. 324/28. XdQtjg AryiXn&iv III
V. 323. JaxtiQ Ail^wvivg VII
324/23. JixaioyivTjg KvSa&tivauvg III
323/22. Jixaioyivng Kvda&nvaing III
AioKf äivf^g Ki(faXfj&iv F.
^alSgog JSfpjrtiog V.
24 Jl Sundwally
EUrtup JSff^iog F.
^ttxioi¥ ^IfpuniaSris F.]
Diesem Verzeichnis möchte ich noch folgenden chronologischen Anhang
hinzufügen:
360/59. Timotheos und Kephisodotos bei Bdoch, Att. Pol 319. Viel-
leicht ist auch Theotimos Strateg gewesen (Meyer, Gesch. d. Alt V 477).
359/8. Mantias aus Thorikos (s. z. Schäfer, B. 214); dag^en hat
P. A ihn 360/59. Chabrias (Schal, Dem. V- 161 u. P. A.) hat Beloch
nicht, sondern setzt ihn unrichtig in i J. 358 7.
357/6. Siehe zu Beloch, AU. Pol. S. 319.
356 '5. Chares (Il^add. 66 b). Iphikrates, Menestheus, Timotheos s.
Beloch a. 0.
355/4. Melanopos aus Aixone (n5 88e u. P. A,). Chares (Beloch,
Att. Pol. 365, Gr. Gesch. II 318).
354/3. Chares (P. A. u. Aisch. II 73). Vielleicht in diesem Jahre
auch Alkimachos aus AnagjTUs (Schal, B. 157).
353/2. CTiares (P. A. u. Köhler zu H* 795 f. 103—119). Nausikles
aus Oe (P. A, u. Schaf., Dem. I- 509, 4). Thrasybulos aus Erchia, viel-
leicht als Strateg (IP 795 f. 105, vgl. Köhler, Ath. Mitt. \T 27).
351/50. Charidemos (Schaf., Dem. U- 72).
350/49. Ephialtes (Didymos, Schol Dem. Papyr. Berl Kol. 13, 45, 47).
349/8. Chares (P. A, u. Schaf., Dem. IP 132, 1). Charidemos (Schaf.,
Dem. n« 140,1). Phokion (Schaf., Dem. 11^791, über die Zeit des
Zuges nach Euboia, vgl. Blass., Att. Ber. III- 1, 316), 45 mal Strateg ge-
wesen, also fast jedes Jahr. Hegesileos (P. A. u. Schaf., Dem. II* 85),
Molottos (Schaf., Dem. IV 84, 1).
348/7. Molottos (Schaf., Dem. 11-84, 1 u. P. .4.). Chares (P. A.).
347/6. Chares (Schaf., Dem. II- 179). Proxenos aus Aphidna (Schaff
Dem. IV 188). Phaidros aus Sphettos (IV 109j.
345/4. Philochares aus Kothokidai (Schaf., Dem. I«222).
344/3. Philochares aus Kothokidai (s. das vorige Jahr). Phokion
(Schaf., Dem. 11-^366, 1.2).
343/2. Chares (Schaf., Dem. 11*450, 4). Diopeithes aus Sunion
(P. A. u. Schaf., Dem. II - 452). Philochares aus Kothokidai (s. oben).
342 1. Diopeithes aus Sunion (Schaf., Dem. II- 453). Kephisophon
aus Aphidna (Schaf., Dem. IP 491 u. Anm. 1. Didjmos. Kol. I 17).
341/40. Chares (Schaf., Dem. ü-* 450, 4; 451, 2). Phokion (Schaf.,
Dem. IIM05, 3. Didjm. Kol. 1, 20). Kephisophon aus Aphidna (wahr-
scheinlich dieses Jahr, vgl. P. A. add.: c. MO), Dioj^eitlies aus Sunion
(wahrscheinlich auch dieses Jahr. Schaf., Dem. 11-482).
346 — iO. Derkylos aus Magnus (Ditt. Syll:^ 518, 2).
340/39. Chares (Schaf., Dem. IV 508, 1. 4). Phokion (Schaf., Dem.
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 26
ir^513, 1). Kephisophon aus Aphidna (Schaf., Dem. 11 «512 u. P. A.
add.). Diopeithes aus Sunion (Schaf., Dem. ET* 516 u. Anm. 2).
339/8. Chares (Schaf., Dem. IV- 557, 4. 5). Phokion (Schaf., Dem.
II- 530, 5).
338/7. Chares (Schaf., Dem. IV-böi, 1). Phokion (Schaf., Dem.
III» 25, 1). Stratokies (Schaf., Dem. H« 564, 1). Lysikles (Schaf.,
Dem. 11*564, 1). Diotimos aus Euonymon (P. AJ), Charidemos aus
Acharnai (Schaf., Dem. IH» 8). Nausikles aus Oe (Schaf., Dem. HI« 14, 3).
336/5. Phokion (Schaf., Dem. IH « 89, 2). Deinokrates (11« 808 c. 13).
335/4. Chares (Schaf., Dem. HI« 137, 2 u. Beloch, Att. Pol. 241).
Diotimos aus Euonymon (II* 804 B.). Ephialtes, Thrasybulos aus Erchia,
Charidemos, Phokion (Schaf., Dem. IH* 123, 3). Phaidros aus Sphettos,
vielleicht dieses Jahr (n« 804 B. a. 81).
334/3. Nausikles aus Oe (II« 804 B. b. 85).
333/2. Menestheus aus Rhamnus (Schaf., Dem. III« 175, 1).
332/1. Chares (Schaf. IH« 28, 1).
k. n. 330. Demades aus Paiania (Schaf., Dem. III« 192), vielleicht
nach dem Ablaufe seiner Wirksamkeit als tafilag ruiv argariwtixdiv.
330—26. Diotimos aus Euonymon kommt in II * 196 als Strateg
vor, wo seine Aufsicht über die Getreidezufuhr erwähnt wird. Diese In-
schrift setzt Kirchner') in das Jahr 338/7, Larfeld«) in die Zeit 330—26.
Zu demselben Amts jähre des Diotimos gehört wohl auch 11^ 180 b (vgl.
Larfeld a. 0., Anhang, S. 938). Larfelds Annahme scheint doch viel für
sich zu haben, weil wir mehrere mit II* 196 analoge Dekrete aus der
Zeit der grossen Teuerung 330—26 haben (vgl. nM79b u. II« 808 a,
Z. 37: fierd atQattjyov SgaOvßovXov ^EQxUtt^ hn\ r^v naQanofinfjv
TOV GITOV),
329/8. Philon (Ditt. %//.« 587, 180).
326/5. Thrasybulos aus Ercliia (ir- 808). Dioxandros ^I* 808).
825/4. Philokles (Schaf., Dem. III« 307) war mehr als zehn Mal
Strateg.
V. 324/3. Chares (Schaf., /)em. m» 307, 4).
V. 323. Laches aus Aixone (Beloch, AU. Pol. 326).
324/3. Dikaiogenes aus Kydathenaion (11« 811).
323/2. Dikaiogenes aus Kydathenaion (11« 811). Leosthenes aus
Kephalai (Droysen, Gesch. d. Hell, II 1, 45 u. P. A.). Phaidros aus
Sphettos (Schaf., Dem. UI« 367). Antiphilos (Schaf,, Dem. IIP 373).
Pliokion (Schaf., Dem. 111*^380, 3). Euetion aus Sphettos (Schaf., Dem.
lir^381 u. P. A.).
Nachdem ich so meinerseits eine Strategenliste aufgestellt habe, dehne
ich nunmehi- meine Untersuchung betreffs der Vermögensverhältnisse auf
1) Festschr. d. Fr, mih. Gymn., Berlin 1897, p. 90.
2) Handh. d. Gr. Epigr. II 101.
26 J. SumämaO,
aDe Ol» bduumten Strmtegeii des Jakridmderts asL (Über die Stntegea
400—360 T. Oa. s. zn Bdod^ ^«t fW. 295t)
Als Belebe and die Fdgeoden za bezeiduMB:
Sga&ißavlag jivxav ^m^utg, mebmiils Trienrdi (F. Ä^ 7310).
'AwvTO^ 'Aw&m4i0wogf nloC^icg ix flvpöcdt^tHzig (SAoL Fiat. Apol, 18 b).
lytxifarr/s Tifio&iov'Paftvawfiog. AngeUicb Ton nkdriger HerkmifL
Vielleicbi ist er jedocb frfib in eine gute VarmfigCBslage gekinunen, TgL
Plni. Apcphteffm. Ipkicr. Ip. 187 a: ^If^x^ai^s^ ioMmv vics ä^ai tfzvroro-
fiov^ 7canq>gowüto' So^aw iH ritt ngifwaw &rjf, ort tgawfuaiag nolhtiaw
äwSga fi^ra xiw SnXmw Kßhta avraoMaöag^ dg Tf[w itnrroC rgni^ ^ktitvc/-
x€P.^ Später hat er sich gnnse Beichtüm^ »ir(Hl)ai und sieh mit der
Tochter des Kotys verheiratet Sein Sohn Menestheos wird als Trierarch
erwähnt
Kovtaw Tifio&iov 'AvaylvötioQ^ ans Tomehmer nnd reicher Familie
(Beloch, Att. Pol; Plnt Solan 15). Sein Sohn Timotheos unter den reichsten
Bfirgem, s. unten.
Kalliag 'Insioplxov 'Ayxvi^&tp. Sein Vater ffipponikos, Sohn des
Kallias, nlovaiiiTaTog rw 'Elkn^mw (Andoc 1 130), er selbst ^famosus
ingenii sumptu'^ (P. A. 7826).
Xaßgiag Krrfiinnov Ailtnuvg^ zuletzt als Trierarch ums Leben ge-
kommen (Dem. XX 81). Sein Sohn Etesippos kommt mehrmals als
Trierarch in den Seeurk. vor.
üafi^dog KuftaJhjg, frfiher Znnagxoq und sehr reich. Seiner Tochter,
die er mit Mantias aus Thorikos verheiratete, gab er 100 Minen Mitgift
(Dem. XL 20).
'Ayvi^iog KoklvtBvg war in der Finanzverwaltung tätig und trat an
die Spitze einer Gesellschaft zur Pachtung des Zolls im Piräus (Andoc.
I 133. Boeckh, Staatsh. I^ 384). Sein Enkel, Kallimedon, ist Pächter eines
Bergwerkes (11« 780).
QgaavßovXog Ogdautvog KokXvrevg, von Lysias als Mitglied einer
alten, reichen Familie genannt (XXVI 21 f.).
/Ifllialvtxog JfjfAiov Ilaiavitug, ein Buzyge, yvkagx^v ivixa av&in*
naalq (U^ 1305 b). Die Familie überhaupt reich (s. oben S. 7).
Evvofiog: vielleicht derselbe unter den Schülern des Isokrates (P. A.
5861. Isokr. XV 93); über den Preis von 2000 Dr. für den Unterricht
dui'ch Isokrates s. oben S. 15.
KakXlötQatog KaXXixQatovg *Aipi5vaJog: seine Frau unter denen, die
der Artemis Brauronia Weihgeschenke darbringen (II- 758 B. Kol. II 17);
sein Sohn ist Trierarch (P. A, 8157).
Tifio&tag Kovußvog 'AvayXvötioSt einer der Reiclisten in Athen (vgl.
P. A. 13 700).
/ivtüxXfig 2:TQOfAfltxiSov Elwvvfiivg, aus einem alten Geschlechte, das
zu den ersten in Athen gezählt wurde (Beloch, Att Pol 94, 4). Sein
Vater und Urgrossvater mehrmals Strategen (s. zu P. A. 4386).
Epigraphische Beiträge zur sozicU-politischen Geschichte Athens. 27
Xagtis Gioxdgovg *Ayj^$k^&tv als Trierarch und Choreg bezeugt (P. A.
15292).
Adxm Adxnto^ Allwvn^, aus einer alten, vornehmen Strategen-
familie. Sein Bruder Melanopos wird von Demosthenes als nXovtfiog be-
zeichnet (s. unten).
*Agiatoydiv'AQi(fToydvovg*ACr]vievg: sein Sohn Trierarch (P. A, 2013).
Mvjc&ivrjg, wahrscheinlich reich (vgl. Diod. XV 95, 3 : „Ol 8i 'A&ti-
valoi naQO^vv&ivtig xov fiiv Ai(uö&ivovg tag ngoöovov &dvaTOV xatiyvfocav
xai tiiv ovaiav kS^^waai^K
KfifiaoSoTog wurde zu einer Busse von 5 Talenten verurteilt, die
er bezahlt zu haben scheint, weil er später wieder im Staate tätig war.
Xagi8p]fiog ^ilo^ivov 'Axagpdg hatte sich als Söldnerführer Reich-
tümer erworben und wird in den Seeurk. 334/3 als Trierarch erwähnt.
Maptlag Mapvi&iov Qogixiog hat zweimal reich geheiratet (vgl.
P. A. unter üdfiydog Kugiding),
'El^fixtatidrjg Qogixiog. Derselbe allem Anschein nach als Trierarch
11*^ 799b 14, 15 verzeichnet, wo zu ergänzen wäre:
8toiAi[yi^ *Eitix'\iati8o
Qog\}x(\o\ovfAiÄ\og\l€^,
/lioxXijg 'AXutntx^&ev ist Trierarch um 356/5 (P. A. 4015).
Mivia&tig 'lyixgärovg 'Pafivovaiog^ Trierarch in den Seeurk. c. 340
und später (P. A. 9988).
Mildvunog jidx^Tog Al^iovivg^ nXovaiog (Dem. XXIV 112).
NavmxXr,g KXtdgxov 'Oijd'iv, Trierarch (IT« 808a 121).
MoXoTTog. Sein Grabdenkmal an der Heiligen Strasse erwähnt
Pausanias (I 36, 4).
Ugo^ivog *AgfAo8iov ^AyiSvaiog^ Trierarch um 342/1 und iyyviivtjg
TtZv xgntQfav, iv ol Xakxidijg tXaßov 340 (P. A, 12270).
0ai8gog KaXXiov Syi^Triog, Trierarch und kyyvfitiig rgn^giav (P. A.
13964).
Jionti&Yig üovviivg. „Cum mercetmariis, quos ipse alit (Dem. VIII 19),
agrum a Macedonibus ad Propontideni occupatum infestum reddit^ P. A.
4327. Sein Sohn Diphilos konmit als Trierarch vor.
JegxvXog AvroxXiovg 'Ayvovöiog als ij^yvtjTtig rgitjgwv (II* 804 B. a);
ebenda sein Bruder Kallias.
Kfiq)iao<pwv KeyaXiwvog \4yt8patog, Trierarch um 342/1.
Jioxifiog /lionti&ovg Evwvvfitvg. „Inter homines divites et trierar-
chos est, qui precibus adhibitis impedire studebant, ne Midias damnaretur^
(Dem. XXI 208) P. A. 4384. Trierarch und fyr^fjTrjg rgirgtov.
OgaavftovXog Qgdtfwvog ^Egx^^vg aus einer alten, vornehmen Familie.
Über seinen Oheim Lysitheides s. zu Plut. De gen. Socr. 575 e: „narigiov
ovrag a^^a&üv". Sein Sohn kommt in einer Inschrift aus dem Ende des
4. Jahrh, vor (11* 786 R 13), unzweifelhaft als Trierarch.
28 J. Sundwall,
Jfjfjiddrjg /Itjuiov üatavievg ist angeblich Sohn eines Schiffers, selbst
fi-üher Schiffszimmermann und sehr arm gewesen. Nach Boeckh, Seeurk. 234
war er jedoch aus dem Geschlechte der Lakiaden, also einem alten attischen
Adelsgeschlecht (Töppfer, AU. Oen. 316), und muss sich schon vor 340
ein Vermögen erworben haben, weil wir ihn in diesem Jahre als iyyvfiTr,Q
rgiijgoov in den Seeurkunden (11^ 804 B.a. 29) finden. Später ist er eben-
da um 323/2 unter den Schuldnern verzeichnet.
Adxm Mikavüinov M^atvBvg] sein Vater reich (s. oben).
^doxX^g, ^ovaiav ^x^v noXXrpf^. (Deinarch. HI 18).
JirXaioyivrig MevB^ivov Kvda&rjvaievg, aus einer sehr reichen Familie
(s. P. A, 3775).
Aewa&evTjg Keyakij&ev, Nach P. J. 9142 wird der berühmte Feld-
herr auch als Trierarch vor 323/2 en^^ähnt.
Everiwv AvxoxXiovg S^firziog^ Trierarch i. d. Seeurk. um 323 (s. zu
P. A, 5461 u. 5463).
Xagiag Ev&vxgdxovg Kvda&fjvainfg , (ngatr^Yog ^tiI ttjv ywgav kurz
nach 323 (P. A, 15 346). Trierarch um 326/5.
JtjfA^rgiog ^avoargdrov 0aXt]gevg. Das vierte Mal als Strateg um
314/3, 11-^1217. Sein Vater, noch bei Timotheos Sklave, später aber
wohl freigelassen (Ostermann, De Dem. PhnL vita 1847 S. 5 f.), hat es
wahrscheinlich,* wie es ja vorkommen konnte, zu Vermögen gebracht,
denn der Sohn bekam eine gute Erziehung und war auch Hipparch.
Ovfioxdgrjg 0aiSgov üytJTTwg, Strateg 316/5, 315/4 u. 313/2 (Ditt.
Sf/lU 213, 4. 9. 10). Sein Vater reich (s. oben).
^BgexkeiSf]g (Pegexliovg ÜBgid-oidr^g , Strateg am Ende des 4. Jahrh.,
kommt in einer Freilassungsurkunde vor (II ^ 772).
Die Vermögenslage der Folgenden lässt sich nicht ermitteln.
'AgxJvog kx Koiktjg, der bekannte Staatsmann. Sein Sohn Myionides,
ob pecunias 7ion solutm, ut videtur, multafus, Dem. XXIV 135 (P. A,
10512).
Jidrifiog, nach Beloch ein Sohn des Strombichides aus Euonymoii, was
jedoch ganz unsicher bleibt.
'Egyoxkrjg, Propter civitates re,rntas pecumnsque furtire nhltifus in
ins vocatur, Lys. XXVin 1 f. (P. .1. 5052).
fPtloxguTtjg ^EfpidXrov.
KleoßovXog rXavxov A^agveCgj der Onkel des Redners Aischiiies.
Jtovvatog.
y/BOVTixog,
^Paviag.
KTf]CixXrjg.
Jr]ao<pu)V.
<PoguifjDV.
^novdiag.
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 29
Tifiofiaxog 'Äxagvtvg: sein Vater l^vXovgyog (1*321 p. 75). Dieses
Gewerbe wurde von mehreren attischen Bürgern betrieben.^) Vielleicht
ist er dadurch vermögend geworden. Auf jeden Fall muss der Sohn
infolge Verschwägerung mit Kallistratos aus Aphidna ein hohes soziales
Ansehen gehabt haben.
^Egyofpihig.
KaXha&ivYig,
^AXxlfiaxog 'Apayvgaaiog.
^(OTcitav 0WXOV ['IfiaTiddrig] (P. A, 15 076). Über ihn Vgl. Scherling
(a. 0. 68) u. Bemays (Phokion 128), der die Übertreibung seiner Armut
bei den Rhetoren nachweist. Man darf ihn also wohl mit Sicherheit zu
den Wohlhabenden rechnen.
QtoTifAog.
Mivtav novdfiiog,
^iXoxccQfjg 'Pafivovaiog kommt auf einer Grabinschrift vor (II ^ 2533).
'EyidlTfjg, unter den ersten Männern im Staate bei Demosth.
Epifit III 31 erwähnt.
*IIyriaiXiwg (IlQoßaUaiog?) , Vetter des Staatsmannes Eubulos, der
einer reichen Familie angehörte.
fPiloxdgfjg'Atgofit^Tov Ko&atxi3f]g. Sein Vater war ursprünglich reich
und gehörte einem alten, vornehmen Geschlechte an (P. A. 2681). Sein
Sohn hat sich wohl auf den Feldzügen unter Iphikrates Reichtümer er-
worben.
HTQatoxkijg.
uivaixXr^g.
JuvoxQdrrjg.
Jiui^avÖQog.
'Avriyikog.
/iigxvlog, Strateg 319/8 ini r^g xf^gag (Droysen, Oesck il. Hell II 210).
A\cxnrdSf]g, Strateg 318/7 (Paus. 135). Ob er mit //. Ugotivov
MekiTBvg zu identifizieren ist (Wil.-Moell., Arist. u. Athi^n. 1230 A. 90),
lässt sich nicht entscheiden.
Nixcjv, Strateg? 307/6 (H*^ 736 B).
'Hyriaiag, argartjyog int r^v nagaaxtvriv 306/5 (II- 733 B).
'AgiaxvXlog, Strateg? 306/5 (11« 733 B).
VXviinioSuigog^ Strateg 301/300 (P. A. 11388).
44 Strategen sind also direkt als reich bekannt; für weitere 35 felilt
es an jedem Anzeichen, dass sie, als etwas weniger wohlhabend, auch nur dem
Mittelstande zuzuweisen wären. Somit ist es über jeden Zweifel erhaben,
dass dieses Amt, das während des 4. Jahrhunderts noch von allen die grösste
1) VgL. Scheriing, qmb. reb. ««Nf. Ait k^ m^ Mf. 18W & 46.
30 J. Sundwall,
Bedeutung hatte,^) beinahe ausschliesslich mit Leuten aus den reichen, ja
reichsten Familien besetzt wurde. Wir finden hierfür Belege auch bei Aris-
toteles {Polit ni, VI 1 1 : „Tijg fiiv kxxhjaiag ^txixovai xai ßovXivovai xai
öixd^ovaip ano (iixqvjv rifitjfiaTcav xai Tfjg rvxovatjg ^kixiag^ rafiiivovai
öi xai atQati]yovGi xai vag fisylatag äg^ag äg^ovaiv ano fityakfüv^). Ja,
wenn Hauvette-Besnault (a. 0. S. 48 u. A. 5) bereits auf Grund der
literarischen Überlieferung die Behauptung aufgestellt hat, dass es noch
im vierten Jahrhundert einen gewissen Militär- Adel gab, in welchem
sich die militärischen Wüi'den vererbten, so brauchen hier zum Belege
nur folgende athenische Offiziere genannt werden: Konon aus Ana-
phlystos und sein Sohn Timotheos; Iphikrates und Menestheus; Manti-
theos aus Thorikos, der Hippeus war, sein Sohn Mantias als Strateg
und dessen Sohn wieder, Mantitheos, als Taxiarch; Laches, S. d. Me-
lanopos aus Aixone als Strateg während des Peloponnesischen Krieges,
sein Sohn Laches als Taxiarch wählend des Korinthischen Krieges (vgl.
P. A. 9012 u. 9017), seine Enkel Melanopos, Strateg 355/4, und Laches,
Strateg 364/3 (vgl. P. A. 9018), ein Urenkel Laches, vielleicht Strateg
im Zeitalter Alexanders (s. oben); Thrasybulos aus KoUytos, Strateg um
387 und Thi-asybulos , S. d. Thrason aus Erchia, Strateg 335/4 und
später, aus derselben Familie (vgl. P. A, 7305); Phaidros, S. d. Thymo-
chares aus Sphettos, Strateg 347/6 und später, sein Sohn Thymochares,
Strateg 316/5 und später, sein Enkel Phaidros, Strateg 296/5 und
später; Kleobulos S. d. Glaukos aus Achamai, Strateg während des
Korinthischen Krieges, sein Neffe Philochares, S. d. Atrometos aus Kotho-
kidai, Strateg 345—43; Diotimos, S. d. Strombichos aus Euonymon,
Strateg 433/2, dessen Sohn Strombichides , Strateg 412/1 und später,
sein Enkel Autokies, Strateg 368/7 und später, ein Nachkomme Diotimos,
Strateg 338/7 und später; die Familie des Dikaiogenes, S. d. Menexenos
aus Kydathenaion , in der mehrere Mitglieder Strategen und Phylarchen
während des fünften und vierten Jahrhunderts waren (vgl. P A, 3773),
zu welcher auch Proxenos aus Aphidna, Strateg -347/6, gehörte ; Demai-
netos^ S. d. Demeas aus Paiania, Phylarch nebst seinen beiden Söhnen,
und Strateg 388/7.
Ja, es war wohl schon für weniger Vermögende so gut wie unmög-
lich, das Strategenamt zu erlangen, weil es an einer regelmässigen Be-
soldung aus der Staatskasse fehlte, wie sie z. B. den Gesandten und
mehreren anderen Beamten zukam. Ihre Ausgaben konnten sie zwar
auf die Rechnung des Staates setzen (Hauvette-Besnault a. 0. S. 138),
aber sie mussten doch, um die Geschäfte überhaupt in Angriff nehmen
zu können, über ein gewisses Vermögen verfügen. Auf der anderen
Seite wurde natürlich bei der Wahl der Strategen auf die mili-
tärische Erfahrung der Kandidaten Rücksicht genommen, und weil zu
1) Swoboda, Bh. Mm. XLV 289 ff.
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 31
den Offlziersposten bei der Reiterei nur Bürger aus den zwei höchst
besteuerten Klassen genommen wurden^) und die Taxiarchen gleichfalls
wohl meist reiche-) Leute waren, war der Zutritt zum Strategeion in
der Tat dem Mittelstande erschwert Daher erschien es auch bemerkens-
wert, wenn Phokion, der doch nicht unbemittelt war, einfach gleich
einem gewöhnlichen Bürger lebte und auftrat.
1) Schoemann-Lipsius, Gr, AU, I * 462.
2) Wenigstens sind die uns bekannten Taxiarchen reich: Laches aus Aixone
(s. oben); Mantitheos aus Thorikos (s. oben) und Bularchos aus Phlya (sein Sohn unter
den reichen Leuten, die der Hierophant für den Tempeldienst des Pluton auserwählt
hatte, 11*948).
3. Die Diaiteten.
Es könnte scheinen, als ob eine Untersuchung über die Diaiteten in
der Art wie die vorhergehende keine für uns in Betracht kommende
Schlussfolgerungen ergeben könne, da diese Beamten, wie aus Aristoteles
hervorgeht (A&. tzoX, 53), ganz einfach durch die Aushebung des letzten
Jahrganges der Militärpflichtigen bestellt wurden. Hat man doch Aristo-
teles so verstanden, dass an alle im sechzigsten Lebensjahre stehenden
Bürger zu denken sei, sofern sie nicht durch Bekleidung eines anderen
Amtes oder durch Abwesenheit verhindert gewesen wären.^) Indessen
steht dies gar nicht fest. Gilbert'-) hat nämlich darauf hingeT\iesen, dass
die MusterroUen der zehn Phylen die Namen aUer Bürger enthielten, die
den drei ersten Solonischen Schatzungsklassen angehörten und deshalb
zum Hoplitendienst verpflichtet waren; also selbst die Epheben haben
als HopHten gedient.'^ Infolgedessen wären nur die zum Hoplitendienst
Verpflichteten als Schiedsrichter ausgehoben. Ich glaube auch aus den
Inschriften eine Bestätigung dieser Schlussfolgerung geT^innen zu können.
Unter den Diaitetenlisten im Corpus ist allerdings nur eine voll-
ständig erhalten, nämlich 11- 943; denn eine andere, 11- 944, die für vier
Phylen 89 Namen hat, also insgesamt nach der Schätzung Bergks*) un-
gefähr 240 Namen enthielt, kann ich als Diaiteten Verzeichnis nicht an-
sehen.^) Meine Ansicht stützt sich darauf, dass in der Inschrift sich
zweimal zwei Brüder nebst Verwandten finden. So sind unter den 0lvB7g
Kofir^Tidfig 'ApTtyBPtSov und 'Avnyivrig ^AvriyBvldov ohne Zweifel Brüder
(vgl. P. A, 8694), und auch Xagiaavöoog *Avtiytv — , wo man entweder
'AvTiyivovg oder 'Avnyepiöov ergänzen muss, ist wohl ein naher Ver-
wandter; unter den Dekeleiem kommen ebenfalls 2!dvviog ÜTQaroxkiovg,
1) Vgl. Hermann -Thumser , Gr, Staatsalt. I*' 1, 592; Piscliiuger, De arbitris
Ath. publicis 1893, S. 9; Thalheim bei PatUi/-}yis80tca unter Jiuirrixui.
2) Gr, StaatsaU. I«353 u. Anm. 1.
3) Dass die Theten nicht Hopliten waren und dass ihre Namen nicht in den
MusterroUen standen, hat Gilbert ebenda nachgewiesen.
4) Bhein, Mus. VII 183.
5) Auch Gilbert (a. 0. S. 485 Anm. 4) und Hubert (De arhitria Att. et privatis
et publicis 1885) verwerfen uie als solches.
Epigraphische Beiträge zur sozial -poVitischeyi Geschichte Athens. 33
sein Bruder O^oSutgog SxqaxoxXiovg und IIv&wv Savviov aus derselben
Familie vor. Somit können wir hier nicht an Diaiteten denken, es
wäre denn, dass diese Zwillinge wären, was ganz unwahrscheinlich
ist. Dazu kommt noch, dass eine Schwankung in der Zahl der Sechzig-
jährigen zwischen 103 in einem Jahre und 240 in einem anderen zu
gross ist, um glaubhaft zu erscheinen, denn man muss nach Aristoteles
Worten annehmen, dass jeder Diaitet mehrere Proze^e zu entscheiden
hatte ^) und dass folglich alle unter den Eponymen Eingeschriebenen,
die oben S. 32 Z. 7 Erwähnten ausgenommen, als Diaiteten ausgelost
w^irden. Wir haben uns somit nur mit der Zahl 103 zu beschäftigen.
Unter diesen können wir nun folgende Reiche feststellen:
Ntxtag Aa^ntQtvg. Wahrscheinlich ist sein Vater, Nikias aus Lamp-
trai, Trierarch 377/6 (IP 791, 27).
KXiaivtvog 'Ixagnvg, Trierarch um 342 (11- 803 e 54).
Ev&vxkrjg MiQaSniTf]g, mehrmals als Trierarch i. d. Seeurk. eii^ähnt
(P. A. 5580).
^aoxgdTfjg Ilogiog, Trierarch um 342 (11 2 803 b 150).
Mvijaiuaxog 'Axagvng, Choreg (IX-* 1280).
Ilvd-oduigog 'Axagvng, Trierarch um 356/5 (P. A. 12413).
KalliargaTog TlaXhiviig, der Sprecher in der Rede wider Olympio-
doros (Dem. XLVIII, vgl. Schaf., B. 237 f.). Sein Bruder Kallippos,
ebenda, ist später als Trierarch verzeichnet (II- 811c 216).
/lionildrig K^]ipiauvg, Vater des Komödienverfassers Menandros. Dieser
war aus einer vornehmen Familie (P. A. 9875: ^^geiite nohiVi oriumlus^.
Anonym, de com, XV 79).
KalXaiaxgog 0t]yovaiog, ein Nachkomme des Kritias, einer der
30 Tyrannen (P. A, 7765), der sehr reich war (Xen. ^fem. I 2, 25).
<I>tkoxgaTi]g IlgoanaXxiog, S. ZU 11^ 1142 e über einen Grenzstein einas
zur Sicherstellung der Mitgift seiner Tochter Menestrate verpfändeten
Grundstückes und Hauses zu einer Summe von 1500 Dr.
'AgX^Sfjfiog JlytXuvg. Derselbe Prytane, s. oben S. 7.
Ev&vyg(ov jtaunxgtvg. Sein Sohn htoygatv Ev&vipgovog A, vaonoiog
in Delphi. Über die Naopoioi s. Ditt. Sgll^- 140, 57,
Unter den ungefähr 100 Bürgern sind also wenigstens 12 reich. Dies
Verhältnis findet eine gute Stütze, wenn man die übrigen als Diaiteten-
verzeichnisse gesicherten Inschriften in derselben Bezieliung prüft. In
TI- 94 P) sind uns unter 9 erhaltenen Namen 3 für Trierarchen bezeugt;
1) *A&. noX. 53 ^inixXriQOvaiv ug kxaörog c)iaiTiJ<?*i*. Pischioger a. 0. ^idem arhüer
(liversas Utes diversis locis instruebat*.
2) Ausser ^TntQtidrig KoXXvttvg und XaQiSrmog Uaiavisvg^ die als Trierarchen
i. d. Seeurk. vorkommen, kann man ohne Zweifel Z. 3 unter 'E^h%^7iidog: Bk6i]bvog
ergänzen , der mit dem Trierarchen Sko^ivog E^tavv^uvg in den Seeurk. aus 325/4 u.
823/2 identisch wäre (vgl. damit, dass der oben erwähnte Xa^idrutog Uaiuvuvg auch
i. d. Seeurk. c. 323 vorkommt).
Sund wall, Bpignphitohe B«itrftg« snr SosiAlpoUtik Athnu. 8
34 J. Su/ndwall
in IP 942^) von ungefähr 10 wieder 4 für Trierarchen oder Mitglieder
von Trierarchengeschlechtem. Eine Zahl von 12 Reichen auf rund
100 Diaiteten ist wohl zu niedrig gegriffen; wenn wir aber an ihr fest-
halten, muss ihr eine Zahl von rund 200 Bürgern entsprechen, d. h. die
Zahl, die man für diese Altersklasse der ganzen Bürgerschaft annehmen
kann. Nach der Berechnung von Francotte^) kann man durchschnittlich
die Bürger zwischen 50 und 60 Jahren auf 2772 annehmen, also die im
60. Lebensjahre Stehenden auf 225 — 50, zu welchen Zahlen auch Goodell**)
gekommen ist. Dagegen würde eine Zahl von rund 100 den 9000 Bürgern
mit Hoplitenzensus ungefähr entsprechen.*)
Also würden wir hiermit eine Bestätigung der oben gezogenen Scliluss-
folgerung haben, dass die Diaiteten nicht der Klasse aUer sechzigjährigen
Bürger, sondern nui- den zum Hoplitendienst Verpflichteten unter diesen
entnommen wurden.
Es wäre ja auch nicht im Interesse der armen Bürger gewesen sich
als Diaiteten zu betätigen, ohne grössere Entschädigung als die der
nagdavaatg, die ihnen nur 1 Dr. von jeder Partei einbrachte (Hermann-
Thumser, Ch-iech. Staatsalt 1^1, 591). Dieser Besoldungsmodus aber war
eine bequeme Art ohne Kosten, für den Staat Richter zu beschaffen wie
Wilamowitz (Aristoteles und Athen 1224) bemerkt, und die besitzenden
Klassen haben dadurch wiederum nur an Einfluss gewonnen.
1) Mi%ioiv £xaiLßü}vi&rig, Eijtticav AiftoxXiovs -l^i/Tnog, Eid-v&rnios *Ayvovaiog als
TrierarcheD. K€dliccg KaiXitiXovg Soglxiog: sein Sohn Kallias und sein Bruder Kalli-
teles als Trierarchen verzeichnet (P. A, 7866). Von der Inschrift II ^ 1014, die als
Diaitetenverzeichnis angesehen wird (Larfeld a. 0. II 177), haben wir nur sehr ver-
stümmelte Reste, die nur 2 Namen erkennen lassen. Vielleicht kann man noch Z. 7
lesen :
g jirlysifj^sv].
In der literarischen Überlieferung finden wir noch als Diaiteten Folgende erwähnt:
363. Stgcitav ^cdriQSvg (Dem. XXI 84), c. 357/6. Hv^däagog ix Krid&v (Dem. XLVII 5),
352/1. Tnalas'AxaQVBvg (Dem. XLyS)j c.SbO. Zolav 'Egx^tvg. Von diesen wird Pytho-
doros aus Kedoi als Trierarch erwähnt. Von Straton aus Phaleron heisst es bei
Demosthenes: ^&vd'Qa>nog nivrig ^^^ ^^S ^^^ dTtgaYf^v^ äXlag d' ov novriQog, 6dXa xal
ndvv %Qr\ax6g*. Diese Worte enthalten augenscheinlich eine rhetorische Übertreibung,
um Straton in desto deutlicheren Gegensatz zu dem überreichen Meidias zu stellen
(vgl. damit, wie Demosthenes ebenda von sich selbst spricht, § 112).
2) LHndusirie dans la Grece anciennc I 165.
3) Amer. Jour. of Phil. XU 320.
4) Hierzu müssen wir noch die Zahl der Bürger rechnen, die durch Amter ver-
hindert waren, Diaiteten zu werden; doch kann diese Zahl sich für eine Altersklasse
bei ungefähr 1500 Ämtern (vgl. Busolt, Gr. Alt. IV- 1, S. 165 Aum. 6, höchstens auf
rund 50 belaufen und für die mit Hoplitencensus auf rund 25.
4. Die Marinebehörden.
Bei der tiberwiegenden Bedeutung des Seewesens für die Macht-
stellung Athens waren natürlich die Behörden, denen es oblag, für die
Flotte zu sorgen, von grosser Wichtigkeit. Der oberste Verwaltungsrat
in Marineangelegenheiten war der Rat der Fünfhundert*) Die übrigen
T^ichtigeren Behörden wollen wir hier besprechen, so weit sie uns be-
kannt sind.
Die Aufseher der Werften, imfAilr^ral xtuv vmQmv, die mit der Be-
aufsichtigung und Instandhaltung des gesamten Materials der Seemacht
beauftragt waren,*) waren eine regelmässige, jährige, zehnmännige, nach
Phylen erloste Behörde.^) Aus den Seeurkunden sind uns folgende für
das 4. Jahrh. bekannt:*)
Jahr. Inschrift. I NameD.
378/77. I II» 803c. 148.
„ d. 62.
Stoyvig Boviddtjg VI.
377/76. I IV' 791, 1 ■ .ii]oxl[irts^) na']u[ft]w{T(iöt3g) L
1) Kolbe, Ath. Mitt, XXVI 397.
2) Boeckb, Seeurk, S. 48.
3) Gloti (unter Epimeletai, Daremberg-Saglio) vermutet, dass sie ein AuBschuM
des Rates seien, aber die Erwähnung von Mnesikles aus KoUytos spezieU als aiQt^tlg
ix Tijg ßovXfjgj zur Ausübung derselben Funktionen wie die Epimeleten (Seeurk. X 379),
widerspricht dieser Vermutung.
4) Ich stelle hier ein Verzeichnis aller als iniiuXriTal vstagltav bekannten Athener
auf. Allerdings hat schon Ulotz ein solches Verzeichnis (a. 0.) gegeben, allein dies
ist weder ganz genau, noch hat die später veröffentlichte Inschrift IP802b von ihm
verwertet werden können; aosserdem habe ich noch einige hierher gehörige Namen-
reste ergänzt.
5) Ich ergänze auf diese Weise den Namen des Epimeleten aus Pambotadai.
Es ist unwahrscheinlich, dass hier sein Patronymikon vorliegt, wie Köhler und P. Ä:
annehmen, denn die Patronymika kommen sonst in den Epimeletenverzeiehnissen nicht
vor d. J. 349/8 vor (Larfeld, Handb. d. Gr. Epigr. II 891).
8»
36
J. Sundicall,
Jahr.
Inschrift,
ü* 791. 2.
Namen.
376/75.
K[a\XlUae] 'Si[a]&(ev) IJJ.'-)
i7[oT](«M«>?)? IV J')
\ . . .y^e KvQT[t]{iSf]e) V.
i .dioyBiTWV 'A^agvivg VI.
375/74.
11*803(1. 58.
i MvtiaidSr^g Ko&atxiStjg VI.
374/73.
II» 803 d. 105.
' ^AqifivYiGXog ^EXaiovaiog VIII.
373/72.
11^789, 1—2.
II« 803 d. 101.
Oivo^r'lQaTog*) 'AvayvQÜaiog I.
^(zvoaiQaxag [Taq^lvTiog^'i^) II.
///.
IV,
'AyvoC\(5iog V.
Je^avdQlStjg ^A^oQ^ivg VI,
'Eqyoßiog 'AXauvg VIII
UkarcDV 'Avaxauvg VIII,
IX,
X.
371/70. 112 803 c. 140.
I „ d. 109.
*A^v&i(üV Evwvvfiivg I,
y^axaQiStjg 'EXevaiviog VIII,
3()9/68. I
n«799c. 7—16.
SwvSqiSvig Evwvvfiivg I
^Egdratv *IxaQi£vg II,
0a— 2lTBtQievg]?^) III
nQOX?.rjg Koktiivf]&BP IV.
Kx]Yiai<p(ivrig'^) Qoqauvg V.
1) Meine ErgänzuDg.
2) So steht unzweideutig im Corpus zu lesen.
3) Ob dieses Demotikon richtig ist, lässt sich nicht entscheiden.
4) Ich ergänze auf diese Weise nach — OlvoatQcitav 'AvayvQdaiog , iy/vrj^rr^g
c. 338-26 U» 1054 g. A. 31.
5) Boeckh (Seeurk, 259) schlägt dies Demotikon mit der Begründung vor, dass der
Epimelet ein Vater des Archestratos sein könnte, der um 377 Trierarch ist und Gross-
vater des Sohnes desselben, Phanostratos, der in den Seeurk. 353/2 und 323/2 vor-
kommt. Die Annahme ist jedoch sehr ungewiss; auch P. A, hat sie nicht auf-
genommen.
6) Vielleicht ist das Demotikon so zu er^^änzen. Dann würde es auf der Hand
liegen, den Namen zu ^a\^vvos\ zu ergänzen, der für das 4. Jahrh. unter den Steiriem
bezeugt ist (P. A, 13920\ Das im Corpus gelesene 4*cc'g]i scheint sehr unsicher
zu sein.
7) Ich finde im Text Spuren von T vor H, welche beide in der rmsehrift weg-
gelassen sind, die . . aitpdvrig gibt. Doch glaube ich bestimmt, dass vor — Tiaitpdvrig
für zwei BuchHtaben Platz ist; wir hätten hier also vielleicht KT]riai(pdrrig zu lesen,
einen Namen, der allerdings nirgend anderswo bezeugt ist, aber sich doch ganz gut
liören läsMt (vgl. KtTiai(p(ov mit derselben Bedeutung;. Diese Lesung, di(» auch Köhler
als müglieh annimmt, dürfte in der Tat richtig sein, doch hat sie weder Glotz noch P. A,
Epigraphische Beiträge zur sozml-politisehen Geschichte Athens. 37
Jahr.
Inschrift
Namen.
369m U»803d. 52,
368/67.
II* 799 c.
ll»803d.
30 25.
122.
— 0? jtaftnrqtvg I.
. . . ößtoi; Könotioe; VIII.
N tXoe "Sia&lv III.
K V
IT]ßu\\{a\s*) Svntranuv VII.
Avaifikog 'Pai)voi'(tiog IX,
367/66.
IM 799c.
11« 803 d.
48—54.
67.
" . • ofe[z]o? HiQirtoidtji VL
^hloxlijg i^akjjQMvg IX,
36BH5 II - so:U. 75.
liyi}Gi?TnOi^ Hhktmh VII.
362 ()1.
II» 803 d. 71.
(■iioSoTOff Jt^pive Vif.
360/59. ' ll'a03c. 156. •E^tixterof^ 'EQ^uvi II.
„ d. 89. 1 'An^fiuv i>Xvtth VIII.
^ d. 127. ; AtiuoTQOTos 'Alwnixt'i&tv X.
357/56.
Dem. XXn63. J^äri-eo? -. ?
Schaf. P3fi2. i
356;55.
IP803C. 144.
„ c. 1B9.
„ d. 48.
„ d. 82.
« d. 114.
Ktfiffißtot .iaftntfiivs I.
'.■imlinnot,' 'Aga^inog 11,
Mlvtoe 'fJij&tv VI
iuviae 'Alatne VIS.
'VtuoXac: Paßvovetos IX.
349/48.
11 3 802b. 45-63.
Biinfftoi.- 'Pvltidov Ttt&gäatos II-
0iJi6xalos 'E^nxiov ix Ktgaftiuv V.
'AvTtfüv 'AQxiov Kv3a&t]vam>^ III.
K^ufoä . . oe Ev^tO'iov? *pi«^ßiog: IV.
~noe 'Apiaro 'Eltlv]iihioe'^) VIIJ.
1) So erganie ich diese Zeile. Die Lesung scheint zutreffend zu sein (ygl. damit,
dass Glotz auch Ar[is]to .... liest), weil wir unter den WerftaufMihem 333/2 aus der
Hippothontis einen — iiog A>^>ir,TitxAiov'i Olvalog haben.
2) Das Corpus liitirt hier kt^rn* Lesart, dagegen hat Glotz E[uph]ra[io>?, was
ganz problematisch i*t V'ielk iclit kiiiiu man hier so, wie ich vorschlage, ergänzen.
3) Unsweifelbaft ist das Demotikon so zu lesen, weil auch in der Lesung von
Komuiadit eine Spur ron T vorhanden ist. Weder das Ck)rpni noch F. A. haben es
38
J. SundwaU,
Jahr.
348/47.
11»
loschrift.
803d. 118. i
Namen.
^ihuyQog ^aXtjqeve IX.
334 33.
I
1
804,
1
1
1—3.
I.
- - - - - . ^tjyatttg II.
'OQatfiivtje £vxt[ti , IIL
IV.
VT
^tloXT ij flOVOC 'A&fUtV^Q Vir.
VTTT
TX
uuv 2i/iwviöov 'Alwnextj&fv X.
333/32.
i
II'
1
1
804,
3-5.
r
TT
i]uov Ilaiavtivg III.
'ÄQXtvoe 'Aqxivov Jeigadiwr^g IV.
V
.. . - —VI.
- . -. VII
fioe 'AgiaToxXeovg Oivaiog VIII.
Jt](iox IX.
X
Aus welcher Schicht der Bevölkerung waren nun überhaupt diese
Beamten erlost ? Die Bemerkung Boeckhs (a. 0. 48), dass sich wahrschein-
lich vorzugsweise Personen meldeten, die durch Privatgeschäfte mit der
Schiffahrt mehr vertraut geworden waren, finden wir durchaus bestätigt,
denn von den oben Angefülu-ten ist eine überwiegende Mehrheit aus der
Küstentrittys, nämlich 27 gegen 15 aus der Stadt- und 13 aus der Land-
trittys. Wir T^issen ja auch, dass gerade in den Küstendemeu Schiffahrt
und Handel betrieben wurde. ^)
Von den c. 42 verzeichneten Epimeleten kennen wir wohl keinen
als Trierarchen, doch sind gegen 6-) mehr oder weniger begütert. Über-
haupt ist nicht von vielen bekannt, dass sie sonst im Staate tätig ge-
jedoch. Die folgenden Zeilen lassen sich aus der Wiedergabe im Corpus nicht er-
mitteln.
1) Scherling a. 0. 79.
2) Diogeiton aus Acharnai ist ruiiiag Uquiv ;|j(i;/itaTCör; ()in08t]ratos aus Anag}'ni8:
sein Sohn wäre der iYyvrjrrig II* 1054g, A. 31; Phanostratos hätte nach Boeckhs Er-
gänzung Sohn und Enkel als Trierarchen; Proklcs aus Kolonos, dessen Sohn in einem
Verzeichnis aus Liturgieprozossen vorkommt 11 * 994); Leostratos aus Melite: der Name
seiner Tochter Malthake auf einem Grenzsteine (Berl. Sitzungshcr. 1897, 665); Anaxippos
aus Araphen: sein Bruder ist xa^iiag rijs Q-tov.
Epigraphische Beiträge zur sozial 'politischen Geschichte Athens. 39
wesen wären.*) Es wäre ja auch nicht wünschenswert prewesen, dass diese
Beamten gerade zu den Trierarchiepflichtigen gezählt hätten, von denen
sie die Schulden eintreiben mussten.*) Und bedenkt man nocli dazu, dass
sie keine Kasse zu verwalten hatten,^) so lag keine Veranlassung vor,
solche Bürger heranzuziehen, deren Vermögen eine Sicherheit gewährte,
dass sie ihre Obliegenheiten erfüUlen/) In den Seeurkunden werden
allerdings Werftaufseher als Schuldner bezeichnet, wenn sie nicht die
Geräte abgeliefert hatten, die sie aus dem empfangenen Gelde hätten an-
schaffen sollen ; doch sind die Schulden meistenteils gering, sife schwanken
zwischen 55—315 Dr.^) Die Aufseher sind auch teils gemeinsame, teils
Einzelscliuldner. Bei zweien kommen jedoch grössere Summen, 2754 u.
1637 Dr., vor. Wenn auch die Gesetze gegen öffentliche Schuldner über-
haupt sehr streng waren, insbesondere gegen die, welche Schiffsgeräte
schuldeten,®) so sclieint es doch, als ob sie auf die Epimeleten wegen
deren Zahlungsunfähigkeit selten angewandt worden wären. Aber wir
haben unter den Schuldnern auch solche, die unseres Wissens sicherlich
vermögend waren, wie Leostratos aus Alopeke.
Aus allem Gesagten erhellt, dass diese Beamten vorzugsweise dem
Mittelstande angehört haben. Und die Naclilässigkeit sowohl der Schuldner
wie der Behörden, die uns in den Seeurkunden entgegentritt,') gibt uns
keinen erfreulichen Einblick in die Auffassung des Mittelstandes vom
Staatsdienst.
Von den übrigen Behörden haben wir hier noch die beiden Schatz-
meister zu besprechen, nämlich den xauiag jQitioonolxdiV und den rafiiag
its TU vecüola. Von den ersteren kennen wir:
363;()2. ^avoaTQavog OoQauvg. II- 803 d. 133.
362 01? Idv&innog riagyrÜTTiOg)]?'') IP 799d. 20.
350 58. Nixofiipr^g IlakXrivevg, II 803 d. 142.
1) Kallias aus Oa als iniötdrTig TtQvxavitov 463/2; Diogeitou aus Acharnai Schatz*
meistcr der GöttiD 398/7; EratoD aas Ikaria Prytane 341/0: Satyros als Autragstellcr zu
Khren des Menelaos (Schaf., Dem. P 362 A. 1) UDgewiss; Anaxippos aus Araphen kommt
auch in einem Katalog IM 1010 vor; Deinias aus Halai auf einem Richtertäfclchen.
2) Vgl., dass Satyros bei Demosthenes (XXII 63) 34 Tal eintrieb.
8) Boeckh, Seeurk. 57.
4) Es kommt vor, daM nicht die ganze Zahl der Epimeleten vorhanden zu sein
scheint (s. 11 ^ 799 c. 7 — 15' ; man könnte die Ursache dafür in demselben Umstände suchen,
den Panske (De magütr. att. qui saec, a. Chr. n. IVpcc. puhl. cur, 1890, S. 15, 16) für
die raiiiai tfis dsov nachgewiesen hat, nämlich, dass für diese Jahre die volle Anzahl
geeigneter Personen sich nicht gemeldet hat. Vielleicht war dann der Rat gezwungen
einzuspringen und Mitglieder aus seiner Mitte zur Vervollständigung zu ernennen (vgl.
oben u. Seeurk. X 379).
5) Seeurk. X c. d.
6) Seeurk. 211.
7) Vgl Kolbe, Äth. Mät. XXVI 391.
8) Meüie Ergänsaiig.
40 J. SundwalL
345/44. Evd-vvog Aa^nrqtvg. 11« 803 c. 129.
332/31. yfr]uoxQttTrig Elreaiog. It^SOTa. 16*) ii. IX- 808a. 85 u.
add. 3.
V. 330. ApTiyuiv 'EQxiBvg, IV 807 a. 27.
EvnoXifiog Mv^^ivovaiog:-) ir-807a. 6G.
JmTQh^iSrtg KQotnidrjg. 112 807 a. 69, 148.
328/27. nokvxQcxTTjg 'Aytövalog. 112 808 a. 13.
V. 323/22. —og IIaußwTuS{Tig). 11^811^30.
Von den letzteren:
377/76. Mavtiag OoQixiog, W 791, 10.
347/46. Ev&vfiaxog £—. II2 803d. 13.
325/24. KtjyiaodojQog KvSa&ip^auvg. II -' 8 1 1 c. 111.
Viele von diesen kennen wir sonst nicht; Mantias aus Thorikos ist
jedoch als reicher Mann bekannt, ebenso muss Kephisodoros aus Kydathen
vermögend gewesen sein. Eupolemos aus Myrrinus ist Araphiktyon auf
Delos 341/40. So viel muss man immerhin für gesichert halten, dass als
Schatzmeister nur Personen zugelassen wurden, die ein gewisses Ver-
mögen sicher stellen konnten, wie z. B. der Fall mit Kephisodoros aus
Kydathen zeigt. •^)
1) Die genaue Angabe seiner Amtszeit fehlt in P. A.
2) Dieser steht unrichtig in P. Ä, als raft. tgiriQ. 330/29.
3) Vgl. Seeurk. 48.
5. Die Fiuanzbeamten.
Je mehr während des 4. Jahrli. die Bedeutung Athens als Gross-
niacht und seine militärische Leistungsfähigkeit sank, desto mehr traten
in der Politik die ökonomischen und kommerziellen Interessen in den
Vordergrund und erhöhten die Wichtigkeit der Ämter, die diesen Interessen
nutzbar gemacht werden konnten. Und doch wissen wir noch sehr wenig
über die höclisten Finanzämter im 4. Jahrh. , und es gehen über ihre
Organisation mancherlei verschiedene Ansichten nebeneinander her. Sicher-
lich würde eine genauere Kunde davon uns wichtige Aufschlüsse über die
innere Geschichte des attischen Staates gewähren. Wii- wollen hier den
neuesten Ansichten folgen, welche auf Aristoteles ^A&. noX. 43, 1 fussen.
Es gab zur Zeit ihrer Abfassung nur 2 durch Wahl besetzte. Finanz-
ämter,*) rafiiag aTgatiwTixtav und oi im t6 &Bca(}ix6v. Die Inhaber des
ersteren, welches ein vierjähriges Amtsdauer umfasste, scheinen wenigstens
eine Zeit lang die höchste Leitung der athenischen Finanzverwaltung in
Händen gehabt zu haben. *^) Von ilinen sind uns Folgende bekannt:
388—34. KaULiag^Aßgu^vog Baxij&BV {Vit X Or. p. 242 f.).
334—30. ^ffjf^dSng Jrjfiiov Ilmavuvg (IP 739, vgl. Wil.-Moell., Arist.
u. Athen I 208; Beloch, Gr. Gesch. HI 1, 55 A. 2).
330 — 26. [^vxovQyog Avxoyqovog BovidStjg].^)
326—22. [MiPBaaixiiiOg].
306/5. "AßQwv Avxoiqyov Bovrdörig (Add. 11 ^ 737, 31).
305/4. <l>iXmnog 'Axaqvivg (Add. H« 737, 31).
1) Aristoteles a. 0. Beloch, Gr. Gesch, III 1, 55 A. 2 u. 56 A. 4. Schoemaun-
Lipsius, Gr, Alt. IM54.
2) Köhler, Ath. Mitt. V 280. Gilbert, Gr, StaatsaU. 1*275.
3) £s liegt ganz nahe anzunehmen, dass Lykurgos während dieser Zeit Kriegs-
sehatzmeister war. Vgl. Gilbert, a. 0. 1*277 A. 1: ,hat Lykurgos während seiner
finanzpolitischen Tätigkeit vorübergehend mal ein ordentliches Amt verwaltet, so war
et wohl das Amt des xa^iag atgccTKarixAv* . Dasselbe auch Wilamowitz, Aristoteles
und Athen I 208, der auch Menesaichmos dieses Amt gibt.
42 J. Sun^iraJl.
Ffir das Amt ini ro äimgtxov wurden Zehnmänner auf vier Jahre
gewählt »Gilbert a. 0. 1-27:3 u. A. 2>. Einige von diesen kennen wir:
358 — 54. yhoffavTog Z^fr^rtiag, Schaff Drm. 1-205. 2.
,'554_50. Evßovlog ÜQoßaJiiaiog, P. A
:550— 4t>. WffoßrjTog Ko»wxiSr,g, Gilbert a. 0. 274. 1.
346—42. Krtq^iaoffwv \ifiSpaiog,^) IIU14C.
338 — 34. Irtiioöd-ivr/g Ilatavnvg, S<:hoemann-Lipsius a. 0. I* 454, 5.
Ein bes^>nderes Amt ini tj dioixrjaei hat e^ um 322 noch nicht ge-
^eticn, und für das 4. Jahrh. ist nur "Aßomv Avxotgyov Bovradr^g als
Ven^alter des Amtes 310—6 bekannt (s, Ditt. Si/IL- 181, 19). Ausser
den gesetzlich bestimmten Finanzamteni haben jedoch die Athener oft
aassei-ordentlichen Kommissionen die Finanzregelung und -Verwaltung
übertragen. So ist sehr wahrscheinlich, dass Eubulos und Lykurgos ihre
durchgreifende Wirksamkeit während 354—38 und 338 — 26 ak Vor-
sitzende von Kommissionen ausgeübt haben, ^j
Neben diesen kommen noch die eigentlichen Schatzmeister, die tafiiat,
trjg &BOV hier in Betracht, welche wahrscheinlich zT\ischen 385 und 338
das Verwaltungsgebiet mit dem rafiiai xwv alkwp &iutv teilten. Über
diese haben wir Verzeichnisse in Index zum Corpus.")
Uie soziale Lage der Finanzbeamten ist ziemlich leicht zu bestimmen.
Dafür ist im allgemeinen Aristoteles' Politik III, VI 11 massgebend:
^^xauuiovai — und iiiyaliav {Tifir]udTWpy' und im besonderen für die
Schatzmeister der Göttin, \4&, ^ol. XLVII 1 : „ngwrov uiv yag ol tofiiai
TTJg'Ai^rjvag Eini fih dixa, xkr^govrai d' elg ix rijg yvXrjg^ ix nsptaxoatouB'
dffivwv xctta röv 26Xu)V0g vouov (in yaq 6 vofiog xvQiog iaTiv).^*^ Der Um-
stand, dass das Gesetz Solons noch Geltung hatte, zeigt vae unumgäng-
lich es für den Staat war, zu einem derartigen Amte nur reiche Bürger
1) Nach KirchDer M/Ä. Mitt. XXIX 248 kein Ratsbeamter, sondern ein Mitglied
der Thoorikonbehrirde. Also kann er nicht der K — artrpavoyd'ttg vrtb 2ja\Lo9Qux(ov 345,4
»ein (11*701^, wie Kirchhoif u. Köhler annehmen.
2) Vgl. Schaf., Dem. P 214, 2; Beloch, Gr. Gesch. III 1, 56 A. 4; Gilbert a. O.
P277, 1.
JJ) Ich will hier einige Lesungen zufügen: Unter den Schatzmeistern 351/50
eil* 698 Z. 5; ist vielleicht dem Vertreter der Hippothontis AauTTQoxXii^^ \4Qiaiov — das
Demotikon TltiQaitvg beizulegen nach: NixoövQarog 'AQtalov ritiQcaevc. j'/yrTjriJ? 354/3
(II'M054 , der somit sein Bruder wäre; vielleicht hat 11 ^ 69S Z. 2 statt —EIAJOT
KE4»AAII0 gestanden: — SIAJOT, sodass wir es hier mit IInu^tTtXr^g /I(>«]|iador
Ktrfcdi)d'tv zu tun hätten, der 364 '8 '/QauuaTirv^ IdiKfiXTvorojv auf Delos war (/?. C. H.
X46i;. Von den Schatzmeistern :i46 5 II -690, vgl. Larf«'ld a. O., Anhang, S; 944)
ist für Leontis — 7.tidr^g A — v(»rzeichn«*t , welchen wir mr»glicherweise zu Mty(.ix\ltidiig
A[kvxovotvi ergänzen dürften; dann wäre er ein Enkel des gleichnamigen (rrammateus
426. Sein Vater, der auch Megakleides hiess, kommt in einer Freilassungsurkunde
vor (vgl. Ikiir. z. alt. GcHch. 1905, 132;. Schlii-sslich ist wohl IP ToO unter den rufiwict
;'.(»() r» Uo).v^i{kog noXvuQ\uxov KQtiobvg] zu ergänzen, nach TloXv^narr^g und TlolviLvriCTOf
lloXviCQuxov !\(tionli, die seine Brüder zu sein scheinen.
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 43
zuzulassen, deren Vermögen Garantien für ordeutliche Verwaltung bot.
Und obwohl Aristoteles hinzufügt.: „Sqxh ö' 6 kaxutv xav ndvv nivijg p"
und wir über die Vermögensverhältnisse von nur wenigen Schatzmeistern
Kunde erhalten, 0 so ist diese SteUe doch keineswegs für uns bindend,
denn die Inschriften zeigen uns, dass die Soxt^iaaia streng gewesen ist;
denn die Zehnzahl der Schatzmeister ist nicht immer vorhanden (Panske
a. 0. S. 15, 16). Was die höchste Finanzleitung betrifft, so lag sie voll-
kommen in den Händen reicher Bürger, schon weil diese natürlich mehr
Erfahrung auf ökonomischem Gebiete besassen. Wir finden in der Tat,
dass sowohl Eubulos als Lykurgos zu den reichsten Familien gehören
(s. z. P. -4.), und dasselbe lässt sich für die rafAtai atoaTiwrixuiv^) und
Ol Inl t6 &tojQix6p'^) nachweisen. Ebenso lasteten die wichtigen ausser-
ordentlichen Kommissionen auf den Eeichen. So war Androtion aus
Gargettos mehrmals als Finanzkommissar tätig (Schaf., Dem. I* 352
u. A. 6), desgleichen Timokrates aus Ki-ioa*) (Schaf, a. 0. ebenda).
Timarchos aus Sphettos^) kennen wir als iS^radnJ^ 348 (Schaf., Dem.
IV 85). Lykurgos war rafuccg rrjg xaivF^e nooaoSov 338—4 (vgl. P. A)
und hni6idtn9 iiowv 334—30; Neoptolemos aus Melite*') no'A?.wv igywp
imardr^g (Dem. XVIII 114) vor 330; Euthydomos aus Melite') und
Philon aus Eleusis,*^) Epistaten für den Skeuothekenbau (Ditt. SylV 537, 5);
Demosthenes aus Paiania raxonoidg 337 (Aisch. -III 31) ; iTnueXrjzal tcmv
Tnxdiv 337 waren — mos, S. d. Timonides aus Halai und Philodemos, S. d.
Autokies' aus Eroiadai') {'Etp, dox- 1900, 94); Epimeleten für Getreide-
zufuhr 357/6 Kallisthenes (Schaf., Dem. V 416), 338/7 Demosthenes (Schaf.,
1) Bekannt sind Leptines aus Koilc, der auch als Trierarch verzeichnet ist (P. A,
0041 und 9046); Ilegcäias, S. d. llcgia» aus Sunion, ein Vetter der bekannten Staats-
männer Ilegesandros und Ilegesippos, aus einer begüterten Familie; Megakleides aus
Leukonoe, dessen Vater in einer Freilassungsurk. vorkommt {An. of the Brit. Seh. at
Athens Vlll 228).
2) Kallias aus Bäte ist mehrmals Trierarch (P. A.)\ Demades aus Paiania (s.
oben S. 28); Habron S. d. T^ykurgos (s. z. Lykurgos); Menesaichmos und Pbilippos
aus Acharnai sind unbekannt.
3) Diophantos aus Sphettos, der berühmte Staatsmann und Redner, dessen Siihne
in GeschUften interessiert waren, [Dem.] XXXV 6, und dessen Enkel als cwvijtiJ^ II* 787
erwähnt wird; Eubulos aus Probaliuthos (s. z. P. A.)\ Kephisophon aus Aphidna
(s. oben S. 27); Demosthenes aus Paiania (s. oben S. 15); Aphobetos aus Kotho-
kidai hatte es wohl wie seine Brüder schon damals zu einem gewissen Vermögen
gebracht.
4) Dieser als reich bekannt, vgl. IP 1301: »ay^ijxtv vi%r^aag *OXvn7tiaaiv inntov
5) S. oben S. 15.
6) räiv atpodga nlovauov re^ Dem. XXI 215.
7) Nachkomme des ^vXov^/ö?, I add. 321.
8) Der bekannte Architekt, kommt auch als Trierarch vor.
9) Derselbe als Trierarch bekannt
44 J. Sundwall.
Dem. III« 15), 330—26 derselbe (Fif. X Or. 845 f.); hmaxarm rov wovri-
xoi 340/39 Ueniostlienes (Aisch. III 222).
In den Besitzungen kamen für die Beamtenposten, die vom Volke
durch Wahl besetzt wurden (Aisch. I 107), ärmere Bürger schon desw^en
nicht in Betracht, weil hier sicherlich Repräsentationspflichten auszuüben
waren. Es werden sich also wohl nur begüterte Bürger beworben haben.
Diese suchten sich dann allerdings noch mehr zu bereichem, wie z. B.
Timarchos aus Sphettos (Aisch. a. 0.). Einen indirekten Beweis dafür
liefert uns das Dekret der Arkesinäer für ihren äoxtittp Androtion aus
Gargettos (Ditt. Syll.^ 107), der deswegen besondei-s belobt wird, weil
seine Amtsfülirung eine Ausnahme von der Regel bildete.
6. Die Tempelvorsteher und Eultusbeamten.
Besondere Finanzbeamten erforderte auch die Verwaltung derjenigen
Tempel, deren Reichtümer nicht unmittelbar dem Staate unterstellt waren.
Es sind, so viel wir wissen, die der Tempel der Artemis Brauronia auf
der Akropolis, der Demeter und Köre in Eleusis und des Asklepios. Die
Schätze des ersten Heiligtumes wurden von imaxaxai verwaltet, welche
also eine Stellung zwischen Finanz- und Kultusbeamten hatten. Diese
Epistaten bildeten ein ständiges, auf ein Jahr besteUtes KoUegium mit
dem besonderen Auftrag den Schatz zu tiberwachen.*) Wie viele Mit-
glieder dazu gehörten, wissen wir allerdings nicht ; nur so viel lässt sich
bestimmen, dass dieses Kollegium unter sich einen Vorsitzenden für einen
gewissen Zeitraum erwählte und dass derselbe Beamte wieder gewählt
werden konnte. Folgende lassen sich verzeichnen:
367/66. KaXXicxqaxog BoqUiog (11« 751 A.b. 20).
366/65. *Aqiat^68rifio[g'AfAalavxMvg}Y) (U« 751 A.b. 85).
353/52. Kkioufiog 'Artjvsvg (II« 758 A. col. U 10).
352/51. Avaiag *Ax(xqvtvg (nagiäatxev u. äniSutxiv 11- 758 A. coL
n 12 u. 16).
351/50. . . ^ . . AJe . .8) nageS. (H« 758 A. col. H 18).
'EU^iaxog Ai^wvtvg ämd. (H* 750 A. col. II 34).
350/49. Moiqayivrig KvSa&tivaisvg naq, (II« 750 A. coL II 36).
Sqaaatv AafjinrQivg aned. (IP758A. col. 1146).
349/48. 0dox^d)]g naioviSrjg nag. (IP758A. coL II 48).
335/34. KakhxQarildfjg UtetQiJtvgy) nag, (IP758A. col. HI 41).
334/33. ^TQdrinnog (11« 758 A. col. II 3).
Die soziale Stellung dieser Verwalter scheint angesehen gewesen zu
sein, denn man findet unter ihnen Personen, die auch sonst im politischen
Leben Einfluss liatten oder begütert waren, wie Kallistratos aus Tliorikos
1) Swoboda, Wien, Stud. X 283; Chavaunes unter EpiMaths^ DaremhergSaglio 703.
2) Ich ergänze aaf diese Weise, was immerhin der Bucbstabenzahl entspricht,
nach P. A, 1808.
8) YieU^eht kt ^ff{itf(l€«^ff) zu ergänzen, jedoch unsicher.
4} Ich ergiaia m mA dem inntf^tptvs um 319 (P. A. 7988).
46
J, Stindwall,
(s. zu P. A. 8168) und Kallikratides aus Steiria (P. Ä. 7988). Stratippos
ist vielleicht mit Stquiinnog SrqaT — iLvr^rrjg (IP 784) identisch.
Die Verwaltung des Tempels der Demeter und Köre in Eleusis lag
den zwei Kollegien der hmaxavai 'Elsvaivo&ev und xa^iiai rolv &e61v ob
und wurde zwischen ihnen geteilt. In den ersteren glaubt Swoboda
(a. 0. S. 281, 11) eine ständige Behörde, vielleicht von zelin Mitgliedern
zu erkennen, die unter allen Athenern vielleicht auf ein Jahr gewählt
oder richtiger ausgelost wurden (ebenso bei Daremberg-Saglio), Spätere
Inschriften zeigen jedoch, dass die Zahl der Epistaten sieben^) war, wozu
noch ein Grammateus kam; auch ist die Ansicht Swobodas über ihre
Amtsdauer durch Dittenberger widerlegt, der durchaus überzeugend be-
weist, dass ihre Befugnisse pentaöterisch waren {Syll^o87, 5).*) Be-
kannt sind:
360/59—357/56. 'Afiy)ixTvwv'Ay)iSpaiog IX. xal aiwdQxovrag (Tl^ 2lM. 682c).
Jahr.
356/55—353/52.
Inschrift.
IP 1054 b.
„U.II2682C.
Namen.
TlaioviSrig^) IV.
Jijfiaivaxog^)[Tifiaai&BOv kx Kega^itav]? V?
Nix6Sr]fji]og IIiaTtüviSov ^A&fxovBvg VII.^)
?
vrig ^iXlnnov 'Eanaiod'ev II
ygafi, MeXävwnog 'EattodwQov /J[ .
336/35—333/32.
115 767 b.
'ApTia&€Pr]g 'AvTixQccTovg 'Ixaguvg IL
'Afiyi6Tt'di]g Gionounov Ilaiovidrig IV,
Jf]f^oxleiäf]g 0i)ioxUovg EiTBalog V.
Q^ofilog Kakhfiaxov ^A^aQvevg VI
yiafiTTQiag AafATtqiov 2!vnah'jTTiog VII.
1) Diese Zahl steht ohne Zweifel im Zusammenhang mit der Siebenzahl, welche
Röscher als dem Demeterkultus eigen nachgewiesen hat (vgl. Sieben- utid Neunzahl
im Kultus und Mythus d. Griech. Äbh. d. sächs. Ges. d. \\\ B. XXIX 1, 31).
2) P. A. folgt merkwürdigerweise der älteren Ansicht.
3) Ob bis hier ein oder zwei Epbtaten verzeichnet waren, ist ungewiss, weil das
Präskript vielleicht nur 45 Buchstaben in der Zeile enthielt (vgl. unten A. 5).
4) Ni%6dri\i>o9 *A&\LOvtvs iniatdxrig 356/5 (II* 682 c) ist augenscheinlich mit dem
hier vorkommenden — o<s Iltöttovidou 'Ad", identisch, weil wir einen — y]{Log niartavog
'A&. haben, der nach Kirchner (P. ^.11 838) aus derselben Familie ist, und wir diesen
Namen zu Niyi6d]jnu)g ergänzen können. Wir sind ulso berechtigt, die Inschrift
II* 1054b in die Zeit zwischen 356 und 352 zu verweisen, eine vierjährige Periode,
welche auch zu 336—2 passt.
5) Ich ergänze hier auf diese Weise nach den Trierarchen 356/5 (P. A. 3243),
sodass wir im Präskript nur 45 Buchstaben in der Zeile hätten gegen später 47 und
zuletzt 46.
Epigraphische Beiträge zur sozialrpolitischen Geschichte Athens. 47
Jahr.
Inschrift.
Namen.
336/35—333/32. II « 767 b
^Altlifiaxog Tetaafiivov ix Koihjg VIII.
Jioltvog nXaviavog Tqixoqvaiog IX.
yQafi, 'Aypo&sog ^AktünBxrj&ev X.
332/31—329/28. II * 767 b.
I Kalleag KalXmnov Aa^nxQhvg I
I XaiQiyivTig Xaiqi^wvrog Mv^^ivovaiog HL
I IIoXvkvxYig ^AvtayoQOV IliQi&oidfjg VI
I Ilokvfirjdfjg JteiTQiyovg 0kifivg VII
Titöiag J€^i&iov ^kvevg VII.
! Tluaiag ^Aqiöroxqaiovg Maqa&oiviog IX.
I Evaivezog Ev&vöixov ^Ava^kvaxiog X.
i YQcifi. OovxQLTidfig Kakkiov Qoqlxtog V.
Augenscheinlich hat man bei der Bestellung der Epistaten eine ge-
wisse Rücksicht auf die Phylen genommen. Freilich kann es auch vor-
kommen-y dass eine Phyle und sogar ein Demos zwei Epistaten stellt;
doch muss dies als Ausnahme betrachtet w^erden. Ebenso scheint der
Schreiber regelmässig aus einer der Phylen entnommen worden zu sein, die
gerade nicht im Kollegium vertreten waren. Einer von den Mitgliedern
fungierte als Vorsitzender, wahrscheinlich nur für einen Teil der Amtsdauer.
Ausser den Epistaten waren, wie bemerkt, die xauiai rolv &iOiv als
zweite Behörde mit der Verwaltung des Tempels betraut. Es waren ihrer
zwei, wahrscheinlich auch mit pentaeterischer Amtsdauer (Ditt. SglL- 587, 3).
Nur drei von diesen sind indessen bekannt:
332/31—329/28. Nixo^dog 'Akwnsxn&sp.
Ktqduwv 0kvng.
328/27—325/24. KdÜmaxQog 'Ayidvatog.
Diese Ämter waren sicherlich sehr angesehen, wenn sie auch keine
einflussreiche politische Stellung gewährten. Es ist auch bemerkenswert,
dass keiner der hier Erwähnten als im Staatsleben tätig bekannt ist;
wahi-scheinlich haben sich zu diesen Ämtern vorzugsweise Personen ge-
meldet, die irgend welche Beziehungen zu dem betreffenden Kultus hatten.
Dass sie überhaupt begütert waren, lässt sich daraus schliessen, dass
einige als solche bezeugt sind. Thukritides aus Thorikos gehörte einer
Trierarchenfamilie an, ebenso Demainetos aus Kerameis. Der Vater des
Aleximachos aus Koile ist Schatzmeister der anderen Götter; ein Ver-
wandter des Nikodemos aus Athmonon kommt als iy^vi^x^g vor (11^ 1054 g.
30); der Vater des Kalleas aus Lamptrai ist reich und Schüler des
Isokrates (P. A. 8074, Schaf., B. 134).
Eine Sonderstellung brachte auch die Verwaltung des Asklepios-
Vermögens mit sich (Swoboda a. 0. 281), die von dem ifoivg des Gottes
besorgt wurde. Dieser war bis in die Zeit des Augnstus ein durch Los
ernannter Jahresbeamter (Mommsen, Feste d. Stadt Athen 245). Es ver-
48 J. Sundtodlh
dient noch hervorgehoben zu werden, dass diese Losung in einem Tarnns
der Phylen geschah, analog der Bestellung des yqaiA^iaxfvg xatä ngwa-
viiav^) (s. unten). Diese Stellung muss folglich ein sehr hohes Ansehen
genossen haben, wozu es stimmt, dass man unter den Priestern mehrere
anderweitig als reich und angesehen bekannte findet.
Etesikles aus Hagnus entstammt einer vornehmen Familie, denn
sein Sohn Theopompos kommt auf einer Votivinschrift für Hermes
(n ^ 1605 b) vor und seine Tochter Nikarete hat ein besseres Grab-
denkmal (Conze 573); Pataikos (aus Eleusis) ist nach 11 ^ 854 b. col. I 50
für wohlhabend zu halten und vielleicht mit üdxaixog E—, Trierarch
um 350 (II*800c. 5), identisch; Teisias (aus Kephale) stammt aus einer
alten reichen Familie; Demon, S. d. Demomeles aus Paiania nahm regen
Anteil am Staatsleben und war sehr reich (vgl. P. A. 3736); Eudidaktos
(aus Lamptrai) spielte eine politische EoUe (II * 104 b) und war vermut-
lich ein angesehener Mann (s. Wilhelm, Jahresheft d. öst arch. Inst
Vn 124); Onetor aus Melite ist mehrmals Trierarch (P. A 11471).«)
Auch die agtlg anderer Götter wurden den besseren Standen ent-
nommen, wie der Priester des Pandion, Antisthenes, S. d. Antiphates, aus
Kytherros (II* 1179), Trierarch um 334/33 oder der Priester des Poseidon,
Himeraios, S. d. Phanostratos aus Phaleron (11^ 184 b), (vgl. seinen Bnider
Demetrios aus Phaleron oben S. 28).
Kultusbeamte waren auch die ugonoioi, von denen man nach Ditten-
berger {Syll^ 496, 13) vier verschiedene Arten untei-seheiden kann. Zu
irgend einer von diesen Arten gehören Folgende:
vor 357. Meidiag Ktj^öoSojQov ^Avayvgdaiog (Dem. XXI 171).
k. n. 344/43. — 'Yßadfjg (darauf der Bruder GeoxQtPfjg ' YJt, (Dem.
LVIII 29).
342/41. Nixwv
J^f^oxhlg nM326.
LvTVXioijg
Mavrld-iog
336/35. ^vXtvg riavaaviov ülvalog. IIM28b.
1) Vgl. auch die BestelluDg der SarapUpriester anf Delos, die in Übereiustimmung
mit dieser geschah {B. C. IL XVII 146). Vielleicht haben irgend welche Beziehungen
zwischen den beiden Kulten bestanden.
2) Auch im 3. Jahrb. sind angesehene und begüterte Männer in diesem Amte
bezeugt, wie Phyleus, S. d. Chairias aus Eleusis, der Thesmothet nach 286 5; Timokles
(aus Eitea), Nachkomme des gleichnamigen ra^/ag ri^g d-tov 432 1 ; Lysikles aus Sypa-
lättos, änovtiöxrig c. 250; Nikomachos (aus Paiania), tlgr^^Livog in\ ti]v xa^a'iQtoiv xal r^v
iniaxtvi^v rwv iv tö) 'AcxlTint^eiM iTtl Jioxkiovg ägxovtog-, Archikles iius Lakiadai, dessen
Familie später eine hervorragende Rolle spielte 'P. A. 2501;; Kalliades aus Aigilia,
nach 11*852 vermögend; Theodoros aus Melite, aus einer Trierarchenfamilie [^P. A.
6882); Praxiteles aus Eiresidai, Nachkomme des berühmten Bildhauers, aus einer reichen
Familie (vgl. P. A, 12172).
Epigraphiache Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 49
328/27. KqiToßovlog Koku»vfi&iv
KQiTopovlog Koltavi}&iv 1
Von diesen ist wenigstens Meidias sehr reich (Dem. XXI); Theokrines
nebst Bruder stammt aus einer besseren Familie (Dem. LVni).
Ob zu den oben aufgeführten UQonoioi die in einer delphischen In-
schrift verzeichneten Ugonoioi oi ti)v nv&iaSa uyayovrtg {B, C. H.
XX G76) zu rechnen sind, ist nicht klar; doch kann man mit Bestimmt-
heit sagen, dass sie nicht einem der beiden gesetzlichen Hieropöenkollegien
angehörten, weil sie nicht ausgelost, sondern erwählt waren, und Demades
und Lykurgos^ die hier vorkommen, zu derselben Zeit bedeutende Ämter
verwaltet haben. Es ist bemerkenswert, dass diese Hieropöen nach
Phylen erwählt waren. Allerdings M. Colin behauptet: Bien que
nommes ä VMection et au nombrc de dix, nos hieropes ne sont pus
düfign^s ä raison d'un par trihu (B. C. H. a. 0. 677), aber aus dem
Verzeichnis geht deutlich das Gegenteil hervor:
fPav6dfj/iog /livXXov QvfiaiTdSr^g VIII,
Bon&og Navöivlxov _ _ ^) (/X)?
ydvxovQyog Avxo^ovog BovTä8r,g VI,
JijfiaSijg Jrjuiov Ilaiaviivg HL
Kkiaq^og NavaixXiovg j4lytXuvg X,
rkttvxirtjg Fkavxov i$ Otov IV,
NtontoXifiog *A¥Tixk6nfg Mehtivg VII.
KkBoj^aQrjg FXavxixov Ktifpiauvg I,
'Innoxqaxfig 'AQiaToxgdrovg iV-)^
Nix^Qarog Nixlov KvSavrlSi^g II,
Dieselben Funktionen wie die zuletzt Genannten hatte auch die
Festkommission, die 329/8 wegen der Einrichtung der Festspiele des
Amphiaraos belobt wurde (Ditt. ÄyK.« 639):
0av6Sf]fiog Jivlkov Ovf^atrdStig.
Avxovqyog Avxofpqovog Bovt adrig.
/ItjfidSrjg Jrjuiov Ilniavievg,
2w^iXog ^AqKftoriXovg ^vXdöiog.
QqaavXiwv Qioywvrog *A)[aqv%vg.
^Emxüii^g 2anv6fjiov Iliqyaöij&ttf.
Nixiqqarog Nixiov KvSavtl8t}g,
*Enixdqr,g ^Aytavoxaqovg Ilatavuvg.
Ov^oxdqr^g ^aiSqav 2<prirtiog,
Kfjy>iaoy>div Avtnywvxog Xokaqyevg,
1) Welchen Phylen B6fi^og Navcivlxov und *Jnxo*Qatrig 'AgiatOKgdtovg angehört
haben, wissen wir nicht Soviel aber steht fest, dass sie, da die anderen yerschiedenen
Phylen angehorten, den zwei Übrigen, Akamantb n. Aiantis, losnschreiben sind. Viel-
leicht ist 'Iititoxif dtrig voii*Inna*Qdtrig i* KiifuiUt99 (11* 104a 78) identisch, also der
Akamantis angehörig, so dass für B6ffiog nur die Aiantii übrig bUebe (TgL B6ffiog
^aXfigs^g II < 1026).
Sandwll, Epigi»^it»clit Biitilg» «nr Borisljomtt iifcis 4
50 J. Stmdwall,
Diese sind ohne Rücksicht auf die Phylen erwählt, vielleicht wie
Dittenberger annimmt: suffragiis poptUi eos potissinmm homines electos
esse probabile est, quos prae ceteris rebus divinis operam dare constabat
(Syll^ a. 0. Anm. 5). Diese Beobachtung Dittenbei^ers trifft ebenso zu
wie die von M. Colin {B. C, H. a. 0.) über die. Wahl der i€Qonoiol ol
Ti)v nv&iuda ayayovzeg: Peut-etre tenait-on compte atdjc candidats des
relations de leur famille avec Delphes, deleur role politiqtis, de leur p%4te
envers les dieux; mais, ä ce qu'il semble, la richesse surtout d^cidait de
Velection; car pliLsieurs de nos personnages sont expressement d4sigri4s
par Demosthene comme possesseurs des plics grandes fortunes de VÄttique.
Somit ergibt sich der Tatbestand, dass bei der Besetzung der Eultus-
ämter die Vermögensverhältnisse einen überwiegenden Einfluss gehabt
haben, insofern die, welche hier eine EoUe spielen wollten, genug Ver-
mögen haben mussten, .um ihr Interesse beweisen und zu dem nötigen
Aufwände beitragen zu können.
Noch ein Gebiet auf der Grenze zwischen Kultus- und Staatsleben
will ich hier berühren, nämlich die Bestellung der uQOfivrniovtg und
nvlayoqcu^ welche nach dem Eintritt Philipps von Makedonien in den
amphiktyonischen Bundesrat eine überwiegende politische Bedeutung ge-
wann. Wir wissen, dass die Athener jährlich einen Hieromnemon aus-
lösten und ihm 3 Pylagoren an die Seite stellten, die sie für jede Session
wählten (Schoemann-Lipsius, Chr. Alt. II* 39 f.). Von den Hieromnemonen
343/42. MvYioiXoxos,') B. C. H. XXI 322.
340/39. Ji&yvvirog 'Avaylvauog, Aisch. III 115.
336/35. 'AqxiStifiog, B. C. H. XXIV 125.
331/30. 'Afirifiayrog, B. C. H. XXIV 465.
330/29. jivaiCTQaxog, B. C. H. XXIV 491.
328/27. Ei&vxlfig, B. C. H. XXIV 474.
ist keiner sonst bekannt; dagegen sind die, welche wir als Pylagoren
kennen, nämlich:
344/43. Jrifioa&ivng Ilaiavuvg, Aisch. III 113.
r MuHag 'Avayvqaoiog^ \
340/39. I AlaxLvrig Ko&a)xidrjg, \ Aisch. HI 115.
l GQoavxlrjg k^ Otov, J
unter den hervorragendsten Staatsmännern und reichsten Bürgern zu
finden. Schoemann (a. 0.) hat also recht, wenn er sagt, dass die Wahl
der Pylagoren ein Korrektiv für den Fall sein sollte, dass etwa einmal
nicht durch die Auslosung ein tüchtiger Bürger Hieromnemon wurde, oder
wie Bouch6-Leclerq (unter Hieromnemones , Daremberg-Saglio) sich aus-
drückt: A cette epoqtie, les M^omn^ions sont de respectables j^^^on-
nages, qui semblent des lourdauds ä cote des x)ylagorei^ intrigants et
diserts. Les premiers 2)araissent s'etre reserve Vadministraüon des biens
1) Über die Zeit s. Pomtow, Dtlphoi, Pauly-Wiss. Nachtrag
Epigraphische Beiträge zur soziai-poli tischest Geschichte Athens. 51
du temple et le droit de rote daiis Vassemhlee ; les autreSf s'Stre charg4s
du contentieux et de la juridiction. Les pylagores rh'etaient pas adnm
aux seances r^setv^esy tenues par les hi&omnenuyns seuls, mais seulement
aux assemble'es pUnieres, La, il setnble, que les pylagores jouaient le
Premier role. Trotzdem war es ganz ausgeschlossen, dass einmal auf
einen armen Büi^er die Wahl fiel, wo es galt, Athen zu repräsentieren,
wenn wir auch keinen der hier verzeichneten Hieromnemonen sonst
kennen.
In diesem Zusammenhang wollen wir hier noch die vaonoioi in Delphi
behandeln. Folgende sind aus Athen während des 4. Jahrh. bekannt:
354/53.^) TnXoxlf.c'Arrüi^9iv, B. C. H. XX 200, vgl. Ditt. SyU.^ 140, 37.
r Kvd^nog {TQixoQvötog)?^) B. C. H. XX 200 t
353/52. { eQaaotv , B. C. H. XX 200 f.
l Ni^xiaSns (AJUfAOtCiog)?^) B. C. H. XX 200 f.
iEvxTj^fioiv Xaqiov jiavaing, B. C. H. XX 202; XXI 478;
346/45. XXVn50.
VEmxQdxns , B. a H. XX 202, 204.
343/42. Evxxrtfimv jiovaimig.
341/40. EmxQums -.
340/39—339/38? KUivoiiaxog^) , B. C. H. XXVH 50.
EifXT^fMMP jiovctUg.
nv&6Si»Qog üu&wvog hx KfjS^, B. C. H. XX 206; XXI 478;
338/37. ^ XXIV464; XXVn50.
Evd-vxqatfig Ei&v\xQdtovs^^ {Afi^VQonfiß'wfj B, C, H.
XXI 478; XXVn50.
Invd-oSiaqog kx Kt^Saiv.
EmriXtiQ Smvofwv nfQyaarj&ev, B. C H. XX 206; XXIV 464,
475; XXVnSO.
üv&oSofQog ix KfjSäv.
*EniTÜif]g ÜBQj'aaij&BP.
Oio^wv El&ifqovog AafintQivg, B. C. H. XX 206; XXIV 475;
XXVn 50.
330/29.
1) Über die AmtsKeit der DelphiBchen Archonten s. z. Pomtow a. 0. und Bourguet,
Vadministratum financihre du Sanetuaire pyihique 1905, S. 10.
2) Vgl. P. A, KcdXia^ivrig Kvdi\u)v T.
3) Vgl. P. Ä. 7255.
4) Man kann den Anfang der AofEeichnong der in B. C. H. XXVII 49 £. publi-
zierten geographischen Naopöenlisten vielleicht feststeUen. Es ist nämlich auffiülend,
dass Epikrates, der 346/5 zusammen mit Euktemon im Amte war, in der Liste nicht
vorkommt, dagegen Rleinomachos, den man früher nicht gekannt hat, hier zuerst steht
Nun kommen Pytbodoros und Euthjkrates, die mit Euktemon 338/7 im Amte waren,
nach diesem. Es ist somit anzunehmen, dass zwischen 340—38 Rleinomachos erwählt
wurde, aber 338/7 nicht mehr im Amte war. Also hat man gerade während dieser
Zeit die Liste eiuzumeisseln begonnen, was auch schon Bourguet vermutet {B, C, JET.
a. O. S. 41).
4»
r>2 J. Sundwnll.
328/27. rf«"^''f ^*ey««^-f«v.
Ende d. 4. Jahrb.? KaAafu;^^©^ <PiÄa , B. C. H. XXVIT 50.
Von diesen kennen wir einige als reiche Leute, wie Telokles aus
Angele (vgl. P. A. 13580 u. 13584), der Trierarch um 342/1 war,
(IP803f. 8) und Pythodoros, S. d. Python, aus Kedoi, der einer sehr
reichen Familie angehörte (P. A, 12471); Euthykrates, S. d. Euthykrates
(aus Amphitrope), wäre der Trierarch IP804B.b. 11; Epiteles, S. d.
Soinomos, aus Pergase, war sehr angesehen (vgl. B, C. H. XXIV 465, 38 :
*EniXÜLU*A&iivalwi^ rrjg viqaytaying rfjg iig to yviivaaiov ijfit^valop, sicher-
lich mit diesem identisch, s. z. B. C. H, a. 0. 470). Was Dittenberger^)
äussert: etiam alios nobilissimos homines illum magistratum non fasti-
divisse und Bourguet-) vollkommen bestätigt, indem er die grosse Be-
deutung dieses Kollegiums hervorhebt, trifft also auch für Athen zu. Wir
können mit Sicherheit behaupten, dass für das Amt der Naopöen nur
begüterte Leute in Betracht kamen.
1) Syll^ 140, 57.
2) L'administration financih'e du Sancluaire pythique S. 74.
7. Die Domen.
Auf einen der wichtigsten Faktoren in der Entwickelung des inneren
Lebens von Attika, das Verhältnis zwischen der Land- und Stadt-
bevölkerung, wird vielleicht helleres Licht fallen, wenn wir der Methode,
die schon Beloch in seiner epochemachenden Untersachung über „Die
Bexölkerung d. gr.-rövi. Welt^ bezüglich Attikas angewandt hat (S. 99 ff.),
hier folgen. Ich meine seine Feststellung der Bevölkerungsdichte der
verschiedenen Demen nach der Zahl der von ihnen zu stellenden
Prytanen, ein Verfahren, das nach Aristoteles' Angaben (A&. nok. 62)
volle Berechtigung hat. Freilich muss man, wie Beloch (a. 0.) und
V. Wilamowitz-Moellendorff *) bemerken, berücksichtigen, dass jeder Bürger
in dem Demos eingeschrieben blieb, dem sein Geschlecht angehörte, wenn
er auch nicht ebenda wohnte, und dass infolgedessen schon eine gewisse
Stabilität im Verhältnisse der Demen und Phylen bestanden haben muss.
Beloch aber geht zu weit, wenn er meint (a. 0. 8. 103), dass die Demen
ein für allemal eine bestimmte Zahl Prytanen gestellt hätten, denn gerade
hierbei hat es Schwankungen gegeben, die zeigen, dass es wirklich auf
eine proportioneile Vertretung der Demen abgesehen war. Eine Unter-
suchung hierüber wird sich sicher lohnen, und um so mehr Erfolg ver-
sprechen, als wir durch Milchhöfers'-) und Löpers'O bahnbrechende Ab-
handlungen über die Trittyeneinteilung von Attika schon eine sichere
Grundlage für weitere Forschungen gewonnen haben.
Ich gehe davon aus, dass die Trittyen des Kleisthenes anfangs in
ihrem Verhältnisse zu einander ziemlich gleichmässig stark waren. Diese
Meinung vertreten Wilamowitz (a. 0.) imd andere wie De Sanctis.*) Sie
wird auch, wie mir scheint, von Milchhöfer mit seineu statistischen
1) AristoieUs und Athen II 161.
2) Untersuchungen über die Demenordnung des KleMieneSy Abh, d, BerL Akad.
1892; Zur attischen Lokalverfassung, Ath. Mut. XVIil.
3) Die Trittyen und Demen AUikas, Aifi, Mitt. XVII.
4) "At^iSy Storia deüa republica ateniese, S. 330. £ioe Bestätigung hierfUr wäre
— woraaf I^oper in Sumal ministerstva narodnago prosvjeicenija^ Poteraburg, 1896,
Mai 90 f. hindeutet — dass die Zahl 30 bei einigen BeamtenkoUegien im Zusauimen«
54 f7. SwndwaU,
Berechnungen des Grundverhältnisses auf ^/g für den Stadtbezirk
und */5 für jeden der beiden anderen Bezirke^) nicht widerlegt, denn
die Zuverlässigkeit der Milchhöferschen statistischen Methode lässt viel
zu wünschen übrig. Schliesslich glaube ich nachweisen zu können,
dass man Grund zu der Annahme einer ursprünglichen Gleichheit der
Trittyen hat, auch wegen der Veränderung, die die Einteilung im
4. Jahrh. aufweist. Wenn man nun versucht, aus der Vertretung der
Demen und somit auch der Trittyen durch Prytanen etwaige AufschlüSBae
zu gewinnen, so sieht man sich beschränkt durch die unvollständige Kunde
über mehrere Phylen. Um dies Hindernis zu beseitigen, habe ich die
fehlenden Prytanenverzeichnisse zu ergänzen versucht (vgl. unten S. 86 ff.),
woraufhin ich wenigstens eine annähernde Giltigkeit meiner Resultate
glaube erwarten zu dürfen. Das Stärkeverhältnis der Vertretung der
Trittyen im 4. Jahrh. bekommt darnach folgendes Aussehen:
«•*)
b.
c.
I. (6)
(29)
(15)
II. 10
18
22
m. 11
22
17
IV. 18
17
15
V. (18)
(11)
(21)
VI. 17
11
22
VII. (16)
(14)
(20)
7m. (23)
(17)
(10)
IX. (8)
(26)
(16)
X. 10
27
13.
Als Resultat ergibt sich mm für den Küstenbezirk 192, Landbezirk 171,
Stadtbezirk 137 Prytanen. Dieses Resultat ebenso wie die Gleichheit der
Trittyenvertretung einiger Phylen kann nur als Bestätigung der Ansicht
bang mit der Zahl der Trittyen steht, und dass man augenscheinlich bei der Ein-
führung dieser Amter die Absicht hatte, für jede Trittye ein Mitglied zu ernennen.
Was er ebenda über die Wahl der 30 Tyrannen aus jeder Trittye ausführt, trifft
aber nicht zu, wie man prosopographisch nachweisen kann. Unter den Mitgliedern
der Akamantis nämlich sind XaigtXi&g ^Ayvovaios und 'Avaltiog Ikpi^ttiogj beide aus
der binnenlfindischen Trittys. Ebenso ist es klar, dass wir iu der Aufzählung des Xeno-
phon (Heü. 11 8, 2) nicht die von Loper angenommenen Trittyenfolge finden können,
wie aus Folgendem lu ersehen ist:
MvrialXoxog KovdvXidrig ^ r^tTT. ii^aoy.
XQiiuav — > ?
ßriQa^Livrig JStSiQisvg ) tgitr. nagaX.
SofpOTxXfig — I ?
'Eq(xxoa^ivr\g Olffiiv } Tpiri:. &6t.
Xagtidi^g f ?
1) Unters, üb, d. Demenord. S. 44.
2) Ich verwende hier der Kürze wegen dieselbe Bezeichnung der Trittyen wie
Löper iu Ath. Mitt. XVII 431, nämlich a für die Stadttrittys, b für die Küstentrittys
und c für die Binnenlandtrittys.
Epigraphiache Beiträge zur sozial'jwlitischen Geschichte Athens. 55
von der ursprünglichen Gleichheit der Trittyen gegen die Annahme von
Milchhöfer angesehen werden. Die Trittyeneinteilung liess sich natürlich
nicht lange unverändert erhalten. Aber die Veränderung ergibt sich aus
diesen Zahlen anders, als Wilamowitz behauptet: „Selbst dann würde
die Einteilung für die wirtschaftliche Übermacht beweisen, die trotz den
landfreundlichen Massnahmen der Tyranms die Hauptstadt gewonnen hatte.
Die Demokratie hat diesen Prozess mit oder ohne Absicht ungemein be-
schleunigt, denn in den meisten Phylen und so überhaupt in der Bürgerschaft
überwiegen die Angehörigen der Stadtprovinz relativ ganz bedeutend".*)
Die Verschiebung hat zu Gunsten des Küstenbezirkes und zum Nachteil
des Stadtbezirkes eingesetzt, während der Landbezirk ungefähr unver-
ändert geblieben ist. Diese Tatsache können wir ausserdem durch Bei-
spiele von Verschiebungen in einzelnen Phylen während des 4. Jahrh.
beleuchten. In der Pandionis hat man innerhalb 30 Jahre:
II «865. IP871b.
a=12 a = ll
b = 21 b = 22
c = 17 c = 17.
In der Oineis ist wahrscheinlich Hippotomadai zu der Stadttrittys
zu rechnen und wird abwechselnd mit Tyrmeidai im Bäte vertreten
(vgl. unten 84, 2). Es ergibt sich also für diese Phyle in dem Zeiträume
von 10 Jahren folgende Verschiebung:
II» 868. II» 868 b.
. a = 17 a = 16
b = 11 b = (12)
c = 22 c = (22).
Nacli meiner Meinung ist somit ein Rückgang der ursprünglichen Be-
völkerung der Stadtdemen hier unzweideutig festgestellt, der nur so zu
verstehen ist, dass die ärmere besitzlose Stadtbevölkerung vielleicht mehr
zu Kleruchien herangezogen wurde und^ da sie überhaupt beweglicher
war, nach und nach zusammenschmolz. Die Niederlassung von Einwohnern
der anderen Bezirke, die übrigens in ihren Demen eingeschrieben blieben,
hat wohl die Lücken in der eingesessenen Bevölkerung der Stadt aus-
gefüllt, doch erlaubt uns dieser Vorgang noch nicht an ein industrielles
Stadtproletariat zu denken. Dadurch entstand auch der Unterschied
zwischen den Teilen der Demosbevölkerung, die in der Stadt lebte und
der auf dem Lande, der, wie v. SchoefEer^) hervorgehoben hat, im poli-
tischen Leben und den kommunalen Angelegenheiten sich häufig fühl-
bar machte.
Was nun die Eolle der besitzenden Klassen in der Demenverwaltung
angeht, so sind zunächst von den Spitzen der Verwaltung, d. h. den
Demarchen, im 4. Jahrhundert folgende bekannt:
1) Ärist. u. Athen n 161.
2) Unter ^4fMM, Ptmfy'Wümoa.
56 e7. Stmdwdll,
V. 346. "AviiytXog 'Ahfiovaiog (Dem. LVn 26, 60).
c. 350. Nixwp 'Ixaquvi (11* 572 c).
rvi9iQ *EXsv<fiviog (H« 574 b.g).
V. 346. Evli&ioq Qovxgitov 'AXtfiavaiog (Dem. LVII).
346. Evßovkldijg ^Avxt^ilov 'AXifiovaiog (Dem. LVII).
345/44. Jrjtioc&ipfjg Al^iavm (Ü« 1055).
325/24. /twQo&eog Ai^wv^vg (n^ 579, H^ 584 c).
321/20. 'Oi/i/rwe 'Ekivahiog (II* 574 e).
^Qvvitav Ütiqauvg (11 ^ 1059).
313/12. 'HyriaiXiiOQ Alltaviv^ (Hi 585).
Ende i 4. Jahrh. löaqxog 'Eltvamog (11^ 574 g).
V. 300. Ev»vSi]fjiog . . . ^oxA^vc 'Ektvaiviog (TL* 574h).
0iX6&fiQog All(üvm (n*584d).
Bezüglich ihrer können wir behaupten, dass Nikon aus Ikaria, der
nebst zwei Choregen gelobt wird, 6n xaluig xal öixaiwg rqi /liovvatß
tijv ioQTtjv knoifjaep xal xov äyu/va und wohl aus eigener Kasse bei-
gesteuert hatte, vermögend war, wie auch Gnathis aus Eleusis als Choreg
erwähnt wird; auch Antiphilos und Eubulides aus Halimus waren ver-
mögende Leute ^), und von Euthydemos, S. d. — rokles, aus Eleusis, heisst
es in dem Ehrendekret II * 574 h : xal kax^av diifiag^og xakwg xal Sixaitag
dtdi^fiUQXV^iv xal xi&vxiv re x^ Jiovvaqt vnig vyniag xal ffdoxrigiag rHv
Sfjfioxanf nag avxov avaUaxu)v elg xoig Sfjfjioxag ne Euxitheos aus
Halimus wird zwar von dem Redner (Dem. LVII) als arm dargestellt,
aber dies geschieht deutlich nur, um die Übergriffe des reichen Eubulides
gegen ihn stärker hervorzuheben; denn, dass er völlig arm gewesen
sein sollte, ist ausgeschlossen, da sein Vater doch einer begüterten Familie
angehörte«), und es von ihm selbst heisst, dass er ein kleines Haus auf
dem Lande hatte und als Phratriarch und Heraklespriester tätig war.
Femer kommen auch unter den als Antragssteller in den Demosver-
sammlungen bekannten mehrere vermögende Leute vor, wie Kalliades, S. d.
Philinos, aus Peiraieus, Antragsteller um 350, der in einem Orgeonendekret
gelobt wird ]^ Philoktemon und Philaios, Ss. d. Chremes, aus Aixone, deren
Vater wahrscheinlich der Archon 326/5 ist (vgl. P, A, 14 640); —rokles,
S. d. Ethydemos, aus Eleusis, dessen Vater als Priester des Asklepios
Weihungen machte (IP^ 1651) und dessen Sohn als vermögend bezeugt
ist (s. oben unter den Demarchen) ; Glaukides, S. d. Sosippos, aus Aixone,
dessen Bruder 323 unter den Rittern ist (11-962); Tiniokedes, S. d. Gnathis,
aus Eleusis: einer der Vorfahren Choreg (s. oben unter den Demarchen).
Wir finden also, dass sowohl unter den Demarchen als unter den im Demos-
leben sonst einflussreichen melirere vorkommen, die wir als begütert und
1) S. oben S. 15.
2) Vgl. oben S. 8 zu ©orxpiTog \lXm.
3^ Ath, Mitt. XXI 299 und 808.
Epigraph\8che Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Äthetis. 57
als liöheren Schichten der Bürgerschaft angehörig kennen. Diese Tat-
sachen sprechen dafür, dass die Begüterten ein entschiedenes Übergewicht
in den Demen hatten. Bemerkenswert ist, dass Hanssonllier in seiner
grundlegenden Arbeit La vie municipale en Attique die hiermit über-
einstimmende Schlussfolgerung ausgesprochen hat, dass nur wenige die
Posten in den Demen suchten, und dass diese den einflussreichen Familien
angehörten, qui so7it la force du deme et comme le noxjau de Vassenible'e
(S. 60), und weiter: Cest ä leur anciefinete', ä Uurs richesses, mais aussi
ä leurs dtats de Service que ces familles doivent la cansideration dont
elles jouissent: ce sont elles qui founüssent a Vassemhlee la plupart de
ses orateurs, au deme la plupart de se^ magistrats. Er stützt sich da-
bei auf die Redner und die Inschriften. So weist er auf die Familie
der Buseliden hin und deren unzweifelhaften Einfluss in Oion^) oder den
Einfluss des Antiphilos und seines Sohnes Eubulides in Halimus;^) auch
führt er mehrere Dekrete aus Aixone an, in welchen einige Familien
durchgängig als die geschäftstragenden vorkommen, wie Chremes und seine
Söhne Philoktemon und Philaios (vgl oben); Nauson nebst Söhnen Eallis-
thenes und Anticharmos und Enkel — ttiq Avti.xuqiaov\ Eallias, S. d.
Kalliades, Itg^v^ *H(faxku3wv (II ^ 581) und sein Sohn als avvSixog (11 ^ 584 d) ;
Philotheros als Demarch und sein Sohn als avvSixos (ebend.), u. s. w.
Hanssonllier fragt sich: Ne'71 etait-il pas de m$me dans tous le^ autres
hourges? Unzweifelhaft, denn wir können weiter z. B. auf Eleusis hin-
weisen, wo es in einem Dekret zu Ehren des Euthydemos, S. d. — rokles,
als gewesenen Demarchen heisst: vnaQx^^v f^^ Ev&vdtjfiqt^ do&iiatjg xai
Tolg ngoyovois ainov ravxfi^ r^g dwgiäg^ ngoiSgiav aizip xal iyyovoiQ
(II * 574 h). Also hatten seine Vorfahren eine wichtige Rolle in ihrem
Demos gespielt, was wir auch durch andere Inschriften bestätigt sehen.
Sein Vater ist nämlich Antragsteller 321/20 (11^ 574 e), und sein Gross-
vater scheint sich auch hervorgetan zu haben (11^ 1651). Femer haben
wir um 350 einen Demarchen Gnathis, dessen Sohn wieder am Ende des
4. Jahrh. Antragsteller ist (11^ 574 g). Kallimachos, S. d. Kallikrates, ist
Antragsteller eines Ehrendekrets (II ^ 574 b) , und sein Sohn Kallikrates
kommt in einem Katalog vor, 11* 1013. Aus Athmonon wird unter den
Merarchen 325/4 Lykophron , S. d. Lykiskos , erwähnt (II * 580) , dessen
Vater vielleicht der Archon 344/3 war.-^)
Die Versammlungen der Demen waren wenig: besucht (HaussouIIier a. 0.
5. 02). Die Ursache dafür ist einleuchtend. Die Äiineren hatten weder
Lust dazu noch waren sie in der Lage sich daran zu beteiligen, denn es ist
wahrscheinlich, dass die Mehrzahl der ärmeren Demoten in der Stadt an-
sässig war, wie oben ausgefühi*t wurde. Die Wohlhabenden, die Grund-
1) YgL [Dem.] XUIL
2) Dam. \LYlt^
8) IM, JbiL§(1ß^ JIML ^WlMi Ol AiheM VIII 215.
58 'h Sundwal}.
besitzer, wohnten fortwährend auf dem Lande und konnten so in A&a
Demen schalten und walten. Damm sehen wir, dass man auch in Demen-
angelegenheiten immer gewöhnt war, sich auf die Beihilfe der Beichan
zu verlassen. Diese Eommunalversammlungen gewährten zweifellos In-
triguen und Winkelinteressen in Attika einen bedeutenden Spielraum, wie
überall in kleinen Gemeinden, wo einige Familien die Oberhand be-
haupteten oder darum stritten. Dafür liefert die Pseudo-Demosthenische
Rede gegen Eubulides ein beredtes Zeugnis. Auch aus Aristoteles
Worten:^) al 8' iv Qtjatiqt xXfjgotficvcu (agx^^) ^«ffpoiJyro üg rovg dijfiovg.
inBiSfi 9 inwXovv ol Sijfioi, xal rctvrag kx rfjg (fvXijg oltjg xXti^oikfiV,
lässt sich deutlich herauslesen, dass die Begüterten sich stark zur Be-
setzung von Ämtern drängten, wie Demosthenes, der bekanntlich einem
grossen und angesehenen Geschlechte angehörte, mit Erfolg versuchte,
seinen Nebenbuhler zum Rücktritt bei der Bewerbung um das Ratsamt zu
bewegen, wie Aischines*) berichtet. Der Eindruck, den man von den Demen
bekommt, ist, wie Haussoullier treffend bemerkt, der, dass sie einen sehr
kleinen Ereis bildeten, in welchem einige Familien oder Personen die Macht
hatten, und mit dem attischen Staate als Ganzem verhielt es sich ebenso.
1) 'A». noX. 62, 1.
2) in 62, vgl. V. Schoeffer unter ^^fiot Pauly- ]yi88. 28. Der Bericht des Aischines
hätte dann Wahrscheinlichkeit für sich, wenn man beweisen könnte, dass Demosthenes
dem Demos Tlaiavla xa^vnsQ^sv angehörte, der nur einen Prytanen stellte (Ilautvia
hnivsq^sv stellte nämlich nicht weniger als 11 Prytanen), wodurch es möglich wurde,
einen Nebenbuhler sum Rücktritt zu bewegen. Dieser Beweis lässt sich fuhren ; denn
in einem Ephebenkataloge aus 305/4 (II ^ 251b) konmit unter den zu Antigonis ge-
hörigen IlauLvuls ein — JrnLoxdQOv vor, der aus derselben Familie wie Demosthenes
ist (vgl. P. Ä. 3597). Nun wissen wir ja, dass nur Ilaiavla na^vnsQ^tv zu Antigonis
geschlagen wurde (s. unten S. 89), also gehörte das Geschlecht des Demosthenes tat-
sächlich diesem Teil des Demos Paiania an.
8. Gesandte und Redner.
Zuletzt sollen die Gesandten, sowie die Redner und Antragsteller in
der Volksversammlung behandelt werden. Im Zusammenhang damit wird
auch auf die Bildung der damaligen politischen Parteien in Athen helleres
Licht fallen. Was zunächst die Gesandten betrifft, so wissen wir, dass
sie 1 bis 3 Dr. als iipodia erhielten;^) also genug, dass auch weniger be-
güterte Bürger einen solchen Auftrag hätten übernehmen können. Tat-
sächlich war das jedoch, so weit wir sehen, nicht der Fall Eine Zusammen-
stellung aller Athener, die in der Zeit von 360 — 22 als Gesandte verzeichnet
sind, wird es erweisen:
359/58. 'Avuyüiv j ^^ ^^ ^^
356/55. jdvaixQdtfic Olvaiog \
'Avtifiazog i 11* Add. 66b.
navxivYtg __ l Dem. XXIV 12.
^AvSqoxiiüV raqyr(XTiog I
EvdiSaxTog Aa^mqtvg \ Ditt. SylU 789.
og AaiAntqvig )
351/50. 'Ay)6ßr,Tog Ko&wxldrjg, Schäf., Dem. I« 482, 7.
355/54.
352/51.
Nixoaxqaxog Qoqmtvg
^aivinnog ^A^rivuvg
QqaCvxXfg IlaXkfivetg
'^/iinnog Iloqiog
*A&ipßlmv *Aqayrpfiog
n* 105.
1*808. Boerner, Pauly-Wias, anter *Etf>6d%ov.
60
J. Suiidtvall,
360—50? ''AvSqwv ix Kiqafiiiav
Avaia .
^kviig
) U^ 546.
Schaf., Dmu II« 195, 1; 240, 1.
Ev^Qoavvog üaiavuvg
348/47. Kvvjaiyxtiv, Schaf., Denu 11 « 166.
JlaxivrtQ Ko»a)xiS»ig, Schaf., Dmi. IV 170.
347/46. \4QiaT6dnuog, Schaf., Deni. IV 192 f.
KTfjmyuiv
\4QtaT68f]fiog
"laTQOxXfjg IlaaiywVTOg
Kifiü)V (ydaxiddtjg)?
Navifixltjg 'Orj&ev
JtQXvlog 'Ayvovöiog
0QVPü)v *Pafivavaiog
^iXoxQatijg 'Äyvoüaiog
AlaxivTjg Ko&wxiörig
j9]fioöd'ipr^g Tlaiavuvg
/liQXvXog ^Ayvovatog ^
'AyoßtjTog Kod-wxidijg [ Schaf., Dem. 11'^ 275, 1.
2Ti(pavog 'EQOidSfjg J
V. 346. TifioQxog Hyi^rriog, Aisch. I 120.
345/44. /Ir^iAoa&ivfjg üaiavuvg \ ^ .^. ^ ,,« ,,j,. -
' crj * V ' } Schaf., Devi, 11-354, 1.
Eifxkeidtjg, Schaf., Dem. 11^348, 1.
344/43. 'Upjamnog ^ovpievg, Schäf., Dem. II ^ 380.
343/42. Jtjfioa&ivfjg Üaiavuvg IIL
'Hyiqainnog ^ovvuvg IV.
üokvevxTog S^xxiog V.
[AvxovQyog Bovrddtjg VI^
[KliiTOfia^og ].
342/41. JfjfMa&evfjg Üaiavuvg, Schäf., Dem. 11-482.
'YnsQBidrfg Koklvrsvg, Schäf., Dem. irM84.
Mivilaog Mvggivovaiog f
34140. Jt}fÄoadiv9ig üaiavuvg, Schäf., Dem. 11-486.
339/38. JrtiA06»lvrig üaiavuvg, Schäf., Dem. 11-^549.
338 37. 'YnBQeiStjg KoUvrevg^ Schäf., Dem. 111 M6, 2.
Jfj^dSr^g üaiavievg
,,, '^ ,.r .o „T ? Schaf., Dem. III- 2o.
<l>wxiajv ily?iaTiadf]g?]
\üoXvevxTog ^^TTiog\^)
Schäf.. Dem. HM27, 2.
1) S. dazu Blass, AU. Ber. Iir^ 2, 153, 3,
Epigraphkehe Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athe^is. 61
336/35. Jniioc&hrK Umavi^ \ ^^^^^ j^^ ^^^ ^ ^^^ j
nripiaorig llaiaviivg >
^AqictoydtUiV \
jQtanlSijg \ Schaf., Dem. IIT« 119, 1.
'lyixQCiTfjg Pa/ivovifiog I
335/34. JfifAoa&ivfjQ Uaiapiivg, Vitu Xor. 851b.
0wxi(av [lytauaoijg} > '
332/31. Jiöfavxoi [JKt;e^*,r<n;<T,off] ? •) | ^^ jjj, ^^ ^
329/28. ei]ßayiv})s 'Ektvatvtoe, 11» 179 b.
323/22. •Yn^.iSn, KoXXvr^, j ^^,,, j^j, 3^ 3.
IIoÄvivxTog 2.^rittiOQ '
322. JtjfAadfjg Uaiavimjg \
0wxlu)v ['lyiaudStKi] \ Schaf., Dmn. III» 388.
JrjfAiiTQiag ^aXr^Qivg I
Begütert sind folgende:
&Quawv 'Egxi^s, Proxenos der Thebaner, ans einer vornehmen, reichen
Familie. (S. zu seinem Sohne Thrasybnlos unter den Strategen S. 27).
MiXaifwnog M^wvivg.
rkavxirtig,
'AvdgoTltav ragyi^TTiag. Von diesen sind Melanopos und Androtion
auch sonst als reiche Bürger bekannt (s. oben S. 27 u. 15). Von allen
dreien heisst es bei Demosthenes») ^nkovai.01 ovng^.
'AgiöToSfifiog war sicherlich reich.*)
'latgoxlijg IlaaifpwvTog muss wohl deswegen einer reichen Familie
zugewiesen werden, weil diese ihn aus der Gefangenschaft loskaufen
wollte.«)
NavctxXi^g 'Of,&iv, s. zu den Strategen S. 27.
AegxvXog *Ayvovaiog, s. zu den Strategen S. 27.
Wgvvofv PafAvovöiog kaufte sich aus der Gefangenschaft los.^j Der-
selbe avi&ipciv inig Aioyvtixov xov vov c. 350 (IP 1440).
0iXoxgciTt}g 'Aywovcio^, s. zum Rate S. 15.
Jrjfioa&ivfjg üaiavuvg, s. zum Kate S. 15.
Tifiagxog 2!(pijTTiog, s. zum Rate S. 15.
'Byncinnog JSovvuvg kommt als kyYvnxiig rgnigwv in den Seeurk. vor
(n*804B.a. 26; 809 c. 69).
IIokvivxTog JStpnxtiogy von Demosthenes als 6 ßÜLuatog bcaivoai er-
1) Beloch (AU. P6L 246, 5) hält ihn fUr identisch mit Diophantos, S. d. Phrasi-
kleides, aus Myrrinus, was jedoch unsicher bleibt.
2) XXIV 112.
3) Vgl. Schaf., Dem. I«245.
4) Aisch. III 16.
5) Schlf., Dem. II« 165.
62 J. Sundwall,
wähnt (IX 72), war ein geistreicher Eedner/) der ohne Zweifel zu den
Wohlhabenden zählte.
jivxovQyog Bovrddtjg, s. zu den Finanzbeamten S. 43.
'YntQÜdm KoXXvxtvg^ s. zum Rate S. 16.
Mivtkao^ Mvggivovaiog hnidtoxtv üg t« aituiVixd (TL« 808 c. 74 ; 809 d. 211).
JfjfAclSfjg üautvuvg^ s, zu den Strategen S. 28.
Alaxivm Ko&itixl8tjq. Über seine Vermögensverhältnisse s. zu Dem.
XVm 312.
0(oxiu)v ['IffiaridSfig], s. zu den Strategen S. 29.
*Iq>ixgdtfig 'PafAvovaiag. Über die Vermögensverhältnisse seines Vaters
s. zu den Strategen S. 26.
JiotpapTog [MvQQivovüiog]. Wenn die Identifizierung Belochs richtig
ist, der mehrmals als Trierarch bekannte D. aus Myrrinus (P. A. 4435).
Über Jt]fii^TQ$og ^aXijgsvg siehe zu den Strategen S. 28.
Von 45 Gesandten sind also ungefähr 23 als begüterte, ja reiche
Bürger bekannt Dazu passt auch gut, dass so reiche Männer wie De-
mosthenes oder Demades sehr oft als Gesandte fungierten. Kurz, auf diesem
wichtigen politischen Gebiete ist ein überwiegender Einfluss der Be-
güterten zu erkennen.
Zu demselben Ergebnisse kommen wir bei der Prüfung der Antrag-
steller und Redner in der Volksversammlung. Als solche sind uns bekannt:
359/58. rXavxfav, Schaf., Dem. V 161.
358/57. JlBQtavdgog UoXvaqdxov XoXagrm, Ditt. 8yll^%22, 3; Schal,
D&m. I« 167.
Xaigidfjfwg, Schaf., J5. 193.
357/56. 'Hrv(fav8eos 'Hynalov 2owim, Ditt. Syll^ 111, 3.
Tifio&eos Kövtavog 'ApafpXvauog, Schaf., Denu I- 163, 1.
Kriq>i4s65otog ix KsgafAiwv, Schaf., Dem, I* 163, 1.
KdJiXinnog üoiavuvg^ Schaf., Dem. I^ 164, 2.
^Agtatoifäv 'Agurroffdvovg *A^fjvisvg, 11^ 63, vgl. Afh. Mitt.
n 153, 2.
k. n. 357. 'Hyncmnog 'Hytjaiov 2ovvt€vg, II ^ 65, Ditt. Syll^ 110, 1.
356/55. noXüvxTog 2ip!^xxiog, H^ 66, Ditt. /Syii.« 115, 5.
KaXha&ivTig, n> add. 66 b, Ditt. Syll^ 114, 6.
jiinrivfjg hx KoiXtjg, Schaf., Dem. 1^3911
'Avdgoriwv "Avdgwvog Fagyi^TTiog, Schaf., Dem. 1*351 u. 352.
Miidiag Ktjipiöodcigov 'Avayvgdaiog, Schaf., Dem. 1 ^ 362.
'AgiOTotfäv ^Aqiaxotpdvovg *ACt]vuvg, Schaf., Dem. T^ 184, .1.
Aionei&fjg Aionti&ovg 2(prJTUog, Schaf., Dem. I* 184, 1.
355/54. 'Agiatoifwv'AgiaTotpdvovg'ACfjving, Schaf., Dem. I« 180, 1 ; n* 70.
EvßovXog ^mv&dgov IlgoßaXiöiog, Schaf., Dem, I* 188. Beloch,
Att. Pol. 365.
l) BhiSH, AU. Ber. III «2, 158.
Epigraphische Beiträge zur soziairpolitischen Oeschichte Athens. 63
'HyrtOmno^ 'Hy^alov SowiOfg^ Schaf., Dem, I* 499, 2.
354/53. Kgarlvog n»71b.
^iXwvädfK 0iXoarqaxov IlaiJifivivg 11 ^ 71c.
Jijfioa&ivfig Jrjfioo&ivovg Uaiaviivg, Schaf., Dem. 1*456 f.
EixTtjfiwv, Schaf., Dem. I« 367.
K7iq;$($oywv KaXhßiov Ilatapinfg, Schaf., Dem. 1-443.
353/52. EviHiiaxoQ H^ 72.
TifAwviSns n«72b.
JfjfAoa&imig ^fjfjioö&ivoug Ilmcnnfvq^ Schaf., Dem. 1-519.
Awxirng ix KoiXfjSy Schaf., Dem. V 512.
'ÄQx^ßioSriQ JjjfAOTÜiovs *Ai,a&ivs, Schaf., Dem. I* 512.
0(üximv ['lyiüTiudfjgl Schaf., Dem. V 512.
Tif/^oxgdrtis 'Amtpwvtog Kgitaw^^ Schäl, Dem. I* 369.
/lt6(favtog JSffYitTiogj Schaf., Dem, I* 206, 1.
368—353. MiXcivanog Adx^vog Ailißavüg 11 ^ 73. Ditt. Syll.^ 117, 5.
y. 352/51. BXinvQog IIh&upöqov Uaiopiä^ 11 <^ 95 b.
JtoyÜTfav n^ 76.
Kgativos n5 83b.
'EmxdgtK n^95.
352/51. *«Aoxparj7ff *Arvoi6ioi n« 104 a (vgl. P. A. 14576).
Afjfioa&ivijs AfifAoa&ivovg IIaiavi9vSj Schaf., Dem. 11* 58.
351/50. Jti^oa&ivns Jf^/ioa&ivovQ ümaviivg^ Schäf., Dem. I« 481—82.
350/49. 0iXoxQäTfK 'Ayvotciog, Didym. Schol Demosth.; P. A. add. 14 599.
349/48. Mudlag Ktjtpiaodwgov "Avarvgdaiog , Schäf., Dem. 11* 79, Blass,
AU. Ber. m« 1, 316.
JfjfAoc&ivrjg Aij/ioa&ivovg Ilaiavmgj Schäf., Dem. 11*79; 131 f.
[ArjfAaSrig Jtjfiiov Uaiaviivg], Schäf., Dem. U* 131, 3.
'AnoXXodwgog Uaclunfog *Axagvivg, Blass, Aü. Ber. III* 1, 316.
'AgxiSnfiog *Agxiov llmoviSfig HS ü« 107.
'hgoxXtiStjg TifMOrpätov ^AXwntxrf&av U^ 107 b.c.
IloXvxgdrfjg IloXveCxrov 09iyai9vg 11^ 108.
348/47. [JfjfAoa&ivng AfifiO0&h^ovg Ucuavttvg] ? 11 ^ 224 ; Wilhelm, Comptes
rendus de VAcad. des Inser. 1900, 5241
(piXoxgarng 'Aywvaiog^ Schäl, Dem. n» 166, 4.
AUsxivng 'AtgofM^rftov Ko&mxidfjgj Schäl, Dem. II* 168.
EvßovXog 2niv»aQov ügoßaUtnag, Schäl, Dem. 11* 170.
347/46. J9ifioa»ivrig Arifioa&ipovg UauiVievg, Schäf., Dem. 11* 178, 3;
193, 3; 2091
2xtxfavag AvnSißiQidov ^EgoidS^Q^ Ditt. 8yU.'^ 125, 4.
Atlfioxßdrtjg 'Atpidvalog, Schäf., Dem. U* 193, 2.
^iXoxgdrng "Ayvovaiog, Schäl, Dem. U* 194, 1; 225; 273.
EvßovXog JSniv&dgov JlgoßaXiöiogy Schäl, Dem. 11* 194, 2; 231.
Ktifp^aoyHuv KaXXtßiov Haiapitvgy Schäl, Dem. 11* 194, 2.
AUfxivm ^ArgofiTtTov Ka»wxiätig, Schäl, Dem. 11* 230.
64 J. Sundwall,
'AvSqotIwv ^AvÖQutvog ra^rittiog^ Ditt. Syll.^ 129. .
fJoXvivxTog TiuoxQUTOvg KQtwevg, Ditt. Sfjll' 129.
'Hrijatnnog 'Hy^clov 2ovvi^g, Schaf., Dem. W- 227, 3; 276, 4.
'Ale^ifiaxog 77i?Ai?S, SchÄt, Dem. H« 242.
Kakliff&kviic, Schaf., Dem. 11« 293.
346/45. Jrjfiocfilog, Schaf., Dem. H^SOS.
Jlaxivm ^AvQOfirtTov Ko&taxiStjg, Schaf., Dem. 11-296.
^ijfjioa&ivfjg /Itjiioa&ivovg üaiavttvg, Schaf., Dem. 11*290.
KaXkixgdzjjg Xagonidov jiaiinxQVjg 11* 75 u. IT* 110c.
345/44. 'AQiax g 'Agiarovlxov — IV 135b u. IP lllcH.
/Itllioö&iv^g Jijfioa&ivovg Tlaiavuvgj Schaf., Dem. 11* 353, 4.
c. 344. MotgoxXijg, Schaf., Dem. II « 433, 2; B. 275, 277.
344/43. Jtjfio(j»iprs /lijfAoa&kvovg Hmavuvg, Schaf., Z)m. IP356; 366.
\Hyr,ainnog 'Hytjciov JSovvtevg, Schaf., Dem. 11* 379.
— Olvoßhv PafAvovötog IIU35b u. HMll c.I.
'Agiartllov KvQiu8i}q 11* 111.
343/42. ^tjfioad^ivrjg Jr^fioff&ivovg üatariivg, Beloch, Atf. Pol. 369;
Schaf., Dm. n«439; 450, 3.
^fifiddfig Jfifiiov Uaiapnvg, Schaf., Dem. 11*434, 5.
*Hyr^innog *Hyfjffiov JSovvuvg, Schaf., Dem. 11* 434.
*Aoiaxotpwv ^Aginroffdwovg ^Cfjvtivg 11^ 114 b.
V. 342. 'ApTtfüSiav, Schaf., Dem. B. 273.
QovxvSiing, Schaf., Dem. B. 273.
342/41 . J^fAoaö-ivfjg J9ifioa9ivovg Ilmavuvg, Schaf., Dem. II « 453 f. ; 466 1
341/40. Jrjfioa»ivtjg Jriiioa9ivovg üatavtevg, Schaf., Dem. II* 495; 497 f.
^Agiöxovixog Nixotfdvovg 'Avayvgdfftog, Schaf., Dem. II* 496.
Innoaxgaxog ^Exiag^ldov üakXtjvivgj 11^ 116.
340/39. /Ifjfioa&ivtjg Jtjfioa&ivovg Ilaiaviivg, Schaf., Dem. 11*505, 2;
525. Bev. des dtv^. greeques Xm 158.
KaXXtxgdxtjg XagoniSov jiaptnxgng 11^ 117.
^tXoSriuog JvxoxXiovg EgoidSrjg 11« 117 b. Larfeld, Hdb. 90.
.... xgdxrjg 'A&tjv Bvg 11^ 119. Larfeld a. 0.
339/38. Jt]fiOrt&ipt]g /lijfioa&ivoifg üataviivg, Schaf., Dem. II* 527;
548 f.; 560.
JrjfiofiiXtjg Jr^itavog Tlmavuig^ Schaf., Dem. 11* 557, 5.
"YntgtlSm rXavxlnnov KoXXvxivg, Schaf., Dem. 11*557, 5.
JivivSag, Schäf., Dem. II* 557, 5.
*(wx/wv l'LptcxiaSng], Schäf., Dem. U* 559.
338/37. YneguStjg FXavxinnov KoXXvxevgy Schäf., Dem. 111^9.
Avxoigyog Avxoqgovog BovrdStjg, Schäf., Dem. III* 7, 2.
JfjfAoa&ivrjg Arj^oöd-ivovg Uaiaviet'g, Schäf., Dem. UI* 12; 80, 4.
ArjfidSng Afjfiiov üatavitvg, Schäf., Dem. 111*27. 2; 33.
'Hyr^ffinnog *IJyfj(TiOv SSovpuvg II * 121.
NavaixXi,g KXtdgxov 'Of,&iv, Schäf., Dem. lU'- 79, 3.
I^ngraphische Beiträge zur sozml-politischen Geschichte Athens. 6ä
Maxlvtiq ^Atqo(a^tov Ko9taxlSnQ, Schaf., Dem. II« 527, 2.
337/36. ^ihnnldmy Hyper. IV 6. Blass, Att. Ber. TU' 2, 77—79.
KTf]ai(p£v, Schaf., Dem, HI« 88, 2.
McxlvnQ *ATgofir,TOv Ko&toxidtig, Schäf., Dem. III« 84, 2.
Jt]fidSfjg Jfifiiov ücaavuvs 11^ 124; 127.
Jioyarrog ^gaaixktlSov Mvg^^vovaiog U^ 125; 126.
336/35. *EmxQattiQ, Lykurg, frg. 25. WiL-MöD., Arist u. Athen I 194.
*Araalag H« 128 b.H.
'Innoxäeng Aktonixr&ev n« 128 b. III.
fbdiag ^dovavtov naXXnvdg H^ 128c.
k. V. 335/34. 'Hyfifiuiv 11 «808 b. 156. Boeckh, Seeurh. 63; Kirchner,
Ath. ARU. XXIX 247.
335/34. eiodufQ n* 128b.I.
JflfAoa&ivrig JtjfÄoa&ivovg üaiavuvg, Schäf., Dem, III* 135, 3.
/Ififiddfjg Jtjfiiov Ilaiavievgj Schäf., Dem, IIP 136; 142.
'Agiaxovixog Maga&uiVLog n«804B.b. 38.
Avxov^og AvxotpQovog BovvaStig 11« 804 B.b. 38; II ^ 162.
Schäf., Dem. IH« 192.
KfjtpiaoSoTog, Schäf., Dem. HI« 192, 4.
IIoXvtvxTog :S(pr^TTiog, Schäf., Dem, III« 192.
V. 334/33. jivaixkrjg IP 804 B.b. 69.
334/33 6g>Qovog AaxidSng II ^ 2301.
Avxovgyag Avxoqgopog BovTaSrjgj Vit. Xor. 844 a.
^wxltav ['Itptartädfjgl Schäf., Dem. III« 174.
Jriiioa&ivng Jtjfioa&ivovg Haiavuig, Schäf., Dem, III« 174.
'YntQd^ng riavxinnov KoXXvrevg, Schäf., Dem, in« 174.
833/32. AvxovQYog Avxotpgovog Bovvddng 11^ 168 II.
XaiQitavlSrjg Avaaviov ^Xv$vg H^ 169 b.I.
332/31. IIoXvevxTog 2:wargäTov nU83I.
Avxovgyog Avxotpgovog BovtdSriq II* 173.
^Agiör6\%vog Ktjtpiaoäotov «tV 11* 173 b.
JijfuiSrig JtjfAtov Ilataviavg IP 17411.
/ffifiritgiog EixxtifAovog ^Atpidvalog^ Ditt. SylL^ 638.
^avodri^og JivXXov Ovfiairddrjg YII 4252.
331/30. noXvivxTog JStpr^ruog n* 115b., vgl. P. A. 11950.
No&mnog Avaiov JiofiUBvg Tl^ add. 175b. Larfeld, Hdb.
Anh. 938.
336—30. Jfjfittdfjg JrifAiov Ilauivivug 11 > 193 b.
y. 330/29. JfifidSfjg Jti/i^ov Ilaiapitvg 11« 807 b. 48.
V. 330. Avxovgyog Avxotpgovog Bovrddtig^ "Rf. Xor. 852 b. f., vgl. P. A
9251.
330/29. Avxovgyog Avxotpgovog BovraSng 11^ 176.
Sandwall, Spigraphiieli« B«itrig« nr SoiialpoUtlk Athens. 5
66 J, Sundwall,
k. n. 330. üoXvivxtog Kvdavxidm, Hypereid. ÜI 15.
V. 329/8. AvxovQYoq AvxotfgovoQ BovraSijg 11 * add. 834 b. coL 111;
col. n 90.
329/28. Jvfiddvg Jtjuiov Ilmaviivg HU 78.
TfiUfjiaxos OearyHov ^Axagvtvg II» 179 b. HI, I.
Jt]fÄoa&ivfK JfjfioxXiovg Aaunrgtvg, Ditt. Syll.^ 639.
328/27. nQoxUidijg HavtaXiovroq kx K$Qafii(av n» 178 b.
330—26. Jt]^oa9ipf3g Jt]fMO(f&ivovg Ilmuvttvg, Schaf., Dem, HI« 296, 4.
AvxovQyog Avxoygovog Bovvddtjg 11» 180 b, s. oben S. 25.
BgaxvkXog Ba&vUov "Egz^vg 11^ ü» 196, s. oben S. 25.
326/25. IIolvevxTog KvSavtiSm 11 «808 a. 38.
Jrj/Äadfjg Jiifiiov üaiavuvg 11^ 808 c. 10.
338 — 25. ^AgiötoyÜTVüv KvSifidxov, ScMf., Dem. ß. 114.
325/24. Avxovgyog Avxoq^govog BovtaSrjg Yl^ 180.
//f]fidSt]g Jt]fiiov Uaiavuvg U« 809 b. 116; c. 48; Schaf., Denu
m« 313.
nvd-iag, Schaf., Dem. HI* 314.
Jfifioa&ivfjg JtjfioxXiovg AafAnrgivg U» 179 b. V.
Kfjtpiaoqfäiv Avaitfwvxog XoXagyevg 11* 809 a. 170.
*Ayvuivi8t]g Ntxo^ivov ÜBgyaaij&ev 11* 809 a. 14.
'Yntg%i8rig Fkavxinnov KoXXvvBvg, Schaf., Dem, 111-308.
Jf]fioad-iv7]g Jfjfioa&ivovg Haiavievg, Schaf., Detn, 111*307, 3;
310, 1.
324/23. JtjfAOif»ivf]g /l^ßoad'ivovg ümavievg, Schaf., Dem. HI* 318; 323.
dfifiddm JrjfAiov Ilaiavutg, Schaf., Dem, III* 319, 1.
Aem&ivfjg KicpaXrj&Bv, Schäf., Dm. III* 357, 2.
'Yntgd8i]g rXavxinnov KoXXvtevg, Schäf., Dem, 111*357, 2.
^wxiatv [*l(piaTid8fjgl Schäf., Dem, 111*358.
V. 323/22. Ji(piXog [Jiomi&ovg S^owim]? 11* 811 d. 36; Schäf., Dem.
m* 296, 4.
323/22. 'Ifiegalog ^avoorgdrov ^aXt^gevg, Atlu Mitt XXIII 369 f.
'EnitiXfjg 2mv6fA0v IlBgyaöij&iv IC^ 181.
/tfjftoffiXog Jf]iioq>iXov 'Axagvevg II* 811 d. 177.
dvigov^Mehtivg IV 182.
EvtfiXfjTog Ev(fiXritov H» 231b.
ndpLtfiXog EitfiXi^Tov II» 231 b.
Jriiiiav JfjfiOfAeXovg Tlaiavuvg, Schäf., Dem, 111*370, 1.
^'rgaroxXijg Eid-vdtjfiov Jiofiievg, Plut., Demetr. 11; praec ger.
reip, c. 3.
y. 322. üoXvevxTog KvSavtidng 11 ^ 184 b.
322. /tt]fioxdgrjg Adx^tog AevxovoUg, Schäf., Dem. 111*387.
Irjf^ddtjg /t^f^iov üaiapiivg, Schäf., Dm. III* 388; 393,. 1.
Epigraphische Betrage tut aogiul'poUtisehe'n Gpschiehie Athens, iM
Begütf^rt sind:
IIigiavdifo<i Ilolta^ärov Xalagyn^j lYierarch um 357/6 (rP798f, 19),
'IJrrfCavd^ag 'Hytiahv -i'ovweiv, aus einer vermögenden Familie (s,
zu seinem Bruder Hegesippos S, 61). Er selbst iniuknQov yafui^ AiscL 1 95.
Ti/ao^iog Kovtapas 'AvafpkvöTiog^ s, z. d. Strategen S* 26.
\ioiaToqÜp\iutaTo^avQt^i'ACi}viti^; «ein Sohn Trierarch (11^ 794 i 28),
Bein Bruder rafttag Ugwy xgw*^^^^ (11*643).
'Hyrtfinnos 'Hyiioiov ^vtttetgj s, z. d, Gesandten S. 61.
IJolvivxtog 2.qrjTTiog^ s. z. d. Gesandten K 61.
A^nthiiq Isc Koihjgf a z. d, Schatzmeistern der Göttin 8. 43 A, 1,
'Avdgon'tup "A-ivS^MVog ragyrittiog^ S, z. Rate S. 15.
Muöiag Ktitftcoduigov \ivayvgdaiog, 8. z. d. Kultusbeamten S. 40.
Aioml&ng Atonä&ot)^ ^(fiituog^ Trierarch (ll*802b).
EtßovXog linivd'dQQV JJgoßaXhwgj s. z, d. Finanzbeamten 8, 43.
^Hluiiädtig flnkoargäTov Ilalktjvittg, Sein Groijsvater 'EkXfiVotafiiag
425/21 (1259).
JrjfAoa&lpfig /ffifioad-ivovg Ilmavavg^ 8. z. Eate 8. 15,
Kf}(fi<io(fW¥ KaXXtßiov llatavnig, 8. z. Rat^ S* 15.
^Agx^ßiddtjg JrjfiotiXovg 'Akaiitg; ein Bruder iyyvijT^ tmv TQttfgmv
(U«804B.a, 33), ein Neffe Palemarch dl « 776).
^Pmxmv YIffiatidÖfig\ s. z. d» Strategen S. 29.
Ti^oxgdtfjg ^Aputfwvtog Kgttuug^ », z. d, Finanzbeamten S. 43 A. 4,
J$6<favTog ^'<ff}Tuogy s. z. d. Finanzbeamten S. 43 A. 3.
MtXdvwnag Aaxtitog Allmv^vg^ s. z. d. Strategen 8, 27.
<PiXoxgätt)g *Ayp6vmogi s, z. Kate 8* 15.
Jfjuadijg Jfifjihv Umavitifg^ 8. z. d. Strategen S. 28.
*AnoXX6imQog Ilammuog 'Axagv^ig, s. z. Rate 8, 15.
Alff^ivf^g 'Argouritov Ko&mxiärjgf n. oben 8. 62.
UoXvivxTog Tifwxgärovg Kpirnivg^ über seinen Vater s. oben S. 4H A. 4.
*AXt^ifiaxog If^ki}^; einer der Vorfahren rafiiag tilg d^ov 418/17
(P, A. 15 455).
0<Ad^i7/toc-4i)TO3fA^i;^*£^oi£i<yi7C, Trierarch aP804B.a.24,b.9O; 812a. l).
JtjfiOfiiXf^g AtifAüivog Haiavteigj Trierareh (11- 793 h. 21).
'YniQiiSfjg FXavxtnnov KoXXvnvg^ s. z. Rate S, 16-
Avxovgyog Avxotfgovog Bovradfig, s. z. d. Finanzbeamten 8. 43*
NavmxXtlg KXiagxov 'O^fty^ s. z. d. Strategen 8, 27.
Jtötpcfvrog 0ga0ixXiidov Mvggivovtfiog, g. z. d. Gesandten 8. 62.
'Emxgär^t „or tfaui xixrija&m la Xavratv i^&xoetwp ovöiap^j Lykurg.
25,
^AgtaTQnxog Maga&vivtog ^Vw^v rgir^gtj c. 323 (P. -4. 2028).
4>ttp6dr}fAog JnfXXov BvftaiTdät^g^ 8. z. Rate S. 1&.
UoXvtvxTog KvSavfidfig^ s. z. Rate S. 17.
TtiXifiaxog O^ayyiXoif 'Axagvu<g. Sein gleichnamiger Oro8^H*f*r
idgv0afo to itfov xal röv ßiMtfiOv t^ 'AcxXtjm^ {P, A, 13561).
frg.
68 j. Sundwally
^ma&ivfis Ketpakfj&evy s. z. cL Strategen S. 28.
JiqtXog {/lionii&ovq 2ov¥n{si\ Trierarch (P. A. 4467, 4487).
'Ifie^iog 0cnßoatQatov ^alr^gmig, s. z. seinem Brader Demetrios aus
Phaleron unter den Strategen S. 28.
*EniTÜLtig ^StatvofAOV Ileg/aaij&ip, s. z. d. Naopoien S. 52.
Jfjfi6(pilog JfjfAOifiXov 'AxctQvng, aus einer Trierarchenfamilie (s.
P. A. 3674).
JrjfÄwv Jfjfiofiilovg IIcuavitLq^ s. oben zu seinem Vater.
2TQaroxXriq Ev&vS/jfiov JiOfMutg, sein Grossvater und Vater Trierarchen
(n« 794 b. 90).
JfifAoxiQm ^^XT^og Aivxovoitg, ein Neffe des Demosthenes ans
Paiania, also reich.
Unter ungefähr 94 Eednem sind uns etwa 44 aus begütei-ten, meist
sogar reichen Familien bekannt.
Schliesslich erübrigt es uns noch die Frage zu beantworten, ob es,
wie die landläufige Auffassung ist, feststeht, dass die Volksversammlungen
immer überwiegend von den geringeren Bürgern, der grossen Masse, be-
sucht waren. Schon aus dem Altertum selbst vernehmen wir Stimmen,
die dahin deuten, dass die niedrigen Teile der Bevölkerung sich nicht
gerade zahlreich zu den Volksversammlungen einfanden. Plato sagt
darüber:^) Jrjfiog d'dv eltj xgixov yivogj oaoi avvov^oi t« xai angay-
fAovtg, ov navv noXXd xixrfjfiivoi' o dij nXtUstov re xai xvgidtatov tv
SijfÄOxgariify otccvntg a&Qoiöd'^. Tlaxi yccg, iffV* iikX' ov &afid i&H^i
noiüv TovTo, idp firj iiehrog xi fiBTakafißdvi^. Aber allzu grosser Lohn
winkte ja auch dem Armen nicht für seine Beteiligung. Denn wie
Brandis die Stelle bei Aristoteles' A&. nol. 62, 2 einleuchtend auslegt,
sind die drei Obolen, die Aristoteles § 41, 3 erwähnt, wiederum als Betrag
für die Teilnahme an der Volksversammlung zu verstehen, und der Sold
von 1 Dr. und 9 Ob. wäre dann den Leitern der Versammlung gezahlt
worden.*) Wie notwendig aber eine Kemuneration für die Beteiligung
war, bezeugt Aristoteles:*) fua&oifogov d' ixxXrtoiav to fiiv ngoitov
dnkyvmaav noulv ov avXXByo(iiv(av S" üg rrjv kxxXt}aiav, dXXä noXkd aotpi-
^ofiiputv rdiv ngvrdveuiv^ ontug ngoa^axfjtai, xo nk^&og ngog xf^v inixigutiftv
xijg x^igoTOviag t ngüxov (liv ^Ayxggiog bßoXov inogtaiv^ ^ixd öi xotxov
'HgaxXeiStjg 6 Kka^ofiiviog 6 ßamkeCg knixaXovfiBPog dtdßolow, ndhv
y 'Aytggiog xgmßoXov. Es waren doch diese drei Obolen zu gering, um
eine regere Teilnahme der Masse zu erzielen (vgl. S. 1).
Die herrschende Ansicht über den attischen Staat im 4. Jahrh.
stützt sich besonders auf Aristoteles' Angaben in seiner Politik über
die Demokratie. Als die hauptsächlichsten Merkmale der iaxdxij dfjuo-
1) IloXit. Vm 565 A.
2) S. zu *Exidriaia in Pauli/' Wissowa S. 2170.
3) 'Af^. noX, 41, 8.
Epigraphische Beiträge zur sozial-poliüschen Geschichte Athens. 69
xgatia führt er an,^) dass nicht das Gesamtvolk regiert habe, sondern
die niederen ungebildeten Klassen vermöge ihrer Majorität*) und unter
diesen vor allem der Stadtpöbel, dass die höheren Klassen, ohne allen
Einfluss und gar noch Verdächtigungen ausgesetzt, sich völlig von den
Staatsgeschäften zurückgezogen hätten, dass der begüterte Mittelstand
der Stadt und die bäuerliche Landbevölkerung meist aus Sorge für ihr
Eigentum dem Beispiel gefolgt wären. Nur der Pöbel, der für nichts zu
sorgen hatte, da er nichts sein eigen naunte, hätte, durch ausgiebigen
Lohn angelockt, die Volksversammlungen und Gerichte gefüllt*) und dafür
gesorgt, dass sie möglichst stark in Anspruch genommen waren,^) da Ae
für ihn eine Quelle des E^inkommens und der Macht bedeuteten. Da er
niemand, selbst den am meisten demokratischen Behörden nicht traute,*)
hätte er vorgezogen, alles durch eigene Willkürakte zu regeln.*) Nun
erheben sich aber gegen die Berechtigung, aus dieser Darstellung Schlüsse
unmittelbar für Athen zu ziehen, mancherlei Einwände. Es kann näm-
lich zunächst nicht ohne weiteres zugestanden werden, dass die Masse in
den Gerichten ungehindert geschaltet hätte, wie auch Aristoteles^ trotz
seiner Abneigung gegen die athenische Demokratie gerade den attischen
Gerichten das Lob spendet: xal yag al rijg ßovkijg xgiaBis eig xov S^/aov
kkrjkv&aüi, xal tovxo öoxovaiv nomv og&dig' €v8tay>9ogwTBgoi yctg oXlyoi
rwv nokXüv elöiv xal xigSu xal x^g^^iv* In demselben Sinne spricht
sich Guiraud**) bei Beantwortung der Frage, wie die Rechtssprechung in
Griechenland ausgeübt wurde, über Athen aus. Brück'«') nun bemerkt mit
Recht, dass es unrichtig sei zu glauben, die besseren Elemente hätten
sich gänzlich von den Gerichten femgehalten, und führt dazu auch Zeug-
nisse aus den Rednern an. Er hat mit dieser Auffassung um so mehr
recht, als er den richtigen Weg einschlägt, aus den vorhandenen Heliasten-
täfelchen mehrere wohlhabende Bürger festzustellen. Angesichts dieses
Tatbestandes wird dann die oben erwähnte Stelle des Aristoteles durch-
aus verständlich. Immerhin lässt sich natürlich nicht bestreiten, dass die
Mehrzahl der Richter aus den mittleren und unteren Schichten der Bürger-
schaft hervorging.
Was wieder die Volksversammlung betrifft, so ist daran zu erinnern,
dass man die gewöhnlich in der Ekklesia versammelten Bürger auf den
1) Vgl. V. Scboeffer unter Defnokratia, Pauly- Wiss. Suppl 358, dem ich hier gefolgt bin.
2) VII [VI] 1317b. 8.
3) VII [VI] 1319 a. 29.
4) VI [IV] 1293 a. 1 ; 1300a. 1.
5) VI [IVJ 1292 a. 5. 28, 1298 a. 30, VII (VI) 1817 b. 29.
6) VI 1292 a. 36.
7) 'Ad: noX. 41, 2. Ich finde es nicht bewiesen, was O. Seeok in Beiträge m. alt.
Gesch. IV, 1904 S. 285 behauptet, da» nlmlieh Ariiloteles wohl diese Stelle ab-
geschrieben, aber nicht geaohrieben haben kann.
8) La prapriM fomcOre m 6Mm 8. 8W£
70 J. Stmdwall,
fünften bis vierten Teil der ganzen Bürgerzahl schätzen kann, also für
das 4. Jahrh. auf eine Zahl von 5000 Bürgern oder darunter.') Ob nun
die Bürger, welche gewöhnlich erschienen, um ihre Rechte auszuüben,
vorwiegend zu den ärmeren gehörten, erscheint nach unseren früheren
Ausführungen durchaus nicht gewiss.
Dass femer eine (pvyagxia unter den höheren Ständen geherrscht
hätte, wie Aristoteles sie ausmalt, — und worin ihm Beloch^) folgt —
wird leicht durch alle ermittelten Tatsachen widerlegt. Sie erlauben uns
im Gegenteil die Behauptung aufzustellen, dass die besseren Stände in
der Verwaltung die Oberhand hatten. Diese Behauptung tritt in be-
wussten Gegensatz zu einer gewissen modernen Auffassung der sozialen
Verhältnisse Athens in dieser Zeit R. Pöhlmann hat von einem in-
dustriellen Proletariat gesprochen, das vom Kapitalismus aus-
gebeutet worden wäre und, durch sozialistische Tendenzen geleitet und
von gewissenlosen Demagogen gehetzt, immer im Gegensatz zu den
Kapitalisten gestanden hätte. So hätte es bald seinerseits gelernt, wie
man auf dem Wege der Bestechung, durch Missbrauch der Justiz u. dgL
die Stimmenmehrheit ausnützen könnte, um das Geld der Reichen in die
eigene Tasche hinüberzuleiten.^ Die Konstruktion eines industriellen
Proletariats in Athen hat, wie mir scheint, Francotte*) endgiltig zer-
trümmert. Ich glaube auch auf anderm Wege einen Grund dagegen ge-
funden zu haben. ^) Auch Beloch*) macht Front gegen die Auffassung
von einer Grossindustrie in Athen und weist darauf hin, dass es dort
wenigstens bis in die Zeitalter Alexanders einen zahlreichen Mittelstand
gab, der aus Grundbesitzern und Kaufleuten, aber auch aus Gewerbe-
treibenden bestand. Eine „Invasmi des Kapitah in den Bodenbesitz^^
welche Pöhlmann als charakteristisch für die Grundverhältnisse Attikas
im 4. Jahrb. annimmt, entspricht ebensowenig den Tatsachen. Im Gegen-
teil hat Guiraud „im regime de petite propriete^ im 5. u. 4. Jahrh. fest-
gestellt.^ Ja Pöhlmann selbst muss im Anbetracht der grossen Zahl auf-
gefundener Hypothekensteine aus dem 4. Jahrh. zugeben, dass sie keines-
wegs immer Symptome wirtschaftlichen Niedergangs, sondern ebensowohl
auch der Verbesserung und Ausdehnung des Betriebes sind.^)
Was Pöhlmann überhaupt über eine bewusste sozialistische Lehre
ausführt, trifft kaum auf griechische Verhältnisse zu.") Wie dem auch
1) Vgl. Bnick a. 0. 408 u. Anin.
2) AU. Pol 132 u. Anm. 1.
3) Gesch. d. ant Kommunismus und Sozialismus II 274.
4) L'industrie dans la Grece ancienne.
5) S. oben z. d. Deinen S. 55.
6) Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1899, S. 22.
7) A. 0. 392 f.
8) A. 0. S. 181 A. 1.
9) Vgl. Adler, Die Soeialreform im Altertum in Handwörterbuch d, Staatstciss. III, 98,
EpigraphiBche Beiträge zur soziaUpolitmheu Geschichte Athem. 71
sein mag, sicherlich hahen in Athen die Vorbedingungen dafür während
dieser Zeit gefehlt. Was Aristoteles') sagt: ^j) ä€ niula cidatv ifinoui
Kai xaKovQriau^* ist für Athen nicht zu bezeugen; ebensowenig heran-
zuziehen ist in diesem Falle die Stelle bei Poljb. XV*21, die Pöhlmann
im Kapitel ..Allgtmieifier Verlauf drr sosiuJcn Bevolutiotr anführt.^*}
Krisen hat Athen natürlich auch in dieser Zeit häufig durchgemacht,
aber wie Freese-') bemerkt s^chwiegen die Kämpfe um die Verfassung
und man widmete sich nur der Verwaltung, welche die Leistungen
der Einzelneu bestimmte. Und in der Verwaltung haben die hrdieren
Stftnde ohne Zweifel das Übergewicht behalten, wie aus meinen Aus-
führungen erhellt. Beaclitenswert ist die Bemerkung Cauers,*) dass man
nach den SmnmeUj über die das Volk, der Rat oder die Beamten ohne
weiteres verfügten, deren Einiluss am besten bestimmen könnte. Diese
Summen sind nun allerdings nicht festzustellen, aber schon die Tat-
Sache, dass dem Volke ein unbeschränktes Verfilgungsrecht über die
staatlichen Fonds nicht zustand, erlaubt den Schluss, dass mit nichten
eine zufällige — aus den iirmeren Bürgern bestehende — MajüriUlt
auf der Agora die Staatsleitung behen-schte. Kine Auffassung der
VerliiUtnisse in Athen, wie v. 8choeft'er sie ausmalt (a, 0.): »^(Jerade die
gebildeteren Klassen hielten sich von der Staatsleitnng ge-
flissentlich fern oder besassen den geringsten Einfluss auf die-
selbe und die Entscheidung lag bei der grossen Menge'\ müssen
wir folglich als verfehlt zurückweisen.
Prdüniann und andere wie Kaerst finden eine Bestätigung ihrer Auf-
fassung in dem Xiedergan;,' «b^r atlienischen Macht im Kampfe gegen die
makedonische Monarchie und in den lilerbei zu Tage tretenden Partei-
Verhältnissen. Wie sie ausführen, hätten die j?ozial revolutionären Ten-
denzen die bedrohten Besitzenden zu (junsten einer friedlichen Verstän-
digung mit Philipp stark beeinüusst,'*) Diese Ansicht steht aber im
Widerspruch zu den uns liekannten peT-sönliclien Verhältnissen der den
verschieilenen Parteien angeliörigen Politiker. Was Beloch*) von Demos-
thenea sagt: *,Dass er keineswegs den Kreisen angehörte, aus
denen die Demagogen der extremen Partei sich zu rekrutieren
pflegen", kennen wir aus ebenso guten Gründen von den übrigen Leitern
der antimakedonischen Partei behaupten. Die ausser Demosthenes als
solche bekannten, Lykurgos ans Butadai, Hypereides aus Kollytos, Poly-
1) Po?i*. 11 3, 7, 12e5b. 12.
2) D*>r obf*u geoaDatc Gelehrte hat meiner Ansicht uuch uicht imitier genug dio
Bedi^utqng, dii^ den einzelnen KutwickcUiiig*phtP*eD verschiedener Staaten gebührt» in Ik-
(rächt gebogen. Dagegen hiit aie v. rScboelTer {JrmoKQitjlu Pault/- H'iss,] vortrefflich betont.
3) iMr Parteikampf der HeichtH umlArtnen in Athen ^. Zeit (l Demolraiie 1848» **^. OO,
4) Wochenitchr. f, KL Phü. I9u4. 316,
5) PöhlmÄon, Oriech. Gtsch,, fTdb, rf. kl AUwiu, Hl, V S. 222; Kmni, Oach,
iL hdhnist Ztüalt. l tm.
6} AH. PoL Uli
72 «7. Sundwäll,
euktos aus Sphettos, Hegesandros und Hegesippos aus Sunion, Diotimos
aus Euonymon, Nausikles aus Oä, Diopeithes aus Sunion, Chares aus
Angele, Ephialtes, Thrasybulos aas Erchia, Charidemos aus Achamai,
Stratokies aus Uiomeia, Himeraios aus Phaleron, Demophilos aus Achamai,
Leosthenes aus Eephale, Aristonikos aus Marathon, Demochares aus
Leukonoe*) sind sämtlich aus reichen und angesehenen Greschlechtem.
Welcher Riss diese von der Partei der Besitzenden trennte, was Beloch
betreffe Demosthenes zu erklären versucht, ist nicht zu ei-sehen. Auch
von Demosthenes sagt Beloch, dass er niemals seinen Ursprung aus den
höchsten Schichten der Gesellschaft zu verleugnen vermochte.*) In der
Tat war Demosthenes niemals ein echter Demagog. Plutarchs Eraählung*)
von seiner Klage, dass Seeleute und Unwissende leichter Gehör beim
Volke fänden, zeigt wenigstens, dass er sich nicht zu der grossen Masse
zählte. Ob seine Standesanschauungen an Stellen, welche Angriffe gegen
die Reichen enthielten (XIX, 295; XXI, 98, 159, 211, 213; HI, 29;
XXUI, 206), wirklich zum Ausdruck kommen, kann man füglich bezweifeln.
Sie sind von dem jedesmaligen rhetorischen Zwecke hervorgerufen. Einen
Gleichheitssinn zeigt er wenigstens nicht XVIII, 129 f.*) Entscheidend
in dieser Frage ist sein Symmoriengesetz. Dadurch hat er sich mit Erfolg
um die Anerkennung des reicheren Mittelstandes bemüht (XVIII 102 — 107).
Auch ein so radikaler Staatsmann wie Hypereides will nichts von einer
Pöbeljurisdiktion wissen, sondern tritt energisch für die Rechte der Be-
sitzenden ein.^) Welche Leute durch Demosthenes' Politik sich in ihren
Interessen geschmälert sahen, zeigt uns Hypereides. ß) Wir sehen, dass
es die grossen Geschäftsleute und Bankiers waren, ein Phormion, ein
Pasikles, die einzig kommerzielle Interessen hatten. Andererseits sagt
Demosthenes selbst ausdrücklich, dass es unter den Reichsten eine Partei
gab, die streng patriotisch war.") Von den nur kommerziell Interessierten
spricht auch der pseudodemosthenische Redner XVII 23: „avroi ^ oi
vionkovTOi fAOPOi xaratfQovBlv vuag i'iiüv avriZv avayxä^ovaiv , tu fiiv
Ihnen hat der Gegner des Demosthenes Eubulos seine Politik dienst-
bar gemacht in derselben Weise, die Ed. Meyer *^) für andere grosse Städte
nachgewiesen hat, nämlich die ärmeren Bürger in einer solchen finanziellen
1) Vgl. Schaf., Dem. 11« 314 f. u. Belocb, Att. VoJ.
2) Att. Pol. 183.
8) Demosth. 7, 1.
4) Diese Tatsache als Zeugnis für die damalige Anschauungsweise hat, wenn auch
mit starker Übertreibung, J. Schvarcz richtig hervorgehoben {Die Demokratie von
Athen I, Einl. LVU).
5) III 38-37.
6) XLII xara TIccaixXhovg frg. 134.
7) XVni 171.
8) Die wirtschaßl Enttcickelung d. Altert., Jhrh. f. Nationalökon. u. Statistik
III. Folge, 9. Bd., S. 717 f.
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 73
Abhängigkeit zu halten, dass keine Opposition anf kommen kann, in der
Weise wie das Sprachorgan der Partei, Isokrates, es im Areopagitikos dar-
zustellen beliebt. Tatsächlich hat Eubulos nicht nur das Theorikon ver-
teilt, sondern auch dem Mittelstand der Handwerker durch Bauten Arbeit
und Verdienst verschafft*) und so dessen Interesse für seine Politik gewonnen.
Hätte er es nicht auf die Machtstellung seiner Partei allein abgesehen,
so hätte er durch höhere Besoldung regeren Anteil der unteren Klassen
an den Staatsgeschäften erzielen können. Nun aber hat er durch das
Theorikon die Leitung des Staates den Wohlhabenden gesichert. Auch
Demosthenes hat nichls gegen das Theorikon einzuwenden, wenn er
Kriegsgelder anders woher zu bekommen glaubt.^)
Seitdem die politischen Gegensätze nicht von aussen her bedingt waren,
konnten sich auch die Führer der politischen Parteien verständigen, wie
die „Kompromiss-Regierung" zur Zeit Alexanders zeigt, eine Ver-
ständigung, die unmöglich gewesen wäre, wenn die Parteien sich mit
dem Gegensatz zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden gedeckt hätten.
Ed. Meyer sagt von Eubulos, dass die Reichen unter ihm den auf
die Dauer vergeblichen Versuch machten, das Übergewicht zu behalten,
und auch Beloch vertritt diese Auffassung. Aber wenn wir die ver-
schiedenen Wege, die die damalige Politik eingeschlagen hat, betrachten,
so kommen wir, gerade auf Belochs Attische Politik gestützt, zu einem
andern Ergebnis. Er sagt von den Verhältnissen des J. 360 (a. 0. 162):
„Kallistratos' Sturz hatte das Übergewicht der besitzenden
Klassen nicht zu brechen vermocht. Ja, es war diese Partei
oder, wenn wir lieber wollen, es war die Coterie der Gross-
grundbesitzer, Grosshändler und Grossindustriellen, die den
hauptsächlichsten Vorteil von der letzten Krise gehabt hatte."
Ob nun gerade während der kurzen Verwaltungstätigkeit des Aristophon
die niedrigen Volksklassen zur Herrschaft kamen, daran kann man mit
Recht zweifeln. Aristophon selbst gehörte einer mehr gemässigten Rich-
tung an.**) Und Eubulos' Verwaltung ging ja nach Beloch*) auf das
Ziel den Einfluss der konservativen Elemente im Staate zu stärken aus.
Welche Stellung die leitenden Staatsmänner späterer Zeit einnahmen,
habe ich soeben festzustellen versucht.
Beloch gibt im Bezug auf die Zeit nach dem Königsfrieden zu,^)
„dass die Besitzenden sehr wohl im Stande waren auf die
Leitung des Staates entscheidenden Einfluss zu üben",
und wenn er auch hinzufügt : „wenn sie nur wollten", warum hätten
1) Beloch, Att, Pol. S. 177.
2) Vgl. Or, Phil IV u. Körte, Bh. Mus. \jX 405.
8) Beloch a. 0. 167.
4) A. 0. S. 174.
5) A. 0. 8. 138.
74 «7. Sundwall.
sie es auch nicht später gewollt? Und wann hätte nun die Ära der
unteren Klassen begonnen?
Um das wichtigste Ergebnis meiner Ausführungen noch einmal za
betonen: der politische Einflnss der besitzenden Klassen Athens ist
während der Zeit des Demosthenes keineswegs geschmälert worden.
In den wichtigsten Verwaltungszweigen, im Rate, als Strategen oder
Finanzbeamte haben die Besitzenden die Oberhand gehabt. Selbst die
Redner und Politiker gehörten durchweg zu den höheren Schichten dw
Bürgerschaft. Die politischen Parteien waren nicht aus dem Gegensatz
der Besitzenden zu den Nichtbesitzenden hervorgegiEingen, sondern aus ver-
schiedenen Anschauungen betreffs der äusseren Politik und der damit in Zu-
sammenhang stehenden ökonomischen und persönlichen Interessekonflikte.
Die folgenden Untersuchungen gehören zwar nicht direkt zu der Auf-
gabe, die ich mir in dieser Arbeit gestellt habe. Ich gebe sie aber doch
hier als Ergänzungen zu meinen Ausführungen über die Asklepiospriester
(S. 47 f.) und über die Demen (S. 53 f.). Sie enthalten einige Beiträge zur
Kenntnis der Phyleneinrichtungen und deren Bedeutung in Attika, und
im Grunde sind auch alle derartige Kenntnisse von grösster Wichtigkeit
für unser Verständnis und unsere Auffassung der attischen Demokratie.
9. Die Asklepiospriester.
Jahr.
Name.
Phylcl iMchrift tt. Zeitangabe.
A.4^ahrli.
Ev&xSriiMe 'EXtvaino^.
vm.
U» 1651. Anf. 4. Jahrh.
4 i
Ntxödijftoe
—
U« 1440. 400--350.
'Eknlvrie
—
U« 1446.
Mtvktrqaxoe 'ÄyriX^d-tv.
m.
n« 1447, 1448. „
'Aqictaqxog Ko&wxldrs^.
VI.
U> 1466, 1468. 4. Jahrh.
i
Tiumv
—
U» 1473.
3
^
KrtjaixXfie 'Ayvoiatos-
V.
n« 148L
'OXtfuuxoe KvSa&ri»mtvg.
m.
n«1491. 4. od. 3. Jahrh.
348/47.
MtXapunoe XoXaQ/tte-
V.
U« 1472. c. 360.
347/46.
VL
346/45.
Qovyivrie
VIL
U*add.766b. c. 343/42
345/44.
nävatxoe \IEXtv<fipioe\.^)
vni
„ „ ;n«1461. „
344/43.
IX.
343/42.
X.
342/41.
L
341/40.
£ivixi8t}e 'AXaitve.
IL
U» 766, 7. c. 340.
340/39.
JtoxXije Mv^voxaioe.*)
III.
„ 3. 9. 340/39.
339/38.
UoXtUvoe
IV.
„ 7. 19. 339/38.
388/37.
niaias lKtyttXi}9tv].')
V.
„ 29. 338/37.
337/36.
VI.
336/35.
TtUaiae ^XvtCs.
VIL
„ 3. 66. k. n. 338.
335/34.
VIIL
334/33.
jivai&toe TQixoQvetoe.
IX.
U»1469;U»767,19. c.330.
333/32.
X.
1) Es liegt bei der Ungewöhnlichkeit dieses Nameni auf der Hand, das Demoiikon
nach P. A. 11679 su eigäosen. Wahrscheinlich sind diese Priester vor 348/2 im Amte
gewesen, weil in 11*766 schon von 841/40 an andere genannt werden. Unordnung in
der Reihenfolge ist in diesen Veneichnissen gewöhnlich.
2) Dees der Z. 8 genaanle Jundi^g Mvffiva^ötos mit dem Z. 9 erwähnten Priester
jdwtü^ ideBtisek M, erheill ene dem ganaen Zasamnienhang. Der an derselben Stelle
erwUmle TÜMktg kl mamOUk wmik dendbe, der Z. 66 der Priester des Asklepios
mim mmm. el^M^i^ ^^ f> dir. Priester 889/8 ist (vgl. Knmaniidis daro).
D *-»iaie anweisen, y^. P. A. 18479.
76
J. Sundwall,
Jahr.
332/31.
331/30.
330/29.
329/28.
328/27.
327/26.
326/25.
325/24.
324/23.
323/22.
322/21.
321/20.
320/19.
319/18.
318/17.
317/16.
316/15.
315/14.
314/13.
313/12.
312/11.
311/10.
310/9.
309/8.
308/7.
307/6.
306/5.
Name.
Phylc. Inschrift n. Zeitangabe.
Jiiftwv Jt]/iofiiXovg Jlaiavuve.
'AvdQOxX^g tx KtQafieur.
0iXoxXr,g SvntTcutLv.
Qto
EvfivrjaTog .
0av6fiaxog
EidlSaxTog '[uiaftnTgivg].-)
^ikoxTtjfUitv .
JiD^eiOT/g
^aldqmnog [' Yßädi^g'\.^)
'Aqx^fQttTog _ ^
Avalag
üv&ovixog
'EntXQäTTjg _ . _^ .
^iXoxuQijg 'Oa&ev.
0lXinnoe
QQttOißovXog
XaQlvog \raQyii%Tios\*)
'OvfiXWQ MsXiTtig.
I.
II.
! in.
IV.
V.
VI.
VU.
VIIL
IX.
X.
I.
II.
lU.
IV.
V.
VL
VU.
vm.
IX.
X.
I.
IL
III.
IV.
V.
I.
u.
U« 1654.
n* 178 b.
n. 350.
328/27.
n» 1475. «/,4. Jahrh
n«835i)a.b. 23.
„ 0-1 3.4.11.41.45
6. 44. 50.
16.17.37:60.
19.
29.
37 .n» 1480.
38.
39. 59.
49.
50.
61.
74.
78.
84.
84.
73. 84.
4)
cc
1) Nach der Ansicht Köhlers ist die Inschrift um 320—17 eingemei&selt worden. Ich
möchte dagegen einwenden : erstens ist die Anzahl der Priester schon so gross, dass wir
von 317 an bis 340 hinauf kommen würden, womit aber die anderen Verzeichnisse gar
nicht stimmen, namentlich wenn man annehmen wollte, dass der Z. 38 erwähnte 'Av-^ mit
'AvägoTtXfig tx Kigafiiaiv 328/7 identisch wäre. Zweitens ist im Präskript von dem Archen tat
des E[v— die Rede, und da wir nach Euthykritos 328/7 erst 305/4 Euxenippos finden, hat sich
wahrscheinlich die Revision über diesen Zeitraum erstreckt, was sehr wohl mit meinen
Berechnungen stimmt. Über die in dieser Insclirift erwähnten Priester vgl. die Tabelle
in B. C. H. II 445. Dass die Reihenfolge häufig zusammen geworfen wurde, ist erklär-
lich ; daher beansprucht auch meine Zeitbestimmung der ohne Domotika vorkommenden
Priester keine absolute Giltigkeit, sondern ist mehr ein Versuch, diese aneinander zu reihen.
Warum Larfeld, Hdb. S. 130 die Inschrift dein Ende d. 3. Jahrh. zuweist, verstehe ich nicht.
2) Wilhelm {Jahrheft d. äst. arch. Inst. VII 125) ist geneigt, diesen mit dem EvdLdaxrog
.i«nrrr(»ft'5?, (UQt^tlg M rb fiavT&iov slg JtX(povs 352/1 (IP104ji. 88), zu identifizieren.
i^"} Vielleicht könnte man an dies Demotikon denken, auf Grund eines ^aidgm-
rrldr^g ' Tßddrig (Z^ A. 13946).
4) Meiner Ansicht nach eine sehr wahrscheinliche Ergänzung des Demotikons
y^s. zu F. A, 15448).
Hpigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 77
Jahr. Name.
Phyle.i Inschrift
u. Zeitangabc.
305/4.
iri.
,
304/3.
IV.
303/2.
V.
302/1.
VL
301/00.
vn.
300/299.
VUI.
299/98.
IX.
298/97.
X.
297/96.
XL
296/95.
XIL
295/94.
L
294/93.
U.
293/92.
ni.
292/91. !
IV.
291/90.
V.
290/89.
VI.
289/88.
vu.
288/87.
VUI.
287/86. Nixwvl8r,e ^Xvtvg.
IX.
U« 1495.
Anf. 3. Jahrb.
286/85. ^Xtvg XatQlov 'Ekevoivioe.
X. U^add. 567b. tni'Tgaiov
\
%•')
285/84.
XL
284/83.
xn.
283/82.
L
282/81.
?2ifivkog NixoffTQceTov kx KoiXijg.
u.
U»1500.
3. Jahrh.
281/80.
UI.
280/79.
IV.
279/78.
V.
278/77.
? Ev&uöf]fiog \iPTixUovg k^ Olov,
VI.
U=' 1496.
3. Jahrb.
277/76.
VII.
276/75.
VUI.
275/74.
IX.
274/73.
?Evävöt]fiog'AvTixXiovg k^ Olov.
X.
U» 1496.
3. Jahrb.
273/72.
XI.
272/71.
XU.
271/70.
L
270/69.
IL
269/68.
EL
268/67.
IV.
267/66.
V. !
1) y. Schoeffer (anter Ärehonies, Paüfy- Wiss.) und Kolbe (Äth, MiU. XXX 107) setzen
Isaios in d. J. 285/4; Kirchner (P. Ä,) in d. J. 288/7. Mit meinem Ergebnis ttinunt
aber die Annahme Belochs {Ot, Oeseh, III 2, 59) you d. J. 286/5.
78
.7. Sundwall,
Jahr.
Name.
Phyle.
Inschrift tt. Zeitangkbe.
266/65.
'Afiuv - .
VL
U»836
,11. 1
265/64.
TtfioxXijg E[lTtttioey)
VU.
»
16.
264/63.
vm.
263/62.
jivaixXte 2vnaXiqxuog.
IX.
n
18. 22.
262/61.
JlQoxXije Hugattis.
X.
n
22.
261/60.
Avxiag 'Pauvovatog.
XI.
w
27. 35.
260/59.
<fl^t}g 'AXmntx^tv.
XU.
34.
259/58.
Nixoftaxog [Ilatavtsvg'].*)
L
»
33.
258/57.
Avaavlag [Mi\Xi{ttig).^)
u.
f)
33.
257/56.
2fiixv&og 'Avayvqäaiog.
lU.
w
34
256/55.
IV.
255/54.
Avxoiii^Stig Kov&vX^&tv.
V.
n
35.
.?
254/53.
2ovvitig.
VI.
n
36.
^
253/52.
^tXiag ElTtaloe.
VU.
n
36.
u
»
252/51.
Svntxalav.*)
vm.
IX.
X.
19
36.
i
251/50.
|U>aad.373b.c.250J«)
j-
250/49.
-^
249/48.
StvoxqiTog 'AyiSvalog.
XL
W
35.
1
248/47.
KaXXiaSrjg AlyiXtivg.
XU.
fi
40.
247/46.
Qtoitvog IleQyaa^d-ev.
L
n
44.
246/45.
QtöSwQog MiXtuvg.
IL
n
55.
245/44.
og Evmwiitivg.
m.
n
56.
244/43.
^iXtnnog 'IwviStjg.
IV.
n
61.
243/42.
AiTOxXrjg 'Oa&tv.
V.
n
67. 81.
242/41.
^iXoxQÖTtjg 'ExaXij&ev.
VL
n
73. 80.
241/40.
IlQa^tTiXfje ElQißiötjg.
VIL
rt
82.
240/39.
KTfj<ttüvi3i]g .
vm.
«
88. 93.
239/38.
Botaxog ^Xvtvg.
IX.
»
95.
238/37.
X.
237/36.
XI.
1) Ini Corpus sind ein deutliches £ und Spuren von J vorhanden, und meine Er-
gänzung gewinnt noch an Wahrscheinlichkeit, weil derselbe Name bei einem teifUag
xf]g J&soij 423/2 vorkommt (vgl. P. A. 13738).
2) Wahrscheinlich mit dem Nixönaxos üaucvuvg identisch, der um 215/4 als cifi}-
fiivog inl xriv xad^aigtöiv xal t^v ini.<f%tvf}v x&v iv xa> 'Acxlr^nuitp erwähnt wird (II* 880).
8) Die Ergänzung ist ganz sicher. Von M ist noch eine Spur übrig.
4) Ich schalte in die Lücke diesen Priester ein. Daraufhin wäre vielleicht der
Archon Lysiades, unter dem das 2. Dekret IP add. 873b, 27 verfasst ist, in dai
folgende Jahr 250/49 zu setzen.
5) Das Psephisma betreffend diese Bechnungsablage ist unter dem Archon Dio«
medon verfasst. Wie mir scheint, passt es zu meiner Bestiuunung am besten, diesen
Archon in d. J. 234/8 zu setzen, wie auch Beloch getan hat (^Gr. Gesch, III 2, 61).
Die Reihenfolge der Priester ist nicht immer in dieser Inschrift streng durchgeführt,
besonders für die älteren Jahrgänge, auch finden sich Lücken darin.
Eingraphisehe Beiträge eur soeial-poHtischen Geschichte Athens. 79
Jahr.
Name.
Phyle,
Inschrift u. ZiCitangabe.
236/35.
235/34.
234/33.
233/32.
232/31.
231/30.
230/29.
229/28.
228/27.
227/26.
226/25.
225/24.
224/23.
223/22.
222/21.
221/20.
220/19.
219/18.
218/17.
217/16.
216/15.
216/14.
214/13.
213/12.
212/11.
211/10.
210/9.
166/64.
163/52.
152/51.
151/60.
160/49.
149/48.
148/47.
147/46.
EvaTfuToe Olvaloe.*)
^OQfUwv 'HSvkov 'EXtvaiviog.
ÜQiüTaj'ÖQae NtKriTOV niQyaari&ev.
XU
I.
U.
m.
IV.
V.
VL
VU.
VIU.
IX.
X.
XL
xn.
xm.
L
IL
m.
IV.
V.
VL
VIL
vm.
IX.
X.
XL
XIL
xm.
I.
L
IL
m.
IV.
V.
VL
VIL
n«839,4. inlJtoxXittve
Sex-')
00 1504. £nde3.Jahrh.
U«1506. £nde3.Jahrh.
n>add.477b. ininOonoe
»9X-
1) Hier bleibt alles ansicher. Dieter Piietter gehörte der Ptolemaii an, denn
wir haben noch vom Binde des 3. Jahrh. 2 Priester aus XI. nnd XII. Den Arehon
Diokles setse ich, wie auch Beloch, in d. J. 216/5; dann kann man annehmen, daas am
Ende der Phylenreihe 228/2 die Ptolemais eing^eschaltet wurde und im folgenden Jahre
die neue Reihe begann.
80
J. Stmdwah
i
Jahr.
Name.
Phyle.
vm.
Inschrift tt. Zeitangabe.
146/45.
Zrivav MtXtTivg.
n''1204. med. 8. IL (P.^
6222.)
146/44.
IX.
144/43.
X.
143/42.
XI.
*
142/41.
xn.
141/40.
L
140/39.
IL
139/38.
m.
138/37.
IV.
137/36.
<^Xvevs.
V.
madd.453b. inlTiftagxov
»
«W-»)
129/28.
L
117/16.
I.
116/15.
II.
115/14.
UI.
114/13.
IV.
113/12.
j^eiüviSrjq ^Xviig,
V.
U«840. k.v.Ende2 Jahrb.«)
A.l. Jahrb.
2i^ocfOxkfig ^iXwTov Hovvtevg.
xn.
Ath. Mut. XXI 296 f.
63/62.
StaxQaxYiQ üaganlwvog Ktjynauvg.
I-
U«958, 5.
62/61.
QeodwQog Xagidilfiov ky Mv^^y-
u.
„ 8. ini'ÄQUtxalov
votxxtig.
«PX-
51/50.
Jioxkijg JioxXiovg Kti^iöitig.
I.
II>add.489b. kniAvaiaSov
1) Kirchner seilt den Archon Tiniarchos in d. J. 138/7 (s. P. A, add. 18626),
was jedoch ganz unsicher bleibt
2) In derselben Inschrift wird das Archontat des Pleintainos erwähnt. Vielleicht
kann man es in d. J. 111/10 verweisen (s. Kirchners Archontenverzeichnis, P. A,),
3) Da der Archon Aristaios sicher in das Jahr 62/1 zu setzen ist (vgl. P. A,
1636), ist hiermit auch die Datierung des Lysiades gesichert (vgl. P. A. 9337 :c. a. 51/50).
Die Keihenfolgc wurde wohl i. J. 103/2 abgebrochen, wie es auch in diesem tlahre für
die Batsschreiber und Sarapispriester bezeugt ist (vgl. Ferguson, Beiträge z. alt. Omeh,
IV, 1904, S. 6).
10. Domen und Phylen nach den Pryt^nen-
verzeichnissen.
1. Die Demen.
Ich gebe hier eine Übersicht aller bisher bekannten Verzeichnisse der
Prytanen, einschliesslich derer, welche meiner Ansicht nach als Prytanen-
verzeichnisse anzusehen sind, während sie im Corpufi als „ungewisse Frag-
mente" bezeichnet sind (s. oben S. 11 Anm. 2).
*EQ6x»9ldog L
[II 2 996 -HP 995 b. 1-
400—850.
-2].
c^) Ktjy>iöUig .
c üegyaö^g in.
b ^AvayvQaöioi
a Qviiiaxtig
c? ^ijyovöiOi .
?+3
. 3
. 9
Ath. Mitt. XXIX 244.
885/84.
b Evonnffitig . . .
c ütQyaaüe ■ ■ ■
c? ^i^ovaioi . . .
a ßt]fiaxsls . . .
Aiytldog IL
[n»995b, 3—24].
400—850.
b 'OrgpiFiJ^. . .
b 'A^y>^ioi . .
2
2
1
1
2
3
a 'AyxvX^tv
. 1
b Ihjj'alije . . .
. 6
b? c? Kvdavridm .
. 2
h?'EQixuiie. . .
. 1+?
U«870.
c. 350.
Kol. I.
b
c
b
b
Kol. U.
0iXat3a$
'Akaiiig .
^riyathg
a ^AyTCvXiid'iv
a ix KoXwvov
a B{mjg . .
b *AQayjivioi .
KoLUL
c
c
raqy^xtun
Itkm&fiig
3
2
5
4
2
1
2
2
2
4
1
l) Fur die Zuf^börigkeit su den Trittyfn wwfnd« ich ij# «Leu B* 54 Auttt. 2
eiilllierteu Bt'Keielmuogro.
82
Ji Sundwall,
U«872.
b? c? KvSanlSai .
. 2
341/40.
c
nXud-tlg . .
. 1
Kol. I. c 'EQx^'ts ....
6
a
JtOfitieis . .
. 1
c raQytJTTioi . .
4
b ^XatSai . . .
3
n
avSioviSog III.
b? c? KvöavTidai . .
2
n« 865.«)
400-388.
c IwvlSai ....
(2)^)
K0I.U. c Ixaqiäg . . . .
a 'EoTiauüg . . .
a Bärtig . . . .
a ix KoXuvov . .
5
1
1
2
Kol. L b
b
b
b
KoL U. a
b
'Ayyelijg . . .
Jlgaaifig . . .
7
. 3
• 3
n
a KoXXvTtitg . . .
c nXw&sig . . .
b 'OtQVVtig . . .
b? 'EQixtilg . . . .
Kol. m. b 'AlauJe ....
3
1
1
1
5
2>TBlQlf]g
KvSad-fjvcuBig .
ÜQoßaXlffioi .
3
12
5
Kol. III. c
c
c
üaiavifjg . .
IlaittVifjg xa&,
Kov&vkiSai .
11
1
1
c Tti&gdaioi. . .
b 0t3yateie . . .
4
3
c
'Slaiijg . . .
4
50
b 'Aqaipi^vioi . . .
2
VV
b?c?iy Mv^tvovTTtjg.
1
IP871.
a *i4yxi;il^^«» . . .
1
348/47.
a Jiofiutig . . .
1
c
üaiavulg xa&, .
1
a 'Ayxvkfi&iv . .
1
c
üaiavulg in.
4 + ?
50
Ath. Mitt. XXIX 244.2J
IP871b.
835/84.
k. n. 350.
Kol. I. c
üaiapi^ijg
12
a 'Eariatüg . . .
1
c
*ilmrig . . .
4
b 'ÜTQVvttg . . .
1
c
Kov&vXidat .
1
h?'EQtxuslg . . .
1
Kol. IL b
Mv^Qivovaioi' .
6
a BaTr,g ....
1
b
"AyytXuf.g . .
3
1) Hauvette-Besnault {B. C. H. V 365 , 6) glaubt hier noch Spuren von einem
zweiten Prytanen zu finden, im Gegensatz zu Kollob (Wiener Studien III 214). Jeden-
falls muss hier Platz für 2 Prytaneu gewesen sein, obwohl der zweite nicht ver-
zeichnet wurde.
2) Wenn man die Länge der Kolumnen in der durchaus regelmässig angeordneten
Inschrift vergleicht, kann man eine ganz genaue Feststellung der Anzahl der in jeder
Kol. verzeichneten Demen wagen, zumal diese Anzahl für mehrere Phylen mit früher
bekannten Verzeichnissen stimmt, wie ich unten zeigen werde. Bei einer solchen Ver-
glcichung fallen nun auf die Aigeis nur 18 Demen gegen 20 in IP 872, ausserdem ist
dort 'AyxvXi] doppelt. Wir müssen also annehmen, dass 2 Demen 335/4 nicht im Rate
vertreten waren, und 'AyxvXri nicht doppelt verzeichnet war.
3) Über die Ergänzung der Demotika s. Löper, Ath. Mitt. XVll 374. Derselbe
hat für IlQoßccXiaioi, 6(?), doch kann man nur 5 annehmen, weil die Phyle sonst
51 Prytanen gestellt hätte. Die Mittelkolumne muss folglich die kürzeste gewesen sein.
Epiffra2)hi8(Jie Beiträge zur aozial'jmlitischen Oeschichte Athens. S3
b? Kv&^i^oi .
. 2
Kol. m.
c üi^Xfjxig.
2
b IlQMing . .
. 3
c? 'Yßddm .
2
b UruQiije . .
. 3
a? i5 Otov .
1
Kül. IIL a Kvda&fjvcu^g .
. 11
■
c 'ExaXufjg
1
b IlqoßaXiöiOi .
. 5
60'
c KgutniSat^
c üaiovldai
c £vnvgida$
1
3
2
Ath. Mut. XXIX 244.1)
c Al&aXiSm
2
835/34.
c? /CoiUtfV^ff
2
. . . .
ou
-? + 4
b 2!T€iQ$j^g . .
. 3
U 5 872 b.
c üaiavulg xa&
. 1
KoLL
400-350.
U«873.
v + 3
V. 307/6.
b ^guiggioi ... 8?
Kol. L c üautvislg ,
. 10
Kol. U.
c Kov&vXlSai. .
. 1
9 + 2
c 'Oä&w . . .
. 3
b üqaöulg . .
. 2
Ath. Mut. XXIX 244.«)
Kol. IL b Aryaag . .
. 3
885/84.
b Mv^ivovaioi .
. 5
•
b JSxHQUig . .
. 3
V + 1
b ÜQoßaXiaioi ? .
. 4
u 'Altftovnoi. . . 3
c EvnvfiSat .
. 2
^ f tt T17
c? ÄoAwyAff .
. 2
jiBdDvtidog IV.
TT a O/» J
a? JToiiUJJat . .
. 2
n^ 864.
V9 4. Jahrh.
a? IIoTttfuoi in.
a? <| Ofov . . .
. 1
. 1
Kol. I. a? Ktixuoi . . .
. 3
a *AXifiovaioi . .
. 3
^tt. iß«. X 106.»)
a? üoTaiiioi xa&.
. 2
c. 880.
a? „ in. .
. 1
KoLL
c naiovidai, . [l?J + 2
a JSxafißwvidai .
. 3
c Eimvqiditt ... 2
a? jiivxovotfjg
. 3
c {Al&aU8at\ . . 2
a? -XbüiyÖai . .
. 2
c? [Kohovfjs^ ... 2
Kol. U. b 0QuiQgu}$ . .
b 2!ovpif}g . . .
. 9
2
. 4
b JugaSiutrai
. 2
KolU.
b ({>p«r^io( ... 8?
b üoräfnai . .
. 2
b 2oimn3rs .
4
1) Scheint, wie 11^ 871b, 10 Demeo, darunter Paiania doppelt, gehabt zu haben.
2) Die Demensahl ist' 20 wie in 11*864.
3) Über meine Ergänzungen der ersten Kol. s. Beitr. s. aJU. Gesch. V, 1905, 283. Wenn
Jlaiovidai und ^Qsd^Qi'Oi im Anfang der Kolumnen gestanden haben, so muss entweder
üaiovldai 4 oder ^edfftoi 8 Pry tauen gestellt haben; das letztere ist. wahrscheinlich,
vgl. II* 872 b.
6*
84
/. SundwaU,
b IIoTa/itoi Juq.
'Axa/tavTidoe V.
n« 867.
378,77.
KoLILb [Qofixtoi]? .
KoLUL c 'Ayvovauu . .
Ath. MM. XXIX 244.
885,34.
2 a? Oi^&ep .
— Kol. IIL c 'Axa^Ptjs
n*868b.
c 350.
Kol. L c \^Axagvf/e] .
Kol.IL a? [Oll?*«»] .
a ütgi&dlSat
a BovtaSeu .
a Acauadiu .
a? AovevTß. .
a? nteieaaioi.
a? TvQuüSat .
a 'Enixtj^icuM
6
22
3 + ?
4 + ?
50
15+?
5?i)
3
1
3
1
1
1
1
c IlQoonalTtoi ,
a Tg/tiiM . . .
a Eigtaldtti . .
OlvriiSog VI.
[U« 997].
V,4. J»hrh.
a? uiovgtfje . .
b ^iUwfOt . .
b Bgmaun . . .
.? + 2
. 5
. 2
. 1
Ath. Mut. XXIX 244.*)
335 34.
1
3
4 + t
n*868.
ß60/59.
Kol. I. a 'EntxTjyiatoi
b ^Xaeioi
a? IlTtXuiaioi .
a? 'InnoTOfiüdai
a Aaxialiai .
a BovräSai .
a? AovctTjg. .
a Iltgt&otSai
KoLU. b? Ko&uxiSat.
b QQiiciot . .
2
2
1
1
2
1
1
3
2
7
a IleQi&otdcu
KtXQoniSos Vn.
n*866.
>/t4. Jahrb.
Kol. I. c *Awf^ . . .
.? + 6
. 3
Kol. U. b 'AKatijs
Kol. m. a ifcAtr^ff
2+?
4+?
5+?
LH« 1006 A.].
c. 350.
KoLL
a [^MMrotovec] . . 2+?
Kol. IL a [Mthryts .
c [^Avijs] . .
(13)?
. 3+V
1) VgL Löper, '£qp. &(%. 1893, 205.
2) Hier 12 Demen wie 11*868. Es fand also ein Turnus zwischen '/^xoroftätfca
und Tvinutäai statt; wahrscheinlich gehörten beide der Stadttrittys ao.
Epigraphisehe Beiträge zur sozial-poliHsehen Oesehiehte Athens. 85
[B. C. H. XXm 352].
c. 875-50.
c [4>it;^]? .
b? AlXmvl^ ■ ■
v+3
. 4
. 6 + ?
Ath. MM. XXIX 244.
885/84.
? + 2
c 2vnakritTioi . . 2
c /7i^e7€ .... 3
c Jm8aXlScu ... 1
'Inno&uvriSoe VIII.
[n*996].
400-850.
Kol. I. c? a? 'ACv^m . ■
a KuQwiai .
b KonQUOi
c? 'Avaxtu^i .
Kol. II. a [/7a(paM7c].
b? 'E[XtuoiaiOi
[U*1006B.].
c. 850.
c? a? 'A^ipn^ . .
c? 'AvaxaiiK .
c Jexekt^ . .
b ? 'Elatovatot .
a? '.^/ta£avT«e7c
b? 'AxigSovctoi
3
3
3
4+?
11 + ?
1
2
3
4
1
1
Ath. Mut. XXIX 244.
385/84.
c ^<x<A<^. . . .
cV 'Jvaxatiis . . .
AlavxiSoi IX.
Ath. Mut. XXIX 244.
385/84.
4
3
? + 3
'AvttoxiSoe X.
n«869.
c. 850.
Kol. I.
b
b
b
b
KoLU. b
Kol. UL a
c?
'AvaifXvarioi
'AnytrgonatlK
Btjaat^i .
'ATtivijs .
AlyiXtffi
QoQturts .
IIa3iXi]vi}s
'AltMtX^
Kgtu^e ■
c? KoXwv^e
c? Eirtalot.
c 'EgotäSai
c 2t)fiaxi9at
10
2
2
3
6
4
7
10
1
2
1
1
1
50
Ath. Mitt. XXIX 244.»)
885/84.
0? EiTiaiot. .
V+ö
. 2
1) Hier sind 14 Demen gegen 13 in II' 869. Vielleicht könnte man an den Demo*
Iluneli^ denken, der lowohl fUr das 5. wie 3. Jahrb. beteogt ist.
86 J. Sundwally
2. Yersuch einer yerToU8tändig:img yon Prytanenyerzeicliiiissen.
Weil wir nur für 5 Phylen, Aigeis, Pandionis, Leontis, Oineis, Anti-
ochis, vollständige Piytanenverzeichnisse haben, habe ich eine Hekon-
stroktion solcher Verzeichnisse für die übrigen Phylen hier versucht.
Dabei habe ich bezüglich der Demenzahl die Buleutenliste Ath. Mitt.
XXIX 244 zu Grunde gelegt Für die Bestimmung der Prytanenzahl
habe ich mich an Milchhofers Berechnungen gehalten (Abh. d. Berl. AJcad,
1892, S. 8 f.), welche zwar nicht immer zu richtigen Ergebnissen führen,
doch aber eine gute Grundlage darbieten. Auch habe ich an seiner Ein-
teilung der Demen in grösste, grosse, mittelgrosse, mittlere, kleinere und
kleine festgehalten.
'EQBx&iiSog I.
Da wir 13 Demen in der oben genannten Buleutenliste haben und
Pergase dort ungeteilt ist, kann nur noch Syhridai verzeichnet ge-
wesen sein.
a Ofifiaxelg ....... 1
a *AyQvkij&ev xad-.^) ^ p-,
a *AyQvXr,&BP in. f ' ' ^ ^
b Evunrvfiuq 2
b *AvayvQaaioi (9)
b jiafinTQBlg xa&.^)y g,
b jiafinTQilg im, i ' ' ' *- -*
b bt Kn8w^) [3]
b na/ißoiTdSai^) [2]
c IlefyaaBig 2
c Kfj(piöUig^) [11]
c? ^i}YOVcioi 1
c? 2vßqidai^) [1]
50
^AxafiavT Idog V.
Diese Phyle zählte hier 13 Demen, also können wir Kyrtiadai aus-
schliessen.
a EitMloi^) [2]
a lyiatidSai^) [1]
a "Egiiuoi 2
a ElQBöidai 1
a ix Kegajiiwv^) [6] .
1) Dieser Demos gehörte nach Milchhöfer den mittelgrossen Demen an. Die
Zahlen in eckigen Klammern habe ich selbst ergänzt, die in runden Klammem be-
zeichnen die der Frg. incerta im Corpus.
2) Einer der grössten Demen. — 3) Kleinerer Demos. — 4) Kleiner Demos. —
5) Einer der grössten Demen. — 6) Kleiner Demos. — 7) Teil eines mittleren D. —
8) Kleinerer D. — 9) Grosser D.
Epigraphisehe Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 87
a XoXaQy%iQ^) ....*. [5]
a? noQioi') [1]
b OoqIxioi^) [5]
b KifpaXBlg^) ...... [6]
c JS'jo^fmoi*) . ' [8]
c ^Ayvovcioi^) [5]
c nQOöfidXrioi 5
c? Kixvpvalg'') .... .^ [3] _
50
K%XQoniios VIL
Hier sind 12 Demen verzeichnet gewesen, also auch Kikynna. Ob-
wohl Löper diesen Demos der Kekropis abgesprochen hat {Ath. Mitt.
XVn 409, 2), ist er doch nach 11- 944 sicherlich auch dieser Phyle zu-
zuweisen.
a MikiT^ . (13)
a SvniTmovig^) [3]
b? All^t^fig^) [10]
b 'AXmiig 4?
c *Äw5ftf»o) [6]
c? 'EmuxlSm^') [1]
c *A&fiov6lg^^) [4]
c Hi&BJg 3
c JSvnaXriTTiOi 2
c Tgivi/uilg^^) [2]
Q JaidaXiSai 1
c? KixvwvBig [1]
6Ö
'Inno&dDVT idog VIII.
Diese Phyle hatte hier nur 14 Demen, also müssen wir einen Turnus
zwischen einigen kleinen Demen annehmen, vielleicht zwischen Thymai-
ta<Iai, Hamaxanteia, Acherdus und Auridai (11* 184 b), und vielleicht
gehörten die beiden ersteren der Stadttrittys, die letzteren der Küsten-
trittys an.
a nuQauIg (11)?
a KBiQiaSai (3)
a kx KoiXrjg'*) [4]
a? *AfAa^avT6ig (1)
a? 'EgoMdai^^) [2]
c?a?'ACvviiig (2)
1) Mittelgnwser D, — 2) Kleinerer D. — 8) Mittelgrower D. — 4) Grosser
D. — 5) Grosser D. — 6) Mittelgrosser D. — 7) Mittlerer D. — 8) Mittelgroeser D.
— 9) Einer der gröMten D. — 10) Einer der grossten D. — 11) Kleiner D. — 12) Grosser
I). — 13) Kleinerer D. — 14) Mittlerer D. — 15) Kleinerer D.
88 J. Sn/ndwall,
b 'EkBvalvioi^) [8]
b Olvaioi^) [4]
b Konquoi (3)
h? *EXmovaio^^) (1)
b? *Ax^QdovaiOi [IJ
c Jtxiktiig 4
c ilOiw^) [3]
c? 'Avaxcuijg 3
5Ö
AlavTiSos IX.
Aiantis hat hier nur 5 Demen, also war Oinoe noch nicht vertreten ;
erst später 313/2 kommt ein Proedros vor (IT* 236).
a ^aXfiQBlg^) [8]
b MaQa&dviOL^) [12]
b 'Pafivovcioi'^) [9]
b Tgixogvaioi^) [5]
c *A<piSvaioi^) [16]
50
3. Zur Zusammensetzung der Antigonis und der Demetrias und zum
StärkeyerhSltnls der kleisthenisehen Fhylen im 4. Jahrh.
Die Zusammensetzung der Antigonis und der Demetrias wollen wir zu
bestimmen versuchen nach der Stärke der in ihnen vertretenen Demen.
Zuerst prüfen wir die zu diesen Phylen zugeschlagenen Demen nach den
bisherigen Untersuchungen.*^)
Antigonis.
Der Demos Agryle, der zweigeteilt war, gehörte sowohl der Anti-
gonis wie der Erechtheis an. Welcher Teil an die erstere kam, ist un-
gewiss. Nach Milchhöfer (a. 0.) ist A. den mittelgrossen Demen zu-
zuweisen; ich habe dafür 5 Pryt. berechnet. Man könnte also für den zur
Antigonis gehörigen Teil 2 Prytanen ansetzen.
Lamptrai war auch zweigeteilt.^*) Als einen der grössten Demen
stellte L. nach meiner Berechnung ungefähr 13 Pryt., von denen viel-
leicht 7 auf die Antigonis fielen.
1) Grosser D. — 2) Mittlerer D. — 3) Kleiner D. — 4) Mittlerer D. — 5)
Grosser D. Stellte c. 50 (IT* 874) 8 Pryt. — 6;; Einer der grössten D. — 7) Grosser
D. — 8) Mittelgrosser D. — 9) Einer der grössten D.
10) Vgl. Kirchner, Bh, Mus. LIX294ff. und die Literatur dazu ebenda.
11) Bates {The five post-Kleisth. tribes S. 7) nimmt an, dass Aaunzgal naQolai
II ^ 960 mit A. vn. identisch war.
Epigraphische Beiträge zur soziul-j^olitischim Geschichte Athens. 89
Paiania kam auch nur mit einem Teil an die Antigonis. Bates
(a. 0. S. 12) vermutet, dass dieser der kleinere Teil war, also /I. xad-.
Das lässt sich tatsächlich feststellen. Unter den Pryt. des //. vn. (11* 865)
kommt nämlich ein ^iktnniSfig vor^ dessen gleichnamiger Nachkomme
&e6fio»iTJjg 224/3 für die Pandionis ist (11« 859 a. 61, vgl. P, A,), Also
gehörte U. xu&, der Antigonis an. Dieser Teil stellte einen Pryt.
Pergase stellte 335/4 nur 2 Prytanen, also ist für den Teil, der zur
Antigonis kam, ein Pryt. zu rechnen.
Potamos. Dieser Demos, dessen Zugehörigkeit zur Antigonis Tod*)
erst kürzlich nachgewiesen hat, ist wohl nur mit einem Teil darin ver-
treten, und wir können Tod zustimmen, dass es wahrscheinlich Potamos
Deiradiotes war, der 2 Pryt. stellte. Dagegen ist kaum an Deiradiotai
festzuhalten, wie Kirchner*) aus 11 * 859 d. 19 schliessen will, nicht ein-
mal an Potamos Deiradiotes ist hier wegen des Raumes zu denken. Auch
kann die Liste hier wohl mit der 6. Phyle angefangen haben, weil der
erste Thesmothet 101/0 11« 985 der 9. Phyle angehörte.
Kydathenaion mit 11 Pryt.
Gargettos mit 4 Pryt.
Aithalidai mit 2 Pryt.
Ikaria mit 5 Pryt.
Eitea X nimmt Kirchner für die Antigonis in Anspruch (a. 0. 298),
also mit 2 Pryt.
Besä mit 2 Pryt.
Kirchner rechnet zur Antigonis noch einen Teil von Amphitrope
(a. 0. S. 298) nach Ditt. Syll^ 181, 2. Diese Stelle ist jedoch zu un-
sicher, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, zumal da es nicht ganz
wahrscheinlich ist, dass die Erwähnung der 11. Prytanie der Akamantis
(Z. 13) nur als eine Parenthese zu betrachten ist. Ich folge also hier der
Ansicht Bates', der diesen Demos ganz der Antiochis zuweist.
D V m e f r i n s,
KothoMdai mit 2 Pryt.
H\ppotomadai mit 1 Pryt.
Thorai mit 4 Pryt.
Ateiie mit 3 Pryt.
KoUe hat nach meiner Annahme gegen 4 Pryt. gestellt.
Bäte mit 1 Pryt.
Diomeia mit 1 Pryt.
Ard'i/le. Da die Hälfte der Antigonis zugeschlagen wurde, bleibt nur
1 Pryt.
Hagnus stellte nach meiner Berechnung gegen 5 Pryt.
Xypete berechne ich zu etwa 3 Pryt.
1) An. of ihe BHL School at Athens IX 157 f.
2) Rh. Mus, XLVII 554. ....
90
J. Sundwall,
Ausserdem schlägt Kirchnec noch Anakaiu vor.') Ich finde jedoch
die Bemerkung Bates' (a. 0. S. 23 f.) beachtenswert, dass der Polemarch
in derselben Liste schon ans der Demetrias ist, und dass dieselbe Phyle
nicht mit zwei Archonten vertreten zu sein pflegt. Ich rechne den
Demos deswegen nicht zur Demetrias.
Ich gebe hier eine Übersichtliche Zusammenstellung:
Antigonis.
III. f Eydathenaion
I. l Agryle . . .
I. rLamptrai . .
Vf. b { Potamos (Deir.)
X. Ißesa. . . .
IV.
I.
II.
n.
X.
m.
c <
Aithalidai
Pergase
Ikaria .
Gargettos
Eitea .
Paiania .
11
[2]
[7]
2
2
2
1
5
4
2
1
39"
vm.
vn.
vn.
IL a
IL
IL
VI.
X.
Demetrias.
Koüe [4]
Xypete [3]
Melite (13)
Ankyle
Diomeia
Bäte
Hippotomadai . . .
Atene
X. b \ Thorai . .
VI. l Kothokidai
V. c Hagnus. .
2
[5]
38
I.
U.
TU.
IV.
\.
VI.
= 10.
= 12.
= 12.
= 4.
= 5.
= 3.
1) hh. Mus. XLVII 5.S6.
Epigraphische Beiträge zur sozial-politischen Geschichte Athens. 91
Vn. = 16.
vm. = 4.
IX. = — .
X. = 11.
Die annähernde Gleichheit der neuen Phylen gibt uns den Beweis
dafür, dass die Neubildung ein Versuch war die Unterschiede, welche sich
seit Kleisthenes unter den Phylen ausgebildet hatten, auszugleichen.
Femer gibt uns die verschiedene Stärke der Teile, die die einzelnen
alten Phylen den neugebildeten abgaben, ein Bild von der durchschnitt-
lichen Stärke der Phylen im 4. Jahrh. Diese Stärkeverhältnisse, die be-
reits Milchhöfer (a. 0.) statistisch zu berechnen versucht hat, werden
durch unsere Zahlen in ein richtigeres Licht gerückt. Die Zusammen-
stellung ergibt nämlich, dass Erechtheis, Äigeis, Pandionis, Äntiochis
ziemlich gleich stark waren, vielleicht ein wenig über dem Durchschnitt
von ^/lo der Gesamtbevölkerung, während Leontis, Akamantis, Oineis und
Hippothontis ihn nicht erreichten. Die grösste war Kekropis, die kleinste
Äiantis.
Berichtigungen.
S. 1 Z. 10 steht: 4. Jahrh., Ues: 5. Jahrh.
8. 5 Z. 14 V. u. ergänze: ßeüräge e. aU. Gesch. 1905 S. 282.
S. 8 Z. 12 V. u. steht: 'Enmifaxf\g ^ikoyXiovg 'AyyiXffihv, lies: Hgoxleldrig 0tX. 'Ayy.
S. 89 A. 1 statt 468/2 lies: 408/2.
S. 48 Z. 14 steht: IP 104b, lies IP 104a.
84
Jl Sundwall,
b IIoTlifttOt JtIQ.
'Axa/iavT iSog V.
n« 867.
878/77.
Kol.n. b [eoQixioi]? .
Kol. III. c 'Ayvovaioi
3 + ?
4 + ?
Ath. Mut. XXIX 244.
885,84.
? + 2
c IJQOonäXTioi . . 5
a '^Qnttot . . .
a EiQtaldai. . .
OlvriiSog VI.
[H« 997].
V,4. Jahrb.
a? Aowsirie . .
b 0vXtiaioi . .
b Ogidatot . . .
2
1
1
3
4 + ?
n«868.
[860/59.
Kol. I. a 'Emx^yiaioi
b ^Xdmoi
a? ÜTtltäaioi .
a? 'InnoTO/iäSat
a uiaxtadai .
a BovtäSat .
a? Aovai^g. .
a IltQi&oJSat
Kol.n. b? Ko»uxi8cu.
b QQiieioi . .
2
2
1
1
2
1
1
3
2
7
a? Ol^i^«!» .... 6
Kol. m. c 'Axagvijs ... 22
n5 868b.
c. 860.
Kol. I. c fjj^apvw] •
Kol. n. a? [Ol^ev] .
a IleQt&oJSat
a BovtaSai .
a AaxiMitti .
a? Aovetrfi, .
a? IlttUacioi .
a? TvQutSSai .
a 'Entxtjyiaioi
50
15+?
5?i)
3
1
3
1
1
1
1
^<Ä. Jlß«. XXIX 244.«j
885/84.
a IltQt&diSai
Kixqonidos VIL
n2 866.
Vi 4. Jahrh.
Kol. I. c <Piww . . .
.? + 6
. 3
Kol. U. b 'AXairts
Kol. m. a Mthx^s
2 + ?
4 + ?
5 + ?
[H» 1006 A.].
c. 350.
KoLL
a [SvntTtti6vti\ . . 2 + ?
Kol. U. a [MehT]^e ■
c [^ii/jjc] . .
.(13)?
. 3+?
1) Vgl Löper, 'E<p. &qX' 1^93, 205.
2) Hier 12 Deinen wie II* 868. Es fand also ein Turnus zwischen 'Innoxondöcu
und TvQiuldai statt; wahrscheinlich gehörten beide der Stadttrittys an.
Epigraphisehe Beiträge zur sozial-politischen Oesehiekte Athens. 85
[B. 0. H. XXm 352].
c. 875—50.
c [<PAww]? •
c SvitaXfiXtuu
b? Äi%m)iis . .
? + 3
. 4
. 6 + ?
Afh. Mitt. XXIX 244.
885/84.
? + 2
c 2vnaXfßttOi . . 2
c tlt&eie .... 3
c JmSaklSai . 1
'Inno&avxiSos VIII.
[n«996].
400-860.
KoL I. c? B? 'Ai;rivt^i ....
a KtiQiddat . . .
b Konguoi . . .
c? 'Avaxatijg . . .
Kol.II. a [IJuQauSe].
b? 'E[Jimovatoi
[Un006B.J.
c. 350.
c? a? 'A^tjvifje ■ ■
c? 'Avaxai^ .
c Jexels^e . .
b? 'Elaiovatoi .
a? 'Afta^avTUtle
b? 'Axtgiovctot
3
3
3
4 + ?
11 + ?
1
2
3
4
1
1
Ath. Mitt. XXIX 244.
385/34.
c Jextlttjs. . . .
c? 'AvaxaiiK ■ ■ ■
AlttvxiSoi IX.
Ath. Mitt. XXIX 244.
885/34.
4
3
? + 3
'Avttoxiüoi X.
n« 869.
c. 350.
Kol. I.
b
b
b
b
KoLU. b
b
c
Kol. m. a
'Ava(fXv<itioi
'AftytTQonailK
Brjaai^g .
'Arijvfis .
Alytkifii
Oopatffi .
naXXijvije
'AXwatx^
c? Kgiu^e .
c? Kolutnje
c? Elrtaioi.
c 'Egotadat
c JStjfiaxlSat
10
2
2
3
6
4
7
10
1
2
1
1
1
50
Ath. Mitt. XXIX 244.')
885/84.
c? ElTeaiot . .
. 2
1) Hier sind 14 Demen gegen 13 in II* 869. Vielleicht könnte m«n an den Demoi
ünntlij denken, der sowohl flir das 5. wie 3. Jahrh. beteugt ist.
Sachregister.
Aischines aus Kothokidai 50, 58,2, 60 f., 68 f.
Androtion aus Gargettos 15, 43, 59 f., 62 f
Antigonis 88 f.
Antragsteller 56 f., 62 f.
Archontat: d. Isaios 77, Lysiades 78, Dio-
medon 78, Diokle« 79, Timarchos 80,
Lysiades 80.
Aristophon aus Asenia 27, 62 f., 78.
Asklepiospriester 47 f., 75 f.
Besoldung: d. Rates If., d. Strategen 80,
d. Diaiteten 84, d. Gesandten 59, d.Volks-
sammlung 68.
Bnleuten 14 f.
Chares aus Angele 21 f., 27, 72.
Charidemos aus Achamai 22 f., 27, 72.
Demades aus Paiania 28, 25, 28, 41, 49,
60 f., 68 f.
Demarchen 56.
Demen 2,5, 58/8, 81/8. Turnus d. D. im
Rate 87.
Demetrias 89 f.
Demostkenes aus Paiania 15, 42 f., 50, 58,
60 f., 68 f., 71 f. zur Ilaucvla xa^wteg^sv
gehörig 58,8.
Diaiteten 82/4.
Diopeithes aus Sunion 22 f., 27, 72.
Diotimos aus Euonymon 28 f., 27, 80, 72.
Epheben 82.
*EniiuXrstal t&v veatgUov 85 f.
'Eniatatai *EXhvaiv6»ev 46 f.
'Emetdxris BgavgiavUv 45.
'Esrl rj} dioixfiCH 42.
Eubulides aus Halimus 15, 57.
Eubulos aus Probalinthos 42 f., 62 f.. 72 f.
Gerichte 69.
Gesandte 59/62.
Hegesippos aus Sunion 60 f., 62 f., 72.
Hypereides aus Kollyto« 16, 38,2, 60 f.,
64 f., 71 f.
UgBvgi d. Asklepios 47 f., 75 f., d. Pandion
48, d. Poseidon 48.
Ugoykvri{H4iVB9 50.
Ug(yjioi.oL 48 f.
Kommissionen 42/3.
Lykuigos aus Butadai 20 f., 41 u. A. 3,
42 f., 49, 60 f., 64 f., 71 f.
vaoitoiol 51 f.,
Nausikles aus Og 22 f., 27, 60 f., 64 f., 72.
Philokrates aus Hagnus 15, 60., 68 f.
Phokion 22 f., 29, 60 f., 64 f.
Phylarchen 81.
Phylen: Leistungsfähigkeit 2, bei der Stra-
tegenwahl 19, Musterrollen d. Ph. 82, bei
Bestellung der 'Eniat, 'EXsva, 47, bei der
Losung des Asklepiospriest. 48, 74 f., bei
d. Wahl d. Hieropoen 49, Verschiebung
d. Bevolk. in d. Ph. 55, Stärkeverhält-
niBse 91 , Antigonis und Demetrias 88 f.
Polyeuktos aus Sphettos 60 f., 62 f., 71 f.
Proletariat, industrieller 55, 70.
Prytanen Verzeichnisse 11,2, 81/8.
nvlayogai 50 f.
Rat 1/18, 85 u. A. 3, 71.
Ratschreiber 17 f.
Schatzungsklassen, solonische 2,4, 82.
Strategen 19/81.
Symmorien 2, 20 u. A. 8.
xaiuai, : xfis ^eof^ 89,4, 42 u. A 3, f oi^ ^totg
47.
xa)Liag: tgi^tigonoinAv 89 f., ilg rtt vitugia
89 f., (fXQCcvuatix&v 41 f.
Taxiarchen 31.
Theorikon 78, ol inl d. 42 f.
Thrasybulos aus £rchia 28 f., 27, 72.
Timarchos aus Sphettos ^5, 48 f., 60 f.
Trittyen 88, 53 f.
Tyrannen, die dreissig 53,4.
Volksversammlung 68.
Dmok voo O. Kreysiog io Leipstg.
Der römische Gutsbetrieb
als wirtschaftUcher Organismns
nach den Werken
des Cato, Varro nnd Golnmella.
Von
Herman Gnmmeras.
Leipzig
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1906.
Vorwort.
Indem ich hier die ersten Resultate meiner Studien in der römischen
Wirtschaftsgeschichte vorlege, ist es mir eine ehrenvolle Pflicht meinen
hochgeschätzten Lehrern, Herrn Prof. F. Gustafsson an der Universität
zu Helsingfors, Finnland, der meine ersten Schritte auf dem Gebiete
der klassischen Philologie geleitet hat, und Herrn Prof. Eduard Meyer,
dessen historischem Seminar zu Halle ich im J. 1901 als Mitglied an-
gehörte, und der zuerst durch seine geistvollen Aufsätze mein Inter-
esse für das Wirtschaftsleben des Altertums erweckt hat, ebenso den
Herausgebern der Beiträge zur alten Oeschichte, den Herren Professoren
0. F. Lehmann-Haupt und E. Kornemann, die mir bei der Veröffent-
lichung meiner Abhandlung als Beiheft dieser Zeitschrift durch Rat und
Tat behülflich gewesen sind, meinen herzlichen Dank auszusprechen.
Herr Dr. Gustav Schmidt, Helsingfors, hat mein Manuskript auf
sprachliche Verbesserungen durchgesehen, wofür ich ihm dankbar ver-
bunden bin.
Helsingfors im Dezember 1905.
Der Yerfasser.
Inhalt.
Seite
Einleitung 1—14
Die drei Wirtschaftsstafen der Menschheit nach Bücher und Röscher. —
Rodberttti* Lehre von der Autarkie des antiken Hauses. — Seine Oiken-
wirtschafftstheorie von BUcher erneuert. Kritik dieser Theorie. — Die
Ansicht der Büchersehen Schule, dass die geschlossene Hauswirtschaft im
Altertum vornehmlich da, wo die Sklavenwirtschaft vorherrschte, zur Aus-
bildung gekommen sei. — Ist diese Ansicht richtig, so ist die höchste Aus-
bildung der geschlossenen Hauswirtschaft im Altertum in den landwirt-
schaftlichen Sklavenbetrieben bei den Römern zu suchen, weil dort die
antike Sklaverei ihren Höhepunkt erreichte. — Die fortschreitende wirt-
schaftliche Isolierung des romischen Gutsbetriebs nach Max Weber. —
Eine Spezialuntersuchung über diese Frage hat erstens darzulegen, welche
Arbeitskräfte für die landwirtschaftliche Urproduktion verwendet wurden,
zweitens, wie die für den Gutsbetrieb erforderlichen Konsumtionsguter,
namentlich die ErzeugniiMe der gewerblichen Produktion, beschafft wurden.
— Die Aufgabe vorliegender Abhandlung ist, die landwirtschaftlichen
Werke des Cato, Varro und Columella von diesen Gesichtspunkten aus
einer Spezialanalyse zu unterwerfen — Methode der Untersuchung.
Kap. I. Der römische Gutsbetrieb nach Cato 15—49
Der hohe Wert der Schrift de agri cultura als Quelle für die römische
Wirtschaftsgeschichte. — Catos Vorschriften über den Gutsbetrieb beziehen
sich auf zwei bestimmte Mustergüter. Der Wein- und Olbau die Grund-
lage des Gutsbetriebs. Die ökonomischen Grundsätze des catonischen Be-
triebssystems. Gute Kommunikationen eine Hauptbedingung der Renta-
bilität des Gutes. — Die landwirtschaftliche Urproduktion ruht auf der
Sklavenarbeit. Daneben werden freie Lohnarbeiter regelmässig heran-
gezogen. Dienstmiete. Werkverdingung. Verkauf des Ertrages im voraus.
Die polüio. Die Parzellenpacht nicht erwähnt — Die Beschaffung der
Konsumtionsguter, besonders die der Grewerbserzeugnisse. Die gewerbliche
Eigenproduktion des Gutes auf wenige, leichte Handwerksarbeiten be-
schränkt. Die Kleider der Sklaven nicht zu Hause gemacht, sondern ge-
kauft. Grössere Bauarbeiten in Verding gegeben. Leichtere Hobs-, Flecht-
und Seilerarbeiten durch die Gutssklaven ausgeführt. Alle Töpfer- und
Metallwaren dagegen in den Nachbarstädten gekauft und jede auf dem
Gute nötige Metallarbeit einem gedungenen Handwerker überlassen. Der
Kauf einer Ölquetschmaschine. — Zusammenfassung.
— vin —
Seite
Kap. IL Der römische Gutsbetrieb nach Varro 50 — 72
Yarros Vorgänger. Die Quellen seiner rerum rusticarum libri tres. Sein
Werk ist als Quelle für die Wirtschaftsgeschichte nur mit Vorsicht zu
benutzen. — Varro hat nicht, wie Cato, ein bestimmtes Mustergut im Auge.
Er berücksichtig zunächst italische Verhältnisse. Auch bei ihm erscheint
die Wein- und Olproduktion als die Grundlage der Bodenwirtschaft Die
Grösse des Gutsbetriebs. Die Stellung des Gutsbetriebs in dem allgemeinen
Wirtschaftsleben. Kommunikationen. — Die ländlichen Arbeiter in Sklaven
und Freie, diese wieder in Kleinbauern, Tagelöhner und Schuldknechte
geteilt. Obaerati nicht als coloni au&ufassen. Die Kleinpächter unter den
Gutsarbeitem nicht erwähnt. — Die gewerbliche Produktion des Gutes,
wie bei Cato, auf Holz-, Flecht- und Seilerarbeit beschränkt. Dorfhand-
werker auf dem Gute beschäftigt Auf sehr grossen, abgelegenen Gütern
hält man sich jedoch eigene Handwerkssklaven. Töpferei und Weberei
als landwirtschaftliche Nebengewerbe. — Zosanmienfassung.
Kap. III. Der römische Gutsbetrieb nach Columella 78—93
Columellas Werk rei rtiaticae libri duodecim ist für die Wirtschaftsgeschichte
eine zuverlässige Quelle. — Auch Columella berücksichtigt zunächst italische
Zustände. Auch ihm gilt der Wein- und Ölbau als die Grundlage der
Bodenwirtschaft Er schreibt in erster Linie fUr Grossgrundbesitzer. Seine
ökonombchen Prinzipien. Produktion für den Absatz. Konununikationen.
— Die Arbeitsorganisation ruht fast ausschliesslich auf der Sklavenarbeit,
obwohl freie Lohnarbeiter nicht ganz entbehrt werden können. Die Klein-
pächter, coloni j werden als selbstverständlicher Teil der Gutsinsassen be-
trachtet, sind aber zu Frohnden auf dem Hoflande nicht verpflichtet —
Die gewerbliche Betätigung der Gutssklaven auf leichtere Holz- und
Flechtarbeit beschränkt. Das Spinnen und Weben kommt als gelegent-
liche Hausbeschäftigung der Sklavinnen vor, aber die Kleider der Haus-
leute werden doch grösstenteils gekauft. Unter den Gutssklaven befinden
sich auch einige Handwerker, die aber hauptsächlich nur die Reparaturen
zu besorgen haben. Das ergasttüum ist nicht als industrielle Werkstatt
aufzufassen. — Zusammenfassung.
Schluss: Allgemeine Ergebnisse 94—97
Einleitung.
Die wirtschaftsgeschichtliche Erforschung des klassischen Altertums
hat in den letzten Jahren einen grossen Aufschwung genommen. Das
immer gewaltiger anwachsende inschriftliche Material gewährt uns jetzt
in das wirtschaftliche Leben der antiken Völker einen sehr erweiterten
Einblick. Was mit Hilfe dieses Materials auf dem Gebiete der Wirtschafts-
geschichte erreicht werden kann, zeigen z. 6. H. Francottes glänzende
Untersuchungen über die griechische Industrie. Die Papyrusforschung
schenkt uns mit jedem Jahre neue Dokumente über die sozialen und
ökonomischen Zustände Ägyptens während der ptolemäischen und der
römischen Zeit. Die im Laufe der letzten Dezennien entdeckten grossen
nordafrikanischen Inschriften haben auf unsere Anschauung über die Ent-
stehung des römischen Kolonats geradezu umgestaltend eingewirkt. Ähn-
liche Fortschritte kann man auf vielen anderen Gebieten beobachten.
Aber ebenso stark wie durch die Entdeckung neuen Materials ist
die antike Wirtschaftsgeschichte dadurch gefördert worden, dass man
schon bekannte Tatsachen unter neuen Gesichtspunkten zu betrachten be-
gonnen hat. Man hat aufgehört die wirtschaftlichen Zustände bei den
alten Völkern nur als „Privataltertttmer** zu behandeln. Man begnügt
sich nicht mehr diese Zustände isoliert zu untersuchen, man will sie in
ihrem Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwickelung und im Lichte
der modernen Nationalökonomik und Soziologie erklären.
Besonders befruchtend hat in dieser Beziehung die vor einigen Jahren
zwischen Ed. Meyer und Karl Bücher und ihren Anhängern geführte
wissenschaftliche Fehde gewirkt. Der Gegenstand des Streites ist be-
kannt. Bücher hatte ^) die ganze materielle Kultur des klassischen Alter-
tums in die Epoche der sogenannten „geschlossenen Hauswirtschaft**, der
„reinen Eigenproduktion", der „tauschlosen Wirtschaft", in welcher „die
Güter in derselben Wirtschaft verbraucht werden, in der sie entstanden
sind", hineinzwängen wollen. In dem „Verhältnis, in welchem die Pro-
1) In seinem berühmten Werke: Die Entstehung der VolkswirtscJuift, erste Aufl.
1893, zweite 1898, dritte 1901, vierte 1904.
O ammeras, Der römitohe Qutobetrieb. 1
2 H. OummeruSy
duktion der Güter zur Konsumtion derselben steht", in der „Länge des
Weges, welchen die Güter vom Produzenten bis zum Konsumenten zurück-
legen", i) hatte nämlich Bücher einen Gesichtspunkt gefunden, nach welchem
er die drei Wirtschaftsstufen der Menschheit, die der geschlossenen Haus-
wirtschaft, der Stadt Wirtschaft und der Volkswirtschaft feststellen
konnte. Diese drei Stufen, denen fünf gewerbliche Betriebssysteme : Haus-
werk, Lohnwerk, Handwerk, Verlagssystem und Fabrik, entsprechen, folgen
— so lehrte Bücher — in der Geschichte der Menschheit zeitlich auf ein-
ander. Die Hauswirtschaft erhielt durch die Sklaverei des Altertums ihre
höchste Ausbildung; im Mittelalter war die Stadtwirtschaft vorherrschend;
erst in der neueren Zeit hat die Entwickelung die Stufe der Volkswirt-
schaft erreicht.
Gegen diesen offenbar einseitigen Schematismus wendete sich Ed.
Meyer. *) Er suchte — vielleicht nicht ohne Übertreibungen in einzelnen
Punkten — nachzuweisen, dass die Völker des Altertums alle jene drei
Wirtschaftsstufen durchgemacht haben.
Die Ansicht, dass die antike Wirtschaft von der modernen wesentlich
verschieden gewesen sei, ist unter den Nationalökonomen nicht neu. Schon
W. Röscher hatte sie ausgesprochen. ^) Auch er wollte in der wirtschaft-
lichen Entwickelung jedes höher gebildeten Volkes drei Perioden unter-
scheiden. In der frühesten Periode tritt der erste Faktor der Produktion,
die Natur, mächtig hervor, in der zweiten wird der Faktor der menschlichen
Arbeit immer bedeutender, in der dritten Periode endlich tritt der des
Kapitals in den Vordergrund. Das eigentümliche der alten Volkswirt-
schaft sei nun, dass sie nie sehr weit über die zweite Stufe hinaus-
gekommen ist.*) Die Ursache dazu lag in dem Vorherrschen der Sklaverei,
die namentlich das Aufkommen der Industrie und des Handels hinderte.
„Viele unserer bedeutendsten Handwerke — sagt Röscher s) — konnten
im Altertume schon deshalb nicht existieren, weil jedes ansehnlichere
Haus die betreffende Arbeit hausmässig von seinen Sklaven verrichten
liess." Weil es an einer Kundschaft für geringere Erzeugnisse des Ge-
werbefleisses fehlte, war die Industrie immer nui' „eine lialbe Luxus-
industrie." — „Die wichtigeren Gewerbserzeugnisse, welche damals von
einem Lande in das andere geführt wurden, waren fast sämtlich Luxus-
artikel." Dies hing auch mit der UnvoUkommenheit der alten Kom-
munikationsmittel zusammen, „welche den Transport für geringere Waren
allzu sehr verteuerte."
1) Entst. d. Volksw., 4. Aufl. S. 107.
2) Zuerst in seinem Vortrage: Die wirtschaftl. Entwickelung d. Altertums^ Jena 1895.
3) In seiner Abhandlung: Über das Verhältnis der Nationalökonomie zum klassi-
schen Altertum. Ansichten der Volkswirtschaft aus dem geschichtlichen Standpunkte.
2. Aufl. 1861, S. 1—46, ursprünglich aber schon 1849 in den Ber, d. SäcJis. Ges. d.
Wiss. hist.'phil, Klasse erschienen.
4) a. 0. S. 15.
5) a. 0. S. 24.
9fi^rmii^f*h*^ Gut^betrieh
Noch schärfer formuliert und ausführlich begriiudet wirde diese Auf-
fassung von K. Kodbe.rtus, ^) „Die (irnudbesitzer — sagt er hinsiclitlich
der Wirtschaft der Völker des Altertums — welche durch ihre Sklaven
die Eohproduktitinsarbeit^n vornehmen liessen, bewirkten auch gleich
selbst durch andere Sklaven an den Rohprodukten die F'abrikations-
arbeiten, ja bei denjenigen Produkten, die überhaupt von ihnen in den
Handel gebracht wurden, auch sogar die Transportationsarbeiten, m dass
also das Nationalprodukt im Laufe seines ganzen produktiven Prozesses
niemals den Besitzer wechselte,"*) Die Grundlage der GiUerproduktion
war also das Haus» der otjfog. Alle Gebrauclisgüter wurden innerhalb
des Oikos hergestellt. Diese innere wirtschaftliche Helbstgeniige jedes
einzelnen Haushalts nennt Rodbertus ,, Autarkie'*/*') Die antike Wirt-
schaft wird somit als ,,Oikenwir tschaft'' bezeichnet
Für eine selbständige Handwerker- und Fabrikantenklasse gab es in
einer so organisierten (tesellsehaft keinen Kaum. t^Weil jetzt (im Alt^r*
tum) Rohproduktion t Fabrikation und Handel, und zwar in aUen ihren
verschiedenartigen Zweigen, in jeder einzelnen Haushaltung zusammen
betrieben wurden, wurde auch die ganze Nationalproduktion in die Haus-
wirtschaften verlegt und es dadurch unmöglich gemacht, dass sich die
einzelnen Ärbeit^szweige ausserlialb des Hauses zu besonderen selbständigen
Gewerben und Betrieben in älaUicher Weise wie in der heutigen Gliede-
rung zusammenschliesseu konnten."*) Die in den Quellen vorkommenden
artificen waren zum grössten Teil Sklaven, die für die Rechnung ihrer
Herren da« eine oder das andere Gewerbe trieben.*)
Der oben geschilderte Zustand, den Rodbertus fi-eilich, wie er selbst
zugesteht, „in grösserer Schärfe skizziert hat als ihn die Gescliichte ver-
wirklicht hat***) — dieser Zustand, sagt (»r, begann sich gegen den Ausgang
der römischen Republik xu ändenh Der Kapitalbesitz, bisher mit dem
Grundbesitz vereinigt, sonderte sich allmählich davon ab. „Banquier-
geschäft, Glosshandel und Kränierei strebten schon damals, sich von der
einheitlichen Ökonomie abzulösen und selbständig zu werden. * . . Auch die
B^abrikation begann, wenn auch noch nicht selbständig für eigene Rechnung
zu arbeiten, doch mehr und mehr sich lokal von der Roh] ' * ion zu
scheideUj indem sie sicli von der Villa in die Rintrmaueru < f zog,
1) Zucrut in scirnTii AutsiaUe: Zur Oeschtchtc 'H Knlwu'kclung
BotM unier dtn Kaisern ^ Jahrbücher für Nattonal 4ik^ B. H» ha-
*onder* S, 267, dann utiÄftihrlichcr in ihr Abhiiiidliiiig: Zur (re9cMcht€ der rimiicheH
IVibuUieuem aeit Au^wfius^ B. IV, V, u. VI 11 denclben Zeitschrift.
2) Jb, f. NiU, u. St, IV a 843.
8} Dt!r Ausdruck stammt von ArUtoiele«^ der anerdingi nur von der avrtiQxtm
der n6lt^ s|meht S. Mfy^r, tk, O. 8. 3 A.
4) Jb. f\ NaL u. St., K V S. 280.
5) B, Vlli S. S89ff., wo RodbortUB leüie kühnen HtthnaptUBgen mit einlgcTti, aU«*r
dingB wUlktlrUch ftusgcrwählten Quellenbi*logen zu t.'rhllrten iueht,
6) 11 IV S, 345 A.G.
4 n, Chjummems,
wo sie freilich noch immer in dem Besitz desselben Possessor betrieben
ward, der zugleich unter dem Kolonat die Landwirtschaft vor den Toren
der Stadt betrieb." ^) Diese Entwickelung, im engsten Verhältnis zu dem
Aufkommen des Kolonats, habe ihren Anfang schon im ersten Jahr-
hundert der Kaiserzeit genommen. Eodbertus glaubt ihre Spuren in der
Steuergesetzgebung der Kaiserzeit verfolgen zu können. Aber obgleich
somit die Fabrikation im Laufe der Kaiserzeit sich von dem Ackerbau
sonderte, blieb sie doch in den Händen der Grundbesitzer. Gener e und
loco waren die agrikole und gewerbliche Tätigkeit schon unterschieden
— possessione und iure wurden sie es erst während der germanischen
Städtezeit, als ein freier Handwerkerstand hervortrat. 2) Diese Ent-
wickelung umfasste ungefähr tausend Jahre, von Augustus bis zu den
salischen Kaisem.
Rodbertus' Auffassung blieb in der Folgezeit unter den National-
ökonomen die vorherrschende. So spricht auch Ad. Wagner^) von der
„einheitlichen Oekenwirtschaft" der antiken Welt, von der „agrarisch-
industriellen Wirtschaftseinheit des Oikos" und von ihrer späteren Auf-
lösung mit dem Siege des freien Verkehrs. — In derselben Weise, ob-
gleich mit grösserer Vorsicht, drückt sich G. v. Schönberg aus:*) „Die
isolierte Produktion erhält sich dort (im Altertum) bei den Reichen in
einem sehr viel grösseren Umfange als hier (in der Gegenwart). Die Haus-
wirtschaft dieser Klasse beruht im Altertum auf dem Besitz von Sklaven,
und die Reichen auf dem Lande wie in den Städten hielten sich, auch
nachdem die Völker Gewerbe- und Handelsvölker geworden, wie vorher
in grosser Zahl Gewerbs- und Handelssklaven, die ihnen einen grossen
Teil der Gewerbe- und Handelsprodukte, die sie in ihrer Wirtschaft ge-
brauchten, beschafften." Wie Wagner beruft sich auch v. Schönberg auf
Rodbertus. *)
Dagegen stellten sich die Philologen vom Fach ablehnend zu Rod-
bertus' Ausführungen. In der Tat konnten seine generalisierenden und
übertriebenen Behauptungen einer genauen Quellenprüfung nicht Stand
halten. Dass im Altertum kein freier Handwerkerstand existiert habe,
dass die ganze gewerbliche Produktion innerhalb des Oikos vor sich ge-
ll B. V S. 301.
2) B. V S. 306.
3) Grundlegung der polüischen Ökonomie 3. Aufl. 1892, I, 1, S. 357; vgl. 440.
4) Handbuch der polüischen Ökonomie, 4. Aufl. 1896, I, 1 S. 44 A. 71.
5) Die Rodbertussche Oikenwirtschaftstheorie begegnet auch iu kulturhistorischen
Werken der jüngsten Zeit. So sagt z. B. G. Grupp in seiner Kulturgeschichte dtr
römischen Kaiserzeit (München 1903) B. I S. 267 : „Im Altertum herrschte im wesent-
lichen das System der Haus- und Naturalwirtschaft: jedes Haus und jeder Hof war
möglichst selbstgenügsam und erzeugte selbst, wessen es bedurfte, gemäss dem Grund-
satz, möglichst wenig zu kaufen. Da konnte der Handel und das Gewerbe nie ganz
selbständig werden und war immer verknüpft mit andern Unternehmungen, und damit
wurde auch das Geld- und das Kreditsystem nicht selbständig/'
Der römische Outsbetrieh. 5
gangen sei, kann nur der behaupten, der die Augen absichtlich gegen
längst bekannte Tatsachen verschliesst. Wenn Rodbertus in der römischen
Kaiserzeit in der Organisation der gewerblichen Produktion eine Ver-
änderung wahrnehmen zu können glaubt, so hat er sich hierin aller-
dings nicht getäuscht — nur schlug diese Veränderung gerade die ent-
gegengesetzte Sichtung von der ein, die Bodbertus annahm.
Es musste deshalb nicht wenig befremden, dass ein Forscher von
K. Büchers Rufe die Rodbertussche Oikenwirtschaftstheorie ohne alle
Einschränkung wieder aufzunehmen schien. Seine Aussprüche stehen den-
jenigen von Rodbertus an kategorischer Schroffheit in keiner Weise nach.
„Aus der wirtschaftlichen Autonomie des sklavenbesitzenden Hauses
— sagt Bücher^) — erklärt sich die ganze soziale und ein guter Teil
der politischen Geschichte des alten Rom. Es gibt keine produktiven Be-
rufsstände, keine Landwirte, keine Handwerker. ... Es gibt kein Unter-
nehmungskapital, das Arbeit um Lohn kaufte, es gibt keine Industrie
ausserhalb des geschlossenen Hauses. Die artifices der Quellenschriften
sind keine freien Gewerbetreibenden, sondern Handwerkssklaven, welche
aus den Händen der Acker- und Hirtensklaven das Eom, die Wolle, das
Holz empfangen, um sie zu Brot, zu Kleidung, zu Geräten zu verarbeiten."
Kein Wunder, wenn diese kühnen Behauptungen bei Historikern und
Philologen lebhaften Widerspruch hervorriefen.
Aber man darf doch Büchers Auffassung nicht nach einzelnen über-
triebenen Ausdrücken, die offenbar von dem Bestreben veranlasst sind,
die drei Wirtschaftsstufen möglichst scharf von einander zu scheiden, be-
urteilen. Selber betont er, dass er jede Wirtschaftsstufe „in ihrer
typischen Reinheit" zu erfassen strebt, ohne sich „durch das zufällige
Auftreten von Übergangsbildungen oder von einzelnen Erscheinungen be-
irren zu lassen, die als Nachbleibsei früherer oder Vorläufer späterer
Zustände in eine Periode hineinragen und in ihr etwa historisch nach-
gewiesen werden können. "^ Es wird sogar zugestanden, dass sich auch
bereits im Altertum Ansätze der Stadtwirtschaft nachweisen lassen."*)
In der zweiten Auflage seines Werkes glaubt er, um die heftigen gegen
ihn gerichteten Angriffe einigermassen abzuwehren, folgende Anmerkung
beifügen zu müssen: „Für nationalökonomisch gebildete Leser brauche
ich wohl kaum zu sagen, dass es sich im folgenden nicht darum handelt,
einen Abriss der antiken Wirtschaftsgeschichte zu geben, sondern, wie
der Zusammenhang ergibt, lediglich um ein Paradigma der höchst-
entwickelten Hauswirtschaft, wie sie sich beim Sklavenbetrieb der Alten
findet."*) In dem der dritten Auflage beigefügten Anhang will er die An-
1) Entst. d. Volksw., S. 117.
2) a. O. S. 108.
3) a. 0. S. 135.
4) 2. Aufl. S. 65.
6 H, Oummerus,
griffe seiner Gegner nur auf bewusste oder unbewusste Missverständnisse
zurückführen.
Wie sich Bücher die wirtschaftlichen Verhältnisse bei den Römern
im einzelnen vorstellt, setzt er in seiner Abhandlung: Die Diokletianische
Taxordnimg vom Jahre 301^) auseinander. In der Zeit — heisst es —
wo das Edikt erlassen wurde, bestand „noch" die auf dem Grundbesitz
beruhende geschlossene Hauswirtschaft.«) Aber neben dem „Hauswerk" er-
scheint als gewerbliches Betriebssystem auch das „Lohnwerk", und zwar
in seinen beiden Ausgestaltungen: als „Stör" (Arbeitsmiete, locatio con-
ductio operarum) und als „Heimwerk" (Werkverdingung, locatio conductio
operis),^) Ausser der „dauernden Arbeitsvereinigung" , die durch die
Haussklaven ermöglicht wird, braucht der Oikos noch die „temporäre",
indem für einschlägige Arbeiten fremde Arbeiter, freie oder unfreie, ge-
mietet werden. Das Lohnwerk erscheint sogar als die vorherrschende
Form des römischen Gewerbebetriebs. Dies findet Bücher durch die Tax-
ordnung bestätigt. Aber in einigen Gewerben sei die Entwickelung noch
weiter gekommen. Neben dem Lohnwerk erscheint in der Textilindustrie,
in der Bäckerei, in der Wagnerei die Produktion für den Verkauf, das
„Handwerk" im eigentlichen Sinne, das in der Lederindustrie und in
einigen kleineren Gewerben das Lohnwerk fast vollständig verdrängt hat.*)
Die Methode, nach welcher Bücher in seiner Untersuchung verfährt,
ist keine sichere. Das zeigt schon das Resultat, dass z. B. in der Metall-
industrie das Lohnwerk vorgeherrscht habe, in der Lederindustrie da-
gegen die Produktion für den Verkauf. Wenigstens in der früheren Zeit
lagen für diese beiden Gewerbe die Dinge, wie wir unten (S. 40 ff.) sehen
werden, gerade umgekehrt. Schon aus rein praktischen Gründen musste
in der Lederindustrie das Lohnwerk länger als in der Metallindustrie
sich erhalten. Das Rohmaterial für die Lederfabrikation, die Häute,
konnte jeder Bauer aus eigenem Gute liefern. Die Metallwaren dagegen
waren viel bequemer und auch billiger vom Handwerker in fertigem
Zustande zu kaufen, anstatt das Rohmaterial, das man nicht selbst pro-
duzieren konnte, zuerst zu kaufen und dann dem Handwerker zur Ver-
arbeitung zu übergeben.*)
Auch andere Einwände könnten gegen Büchers Beweisführung er-
hoben werden. So spricht er wiederholt von Zuständen, welche in der
Abfassungszeit des Edikts „immer noch" bestanden hätten. Aber die
für die Untersuchung sehr wichtige Frage, „ob in der späteren Kaiser-
1) In Zeitschrift f, d. gesamte StaatswissenscJuift, B. 50 (1894) S. 189—219, 672-698.
2) a. 0. S. 199.
8) a. 0. S. 676.
4) a. 0. S. 694.
5) Das gilt vornehmlich von den minderwertigen Metallen, Kupfer, Eisen u. a. ; die
Edelmetalle dagegen wurden, wie aus zahlreichen Rechtsfällen bei den Juristen hervor-
geht, vom Besteller selbst geliefert und dem Goldschmiede zur Verarbeitung gegeben.
Der römische Outsbetrieb. 7
zeit eine Rückkehr von einer mehr geldwirtschaftlichen Art der Be-
dürfnisbefriedigung zur vorwiegenden Naturalwirtschaft stattgefunden
hat", wird einfach „dahingestellt."^)
Jedenfalls ist Büchers Darstellung in dieser mehr historischen Unter-
suchung doch von dem dogmatischen Schematismus seines Hauptwerkes
frei. Unter dem Einfluss der Polemik ist gleicherweise der Ton und die
Ausdrucksweise auch in dem von Bücher verfassten Artikel Gewerbe in
dem Hmidwörterbuch der Staatsm^senschaften^) vielfach moderiert. All-
zu schroffe, generelle Behauptungen sind hier vermieden und der kultur-
historischen Entwickelung des Altertums Rechnung getragen.
Auch Büchers eigene Anhänger geben zu, „dass seine Typen häufig
den Dienst versagen, dass er das Bewusstsein davon manchmal zu ver-
lieren scheint, dass verschiedene Formen zeitlich neben einander bestehen
konnten".'^) H. Francotte hat nachgewiesen, dass nicht die Hauswirt-
schaft, sondern die Stadtwirtschaft in der Blütezeit der Griechen die
vorherrschende gewesen ist.^) Dass die römische Kaiserzeit mehrere Kenn-
zeichen der ausgebildeten Volkswirtschaft aufzuweisen hat, kann trotz
der Widersprüche von Bücher*) kaum geleugnet werden.
Die Behauptung, dass die antike Wirtschaft über die Stufe der ge-
schlossenen Hauswirtschaft wesentlich nicht hinausgekommen sei, dürfte
wohl jetzt allgemein auch von Bücherscher Seite aufgegeben sein. Nur
darauf wird immer noch bestanden, dass da, wo im Altertum die
Sklavenwirtschaft vorherrschte, Produktion und Konsumtion im
Rahmen der geschlossenen Hauswirtschaft vor sich gingen.^')
Die Frage nach der Bedeutung und Ausbreitung der geschlossenen
Hauswirtschaft im klassischen Altertum steht also — um auf den Ge-
dankengang der Verfechter der Rodbertusschen Oikenwirtschaftstheorie
einzugehen — im engsten Zusammenhange mit der Frage nach der Be-
deutung und Ausbreitung der Sklaverei. Nun steht es fest, dass die
Sklaverei im ganzen Orient niemals eine grössere Bedeutung gewonnen
hat.^) In Griechenland und dann in den hellenistischen Staaten war die
1) a. 0. S. 198.
2) 2. Aufl. Band IV, (1900).
3) L. M. Hartmann in der Zeitschrift für Sozial- und WirtschaftsgeschicIUc, IV
(1896) S. 158.
4) II. Francotte: Vindustrie dans la Grhce ancienne I, 289.
5) Entst, d. Volksw., 3. Aufl. Anhang S. 449.
6) Vgl. den oben S. 5 zitierten Ausspruch von Bücher in der zweiten Auflage
seines Werkes. Dem entsprechend sagt W. Lexis in Handwörterbuch der Staatswissen-
Schäften^ 2. Aufl., Art. Naturalwirtscluift , B. V S. 964: „Auch die antike Sklaven-
wirtschaft der späteren Zeit hatte noch den Charakter der von Rodbertus sogenannten
„Oiken Wirtschaft'* und behält noch eine starke Beimischung des naturalwirtschaftlichcn
Elements, wenn die mit gewerblichen Arbeiten für den Markt beschäftigten Sklaven
aus den Erträgen der Landwirtschaft des Besitzers unterhalten werden."
7) Ed. Meyer, Die Sklaverei im Altertum y Dresden 1898, S. 26. In Ägypten,
auch in der römischen Zeit, herrschte die freie Arbeit vor, U. Wilcken, Ostraka^ I, 703.
8 H, Gummerus,
Zahl der Sklaven zwar bei weitem grösser, aber auch hier vermochte die
unfreie Arbeit nie die freie Arbeit in erheblicherem Masse zu verdrängen,
weder auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen noch der gewerblichen
Produktion. Erst bei den Römern finden wir den Sklavenbetrieb als die
vorherrschende Produktionsform. In Italien haben nach dem hanni-
balischen Kriege aus bekannten Ursachen die Bauernhöfe grossenteils vor
dem gewaltig anschwellenden, mit Sklaven bewirtschafteten Grossgrund-
besitz weichen müssen. Die Sklavenwirtschaft konnte um so rascher
emporkommen, weil die nur schwach entwickelte Industrie, welche in den
italischen Städten niemals zu derselben Bedeutung wie im Orient und in
den griechischen Städten gelangt ist, der freien Arbeit nur geringe Stütze
gewährte. Mit Recit bezeichnet Ed. Meyer das erste Jahrhundert
V. Chr. als den Höhepunkt der antiken Sklaverei. „Damals sind die Zu-
stände zu voller Entwickelung gelangt, welche die populäre Auffassung
als typisch für das gesamte Altertum betrachtet. Da treten neben die
agrikole Sklaverei die gewaltigen Sklavenscharen des Hauses, die teils
zu persönlicher Bedienung verwendet, teils mit raffinierter Arbeitsteilung
für alle möglichen Aufgaben der Hausindustrie verwertet werden. Da-
mals konnten die Haushalte von ungeheueren Dimensionen entstellen, die
so ziemlich ihren ganzen Bedarf an Lebensmitteln wie an Fabrikaten
selbst beschafften".')
Es ist klar, dass solche Zustände für die Entwickelung oder, richtiger
gesagt, das Wiederaufleben und die weitere Ausbildung der geschlossenen
Hauswirtschaft der primitiven Zeit den denkbar günstigsten Boden bilden
mussten. In diesen Zuständen fand auch Rodbertus und nach ihm Bücher
für seine Theorie die beste Stütze. Die allbekannten Geschichten von den
riesigen Sklavenherden der römischen Magnaten, die Tatsache, dass sich
unter ihren Hausleuten auch Handwerker von verschiedenen Berufen be-
fanden,-) Aussprüche wie der oft zitierte bei Petronius über den reichen
Emporkömmling Trimalchio: 7iec est quod putes illmn quicqttam entere,
omnia domi nascuntur^) — alles schien darauf zu deuten, dass in dieser
Zeit die „Autarkie des Oikos" zu ihrer höchsten Ausbildung ge-
kommen war.*)
Am reinsten musste die Oikenwirtschaft natürlich auf dem Lande,
auf den Villen und Plantagen der Grossgrundbesitzer zum Vorschein
kommen. Wir stellen uns gern ein römisches Herrengut als ein kleines,
in sich geschlossenes, alle seine Bedürfnisse durch Eigenproduktion be-
1) Die Sklaverei im Altertum j S. 46.
2) J. Marquardt, Das Privatlehen der Bömer, S. 156.
8) Petron. Satir. 38.
4) „Jeder grosse Haushalt — sagt 0. Seeck io seiner GeschiclUe des Untergangs
der antiken Welt, 2. Aufl. I, 333 — besass unter den Tausenden von Sklaven, die er be-
schäftigte auch Weber, Schneider, Schuster und jede andere Art von Handwerkern,
die fUr die Bedürfnisse der Herrschaft und ihrer Mitsklaven arbeiten mussten."
Der römische GuLsbetrich, 9
friedigendes Gemeinwesen vor. Ein Teil der familia rufitica besorgt als
Feldarbeiter die Urproduktion, ein anderer Teil, die Handwerker, ver-
arbeitet die erzeugten Rohstoffe zu allerlei Bedarfsartikeln. „Auf jedem
grösseren Landgut — so schildert die Zustände Bücher^) — ist ein Ver-
walter und ein Unterverwalter mit einem Stab von Aufsehern und Werk-
meistern, welche über eine ansehnliche Schar von Feld- und Weinbergs-
arbeitern, Hirten und Viehwärtem, Küchen- und Hausgesinde, Spinnerinnen,
Webern und Weberinnen, Walkern, Schneidern, Zimmerleuten, Schreinern,
Schmieden, Arbeitern zum Betrieb der landwirtschaftlichen Nebengewerbe
gebieten". Der Grundeigentümer, sagt Bücher, ist der Produzent schlecht-
hin, 2) weil er alle Konsumtionsartikel durch eigene Hausleute beschaffen
lässt. Die Autarkie des Oikos besteht somit, trotz der hochentwickelten
Kultur, der verfeinerten Lebensbedürfnisse der Zeit, mit Hilfe der Sklaven-
arbeit, die innerhalb des Haushaltes eine fast unbegrenzte Arbeitsteilung
ermöglicht, unversehrt fort. —
Viele Züge in diesem Gemälde finden in der Tat in den Quellen ihre
Bestätigung. Nun fragt es sich aber: dürfen wir diese Zustände als
etwas für das römische Wirtschaftsleben Typisches betrachten? Denn
auf das Typische kommt es in der Wirtschaftsgeschichte doch haupt-
sächlich aus. Die wirtschaftliche Entwickelung eines Volkes darf nicht
nach den Lebensgewohnheitep einiger weniger reichen Magnatenfamüien
beurteilt werden. Zweitens gilt es zu untersuchen, inwiefern man in
diesen Verhältnissen eine geschichtliche Entwickelung beobachten kann.
Gelingt es diese Entwickelung klarzulegen, so gewinnen wir für die Be-
urteilung der antiken Wirtschaft überhaupt einen nicht zu unterschätzen-
den Masstab. Denn, wie gesagt, in den landwirtschaftlichen Sklaven-
betrieben bei den Römern hatte die geschlossene Hauswirtschaft einen
günstigeren Nährboden als sonst irgendwo im Altertum. Die Ausbreitung
und der Grad der Vollkommenheit, welchen dieses System der Güter-
versorgung hier erreichte, muss also als das Maximum, über das man
im Altertum nicht hinausgekommen ist, betrachtet werden.
Der erste, der es unternommen hat, die immer fortschreitende wirt-
schaftliche Isolierung des römischen Gutsbetriebes darzustellen, ist
Max Weber in seiner Bönmchen Agrargeschichte,^) Nach einer kurzen,
1) Entst. d. Volksw., S. 118.
2) Handw. d, Staatsw., IV S. 365.
3) Max Weber, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung fikr das Staats-
und Frivatrecht. Stuttgart 1891. Besonders Kap. IV : Die rönUsehe Landwirtsehaft und
die Grundherrschaften der Kaiserseit, S. 220—278. — Eine kune ZnuBmineiifiMiiing
seiner Ansichten gibt er in dem Artikel Agrargeschichte im ersten Bftnde dm Hmi
Wörterbuchs der Staatswissenschaften, 2. Aufl. Das Leben auf einer gronea. fSadi
ViUa schildert Weber anschaulich in dem Vortrage: Die mmMm Gf
gangs der antiken Kultur^ pnblisiert in der ZeitechrUI Die If
S. 57—77.
10 H, Oummerus,
aber sehr instruktiven Daxstellung der römischen Landwirtschaft, wie
sie bei den Agrarschriftstellem geschildert ist, wird das Verhältnis
zwischen Gross- und Kleinwirtschaft erörtert. Klar und bündig werden
die Ursachen, welche den Grossgrundbesitzer veranlassten, grössere
oder kleinere Teile des Gutes parzellenweise zu verpachten, dargestellt.
Die prekäre Stellung der Kleinpächter, eoloni, wird treflfend charak-
terisiert.
Mit dem Abschnitte : Die ländlichen Arbeiter (S. 236 ff.) kommt Weber
auf die Frage zu sprechen, die uns hier zunächst interessiert: die Be-
wirtschaftung des unter der eigenen Regie des Gutsherrn befindlichen
Areals. Sehr richtig wird auf Grund der Aussprüche bei Cato, Varro
und Coluraella nachgewiesen, dass der Besitzer sein Gut nicht ausschliess-
lich mit Sklaven bewirtschaften konnte. Besonders in der Erntezeit
konnte man freie Arbeiter nicht entbehren. Teils vergab man die ganze
Ernte — vornehmlich die Wein- und Ölernte — an Unternehmer, re-
demptores, teils mietete der Grundherr auf eigene Rechnung die erforder-
lichen Tagelöhner, operarii. Dennoch war man gezwungen eine grössere
Zahl von Sklaven zu halten, als man zu jeder Jahreszeit mit den laufen-
den landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigen konnte. Dieser Umstand,
sagt Weber (S. 240), steigerte die Tendenz, „tunlichst alle Bedürfnisse
im eigenen Betriebe herzustellen und die Produkte marktfertig selbst her-
zustellen, da auf diese Weise die sonst überschüssigen Arbeitskräfte in
den übrigen Monaten verwertet werden konnten". In dem auf jedem
grösseren Gute befindlichen ergastulum sieht Weber eine Werkstatt, wo
verschiedene Handwerksarbeiten von den gefesselten Sklaven verrichtet
wurden. Daneben begann man immer allgemeiner auf den Gütern eigene
Handwerkssklaven zu halten. Ganz kurz — und nicht ohne Irrtümer —
wird angedeutet, wie man diese fortschreitende Entwickelung bei den
Agrarschriftstellem beobachten kann.
„Allein — fährt Weber fort (S. 243) — dem eigentlichen Bedürfnis
nach Erntearbeitern war doch auch dadurch nicht abgeholfen. Denn
diese gewissermassen industrielle Entwickelung forderte, sollte sie nicht
mit Verlusten verknüpft sein, handwerksmässig ausgebildete Sklaven, wie
wir sie in der Kaiserzeit auch finden, dagegen war jenes rein landwirt-
schaftliche Bedürfnis auf billige ländliche Arbeitskräfte gerichtet". Im
Anfang der Kaiserzeit, wo der bisherige ständige Zufluss von Kauf-
sklaven infolge der allgemeinen Pazifizierung stockte, wurde der Arbeiter-
mangel besonders akut. Diese Krisis hatte, meint Weber (S. 244), die
Folge, dass die Kleinpächter, die Kolonen, zur Ergänzung der fehlenden
Arbeitskräfte bei der Enite mit Hand- und Spanndiensten herangezogen
wurden. Die bekannte Columellastelle:*) avarius opus ex'igat (sc. domi-
nus a colonls) quam pensiones und die Tatsache, dass in Afrika die
1) Colum. I, 7, 1.
Der römische Ouisbetrieh, 11
Kolonen zu einer gewissen Zahl von Hand- und Spanndiensten, operae
et iuga, verpflichtet waren, werden für diese Vermutung als Stützen an-
geführt. So wurde in der „Organisation in Gutswirtschaften mit frohn-
denden Kolonen" eine „angemessene Lösung der ländlichen Arbeiterfrage"
gefunden (S. 247). — Die rechtliche Stellung der Kolonen der Kaiserzeit
wird dann eingehend besprochen.
Am Schluss der Darstellung (S. 272 ff.) schildert Weber die weiteren
Schicksale des ländlichen Arbeiterstandes. Die Arbeitsteilung auf dem
Gutshofe schreitet fort. Die Sklaven werden bei Columella nach den
officia, den Arten der Arbeitsleistungen gegliedert. „Noch schärfer
musste die Scheidung werden, als man auf den grösseren Gütern eigne
Handwerker zu organisieren begann." Die ländlichen Arbeiterabteilungen,
officia, wurden von den Handwerkerabteilungen, artifida, scharf ge-
schieden. Die gutsherrlichen Werkstätten begannen für den Markt zu
produzieren. „Die Autarkie der Grundherrschaften" wurde das Resultat
dieser Entwickelung.
Webers bleibendes Verdienst ist, dass er zuerst die landwirtschaft-
lichen Schriftsteller ftir die römische Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
in ausgiebigerer Weise herangezogen hat, zweitens, dass er in seiner Dar-
stellung die historische Entwickelung stets im Auge behält. — Das
letztere gilt auch in gewissem Masse von den betreffenden Abschnitten
in M. Voigts Römischen Privataltertümeni}) Doch verfährt Voigt in
der Benutzung der reichlich herangezogenen Quellenzitate allzu schema-
tisch, ohne die Beweiskraft der einzelnen Stellen in hinreichender Weise
zu prüfen. — In Marquardts Handbuch'^) findet man ebenfalls eine Menge
wertvoller Notizen gesammelt, die jedoch ohne wahres historisches Ver-
ständnis zusammengetragen sind.
An einer Spezialuntersuchung über die oben angedeutete Frage fehlt
es bis jetzt. In den älteren und neueren Darstellungen der antiken Land-
wirtschaft ist der wirtschaftsgeschichtliche Gesichtspunkt nur wenig be-
achtet. Die rechtliche und politische Entwickelung der römischen Grund-
herrschaften ist durch eine ganze Reihe tüchtiger sowohl juristischer
als histoiischer Arbeiten auf Grund der neuesten Inschriftenfunde be-
leuchtet worden, 5) aber da diese Arbeiten die wirtschaftliche Entwicke-
lung nur nebensächlich berühren, können sie über unseren Gegenstand
keine genügende Belehrung geben. Der allgemeine Gang der Ent-
wickelung: die allmähliche Abschliessung des römischen Gutsbetriebes
nach aussen und seine immer deutlicher hervortretende innere wirtschaft-
1) MuUers Handbuch lY, 2, 2. Aufl. 1893.
2) J. Marquardt, Dca Privatleben der Bömer, 2. Aufl. von A. Mau, 1886.
3) Als zwei von den wichtigsten sind lu nennen die bekannten Arbeiten von
A. Schulten, Die römischen Grundherrschaften, Weimar 1896, und E. Beaudouin, Lee
grands domaines dans Pempire ramain dapria des travaux rieentSf Paris 1899.
12 H, Gummerus,
liehe Selbstgenüge steht zwar in seinen grossen Umrissen fest. Aber wie
sich diese Entwickelung im einzelnen vollzogen hat, namentlich wie
sich der Gutsbetrieb von der städtischen Industrie und der Waren-
zirkulation allmählich losgelöst hat, darüber sind wir noch sehr im
Unklaren.
Eine Untersuchung über diese Fragen hat zweierlei zu beobachteiL
ens gilt es darzulegen, inwieweit in den römischen Gutsbetrieben die
neu Arbeitskräfte für die landwirtschaftliche Urproduktion ausreichten,
und, wo dies nicht der Fall war, in welchem Umfange auswärtige Ar-
beiter herangezogen wurden. Zweitens fragt es sich, ob die für den Guts-
betrieb erforderlichen Konsumtionsgüter, namentlich diejenigen, die durch
Stoffumwandlung und Stoffveredelung herzustellen waren, durch die eigenen
Sklaven des Gutsherrn allein, oder daneben auch durch fremde Arbeits-
kräfte produziert wurden. Und zwar gilt es klarzulegen, ob das letztere
in der Form des Lohnwerks geschah, indem der Gutsherr die betreffenden
Gebrauchsgüter aus eigenem, selbstproduziertem oder gekauftem Rohstoff
durch fremde Handwerker verfertigen liess, oder ob er fertige Waren
von den Handwerkern, Fabrikanten oder Händleni kaufte. Es wird sich
somit zeigen, ob der römische Grundeigentümer wirklich, wie Bücher
meint, „der Produzent schlechthin" war. Der römische Grossbetrieb ruhte
von Anfang an auf der Sklavenarbeit. Bestätigt sich die Auffassung der
Bücherschen Schule, welche die Sklavenarbeit als ein Mittel zur Auf-
rechterhaltung der auf früheren Kulturstufen waltenden geschlossenen
Hauswirtschaft betrachtet?
Als Hauptquellen für die Beantwortung dieser Fragen bieten sich
in erster Linie die lateinischen Agrarschriftsteller, dann auch die Juristen
und die Inschriften dar. Vereinzelte Notizen finden sich natürlich über
das ganze Gebiet der römischen Literatur zerstreut.
Zu einer derartigen Untersuchung will vorliegende Abhandlung eine
Vorarbeit sein. Es schien dem Verfasser zweckmässig, die Agrarschrift-
steller einer eingehenden Spezialanalyse zu unterwerfen, bevor auf die
Frage in ihrem ganzen Umfange eingegangen wird. Der Umstand, dass
diese Schriftsteller von dem einheitlichen, durch keine fremden Rück-
sichten getrübten Gesichtspunkte des Fachmannes aus die Dinge be-
trachten, gibt ihren Angaben eine erhöhte Zuverlässigkeit. Man könnte
dagegen einwenden, dass die scriptores rei ruMicae sich nur teilweise auf
persönliche, praktische Erfahrung stützen, dass sie öfters ihre Vorgänger
ziemlich unkritisch ausschreiben, und dass ihre Arbeiten deshalb als
historische Quellen nur mit Vorsicht benutzt werden dürfen. Allein diese
Unselbständigkeit macht sich hauptsächlich nur in technischen Detail-
fragen bemerkbar. Mag der einzelne Schriftsteller in solchen Fragen von
seinen Vorgängern noch so abhängig sein — wo er in seiner Darstellung
die allgemeinen ökonomischen Voraussetzungen der Landwirtschaft be-
rührt, da muss er unter dem Einfluss von dem stehen, was er selbst mit
Der römische Gutsbetrieb. 13
eigenen Augen gesehen hat, von den Verhältnissen, unter welchen er lebt.
Es wird die Aufgabe unserer Untersuchung sein, das Bild, welches jeder
Verfasser sich von der Wirtschaftsorganisation eines römischen Guts-
betriebes macht und welches er bei der Abfassung seiner Arbeit bewusst
oder unbewusst vor Augen hat, zu rekonstruieren.
Daraus ergiebt sich auch die Methode der Untersuchung. Jeder
einzelne von den Agrarschriftstellem muss für sich behandelt werden.
Zuerst haben wir den allgemeinen Charakter seines Werkes, den
Grad seiner Glaubwürdigkeit, seine Quellen und die Art und Weise,
wie er sie benutzt hat, festzustellen, um für die Beurteilung der
von ihm mitgeteilten Tatsachen den richtigen Masstab zu finden. Der
Masstab wird für jeden einzelnen Verfasser ein verschiedener sein.
Aus diesen Tatsachen haben wir dann das gesuchte Bild zusammen-
zustellen.
Die Einteilung der Untersuchung nach den einzelnen behandelten
Autoren könnte weniger zweckmässig scheinen, da sie in der Darstellung
Wiederholungen notwendig macht. Dieser Nachteil wird jedoch reichlich
dadurch aufgewogen, dass wir den historischen Entwickelungsgang besser
beobachten können. Bei jedem Schriftsteller gewinnen wir sozusagen
einen Querschnitt der Entwickelung.
Der erste unter den römischen Agrarschriftstellem ist bekanntlich
der alte M. Porcius Cato, der sein Buch de agri cultura — zugleich die
älteste uns erhaltene lateinische Prosaschrift — gegen die Mitte des
zweiten Jahrhunderts v. Chr. verfasst hat. Dieses Werk gewährt uns
einen Einblick in die Wirtschaftsorganisation eines römischen Landgutes
mittlerer Grösse gerade in der Zeit, wo der Gross- und Sklavenbetrieb
in Italien einen bedeutenden Aufschwung genommen hat. In M. Terentius
Varros rerum rusticarum lihri tres spiegeln sich die Zustände der aus-
gehenden Republik, in L. Junius Moderatus Columellas rei rusticae Ixbri
diwdecim diejenigen der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. ab. Auf
diese drei Schriftsteller wird sich unsere Untersuchung beschränken.
Der letzte in der Reihe der scriptores rei rusticae, Palladius, eignet sich
für sie weniger, teils weil dieser Verfasser in hohem Masse unselbständig
ist und seine Vorgänger sklavisch kompiliert, teils und hauptsächlich,
weil er in einer Zeit schrieb — im vierten Jahrhundert n. Chr. — wo
sich die Verhältnisse der späteren Republik und der früheren Kaiserzeit,
wie sie bei Varro und Columella zum Vorschein kommen, gänzlich ver-
schoben hatten. Um Palladius' Werk richtig aufzufassen, müsste man
die eigentümliche Entwickelung, die die Agrarzustände in dem Zeiträume
von 300 Jahren, welcher diesen Schriftsteller von Columella scheidet, erst
klarlegen, eine Aufgabe, die ausserhalb des Rahmens vorliegender Ab-
handlung liegt.
Eine sichere Unterlage für unsere Untersuchung, soweit sie Catos
und Varros Arbeiten berührt, bietet H. Keils grosse kritische Ausgabe
14 H. Gummer US.
mit Kommentar und Indices. Einen weiteren Fortschritt bezeichnet die
kleine Teubnersche Textausgabe, wo Keils im Kommentar vorgeschlagenen
Emendationen in grösserem Umfange als in der grossen Ausgabe beachtet
worden sind. Was Columella betrifft, so müssen wir uns leider immer
noch mit der alten Schneider'schen Ausgabe begnügen, da von der
neuen lange erwarteten kritischen Edition von W. Lundström bis
jetzt nur wenige vereinzelte Bücher erschienen sind.
Kap. I.
Der römische Gutsbetrieb nach Cato.
Catos Schrift de agri cultura^) ist nicht ein systematisches Lehr-
buch der Landwirtschaft, sondern eine ziemlich ungeordnete Sammlung
von Vorschriften über verschiedene mit der Landwirtschaft in Verbindung
stehende Gegenstände. Da ausserdem die Sprache des uns erhaltenen
Textes viele Ungleichmässigkeiten aufzuweisen hat, stellte schon Gesner
die Hypothese auf, dass die Schrift, die wir besitzen, nicht direkt von
Cato herrühre, sondern eine spätere Umarbeitung des ursprünglichen
Originals sei. Diese Hypothese ist von den meisten späteren Heraus-
gebern und Interpreten angenommen worden und hat durch H. Keil*) ihre
wissenschaftliche Begründung erhalten. P. Weise') hat sogar den Ver-
such gemacht, die späteren Zusätze aus unserem Text auszusondern und
die alte Reihenfolge der Kapital wiederherzustellen. Seine kühnen, oft
scharfsinnigen Kombinationen ruhen jedoch auf zu lockerem Grunde, um
zu sicheren Resultaten führen zu können. Max Ihm, der dies dargetan
hat,*) spricht für seinen Teil die Vermutung aus, dass Catos Schrift in
ihrer jetzigen Gestalt aus ungleichartigen, vielfach modifizierten Exzerpten,
Fragmenten und Zitaten von einem unbekannten Kompilator zusammen-
gestellt worden ist.
Indessen hatte schon R. Klotz ^) darzulegen versucht, dass nichts
im Wege steht, unseren Text als Original anzusehen, und seine Ansicht
gewinnt in neuerer Zeit wieder Anhänger.*) Die lockere Anordnung des
1) Der früher allgemein angenommene Titel de re rustica wird jetzt wieder toh-
Haoler verteidigt.
2) H Keil, Observationes critieae in CaUmem et Varranem, Halia 1849, S. 65£
3) P. Weiae, Quaestümum CaUmiarum capüa V. Gottingae 1886, S. 171.
4) In seiner Besprechung von Weises Dissertation im Philoh Afueiger XVII
(1887) S.585.
5) R. Klotz, Über Ckitos Schrift de re mstica in Neue Jahrbücher f(kr Philologie
und Pädagogik, X. Supplementband (1844) 8. 5—78.
6) L. Dietze: De sermone CatonianOf Anklam 1870, 8.4; O. Sehoendoerffer: De
genuina Catonie de agri euUura Ubri forma, Königsberg 1BB&\ besonders aber £. Haoler:
Zu Caios Schrift ikber daa Landweim^ Wien 189«.
16 H, OummeruSy
Materials und die vielen Wiederholungen werden, sagt man, verständlich,
wenn wir die Schrift als ein „Wirtschafts- und Notizbuch" betrachten,
„das, vielleicht ursprünglich gar nicht zur Herausgabe bestimmt, jeden-
falls aber vom Verfasser allmählich zusammengetragen und in der letzten
Form nicht mehr durchgesehen, unter die Leute kam."^) Die Ab-
weichungen unserer Überlieferung von der ursprünglichen Sprachform,
auf welche namentlich Weise baut, lassen sich leicht durch häufiges
Abschreiben und die Angleichung an die lebende Sprache erklären (Hauler).
Die Zitate bei späteren Schriftstellern stimmen in den meisten Fällen
mit dem jetzigen Texte des Schriftchens überein. Wörtliche Ab-
weichungen erklären sich durch die ungenaue Zitierweise der Alten. Die
wenig zahlreichen Zitate landwirtschaftlichen Inhalts, welche wir im
liher de agri cultura nicht wiederfinden, können aus anderen uns nicht
erhaltenen catonischen Werken entlehnt sein. Dass das Buch in seiner
gegenwärtigen ungeordneten Gestalt schon den Alten vorlag, zeigen
ausserdem direkte Aussagen von Plinius und Plutarch.-)
Die Notizbuch-Hypothese hat gegenüber der Exzerpten-Hypothese den
Vorzug, dass sie die überaus lose Anordnung des Stoffes, besonders in der
zweiten Hälfte des Buches, in genügender Weise erklärt. Offenbar hat
Cato während seines langen Lebens Aufzeichnungen gemacht, welche er,
wenn er einmal zur Abfassung des Buches schritt, als Material benutzen
wollte. Aber ehe er dieses Material gesichtet und geordnet hatte, ereilte
ihn der Tod. Nur den Anfang des Werkes hatte er einigermassen aus-
gearbeitet. Aus seinem Nachlass ist dann das unvollendete Werk ver-
öffentlicht worden, mit grosser Pietät, aber mit wenig literarischem Ge-
schick. Steckte doch die römische Prosaliteratur noch in ihren Anfängen.
Nimmt man dagegen an, dass die Schrift in ihrer jetzigen Gestalt
aus Fragmenten der ursprünglichen vollständigen Redaktion zusammen-
gestellt ist, wie soll man dann diese Zertrümmerung erklären? Die
Zitate bei Varro, Columella, Plinius und anderen Schriftstellern zeigen,
wie gesagt, dass schon die Alten aus dem Buche nicht mehr herauslasen,
als wir es tun. Die Zertrümmerung der Schrift muss also, wenn über-
haupt jemals, spätestens ein Jahrhundert nach dem Tode des Verfassers
stattgefunden haben. Aber vergeblich fragt man nach Gründen, weshalb
dieses in der beginnenden Blütezeit der römischen Literatur viel gelesene
Buch ein solches Schicksal gerade damals getroffen habe. Aus Fragmenten
ist das Buch zweifellos entstanden, aber diese Fragmente — so müssen
wir glauben — stammen von Catos eigener Hand. Ihms scharfsinniger Nach-
weis, wie der angebliche Kompilator durch einzelne Worte und neben-
säcliliche Äusserungen in den ihm vorliegenden Fragmenten veranlasst
1) Hauler a. O. S. 6, vgl. Klotz u. 0. S. 18. — Schou Gesncr, Praefatio p. XXV,
vermutete, dass Cato ut quidquid ^isti venu aut mefnoriam suhiit, ita in chartam subieciL
2) Hauler a. 0. S. 5 u. 7.
Der römische Outsbetrieh. 17
werden konnte, inhaltlich ganz heterogene Bruchstücke zu verbinden, hat
seine Gültigkeit auch für den ursprünglichen Redaktor des catonischen
Nachlasses.
Unter allen Umständen steht es fest, dass die Schrift de agri cultura
— mag sie als Original oder nur in Exzerpten vorliegen — von Cato selbst
herrührt. Von späteren erheblicheren Zusätzen kann schwerlich die Rede
sein. Sie muss also für die Beurteilung der volkswirtschaftlichen Verhält-
nisse im zweiten Jahrhundert v. Chr. einen sehr hohen Wert besitzen.
Dieser Wert wird dadurch noch erhöht, dass Cato sich offenbar fast
ausschliesslich auf die eigene Erfahrung oder auf mündliche Mitteilungen
seiner Zeitgenossen stützt. Zwar beruft er sich einmal*) auf einen ge-
wissen Manius Percennius aus Nola und dreimal') auf L. Manlius, aber
allem Anschein nach waren diese keine literarischen Gewährsmänner,
sondern praktische Landwirte aus Campanien, auf deren Erfahrungen
Cato Bezug nimmt.')
Geographisch ist Catos Erfahrungskreis auf Mittel- und Süditalien
beschränkt. K. W. Nitzsch*) glaubte sogar dartun zu können, dass Cato
ein bestimmtes Gut im Auge gehabt habe, dessen Besitzer der eben ge-
nannte L. Manlius gewesen wäre. Dieses Besitztum habe aus drei Teilen
bestanden. Den ersten Teil bildeten die zwei Haupthöfe, die auf ager
2)rivatm lagen: eine Olivenpflanzung von 240 iitgera (60 Hektaren) im
Gebiete von Venafrum und eine Weinpflanzung von 100 iugera (25 Hek-
taren) in der Nähe von Casinum. Den zweiten Teil bildete das Getreide-
land, von Pächtern bestellt, den dritten ein grosses Stück ager puAlicus,
das wahrscheinlich zwischen der Wein- und der Olivenplantage lag und
als Weideland benutzt wurde.
In der Tat lässt es sich nicht leugnen, dass Cato vielfach seine Vor-
schriften für ein räumlich bestimmtes Gut zu geben scheint. So be-
rechnet er die Transportkosten für eine im Suessanischen oder in Pompeji
gekaufte Oliveuquetschmaschine, trapetm, offenbar von einem bestimmten
Punkte aus.*) Dass dieser Punkt gerade der c. 144,2 und 145,2 ge-
nannte fundus L. Manli war, dass dieses Gut bei Venafrum lag/) und
1) c. 151, 1 Senien cupressi quo modo legi seri propagarique oporteat . . . Manius
Percennius Nolanus ad hunc modum monstravit.
2) c. 144, 2 ex fundo L. Manli; — arbitratu L, Manli. c. 145, 2 de fundo L.
Manli, c. 152 De scopis virgeis q(uem) a{d) tn(odum) Manlii manstraverunt. Der Plaral
deutet vielleicht auf einen älteren und einen jüngeren L. Manlius, wie Sasemaey pater
et filius, Varro r. r. I, 2, 22.
3) P. Reuther, De Catonis de agri cuUura libri vesiigiis apud Graecos, Lipsiae
1903, S. 46 fi. sucht nachzuweisen, dass Cato griechische Quellen benutzt hat. Seine
Beweisführung wirkt jedoch wenig überzeugend.
4) K. W. Nitzsch : Über Catos Buch vom Landbau, Zeitschrift für die Altertums-
wissenschaft 111 (1845) No. 62—64.
5) c. 22, 3.
6) c. 146, 1 in fundo Venafro, vgl. c. 136 in agro Casinate et Venafro, Die Ent-
fernung von Venafrum bis Suessa Aurunca ist ungefähr '/, der Entfernung von Vena-
Oammerns, Der römiaehe Gntobetrieb. 2
18 ff. Qummerus,
dass es mit dem im c. 10 beschriebenen olivetum von 240 iicgera identisch
ist, ist jedenfalls sehr wahrscheinlich. Nicht unmöglich ist auch, dass
wir uns die im c. 11 beschriebene vinea von 100 iugera als ein be-
stimmtes Weingut in der Nähe von Casinum zu denken haben. ^)
Dagegen ist es sehr ungewiss, ob diese zwei Mustergüter mit irgend-
welchen dazwischen liegenden Gebieten eine einzige zusammenhängende
Besitzung bildeten. Nitzsch' Ansicht, dass das im c. 136 besprochene
Getreideland, das einem politor zui: Bestellung überliefert wird, und das
Weideland, von dessen Verpachtung im Winter an fremde Herdenbesitzer
in c. 149 die Rede ist, Teile jenes grossen Gutsbesitzes waren, ist nur
eine unbegründete, wenn auch anregende Hypothese.
Wie dem auch sei — ganz unmöglich ist es, dass Cato alle seine
Vorschriften auf ein einziges bestimmtes Gut bezöge. Der Abschnitt
c. 6 — 9, wo der für die verschiedenen Kulturen am meisten geeignete
Boden — nicht etwa, wie Nitzsch meint, „die Verteilung des Landes
zu den verschiedenen Kulturen" — kurz besprochen wird, ist ganz all-
gemein gehalten und kann nicht leicht auf ein einziges Gut bezogen
werden. 2)
Nur soviel darf behauptet werden, dass Cato überall, wo er nicht
über technische Details, sondern über den Gutsbetrieb im allgemeinen
Vorschriften gibt, eben jene zwei Musterplantagen, das olivetum im c. 10
und die vinea im c. 11 im Auge hat. Das beweist u. a. die ganze Dar-
stellung in c. 1 — 3, welche über den Ankauf des Gutes, seine Inspizierung
durch den Besitzer und die Anwendung der ersten Wirtschaftsjahre
handeln. Der Käufer soll, heisst es c. 1, 4, sich merken, vasa torcula
et dolia multane sient: ubi non erunt, scito pro ratione fructvm esse.
Also, der Ertrag des Gutes besteht hauptsächlich in Öl oder Wein. —
Wenn der dominus seine villa besucht, hat ihm der Verwalter, vilicusy
Eechenschaft abzulegen. Mit diesem soll man, heisst es c. 2, 5, ratianes
putare argentariam, frumentariam , pabuli causa quae parata sunt;
rationem vinariam, oleariam, quid venierit, quid exactum siet, quid reli-
quum siet, quid siet quod veneat Wein und Öl sind also hier die eigent-
lichen Verkaufsartikel, wogegen über das Getreide nur eine Art von
Kassenbuch-^) über den taglichen Verbrauch geführt wird. Ebenso stehen
unter den in § 7 aufgezählten Verkaufsgegenständen Öl und Wein obenan.
Getreide soll nur noch verkauft werden, wenn Überschüsse vorhanden
sind. — patrem familiae, heisst es weiter c. 3, 2, villam rusticam bene
aedificatam habere expedit, cellam oleariam, vinariam, dolia multa, uti
frum bis Pompeji. Diesem Verhältnis entspricht es ziemlich gut, dass die Transport-
kosten von Suessa auf 72 Sesterzen, die von Pompeji auf 280 Sesterzcn veranschlagt
werden.
1) S. Nitzsch a. 0. S. 494; 497.
2) Vgl. z. B. die Erwähnung des fundus »uburbanus c. 7, 1 ; 8, 2.
3) So M. Weber, Agrargeachichte S. 223 treffend.
Der römißche Outsbetrieh. 19
li4heat caritatem expectare. Man sieht, auf den Öl- und Weinkellern ruht
die ganze Ökonomie des Gutes. — Ähnliche Stellen Hessen sich zur Be-
stätigung der obigen Behauptung das ganze Buch hindurch aufweisen.
Wir sehen also, dass Cato den Wein- und Ölbau als den Schwer-
punkt der italischen Landwirtschaft betrachtet. Dem widerspricht nicht,
dass er an der berühmten Stelle, c. 1, 7, wo er die verschiedenen Kul-
turen nach ihrer Rentabilität klassifiziert, zwar dem Weinbau den ersten,
aber dem Ölbau nur den vierten Platz zuweist praedium, sagt er, quod
primum siet, si me rogabis, sie dicam: de omnibiis agris opümoque loco
iugera agri eentum, vinea est prima, <^i vino bondy vel si vino mtdto
est, sccundo loco hortus inrigutcs, tertio salidum, quarto oletum, quinto
pratum, sexto campuß frumentariiLS, sepümo silva caedtia, octaro arbustum,
nono glandaria silva. H. Nissen^) schliesst hieraus, dass der Ölbau in
Italien zu Catos Zeit noch nicht die Bedeutung hatte, die er später an-
erkanntermassen besass. Aber das heisst die Stelle falsch verstehen. Es
mag sein, dass in der Nähe der Stadt der Gartenbau ,^) auf sumpfigem
Boden die Weidenpflanzung'') eine höhere Bodenrente ergab als eine Oliven-
pflanzung des gleichen Areals — an wirtschaftlicher Bedeutung konnten
sich jene beiden Kulturarten mit dem Ölbau gar nicht messen. Der
Ölbau spielt bei Cato vielleicht eine noch grössere Rolle als der
Weinbau.*)
Mit der dominierenden Stellung, welche Cato dem Öl- und Weinbau
zuerkennt, ist auch die von vielen bezeugte Tatsache, dass der alte Poli-
tiker und Schriftsteller die Weidewirtschaft als die am besten sich
rentierende Kapitalanlage betrachtete,*) keineswegs unvereinbar. Hier
— in dem Buch über den Ackerbau — handelt es sich nicht um die
Weidewirtschaft, sondern um die Landwirtschaft im engeren Sinne, wie
sie von einer villa aus betrieben wird. Seiner Schätzung der relativen
Rentabilität verschiedener Arten von Bodenbenutzung legt Cato ausdrück-
lich ein Areal von nur 100 Morgen zu Grunde, was die Weidewirtschaft
von vornherein ausschüesst.
Neben dem Öl- und Weinbau hatten auf den catonischen Muster-
gütern die übrigen Kulturarten nur noch eine sekundäre Bedeutung.
Getreide und Futterkräuter wurden zwar auf diesen Gütern auch ge-
baut"), aber nur für den eigenen Bedarf.^) Zuchtvieh wurde auf dem
Gute selbstverständlich gehalten, schon der Düngung wegen, aber nur der
1) H. NiBseo, Italische Landeskunde II S. 92.
2) c. 8, 2 9ub urbe hortum omne genus,
8) c. 9.
4) Weber, a. 0. S. 224.
5) Cic. de off, U. 89, Colum. VI praef. 4. PUn. n. h. XVIU, 29.
6) Unter dem Gutsinventar werden im c. 10 u. 11 auch falces faenariae and
strameniariaA sowie ein labrum lupmarium genannt
7^ An Getreide wird vom Gute nur verkauft „was übrig bleibt" c. 2, 7. Vgl. oben S. 18.
2»
20 H. Oummerus,
Ertrag der auf dem Ölgute gehaltenen Schafherde von 100 Köpfen kam
für den Absatz in Betracht.^)
Dieser Umstand, dass der Wein- und Ölbau die Grundlage des Guts-
betriebes ist, wie er in Catos Buche hervortritt, entspricht den all-
gemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen des damaligen Italien. Wie die
geschichtliche Entwickelung seit der Mitte des dritten Jahrhunderts
V. Chr. und besonders nach dem hannibalischen Kriege einen allgemeinen
Eückgang des Getreidebaues in Italien und damit den Ruin der kleinen
Grundbesitzer verursachte, ist bekannt.-) Ausgedehnte, ehemals mit
Bauernhöfen besetzte Bodenflächen wurden in Weiden verwandelt, auf
welchen grosse Schaf- und Rinderherden gehalten wurden. Aber andere
Gegenden Hessen sich mit grösserem ökonomischem Gewinn intensiv be-
wirtschaften. Der Gartenbau in der nächsten Umgebung der grösseren
Städte konnte auch ohne grosses Kapital in kleinem Masstabe getrieben
werden — der Wein- und Olivenbau, wie etwas später die intensive
Wiesenkttltur, die einen grösseren Kapitalaufwand forderten, waren ohne-
hin der Grosswirtschaft überlassen, und hier Hess sich durch rücksichts-
lose Ausbeutung der Sklaven auf dem für Baumkultur sehr passenden
italischen Boden eine hohe Rente erzielen.-^) Allzu grosse Flächen konnte
man jedoch bei der intensiven Reben- und Olivenkultur nicht von einem
einzigen Gutshofe aus bewirtschaften. So erklärt sich auch die verhältnis-
mässig geringe Grösse der catonischen Musterwirtschaften.
Suchen wir jetzt die allgemeinen ökonomischen Grund-
sätze des catonischen Betriebssystems festzustellen.
Die Landwirtschaft ist für Cato lediglich eine Kapitalplazierung.
Er geht von der Voraussetzung aus, dass der i)atet' famiUas ein beliebiges
Gut zu kaufen beabsichtigt.*) Das Ziel seiner Ausführungen ist zu be-
lehren, wie sich aus dem angelegten Kapital die höchste Rente heraus-
wirtschaften lässt. Zu diesem Zwecke muss die vorhandene Bodenfläche
immer auf die ausgiebigste Weise ausgenutzt werden, je nach der Natur
des Bodens und der Lage des Gutes (c. 6 ff.). Dass Cato dabei vor einer
intensiven Bodenwirtschaft nicht zurückschreckt, geht schon daraus
hervor, dass er mit Hinsicht auf die RentabiHtät unter den verschiedenen
Kulturen dem Weinbau, wie wir sahen, die erste, dem Gartenbau die
zweite Stelle gibt.
1) c. 10, 1 oves C. Unter den Verkaufsartikeln c. 2, 7 : oves ddiculas, lanamy pelles.
Vgl. c. 150.
2) S. über diese Entwickelung die neueren Bearbeitungen, z. B. Mommen R, G.
8. Aufl. I, 839 fF., Weber, Ägrargesch. S. 230 ff.
3) „Italien tritt in die historische Überlieferung des flinften Jahrhunderts als
Kornland ein, um sich in ein Wein- und Olland umzuwandeln:" H. Nissen, Italische
Landeskunde, 1,450. Auch gegenwärtig nimmt der Weinstock 6, 3P/n, der ()lbaum
3, 04% der Gesamtfläche Italiens ein, a. 0. S. 455.
4) c. 1, 1 Praedium quom parare cogitabis, et q. s. Dasselbe gilt auch von den
übrigen scriptores rei rusticaey Weber, a. 0. S. 225.
Der römische Outshetrieh, 21
Da eine hohe Rente das Ziel der Wirtschaft ist, ist auch die ganze
Produktion auf den Absatz gerichtet. Aus allem soll möglichst viel Geld
gemacht werden. Die hauptsächlichen Verkaufsartikel sind natürlich
Wein und ÖV) daneben auch Getreide, quod supersit,^) Häute und Wolle,*)
Weidenruten und Holz*) u. s. w. Ja Cato verschmäht es nicht sogar das
verbrauchte Guteinventar, wozu mit bezeichnender Rücksichtelosigkeit
auch kränkliche, arbeiteunfähige Sklaven gerechnet werden,*) loszuschlagen.
Der Verkauf scheint gewöhnlich an Ort und Stelle stattgefunden zu haben.*)
Der Käufer hatte den Transport der gekauften Produkte selber zu be-
sorgen.')
Um eine hohe Rente zu erzielen, muss natürlich der Landwirt die
Produktion zu der grösstmöglichen Höhe hinauftreiben. Zu dem Zwecke
soll er die vorhandene Arbeitekraft auf das rücksichteloseste ausbeuten.
Immer aufs neue mahnt ihn Cato die Sklaven niemals unbeschäftigt zu
lassen. Wenn das Wetter die Feldarbeit nicht zulässt, soll er den
Knechten Hausarbeit zu verrichten geben.®) Das Verbot der Religion
während der Ferien zu arbeiten umgeht er, indem er für die Ferientage
solche Arbeiten vorschreibt, welche nicht ausdrücklich verboten waren.'**)
„Man soll bedenken, dass wenn nichte getan wird, die Wirtechaft nichte-
desto weniger Geld kostet ".^^)
Andrerseite aber strebt Cato danach die Produktionskosten auf ein
Minimum herabzudrücken. Er warnt vor allzu kostepieligen Inventarien :
videto, quam minimi instrumenti sumpttiosusque ager ne siet scito idem
agrum quod hommem, qimmvis quaestuosus siet, si sumptuosus erit, relin-
qui non multum,^^) Die Tagesrationen der Sklaven sollen vermindert
werden, so oft diese durch Erkrankung arbeiteunfähig sind.^-) Der junge
Landwirt soll sich hüten sich auf geldraubende Neubauten einzulassen,
bevor die Äcker in musterhaftem Stande sind,^0 u. s. w.
Ein Ausdruck für diese weit getriebene Sparsamkeit ist der be-
rühmte, von den Späteren immer von neuem wiederholte Grundsatz:
„viel verkaufen, wenig kaufen" , patrem familias vendacem, non emacem
1) c. 2,5; 7.148.
2) c. 2, 7.
3) c. 2, 7. 150.
4) c. 7, 1. 9. 38, 4.
5) c. 2, 7 plastrum vetus, ferramenUi velera^ servutn senenif scrvum tnorbosum.
Vgl. Plut. Cato maior 4, 5.
6) c. 2, 7 auciionem uti faciat (sc. pater familias).
7) Dies wird wenigstens für den Weinverkauf erwähnt: c. 148, 2 si ante tion de-
portaverit (sc. emptor vinum), dominus vino quid volet faciet.
8) c. 2, 3. 23, 1. 39, 1.
9) c. 2, 4. 138.
10) 39, 2 cogitatOf si nihil fiet, nihilo minus sumptum futurum.
11) c. 1,5 f.
12) c. 2,4.
13) c. 3, 1.
22 n, Gummerus,
esse oportet^) Dasselbe wird in einem anderen von Seneca zitierten
catonischen Ausspruche gesagt: emas non quod opus est, sed quod ne-
cesse est; quod opus est asse carum est^)
Dass die Sparsamkeit eine Hauptregel der catonischen Landwirt-
schaft war, war auch die Auffassung von Plinius dem Älteren. Er
fasst Catos wirtschaftliche Grundsätze so zusammen: summa omnium in
hoc spectando fuit, ut fructus is maxume proharetuvy qui qu^m minumo
inpendio constaturics esset^) Ein altes Sprichwort, sagt Plinius, rät die
Äcker malis bonis zu bestellen. Dies aber sei nicht misszuverstehen,
denn das Wort malis stehe hier im Sinne vilissimis. Das Sprichwort
schreibe also nicht eine „schlechte" Wirtschaft, sondern eine besonnene
Sparsamkeit vor.*) Aus diesem Prinzip — die Ausgaben so viel als
möglich einzuschränken — erklären sich auch, sagt Plinius (§ 40), einige
andere alte Bauernregeln : inde illa reliqua ex oraculo : nequam agricolam
esse, quisquis enieret quod praestare ei fundus posset, malum patretn
familias, quisquis interdiu faceret quod nodu posset, nisi in tempestate
caeli, peiorem qui profestis diebus ageret quod feriatis deberet, pessimum
qui sereno die sub tedo potius operaretur quam in agro. Fasst man die
viel zitierten Worte nequam . . . fundus posset in ihrem richtigen Zu-
sammenhange auf, so besagen sie keineswegs, dass Plinius eine möglichst
selbstgenügsame, „geschlossene" Hauswirtschaft als ein Kennzeichen des
Gutsbetriebes der catonischen Zeit betrachtet. Kaufen soll man aller-
dings nach diesem Spruche nur das, was auf dem Gute nicht produziert
werden kann, d. h. was sich nicht mit ökonomischem Vorteil daselbst
herstellen lässt, aber wir werden sehen, dass auf den catonischen Muster-
gütern die Eigenproduktion, namentlich die gewerbliche, nur auf einen
verhältnismässig kleinen Teil der Bedarfsartikel beschränkt ist.
Der Grundsatz : „viel verkaufen, wenig kaufen" hat, wie Ed. Meyer richtig
hervorhebt, zu allen Zeiten im Altertum wie gegenwärtig für jede Bauem-
wirtschaft gegolten.^) Mit der „Autarkie des Oikos" hat er nichts zu tun.
Als eine Hauptbedingung für die Rentabilität des Gutes nennt Cato
die Nähe einer bedeutenden Stadt, oder auch gute Kommunikationen zu
Wasser oder zu Land : oppidum validum prope siet aut mare aut amnis,
qua naves ambulant, aut via bona celebrisque,^) Verkehrt ist die Er-
klärung von M. Weber, 0 die Nähe des Meeres, eines schiffbaren Flusses
1) c. 2, 7.
2) Sen. epist. 94, 27. Vgl. Plut. Cato maior 4, 6.
3) Plin. n. h. XVIII, 30.
4) a. 0. §39: Quonam igitur modo utilissime coluntur agri? ex oraculo scilicety
malis bonis. sed defendi aequom est abavos, qui praeceptis suis prospexere vitae ; nam-
que cum dicerent maliSj inteüegere voluere vilissimos. summum providentiae ülorum
fuit, ut quam minumum esset inpendi.
5) Ed. Meyer, Die wirtsch. Entwickelung des Altertums S. 4.
6) c. 1, 3. Vgl. Gelliuß X, 26, 8.
7) M. Weber, a. 0. S. 224.
Der romisthfi Gntshetrieh,
28
oder einer belebten Strafe werde „mehr im Zusamtnenhau^ mit der
MöjErlichkeit, Arbeiter zur Ernte herans^iiziehen'* als vorteilhaft erwähnt.
Denn die Worte aiä mare aut amnw , , , aut via bona celebrisque sind
durch mehrere Worte von den vorhergehenden operariomm ropia ge-
schieden und stehen mit diesen in keinem unmittelbaren ^Josammenhang.
Der Sinn ist ganz klar: um die Produkte de^ Gutes mit Vorteil absetzen
zu k%nen, war die Nähe einer volksreichen Stadt oder auch gute dahin
fahrende Verkehrswege für die Rentabilität des Gutes von grossem Gewicht.
Ohne die Möglichkeit die Produkte des Gutes leicht und zu guten
Preisen zu verkaufen waren ja diese so gut wie werth)s, Polybios') er-
zählt, dass zu seiner Zeit (um 150 v. Chr.) in der fruchtbaren Poebene
bei guter Ernte der sizilische Medimnns (= ß römische modii) oft mir
4 Obolen (35 oder 47 Pfennige),«) eine Metreta (P,r röm. amphom)
Wein nur 2 Obolen (18 oder 23 Pfennige) galtJ^) Mit Recht sieht Nissen*)
die Ursache zu diesen niedrigen Preisen in den schlechten Kommunikationen
der Polandschaft zu dieser Zeit. Erst der Ausbau der Strassen gestattete
eine vorteilhaftere Verwertung der Erzeugnisse.
Aber nicht nur um des Absatjses willen sind gute Verkehrswege not-
wendig, (Vdumella, der sich über die Nützlichkeit guter Kommunikationen
auf Cato beruft, fügt hinzu, dass solche sowohl ad invehenda als ad
twportanda utemilia nötig sind/') In der Tat — unsere Untersuchung
wird zeigen, dass fiir die catoniseheu Mustergüter ein grosser Teil der
Bedarfsartikel (ArbeitsgerÄte , Kleiderstoffe o, s. w.) aus der Stadt be-
schafft wurde.*) Dass dem Verwalter verboten wird, ohne die Erlaubnis
seines Herrn irgend etwas zu kaufen'), ist nur eine Vorsichtsmassregel
gegen verschwenderisclie Einkäufe. Zu den Geschäften des Verwaltei*s ge-
hört nicht nur zu be^rgen, qtme in fundo fieri oportet, sondern auch qmie
emi pararique oportet^) __
1) Polyii. U, 15, 1.
2) Je nachtlt'm iiihu l Obol = 2 Am oder */^ Denar •efttt\ Polybio»' Aiigtiboii in
d\tm*T HiiiMcht sciiwanken, ». Fr. HulUi?!», MHrolOffie S- 25S.
8) Zum Vorgleich kanti »iigeftihrt werden, dntm ta dieser Zeit der hiLnpUftMümih^*
MJtielpreis für l mfMiius Weiien 4 SciU^ntoo (75 PL) war (Momtnueo IC G. 1» 841 A)
und djuw um die MJite den erati^n Jahrhiindcrtfi n. Chr. eint* amphora W«nii mimloKtiin»
15 Seüersen (2 M, «5 Pfj kottete (300 Srst. für 40 nrnae, Colum, 111,8, 10),
4) Ttal LandeBkumie II, 5«.
5) Colum, I, S. 8 vgl I, 2, 8,
6) W^nii ÄL Voigt in »viucn rdmutchen l^vaiaUertümtrn, Midier» Handbuch IV, 2
S. 879 A. 2 in Hexug auf duA c. 185 bei Ciito äussert: ,,Eb ist Dicht aiitcunolimen , düMt
lolcbc Praxis »Ugemeiner geübt wurde : die Traasportkosteu rou*etim viel su boeb »ich
iteUen," m yergiKst er. dtuis für Cato die Spamatnkeit da*, oberste lVui«ip der Wirt-
■cb&fl bt. Sehwerlicli h?iH** er »«iiiien Le«ern gerateu, die Miiutel in Hom, die Eisru-
gerUte in Cale* uud ^' die nnrnfo- und Seilerwaren in Capua lu kaufen^ wenn
man auf »einen kami < ^tli«<t»'^trilte^u dies nidit aU ökonoint«cb vorteübaft or*
probt bätte.
7) c h, 4.
8) e. 142.
24 H, Gummerus,
Gehen wir jetzt auf das catonische Betriebssystem im einzelnen ein.
Unserer Aufgabe gemäss haben wir zunächst zu untei-suchen, mit welchen
Arbeitskräften die landwirtschaftliche Urproduktion auf den
beiden Mustergütern betrieben wurde.
Man hat in Cato den Typus eines altrömischen Bauern sehen wollen.
Dies ist nicht ganz zutreffend, denn trotz seiner in manchen Beziehungen
echt bäuerlichen Anschauungsweise ist Cato mehr Kapitalist als Bauer.
In seinen jüngeren Jahren, ehe er noch seine politische Laufbahn be-
gonnen hatte, mag der rüstige Bauemsohn aus Tusculum, wie sein Freund
und Nachbar Valerius Flaccus erzählte, sein kleines Gut mit eigenen
Händen in der Mitte seiner Sklaven bestellt haben.') In dem Buch über
die Landwirtschaft aber stellt Cato den pater familias nicht mehr als den
schlichten Bauern dar, sondern als den vornehmen, reichen Grundbesitzer,
der meistens in der Stadt wohnt und sein Gut oder vielmehr seine Güt^r
durch einen Verwalter aus dem Sklavenstand, vilicus, mit Scharen von
unfreien Arbeitern bewirtschaften lässt. Selbst macht der dominus nur
dann und wann eine Inspektionsreise dahin. 0 Die Sklaven Wirtschaft er-
scheint vollständig ausgebildet und zwar nicht mehr in der alten patri-
archalischen Weise, sondern mehr oder weniger plantagenmässig organisiert.
In c. 10 und 11 zählt Cato alles auf, was an Arbeitskräften und
Inventarien in seinen beiden Musterwirtschaften, der Oliven- und der
Weinplantage, erforderlich ist. Ein olivetum von 240 iugera (60 Hektaren)
bedingt demnach ein Arbeitspersonal von 13 Personen: den Verwalter,
vilicus, und seine Frau, vilica, fünf gewöhnliche Knechte, operarii, drei
Ochsentreiber oder Pflüger, bubulci, einen Eseltreiber, asinarius, einen
Schweinehirt, subulcus, und einen Schafhirt, ojnHo. Die m7iea von
100 iugera (25 Hektaren) fordert 16 Personen: vilici^s, mlica, zehn operarii,
einen bubulcus, einen asinarius, einen salictarius (für das salictum, wo
die den Weinreben als Stützen dienenden Weidenruten gezogen wurden,
angestellt) und einen subulcus.
Die Zahlen sind auffallend niedrig.-^) Besonders befremdet es, unter
dem Gutspersonal ausser der vilica keine Sklavinnen zu finden. Offen-
bar hat man Catos Angaben als das Minimum von Arbeitskräften, mit
welchen man auf Gütern dieser Grösse überhaupt auskommen konnte, zu
betrachten. Die beiden Güter können somit nicht als Grossbetriebe be-
zeichnet werden. Dennoch findet man auf ihnen, wie gesagt, die Sklaven-
wirtschaft vollständig ausgebildet. Das abscheuliche System, die Sklaven
auf den Weinbergen gefesselt arbeiten zu lassen, gilt Cato als ganz
geläufig.*)
1) Plut. Cato maior 3, 2.
2) c. 2, 1 : pater familias ubi ad viüam ventt^ et q. s.
3) Weber, Agrargesch. S. 223, neunt Catos HcchnuDg „äusserst p:ünstig".
4) c. 56 und 57. Die conpediti erhalten grössere Rationen als die übrigen Sklaven.
Die Arbeitsmaschinen mussten natürlich gut im Stande gehalten werden !
Der römische OuUhetrieh, 25
Dieses ständige unfreie Arbeitspersonal mag für die gewöhnlichen
laufenden landwirtschaftlichen Arbeiten ausgereicht haben — in der Ernte-
zeit und überhaupt für jede grössere Arbeit mussten die Hausknechte
durch auswärtige Hilfsleute verstärkt werden. Und zwar bediente man
sich teils der Form der einfachen Dienst-(Arbeits-)Miete, teils der
Form der Werkverdingung.
Die Hauptstellen bei Cato über die land\v1rtschaftliche Dienstmiete
sind folgende:
C. 1, 3 wird als eine Hauptrücksicht beim Ankauf eines praedium
reichlicher Zugang von Arbeitern genannt: operariorum cojiia s^iet —
C. 4 heisst es : vicinis bonus esto . . . si te libenter vimiitas v^idebit, faci-
Uu8 tua vendes, opera (codd. operas) facilius locabis, operarios facilius
conduces: st aedifimbis, operis, iume^itis, materie adiuvabunt — C. 5, 4
wird dem mlicus vorgeschrieben: operarium, mercemiarium , politoreni
diutius eu7idem ne hubeat die.
Die locatio'condtictio operarum nach römischem Recht umfasst be-
kanntlich die Miete sowohl von freien als von unfreien Arbeitern. Es
fragt sich, welche von diesen beiden Formen der Dienstmiete Cato im
Auge hat. 0. Seeck^) glaubt, dass die von Cato genannten operarii
„wenn auch nicht ausschliesslich, so doch vorzugsweise" als gemietete
fremde Sklaven aufzufassen sind. Am deutlichsten trete dies in c. 4
hervor. Allein wenn man die Stelle aufmerksam liest, so wird es klar,
dass nur die Worte: si aedificabis, oj^eris, iumentis, materie adiuvabmit
(sc. vicini) auf das Leihen oder Mieten fremder Sklaven bezogen werden
können. Dass sich die Nachbarn auf diese Weise gegenseitig zu unter-
stützen pflegten, sagt Cato auch anderswo.-) Aber weit kam man auf
diesem Wege nicht. In der Erntezeit z. B., wo das Bedürfnis an Hülfs-
arbeitern besonders dringend war, konnte kein Gutsbesitzer seine Sklaven
entbehren. Will man dennoch die Worte operarios facilius conduces als
„Mieten von fremden Sklaven" auffassen, so kann man also nur an Unter-
nehmer denken, die das Vermieten von Sklaven als Geschäft trieben.
Aber von solchen Geschäften finden wir bei Cato keine Spur. Dagegen
wird sowohl bei ihm als in anderen Quellen von Unternehmern gesprochen,
die mit Scharen von freien Arbeitern herumziehen, und denen grössere
landwirtschaftliche Arbeiten in Akkord gegeben werden. So sind die
leguli und factores, durch welche die Olivenernte und Ölbereitung aus-
geführt werden, freie Leute, denen der Käufer der hängenden Früchte
ihren Lohn zahlt.')
Nun sind zwar die in c. 10 und 11 genannten operarii Sklaven.
Aber operarius wird von Cato auch der freie Tagelöhner genannt, wie
1) 0. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken H'eUj 2. Aufl., I Anhang S. ^59.
2) c. 5, 3 : duas aut tres familias habeat (sc. vilicus), unde utenda raget et quibus
det, praeUrea nemini,
8} e. 146, 8 «t tjmpior legtUis et factoribus . . . non solverit^ cut dari oportebit, etc.
26 H. Gummerus,
aus c. 145, 1 hervorgeht: si operarii conducH enmt (sc. a domino) ad
oleam faciendam. Diese operarii sind eben jene factores, die wir als
freie Tagelöhner bezeichnet sahen. Wir müssen daher analog auch die
in c. 1,3 und c. 4 genannten operarii als freie Leute auffassen. Es
waren diese ohne Zweifel Kleinbauern — Eigenbesitzer oder Pächter —
die sich auf diese Weise einen Nebenverdienst verschafften. Man würde
sich nämlich irren, wenn man in den vicini nur Grossgrundbesitzer
sehen wollte.
Kommen wir so zu der umstrittenen Stelle : operarium, mercennarium,
politorem diutius eundetn ne habeat die. Was operarius und mercennarius
bedeutet, ist nach dem oben gesagten klar. Wie man aber den politor
aufzufassen hat, darüber können sich die Erklärer nicht einigen. Schneider
will mercenimrium'politorem verbinden und interpretiert: mercennarius
politor igitur h. l. esse debet, qttem agri poliendi causa mercede condu-
dmus. Aber politor kommt c. 136 auch ohne das Attribut mercennarius
vor, und zwar als eine Art von Unternehmer, der die Ackerbestellung
gegen eine bestimmte Fruchtquote übernimmt. Man hat daran Anstoss
genommen, dass hier der politor mit gewöhnlichen Tagelöhnern zusammen-
gestellt wird, während er dort eine Stellung einnimmt, „die ihn dem
Grundherrn mehr annäherte".') Die Schwierigkeit erledigt sich, wenn
man annimmt, dass politor nicht ein fester, unbeweglicher Begriff ist,
sondern dass es politor es „in den verschiedensten Schattierungen gibt".*)
Zutreffend definiert das Wort H. Keil:^) politor est is cui post sementim
factam, ut videtur, cura agrorum usque ad messim mandatur vel certa
mercede ad singula opera facienda conductits vel parte fncctuum pro
universo opere constituta. In der Tat, es ist nicht unmöglich, dass die
politio selbst gegen bar als Verdingungsvertrag eingegangen werden
konnte.*) Waaser glaubt, dass gerade der in c. 5, 4 genannte politor
gegen eine merces, pecunia numerata, arbeitete,*) was allerdings nicht zu
beweisen ist.*)
Schwer sind auch die Worte diutitis eundem ne habeat die zu er-
klären. Unmöglich kann der praktische Landwirt vorschreiben wollen,
dass man jeden angeworbenen Tagelöhner nur einen Tag im Dienst be-
halten soU.^ Keil 'interpretiert die Stelle folgendermassen : immo hoc
praedpitur, ne vilicus operarium vel mercennarium vel politorem eundem
plus uno die mercede conductum habeat, h, e. ne eidem homini in longius
1) A. Pernice, Parerga 1, Zeitschr, für Bechtsgeschichtey Roman, Abteilung 1882,
S. 58. Vgl. Derselbe, Amoenüates iuris, in derselben Zeiteehr. 1886, S. 100.
2) M. Waaser, Die colonia pariiaria, Berlin 1885, S. 74.
3) Zu c. 186.
4) Pernice, Amoenitates iuriSj a. 0. S. 102.
5) Waaser a. 0. S. 78.
6) Über den politor als partiarius s. unten S. 82.
7) Allerdings trägt 0. Seeck a. a. 0. kein Bedenken die Vorschrift so zu verstehen.
Der römische Outsbetrieh, 27
temporis spatium mercedefn promittat Der Sinn wäre dann, dass der
Tagelöhner jeden Abend kündbar sein muss, für den Fall, dass der
Arbeitsgeber mit seiner Leistung unzufrieden ist — der denkbar un-
günstigste Arbeitsvertrag für den ersteren, aber sehr vorteilhaft für den
letzteren. Annehmbarer ist die Interpretation von Gesner: ne vilicus
operas die dicta diutius habeat, ne studio opus trahant et ducant mer-
cennarii, si conditio ipsis producatur. So versteht die Stelle auch
Waaser : „Nicht wird geraten den politor jeden Tag zu wechseln, sondern
nur, ihn nicht längere Frist, als mit ihm verabredet worden war, nicht
über den Termin hinaus zu belassen."^) Eine derartige Vorschrift hat
gerade in Bezug auf den vilicus einen guten Sinn. Für den Verwalter
muss es angenehm und verlockend sein, die gemieteten Leute so lange als
möglich zu behalten, um dadurch die Arbeit der Eigenen und somit auch
seine eigene Mühe zu erleichtem. Das Bedenken, das Pemice^) gegen
diese Auslegung erhebt — sie sei mit dem Ausdruck eundem völlig un-
vereinbar — , ist nicht von grösserem Belang. —
Aus den zitierten Stellen geht hervor, dass Cato die freien Tage-
löhner als einen wesentlichen Teil der auf dem Gute beschäftigten Arbeiter
betrachtet. Welche Stellung die freien Leute neben den Gutssklaven
hatten, ob sie mit diesen gemischt oder von ihnen gesondert unter eigenen
Aufsehern«) arbeiteten, ist weder aus Cato noch aus anderen Quellen zu
ermitteln. Sicher ist nur, dass auch sie dem unfreien Verwalter, vilicus,
untergeordnet waren.*)
Natürlich wurden die freien Hilfsarbeiter besonders für die Ernte
gemietet. Auch für andere grössere Arbeiten, wie Neurodungen, Neu-
bauten u. s. w. konnte man sie nicht entbehren. Mitunter aber muss es
sich für den Eigentümer vorteilhafter gezeigt haben, diese grösseren
Arbeiten einem Unternehmer zu verdingen, statt sie mit eigenen unzu-
reichenden oder auswärtigen, oft vielleicht schwer zu beschaffenden
Arbeitern zu besorgen. Das opus locare ist Cato ebenso geläufig wie
das operas conducere. Es ist die Sache des pater familias zu verordnen,
quae opera fieri velit et quae locari velit^) Um ohne Schwierigkeit
Arbeitsuntemehmer finden und Tagelöhner mieten zu können, soll man
zur Nachbarschaft gute Beziehungen zu erhalten versuchen.*)
Namentlich forderte auf den catonischen Gütern die Oliven- und
Weinlese sowie die Öl- und Weinbereitung eine grössere Arbeitsintensität.
Sowohl für das Lesen als für das Pressen der Trauben und Oliven musste
bei guter Zeit alles Inventar — Körbe, Winzermesser , Taue, Kelter,
1) V^aaser a. 0. S. 73.
2) Pernice, ÄmoenüaUs iuris, a. 0. S. 101.
3) Vielleicht ist der in c. 56 genannte epistata ein solcher Aufseher.
4) c. 5, 4.
6) c. 2, 6.
6} c. 4. S. oben S. 25.
28 H, Ghummerus,
Fasse u. s. w. in Ordnung gebracht werden.^) Aber daneben musste man
Vorbereitungen treffen, um die Hilfsarbeiter aufnehmen und ernähren zu
können: far molatur, maenae (= Salzfisch) emantur, oleae caducas sal-
liantur, uvas misccUas, vinum praeliganeum, quod operarii biba7it, tibi
temptis erit, legitor) In dem Ausdruck operarii sind hier offenbar sowohl
die freien als die unfreien Ernteleute zusammengefasst. Sie werden sonst
bald leguli^) oder Stridores,^) bald fadoresj^) genannt, je nachdem sie als
Leser oder als Kelterer im torcularium benutzt werden. Für das wich-
tige Geschäft des Ölpressens werden ctistodes (Aufseher) oder capulatores
(Küfer) angestellt.^ Von den custodes heisst es ausdrücklich, dass zwei
von ihnen freie Leute sein sollen, der dritte ein Unfreier.')
Über das Vergeben der Ernte und den Verkauf der Früchte handeln
die vielbesprochenen Kapitel 144—150.^) Keil glaubt, dass diese Kapitel,
wie sie uns erhalten sind, nicht von Catos eigener Hand herrühren, sondern
dass einiges von Späteren geändert, einiges zugefügt worden ist. Diese
Ansicht rauss als hyperkritisch zurückgewiesen werden. Trotz einzelner
verderbter Stellen haben wir hier wie sonst die eigenen Worte des alten
Schriftstellers vor uns. Das Bedenken, das durch die wenig concise Form
dieser leges entstehen kann, erledigt sich, wenn man sie nicht als fertige
Vertragsformulare auffasst, in welche die Kontrahenten nur Namen und
Zahlen einzusetzen hatten, sondern nur als Ratschläge des erfahrenen
Landmanns an jüngere Kollegen, nach welchen diese in vorkommenden
Fällen sich zu richten haben.-')
In c. 144 gibt Cato Vorschriften über die Verständigung mit einem
redemj)tor, der die Olivenlese in Akkord nimmt. Dieser muss sich ver-
binden, die nötige Zahl von Arbeitern zu stellen, sonst kann der Eigen-
tümer auf eigene Kosten die erforderlichen Arbeiter dingen : si non prae-
buerit, quanti condudum erit auf locatum erit, deducatur: tanto minies
debebitur (§ 3). Die Zahl der Arbeiter wird für den fundus L, Manli zu
50 festgesetzt, von welchen zwei Drittel strictores sind, ein Drittel leguli
(nach Keils Interpretation): adsiduos homines L praebeto, diias partes
1) c. 28, 1. 26. 31, 1. 68.
2) c. 28, 1 f.
8) c. 64, 1. 144, 8. 146, 8.
4) c. 144, 8; 4; über die Bedeutung vgl. Keil, Oomm, p. 151.
5) c. 18, 1. 64, 1 u. ö.
6) c. 66. 67.
7) c. 18, 1.
8) Auaführlich handeln über die Stellen Usener, Rfiein. Mus. 1864, S. 141 ff. vom
textkritiflchen und E. J. Bekker, Zeitschr, f. Rechtsgeschichte, B. 111 (1864) S. 428 ff. vom
juristischen Standpunkte aus.
9) Bekker a. 0. S. 438. Den hohen Wert dieser leges für die Beurteilung der
wirtschaftlichen Zustände der älteren Zeit hebt mit Recht M. Voigt, Rom, Rechts-
geschichte, I 637 A. 28 hervor.
mfshetrieh.
29
strietorum praebeto (§ '!).') Die Arbeiter werd(>n natürlich vom redentptar
bezahlt. Der Eigentümer gibt ihnen nur als aecc^-iiiofies ein gewisses Mass
von gesalzenen Oliven, Öl und Essig. Die Arbeit wird vom dominn.^
selbst überwacht oder auch von einem dazu verordneten ci4sto$ oder dein
Käufer, wenn die ganze Frucht auf dem Stocke verkauft worden ist.
ÄJinlich wird der Kontrakt abgeschlossen, wenn der Unternehmer auch
die Zubereitung des Öles libernimmt (c. J45). Er hat die nötigen opet^arii
oder faetorva zu st-elleu. Wird der Eigentümer gezwungen die Arbeiter
selbst zu mieten, genchieht es auf Kosten des Hntemehmei^s: y» operani ron-
ducti vrnnt avt fannuin Incata cnmt^ pro eo rrsofvito^ avt diduveUir (§ 1).')
1) UnentT und Hekkrr machcu auf deu Widerapriich iitifmevkflaai^ das« es vorher
legntoi^ quot opfisi rrttnt^ prnebeio et strictoren h^Unti während hier eine bestimmte Zahl
der Arbeiter fcstgotcnt wird, ÜÄener betrachtet darum den letzteren Passus aU eitieii
spj&teren Ztiaat«. Die Schwierigkeit erledigt sich ulcht^ wenn man auch das Zahlwort
L streicht und einfach: admäuos hominea pracbtio liest. Denn die Anomalie bleibt
bestehen, dass die Vorschriften über die vom conductftr lu sieilend^jn leguli und stric-
Uirrs nicht unmittelbar aufeinander folgen, sondern durch andere KlausHn geschieden
sind. Indessen hindert um nichts anzunehmen^ daju jener Zusata von Cato setbU hrr-
rUhrt. Zu dt*n üblichen Kontraktsbestimmungen, wie sie die römische Geschärt«praJiis
ausgt'bildet hattt*, hat er — oder sein Gewährsmann L. Manlius — Punkte hinzugefügt
die sich spesiell auf da» Olgut de« leUtereu belogen (so auch Bekker a. 0. S. 4^0).
DasB dadurch die Ordnung der Verl ragabestiaimun gen gestört worden i«t, entaprieht
der ziemlich nachlÄs«igen Abfaasung« weise dieses landwirtschaftlichen ,,Noti«buches*'.
2) Die unmittelbar vor dieser Klausel eingeschobenen Worte trapeh factto will
Keil in trapetum facito ändern und bezieht demnach die angeführte Vorschrift auf das
im c. 20 be*chr»cbene Verfertigen und Aufstelh'n der Olivenquetschmaschine, trapetuM,
Aber wenig wahrscheinlich ist» dtus der Unternehmer auch diese vorbereitend*^ Arbeit
aa verrichten hatte, Ü«sr trapetus gehörte ja «um luven! ar des Toreulariaraa (c, 12),
War die Mas4^hine einmal gekauft (c. 22, 8) oder an Ort und 8telle verfertigt (e. 20 ff%
•D war sie noch jahrelang brauchbar, bis die Steine^ orben^ abgenutzt wareu^ und auch
dann konnten zu der alteu Maschine neue Steiue gekauft werdeu (c. 22, 4 «i orbes in
vetei'tu trapttm parahü). Allem Anschein nach hatte der Unternehmer nur für die
Aj-beit, die Olbereitung, «u sorgen- der Eigentümer lieferte Am nötige Inventar, wie
dies ausdrürklieh im folgenden Kapitel ^ wo vom Verkauf der ganse» Frucht auf dem
Stocke die Rede ist» erwÄhnt wird: (c. \i% Ü) paaa U^rcuUi, fknu, icalas, trapeiot et
n^id aitut datum ertt, Malm rede reddito (sc. emptor). Die Lesart des Archetypus frapeh^
wüä Schneider als Ablativ statt trnpete aus einer Nebenform (rapete^^ -üt (Nom, plur.
trapetts Varro L l V, \BS\ davon Dat. trapctihua Cato c. IH, 2) erklitrt, ist darum vor-
luiieheUf wenn man nicht statt dessen trapeiis lesen wilL Die Vorschrift frapeU/'^cv'a
ist wohl ao lu deuten, das der Uateroehmer die Oliven mit dem Trapetus und nicht
auf irgend eine andere Weise eu verquetschen hatte « etwa weil diese Maachinc nach
Cato* Ansicht die beste Arbeit lieferte, (Die verschiedenen Maschinen mm Malen
oder Zerquetschen der Oliven beschreibt II. Bltlmner, Tec^hnohfjie und Termtnoh(/ie
der Gewerbe und KUnMe^ I, ^. 330 ff,) Vielleicht liegt in der Vorschrift zugleich eine
Hindeutung auf die ohne Zweifel in älterer Zeit gebräuchliche Weisen d»e Oliven wie
die Weintrauben mit den Füssen zu zerstampfen. Für die Griechen ist di<*acr Gebrauch
mit Biemllcher Wahricheinlichkeit besengt (Schneider , De trapeto torculario et preJö
CatontA, Eatcurs zn CommtmL »n rVifowrm, S» 610), In Suilien cxistieric dieser Gebrauch
noch in neuerer Zeit. Da« Wort trapetu» u*\\nt ist von dem griechischen Wrhum
tQfxntIv abgeleitet, da« bei Homcros und Hesiodos In der Bedeutung unas in tticu
catcarf t't t!j:primrrt vorkommt.
30 H. OummeruSy
Das Verhältnis des Unternehmers zum Grundherrn in diesen Ver-
trägen ist klar: es ist eine Verdingung, eine locatio operis. Unklar da-
gegen ist, wie die Arbeiter zum Unternehmer stehen. Schwerlich sind,
wie Lastig und Pemice glauben,^) unter den in den Formularen genannten
socii'^) des Unternehmers die von ihm beschäftigten Arbeiter, die legidi
und factore$y zu verstehen. Wahrscheinlicher ist, dass diese socii Mit-
unternehmer des redemptor sind.*) Dem steht nicht entgegen, dass wir,
wie Pernice glaubt, an eine Art von Emtegenossenschaften zu denken
haben, analog den Genossenschaften von ländlichen Arbeitern, die man
des Sommers in ganz Mitteldeutschland antreffen kann. „Ein Meister
oder Vorschnitter steht an der Spitze: mit ihm allein hat der Grund-
besitzer zu tun; er schafft soviel Leute herbei, als für die zu leistende
Arbeit erforderlich sind, und zahlt sie aus."
Es fällt auf, dass Cato nur von der Verdingung der Oliven ernte
redet. Denn dieselben Grunde sprachen dafür auch die Weinlese in
Akkord zu geben.*) Wie im folgenden der lex oleae pendentis vendundae
eine lex vini pendentis vendtmdi folgt, so erwartet man neben der lex
oleae legendae auch eine lex vini legendi. Man hat darum geglaubt, dass
die letztgenannte lex in dem Buche Catos in seiner jetzigen Gestalt aus-
gefallen ist. Die Spuren dieser verlorenen lex möchte M. Voigt^) bei
Plinius finden. Vindemiam — sagt Plinius^) — antiqui numqtcam eans-
tvmavere maturam ante aequinoctium . . . leges ita se habent: uvam
calidam ne legito . . . uvam rorulentam ne legito etc. Dass Plinius diese
leges von Cato hat, schliesst Voigt daraus, dass jener an einer anderen
Stelle^) die lex oleae legendae Catos zu zitieren scheint Allein es ist
keineswegs gesagt, dass Plinius jene leges gerade bei Cato gelesen hat.
Allem Anschein nach hat Cato seine „Gesetze" nicht selbst entworfen.
Sie hatten ihren Ursprung offenbar in der römischen Geschäftspraxis*)
und waren sowohl zu Catos Zeit als später zweifellos allgemein im Ge-
brauch. Plinius hat die von ihm zitierten Bestimmungen in einem juris-
tischen Handbuch lesen können, wenn er sie nicht aus eigener praktischer
Erfahrung kannte. Die Erwähnung von leges vini legendi in der ange-
führten Pliniusstelle beweist nur, was schon, wie gesagt, von vornherein
wahrscheinlich war, dass die Verdingung der Weinlese den Römern ebenso
geläufig war wie die der Olivenernte. Sagt doch Varro, dass für die
1) Lastig in Zeitschr. f, das gesamte Handelsrecht y 1879, S. 411. A. Pernice,
Parerga^ I, a. 0. S. 50.
2) c. 144, 4. 145, 3.
3) Bekker a. O. S. 431. Mommsen R. G. I, 852 A
4) Mommsen R. G. I, 835 A. 2.
5) M. Voigt, Römische Rechtsgeschichtet I, 638 A. 81.
6) Plinius n. h. XVIII, 315.
7) XV, 11 quippe olivarUibus lex antiquissima fuit: oleam ne stringüo neve verbe-
rata. Vgl. Cato c 144, 1.
8) Voigt vermutet, dass Cato sie der Tripertita des P. Aelius entnommen hat.
Der ronmehe Gut^etrieh
31
Weinlese fremde Arbeitskräfte o^emietet werden nmssteu.»» Dass Catu
den Verdinpuni^svertra^ tür die Weinlese in sein „Notizbuch "* nicht ein-
getragen hat, mag darauf beruhen, dass diese Art die Weinerate zu be-
sorgen auf seiner Musterfarm nicht in Anwendung gekommen war.
Noch bequemer als die Ernte zu verdingen war es für den (»nind-
herrn die Friidite auf dem Stamme zu verkaufen.
In c* 146 wird eine Ua^ almie pmdentis vmiUmdae mitgeteilt. Für
die Zahlung der Kaufsumme hat der Käufer eine Frist von zehn Monaten
vom ernsten November ab. Nur die Kosten der Ernte und der Ulbereitung
soll er den nUclisten Idus zalilen, sei es, dass der Verkäufer oder der
Käufer diese Arbeiten durch gedungene Leute verrichtet.'-) In dem letzteren
Falle, wenn der Käufer den von ihm beschäftigten Arbeitern ihren Lohn
nicht gibt, kann der Eigentümer, wenn er dazu geneigt ist, jenen das
Geld auszahlen und den Käufer dafür belasten.'')
Dieselbe lej- gilt nach c. 147 in allem wesentlichen auch in dem
Falle, dass man den Wein auf dem Stocke verkauft
Diese Art der Verwertung der Früchte — der Verkauf des Ertrages
im voraus an einen Spekulanten — scheint zu Catos Zeit beliebt gewesen
zu sein. In c. 150 wird eine hx fnirtus ovium vf^dundi mitgeteilt.»)
Nach dieser wird der Ertrag einer Schafherde, d, h. Wolle, Milch, Käse
ujid neugeborene Lämmer, für die Zeit eines Jahres einem Unternehmer,
conducior^ verkauft. Ans dem Wortlaut des Kontraktes 8<;heint hervor-
zugehen, dass es sich um eine bestimmte Kopfzahl der Herde handelt.
Sehr walirscheinlich ist, dass Cato die im c. 10, 1 erwähnte, 100 Schafe
s&blende Herde, die auf dem Ulgute zu halten ist, im Auge liat Die
Wolle und die Lämmer hat der conductor im Laufe von 10 Monaten zu
verkaufen; während dessen wird die Herde von dem Hirten des Besitzers
— dem im c 10 erwähnten opilio — offenbar der Kontrolle we^^en, ge-
hütet. In den zwei letzten Monaten des Pachtjahres, April und Mai,
hat der cmidudör einen eigenen Hirten anzustellen. Dei' iirund, warum
der Besitzer den Ertrag seiner Schafe nicht selbst verwerten kann oder
will, ist natürlich der, dass dies auf einer Plantage, wo die Olivenkultur
die Hauptsache ist, wenig vorteilhaft wäre.
Aber nicht nur die Ernte, 8<»nderu überhaupt je4e landwirtschaftliche
Arbeit wurde eventuell in Verding gegeben. So die sogenannte jwliüq,
Madi c. 136, wo dies besprochen wird, erhält der poHior eine je nach
1) Varro f, r. 1, 17, 2.
2) Die« i»t der Siuti der Worte (§ 2y. du« ar^ento e» IL N&v, mewtum X ültiu
kgendar facimdoB t^tae heata 4»l, et si empior hcarii, idibu» äotvito, S, Keil su der
Siülle und B«kker a. O. 8, 428.
3) § c^: ffi 0npior leguUä et factoribuSt qui iüic opuw fecetini, mnsolverii, eui dari
oportebii^ m dominus volet, äolvat. empt^tr ämnino debtto, et q, »,
i) Hierüber A Bndorff, Berliner Index leciionum 164^141 (M. VoLgi, Hörn. JUdiU*
beschichte, l, 666, xiiiert fuhieh LAL^Lumun;. F, Olck, Uü Kalmdtrdaitn in Catos
Schnft de agn cuUurn, N. Jahrb. /, PhiL ISUü S, 5öV> tf.
32 H. Oummerus,
der Fruchtbarkeit des Bodens und der Art der Vermessung wechselnde
Quote des geemteten Getreides. Seine Stellung in dieser Hinsicht ist
wohl dieselbe wie die des partiaHus im folgenden Kapitel , dem die Be-
stellung des Weinberges überlassen wird.*)
Wie hat man aber die poliüo und den politor aufzufassen?
Nonius-) erklärt politiones als agrorum cultus dUigentes, ut polita omnia
dicimus ea-cultu et ad nitorem dediccta, welche Definition er durch einige
Zitate erhärtet. Aber weder aus diesen noch aus anderen von den Neueren
angeführten Belegen geht notwendig hervor, dass polire agrum „ein Kunst-
ausdruck für eine besonders feine Herrichtung des Ackers" , also „mehr
als blosses colere (bestellen) sei".*) Polire ist in diesem speziellen Falle
nur so viel als perficere,^) d. h. „fertig machen", und agrum polire be-
zieht sich offenbar auf „Handarbeiten von Vollendung der Pflugsbestellung
ab bis zu dem Einbringen der Ernte".*)
Der Umstand, dass Cato in seinem Buche den Cerealienbau so wenig
berücksichtigt, obwohl, wie wir sahen, auf seinen beiden Musterplantagen
das Getreide für den eigenen Bedarf tatsächlich gebaut wurde, macht
es wahrscheinlich, dass es gerade auf diesen Plantagen Brauch war, die
politio der Getreidefelder einem partiarius zu überlassen. Dass der Öl-
oder Weingutebesitzer die Bestellung der Getreidefelder des Gutes gern
von sich abwälzte, versteht sich ohne weiteres. Welche Bedeutung für
den Gutebetrieb die Überlassung der vinea curanda an einen partxaritis
hatte, wollen wir nicht entscheiden.
Den politor als Gutearbeiter haben wir bereite kennen gelernt. •)
Über die Stellung des hier genannten politor lässt sich vielleicht schliessen,
dass er ein Kleinbauer ist, der die Bestellung der Gutsäcker zusammen
mit den eigenen übernimmt. Der Ausdruck eorhi dividat scheint nämlich
den Fall vorauszusetzen, dass der politor seinen Anteil der Ernte auf
eigener Scheune drischt.
Auf die juristische Streitfrage, ob die politio gegen Fruchtvergütung
als Verdingung, locatio opeiis') oder als societas'^) aufzufassen ist, kann
1) c. 137 vineam curandam pariiario. Mit Recht liest deshalb Keil die Über-
schrift des vorhergehenden Kapitels: politionem quo pacto (^partiarioy dari oporteat.
Dass pariiario hier und c 16: ealcem partiario coquendam Substantivam ist, nicht
^dverb, wie Gesner glaubte, steht fest.
2) Nonius p. 66, 27.
3) A. Pernice, Amoenitates iuris, a. 0. S. 100.
4) Vgl. Fest, ep, p. 71, 20 depoUtum, perfectum.
5) M. Voigt, Hörn. Frivataliertümtr S. 369. Vgl. Keils oben S. 26 angeführte De-
finition des Begriffes politor,
6) Oben S. 26.
7) So Bekker a. 0. S. 421 f., M. Voigt, Bvrn. Recht syeschichte I, 666.
8) So A. Pernice, Parerga I, a. 0. S. 58 f. Derselbe, Amoenitates iuris ^ a. O.
S. 121. P. Brunn, Die colonia partiaria^ Berlin 1897, S. 21. C. Crome, Die partiari-
schen Eechtsgeschöfte y Freiburg 1897, S. 57. M. Waaser, a. 0. S. 75, der den politor
schlechthin als colonus partiarius und diesen als socitis de» Grundherrn bezeichnet.
Der römische OuUhetr\eh, 33
hier nicht eingegangen werden. Jedenfalls steht Catos politor-parti"
arius, besonders der in c. 137 genannte, dem colonus-partiaritis schon
ziemlich nahe. Um ihn zn einem solchen zu machen, brauchte man nur
die betreffende Parzelle ihm dauernd zur Bewirtschaftung zu Überlassen.
Ob er dann auch zum Pächter wurde, oder ob sein Verhältnis zum
dominus noch als sodetas zu bezeichnen war, fällt wenig ins Gewicht.
Wir sahen oben, dass der politor mit einem gewöhnlichen operarius
und mercennarim zusammengestellt wurde. Je nach dem Umfang der
von ihm zu leistenden Arbeit mag er bald dem Lohnarbeiter, bald dem
Pächter näher stehen.
Vom Verpachten im eigentlichen Sinne einzelner Parzellen des Gutes
spricht Cato nirgends. Daraus darf man nicht schliessen, dass dies zu
seiner Zeit überhaupt nicht vorgekommen ist. Im Gegenteil ist die Klein-
pächterwirtschaft bei den Römern sehr alt.») Treffend sagt Mommsen:-)
„Der Eolonat an sich, das heisst die bäuerliche Kleinpacht, ist so alt und
so jung wie Italien und war und ist unter König Romulus wie unter
König Humbert wesentlich gleichartig beschaffen". Aber soviel ist klar,
dass die Kleinpächter, falls sie überhaupt auf den catonischen Muster-
plantagen existierten, für die Bewirtschaftung der unter der eigenen Regie
des GrundheriTi stehenden Teile des Gutes noch keinerlei Bedeutung als
Hilfsarbeiter hatten.
Stand also der catonische Gutsbesitzer schon als Produzent wirt-
schaftlich keineswegs isoliert da, so war er es noch weniger als Kon-
sument. Untersuchen wir jetzt, inwiefern auf den catonischen Villen
bei der Beschaffung der Gebrauchsgüter der Grundsatz „viel verkaufen,
wenig kaufen" befolgt wurde.
Alles was zur Nahrung der Hausleute gehörte, wurde natürlich in
der Regel auf dem Gute produziert und zubereitet. Als Nahrungsmittel
der Sklaven kam in erster Linie das Getreide in Betracht.^) Es wurde
auf dem Gute sowohl gebaut, wie schon bemerkt, als gemahlen*) und
gebacken. Ebenso wurde der von den Sklaven getrunkene schlechte
Wein,^) das Öl') und der Essig') zu Hause produziert, wie natürlich
1) Nach dem zu Ciceros (oder, wie andere meinen, AugoBtus^ Zeit lebenden Jorinten
und Antiquar L. Cincius (bei Joannes Laurentius Lydus, de mensibuSy ed. Wuensch,
IV, 144) wurde der Monat November von den Alten, nagä tolg naXaiolg, Mercedinus
genannt, weil in diesem die Pächter, ol iLia^attoij ihre Zinsen zahlten.
2) Hermes XV (1880) S. 408.
3) c. 56.
4) Als stehendes Gutsinventar wird sowohl die Esel- als die HandmUhle genannt:
c. 10, 4. 11, 4. Ein pistrinum wird c. 136 erwähnt.
5) Treberwein, lora^ c. 25. 57, vgl. c. 104. vinum praeliganeum c. 23, 2.
6) c. 58.
7) c. 58. 104.
Qammernt, D«r rdmitehe Ontebetrieb. 3
34 H. Chummertis^
auch die Feigen und Oliven J) Nur die gesalzenen Fische, maenae^) oder
hallex,^) die eine gewöhnliche Speise der Armen bildeten,*) raussten an-
gekauft werden. Dazu kam natürlich das Salz, wovon jeder Sklave einen
modius pro Jahr erhielt. 5) Es versteht sich von selbst, dass hier nur die
Massenkonsumtion der Sklaven, nicht die für die gutsherrliche Tafel be-
stimmten Speisen in Betracht kommen.
Ebenso wurde natürlich das Futter für das Vieh wo möglich von
eigenen Äckern, Wiesen und Waldungen gewonnen. Überhaupt darf man
wohl behaupten, dass was von den Gebrauchsgütem in unverarbeiteten
Rohmaterialien bestand, durch Eigenproduktion beschafft wurde, soweit
nur die Bodenverhältnisse dies ermöglichten. Der Kauf kam hier nur als
„Lückenbüsser^'ö) in Betracht.')
Zu denjenigen Waren, welche auf dem Gute nicht hergestellt wurden,
weil der nötige Rohstoff fehlte, gehörte das in der Landwirtschaft der
Alten so wichtige Pech, womit die grossen Wein- und Ölgefässe be-
strichen wurden.®) Es wurde, wie bei uns, aus dem Harze der Kiefer,
die in Italien nur in Gebirgsgegenden,^) wie in Bruttium, vorkam, gekocht. '<^)
Unter den Einfuhrwaren des Gutes spielte es eine nicht unwichtige
RoUe.^*) Nach Columella brauchte man für ein dolium, das IV2 culletis
(= 7,859 Hektoliter) hält, 25 Pfund Pech.^«) Auf Catos Musterwein-
plantage von 100 iugera hielt man Dolien mit einem Gesamtinhalt von
800 culleij berechnet für den Ertrag von fünf Jahren,*^) was 160 ciiUei
pro Jahr macht. Zu der Verpichung dieser Gefässe brauchte man also
jährlich mehr als 2600 Pfund Pech.
1) c. 56. 58.
2) c. 23, 1 maenae emantur (für die Erntearbeiter), vgl. c. 88, 2 mena arida.
3) c. 58. haüex (oder alleCy halex, die Handschriften schwanken) ist hier nicht,
wie sonst, die als Rückstand bei Bereitung des garum gewonnene schlechte Fischsauce,
sondern ein Gemisch aus kleinen, wertlosen Seefischen oder Fischresten (A. Marx in
Pauly -Wissowas Eealenct/dop. zu cUlec), was schon Schneider zu der Stelle richtig be-
merkt hat: Judecem] salsum piscem.
4) J. Marquardt, Privatlehen der Römern S. 441.
5) c. 58.
6) K. BUcher gebraucht das Wort als Bezeichnung für den römischen Handel über-
haupt, Zeitschr, /*. die gesamte StOMtswiss., 1894 S. 201.
7) c. 2, 6 : siquid desit in annfim, uti paretur.
8) dolia picare, Cato 2, 3. 39, 1 u. ö.
9) Nissen, Italische Landeskunde, I, 426.
10) Plin. n. h. XVI, 53.
11) Verg. Georg, I, 273 ff.;
saepe oleo tardi costas agitator aseüi
vilibus aut onerat pomiSy lapidemque revertens
inctisum aut atrae massam picis urhe reportat.
12) Colum. XII, 18, 7. — Palladius X, 11, 1 dagegen rechnet auf ein dolium zu
200 congii (= 6,55 Hl.) nur 12 Pfund Pech.
13) c. 11, 1 dolia ubi quinque vindemiae esse possint culleum DCCC. Vgl. Varro
r. r. I, 22, 4.
Dei' römische Chitshetrieh. 35
Das Kochen des Peches steht schon auf der Grenze zu der gewerb-
lichen Tätigkeit. Von den Gewerbserzeugnissen im gewöhnlichen Sinne
des Wortes konnten nur wenige auf dem Gute produziert werden, weil
die Herstellung eine technische Fertigkeit erforderte, welche die Guts-
sklaven nicht besassen. Von berufsmässig ausgebildeten Handwerkssklaven
findet man nämlich auf Catos Mustergütern keine Spur.
Unter solchen Umständen musste der Kreis des sogenannten „Haus-
werks" auf diesen Gütern ziemlich beschränkt sein.
Wie oben bemerkt, ist Cato eifrig bemüht, immer eine produktive
Beschäftigung für die Gutssklaven zu erfinden, seinem Grundsatze getreu,
die vorhandene Arbeitskraft so intensiv wie nur möglich auszunutzen.
Immer aufs neue kommt er auf die Frage zurück : wie soll der Gutsherr
seine Sklaven beschäftigen, wenn das Wetter oder die Jahreszeit die
Feldbestellung hindert?
cum tempestates 2>l^^(f'^ fiterint — sagt er — quae opera per
imbrem fieri potuerint, dolia lavari, picari, villam purgari, frumentum
transferri, stercus foras effhri, stereilinum fieri, semen purgari, funes
sarciri, novos fieri; centones, cuculiones familiam oportuisse sibi sar-
cire. ^) — Ubi tempestates malae erunt, cum opu^ fieri non poterit, stercus
in stereilinum egerito, bubile, ovile, cohortem, villam bene purgato. dolia
plumho vincito vel materie quemea + virisicca (die Lesart ist verdorben,
Keil konjiziert bene sicca, Hauler vere sicca) alligato . . . Per imbrem in
mlla qiuierito quid fieri possit ne cessetur, munditius fadto. cogitato,
si nihil fiet, nihilo minus sumptum futurum J) — Per hiemem lucu-
bratione haec facito. ridicas et palos, quos pridie in tecto posueris, siccos
dolato, faculas facito, stercus egerito.^) — Namentlich soll man für die
Weinlese alles bei guter Zeit vorbereiten: vasa laventur, corbulae sar-
ciantur, picentur, dolia quae opus sunt picentur. quom pluet, quala
parentur, sarciantur, far molatur, maenae eynantur, oleae caducae sal-
liantur.^)
Als Hausarbeit der Sklaven erscheint hier also, neben gewöhnlichen
Haushaltsbeschäftigungen, das einfache Behauen der für die Weinreben
als Stützen erforderlichen Pfähle und das Schnitzen von Fackeln, femer
Seiler- und Korbflechtarbeit und das Ausbessem der Dolien, schliesslich
das Flicken der Arbeitsröcke, centones. Ausser diesen in den Mussestunden
zu verrichtenden Arbeiten mögen wohl auch einige andere leichtere gewerb-
liche Arbeiten in der Regel durch die Gutssklaven ausgeführt worden sein.
Aber in Ermangelung bemfsmässig ausgebildeter Gutshandwerker musste
der grösste Teil der Gebrauchsgegenstände von aussen bezogen werden.
1) c. 2, 3.
2) c. 89, 1 f.
3) c. 37, 3.
4) c. 23, 1. Die Streichungen der kleinen Teubner- Ausgabe sind UDuotig. Hauler
a. O. S. 20.
3*
36 M. Ghimmerus,
und für jede schwierigere auf dem Hofe zu leistende gewerbliche Arbeit
mussten auswärtige Handwerker gemietet werden.
Wie sich in den einzelnen Gewerben das Verhältnis zwischen der
Eigenproduktion des Gutes und der selbständigen Industrie gestaltete,
wird jetzt der Gegenstand der Untersuchung sein.
Das Spinnen der von den eigenen Schafen erzeugten Wolle und das
Weben und Zuschneiden der Kleider für die Hausleute war bei den
Römern, wie es in modemer Zeit noch vor kurzem auf den Bauernhöfen
der Fall gewesen ist, eine Hauptbeschäftigung der Hausfrau und ihrer
Mägde. ^) Aber in dieser wie in vielen anderen Hinsichten bemerkt man
bei Cato eine Auflösung des altpatriarchalischen Hauses.
Zwar kommt unter den Inventarien der villa auch der Webstuhl,
tela togalis, vor.*) Auffallend ist es aber, dass im c. 143, wo die Pflichten
der Wirtschafterin, vilica, aufgezählt werden, das Spinnen und Weben
nicht erwähnt wird. Es erklärt sich dies, wenn wirklich, wie aus c. 10
und 11 hervorzugehen scheint, die vilica unter dem Gutspersonal die einzige
Frau ist. Die Sklavinnen — denn solche konnten in der familia eines
vermögenden Gutsbesitzers nicht fehlen — wurden offenbar nicht zu der
familia rtcstica, sondern zu der familia urbana gerechnet und standen
unter der unmittelbaren Aufsicht der Hausfrau selbst.'^) Wird doch als
selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Grundherr nicht auf dem Gute
residiert, sondern nur gelegentlich besuchsweise dahin kommt. ^)
Wie dem auch sei, so scheint es doch, dass auf den catonischen
Mustergütern die Kleider, wenigstens der Sklaven, nicht im Hause ver-
fertigt, sondern gekauft wurden. Als vestimenta familiae werden in c. 59
eine tunica und ein Mantel, sagum, erwähnt, die alle zwei Jahre den
Sklaven gegeben werden und welche, wenn sie abgenutzt sind, zu Flick-
röcken, centones, gemacht werden. Die letzteren werden unter den Guts-
inventarien ausdrücklich genannt.*) Als Fussbekleidung dienen Holz-
schuhe, sculponeae.
Im c. 135, wo Cato verschiedene mittelitalische Städte als Bezugsorte
für etwaige Gebrauchsgegenstände aufzählt, heisst es nun (§ 1): Bamae
tunica^, togas, saga, centones, sculponeas (sc. emito): CalihiLS et Minturnis
cuculliones (Kapuzen, die an den Mänteln befestigt und zum Schutze
gegen die Sonne über den Kopf gezogen wurden). Schwerlich würde
Cato diesen Rat gegeben haben, wenn jene Kleidungsstücke noch mit
Vorteil zu Hause hätten verfertigt werden können. So erklärt es sich
1) Die Belege bei Marquardt, Privatleben, S. 58 A. 2. Plautus, Merc. 396, zählt
unter den Beschäftigungen des Dienstmädchens sowohl das Spinnen, pensum facere^ als
das Weben auf.
2) c. 10, 5. 14, 2.
3) Die domtna wird nur einmal, c. 143, 1, iu Catos Buche erwähnt.
4) S. oben S. 24 A. 2.
5) c. 10, 5. 11, 5 centones pueris VI.
Der römische Gutsbetrieb. 37
auch, warum die auf dem Gute erzeugte Wolle nicht an Ort und Stelle
verarbeitet, sondern verkauft wurde. ^) Gern verkaufte man Jahr für
Jahr den ganzen Ertrag der Schafherde — Milch, Käse, Wolle und
Lämmer — einem Unternehmer. ^) Offenbar hatte die städtische Industrie
auf dem Gebiete der Textilindustrie das Hauswerk der alten Zeit zu be-
einträchtigen begonnen. Nur das Flicken der centones und cuculliones
wird noch als Hausarbeit der Sklaven genannt.'') Die pila fullonica, die
in dem Gutsinventar vorkommt,*) diente vermutlich nur zum Reinigen der
getragenen Kleider, nicht zum Verfilzen neuer Wollstoffe.
Ob auch die mannigfachen in c. 10 und 11 erwähnten Decken, Kissen,
Matratzen u. s. w. (operimenta, instrata, instragula, pulvini, culcitae, cet.)
zu Hause verfertigt oder gekauft wurden, wird nicht gesagt. Wahr-
scheinlich ist das letztere.
Cato rät dem jungen Landwirt sich nicht sogleich auf Neubauten
einzulassen, sondern damit lieber zu warten, bis die Äcker in gutem
Stande sind.*) In der Tat erforderte der Aufbau einer villa mit den
nötigen Vorratshäusern einen bedeutenden Geldaufwand, um so mehr als
man mit den eigenen Arbeitskräften nicht fertig wurde, sondern die
Arbeit durch gedungene Handwerker, fabri, ausführen lassen musste.
Denn die Mauerarbeit, die grosse Präzision erforderte, konnte den un-
kundigen Gutsklaven nicht übergeben werden. Deshalb zog man es oft
vor, die ganze Bauarbeit einem faber in Verding zu geben.
In c. 14 werden die zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer,
condudor, festzustellenden Kontraktsbedingungen erörtert. Dieser hatte
nicht nur die betreffenden Baukonstruktionen aus Stein und Holz aus-
zufühi-en, sondern wenigstens teilweise auch die Einrichtung zu liefern:
Bänke, Stühle, Webstühle, Walkmühlen u. s. w. Jener hatte für die Arbeit
alles Material zu stellen: Bauholz, Steine, Kalk, Mauersand, Wasser,
Lehm u. s. w. Ausserdem sollte er eine Säge und eine Richtschnur, lineüj
geben.«) Es scheint diese Sitte ein Überrest aus älterer Zeit zu sein,
wo der Handwerker vom Arbeitsgeber nicht nur das Material, sondern
auch Werkzeuge, wie hier die schwer transportable grosse Säge, erhielt.
Ebenso wird nach c. 15 der Aufbau von Mauern, maceriae, und
Hauswänden in Verding gegeben, wobei der Bauherr wieder den Kalk
zu liefern hat. Auch das Kalkbrennen kann einem partiarim übertragen
werden. ^ Offenbar hatte das catonische Mustergut seinen eigenen Kalk-
1) c. 2, 7.
2) c. 150, vgl. oben S. 81.
3) c. 2, 8.
4) c. 10, 5. 14, 2.
5) c. 3, 1.
6) c. 14, 3. Der verdorbene Text ist von Keil durch eine einfache Umstellung
verständlich gemacht worden.
7) c. 16.
38 H. OummeruSy
ofen, fomax. ^) Ob auch die Ziegel, lateres, an Ort und Stelle gestrichen
wurden,^) ist nicht auszumachen.«) Es mag dies durch lokale Verhält-
nisse bedingt gewesen sein. Die gebrannten Dachziegel, tegulae, nach
deren Zahl beim Hausbau dem faAer conductor die Akkordsumme be-
rechnet wird,*) kauft man am Besten in Venafrum.*) Sonst wurde be-
kanntlich die Ziegelei bei den Römern mit der gröberen Töpferei ver-
einigt. Ziegel und rohe Töpfe für Keller und Küche, namentlich die
grossen Dolien, gingen unter dem gemeinsamen Namen optui doliare.^)
Während für die Stein- und Mauerarbeit in der Regel auswärtige
Handwerker herangezogen wurden, konnte alle nötige Holzarbeit meistens
von den Gutsarbeitem selbst ausgeführt werden. Das Holz, niateria, er-
hält der dominics aus dem eigenen Walde. ^ Auch soll er längs der
Wege und Ackerraine Ulmen und Pappeln pflanzen.^) Zu geeigneter
Zeit soll er dann die Bäume fällen.^) Die so gewonnene mateHa wird
zu verschiedenen Zwecken verarbeitet: zu Pfählen, ridicae, pali, für den
Weinberg,*^) zu Hebebäumen, vedes, für die Ölpresse*^) u. s. w. Auch
werden in den Mussestunden Kienspäne geschnitzt.^*) Alles Brennholz,
ligna, wird natürlich vom Gute selbst beschaflft. Zu diesem Zwecke
werden von den Weinbergen und den übrigen Baumpflanzungen alle ab-
gehauenen Stämme und Zweige und alle Wurzeln sorgfältig in Haufen
gesammelt.^*) Wo Überfluss an Brennholz vorhanden ist, wird es ver-
kauft oder, wenn kein Absatz zu finden ist und es in Ermangelung von
Kalkstein auch nicht zum Kalkbrennen benutzt werden kann, werden
Kohlen daraus gebrannt.^*)
In welchem Umfange sonst die nötige Zimmermanns- und Tischler-
1) c. 38, wo der Bau einer fornax cälcaria beschrieben wird.
2) In der republikanischen Zeit wurden die Bauziegel gewöhnlich nicht gebrannt.
H. Blümner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei den Chriechen
und Bömem, II S. 12.
3) c. 88,3 haben die Handschriften ubi fcudcts lateres^ was Keil mit Recht in
IcUere ändert , denn es ist hier nicht vom Ziegel-, sondern vom Kalkbrennen die Rede.
4) c. 14, 4, wo die von Keil vorgenommene Umstellung im Texte des Archetypus
nicht vom Inhalte gefordert wird. Die von Cato vorgeschriebene Berechnungsweise wird
jetzt durch die aufgefundenen Fragmente des Stadtrechtes von Tarent bestätigt. S.
Hauler a. 0. S. 19.
5) c. 135, 1 tegulae ex Venafro.
6) Marquardt, Privatleben^ S. 685.
7) c. 1, 7 Silva caedua.
8) c. 6, 8.
9) c. 17, 1. 31, 2.
10) c. 37,3. — Auch in den alten Bauernkalendern, Menologia rustica, erscheint
dies als eine Hausarbeit der Winterzeit. CIL, 1, 1, Ed. 2 S. 280 Menologinm rusticum Colo-
tianum, Jan. 11: palus aquitur, scdix harundo caeditur. Men. rust. VaUense Jan. 12.
11) c. 31, 1.
12) c. 37, 3 faculas facito.
13) c. 37, 5. 50, 2. 55.
14) c. 7, 1. 38, 4.
Dei' römische Gutsbetrieb,
89
arbeit von den eigenen Leuten ausgeführt werden mochte, und was an
hölzernem Inventar von aussen gekauft wurde, lässt sich nicht leicht ent-
scheiden. Es musste sich dies je nach der Anzahl und Gewandtheit der
Sklaven verschieden gestalten. C. 18—22 wird die Einrichtung der
Ölkelter, torcularium , mit der dazu gehörigen Quetschmaschine, trapetus,
und der Wein- und Ölpresse, prelum^ von Cato in allen ihren Einzelheiten
genau beschrieben. Er scheint dabei vorauszusetzen, dass die Holzarbeit
von den eigenen Leuten ausgeführt wird, während man die Eisenkonstruk-
tionen dem Schmiede, faber, überlässt.')
Neben der Holzarbeit bildet die Anfertigung von allerlei Flecht-
werken eine Hauptbeschäftigung der Hausleute in den Mussestunden. -)
Namentlich werden für die Oliven- und Weinlese die erforderlichen Körbe
zu Hause geflochten und zu dem Zwecke die Weidenruten, vimina, sorg-
fältig aufbewahrt.»)
Aber nicht alle Flechtwaren konnte man zu Hause herstellen. Be-
sonders die fiscinae, die aus Binsen, Eibischruten oder spanischem Pfriemen-
gras, spartum, geflochten wurden, und worin die Oliven und' Trauben
unter dem prelum gepresst wurden,^) musste man von den städtischen
Handwerkern kaufen. *) Vermutlich war dies auch mit vielen der übrigen
aus Flechtwerk gemachten Bedarfsartikel der Fall, die unter den Guts-
inventarien vorkommen: crates, fiscellae, sportae, »irpeae, urnae und am-
lihorae sparteae, quala sataria u. a. Ob die corbulae amerinae^) wirklich
aus Ameria in Umbrien bezogen wurden, wie Magerstedt annimmt, ^ oder
ob corbulae ameiinae, wie fiscinae romanicae und campanicae , nur eine
gewisse Qualität von Körben bezeichnet, lässt sich nicht entscheiden.
Auch später war Ameria durch seine Weidenruten berühmt.'')
Seile und Stricke wurden entweder aus spartum oder aus Riemen
gedreht.^) Dass diese Arbeit von den Hausleuten ausgeführt werden
konnte, zeigt die schon öfters zitierte Stelle c. 2, 3, wo als Beschäftigung
1) c. 21, 5.
2) c. 23, 1 corbulae sarciantur . . . quala parentur^ aarciantur.
3) c. 31, 1 vimitia maturaj salix per tempua legatur, uti sit unde corbulae fiant
et veter es aarciantur. c. 33, 5 vimina ^ unde corbulae fiant , conservato. Vgl. c. 23, 1.
26. 68: fiacinaCy eorbulaef quala,
4) Bltimner, Technologie I, 338.
5) An der verdorbenen Stelle, c. 135, 2 f. heisst es: fiacinae campanicae -f eame
utilea aunt. funea aubductarioa, apartum omne Capuae: fiacinaa romanicaa Sueaaae, Caaino
* optimae eruni Bomae, Die verschiedenen Verbesserungsversnche der Herauigeber
sind sämtlich ansicher. Am besten begründet ist die Konjektur Pontederas: fiacinae
campanicae oleariae utilea aunt. Welches inatrumentum ruaticum vor optimae genannt
gewesen ist, ist nicht ausKomachen.
6) c. 11,5.
7) A. Fr. Magerstedt, BOder aua d. räm. Landwirt$ehaft^ 1, 176. Das flelMige Werk
lässt an Gtoaoigkeit dar Zitate und philologischem VentimUiit viel su wünschen übrig.
8) Jmerim müix, Golam. lT«aO»i. Ftta. «. h. XVI, 177. .
i) c* 8, 5 funfM h^r^i und itparieu
40 H. Gmnmep'us,
der Sklaven an Regentagen auch funes sarciji, novos fieri genannt wird.
Die Qualität der zu Hause gedrehten Seile mag jedoch nicht allzu gut
gewesen sein. Es wurden Stricke von allen Sorten in Capua gekauft.^)
Dies erklärt sich um so leichter, als das Rohmaterial, spartum, in Italien
nicht einheimisch war, sondern importiert wurde, hauptsächlich aus
Spanien, 2) wo es noch jetzt unter dem Namen eaparto bekannt ist.=0
Zu den funes lorei dagegen erhielt man das Rohmaterial, die Häute,
vom Gute selbst. Es mag sein, dass die einfachen Riemen, lora, teilweise
zu Hause verfertigt wurden, wie es noch hie und da bei den Bauern ge-
schieht. Gewöhnlich aber überliess man die Arbeit einem Seiler, restio.
Es geht dies aus c. 135, 3 — 5 hervor. Cato rät hier die funes lorei, be-
sonders den für die Ölpresse erforderlichen funis torculus, aber auch zu
anderen Zwecken bestimmte Seile (in plostrum, ad aratrum u. s. w.) durch
den Seiler L. Timnitis zu Casinum oder C, Mennius L. filim in Venafrum
zusammendrehen zu lassen. Die Häute, coria, die man dem Seiler gibt,
muss man erst gerben lassen. Diese Arbeit war in der älteren Zeit „eine
häusliche, nicht gewerbmässige Tätigkeit, welche auf dem Lande in allen
grösseren Wirtschaften ausgeübt wurde."*) Jedoch trat die Gerberei bei
den Römern schon früh als besonderes Gew erbe auf. Die Gerber, coriarii,
kommen schon unter den ältesten Handwerkerzünften, denen des Numa,
vor. 5) Es ist darum anzunehmen, dass auch das Gerben der vom Gute
gewonnenen Häute einem städtischen Handwerker überlassen wurde.
Wir kommen jetzt zu Gebieten, auf denen der Gutsbesitzer nach
Catos Darstellung ausschliesslich auf das städtische Gewerbe angewiesen
ist, der Töpferei und der Metallindustrie. Unter den in c. 10
und 11 aufgezählten Gutsinventarien nehmen die Gefässe und Geräte aus
Ton und Metall einen bedeutenden Raum ein.
Die Arbeit in Ton gehört zu den ältesten Gewerbszweigen. Ur-
sprünglich wurden die Gefässe kunstlos mit der Hand geformt. Gefässe
dieser Art hat man in der altlatinischen Nekropole am Albanersee und
in den Gräbern auf dem Esquilin gefunden.^) Sie sind ohne Hilfe der
Drehscheibe gemacht und nur unvollständig gebrannt. Es ist anzunehmen,
dass die Töpferei auf diesem Stadium noch als Hauswerk betrieben \^Tirde.
Die Alten selbst waren dieser Ansicht") Aber sehr früh muss sich ein
besonderer Stand von berufsmässigen Töpfern gebildet haben. **) Unter
1) c. 185, 3 funes subductarios, spartum omne genus Capuae.
2) Strabo IIT, 4, 9 : tt^v axoivoTtXoxixriv tpvov anagtov i^ayoiyriv fxovöav tig ndvxu
t6nov xal ^idXtöta sig rr}V 'ItaXiav.
3) Blümner, Technologie, I, 294.
4) Blumner, Technologie, I, 256.
5) Plut., Numa 17 axvrod^'tpai neben (xxvrordfioi, Schuster.
6) W. Heibig, Die Italiker der Poebene, S. 82 ff.
7) Tib. I, 1, 39: Fictilia antiquus primum sibi fecit agrestis
pocula de facili composuitque luto.
8) Vgl. E. Wezel, De opificio opificibusque apud veter es Romanos, Berlin 1881, S. 22 ff.
Der römische Outsbetrieh, 41
den ältesten Handwerkerzünften befand sich auch diejenige der Töpfer,
figuli.^) Zu Catos Zeit hatte sich die Töpferei gänzlich von der Haus-
wirtschaft losgemacht.^) Die vielen verschiedenartigen tönernen Gefässe,
die bei Cato als Gutsinventarien vorkommen, in erster Reihe die grossen
Wein- und Ölgefässe: seriae, dolia, lahra, amphorae, dann eine ganze
Menge kleinerer Gefässe, wie umae, urcei, lagonae, caUces, concue,
aulae (oder ollae) , sowie Lampen , lucemae u. s. w. wurden in der Stadt
gekauft. Die grossen Wein- und Ölfässer soll man, sagt Cato, in der
Hauptstadt selbst kaufen.'*) Sonst aber wurde das Tongeschirr zweifel-
los aus den campanischen Städten bezogen, obwohl Cato dies nicht aus-
drücklich bezeugt.*) Denn die einfachen campanischen Töpferwaren,
Campana supellex,^) waren gerade als Küchengeschirr sehr beliebt.^»)
Besonders in Cumae und Cales blühte diese Industrie.') Auch Varro
kannte den guten Ruf des calenischen und cumanischen Geschirrs.^)
Als Hausarbeit bleibt also auf diesem Gebiete nur das Ausbessern
und Kitten^) wie das Auspichen der Dolien/**) das durch die Hausleute
an Ort und Stelle ausgeführt wird.
Wie die Töpferei gehört auch die Met allarbeit zu den Gewerben,
die am frühsten von der Hauswirtschaft losgelöst wurden. Unter Numas
Handwerkerzünften befanden sich auch die fabri aerarii^^) Ob mit dieser
Benennung nicht nur die Erzschmiede, bez. Erzgiesser, sondern auch die
Eisenschmiede, fahrt ferrarii, bezeichnet worden sind, *') sei dahingestellt.
1) Plut. Numa 17: xtgatulg. Plin. n. h. XXXV, 159.
2) Wenn M. Voigt, Die XIL Tafeln, I, S. 27 A. 45 zu der eben angeführten
Tibullus-Stelle sagt: ,Mit Rücksicht hierauf behandelten die Sasernae die Töpfer-
fabrikation als Stück der res rustica*, so hat er die SteUe bei Varro, r. r. I, 2,22
falsch verstanden. Wenn einige Grundbesitzer Ziegeleien und Töpfereien, figlinae^
auf ihren Gütern anlegten , so geht dies keineswegs auf die alte Zeit der Hanswirt-
schaft zurück, wo der Landwirt sein Töpfergerät selbst anfertigte, sondern zeigt gerade
umgekehrt den Reim der neuen kapitalistischen Betriebsform der römischen Töpfer-
industrie.
3) c. 135, 1 Romae dolia^ labra. Vielleicht ist jedoch zu lesen: Albaej Ramae dolia,
labrttf s. unten S. 44. — Vgl. die Grabschrift des M. Manneius M, l Apeüa cuUearius
aus Rom, CIL. VI, 83846.
4) Die umae und urceiy welche man nach c. 135, 2 in Capua kaufen soll, sind
nicht tönerne, sondern eherne Gefässe, s. unten S. 43 A. 8.
5) Hör. Sai. I, 6, 118.
6) H. Blümner, Die gewerbliche Tätigkeit der Völker des klassischen Altertums,
S. 115 ff.
7) Marquardt, Privatleben, S. 659. 661 A. 2. Blümner a. 0. S. 116. 118.
8) Varro bei Nonius 545,2 (Müller): Calenas obbas et Oumanos calices. Irrig
zitiert Hülsen (Pauly-Wissowa, III, 1852) Cato c. 135 als Beleg für die calenische Ton-
industrie. Es wird da nur von calenischen Met all waren gesprochen.
9) c. 89, 1 : vincire, aUigare oder sarcire.
10) c. 2, 3. 23, 1. 39, 1: picare. Auch in den Bauemkalendem : Menol. rust. a. O.,
Sept. 13: dolea picantur.
11) Plin. n. h. XXXIV, 1. Plut. Numa 17: xaXxhlg.
12) So L. Beck, Die Geschichte des Eisens, I, 483.
42 H. Oummerus,
Wahrscheinlich ist es allerdings. Das griechische Wort ;^ailxei;^ hat
sowohl bei Homer als bei späteren Schriftstellern diese doppelte Be-
deutung.^) Dass Eisenschmiede sehr früh bei den Römern vorgekommen
sein müssen, geht aus allen Zeugnissen hervor, es sei denn, dass die
Kömer ihren Bedarf an Metallgeräten lange Zeit grösstenteils durch Import
von den Etruskern befriedigten. 2) Auf die alte Streitfrage, ob das Kupfer,
bez. das Erz, oder das Eisen bei den Griechen und Römern, wie bei den
europäischen Völkern überhaupt, älter ist, können wir hier nicht ein-
gehen.») Sicher ist, dass die Eisenschmiede in Rom von alters her als
selbständige Handwerker existierten, was übrigens schon in der Natur
der Sache liegt Genannt werden die fabri ferrarii zuerst von Plautus.*)
Cato erwähnt den fabe}- mit dem ausdrücklichen Epitheton ferrarim
nur einmal, und da nur gelegentlich. Er rät die Trauben in der Schmiede
aufzuhängen: ad fahrwni ferr avium pro passis eae (sc, uvae) rede servan-
tur.^) Cato scheint es also als selbstverständlich anzunehmen, dass der
Schmied in der Nähe des Gutes wohnt. Dass dieser Schmied nicht zu
den Gutssklaven zu rechnen ist, zeigt die oben zitierte Stelle,®) wo Cato,
nachdem er den Bau der zu dem traj)etiii< gehörenden cuj^a beschrieben
hat, sagt: fe^'rum factum quod opus ent uti idem faber (d. h. derselbe
der das Eisen geschmiedet hat) figat: ifBLX opus sunt [cum] plumbum
<m> cupam emito HS IUI. cupam qui concinnet et modiolos qui indut et
plumbet, o^peras fabri dumtaxat SB VIII: idem trapetum oportet accom-
modet. summa sumptti HB LXXII praeter adiutores. Der mit dieser
Arbeit beschäftigte faier ist somit ein auswärtiger, nicht zu dem unfreien
Gutspersonal gehörender Handwerker, dem der Gutsbesitzer Tag für Tag
seinen Lohn zahlt. Wenn er mit dem in c. 7, 2 erwähnten faher ferrarius
identisch ist, so haben wir ihn wohl als einen Dorfschmied zu betrachten,
der seine eigene Schmiede hat und von Zeit zu Zeit auf den umher-
liegenden Höfen gegen Tagelohn arbeitet. Er gehört offenbar der Klasse
der freien ländlichen Handwerker, welche Varro amiiversarii vicini, jähr-
lich wiederkehrende Nachbarn, nennt.')
Es scheint also, dass für alles, was an Metallarbeit auf dem Gute
nötig war, auswärtige Handwerker gedungen wurden. Dazu stimmt, dass
nach Catos Darstellung alle metallenen Geräte, und zwar sowohl die
kupfernen (bronzenen) als die eisernen, in der Stadt gekauft wurden.
1) BlUmoer, Technologie, IV, 822.
2) Beck a. 0. S. 485.
3) S. hierüber die besonoeneD Erwägungen von BlUmner, Technologie, IV, 38ff.^
sowie die etwas gefärbte Darstellung bei Beck a. 0. S. 85 ff.
4) Plautus Rud, 581.
5) c. 7, 2. Auch Plinius, w. h. XIV, 16 sagt, dass der Rauch der Schmiede,
fumus fabrilis (nach Silligs Lesart; Mayhoff koojiziert: fahriUs uvas, was denn doch zu
kühn scheint) den Trauben guten Geschmack gibt.
6) c. 21, 5, oben S. 39.
7) Varro r. r. 1, 16, 4. Darüber unten S. 68.
Der römische GuUhetrieh. 43
Die kupfernen Gefässe, vasa ahenea, waren als Küchen- und Wirt-
schaftsgeräte in jedem römischen Haushalte unentbehrlich. ^) Bekanntlich
wurden viele Gegenstände, die in unserer Zeit aus Eisen gemacht werden,
im Altertum aus Kupfer oder Bronze hergestellt. Nach Cato werden
die vasa dheiiea^) am besten aus Capua und Nola bezogen: hamac,
wnae oleariae, urcei aqtmrii, umae vinariae, alia vasa ahenea Capuue,
Noiae, ^)
Die Metallindustrie Campaniens datiert wahrscheinlich aus den Zeiten,
wo Capua und Nola etruskische Städte waren. Auch später hatten die
Bronzewaren von Campanien, und zwar vornehmlich diejenigen aus Capua,
einen guten Ruf.*) Ein L. Ävius . . . aerarius aus Capua vetus ist aus
einer Inschrift bekannt. *)
Der Handel mit bronzenen Gefässen war recht einträglich, was die
Grabschriften vieler negotiatores aerarii^) oder vascularii,'^) von denen nicht
wenige vermögende und angesehene Männer gewesen sein müssen, zeigen.
Eine Vorstellung von der Art und Weise, wie die vascularii ihren Handel
trieben, gibt uns u. a. ein aus Herculaneum stammendes Wandgemälde,
auf dem Szenen aus dem Marktleben einer kleineren Stadt dargestellt
1) Marquardt, Privatleben, S. 709.
2) c. 66, 1. 95, 1. 122. 135, 2. einfach dheneum oder ahenum: c. 10, 2. 11, 2. u. ö. aula
cihenea: c. 81; truUa ahenea: c. 13, 2, und was sonst an kupfernen Geräten genannt
wird, bes. c. 10—13.
3) c. 135,2. Die hier genannten umae oleariae und vinariae sowie die urcei
aquarii werden oft als tönerne Gefässe aufgefasst, und die SteHe wird zitiert als Be-
weis für die Bedeutenheit der Töpferindustrie in Capua, wo sie allerdings naoh den
Funden zu schliessen eine nicht geringe Blüte erreicht haben muss. (So B. Büchsen-
schütz, Die HauptstätUn des Gewerbfleisses im kkuaischen Altertum ^ S. 24 A. 6.
J. Beloch, Campanien, 2. Aufl., S. 340 A. 27. Nissen, Ital Landeskunde, II, 703. A. 8;
Allein diese Auffassung ist nicht richtig. Zwar kommen die umae und urcei meiit
als tönerne GefÜsse vor (Marquardt, Privatleben , S. 648 f.). Cato spricht c. 13, 3 aus-
drücklich von urcei fictües. Aber die in c. 11,8 erwähnten urcei aquarii sind bronzene
Gefässe, wie das ahenum coculum und die nassitema, wie es Varro, der diese Stelle zitiert
(f. r. 1, 22, 8), ausdrücklich bezeugt: ex aere ahenea, urceos, nassitemam, item alia. Auch
umae aus anderem Material als Ton sind nicht unbekannt. Cato c. 11, 2 erwähnt
umae sparteae sowie amphorae sparteae. Hama (Feuereimer) schliesslich ist wie die
römischen Eimer überhaupt (Marquardt a. 0. S. 656 A. 8) ohne Zweifel von Bronze.
Man hat also mit Marquardt a. 0. S. 714, H. Blümner, Die gewerbliche Tätigkeit,
S. 118 A. 6 und Hülsen, bei Pauly -Wissowa III, 1558 alle jene aufgezählten GefäMe
als vasa ahenea au&ufassen und die angeführte SteUe so zu übersetzen: «Feuereimer,
Ol-, Wasser- und Weinkrüge sowie andere eherne Gefässe (nicht etwa: «ausserdem
eherne Gefässe* oder «und andere Gefässe, auch eherne*, was allerdings grammati-
kalisch unantastbar wäre) aus Capua und Nola.*
4) PHd. n. h. XXXIV, 95. Vgl. BlUmner, Gewerbl Tätigkeit, S. 118.
5) CIL. X, 3988. Ein aerarius aus Benevent: IX, 1723.
6) CIL. VI, 9664 negotiator aerarius et ferrarius (Rom).
7) «Händler mit verschiedenen Gebrauchsgeschirren* (Marquardt, Privatleben,
S. 696). Vascularii in Inschriften: CIL. VI, 1065. 3592. 9138. 9952—58. 33918— 19a
(Rom); IX, 1720 (Beneventum) ; X, 7611 (Sardinien); XIV, 467 (Ostia).
44 H. Oummertis,
sind. Man sieht hier einen Kupferschmied, der seine Gefässe, Schalen
und Kessel einem Käufer feilbietet.*)
Ebenso wichtig, ja noch wichtiger wie die vasa ahenea sind für den
Landwirt die Eisengeräte, ferramenta. Solche von guter Qualität zu
haben war der Stolz jedes umsichtigen jyater familias,*) Es gehörten
dazu: Spaten und Schaufeln, j^ate, bipalium, rutrum; Hacken, ligo, rastrum,
mrculum, ferrea; Hippen, falces, besonders die Garten- und Winzermesser,
falculae arborariae, mneaticae; Äxte, secures; Sägen, serrae; Messer,
scalprum, culter, u. a. Werkzeuge und Hausgeräte.^) Sehr wichtig war
es natürlich Pflugscharen, vomeres, aus gutem Eisen zu haben.*) Noch
gehört hierzu der Arbeitswagen, plaicstrum (bei Cato x>^ostrum\ den Varro
zu den instrumenta rustica rechnet, die aus Eisen und Holz gemacht
werden. *)
Alles dieses Eisengerät kaufte man in den Städten: (c. 185, 1) Cali-
hus et Minturnis cuculliones, ferramenta, falces, palas, ligones, secures,
omamenta, murices, catellm: Venafro palas, Suessae et in Lucanis plos-
tra, treblae albae. ... (§2) aratra in terram validum romanica bona
erunt, in terram pullam campanica, . . . vomei'is indutilis ojHimus erit . . .
claves, clostra Bomae.
Die omamenta, murices und catellae sind verschiedenes Geschirr für
das Zugvieh.®) Ob man mit Keil treblae albae zu verbinden hat, ist
zweifelhaft, treblae ist wohl als Appellativ aufzufassen, denn schwerlich
darf man an die kleine Stadt Trebula nördlich von Capua denken. ') Die
gewöhnliche Deutung treblae = tribulae , Dreschwagen , ist annehmbar,
obwohl aus Mangel an Parallelstellen unsicher. Aber „weisse Dresch-
wiBigen" ist Unsinn. Vielmehr müssen wir mit den älteren Herausgebern
das Wort albae als Städtenamen auffassen und zum folgenden ziehen.
Die Interpunktion: Suessae et in Lucanis plostra, treblae. Albae, Romae
dolia, labra ist deshalb wohl die richtige. Alba ist die bekannte Stadt
am Fucinersee. — So viel ist klar: zu Suessa und in Lucanien kauft
man am besten die Arbeitswagen. Wo die Pflüge und die dazu gehörenden
einfügbaren Scharen, vomeres indutiles, zu kaufen sind, sagt Cato nicht,
denn die Attribute romanica und campanica bezeichnen nur verschiedene
1) Reproduziert ist das Bild von Jahn, AbhantU. d, Sachs. GeseÜsch. d. Wissensch.^
phil'hist Kl, 1868, Taf. II, 1, nach ihm von Blümner, Technologie, IV S. 252.
2) Vgl. die Anekdote von dem braven Landwirt and Freigelassenen C, Furitis
Chresimus , der seine ferramenta egregie facta , gravis ligones , vomeres ponderosos als
Beweismaterial vor Gericht brachte (Plinius XVIII, 41 ß.).
3) S das Inventar in c. 10 und 11.
4) c. 5, 6: aratra vomeresque facito uti bonos habeas.
5) Varro r. r. I, 22, 8.
6) S. Schneider, Conm. S. 52 u. 172.
7) Nissen, Ital Landesktinde, II, 800. — CIL, X, 4553—69 und dazu Mommsen ebd.
Der römische Outshetrieh. 45
Pflugtypen. 0 — Eom wird nur für Schlüssel und Schlösser als Bezugs-
ort genannt')
Die hier als Bezugsorte für Eisenwaren namhaft gemachten Städte
waren selbstverständlich keineswegs die einzigen in dieser Landschaft,
wo solche verfertigt wurden. Jede Stadt hatte natürlich ihre fahri
ferrarii, ferramentarii, falcarii, cultrarii, clostrarii, cluvarii, u. s. w.*) Ein
Q. Tiburtius Q. l Menolavus cultrarius zu Capua aus republikanischer
Zeit ist inschriftlich bekannt.*) Ein OnesimtLs act(pr) ferr(ariarum) aus
Cumae^) scheint Aufseher einer Schmiedewerkstatt gewesen zu sein.
Sulmo im Paelignerland war später durch seine guten Stahlwaren be-
rühmt. *) In Pompeji hat man die Werkstatt eines Grobschmiedes (ferrarius)
oder eines Wagners (jplaustrarit^) aufgefunden, worin sich ausser ver-
schiedenen Schmiedewerkzeugen auch Wagenachsen und die Felge eines
Rades befanden.^
Diese Handwerker hatten natürlich auch ihre Verkaufstätten. Ein
auf der Via Nomentana in Rom gefundener grosser dppm stellt in zwei
Reliefs die Werkstatt und den Laden des Messerschmiedes (cultrarius)
L. Cornelius Atimetus dar.*^) Die an der Ladenwand ausgehängten
krummen Werkzeuge, die Jahn als chirurgische Instrumente auffasste,
sind vielmehr allem Anschein nach Gartenmesser, falculae arhorariae,
vir^aticcLe.^) Auch Händler mit fertigen Eisenwaren, negotiatores ferrarii,^^)
kamen vor. Wahrscheinlich ein Grosshändler in dieser Branche war der
F, Caulius Coeranus negotiator ferrariarum et vinariariae zu PuteplL^^)
Alles Eisen, das in den italischen Städten verarbeitet wurde, musste
importiert werden, denn die Apenninen sind bekanntlich — mit Aus-
nahme des „toscanischen Erzgebirges" — arm an Metallen.*^) Eine un-
erschöpfliche Quelle in dieser Beziehung war von jeher die kleine Insel
1) Keil, Obaervationes ciiticae S. 57, glaubte, dass der Name der Stadt, wo der
vomeriSf oder wie er damals Doch las, romis, gekauft werden sollte, ausgefialleD sei, was
sich jedoch nicht annehmen Ifisst.
2) Die Notizen bei Buchsenschutz, Hauptsiätien , S. 45 (Nägel in Nola) und bei
Blumner, Gewerbl Tätigkeit, S. 119 (Schlüssel und Körbe aus Nola) beruhen teils auf
tiüchtiger Lesung {claves als clavi Übersetzt), teils auf unrichtiger Interpunktion {Noiae
ad Rufri maceriam daves . . . Nolae fiacinae CampanicM in Schneiders Edition).
8) Über die Spezialge werbe s. Marquardt, Privatlebeny S. 715.
4) CIL. I, 1218 = X, 8984. Ein zweiter cuUrariua in Capua X, 3987.
5) CIL, X, 1913.
6) Plin. n. Ä. XXXIV, 145.
7) Overbeck, Pomp^, 4. Aufl. 8. 380.
8) Zuerst abgebildet und beschrieben von 0. Jahn, Berichte d, Sächa. Gea. d. Wiaa.
Phil'Hiat. Kl., 1861 S. 328 ff.; Amelung, Sculpt. d. vat Mua, I S. 275 ff., Taf. 30 No. 147.
9) Guhl und Koner, Leben der Griechen und Römer, 6. Aufl. S. 779. S. Reinach
bei Daremberg-Saglio, Dictionnaire dea ÄnHquitiSt I, 1584, Art. culier.
10) CIL. VI, 9664—66 (Rom); II, 1199 (Hispalis in Baetica).
11) CIL, X, 1981.
12) Nissen, a. 0. I, 221
46 H, OummeriiSf
Elba (Hva, Al&dXua) an der etrurischen Küste, deren reiche Eisengruben
sehr früh, wie einige behaupten, schon seit dem 8. oder sogar 10. Jahrh.
V. Chr., von den Etruskem betrieben wurden.*) Von dieser Insel wurde
das Eisen in rohem Zustande nach den Hafenstädten des Festlandes, nament-
lich Puteoli (Dikaiarchia), geführt, wo es von den Grossindustriellen auf-
gekauft und in ihren Werkstätten teils zu „vogelähnlichen" Masseln,
teils zu Hacken, Sicheln und anderen Werkzeugen geschmiedet wurde.
Die puteolanischen Eisenwaren wurden dann von Kaufleuten über das
ganze Land verbreitet. Die Masseln wurden wohl an die Handwerker der
Binnenstädte verkauft.^) Der oben genannte Eisenhändler P. Caulius
Coeranus hatte sich offenbar durch das Geschäft bereichert, da er in der
Inschrift als Patron eines Freigelassenen erscheint.
Ehe wir das Gebiet der Metalle verlassen, ist noch die Verwendung
des Bleies bei Cato zu besprechen. Bleierne Öl- und Weingefässe
waren bei den Römern neben den ehernen im Gebrauch, besonders im
torcularium^) Solche wurden von den Bleiarbeitem, plumbarii, gemacht,
die ausserdem die Bleiröhren , fistulae plumbeae, für die Wasserleitungen
verfertigten.*) Sonst erwähnt Cato die Anwendung von Blei noch bei
dem Aufbau des prelum im Kelterhaus,*) bei der Zusammenfügung des
trapetus^) und zum Dichten und Ausbessern der Dolien.') Das Blei, das
man zu diesen Zwecken kaufte,^) kam wohl meist aus Spanien, wo sich
reiche Bleigruben befanden.") Von da wurde es in grossen Blöcken nach
Italien importiert. Solche Blöcke mit Stempeln aus republikanischer
Zeit hat man in Spanien an mehreren Orten gefunden.*^)
1) L. de Laonay bei Daremberg-Saglio, Dict des Ant., II, S. 1084, Art. ferrum.
2) Diodor. Y, 18, dazu L. Beck, Geschichte des Eisens, I, 476. — GrosaiDdustrielle :
taiha &h tä (poQtUx tivkg ojvoviibvoi xal tsxvlx&v xaln^av nlffiog Scd-goi^ovreg xattg-
ydiovrai. — Das rätselhafte ögv^tov tvnovg erklärt Beck als , beiderseits spitz zulaufende
Masseln, ein Halbfabrikat, in welcher Form das Eisen entweder verhandelt oder direkt
weiter verarbeitet wurde*. Die Konjekturen der Herausgeber (onlatv, tdgvojv oder ö^xav)
sind also überflüssig. — Die Beschreibung bei Diodor stammt von Timaios (K. Mülleuhoff,
Deutsche Altertumskunde, 2. Aufl. 1, 452. Job. Geffcken, Timaios' Geographie des IVestens^
Philol, Untersuch, von Riessling und von Wilamowitz-Moellendorff, H. XIII, S. 65 f.),
stellt also die Verhältnisse des 3. Jahrh. t. Chr. dar, hat aber ohne Zweifel ihre
Gültigkeit auch für eine spätere Zeit. Denn die Blüte von Dikaiarchia begann doch
eigentlich erst, nachdem die Stadt im J. 194 y. Chr. eine römische Kolonie mit dem
Namen Puteoli geworden war (Beloch, Campanienj S. 90.).
3) c. 66, 1 : cortina plumbea. Vgl. Col. XII, 19, 6. 20, 4. 52, 10: plumbeum, sc. vas.
Als Weingefäss: Cato c. 105, 1. 107, 1: in aheneum auf in phimbeum, c. 122: in vaso
aheneo vel in plumbeo.
4) Marquardt, Privatleben, S 716 ff.
5) c. 18, 4.
6) c. 20,1; 2. 21,5.
7) c. 39, 1 doUa plumbo vincito, als Beschäftigung bei schlechtem Wetter.
8) c. 21, 5: plumbum in cupam emito.
9) Blümner, Technologie, IV, S. 89 f.
10) CIL. U. Suppl S. 1001.
Der römische Chüshetrieb, 47
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, alle von Cato erwähnten Ge-
brauchsgegenstände in die Untersuchung hineinzuziehen. Das würde uns
zu viel auf technische Einzelheiten führen, ohne dass dennoch Vollständig-
keit erreicht würde. Denn schwerlich konnte Cato alles ohne Ausnahme
aufzählen, was in der Haushaltung an Eonsumtionsartikeln nötig war.
Wir wollen nur noch eine landwirtschaftliche Maschine besprechen, über
die Cato besonders ausführliche Aufschlüsse gibt, den trapetm, worin die
Oliven, ehe sie unter die Presse, prelum, kamen, erst zerquetscht wurden.
Die Hauptteile des trapetics, der wie das prelum im Kelterhaus,
torcularium , stand, waren ein runder Mörser, mortarium, aus hartem,
vulkanischem Gestein, und die beiden Quetschsteine, orhes, die sich in dem
Mörser um einen eisernen Zapfen drehten.^) Diese Maschine kaufte sich
der Ölplantagenbesitzer in der Stadt. Nach Cato konnte man sie aus
Suessa, Pompeji, Nola oder Rufrium beziehen.*) Über die Einkaufskosten
macht Cato in c. 22, 3; 4 genaue Angaben. Zu Suessa zahlte man für
einen trapetus 400 Sestertien und 50 Pfund Öl (= 25 Sest). Die Zu-
sammenfügung kostete 60, der Transport mit Ochsenwagen 72, die
„Büchse", cupa,^) 72, alles zusammen 629 Sest. Zu Pompeji kostete ein
trapetm ornatus 384 Sest., der Transport davon 280, die Zusammen-
fügung am Bestimmungsorte*) 60, zusammen 724 Sest. Auch konnte
man für alte Maschinen neue Quetschsteine kaufen. Sie kosteten in
Rufrium oder in Pompeji*) 180 Sest, die Montierung der Steine 30 Sest.
Diese Kostenberechnungen sind von grossem Interesse. Der verhält-
nismässig hohe Preis, der für eine komplette Ölquetschmaschine bedingt
wird, zeigt, dass die verbesserte Technik der Ölbereitung, welche die
Erfindung dieser Maschine mit sich führte, nur dem kapitalstarken Grund-
besitzer zu Gute kommen konnte. Denn schwerlich vermochte der Klein-
bauer die für den Ankauf eines trapetus nötige Summe aufzubringen, er
1) S. die BeschreibuDg bei BlUmner, Technologie j I, S. 338 ff. and die Erläatening
des zu Stabiac ausgegrabeDen Kelterhauses S. 346.
2) c. 22, 3. 135, 2. Die letztere SteUe haben die Herausgeber miMverBtanden.
Schneider interpungiert : Trapeti Pompeüs, Nolae ad Rufri maceriam elaves, Clostra
Romae, Keil dagegen: trapeti Pompeis, Nolae ad Rufri maceriam: daves, clostra Romas,
was sicher das richtige ist. Nur sollte er nicht ad Rufri maceriam zu Nolae ziehen,
wie wenn hier von irgend einem Platz in dieser Stadt die Rede wäre. Ad Rufri ma-
cerias findet sich auch c. 22, 4, und zwar ohne die Zusammenstellung mit Nola. Dies
verbietet uns an einen Handwerker (Steinhauer) Rufirius zu denken, wozu sonst die
Inschrift aus Trebula (nördlich Ton Capua) CIL. X, 4563: Ä. Rufrius Thamyr{us\
A. Rufrius Eleg[ans] Augustales einladen würde. Es ist klar, dass hier die alte
Samniterstadt Rufrium, später Rufrae oder ad Rufras genannt, gemeint ist (Mommsen
in CIL, X, 1 S. 475. Nissen, Bai, Landeskunde, TT, 2 S. 797). Sie lag im nürdUchen
Campanien, südlich von Venafmm auf dem Wege von Casinum nach Teanum.
8) Über diesen Maschinenteil s. Blümner a. 0.
4) Vgl. c. 135, 7: trapetum übt arvectum erit, ubi statues, ibi accommodato con-
cinnatoque. Diese Zusammenfügung wird in c. 20. 21. 22, 1; 2 genau beschrieben.
5) Die Steine wurden aus der harten Lava der benachbarten Berge gehauen.
48 H. Onmmertis,
niusste bei der alten primitiven Ölbereitungsmethode stehen bleiben. Nach
dem Ausspruche des in der Zeit Traians lebenden Juristen Neratius
Priscus sollte der Gutsherr seinem Pächter u. a Gutsinventarien auch
einen trapetus geben.*) Der Grund ist klar: der kleine Pächter konnte
diese Maschine nicht auf eigene Kosten anschaffen. Wie dieser Umstand
zu Gunsten der Grosswirtschaft wirken musste, ist klar.
Zweitens beweisen diese Berechnungen, dass man trotz der hohen
Transportkosten — für die in Pompeji gekaufte Maschine belaufen sie
sich auf 2/5 der Gesamtkosten — kein Bedenken trug, auch sehr schwer-
transportable Waren auf dem Landwege selbst längere Strecken zu
schleppen.^)
Drittens gilt es Cato zwar als vorteilhafter die Maschine erst am
Bestimmungsorte zusammenfügen zu lassen {domi melius condnnatur et
accommodatur); aber fast ebenso gewöhnlich war es offenbar, dass die
Montage am Bezugsorte von dem Verkäufer besorgt wurde.
Fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchung zusammen.
Der Umstand, dass Cato in seiner Darstellung, soweit sie nicht
technische Detailfragen berührt, zwei bestimmte Musterplantagen, ein
Ölgut von 240 iugera und ein Weingut von 100 itigera im Auge hat,
gewährt uns in die Organisation des Gutsbetriebes einen klaren Einblick.
Die Produktion auf diesen Gütern ist auf den Absatz gerichtet, wobei
natürlich das Öl bez. der Wein das hauptsächlichste Verkaufsobjekt ist.
Das Ziel der Wirtschaft ist eine hohe Rente aus dem angelegten Kapital
herauszuwirtschaften. Um die Produkte mit Vorteil absetzen zu können,
soll man auf gute Verbindungen mit dem Absatzorte Gewicht legen. Andrer-
seits soll man die Betriebskosten soweit als möglich herunterzudrücken ver-
suchen. Die vorhandene Arbeitskraft soll man methodisch auszunützen
wissen, direkte Ausgaben möglichst vermeiden, nach dem Grundsatz: viel
verkaufen, wenig kaufen.
Alle dauernd auf dem Gute angestellten Leute gehören dem Sklaven-
stande an. Aber daneben beschäftigt das Gut regelmässig auch freie
Tagelöhner. Wo man nur eine geringere Anzahl Hilfsleute braucht, be-
dient man sich der einfachen Dienstmiete. Wo aber eine grössere Arbeits-
intensität erforderlich ist, wie bei der Olivenlese und der Ölbereitnng,
vergibt man lieber die ganze Arbeit an einen Unternehmer, der sie mit an-
geworbenen Tagelöhnern ausführt. Auch kommt es vor, dass man die
Früchte auf dem Stocke verkauft, wobei man den Käufer auch mit der
Ernte beauftragen kann. Die Bestellung der Getreideäcker überlässt
man auf diesen Gütern, wo die Baumkultur die Hauptsache ist, einem
1) Dig. XIX, 2, 19, 2: ... dolia utique colono esse praestanda et praelum et tra-
pettim instructa funihus,
2) Die Entfernung von Pompeji bis Venafrum ist 110—120 KilomeU^r.
Der römische Outshetrieh, 49
sogen, politor gegen ein gewisses Prozent des Ertrages. Auch die Be-
stellung des Weinbergs vergibt man an einen partiartus, wenn man sie aus
irgend einem Grunde nicht mit eigenen Kräften besorgen kann oder will.
Die Parzellenpacht im eigentlichen Sinne dagegen erwähnt Cato nicht.
Berufemässig ausgebildete Handwerker gibt es unter den Gutssklaven
nicht. Infolgedessen können nur gewöhnliche Zimmermanns- und Tischler-
arbeiten sowie leichtere Flecht- und Seilerarbeiten durch die eigenen
Leute des Gutes verrichtet werden. Für die schwierigeren auf dem Hofe
vorkommenden gewerblichen Arbeiten dagegen müssen fremde Handwerker
gemietet werden, wenn man es nicht vorzieht die betreffende Arbeit,
wie den Hausbau, einem Unternehmer in Akkord zu geben. In anderen
Fällen überlässt man die auf dem Gute erzeugten Rohstoffe dem städtischen
Handwerker zur Verarbeitung. Aber die meisten Erzeugnisse der gewerb-
lichen Produktion werden in fertigem Zustande von den Handwerkern
und Händlern der Nachbarstädte gekauft. So alle Töpfer- und Metall-
waren, die feineren Körbe und Seile, die Arbeits- und Dreschwagen u. s. w.
Sogar die Tuniken, Mäntel und Flickröcke der Sklaven werden nicht zu
Hause verfertigt — lieber verkauft man die erzeugte Wolle roh —
sondern aus Rom bezogen.
Gnmmeras, Der römiiche Ontobeirieb.
Kap. n.
Der römische Gutsbetrieb nach Varro.
Cato hat die Landwirtschaft in die römische Literatur eingeführt.
Aber sein Büchlein konnte den gesteigerten Ansprüchen der Zeit nicht
lange genügen. Es machte sich das Bedürfnis geltend die Resultate,
die die Kunst der Agrikultur bei anderen Völkern schon längst erreicht
hatte, auch für die römische Landwirtschaft zu verwerten. Zu diesem
Zwecke wurde kurz nach der Eroberung von Karthago das grosse Werk
des Karthagers Mago, der 28 Bücher über die Landwirtschaft verfasst
hatte, auf Veranstalten des Senats ins Lateinische übersetzt.^) Mommsen-)
hat die Bedeutung dieser Massnahme eingesehen. In Italien vollzog sich
gerade damals der grosse wirtschaftliche Umschwung, infolgedessen der
bäuerliche Kleinbesitz von dem Grossgrundbesitz grossenteils aufgesogen
wurde. ^) Allein Latifundienbesitz ist noch nicht Latifundien Wirt-
schaft. Die Kunst, grosse Flächen von einem Zentralhofe aus mit ge-
waltigen Sklavenmassen zu bewirtschaften, kannten die Römer noch nicht.
Die Gutsbetriebe, die Cato in seiner Darstellung im Auge hat, sind, ob-
wohl auf Sklavenarbeit basiert, .doch keine Plantagen im grossen Stile.
Dagegen fand man bei Mago die Plantagenwirtschaft, wie sie von den
karthagischen Kaufleuten in Nordafrika betrieben worden war, voll und
fertig entwickelt.*) Wenn jemand, konnte er die römischen Kapitalisten
belehren, wie man aus grossen Arealen grosse Profite herauswirtschaftet
Dagegen ging das zweite einheimische Werk auf dem Gebiete der
Landwirtschaft, die libri de agri cultura der beiden Sasernae, Vater
und Sohn — die Abfassungszeit kann nur annäherungsweise um 100 v.
Chr. bestimmt werden — nach den spärlichen erhaltenen Überresten zu
1) Plin. n. h. XVIII, 22.
2) R. G. II, 80.
3) Vgl. oben S. 20.
4) Ein interessantes Beispiel gibt uns das bei Varro r. r. I, 17, 3 ff. erhaltene
Bruchstück des von Cassius Dionysius verfassten Auszuges aus dem magonischen Werke,
worüber unten S. 57.
De^' römische Gutsbetrieb, 51
urteilen auf dem von Cato eingeschlagenen Wege weiter. ^) Das in Gallia
cisalpina belegene Gut, auf welchem die Sasemae ihre Erfahrungen ge-
macht hatten,*) kann kein grosses gewesen sein.*) Obwohl der Gnts-
betrieb bei ihnen, wie es scheint, hauptsächlich auf dem Getreidebau
beruhte,^) so haben sie doch nach Catos Muster auch dem Öl- und Wein-
bau Rechnung getragen.^) Varro tadelt die Sasemae, dass sie in ihrem
Werke Gegenstände behandelt haben, die mit der Technik der Landwirt-
schaft im engeren Sinne nicht in unmittelbarem Zusammenhange ständen.^)
Gerade diesem Umstände verdanken wir zwei für unsere Untersuchung
wertvolle Notizen, die eine betrefifend die Parzellenpacht,') die andere
das Vorkommen von Ziegeleien auf den Landgütern.^)
Auf die beiden Sasemae folgen in der Reihe der scriptores rei
riLsticae C. Licinius Stolo®) und Cn. Tremellius Scrofa. Über
die Abfassungszeit ihrer Schriften lässt sich nur so viel erschliessen, dass
sie vor dem Jahr 37 v. Chr., wo Varro sein Werk verfasst hat, ver-
öffentlicht worden sind. *^) Das wenige, was wir durch Zitate bei späteren
Schriftstellern über den Inhalt ihrer Schriften erfahren, hat für unseren
Gegenstand keine Bedeutung.
Gehen wir zu dem zweiten uns erhaltenen lateinischen Werke auf
dem Gebiete der Landwirtschaft über, zuM. Terentius Varros rerum
ricsticarum libri tres.
Seine landwirtschaftlichen Kenntnisse hat Varro, wie er selbst sagt,
aus drei Quellen geschöpft: aus der eigenen Erfahmng, aus literarischen
Studien und aus dem, was er aus dem Munde von Sachkundigen vemahm. ^^)
1) R. Reitseistein , De scriptorum rei rusticae qui intereedutU inter Catonem et
Columellam libris deperditis. Diss. Berol. 1884, S. 5.
2) Varro r. r. I, 18, 6.
8) Die8 darf man wohl daraus schliessen, das« sie bei ihren Berechnungen der
Zahl der auf dem Gute zu haltenden Zugochsen von einem Areal von nur 200 iugera
ausgehen, Varro I, 19, 1.
4) Varro r. r. I, 19, 1 : ad jugera CC arvi.
5) Colum. I, 1, 5.
6) Varro 1,2, 22j28.
7) Colum. I, 7, 4.
8) Varro a. 0.
9) Mit Recht rechnet Reitsenstein a. 0. S. 8 auch ihn zu den landwirtachaftlichen
Schriftstellern, obwohl die Nachrichten Über ihn sehr spärlich sind.
10) R. Heinze, Anmadversiones in Varronis rerum rusticarum Uhros, Camment
phil in hon. 0. Bibbeckii^ Lipsiae 1888, S. 438, glaubt auch den terminus post quem
bestimmen zu können. Das Gespräch, worin Varro den Scrofa auftreten lästt, ist ins
Jahr 59 verlegt. Weil nun Varro das Werk von Scrofa nirgends ausdrücklich er-
wähnt, mufls es, meint Heinze, zu diesem Zeltpunkte noch nicht verfasst gewesen sein.
Aber ebenso wohl erklärt sich diese Tatsache daraus, dass Varro sowohl Stolo als Scrofa,
die ja seine Zeitgenossen waren, nicht als literarische Gewährsmänner, sondern ledig-
lich als mündliche Ratgeber auftreten lässt.
11) Varro I, 1, 11: ex radicibus triniSf et quae ipse in meis fundia oolendo ammad-
verti, et quae legi, et quae a peritis audii.
4*
52 H, Oummeriuf,
Um den Wert seiner Ausführungen für die Wirtschaftsgeschichte beurteilen
zu können, ist es vor allem nötig festzustellen, welche diese seine litera-
rischen Quellen gewesen sind und wie er sie benutzt hat.^)
An den Anfang seiner Darstellung stellt Varro ein Verzeichnis von
Schriftstellern, bei welchen, wie er sagt, seine Gattin Fundania, der er
sein Buch gewidmet hat, Aufschlüsse über das, was sie in ihm nicht
finde, zu suchen habe.*) Zuerst zählt er eine ganze Reihe griechischer
Autoren auf: Philosophen, Naturforscher, landwirtschaftliche Schriftsteller
vom Fache und Dichter. Dann wird als eine Hauptquelle die berühmte
Arbeit von Mago sowie ihre griechische Übersetzung und Umarbeitung
von Cassius Dionysius und die verkürzte Ausgabe von Diophanes erwähnt
Dieses Autorenverzeichnis darf man nicht als ein Quellenverzeichnis
im gewöhnlichen Sinne auffassen. Varro selbst gibt diese Autoren mit
den angeführten Worten, welche er dem Verzeichnis vorausschickt, seinen
Lesern nur als eventuell heranzuziehende Hilfsquellen an. Es ist sehr
fraglich, ob er sie alle selbst gelesen hat. Von den in das Verzeichnis
aufgenommenen griechischen Namen zitiert Varro im Laufe seiner Dar-
stellung, soweit wir die Spuren verfolgen können, ausdrücklich oder still-
schweigend nur wenige.^) Auffallend ist auch, dass diejenigen in dem
Verzeichnis erwähnten Verfasser, welche von Varro nicht, wohl aber von
Plinius angeführt werden, von dem letzteren durchweg für solche Gegen-
stände zitiert werden, über die Varro entweder schweigt oder sich in ganz
abweichender Weise ausspricht.*) Andrerseits hat Varro Autoren, wie
Dicaearchus und Archelaus, auf welche er sich in seinem Buche mehr-
mals beruft, in das Verzeichnis nicht aufgenommen. Aus diesen Gründen
ist anzunehmen, dass Varro die Liste, welche später Columella*) und
Plinius«) mehr oder weniger vollständig wiederholten, irgend einem der
aufgezählten Autoren entlehnt hat, vielleicht, wie E. Oder^) glaubt, Cas-
sius Dionysius, von welchem Varro sagt, dass er das magonische Werk
„aus den oben angeführten griechischen Autoren ergänzte."^)
1) Die neueste Untersuchung über diesen Gegenstand ist die Abhandlung von
Guido Gentilli, De Varronis in libris rerum rusticarum auctoribua. Estratto dagli
Studi itäliani di Filologia classica. Vol. XI, Firenzc 1903.
2) I, 1, 7: in quis (sc. sermonibus nostris) quae non inerunt et quaeres^ indicabo a
quibus scriptoribus repetas et graeds et nostris,
8) Besonders häufig Aristoteles und Theophrastus, Gentilli a. O. S. 104 ff., 115 ff.
4) a. 0. S. 142 A. 6.
5) Colum. I, 1, 7 ff.
6) In den Quellenverzeichnissen zu Buch VIII, X, XIV, XV, XVII und XVIII.
7) Bei F. Susemihl, Geschichte der griechischen Literatur in der Alexandriner-
zeit, Leipzig 1891, B. I, S. 830 A. 6. Vgl. Gentilli a O. S. 142.
8) I, 1, 10: in quae volumina de graeds libris eorum quos dixi adiecit non pauca
et de Magonis dempsit instar Ubrorum VIII. Irrtümlich erklärt Gentilli S. 153 die
letzten Worte so, dass dasjenige, was Dionysius von Mago herübergenommen hat, nur
acht Bücher in seiner Arbeit umfasst habe , während die übrigen zwölf auf die von
Der ramisrhe GuUbeMeb.
53
Mago und seine Übersetzer und Epitomatoren VaiTO als eine
Hauptquelle gedient haben, steht fest*) B. Heinze^ suchte sogar durch
eine VergleichunR derjeniisren Quellen, bei denen Yarro mit Columelln und
den griechischen «teuponikeni übereinstimmt, nachzuweisen, dass Varro für
einen grossen Teil des zweiten und dritt^^n Buches Mago-Dionysius-
Oiophanes als au^sschlieKsliche Quelle benutzt habe, und dass er sich
ihnen nicht nur inhaltlich, sondern so^ar "wörtlich angeschlos.sen habe.
Diese Behauptung ist jedoch von (ientilli^*) schlagend widerlegt worden.
Die Ansicht, dass Varro — der grosse Literaturkenner — irgend
einen Schriftsteller fiir irrossere oder kleinere Teile seine-s Werkes als
ausschliessliche Quelle benutzt hätte, ist ja schon an sich unwahr-
scheinlich, (reset^t auch, dass Varro nicht alle von ihm aufgezählten
griechischen Autoren selbst gelegen, sondern die Liste einfacli von Cassius
Dion^'sius entlehnt hat, so zeigt doch eine genaue Quellenuntersuchung,
dass die grosse Belesenlieit des l»eriihmten Polyhistors auch auf diesem
Gebiete nicht versagt hat Nur setzt uns der Umstand, dass der grusste
Teil seiner (^uellenschiiften verloren gegangen ist, ausser stände den
Uang seiner Studien zu verfolgen.
Nach der Aufzählung der ausländischen Autoren erwartet man nach
Varros oben angeführten eigenen Worten eine km*ze Erwähnung der
einheimischen. Statt dessen geht Varro sogleich zu der Exposition seiner
eigenen Arbeit über*) und lässt dann das Gespräch beginnen. Man hat
ilaher bald eine Lücke in den Handschriften, bald einen Lapsus de-s Ver-
fa^ers angenommen. Weder das eine noch das andere ist notig. Varro
hat diesen Sprung in der Darstellung offenbar absichtlich gemacht Er
begnügt sich nicht damit, die lateinischen Autoren wie die giiechischen
einfach aufzuzählen, sondern er will sie jeden für sich ausführlicher be-
sprechen,'*^) Üici? tut er in dem einleitenden üc»spräche. Nachdem hier
Fundanius die Rentalulität der italischen Landwirtsrhaft en'irtert hat,
fährt er fort (I^ 2, 9) : sed, opinor, qui haec eommörfiujf otttetidere jwssint
adsunt. tmm C. Licinium Stolonem d Cn, TnmicUium Scrofiim video
venirt\ Diese beiden Autoritüten werden dann näher charakterisiert,
und rv%ar nicht als Schriftsteller, sondern als praktische Landwirte, weil
sie nur als solche an dem Gespräch teilnehmen sollen. In den darauf
folgenden Auseinandersetzungen ober die richtige Abgrenzung des Gegen-
standes findet Varro Gelegenheit auch die älteren römischen landwirt-
ihm brniitften grirchJsf^hen Autoreti xttrückgingi'tj. Viirro niigi riclmehr^ du«« Dicjtiynius,
obgU*ich er AUi griecbi^tchen Qm*llr*n vieles In «eiiit* l'^bt'rM'tzung bitieintnig, ileniiocb
die 28 Bücher dea puniAcbeQ OrigitiHU um acht verringertt konnte,
1) IHe nach t*r kenn baren Zitat« b«i GeutUli H, 1*^7 ff.
2) a- O. 8. 484 C
3) Gt'iiliUi Ä. O. S. 141- IM.
4) I, 1, 11: quo (ik*. Diophan«') hretim dt ea f€ conor tribui UbrU esfinmere^ (*tc*
5) Heia«« a, 0. S. 4ai
54 H, Oummerus,
schaftlichen Schriftsteller, Cato^) und die beiden Sasernae,^) zu be-
sprechen.
Von diesen seinen lateinischen Vorgängern hat Varro besonders reich-
lich — am meisten im ersten Buche — Cato benutzt. Daneben zitiert
er oft Sasema, um Catos Vorschriften zu ergänzen und zu berichtigen.
Wie viel den Werken oder den mündlichen Mitteilungen des Licinius
Stolo und des Treraellius Scrofa entnommen ist, und wie viel von dem,
was Varro ihnen in den Mund legt, ihre eigenen Ansichten sind, ist nicht
auszumachen.")
Aus einer Vergleichung der noch feststellbaren Zitate bei Varro geht
hervor, dass er seine literarischen Vorlagen ziemlich nachlässig benutzt.*)
Teils holt er seine Notizen oft aus minderwertigen Auszügen, obwohl ihm
auch die primäre Quelle bekannt sein musste,^) teils lässt er sich nicht
selten schwere Missverständnisse und Verwechselungen zu Schulden
kommen. Überhaupt zeigt sich Varro in seinem ganzen Werke mehr
als Stubengelehrter denn als praktischer Landwirt. Besonders im ersten
Buche scheint das, was er auf dem landwirtschaftlichen Gebiete im engeren
Sinne aus eigener Erfahrung mitteilt, ziemlich unbedeutend zu sein.
Gegen seine Vorgänger, Cato und die Sasemae, steht er in dieser Hin-
sicht entschieden zurück, wie sehr er sich auch über ihre unmethodische
Darstellungsweise und ihren kindischen Aberglauben lustig macht. Wie
unselbständig sein Urteil in Wirklichkeit ist, wird sich unten bei der
Besprechung einzelner Stellen zeigen. Nicht ohne Grund fragt sich
darum Gentilli, an quidquam agri cvltura Varroniano opere profecerit^
Erst im zweiten und dritten Buche, die über die Viehzucht und die
pastio villatica handeln, verrät Varro grössere praktische Kenntnisse.
Wenn darum Heinze behauptet, dass Varro gerade in diesen Büchern
ad fontes stios rebus verbisqtie se applicasse, so gilt davon eben das
Gegenteil.
Die Ergebnisse seiner ebenso gründlichen wie besonnenen Unter-
suchung fasst Gentilli so zusammen (S. 163): Hac dissertatione illud mani-
feste apparet eum (sc. Varronem) plerumqtte a Oraecis vel a Catone pen-
dere, haud tarnen tarn presse sicos fontes adüsse, ut nihil novi adiungeret,
nihil, qtiod Uli experti non essent, temptaret. Wenn diese Schlussfolgenmg
richtig ist — und daran ist kaum zu zweifeln — so muss man bei der
Benutzung von Varros Werk für eine Untersuchung, die die historische
Entwickelung im Auge zu behalten sucht, sehr vorsichtig sein. Es gilt
in jedem Falle zu entscheiden, ob der Verfasser aus eigener Erfahrung
1) 1, 2, 28.
2) I, 2, 22 ff.
3) Gentilli S. 100 ff. R. Reitzenstein a. O. S. 8 ff., 12 ff.
4) Gentilli S. 154.
5) So zitiert er II, 8, 5 und III, 11, 4 Archelaus statt Aristoteles.
6) A. 0. S. 158. — Ganz anders urteilt über Varro Reitzensteiu a. 0. S. 2.
D^ römische Outshetrieh.
55
bricht, oder ob er mehr oder weniger unselbständisr seine Quellen aus-
sebreibt*
Aas dem oben gesagten ist klar, U^iäs wir aus Varros Werk ein
einheitliches Bild eines römischen Gutsbetriebes, wie es uns Catos Schiift
gewährt, nicht erhalten können. Dans Varro ein bestimmtes Mustergut
im Auge gehabt hätte, lässt sich nicht nachweisen. Zwar sagt er in der
Vorrede zum ersten Buche, dass die äussere Veranlassung seines Werkes
der Wunüch seiner Gattin Fundania gewesen sei, für die IkwirtschaHung
eines von ihr jüngst angekauften Gutes ') einen Leitfaden zu haben. Aber
nichts deutet darauf hin, dass ihm bei der Abfassung seiner Vorschriften
immer zunächst jenes Gut vor Augen gestanden liätte*
Soviel ist aus Varros Darstellung zu ersehen, dass er, obwohl er
griechische Quellen in grosser Ausdehnung benutzt hat, zunäclist italische
V^erhältnisse berücksichtigt, ctder doch berücksiclitigen will. Oas zeigt
am deutlichsten die Frage, womit Agrasius das (besprach im ersten Buche
einleitet (I^ 2, 3) : Vos, qui multm peramhulmüs terrm, ecquam mlHorefn
Italia vuii^tis? Die Antwort des Agrius: Eijo rcro nathtm arlniror essi%
qunr tnm tota »it nüta wird dann durch Beispiele erläutert (§ 4 — 7)* Aus-
einanderzusetzen, welche Grundsätze die italischen Landwirte, lialid
homines^ (§ 8) befolgt haben, wird die Aufgabe des Gespräches sein. Zu
diesem Zwecke lässt Varro zwei von den angesehensten Landwirten des
damaligen Italien* die oben besprocheneü Litinius Stolo und Tremellius
Scrofa, als Hauptredeführer auftreten. Freilich ist Varro im Laufe seiner
Darstelluni? dem Grundsätze, in erster Linie auf italische Zustände Rück-
sicht zu nehmen, nicht immer treu geblieben, was sich aus der Art
seiner Ciuellenbenutzung erklärt. Ebenso kann man sich nicht immer
darauf verlassen, dass VaiTo die zu seiner Zeit tataftclilich waltenden
Verhältnisse schildert.
Wenn wir dennoch den allgemeinen Charakter des damaligen römischen
Gutubetriebs nach Varros Darstellung zu bestimmen suchen, so zeigen sich
ziemlich dieselben Züge, die wir bei Cato haben wahrnehmen können. Die
Wein- und Ol Produktion bleibt die Grundlage des Betriebes. Dem ent^
sprechend erscheinen die cella vitiariu und okaria als obligatorische zu
der mlta ruAtica gehiirende Wirtschaftsgebäude.-) Als während des Ge-
spräches im dritten Bucht» einer der Teilnehmer ein Landgut erwähnt, auf
dem keine torcida vasa tnndemiatona, keine Heriae olmriae und trapvteii zu
sehen gewesen seien, fragt ein anderer ganz erstaunt: Quid igitur eat ida
vilhf si nee urhana hahet ornanwuta wqHv rudica mcmhraf'^ Die Knt-
Wickelung, welche It^ilien aus einem Komland in ein Wein- und Ölland
verwandelte,*) hatte offenbar seit Catos Zeiten noch weitere Fortschritte
1} Vgl* 1, 15: ««runr alii aireum ptnott u' habet ujm- in Sabmü,
8) i, 13, 1; 6; 7. Ebeotto Wi VitruviuM VI, 6, 2\ 8.
8} 111,2.9.
4) & oben S* 20*
56 H. Oummerus,
gemacht, non arboHbus consita Italia, ut tota pomarium videatur? lässt
y arro den Fundanius ausrufen. ^) Hatten doch zu dieser Zeit die italischen
Weine und das italische Öl schon ihren Weltruf erlangt. Bekannt ist
das Verbot jenseits der Alpen neue Wein- und Ölpflanzungen anzulegen,
welches nicht lange vorher erlassen worden war, ') offenbar um italischem
Wein und italischem Öl den gallischen Markt zu sichern.
Neben dem Wein- und Ölbau tritt stärker als früher die teils auf
Wiesenkultur und intensiven Futterbau, teils auf Weidewirtschaft ge-
gründete Viehzucht hervor. Die Wiesenkultur betrachtet Tremellius
Scrof a sogar als die einträglichste Bodenbenutzung. ^) Getreide dagegen
wird, wie vorher, nur für den eigenen Bedarf gebaut,*) daneben natür-
lich Gartengewächse, welche auf den städtischen Märkten Absatz
finden.^) Neu ist bei Varro die ausserordentlich entwickelte sogenannte
pastio villatica, unter welcher Benennung man die Einrichtung von Ge-
flügelzüchtereien , omithones, Wildparken, leporaria, und Fischteichen,
Piscinae, zusammenfasste.
Über die Grösse des Gutsbetriebes sagt Varro ganz allgemein,
offenbar an Cato anknüpfend,«) dass man die Wirtschaftsgebäude im Ver-
hältnis zu der Ausdehnung des Gutes weder zu gross noch zu klein auf-
führen solle.') Wie gross er sich aber ein gewöhnliches Gut denkt, lässt
sich nicht bestimmen. Soviel ist wohl klar, dass er sein Werk hauptsächlich
für Grossgrundbesitzer schreibt. Er selbst besitzt mehrere Landgüter,^) so-
wie bedeutende Schäfereien und Eselzüchtereien.*) Allein über die faktische
Grösse des Betriebes gibt uns Varro keinen sicheren Au&chluss. Seine
Vorschriften über die Einrichtung einer villa rustica mit den zugehörigen
Gebäuden ^^) sind allzu allgemein gehalten, um irgendwelche Schluss-
folgerungen in dieser Beziehung zu gestatten. Man merkt nur, wie sich
der Verfasser bestrebt, bei seinen Vorschriften den Bedürfnissen kleinerer
sowohl als grösserer Güter gerecht zu werden.*^) Ebenso wenig lässt
sich aus den Auseinandersetzungen in c. 18 schliessen, wo Varro die
Angaben Catos und Sasemas über das für den Gutsbetrieb erforderliche
stehende Arbeitspersonal kritisiert. Es beisst hier u. a. (§ 4) : mitto illtü.
1)1,2,6.
2) Cic. de rep. III, 16.
8) Varro I, 7, 10.
4) I, 69, 1 : Korn wird nur noch ad cibatum und ad satümem aus den Magazinen
geholt.
5) I, 16, 3 8ub urbe hortos. Vgl. Cato c. 8, 2 sub urbe hortum omne genus.
6) Cato c. 8, 1 ita aedißces^ ne viUa fundum quaerat (neve fundus viünm}.
7) I, 11, 1.
8) I, 15: u< ego habui in Vemvio. III, 3, 8; 13, 1 : fundus Tusculanus.
9) II pr. 6 : ipse pecuarias fiabui grandes, in Apulia oviarias et in Reatino equarias.
10) I, 13.
11) a. 0. § 3: cohortes m fundo magno duae aptiores ... § 5 nubilarium . . . magni-
tudine pro modo fundi.
[)rr rötnijirh^ Ouhhpfr'tplK
57
quod madum fwque unum ner. modicum proposmf (sc. Cttto) CCXL itigt-
rum (mmhetis mim cenfutifi, et ea CC iw/erum), aber das sagt Varro,
wie das folgende 2eigt, nur ans rein formalen Rücksichten* Eine Be-
rechnung der ArbeitÄkräfte hUtt« von dem Normalareal einer eefituria
ausgehen müssen, wenn man nicht , wie Varro e^ vorgezogen hätte, mit
Sasema das Areal, da» von einem Arbeiter bestellt werden kann, zu
bestimmen versucht. Die Fälle, welche Varro voraussetzt — dass ein
Ölgut weuigei* als 240 iugera oder doppelt so viel oder noch mehr be-
triigt, dass ein beliebiges Gut 100 ingeia Weinberg. 100 higira Öl-
pflanzung umfaßt — sind nur hypothetisch und gründen sich offenbar
nicht auf konkrete Beispiele»
Aus dem I imstande, dass sich Varro bei diesen Berechnungen wie
überhaupt im ei-sten Buche in so hohem Masse auf Cato stützt, köuute
man jedoch schliessen, dass er vornelnnlicli Güter von mittlerer Grossem
im Auge hat. Dies scheint aurh aus der Darstellung in dem unten zu
besprechenden c. 10 hervorzugehen, dimtum copiom agri ac mllae kanmien
hier in Betracht nur als Ab^atzorte für die Produkte <iej< Gutes oder als
Bezu^nrte für gelegentlichen Bedarf an InventarieiL *) Aber hierin ist
Van*n keineswegs konsequent, In dem darauf folgenden interessanten
17. Kapitel, wo die Feldarbeiter, da» instrumentum roeale, be^sprochen
werden, finden wir ein längeres Zitat aus Cassius Diunysius, dem Kpito-
mator des Mago, Seine Ausfüliruntren, wie man die Sklaven auswählen
luid behandeln soll, tragen alle Züge der typischen Latifundien- und
Plantagenwirtsfhaft mit Uundeilen von unfreien Arbeitern » di(^ von den
Antreibern mit Peitschenhieben zur Arbeit getrieben werden, und die aus
verseliitMlcnen Nationalitäten ausgewählt sein mttssen, um Aufstünden
möglichst vorzubeugen. Es zeigt sich gerade hier besonders deutlich,
dass Varros Werk nicht ein einheitlirlies, auf eigener Erfahrung auf-
gebautes Ganzem* ist. Die Grosse des Gutsbetriebes, der dem Verfasser
vorschwebt, muss daher, soweit es nur angeht, m jedem einzelnen Falle
bestimmt werden.
Suchen wir uns jetzt klarzumachen , wie sich Varro die Stellung
des Gutsbetriebes in dem allgemeinen Wirtschaftsleben denkt»
Schon bei Cato haben wir beobachten können, wie eng die Land-
wirtschaft mit dem städtischen Handel und Gewerbe verknüpft war, und
von welcher Bedeutung deshalb gut^ Kommunikationen für den Guts-
besitz waren. Von vornherein kann man annehmen, dass sich zu Varros
Zeit die Verhältnisse in dieser Kiehtiing noch mehr entwirkelt hatten^
Im 16, Kapitel des ersten Buches gibt Varro hierüber interessante
Aufschlüsse, welrhe um so buhere Bedeutung beanspruchen können, ak
ihnen offenbar die eigene Anschauung des Verfassere zu Grunde liegt,
AllerdingH ist m mdglieh, dass Varro den Gegenstand schon bei den
l)I,aa;4.
58 H, Gummen^,
Sasernae behandelt vorfand. Diese hatten, wie oben bemerkt, in ihr
Werk vieles aufgenommen, was zwar mit der Gutswirtschaft im Zu-
sammenhange stand, aber der Landwirtschaft im engeren Sinne fremd
war. Es ist darum nicht ausgeschlossen, dass sie die Frage, ob der Guts-
besitzer eigene Handwerker halten soll oder nicht (c. 16, 4), auch erörtert
hatten. Auf Cato scheint die Bemerkung über die Handelsgärtnerei in
der Stadt*) zurückzugehen. Aber alle diese Erörterungen sind deT Art,
dass sie von jedem Manne mit praktischem Blicke gemacht werden konnten.
Wenn Varro hier irgend etwas seinen Vorgängern entlehnt, so tut er es
nur, weil es mit den ihn umgebenden Verhältnissen im Einklang stand.
Vier Faktoren, beginnt er, können von aussen auf die Ertragsfähig-
keit des Gutes ungünstig einwirken (§ 1): si vicina regio est infesta (d. h.
von Räubern beunruhigt) ; si quo neque frudus nostros exportare expedxat
neque inde quae opus sunt adportare; tertium, si viae aut fluvii, qua
portetur, aut 7ion sunt aut idonei non sunt; quartum, siquid ita est in
confinihus fmidis, ut nostris agris prosit aut noceat — Der zweite Punkt
wird ausführlich erörtert (§ Ö): quae vicinitatis invectos habent idoneos,
qtme ibi nascuntur ubi vendanf, et illinc (codd. illic) invectos opportunos
qu^ae in fundo opus sunt, propter ea fruduosa. Trotz der gekünstelten,
echt varronischen , mit archaistischen Wendungen und Wörtern — in-
vedus, -i statt -us — gezierten Ausdruckweise ist der Sinn vollkommen
klar, wie auch Keil richtig erklärt: ad utilitatem villae pertinet, ut et
indnitas ei commodum invedum praebeat ad vendenda ea quae in fundo
natu sunt, et ipsa ex vicinitate ad se opportunum invedum habeat eorum
quae in fundo opus sunt. — multi enim, fügt Varro hinzu, habent, in
praediis (so ist nach der kleinen Teubnerschen Ausgabe und Keils Kom-
mentar zu interpungieren) quibus frwmentum aut vinum aliudve quid desit,
inportandum, was wiederum Keil richtig erklärt: multi, quibus in praediis
frumentum aut vinum aut quid aliud desit, id habent a vicinis inpor-
tundum. — Varro fährt fort (§ 3) : itaque sub urbe colere hortos late ex-
pedit (d. h/lucrum maximum a/ferf), sie violaria ac rosaria, item multa
quae urps recipit, cum eadem in longinquo praedio, uhi non sit quo de-
ferri possit venale, non eocpediat colere, item si ea (d. h. solche) oppida
aut mci in vicinia (so Keil nach § 4 statt aut viciniae der Handschriften)
aut etiam divitum copiosi agri ac villae, unde non eure etnere possis
quae opus sunt in fundum, quibus quae supersint venire possint, ut
quibusdam pedumenta aut perticae aut harundo, fructuosior fit fundus,
quam si longe sint inportanda, non numquam etiam, quam si colendo
in tuo ea parare possis.
Es ergibt sich aus dem angeführten, dass nach Varros Ansicht ein
römischer Gutsbesitz mittlerer Grösse, im Gegensatz zu den grossen Villen
1) § 3: itaque stib urbe colere hortos late expedit; Cato 8,2: sub urbe horium
omne genus.
Der römische Outshetrieh, 59
der reichen Magnaten, keineswegs wirtschaftlich isoliert dastand, sondern
in erheblichem Masse in das Verkehrsleben hineingezogen war. Nicht
nur, dass eine Stadt, ein Dorf oder eine grössere Villa in der Nähe des
Qntes dem Besitzer als Absatzorte für seine Produkte wichtig waren —
das ist ja ohne weiteres selbstverständlich. Dass man die Kultur den
Bedürfnissen der Umgegend anpassen und in der Nähe der Stadt Handels-
gärtnerei treiben soll, weiss, wie gesagt, schon Cato. Sondern ebenso
wichtig ist es, was man auf dem Gute braucht, qiuie opus sunt in fundum,
in der Nähe leicht und billig kaufen zu können. Und zwar umfasst die
„Einfuhr^ des Qutes nicht nur Erzeugnisse der städtischen Industrie oder
Produkte, die nur durch den Handel beschafft werden konnten: auch
Getreide und Wein musste man auf vielen Gütern kaufen. Oft war es
sogar vorteilhafter Produkte zu kaufen, die man wohl auch auf eigenem
Boden hätte erzeugen können.
Unter solchen Umständen ist es klar, dass Varro, wie vorher Cato,
auf gute Verbindungswege mit dem Gute grosses Gewicht legen muss
Der dritte unter den am Anfang des Kapitels genannten vier Punkten,
der sich auf die Kommunikationen bezieht, wird in § 6 weiter ausgeführt.
eundem fundum, heisst es, fruduosiorem faciunt vedurae, si viae sunt,
qtm plaustra agi fädle possint, aut flumina propinqua, qua navigari
possit, quibus utrisque rebus evehi atque invehi multa ad praedia scimus,
Varro macht also hier keinen Unterschied zwischen Land- und Fluss
transport. Es ist dies M. Weber gegenüber hervorzuheben. Seine Be
hauptung, dass „ein Landtransport, sobald irgend beträchtliche Ent-
fernungen in Frage kamen, nicht zu erschwingen war,"^ stützt Weber
auf eine Varrostelle,*) aus der zu schliessen sei, dass ein Gut, das am
Meere lag, fünfmal mehr abwarf, als ein Gut ohne Wasserverkehr. Aber
diese Stelle beweist keineswegs, was Weber aus ihr herausliest. Varro
erzählt hier, dass L. Abuccius nach seinen eigenen Worten auf seinem
albanischen Gute jährlich nur 10000 Sesterzen durch den Ertrag der
Äcker verdiente, durch die pastio villatica dagegen mehr als 20000:
agrum enim miyius decem milia redde^e, villam plus mcena. idem, fährt
er fort, secundum mare, quo loco vellet, si parasset villam, se supra cen-
tum milia e viUa recepturum. Erstens sagt Varro nicht, dass die Villa,
welche Abuccius am Meere kaufen wollte, ebenso gross gewesen wäre,
als der fundus Älhanus. Zweitens geht aus dem folgenden hervor, dass
Abuccius nur aus dem Grunde aus jener am Meere belegenen Villa so
viel höhere Renten herauswirtschaften zu können glaubte, weil er dort
grossartige Fischteiche, piscinae, anlegen konnte. Gerade in dieser Zeit
begann man solche am Meere anzulegen,^) weil Meerflsche viel höher ge-
1) AffrargesehichU S. 224.
2) r. r. in, 2, 17.
8) III, 8, 10: 8ic nastra aetas . . . piidna» protülä ad «lar«. YrL kkr^ •
quardt, Privatleben, S. 483.
60 H. Gummerus,
schätzt wurden als Sttsswasserfische. Zwar sagt Varro, dass jene mari-
timae piscinae nobilium oft magis ad oculos perünent, quam ad vesicatn,
et potiics marsippium domini exinaniunt, qtuim inplentA) Aber wenn die
Meerfischteiche einen geringen Ertrag lieferten, so lag der Grund dazu
nur in der eitlen Liebhaberei der Besitzer.*) Denjenigen, die derartige
Teiche als Erwerbsquelle hielten, warfen sie einen hohen Gewinn ab.*)
Wenn darum eine Villa am Meere einen fünfmal so hohen Gewinn durch
die pastio villatica sicherte als diejenige im Binnenland, so beruhte dies
nicht darauf, dass der Transport der Produkte zu Lande so unerschwing-
lich teuerer gewesen wäre als zur See, sondern darauf, dass sich die mari-
timae piscinae ausserordentlich gut rentierten.
Es ist eine ganz verkehrte Ansicht, dass die grossen römischen Land-
strassen für den Warentransport wenig in Betracht gekommen wären.
Varro*) erzählt selbst, dass aus Apulien und dem Gebiet von Brundisiam
nicht nur Öl und Wein, sondern sogar ein so wohlfeiles Produkt wie
Getreide von Kaufleuten auf dem Eselsrücken zum Meere hinab ge-
führt wurde. Treffend sagt Nissen:^) „Militärischen und politischen
Erwägungen verdankt das römische Strassennetz seinen Ursprung, wirt-
schaftlichen Erwägungen seine andauernde Erweiterung und Vervollkomm-
nung."«) Der fortschreitende Ausbau des Strassennetzes hat auf die
Entwickelung der Städte des Binnenlandes grossen Einfluss gehabt. Ihr
Gedeihen wurde von ihrem Verhältnis zu den grossen durchlaufenden
Verkehrsadern abhängig.^
Zwar ging der Transport zu Lande bei weitem langsamer von statten
als zur See. Nach den Berechnungen von W. Götz war die Transport-
schnelligkeit zu Lande für Waren geringeren Wertes nur 6 bis 8 geo-
graphische Meilen pro Tag, mit gewöhnlichen Handelsschiffen dagegen
durchschnittlich 21 bis 22 Meilen.^) Aber die Langsamkeit des Transports
1) III, 17, 2.
2) Von deo Torheiten des Hortensius und Lucullus in dieser Hinsicht erzählt
Varro III, 17, 5 ff.
8) Nach dem Tode des Lucullus verkaufte der Vormund seines minderjährigen
Sohnes, Cato der jüngere, aus seinen Teichen Fische für 40000 Sesterzen (Varro r. r.
III, 2, 17). Über die ungeheuren Preise, die für Fische bezahlt wurden, s. Marquardt,
Privatleben^ a. 0. Columella VIII, 16, 6 nimmt es als selbyerständlich an , dass die
Fischteiche am Meeresufer angelegt werden, und zwar nicht aus Liebhaberei, sondern
als eine gute EinnahmequeUe : ex mari reditum constüuat. Nur kostbare Meerfische
wie turdif murenae u. a. lohnt es sich zu halten, nam vile ne captare quidem, nedum
cUere conductt (Col. VIII, 17, 8).
4) r. r. 11,6,5.
5) Mal Landesk, II, 55.
6) Dieselbe Auffassung spricht schon Strabo V, 3, 8 aus: törgaoav 6h (sc. ol
'Ptofialoi) xal tag xara tiiv %üaQuv ödovg . . . oiCxt rag ccQ^ia^d^ag d^x^ad'aL nogO'iuuov
(fOQtia.
7) Nissen a. O. S. 58.
8) W. Götz, Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels. Stuttgart 1888, S. 511.
Der rSnmrhe Outsbetrieb.
wurde durch die grrössere Sicherheit und Bequemlichkeit weuigstens teil-
weise aufgewogen. ^)
Betrachten wii' nun den Gutsbetrieb im Einzelnen, wie er bei Varro
in die Krscheinung tritt Wie im vorliergehenden Kapitel haben wir
zuerst die Arbeitskräfte zn mustern, mit welchen da« Gut bewirt-
schaftet wui^de.
Über die ländlichen Arbeiter handelt VaiTo im 17. und 18. Kapitel
des ersten Ruches. Die zwei ei-^ten Panigi^aphen des c. 17 sind ohne
Zweifel Varro selbst zuzusprechen. Die wunderliche Einteilung des Guts-
inventars in in^itrtinienii gefius vocalc d semlvocale d muium hat er wohl
nicht selbst erfunden, und die Bemerkung im § 2 ftber die Verwendung
der merfTniiarii auf ungesundem Boden kann auf iSaserna zuriiekgehen,
der die ländliche Arbeiterfiage eingehend behandelt zu haben scheint-)
Offenbar aber redet Varro hier auch aus eigener Erfahrung, Könnt« ja
auch ein Nichtfachmann die Kategorien der Feldarbeiter untei-scheiden.
Die Erwähnung der obatmti verrät auch deutlich den römischen Antiquar
(s. unten S. Ö3). Der Rest des Kapitels von § 3 an enthält den oben
berührten Auszug aus Cassius Dionysius. Nur einige unbedeutende Be-
merkungen» die in oratio recta geschrieben sind^ dürften wohl von Varru
selbst staniuien.
Im 18. Kapitel behandelt Varro die Frage nach der Zahl der auf
dem Gute zu luiltenden Sklaven, Hier zeigt sich besonders deutlich^ wie
unselbständig er seinen \'orgängern gegenübersteht. Er kritisiert zwar
die Angaben von Cato und Saserna, aber seine Einwände sind nur formaler,
oberrtäch lieber Natur, wie sie von jedermann gemacht werden konnten:
dass sieh die Zahl der Knechte nach der Grfisse und der Naturbeschaffen-
lieit di's Gute« richten müsse; dass der mlicus und die vilim unter dem
Arbeitspersonal nicht hätten einberechnet werden dürfen; das» Cato für
sein ofivetum ein unpassendes* Mass gewählt liabe, weil man die Zahl der
iiufera (240) nicht durch die ZalJ der Arbeiter (13) dividieren könne
und 80 die Ackerfläche, die durch einen Arbeiter bestellt werden kann,
nicht auszumachen sei u. s. w. Eine auf eigene Erfahrung gekündete
Ansicht über diesen Gegenstand hatte Varro offenbar nicht, ebensowenig
wie iiber die Zahl der auf dem Gute erforderlichen Zugtiere, die er im
folgenden Kapitel^ wieder nach Cato und Saserna, erörtert.^)
Kehren wir zu c. 17 zurück, omm-^ aijri, sagt Varro (§ 2), coluntur
hominibus senns aut liberis aut utriiique: libt^^risr aut cum ipn m/wnf, ut
pkrique pauperctäi cum suu progenicj aiU mercennurii^, emn conducliem
1) \n GaUien trarde fttr den Waren verkohr d^ WngentraiiFport wogtiti d«^r griUiNsren
ßequemUrlikeit dem FluMitr&iii»port iitcht »elteü vorgesogeo, Btrabo IV, 1,14; ^gl.
IV, 6, 10. Vn, 5/^ (WageotraQ^port von AqnUein nach dem NordcD).
2) Cohim. l, 7, 4.
8) S^in6 ITfikeoiitDu gesteht Varro selbst ei», c, 19, 1 : s* Soi^ma dieit venm . , .
«I Cato , . .
62 H, Oummenis,
liberortmi operis res maiores, ut vindemias ac faenisicia, administrant,
iique qtios obaeratos nostri vocitarunt, et etiam nunc sunt in Äsia atque
Aegypto et in Illyrico conplures. de quibtis universis hoc dico, gravia
loca utiliKS esse mercennariis colere quam servis, et in saluhribus quoqtie
locis opera rvstica maiora, ut su/nt in condendis fructibus mndemiae aut
messis.
Die Feldarbeiter werden also hier erst in unfreie und freie eingeteilt,
dann wieder die letzteren in drei Kategorien. Die erste umfasst die
armen Leute, pauperculi, die ihre Äcker mit ihren Kindern selbst be-
stellen. Damit sind ohne Zweifel die Kleinbauern gemeint, von deren
kümmerlichem Dasein in jener Zeit die Quellen berichten. Ob zu dieser
KAtegorie auch die Kleinpächter gerechnet werden, lässt sich nicht mit
Sicherheit entscheiden; wahrscheinlich ist es allerdings.
Der Kategorie der Kleinbauern wird dann die der freien Arbeiter
entgegengestellt, die die Äcker der Grossgrundbesitzer bestellen, und
zwar einerseits die mercennarii, andrerseits die obaerati: liberis, aut ...
pauperculi . . , aut mercennarii . . . iique quos obaeratos nostri vocitarunt
Die mercennarii sind gewöhnliche freie Tagelöhner und entsprechen den
operarii und mercennarii bei Cato.^) Wie man aber die obaerati^) auf-
zufassen hat, ist eine umstrittene Frage.
Fustel de Ck)ulanges^) hat es wahrscheinlich zu machen gesucht^ dass
mit dieser Benennung Kleinpächter, coloni, bezeichnet werden, die Pacht-
rttckstände halber im Schuldverhältnis zum Eigentümer standen. Er iden-
tifiziert die obaerati mit den von Columella erwähnten im Schuldverhält-
nis zu den Latifundienbesitzem stehenden freien Bürgern, nexus civium,
welche die Äcker ihrer Gläubiger zu bestellen hatten.*) Da nach römischer
Rechtspraxis der Pächter das Gut nicht verlassen durfte, ehe er alle
Pachtrückstände bezahlt oder Kaution für die Bezahlung gestellt hatte,^)
betrachtete der französische Gelehrte jene obaerati als die Vorläufer der
an die Scholle gebundenen Kolonen der späteren Zeit. Dieser Auf-
fassung pflichtet auch A. Schulten beL^)
Dass sich die zitierte Columellastelle auf das Kolonatsverhältnis be-
ziehe, machte schon Huschke geltend, 7) und ist auch an sich wahrschein-
lich. Jene fines gentium, welche die Besitzer occupatos nexu civium et
ergastulis tenent, erinnern lebhaft an die afrikanischen saltus, die teils
von Kolonen, teils von Sklaven bestellt wurden. Der Ausdruck nexus
1) S. oben S. 25.
2) So ist nach Varro de ling. Int. VII, 105 zu lesen, nicht obaerarii.
3) Fustel de Coulanges, Le colonat Romain (Recherches sur quelques problhnes
d'histoire, Paris 1885, S. 1—186), S. 19.
4) Colum. I, 3, 12.
5) Le colonat Romain S. 17.
6) Historische Zeitschrift B. LXXVIII (1897), S. 7.
7) Ph. Ed. Huschke, Über den Census und die Steuerverfassung der früheren
Römischen Kaiserzeit, Berlin 1847, S. 159 A. 342.
Der romische GiäsbetrielK
03
nvium passt aiif jene in engem Abhängigkeit.sverhältni$ zum Grundherrn
stehenden Kleinpächter sehr gut. Aber damit ist nicht gesagt ^ dass die
obaetnH bei Van*o als Kolonen aufzufassen wären, Vielmehr ist Wer, wie
von den meisten Erklärern angenommen wird, von der altrömischen
Schuldknechtschaft, nexus^ die Rede. Varro selbst sagt: Über qui iium
Qpürüiy m aerriiiiteni dat pro peeunia quam dehebal^ dum solvcret, nexiis
vacaiur, ut ab aere obaeratm^) Der nexus, obaeratus entspricht dem addictug
des älteren rümiselien Rechts, der nach dem Zwölftafelgesetz entweder
get4)tet oder verkauft werden musste, welche barbarische Bestimmung
spätrer dahin gemildert wurde, dass der iiddidus seine Schuld durch
Zwangsarbeit bei dem Gläubiger zahlen sollte.-) Dass die Schuldkuechte
hauptsächlich als Äckerarbeiter benutzt wurden , geht aus den Quellen
hervor^*) und ist auch bei den wirtschaftlichen Zuständen der älteren
Zeit von vomhepein walirscheinliclL Zwar war die Schuldhaft zu Varros
Zeit faktisch schon ausser (Jebraurh gekommen, wenn auch nicht recht-
lich, da ja die Pei-sonalexekution definitiv erst von Diocletian aufgehoben
wurde,*) Aber Varro — der gelehrte Antiquar — gedenkt anch der
Institution offenbar nur als einer Antiquität: vociiarunty nicht voritant^i
D%m er die obaerati imter den landwirtschaftlichen Arbeitern noch nennt,
begründet er in dem folgenden, wenn er sagt, dass eine dem altrömischen
nt^m ähnliche Form der 8chuldkneclitschaft noch (etinm nunc) in Asien,
Ägypten und IlIjTien existiere.'^) Dass unter den ohavnttif wo sie noch
als Ackerarbeiter verwendet wurden, auch kleine Pächter, die für ihren
ÜeJdzinB in Schuld hafteten, vorkommen konnten, wird nicht bestritten,
Aber die Juristen der Kaiserzeit kennen als Sicherheit des Grundherrn
far die Pachtgelder der Kolonen nur die V^erp fändung des beweglichen
Eigentums der letisteren.') Dass die verst^huldeten Kolonen ihre Parzellen
nicht verlassen durften, ehe sie die Pachtrilckstände bezahlt oder Kantion
dafür gejitellt hatten, macht sie nicht zu obaerati, denn sie hafteten für
die Pachtgelder offenbar nicht durch ihre Arbeit, sundern durch ilir Eigen-
tum, und Varro definiert den obaeratm ausdrücklich als denjenigen, qui
»um operas in set^^itutem dat
i) Varro, dt l l Vir, 105, VgL Liv, XXVI, 40, 17: qmam»r rnäia
wmnt^ mixti ea: omni canluviofnif exuier, ühnemti. Dott. in Ter. PkorwL If , 2, 90 : 9^m§*
raft, quum tolrmdo fton tiui€nt, ijmi manu cupieiMintur,
2) Qttint. DfcL 311: quid enim Ux dicitf 'addiciui, dön$e mleerit^ aeruiat'. Über
Mt ächuldknecht^haft vgL &L Vuigt, ifber die Oßschicht^ deJi römischen KxekuiionM^
r^ehiu. Ber, d. Sachs. Gcs, d. Jiiw. Phiihiit Kl ld82, a 76—120
g) Vaigt iL O. S. 92.
4) Voigt a. 0. a 118.
b) VgL B. Hewterber^k, Die Enmehung de» KohmUf, S. 24.
6) Für Asieo kt dies aueb aotiat bcrseugt: Voigt a. (), S, 120 A. 60 mit Beleg*
gtoU<$tt. VgL Cmesar, de ö* O,, I, 4» 2» wo toh den eUentu uuil oba^raii des Orgetorix
Ifttproehcn mird,
7) Gaiiu, IfutL IV, 147 wul die Ubrigiii) von Fiaslet tlti CoaUnges a. O. S. 16 ma*
g^lülirtcn Stellen.
64 H. Gfummerus,
Es steht also fest, dass Varro in seiner Aufzählung der verschiedenen
Kategorien der ländlichen Arbeiter die Kleinpächter nicht ausdrücklich nennt.
Daraus darf man selbstverständlich nicht schliessen, dass die Kleinpacht
zu seiner Zeit, wenn auch nicht ganz fehlte, so doch noch ziemlich selten
gewesen ist.^) Es scheint vielmehr, dass die Klein- oder Parzellenpacht
seit Cato in dem Betriebssystem der Römer immer mehr Boden gewonnen
hatte. Columella erwähnt, dass schon Sasema die Frage behandelt habe,
ob es für den Gutsbesitzer vorteilhafter sei, das Gut an coloni zu ver-
pachten oder es selbst zu bewirtschaften.*) Aus der Gegenüberstellung
des urhanus colontis, qui per familiam mavult agrum quam per se colere
— Cato hätte ihn conductor genannt — und der rttstid et assidui coloni
geht hervor, dass Sasema die Parzellenpacht grundsätzlich der Gross-
pacht vorgezogen hat. Dagegen ist es nicht klar, ob er die Verpachtung
des ganzen Gutes oder nur einzelner Parzellen desselben im Auge hatte.
Columella, der ihn anführt, scheint, wo er selbst über Verpachtung an
Kolonen spricht, bald das eine, bald das andere Pachtsystem zu berück-
sichtigen. Welche Bedeutung in Sasemas Zeit die Kolonen für den unter
der eigenen Regie des Grundherrn gebliebenen, mit Sklaven bestellten
Teil des Gutes — das „Hofland" — haben mochte, ist aus dieser Stelle
nicht zu erschliessen.
Auch der Umstand, dass schon Sasema das Wort colonusj „Bebauer'^,
in der Bedeutung „Kleinpächter" verwendete, beweist, dass die Parzellen-
verpachtung zu seiner Zeit allgemein verbreitet war. Zu Varros Zeit
hatte diese Benennung sogar juridische Gültigkeit bekommen, wie aus
zwei Stellen bei Varro selbst hervorgeht.^)
Aber warum hat Varro in seiner Aufzählung der verschiedenen Land-
arbeiterkategorien die Kleinpächter nicht erwähnt? Offenbar weil sie
1) Diesen Fehlschluss zieht 0. Seeck, Gesch. des Unterganges d. antiken Welt,
I, Anh. S. 565. Büt Recht bemerkt E. J. Bekker, Zeitschrift f, Rechtsgesch., 1864, S. 420,
dass man aas dem, was Cato und Varro nicht anführen, nicht zu dreist auf das, was
sie nicht gekannt, schliessen dürfe.
2) Colum. I, 7, 4. Die Stelle lautet: Saserna dicebat ab eiusmodi homine (id e.
ab urbano colono, qui per familiam mavult agrum quam per se colere) fere pro mer-
cede Utem reddi: propter quod operam dandam esse^ ut et rusticos et eosdem assiduos
coUmos retineamuSy cum aut nobismet ipsis non licuerity aut per domesticos colere non
expedierit. Dazu fügt ColumeUa folgende Bemerkung: quod tarnen non evenit, nisi in
his regionibus, quae gravitate caeli solique sterilitate vastantur.
8) Varro r. r. I, 2, 17: leges colonicas toüis^ in quibus scribimus, colonus in agro
surculario ne capra natum pasccU. II, 8, 7 : in lege locationis fundi excipi solet , ne
colonus capra natum in fundo pascat. In den Rechtsquellen wird diese Benennung
zuerst von Servius Sulpicius (f 48 v. Chr.), zitiert von Ulpianus, Dig. XIX, 2, 15,2,
und Alfenus Varus (Schüler des Sulpicius) , Dig. tit. cit. 80, 4, verwendet Nur wird
an diesen Stellen der coUmus nicht bestimmt als Kleinpächter bezeichnet. Der von
Cicero pro Caec. 94 genannte colonus ist kein Kleinpächter, sondern ein conductor
fundi. — Dagegen zeigt die bekannte SteUe bei Caesar de 6. c. 1 , 34 , 2 : profectum
Domitium ad occupandum Massiliam navibus, quas servis, libertis, coUmis suis com-
pleveratf die Kolonen als wahre Untergebene des Gutsherrn.
Dpt römische Gutßhdnrb,
65
als Gutsarbeiter im eigentlichen Sinne nicht in Betracht kamen. Wenn ein
b'ntsbesitzer gi*össere oder kleinere Teile seiner Liegenschaften parzellen-
weise veri>acht€tc, so waren die von den I'ächtern zu zahlenden (Teld-
zinsen das einzige Band, das sie mit dem Gute vereinigte. Für die Gnts-
vvirUschaft im engeren Sinne waren die Pächter von keiner Bedeutung.
Hätte man sie regelmässig neben den mircennarii als Gutsarbeiter be-
nutzt, 80 hätte Varro sie ohne Zweifel aurh besondei*s erwähnt. Statt
dessen fasste er nun sowohl die Kleinbesitzer als die Kleinpächter
in der gemeinsamen Kategorie panpercuU, qui ipd colimt, cum sim
proyenie zusammen.
Tmmei'liin sieht man, dass VaiTo die eigenen Arbeitskräfte des Gutes
— die Sklaven — als nicht hinreichend betrachtet Zu grösseren Arbeiten,
Opera rusiicu muiara, werden regelmässig freie Tagelöhner gedungen.
,,Grössere Arbeiten" sind namentlich die Getreide- und Heuernte sowie
die Weinlese. l)ass Varro die Verwendung freier Arbeiter bei der Krnte
als selbstvemtÄndlich voraussetzt, zeigt auch eine gelegentliche Notiz
über die Ährenlese« i^pinletfium. Wenn die Arbeitslöhne hoch sind,
sagt er. ist es oft besser die Ährenlese ganz zu unterlassen und die
Acker einfach abweiden zu lassen. \) Nach einem von Nonius mitgeteilten
Varrofragment wurde bisweilen auch die mrritio (das Behacken der
Saaten) durch gemietete Leute ausgeführt.-) Auf ungesundem Boden
aber soll man die ganz«^ Ackerbestellung freien Tagelulmern überlas.sen,
natttrlich um das in den Gut^sklaven steckende Kapital nicht zu gefährden.
Ob der Grundeigentümer diese Hilfsarbeiter selbst mieten oder ob
er die ganze Arbeit einem redemptor in Akkoi-d geben soll, mit anderen
Worten, ob er sich der Fotin der einfachen Dicn.stmiete oder der Werk-
verdjjigung bedienen soll, darüber gibt VaiTo keine Vorschriften. Dass
aber die Verhältnisse sich in dieser Beziehimg seit C;atos Zeiten nicht
verändert hatten, ist anzunehmen. Hueton ei-zählt, dass der Grossvater
des Kaisers Vespasianus ein mancepa {yptrarum gewesen sei, der alljähr*
lieh Scharen von freien Leuten aus Uinbrien in das Sabinerland zu führen
pflegte» „um die Äcker zu bestellen'', (ujrorum colendorum cnumJ) I*ass
das „Verkaufen** der Krnte, das bei Cato eine so giosse Rolle spielt, auch
Varro als geläutig gilt, zeigt die angeführte? Stelle über die Ährenlese
(spiciletpmn vt^nire oporUd),
Die nngleiclie Verteilung der Feldarbeit auf die verschiedenen Jalu^es*
Zeiten machte es notwendig, das stehende Arbeit6i>ersonal zeitweise durch
angeworbene freie Tagelöhner zu verstärken. Dagegen beschäftigte die
Viehzucht die dazu verwendeten Leute idemlich gleiehmässig das ganze
1) 1,53: mejtsi fticUi spietltginm vefure opariet aut dorn teuere ttipulam aut^ 9i
fiHtC 9picae rarae et aperae carae^ conpasct.
2) NouiuN S. 8, l: uirfim <a fPi«> merceditn accipit i$t qui n^eas venU segtits tU
9anal^ an e^ ab iUo**
8) Säet V€iip, \
66 H. Oummerus,
Jahr hindurch. Es ist wohl dies die Ursache davon, dass die Hirten ohne
Ausnahme Sklaven sind.*) Zwar zeigt Caesars Verordnung, dass die
Herdenbesitzer den dritten Teil ihrer Hirten aus erwachsenen Freien
rekrutieren sollten,*) dass man sich auf diesem Gebiete die Verwendung
freier Arbeiter noch denken konnte. Aber schwerlich ist diese Ver-
ordnung durchgedrungen.
Die für die pastio villatica verwendeten Leute waren wohl ebenfalls
meist Sklaven. Man hielt sich sogar eigene Vogelfänger, Jäger und
Fischer, um die Vogelhäuser, Wildparke und die Stauungen für die Fische
immer voll zu haben, wenn man nicht, was auch vorkam, die Vögel, Tiere
und Fische kaufte, um sie dann auszufüttern.^)
Über die Versorgung des Gutes mit Konsumtionsartikeln, soweit
sie in Lebensmitteln und sonstigen Bohmaterialien bestanden, gibt
Varro nur wenigen Aufschluss. Dass die römischen Gutsbesitzer nicht
allzu rigoros auf die Regel hielten, wo möglich alles auf dem Gute
selbst zu produzieren, bezeugt Varro, wenn er sagt, dass viele Guts-
besitzer das Getreide oder den Wein von aussen zu kaufen pflegten.*)
Über die Beschaffung der Erzeugnisse der gewerblichen Pro-
duktion dagegen finden wir bei Varro interessante Notizen.
Wir haben oben gesehen, wie ängstlich Cato besorgt ist, im Winter
und auch sonst, wenn das Wetter die Feldarbeit nicht zulässt, für die
Gutssklaven immer eine geeignete produktive Arbeit zu finden. Auch
Varro gedenkt der Beschäftigung der Sklaven im Hause öfters. Im
Winter, sagt er, sind während der Morgendämmerung die Hausleute in
der Küche (die zugleich als Ess- und Versammlungszimmer dient) mit
der Anfertigung verschiedenartiger Dinge beschäftigt.^) Cum in agri^s
opus fieri non potest, heisst es an einer anderen Stelle,®) qtiae suh tecto
possunt tunc conficienda antelucano tempore hibemo.
Von welcher Art diese Hausarbeit ist, erhellt aus c. 22 des ersten
Buches, wo das Gutsinventar im eigentlichen Sinne, das instrumefitum
mutum, besprochen wird. Der Wortführer ist im Anfang des Kapitels
Tremellius Scrofa, womit freilich nicht gesagt ist, dass die Vorschriften
aus seinem eigenen Munde oder auch aus seinem landwirtechaftlichen
Werke stammen. Dann wird in §§ 3—5 Cato, c. 10 und 11 zitiert,
wozu im § 6 Scrofa einige Bemerkungen hinzufügt. Es ist nicht zu be-
zweifeln, dass jene Vorschriften den Zeitverhältnissen Varros durchaus
angepasst sind.
1) Varro r. r. n, 10.
2) Suet. Caes. 42.
3) III, 8, 4, dazu Keil; III, 17, ^ipiscatores. Vgl. Scaevola, Big. XXXIII, 7, 27, pr:
Fraedia maritima . . . legavit, qua^üum est, an servi piscatoreSj qui solebant in mintsterio
testatoris esse . . . legati esse videantttr,
4) I, 16,2; oben S. 58 f.
5) I, 13,2: ibi (sc. in cuÜDa) hieme antelucanis temporibus aliquot res o(mficiuni%»r.
6) I, 36.
Der römische Outsbetrieb. 67
De reliquo instrumento muto, beginnt das Eapite], in quo sunt cor-
bidae, dolia, sie alia, haec praecipiefida. qicae 7iasci in fundo ac fieri a
domesticis potermit, eorum nequid ematur, *) ut fere sunt quae ex mmini-
bus et nmteria rustica fiunt, ut corbes, fiscincte, tribula, valli, rastelli; s^ic
quae fiunt de cannabi, Uno, iunco, pulmo, scirpo, ut funes, restes, tegetes.
Also auf Flecht-, Tischler- und Seilerarbeit beschränkt sich hauptsächlich
die häusliche gewerbliche Produktion -r- ganz wie wir es bei Cato ge-
funden haben. Das Rohmaterial wird natürlich wo möglich auf dem Gute
selbst gewonnen: et alio hco (^oirgultay serenda, sagt Varro, ut habea^
rimina, unde vieiulo quid faeias, ut sirpeas, vallus, crates: alio loco ut
seras ac cola^s silvam caeduam, alio ubi aucupare, sie ubi canyiabim,
linum, iuncum, spurium, unde necta^ bubus soleas, linea^% restis, funes.^)
Die Körbe {corbes, corbulae, fiscinae) werden in der Getreide- und
Weinernte gebraucht. Die shpeae sind wohl mit den sirpeae stercorariae
(Düngerkörbe) bei Cato c 10 und 11 identisch; crates (Flechtwerk)
brauchte man zu verschiedenen Zwecken ; ^) vallus {= vamius) ist die
Getreideschwinge;*) tribulum ist bei Varro ein mit Steinen oder Eisen-
spitzen versehenes Brett, das als Dresch wagen dient ;^) rastelli lignei
werden auch von Ciolumella erwähnt.®) Selbstverständlich, obwohl Varro
dies nicht ausdrücklich sagt, werden iie perticae, pali und ridicae für
den Weinberg,^ die pali zu den hölzernen Einhegungen, ^) die hölzernen
Bienenkörbe,^) und was derartiges mehr ist, zu Hause geschnitzt. Über-
haupt hat man wohl alle leichtere Holzarbeit, soweit es nur Zeit und
Arbeitskraft gestatteten, zu Hause ausgeführt. — Aus Hanf, Flachs, Binsen,
Schilf und Spartum werden ausser Stricken und Seilen verschiedener
Stärke (lineae, restes, funes) auch Decken {tegetes)^ Fussohlen für die
Zugochsen (bubus soleae^^)), Körbe ^^) und Netze**) verfertigt.
1) Die Stelle Ut eine gate lUuBtratiou zu Catos Kegel: patrem fanUlüu vendaeem^
non emacem esse oportet ^ und su dem alten von Plinius mitgeteilten Sprichwort: nequam
agricolam esse, quisquis emeret^ quod praestare ei fundua poaset. S. oben S. 22.
2) I, 23, 5. Die Stelle ist erst durch Keils Kmendation verständlich geworden.
Die Vorschrift geht offenbar auf dieselbe Quelle wie die vorher angeführte surück.
3) c. ficariae , Cato c. 48, 2. crates aut retia , quibus cohortes in eolitudine faciant
(sc. pastores), Varro II, 2, 9. Dagegen werden die c. stercorariae bei Cato c. 10,3. 11,4
e ligno et ferro gemacht, Varro I, 22, 3.
4)1,52,2.
5) I, 52, 1.
6) Colum. II, 12, 6.
7) Varro I, 8, 2—4.
8)1,14,2.
9) m, 16, 15.
10) Die Handschriften haben paleas, was die Herausgeber im Hinblick auf Colum.
VI, 12, 3, Galen, de alimerU. faculL 1,9 und Vegetius IV, 9, 2; 4 in soleas geändert
haben. Über die soleae s. Schneider, Index zu soleae.
11) II, 2, 14: fisceUae e iunco.
12) in, 5, 11 : retis cannabina.
5*
68 jHI Gummerus,
Man sieht, dass das Gebiet des eigentiichen gewerbiichen Hansfleisses
bei Varro wie bei Cato ein ziemlich beschränktes bleibt. Der grösste
Teil der hergehörigen Bedarfeartikel muss gekauft werden.
Hierüber sagt Varro (I, 22, 2): quae e fundo sumi non poterunt,
ea si empta erunt potius ad utilitatem quam ob speciem, sumptu
fructum non extenuabunt: eo magis, si inde empta erunt poüssimum, uhi
ea et bona et proxime et tilissimo emi poterunt Nach Cato werden dann
die verschiedenen auf einem Gute nötigen Geräte aufgezählt.
Berufsmässig ausgebildete Handwerkssklaven hält man sich, ¥de zu
Catos Zeit, in der Regel nicht Statt dessen werden für jede erforderliche
Arbeit, die yon den Gutsknechten nicht ausgeführt werden kann, fremde
Handwerker gemietet
Varros Auseinandersetzungen über diese Seite der Gutswirtschaft
sind von hohem Interesse. Nachdem er in dem bereits besprochenen c. 16
die Vorteile guter und naheliegender Absatzorte erörtert hat, fährt er
fort (§ 4) : itaque in hoc genus coloni potius anniversarios habent vicinos,
qu/ihus imperenty medicos, fuUones, fabros, quam in villa suos habeant,
quorum non numqum unius artificis mors toUit fundi fructum.
Statt in hoc genus coUrni will Keil hoc genus coloni lesen. Diese
Emendation ist zwar sprachlich unantastbar,^) aber inhaltlich wenig an-
nehmbar. Keils Erklärung: hoc genus coloni = coloni, qui oppida aut
vicos aut copiosos divitum agros in vicinia habent, mutet wenig an. Die
ursprüngliche Lesart in hoc genus lässt sich ohne Zwang mit „für Be-
dürfnisse dieser Art" (d. h. Bedürfnisse, die nicht an Ort und Stelle mit
eigenen Arbeitskräften vorteilhaft befriedigt werden können) wiedergeben,
was Keü nicht ganz genau ausdrückt, wenn er in hoc genus als opera,
ad qtme vicini adhiberi solent^ erklärt.
Dann ist die Interpunktion von Keil und Schneider (in seinem Kom-
mentar): iHcinos, quibus imj)erent, medicos, fullones, /a6ro6- derjenigen der
älteren Ausgaben: vicinos, quibus imperent medicos, fullones, fabros vor-
zuziehen, „nam medici fullones fabri sunt vicini , quos anniversarios
(d. h. „jährlich wiederkehrend", nicht in annum meirede conductos, wie
Schneider erklärt) habent coloni, ut iis imperent^ (Keil).
Es geht aus Varros Worten hervor, dass es auf dem Lande eine
Klasse freier, von Hof zu Hof ziehender Handwerker gab, die an jedem
Ort 80 lange blieben, bis sie die ihnen übertragenen Arbeiten verrichtet
hatten. Als Gewerbetreibende, die man somit von Zeit zu Zeit mietete,
werden Arzte, Walker und Bauhandwerker verschiedener Art (fahri) ge-
nannt. Aber gewiss galt dasselbe auch von Töpfern, Schmieden, Malern u. a.
auf dem Gute notwendigen Handwerkern. Den Grund, warum kleinere
Grundbesitzer gewöhnlich eigene Handwerker nicht hielten, gibt Varro
1) Vgl. I, 29, 2: in Apulia et id genus praediis; I, 14, 3: ?ioc genus snepes; II, 10, 1:
quot et quod genus sint habendi pastores, a. s. w.
Der römische G-uUhetrieh
69
richtig an: das in einem gewerbekundigen Sklaven liegende Kapital war
zu gross, als dass mau es der Gefahr, duicli einen zu frulieu Tod vernichtet
7M werden, hätte aussetzen wollen.
Soweit stimmt Varros Darstellung vollkommen ru den Verhältnissen.
die wir auf den catouisciien Mustergutern beobachten konnten. Abt^r
während Cato seine Vorschriften fast ausschliesslich nach den Bedarf-
ni88en jener beiden verhältnismässig kleinen Plantagen abmas», wollte
Varro, wie wir schon bemerkt liaben, aucli die Grosswirtschaft im eigent-
lichen Sinne berürksichtigen. Er fügt daher m den zitierten Wurt^n
folgende Bemerkung: quam parietn lau fundi divites dom^Mieae coptae
mandun' solimi, ^ ('nim a fmuhi Umgina ahmnt oppida aui nici^ faln'o»
parant^ quon habeant in vdla,ific crteroii uücei^mrioii ar( t ftc^Mt^ ne dr fundo
familia ah opere dwcmlat ac profentiH diehaa amhidet ffTUUa pothut, quam
opere faeiendo agrum fruettiosiorem r^ddat itaqiw idf^o Saan^nfte id^er
pt'ttreipit^ nequU de fundo iKcmi pnudrr vtUciim f*t promum ft unum,
qu*-m rUiruH legal.
Wie man sieht, stellt Varro die Grossgrundbesitzej*, lafi fumli dirites^
in (tegeuÄatz zu den Gnmdbesitzern überhaupt. Auf sehr grussen Gütern,
sagt er, pHegt man für dieselben Arbeiten, welche sonst durrh gemietete
Handwerker verricht»*t werden, eigene Handwerkssklaven zu halten. Aber
-^ das miiSH hervorgehoben werden — nicht auf allen grossen Gutem
ohne rnterschied, Sfjndern vornehmlich auf denjenigen, die so weit von
Städten und DörtVrn entfernt liegen, dass nur mit fiilübarem Verlust an
Zeit und Arbeit Handwerker von dort geholt weiden könnten. Der Zu-
satz: ne de fundo familia ah opfere dhcedat etc. hebt den doppelten
rbelstand hervor, den da*« .^hhängigsein von der städtischen Industrie
für grosse, entlegene (ititer mit sich bringt: einmal kann die Arbeit nicht
mit der erforderliehen Kontinuität vor sich gehen, und zweitens muss
man unaufhi^rliche Statitreisen machen, was zeitraubend ist und dabei auf
die als Boten verwendeten Sklaven eine sclileclite Einwirkung ausübt,
eine Erfahrung, die schon der alte Sasema gemacht hatte.
Welche Gewerbe unter den Gutssklaven vertreten waren, sagt Varro
nicht. Er spricht nur im allgemeinen von fahrig womit wohl zunächst
„Bauleute** gemeint sind. *) In der Tat mussten solche auf einem grösseren
Gute andauernde Beschäftigung finden. Neubauten-) wurden wohl, wie
wir bei Cato sahen, einem redempim- in Akkord gegeben , aber daneben
gab es wohl immer Reparatuien an den Wirtschaftsgebäuden und
andere kleinere Bauarbeiten,*) für welche Maurer und Zimmerleute nötig
waren* Ob unter den fahrt auch die ohne Zweifel vorkommenden fahrt
X) faber wird jeder Haiidwt?rker geniioiit, der iö barti;m MatcnAl urbeittflf
H, Biümoiir, 7'ecknologi€f II, 16d; Koni« 'mann bi!i Pimly-Wiswjwa Jt-E^ Art, fahri.
2) I^ 11,2: viüa aedificanda.
3) So die AueTithntii^^ %m\ maceriae^ iMrelche Viirru dcHltiüb nach fabrik »aept-
70 Ä OummeruSy
ferrarii, Schmiede, einbegriffen sind, sei dahingestellt. Die übrigen be-
werbe werden unter ceteri necessarii artifices znsammengefasst.
Nun wird allerdings für ein Kapitel der Oeoponiea,^) wo vorge-
schrieben wird, Zxi x^kxiag xcu tixTOvag xai xBQafAiag ky roig dygolg
ix^iv del, Varro als Gewährsmann angegeben (Bdgwvog). Aber offenbar
hat der Kompilator dieses Sammelwerkes das varronische Original nicht
selbst gelesen, sondern schöpft, wie öfters, das Zitat aus sekundären Quellen,
in welchen Varros Vorschriften durch spätere Zusätze ergänzt waren.
Noch der Anfang des Kapitels gibt Varros Gedanken unversehrt wieder:
T6 iig rag noleig rijg xataoxevfjg tvtxa raiv k^yaXdwv rovg ynogyoifg
igXM&cch ctavfKfogov, tj n yag rwv kQyaXüwv XQ^^^ awBx^Q vn^n&üaa
kfinoälau roig ytatQyolg, rj r< ilg tr/v noXiv avyexVS kniStjfiia agyoTBgov
noufi. (§ 2) Sio xQ^ ;^aAxia^ xai rixvovag i} hf avrolg fx^'^ ^^^ ayQolg ^
nkfjölov. fabri bei Varro wird ganz korrekt mit x^^^^*^ ^^ Tixrovig
übersetzt. Aber das folgende ist nicht aus Varro genommen:
(§3) avayxttioxaxov Si xai xigafiiag ix^iv ndvrmv hftxa^ mniia-
uivwv Ott, hv ncufy rp yg Hatw svQiiw xigafiixffV ytiv, f yäg kn$n6kaiov,
V iv ßd&tkf i] iv anoxexgvjAfiivoig fjUgiOi xai xonoig tov x^^ov knirrfiüav
yrpf ngog xaraoxeviiv xtgdfuav ivgr^aug.
Dieser Zusatz über die Töpferei stammt vielleicht aus dem Sammel-
werke des Vindanios Anatolios von Berytos,'-^) das dem Kompilator der
Oeoponica als eine Hauptquelle gedient hat. Eine andere Stelle, die
über die Anfertigung von Dolien handelt, wird ausdrücklich diesem Autor
zugeteilt.«) Interessant ist, dass dieselbe Vorschrift, Schmiede, Zimmerleute
und Töpfer auf dem Gute zu halten, sich auch bei Palladius findet, und
zwar mit derselben Motivierung: ferrarii, lignarü, doUorum cuparumque
factores necessario habendi sunt, ne a labore solenni rw^ticos causa desi-
derandae urhis avertat*) Dass Vindanios dem Palladius hier als Quelle vor-
gelegen habe, ist nicht anzunehmen. Wahrscheinlich hat Palladius die Vor-
schrift demselben Autor entnommen, den Vindanios hier ausschreibt^)
Allem Anschein nach hat dieser unbekannte Autor zuerst Varros allgemeine
Vorschrift über die Gutshandwerker zitiert, dann die spezielle Bemerkung
über die Töpferei selbst hinzugefügt Vielleicht folgte in seinem Werke
unmittelbar darauf das Kapitel über die Anfertigung von Dolien, obwohl es
in unserem Sammelwerke einen anderen Platz erhalten hat Palladius hat
die Vorschrift mit gewohnter Kürze in sein Lehrbuch herübergenommen.
Ob die ungenaue Übersetzung rixiovtg = fabri Ugnarii Palladius oder
1) Oeoponica II, 49.
2) Er ist wahrHcheiiilieh mit dein Vindanios Anatolios von Berytos identisch, der
unter Kaiser Julian diente und im J. 364 n. Chr. starb, W. GemoU, Untersuchungen über
die (Jiiellen, den Verfasser und die Abfassungszeit der Oeoponica (Berliner Studien f.
class. Phil u, Archaeol B. I, J. 1884, S. 1-280), S. 228.
3} Oeop. VI, 3 : Tltgl xatuGxfvfjg nld'CDv. 'AvaroXlov.
4) Palladius I, 6, 2.
5) Gemoll a. O. S. 218.
Der römische Outsbetrieb.
71
Vindanios zuzuschreiben ist, ist nicht auszumachen^ da wir nicht wissen,
ob ihre gemeinsame Quelle lateinisch oder griechisch geschrieben war.
Bei Varro findet man die figuli nicht ausdrücklich als Gutshand-
werker erwähnt. Wohl aber hatten schon zu Sasernas Zeit viele Grund-
besitzer auf ihren Gütern Töpfereien, figlinae, eingerichtet. Anne ego,
fragt sich Varro, sequar Sasemurum patrls et fili libros ac magis jmteni
pertmere, figlinas quem ad modum exerceri ojwrteat^ quam argenti fodinas
auf alia metalla, quae sine dubio in aliquo agro fiunt? sed ut neque
lapididnae neque harenariae ad agri culturam 2)f^'tin(mt, sie figlinae.^)
Von der Töpferei als einem Teil der Hauswirtschaft ist hier nicht
die Rede,-) sondern von Ziegeleien und Töpfereien, die als landwiitschaft-
liche Nebengewerbe betrieben wurden und für Absatz arbeiteten. Das
beweist der Zusatz: neque ideo non in quo agro idoneae possunt esse
[non del. Gesner, restit. Keil] exercendae (sc. flglinae), atque ex iis ca-
piendi fructus. Varro vergleicht in dieser Beziehung die Figlinen
mit den taheniae deoorsoriae , Herbergen, welche die Grundbesitzer an
den Verkehrsstrassen aufbauten, und aus welchen sie einen grossen Ge-
winn zogen. Er sagt ausdrücklich, dass er sowohl von denjenigen land-
wirtschaftlichen Nebengewerben spreche, die um des Gutes willen be-
trieben wurden, als von denen, die zwar auf dem Gute ihren Platz hätten,
aber in keinem näheren Verhältnis zum Gutsbetriebe ständen: siquid
propter agrum aut etiam in agro profectus domino. Zu der letzteren
Kategorie von Einkunftsquellen rechnet er offenbar die Figlinen.
Ebensowenig als die figuli dürfen die kurz vorher (§ 21) genannten
textores, Weber, den Gutsarbeitem im eigentlichen Sinne zugezählt werden.
Es heisst hier: nam sie etiam res aliae diversae ab agro erunt adsume^idae,
ut si habet (sc, q\m)plures in fundo textores atque institutos histonas,
sie alios artifices. Das griechische Wort latwv bezeichnet „den Ort,
wo der Webestuhl (lavog) steht und wo gewebt wird**, also „Weberei",
Dieser Terminus sowie das zu textores gefügte Attribut plures zeigen,
dass nicht von einzelnen, für den Gutsbedarf arbeitenden Webern, sondern
von Werkstätten, die als industrielle Betriebe anzusehen sind, die Rede
ist, und dass wir es also hier nicht mit dem Betriebssystem des „Haus-
werks" zu tun haben.*)
Damit ist nicht gesagt, dass auf vielen grösseren Gütern, wo es
brauchbare Tonerde gab, nicht ebendaselbst die Ziegel für Bauzwecke
gestrichen und die von den eigenen Schafen gewonnene Wolle von den
Gutssklaven gesponnen und gewoben worden wäre, um die Haudeute mit
1) 1,2,22; 23,
2) a oben S. 4L
3) Wenn diena l»iidllclii*ti Werkutiilte» ihn.^ Er%migtii«ii* dtirch einen stadUntshrn
Kau^atiu abflc;tztcii, m hUlk'U wir Uler mn B«iii]ild um , V^rljigMjitcm»' (K. Biielittr,
EnM. d. Voltm^ S* 301 ff.)-
72 Ä Oummerus,
Kleidern zu yersehen. Bestimmte Aufschlüsse hierüber gibt uns Varro
nicht.
^ Auf die einzelnen Gewerbe ins Detail einzugehen, wie wir bei Cato
verfahren sind, würde sich bei Varro nicht lohnen. Wir schliessen hier
unsere Untersuchung ab, um nur auf die Ergebnisse einen kurzen Rück-
blick zu werfen.
Weil Varros Werk mehr auf literarischen Studien als auf der persön-
lichen Erfahrung des Verfassers ruht, ist es oft schwer, aus seiner
Darstellung auf die tatsächlich waltenden wirtschaftlichen Zustände zu
schliessen. Ein einheitliches Büd des römischen Gutsbetriebes, wie er
zu Varros Zeit typisch hervortrat, Hess sich nicht gewinnen. Je nach
der Art der Quellen, welche er benutzt, nimmt Varro bald auf kleinere,
bald auf grössere Gutsbetriebe Rücksicht. Doch können folgende Züge
festgestellt werden.
Nach wie vor erscheint als die Grundlage des italischen Gutsbetriebes,
wo er nicht auf die rationelle Viehzucht oder die sogenannte pastio
villatica gerichtet ist, der Wein- und Ölbau. Die Betriebsweise unter-
scheidet sich nicht wesentlich von der zu Catos Zeit üblichen. Catos ökono-
mische Grundsätze: die Bedarfsartikel so weit als möglich aus eigenen
Rohmaterialien und mit eigenen Arbeitskräften herzustellen, auf leichte
Verbindungen mit dem Absatzorte Gewicht zu legen u. s. w., werden von
Varro wiederholt. Obwohl die Wirtschaft, wie vorher, auf die unfreie
Arbeit gegründet war, konnte man doch auch zu dieser Zeit, wo ja
die Sklavenzufuhr überaus reichlich war, die freie Arbeit nicht entbehren.
Für grössere landwirtschaftliche Arbeiten, namentlich für die Enite,
wurden freie Tagelöhner gemietet. Dagegen deutet noch keine Spur
darauf hin, dass die Kleinpächter, coloni, die um diese Zeit eine giössere
Bedeutung gewinnen, als Gutsarbeiter herangezogen worden wären.
Die gewerbliche Produktion auf Gütern gewöhnlicher Grösse blieb
auf einige leichtere Zweige, namentlich wie bei Cato auf Holz-, Flecht-
und Seilerarbeit beschränkt. Die Gewerbserzeugnisse wurden zum gi-össten
Teil gekauft. Ebenso wui'den für etwaige auf dem Gute erforderliche
Handwerksarbeiten auswärtige Arbeiter gemietet. Nur auf gi'ossen, ent-
legenen Gütern begann man jetzt handwerkskundige Sklaven zu halten.
Auch fing die Einrichtung von Manufakturen auf dem Lande, wie Webereien
und Töpfereien, an auf die wirtschaftlichen Zustände Einfluss auszuüben.
Kap. III.
Der römische Gutsbetrieb nach Columella.
Die in die Zeit ZT\ischen Varro und Columella fallenden landwirtschaft-
lichen Schriftsteller: C. Julius Hyginus, A. Cornelius Celsus, Julius
Atticus und Julius Graecinus,') die lediglich durch Zitate bei den
Späteren bekannt sind, kommen für unseren Gegenstand nicht in Betracht.
L. Junius Moderatus Columellas uns erhaltenes Werk: rei rusticae
Jihri duodecim*) ist bekanntlich eine spätere Umarbeitung und Erweite-
rung einer früheren Arbeit, von der wir nur das eine Buch de arhorihus
besitzen. In jener späteren Umarbeitung ist das Werk im Laufe des
siebenten Dezenniums des ersten Jahrhunderts n. Chr. entstanden.^
Abw^eichend von Varro — dem Polyhistor — ist Columella, obgleich
er auch über andere Gegenstände geschrieben hat, vor allem landwirt-
schaftlicher Schriftsteller. Und zwar kann er sich immer auf eigene Er-
fahrungen und Beobachtungen stützen.^) Er ist Pi'aktiker aus Prinzip.^)
Schon in jungen Jahren von seinem Oheim, dem tüchtigen spanischen
Landwirt M. Columella, in die Landwirtschaft eingeführt,*) hat er sich
auf seinen italischen Gütern, die alle in der Nähe von Rom lagen,') als
praktischer Landwirt gründliche Kenntnisse erworben. So kann er sich
wiederholt auf die eigene Erfahrung berufen: über die Behandlung der
1) Colum. I, 1, 13 ff. KeitzeDttein a. 0.
2) So ist nach den besten Handschriften der Titel zu schreiben. — Die neueste
Monographie Über Colamella gibt Wiih. Becher: De Lucii Junii Moderati ColumeUae
vUa et scriptis, Diss. Lips. 1897. Was wir über ihn und sein Werk wissen, bat
M. Schans in seiner Geschichte d. röm, Literatur (Müllers Handbuch Ylll, 2, 2, S. 387 ff.)
in trefflicher Weise zusammengesleUt.
3) Das Werk kann erst naeh 65 n. Chr., dem Todesjahr des Seneca, voUendet
worden sein. J. Häimner, Die hamdäckriftUdie Überlieferung des Columelia, Progr.
Kariamhe 1889.
4) £. BL Ue^n, GmtkkkU Ar BekmikU,^. Sehana a. 0. & 889.
d> 1| 1^ Ul. i*a(i.s t't e^pirktUiu domtnmUur in arühus. IV, U, 'i: fiu* auiem ma*
giMer üHutm docuit usus^
0) Becher *k O* S* B.
7; In o^i (Jarretan^t sirdcfiHmr, i*ar^*t<ilum*^ AlimntK Bechur a. (U
74 H. Oummerus,
Sklaven,^) über die Beurteilung der Ackererde,®) über die Aussaat*) u.s.w.
Besonders häufig tut er es in den Abschnitten, in welchen er den Wein-
bau behandelt.*) Den interessanten Kalkül, wodurch er die Rentabüiät
des Weinbaus zu beweisen sucht/) stützt er ausschliesslich auf eigene
Erfahrungen. Für das Impfen der Weinstöcke hat er einen neuen Bohrer,
terebra, erfunden^) oder zu diesem Zwecke zuerst benutzt.')
Nun hat Columella allerdings auch literarische Quellen in grossem
Umfange herangezogen.^) Selber zählt er eine ganze Menge Schrift-
steller auf.*) Zwar hat er diese Reihe lediglich aus Varro ausgeschrieben,
offenbar ohne dass er alle angeführten Autoren selbst gelesen hätte.'®)
Aber aus seinen eigenen Zitaten geht doch hervor, dass er einem sehr
umfassenden Quellenstudium obgelegen hat.*^) Vieles hat er auch still-
schweigend seinen Vorgängern entlehnt.^^) Besonders reichlich hat er
die lateinischen Schriftsteller benutzt. Ausser Cato. Varro, den beiden
Sasemae , Tremellius Scrofa , Hyginus , Vergil und dem» der lateinischen
Literatur einverleibten Mago hat er auch seine Zeitgenossen, Atticus,
Celsus und Graecinus, welche er in der ersten Auflage seines Werke»
noch nicht kannte,**) herangezogen.
Aber diese Quellenbenutzung war keine unselbständige, wie wir sie
bei Varro haben beobachten können.**) Columella steht seinen Quellen
gegenüber stets auf einem kritischen Standpunkt.*^)
Zwar ist er in seinen Zitaten nicht immer genau. So ist schon öfters
darauf aufmerksam gemacht worden, dass seine Vergilzitate vielfa(*Ji von
dem uns erhaltenen Georgica-Text abweichen.**^) Dies mag in vielen
1) I, 8, 15: praecepia^ qtme me custodisse non poenitet.
2) II, 2, 18 : satis expedita nobis ratione.
3; II, 9, 1 : docuit noster usus.
4) III, 10,8: nos autem primum rationem secuti, nunc etiam langt temporis ex-
pertmentum. V, 6, 23: me autem longus docuit usiif<. XI, 2, 69: optimum est, quod nos
facimus u. s. w.
5) III, 3. 8 ff.
6) IV, 29, 16: nos terehram, quam Gaüicam dicimuSy ad hancinsttionem commenii.
7) De arb. 8, 4 : aptavimus. — Geopon, IV, 13, 2 wird ein t^QttQov ru xaXov^fvov
rdXXixov genannt.
8) Eine eingehende Untersuchung über die QueUcn Columellas fehlt noch. Er-
möglicht wird eine solche erst, seitdem uns die neue, leider sehr verspätete Ausgabe
von Lundström einen saverlässigen Text geschenkt hat
9) I, 1, 7ff,
10) Vgl. oben S. 52.
11) Becher a. O. S. 43.
12) So besonders von Aristoteles und Theophrastus, Gentilli a. O. S. 154 A. 1.
13) H. Stadler, Die Quellen des Plinius im 19. Buche, Diss. München, 1891, S. \S.
Becher a. O. S. 39.
14) Schanz a. 0. S. 391.
15) Den polemisierenden Zug seines Werkes hebt mit Reclit J. Hänssner a. O.
S. 8 hervor.
16) Becher a. O. S. 48 ff.
Ar i%misehe Out^bf^indi.
75
. FjUleti »laiant I)ernhen, (l;iss entwcMler Cohimella ein It^hlerhiiKe.s Kxeniplftr
de?* Ver^'il benutzt hat, uder dass die Abschreiber den Text bei Cülutiielbi
verdi>rben hnben. In anderen Fällen hat Ccdnmella abHirbtIirh oder nur
aas Fblrlitiofkeit die Worte VeT'tril>« verändert. Oline Zweifel beruhen
die Abweiebun^ren bisweilen darauf, dass (^ulumeUa Verg-il aus dem Ge-
dächtnis zitiert.') Auch in den Zitaten aus ('ato und \'arro lassen sieh
viele Ungenau! jrkeiten nachweisen.^)
Das un;renaue Zitieren liat jedüch Cnlnmellu mit den meisten Autoren
'den Altertums i^emein. Was aber hier in Betiaelit kummt, ist, dass die Kritik.
der Coluniella seine VorjjÄn^er unt€rwirft, keine bloss foiinale oder dileitan-
ilisehe, wie oft diejenige Varros, sondern eine auf genaue faolirallmiiselie
Kenninisse gestützte ist. Bald [loleniisiert er gegen ältere Autoren,*) babl
[gegen Zeitgenussen,*) stets mit (Ttiinden, die er ans der eigenen Erfalining
[f ehült hat. Mit ganz besonderer Selbständigkeit äussert er sieh, wie ge-
Uafjft, auf dem Gebiet des WeinbaiLs. Mit gr(»sser Sicherheit fällt hier in
I alten Streitfragen seine Ent.Heheidung. •} Er srhe.ut sieli nieht, iie^en eine
allgemein verbreitete Ansieht zu Felde zu ziehen.*^) (»b er immer richtig
[urteilt, mögen Fachleute entscheiden. Für unseren Gegenstand genügt
[es zu konstatieren, dass Crduniella seinen Stoff nicbr unkritisch dem einen
'oder dem anderen genannten oder ungenanruen Verfasser entlehnt* sondeni
— auch auf Gebieten, wo er^ wie auf dem der Viehzucht, weniger selb-
LStftiidig isf) *— alles nach Kiäften wo mr»glicli durch eigene Kr-
I) O. Ribbeck, Prole0. ad Vetff. S. 20L
2i GeotilU a, 0. H. lo6 A. 4. So zitiert ColumeUa l, 8, l f, CaU) irrtiimlich statt
TiOTO 1,2, s^ d(*«8t'ii Würl<* er «temUcb frei wiedergibt. In § 3 der angrt. SU»Ue, wo
steh CoIumeUa ebeofaUi ainf Cato hcnift, sind die Hauptgedanken — viam et aquam
rt riWfiuiM — wirklieb diesem entiKiinm«*i» (e. l, 2f), nielit aber die Form und dio
näbere Aasfüliruug» welche ColutufUa teilweise Varro l, I*J verdankt. IntereiAant irt,
da«a sieh dieselbe Foniiuliening der t'«toni»cheii Gedanken aucb bei Plitiiui n. A*
XVI IL 26 wjed erfindet: mjrum paraturoH ant^ amnia intut^ri ttporfet tniuam, viam, i^ici'^
nwKL Pliniua gibt Cato« Worte in der Form yüii kurxen Detikaprüchen wieder. Gab
et vieUeicht in Pliniua' Zeit eine Sammlung eatonj»cher Sprüche« welche dieser hier
statt der < >riginalichrlft benutzt hat? — III, 3, 2 titiert Columella ebenfalls irrtümlieh
f ChIo »Utt Varrn i, 2, 7. — Daa Zitat lU, 2, «Sl findet flieh in dem unn erhaltenen l'alo^
' texte nicht wieder. Mit Unrecht behaupt»it GentUÜ dasselbe von der Stelle I, H^ 7, Die
Worte: amhulator emc non dehet entaprecheD Catot c. 5,2: ne mi ambulator. Wa»
darauf bei Columetla folgt, braucht nicht als Zitat aufgeßiut au werden.
8) II, 8, 4 u. III, 10, l ; tetefta auctores. IV, II, 1: Vergilmß et iSaßemn Slolone»-
que €t Cniimes. II, 10, 8 Tremeniwt. XI, 3, 62 H^inm,
4i Besonder» häufig CorntUun Celtm (11, 2, 15; 24, II, 11, 6. IV. I, K IX, 6» 3) und
Julim AtUcm (Hl, 10. S; 18, 2. IV, l, 1).
5) l U , 1 2, 5 : isetu» diMtnuio (Hasorn a, T remelli us äorof a, V^ergi lio*, Detnociitiis, M ago).
6) JH, 7. 2: €«* ntvfirae Htnitniiae tcio pa^ne omniNm agrirciarum diwr$am eäu
opinionem.
T i Es ist auffallend, dan Colum^Ua tn den Abschnitten, in denen er die Hanstiere
und ihre Pfie^'^e behandelt« «ich auf viele Autoren , aber nar »ett^n ausdrüekltcb atif
die eigene Anschauung beruft.
76 Ä Oummermy
fahrung geprüft, und dass er seinen Quellen nichts entlehnt hat, was
dem damaligen Standpunkt der Landwirtschaft oder den Zeit- und Orts-
verhältnissen nicht entsprach.^)
Es ist von vielen Forschem bemerkt worden, dass Coliimella, obwohl
in Spanien geboren, zunächst italische Zustände berücksichtigt. Aus-
drücklich sagt er dies von dem Abschnitt über den Weinbau im dritten
und vierten Buche: haec de vineis Italids vinearumque instrumentis . . .
disserui, mox agricolarum provincicUitmi vineaticos nee minus nostratis
et Oallici arhusti cultus traditurus.^) Diesem Hinweis gemäss bespricht
er dann im fünften Buche, c. 4 u, 5, den Weinbau der Provinzen, c. 6
das arbttstum ItcUicum, c. 7 arbustum Oallicum.
Aber auch in den anderen Abschnitten sind die italischen Verhält-
nisse für Columellas Darstellung massgebend. Ein suhurbanum praeAium,
das man leicht und schnell von der Hauptstadt aus besuchen kann, gilt
ihm als das Ideal eines Landgutes.*) Ausdrücke wie: maxime in Italia,^)
jyraesertim in Italia,^) in hae ipsa Itdlia,^ si modo non provindalis sed
Itdtieus ager est,'') maiore quidem parte Italiae,^) ipsa quoque Italia,^)
suburbana regione Italiae,^^) circa urbem^^) u. s. w. beweisen, dass Colu-
mella seine Erfahrungen als Landwirt hauptsächlich in Italien nnd zwar,
wie gesagt, auf seinen Gütern in der Nähe der Hauptstadt gesammelt hat.
Das schliesst nicht aus, dass er auch die Provinzen in den Bereich
seiner Betrachtungen zieht.^^) Oft wird auf die Verhältnisse einer ein-
zelnen Provinz Rücksicht genommen. Die Provinz Baetica kannte Colu-
mella durch Autopsie, ebenso Kilikien und Syrien.^*) Überhaupt sucht er
den geographischen Verschiedenheiten möglichst gerecht zu werden. Schon
Tremellius Scrofa. hatte davor gewarnt, alles, was die punischen Schrift-
steller speziell für Afrika vorgesclirieben hatten, ohne weiteres auf Italien
zu übertragen.!*) Nach dem oben angeführten sind wir also berechtigt,
1) Vgl. 1, 1, 6.
2) IV, 33, 6.
3) I, 1, 19. Als GregtusAtjt: longinqua ne dicam iransnmrina rura.
4) I, 6,24. Gegensatz: tn tranwnarinis quibusdam regionibua.
5) II, 2, 24. Gegensatz: Numidia et Aegyptus.
6) in, 2, 30.
7) m, 3, 11.
8) lU, 3, 4.
9) VI, 1, 1. Gegensatz: diversüas provinciarutn.
10) XI, 2, 61.
11) XII, 45, 1.
12) Vgl. ausser den bereits zitierten Stellen z. B. I, 6, 15: transmarinis quibusdam
provinciis; 111,13,1: cum lUüici generis futuris agricolis, tum ettam provincÜLltbua;
IV, 1, 5: vix etiam provincialibus agricoUs; XI, 2, 50: qutdam in provinciis transmari-
nis; XI, 3, 54: plurimis provinciis u. s. w.
13) II, 10, 18.
14) I, 1, 6.
Der römische OuUhetr'ieh, 77
überall, wo Columella nicht ausdrücklich von übei-seeischen Verhältnissen
spricht, die Darstellung auf Italien zu beziehen.
Columellas Werk hat einen zusammenfassenden f'harakter und er-
strebt demzufolge eine möglichst grosse Vollständigkeit. Keinen Zweig
der Landwirtschaft will es unberücksichtigt lassen. Es ist aber klar, dass
alle Zweige nicht oder nur selten in einem und demselben Gutsbetrieb
vertreten sein konnten. Je nach dem Boden, dem Klima und der Lage
musste auf der Villa bald der eine, bald der andere Betriebszweig in
den Vordergrund treten. Es ist deshalb nicht leicht, ein einheitliches
Bild von dem Gutsbetrieb, welcher Columella bei seiner Darstellung vor-
schwebte, zu gewinnen. Nur die allgemeinen Umrisse lassen sich mit
einiger Sicherheit ziehen.
Wie sich Columella die Bodenbenutzung auf einem Normalgute denkt,
erhellt aus I, 2, 3 ff. : campus, in prata et arva salictaque et harundineta
digesttis, aedificio subiaceat colles alii vacui arhoribt4s, ut solis segetibua
serviant . . . alii deinde colles olivetis vinetisque et eorum futuris peda-
mentis vestiantur, materiam (maceriam Sang.) lapidernque, si necessitas
aedificandi coegerit, nee minus pecudihus pascua praebere possint tum
rivos decurrentes in prata et hortos et salicta. . . . nee absint greges ar-
mentorum ceterarumque quadrupedum cvlta et dumeta pascentium.
Die Grundzüge unterscheiden sich nicht wesentlich von denjenigen bei
Cato und Varro. Wie vorher erscheint der Wein- und Ölbau als die
Grundlage der italischen Bodenwirtschaft „In Italien," sagt Columella,
„ist der Boden mit Baumweingärten und Olivenwaldungen bepflanzt."*)
Unter den Wirtschaftsgebäuden befinden sich hier wie bei Varro die
obligatorische cella olearia und vinaria^) Selbst widmet sich Columella,
wie oben bemerkt, mit besonderer Vorliebe dem Weinbau, dessen Renta-
bilität er mit Eifer verficht. Die arborum cura gilt ihm als 2>(^^^ ^^'i
rusticae vel maxima:^) — Die Viehzucht ist wie bei Varro von dem
Ackerbau getrennt; doch wird auf der Villa regelmässig Viehzucht ge-
trieben, namentlich wegen der Düngimg,*) auf welche Columella grosses
Gewicht legt.^) Deshalb wird auch dem Futterbau, besonders der Hülsen-
fruchtkultur,*) grosse Sorgfalt gewidmet.
Wenn Cato in seinem Werke nur auf Güter geringeren Umfangs
Rücksicht nimmt, Varro daneben auch diritum copiosi agri ac villae in
Betracht zieht, so schreibt Columella fast ausschliesslich für Gross-
grundbesitzer.
1) II, 2, 24: in Italia, übt arbustü atque olcis consitus ager.
2) 1,6,9; 11; 18.
3) m, 1, 1. De arh, 1, 1.
4) VI pr. 2.
5) II, 1, 7. 13. 14.
6) II, 10. Vgl. Weber, Agrargesch., S. 226. — Eine eingehende Charakteristik
der Bodenkultur bei CJolumella zu geben liegt nicht in der Absicht des Verfassers,
78 H. OummeruSy
Zwar warnt er, wie alle verständigen Landwirte, grössere Guter zu
erwerben, als man mit Vorteil bewirtschaften kann, nee dubium, sagt
er,*) quin minits reddat laxus ager non rede cultm qicam angwftus
eocimie. ... (§ 12) modtcs ergo, qui in omnibtis rebus, etiam parandis
agris adhibebitur. Die ungeheuren Latifundien, die von ihren Besitzern
teils der Verödung preisgegeben, teils mit Scharen von gefesselten Sklaven
und armen freien Untergebenen notdürftig bestellt werden — quos pro-
culcandos pecudibus et vastandos feris derelinquunt aut occupatos nexu
civium et ergastulis tenent — sind ihm ein Greuel. Das aber hindert
ihn nicht, ständig auf die Grosswirtschaft Bücksicht zu nehmen. So
fügt er zu dem Rat, das Beschneiden der Weinstöcke, wenn der Winter
streng ist, bis Mitte Februar aufzuschieben, die Worte hinzu:-) atque id
licebit facere, si erit exiguus possessionis modus, nam uhi ruris vastitas
eledionem nobis temporis negat, etc. Seine Vorschriften über die Ein-
richtung und Betriebsweise der Villa tragen durchweg das Gepräge einer
Plantagenwirtschaft im grossen Stile. Die Menge der Vorratshäuser und
Magazine*) scheint auf eine grossartige Produktion zu deuten. Dem ent-
spricht die grosse Zahl der Sklaven, für welche eine magna et aUa
culina*) erforderlich ist. Die durchgeführte Arbeitsteilung,^) die Ein-
teilung der Sklaven in dasses von je zehn Arbeitern, decuriae, mit ihren
monitores^ und magistri operum"*) oder ma^istri singulorum offidorum^)
das ergastulum für die gefesselten®) mit den Aufsehern, ergastularii^^^) —
alles das deutet auf eine vielköpfige familia. Während sich das Gutspersonal
bei Cato auf einige wenige männliche Hausknechte, neben welchen die
Wirtschafterin, mlica, die einzige Frau ist, beschränkt, bildet die famil'm
bei Columella ein ganzes Gemeinwesen, in dem die Sklaven Weib und
Kind haben dürfen.*^)
Die Grösse des Gutsbetriebes auch nur annäherungsweise zu
bestimmen, ist nicht leicht. Columella sagt, dass eine Ackerfläche von
200 iugera zwei Paar Zugochsen, zwei Ochsentreiber und 6 Acker-
knechte erfordert. Befinden sich auf dem Gute auch Baumpfianzungen,
kommen noch drei Arbeiter hinzu.^*^) Aber diese Angabe hat Columella
von Sasema. Selber setzt er eine weit grössere Fläche voraus. Das
1) 1, 8, 9.
2) IV, 23, 2.
3) I, 6, 9ff.
4) 1, 6, 3.
5) I, 9, 6 : separandi sunt aratores a vinitaribus iique a mediastinis,
6) I, 9, 7.
7) 1,8, 17; 9,1.
8) I, 8, 11. XI, 1, 27.
9) I, 6, 3. 8, 16. XI, 1, 22.
10) I, 8, 17.
11) I, 8, 19.
12) II, 12, 7.
Dn fömiinchv Gufiitwtneh,
70
Verbot der lai: Licinia, iiielir als 50U infj^-m zu l>e.sitztni, gilt ihm offeu-
liar schon als* eine bedeut*^uile Bt^M'hräiikuit^J) 0, Seeek bemerkt, dass
die Dt'karienemteiltiüj? eine Arl)eitsj^tärke von mindesten« 30 Mann be-
dinge« ,,Nun rerlinet Cato {i\ 10 lu 11) auf 240 Morgen Öhvaldun^
13 Sklaven, auf 10<» Morgen Weinberg 16. Die (TÜter, welche dem
i'oliiniella voi*schweben» müssen danach mehr als 500 Morgen Ölpflanzung
oder 200 Morgen \\>inland umfassen.*' •) In der vcUa olmrui, ilie Colu-
mella beschreibt, befinden sich drei Reihen (ivtlla hhra, in welche das
ausgepre-Söte Ol von dem gi'ossen rotundum Inhrum ^ dem es von der
Presse xuerst :fiuflieust, geschöpft wird, „Für jede Reihe sind 30 lahm
genug, wenn nicht die Pflanzung ausgedehnt ist und eine grössere Zalil
fordert,****) IMes niaclu im ganzen W Itthm in der oiku l>\m^ labra
sind wohl mit den htbra ofmria XJIIl in der eeUa oleariu bei l'ato*)
identisch, «'atos Ölpflanxung umfas^te 240 huierrh Nehmen wir au, daj*s
die Zahl der lahm bei rolnmeHa in demselben Verh^lltnisse zu derGri)sse
des Betriebes sieht, wie bei Cato, go würde die Ölpttanzung^ die er hier
im Auge hat, mehr abi 1500 iugefa (val 400 Hektar) tnnfasst haben. Und
doch betrachtet rohniieHa, wie sieh aus den angeführten Worten ergibt,
iliese ölptlanzung nuj* als ein Gut vou Mittelgrösse. Jedenfalls erkennt
man gegenüber den Verhältnissen zu ('atoa Zeit eine bedeutende Zunahme
in der Grösse des landwiHschaft liehen Betriebes.
Die ökonomischen Prinzipien, die der Wirtschaft zn Grunde
liegen, sind dieselben, welche wir bei <'atx) und N'airo wahrgenommen haben.
Die Produktion ist für den Absatz bei*eehnet, die höchstmögliche Rente
aus dem rinmd uu<l iJoden lierauszupressen gilt als das Ziel des Land-
wirts. Doch scheut sich ( ollnniella weniger vieHeieht als ("ato vor einer
grösseren Kapitalanlage. I>ic Hauptsiiche ist ihm, die Kultur zu der
höchsten Intensität hinaufzutreiben. So rÄt er vor allem, einen guten
Winzer zu kaufen, auch wenn man für ihn einen Ijohen Preis (80U0 Sest.)
zahlen müsse. Die meisten Weinbergsbesitzer freilich begnügten sieh, mit
dem ersten bebten Sklaven, der für geringes Geld zu haben wai'.^) Ebenso
legt t'ulumella Gewirht darauf, dass gi^osse, krJiftige Zugochsen gekauft
werden, uui den Boden in hinreichender Tiefe aufpflügen zu können. Ki-
tadelt Cornelius Celsus, der aus Furclit vor den grösseren Kosten nur
leichte Pflüge und kleine Zugtiere venvenden wollte, u/norams, jdufi es^e
rMtuü hl uhcrtitk' friigum quam imptndii, si nuilora merccmur armüntaJ)
Die Verkauf 8 artikel des Gutes wechseln natürlich je nach den
2) O. 8€eck, Geick, ä. Unier^an^ ä. antiken Wdt, I Anhaog 8. 562.
Z) Xn, 52, 12: mt frU auUm in aingulis ordimbux irkenti componi lafßra^ nitfi »i
ü€Hta fuertfit oltvrta et maiarem nimiertiiii äfMderavtrint.
4) Cato c 13. 2. Vgl, c, 10, 4: hbra XII.
^) lU, 3, Ö.
6; 11, 2, 24.
80 7/. Gummerus,
Kulturarten: bald Wein und Ol, bald Getreide und Hülsenfrüchte, bald
Obst und Gartengewächse, bald Fleisch, Milch, Käse,*) Häute u. s. w. Da
Columellas Werk, wie gesagt, eine Enzyklopädie der Landwirtschaft sein
will, können wir uns aus ihm keine Vorstellung darüber bilden, wie sich
auf einem beliebigen Gute der Absatz regelte.
Es bedarf kaum der Erwähnung, dass Oolumella, wie vorher C-ato
und Van-o, auf gute Kommunikationen viel Gewicht legt. Spielt doch
für jedes Gut, auf dem die Produktion auf den Absatz gerichtet ist, die
Leichtigkeit des Transportes bei der Rentabilität eine grosse Rolle. Man
soll, sagt Columella, wenn man ein Landgut kauft, auch darauf sehen, dass
es nicht weit vom Meere oder von einem schiffbaren Flusse liegt, auf
welchem die Produkte ausgeführt und Waren eingeführt werden können:
nee procul a mari aut navigabili flumine, quo deportari fructiis et per
quod merces invehi j^ossintJ) Aber nicht nur Wasserwege, sondern auch
gute Landstrassen können dem Warentransport dienen. Oolumella beruft
sich hierin auf Cato, dessen Vorschriften er näher ausführt:^) multum
conferre agris iter commodum: primuni, quod est ynaximum, i2)sam i)rae-
sentiam dommi, qui libentius commeaturus sit, si vexationem viae non
reformidet deinde ad invehenda et exportanda utensilia, quae res frugi-
hus conditis äuget pretium et minuit impen^as rerum invectarum: qui
minoris apiwrtentur eo, quo facili nisu perveniatur,
Dass die Behauptung M. Webers über die Unerschwinglichkeit der
Trausportkosten zu Lande unhaltbar ist, haben wir oben (S. 59) gesehen.
Wenn Weber in Bezug auf Columella I, 5, 6 äussert: „('olumella, der die
Nähe des Meeres und grosser Flüsse noch erwähnt als den Austausch
der Rohpi-odukte gegen Waren erleichternd, hält die Nähe grösserer
Strassen, der Einquartierung und des Ungeziefers der Vagabunden wegen,
für nicht erwünscht,"*) so versteht er die Stelle ganz falsch, ('olumella
sagt nicht, dass das Gut von grösseren Verkehrsstrassen entfernt sein
müsse, sondern dass man die Villa nicht so aufführen solle, dass die v\a
militaris dicht vorüberstreicht: 7iec paludem quideni ricinam esse oportet
aedificii^, nee iunctam militareni viam . . . (§ 7) haec autem 2)raetereu7itium
viatorum populationihus et assiduis devertentium hospitlis infestat rcni
fanüljarem.
Betrachten wir die Arbeiterorganisation des Gutsbetriebes,
so fällt sofort in die Augen, dass die Wirtschaft noch mehr als bei
(■ato und und VaiTO auf Sklavenarbeit gegründet ist.
Überall wird bei Columella vorausgesetzt, dass die landwirtschaft-
lichen Arbeiten durch die Gutssklaven allein verrichtet werden. So
1) Käse wurde auch ftir den Export zubereitet: VII, 8, 6: ?wc genm casei potest
etiam Irans maria permitU.
2 I, 2, 3. Vgl. Cato c. 1,3 und oben S. 22.
3 I, 8, 3. Über die Stelle s. oben S. 23.
4) Weber a. 0. S. 224.
/er römtsrnfi
schreibt er z. B. vor, dasn die Zahl der verschiedenartigen Arbeitsgeräte,
/l"r V'. dopi^elt 80 gross sein sali als die Zahl der Sklaven»
dui ^nam jiamenis aervorum ea^qiU) Die ganze Arbeitsorganisation,
wie sie in c. 8 und 9 des ersten Bnches dargestellt ist. passt nur für
c^in Personal von ausschliesslirh unfreien Arbeiteni,
Dennoch ist die Anwendtmg freier Ijolmarbeiter auch bei Columella
nicht ausgesclilossen. Zwar werden solche nirgends ausdrücklich genannt,
Nttr in der Vorrede erwÄhnt ('olumella, dass äimere (Gutsbesitzer statt
eines Sklaven einen freien, freilieh zu diesem Berufe unfähigen Lohn-
arbeiter als inlieufi anzustellen pflegten.*) Ojterarius bedeutet bei ('ohi-
mdla nicht Tagelöhner, sondern Arbeiter überhaupt*) Aber von vorn-
herein nuL^is man annehmen, dass auch auf Columellas Nonnalgnt in
ge\iissen Fällen auswärtige Arbeiter gemietet wurden.
Diese Annahme wird in der Tat durch zwei Stellen bestätigt* Die
eine bezieht sich auf die Weinlase. Man soll, sagt ( lolumella, den Wein-
berg mit verschiedenen Varietäten liepflanzen, welche nicht gleichzeitig
zur Seife gf*langen. Sonst entsteht, wenn der ganze Weinlierg auf einmal
in kurzer Zeit abgeerntet werden muss, eine furchtbare Eile, die den
Besitzer nötigt, zu jedem Preise mehr Kmtearbeiter zu mieten: cagitque
plun^ Opera 8 qiumhcumque prdio conducere^)
An der anderen Stelle'') wird vom Roden eines steinigen Bodens ge-
sprochen. Columella rät u. a, die Steine in tiefe Furchen eingraben zu
lassen. Dies aber soll man nur dann tun, wenn die Niedrigkeit der
Arbeitüh'ihne dazu rät: quod tarnen da faciendum erit, .vi suadehil
aperarum vilitas.
Also für die Krnte und für Neubrüche kann der (tiiisbe«itzer ge-
mietete Leute verwenden, braucht es aber nicht (ierade an der erst-
genaimten Stelle will fülumella seine Leser belehren, wie man bei der
Weinlese fremde Arbeitskräfte entbehren kann.
Dass diese Hilfsarbeiter freie Leute waren, nicht Sklaven, die von
ihren Herren vermietet wurden, lässt sich mit ziemlicher Wahrscheinlich-
keit aus dem schliessen, was Varro über die fftr opera rtistica maiora
gedungenen freien mercemtani mitteilt*') Auch die Verdingung jener
^grösseren Arbeiten^' ist Columella nicht unbekannte So erwähnt er den
Fall, dasij die pmtinatio, die Behaekung des Weinbergs, einem canductor
bberlassen wird.^) Die Stelle IIL 3, 13, wo der coi Sang.: etmi lucro
1) 1,8» 8» vgl, Xl. 1,20,
2) I, pr, 12: itx mercemmriiM aHquem^ tam recuJiantan quoUdianum iUud tributwm*
5) Bo Xt 2, 40. — Die XI, t 4; Iß; 25 gutiimaicti operarii sind aU UüttiTgebene
d«i mUeiM aicber SkUiT«ii, wie bfi QmXo c 10, t 11, 1.
4) m, 21, 10
6) n, 2, 12.
6) OlMJO 9. 65.
7) III* 18, 12: »k compoHium or^ttnum. cum in fukum dmUsmm tit , läem dornt m
et cmducicris #me iniuria diducü. Der § 10 und 13 genaunte ß^eactar opem Ut wohl
82 H, Ghummer'uSj
redemptorum erit hat, ist vielleicht korrupt, aber es scheint daraus doch
hervorzugehen, dass hier von der Verdingung der Weinernte die Bede ist.
Nicht ausgeschlossen ist es also, dass unter den foenisicde,^) messores*)
und vindemiatores^) auch auswärtige Hilfsarbeiter einbegriffen sind.
Dagegen scheint der Verkauf der ganzen Wein- und Ölemte auf dem
Stocke auf Columellas Gütern nicht gebräuchlich gewesen zu sein. Zwar
war diese Art die Früchte zu verwerten, die wir bei Cato im Grebrauch
fanden, auch in der Kaiserzeit üblich,^) und es mag sein, dass sie, wie
M. Weber glaubt,*) die Grundlage der Rentabilitätsberechnung Columellas
bildet. Aber die ganze Einrichtung des Gutes, wie er sie in seinem Werke
darstellt, zeigt, dass die Wein- und Ölbereitung für die Rechnung des
Besitzers selbst in seinen eigenen Keltern durch die von ihm dafür an-
gestellten torcularii^) geschieht. Nicht die hängenden Früchte, sondern
das fertige Produkt wird aus den ceUae oleariae und vinariae verkauft.')
Immerhin scheint die freie Arbeit bei Columella eine weit bescheidenere
Rolle als bei Cato und Varro zu spielen. Die Ursache ist klar: die
Grösse des Gutsbetriebs und damit der familia macht die Wirtschaft,
was die Feldarbeiten betrifft, von auswärtiger Hilfe ziemlich, wenn auch
nicht ganz, unabhängig.
Nun tritt aber bei Columella die Kleinpächterwirtschaft mit
ganz anderer Bestimmtheit und Stärke als bei den älteren Schriftstellern
hervor. Die Annahme liegt nahe, dass die coloni auf Columellas Gütern in
erheblichem Masse als Hilfsarbeiter auf dem Hoflande herangezogen wurden.
Man erwartet unter ihren Lasten auch eine Anzahl jährlich zu leistender
Tagewerke. Eine eingehende Analyse der in Frage kommenden Stellen
wird jedoch diese Annahme nicht bestätigen.
Die wichtigste von diesen Stellen ist das siebente Kapitel des ersten
Buches. Nachdem Columella in den vorhergehenden Kapiteln die Ein-
richtung der Villa beschrieben hat, fährt er fort:
Sie Omnibus ita vel acceptis vel compositis, praecipiia cura domini
requiritur, cum in ceteris rebus, tum maocime in hominibus, aique hi
der vom dominus angestellte Kontrolleur, wie der custos bei Cato c. 144, 1. 145, 1. — Vgl.
Dig, XLIII, 24, 15, 1 (Ulpianus): it cui fundumpastinandum locaveras. Durch die Ver-
wendung gemieteter Arbeitskräfte mussten die Kosten der pastinatio in die Höhe gehen :
qui pastinationis impensam reformidant etc., Colum. III, 18, 4.
1) n, 17, 5.
2) n, 12, 1.
3) III, 21, 6. IV, 17, 8. Xn, 18, 2 u. ö.
4) Plin. ep. VIII, 2, 1 : vendideram vindemias ceriatim negotiatoribus ementibus.
Dig. XVin, 1, 39, 1 (Julianus) : qui fructum olivae pendentis vendidisset, XIX, 1, 25 (idem) :
qui pendentem vindemiam emit. Plinius n. h. XIV, 50: CCCÜ M nummum emptori ad-
dicta pendente vindemia.
5) Ägrargesch. S. 229.
6) XII, 52, 3.
7) I, 6, 9: vinum aut oleum venale. XII, 52, 14: dolia autem et aeriae, in quib%u
oleum reponitur, . . . ubi fuerint a mercatore vacuata. . . .
Dtr rSmisehf* (hitshefriek
83
vel rt^||pg^r<iiTt 9unt, soluH atd vinäH, comiter agät emn colonw
facUemque se praebeat avarht^B opus exigat quam peiisiones^ quoniam et
minus id o/fenäit et ianten in univet'mim ma^is prodesL nam übt sedulo
rolitur ager. jüerumque Cömpendiunif numquam (nim si catli maior vis
aut praedonis tncessit) detrimentt4m affi*rt eoqne renmsiom^i coloiws
pet^e HÖH audet (§ 2) sed nee dominue in unaquaque re, cum cohnum
obligaverit, tmax esse iuris sui debet, sicfd in diebus pemniariim, ut
liff7ii$ et ceteris parvis atcessionibus exlgendts, quarum eura maiorefn
molestiam qtmm impensam rmticis afferf. Weiter gibt Coltimella den
Rat, häufige Verpachtung zri vermeiden. Da^ beste sei, wenn die Kolonen
auf dem Gute jrebaren sind, mlmii indigenat. Columella benift sich in
dieser Beziehiiiipr auf einen Ausspruch des reichen Ronsulars L. Volusiua
and auf den alten Saserna,*) Dann wird die Frage erörtert, wann und
wo man den Grund und Boden an Kolonen verpachten soll. Auf einem
nur leidlich fruchtbaren Boden werde der einsichtige Landwirt, der sein
Out selbst mit eigrenen Sklaven, domeMid, bewirtschaftet, immer einen
^sseren Gewinn erzielen als durch Veri)achtunjB:. Auch da, wo der
dominus die Wirtschaft nicht persönlich leitet, werde ein guter mlicm
mehr herauswirtschaften können als der Pächter. Aber auf unfrucht-
barem oder ungesundem Boden oder auf abgelegenen Gütern, wo die
Misiistlnde der Sklavenwirtschaft infolge der Schwierigkeit der Über-
wachung besonders arg hervortreten müssen, da sei die Verpachtung an
Kolonen anzuraten, namentlich wenn das Gut in Getreideäckern besteht,
nicht in Weinpflauxungen, die von Pächtern leicht verdorben w*erden können.
Das Wort colonm kommt In der Bedeutung ^Kleinpächter" bei
Cohimella nur liier und nachtrage weise c, 9, 9 vor. Sonst >\ird cohmus
immer nur als Synonym für agricofa, agrl cultor, msiitus, arator u, s, w,
gebraucht^ An der Stelle T, pr, 17 sind die W^orte; administrarentve
Opera cühnonim sicher Glossera. Irrig erklärt M, Weber ^*) und nach ihm
A. Kaeder*) die Stelle II, 9, 17, wo jener aus den W^orten: multis rc-
gionibm eibariis eorum (sc, panici et niüii) eoloni snistininitur schliesst.
„daas die Kolonen vom Gute aus mit Speise versorgt wurden." Die an-
geführten Worte besagen nur, dass in einigen Gegenden die Jjandleute
{eolmii =^ riistici) von Hirse leben. Ans Hirse wurde nämlich eine gute
puh zubereitete) A. Pemice,'*) der jedoch die hier genannten cohmi mit
^Pächter" übersetzt, kann aus der Stelle nur herauslesen, dass ,.tlie Pächter
sich von Hirse nähren," keineswegs aber, daas sie „vom Gute mit Speise
1) », hbraber oben S. 64.
2) %. B. I, 1, 6j 3, 2; 4, 4. 11, l, 3; 5j 15, 2, lU, 5, 2; 7, 3 VI pr. 4. X\, 1. 14.
8) Ä^fxrstich,, 8. 246.
4) Nordisk tidsskHft far Füüh^ 1897-96, S. 27.
5) Colum. II, 9, 19.
6) A. Peniic«» Parer^ VITI, Über teiritchaflUche Varamsttnmgm
Etchtumt, Z€imkf. f. MtchUgesüL, Ittman, Aht,^ IBm, S, 91 A. 4.
6*
84 H. Gfvmmertis,
versorgt wurden während der Zeit, wo sie für den Herrn zu arbeiten
hatten" (Weber).
Eines anderen Missverständnisses macht sich 0. Seeck^) schuldig«
Aus der Stelle XI, 1, 14: pltmmum enim refert colonos a primo mane
opus aggredi, nee lentos per otium pigre procedere schliesst er, dass
der vilictts die Kleinpächter zum Frühaufstehen zu veranlassen hatte.
coloni hat auch hier einfach die Bedeutung rustici.
Mehr Bedenken erweckt die Stelle I, 6, 21. Es ist hier von den
auf einem wohlgeordneten Gutshofe nötigen Gebäuden die Rede: circa
villam deinceps haec esse oportehit: fumum etpistrinum qtuintum ftUunis
numertcs colonorum postulaverit , cet. A. Raeder^) will daraus folgern,
dass man bei dem Aufbau einer villa auf die Kolonen als einen festen
Teil der Gutsarbeiter rechnete. Aber schwerlich sind die hier genannten
coloni mit den in c. 7 erörterten Kleinpächtern zu identifizieren. Warum
sollte die Grösse des Backofens oder der Mühle nur nach der künftigen
Zahl der Pächter berechnet worden sein? Selbstverständlich wird mit der
Benennung coloni das ganze Gutspersonal bezeichnet Dass zu den
„Bebauem" des Gutes hier auch die Pächter gerechnet werden, ist mög-
lich, da es nicht ausgeschlossen ist, dass diese nicht nur die Mühle, wie
der partiarius politor bei Cato c 136, sondern vielleicht auch den Back-
ofen des Gutshofes benutzten. Aber zu den Gutsarbeitem im eigentlichen
Sinne brauchten sie darum nicht gezählt zu werden.
Die schon besprochene Stelle (1,3, 12), in der Columella von den
Latifundien spricht, die die reichen Magnaten proculcandos pecudihus et
vastandos feris derelinquunt, aut occupatos nexu dvium et ergastiUis
tenent, mag sich auf grosse salttis wie die afrikanischen beziehen. Dass
mit dem Ausdruck nexu dvium Kolonen bezeichnet werden, ist oben
wahrscheinlich gemacht worden.*) Irgendwelche Schlussfolgerungen über
die Stellung der Kolonen kann man jedoch aus dieser Stelle allein nicht
ziehen.
Kehren wir zu dem siebenten Kapitel zurück. Die Existenz freier
Kleinpächter auf dem fvmdus wird hier als selbstverständlich angenommen.*)
Ausser dem gewöhnlichen Geldzins (merces, pensiones), den die Kolonen
in bestimmten Terminen (dies pecv/niarum) zu zahlen haben, werden noch
einige „Nebenleistungen", accessiones, z. B. Holzlieferungen, genannt.
Soweit ist alles klar. Aber was haben die Worte: avarius opus exigat
quam pensiones zu bedeuten?
1) Pauly-Wissowa, Realencykl. IV, 488 (Art colonatus).
2) A. 0. S. 65.
3) Oben S. 62.
4) Dass Columella die Parzellen der Kolonen als integrierende Teile des Gutes
betrachtet, zeigt vielleicht auch der Ausdruck colonia, den er einmal gebraucht, um
das ganze Gutsgebiet zu bezeichnen (XI, 1,23: neque enim coloni ae 8U(u terminas
egredi debet, sc. vilicus). Bei den Juriskonsuiten bedeutet colonia immer .Pachtgat*.
Der römische Outshetrieh. 85
M. Weber will diese Worte dahin erklären, dass den Kolonen ausser
der Bestellung des erpachteten Landes auch ^Scharwerk bei der Ernte
und der Feldbestellung" oblag, „was tatsächlich wohl darauf hinaus kam,
dass die Pächter jeder einen bestimmten Teil des Herrenlandes mit-
zubestellen und abzuernten hatten."^) Ihm folgt neuerdings M. Voigt,
allerdings ohne nähere Begründung. ')
Aber eine genauere Prüfung der Stelle bestätigt diese Interpreta-
tion nicht
Mit dem Ausdruck opus exigat will Columella offenbar nichts anderes
sagen, als dass der Dominus seine Kolonen streng anhalten soll, dass sie
ihre eigenen Parzellen gut bestellen. „Denn — sagt er — wo die Äcker
fleissig bestellt werden, werden sie meist einen Gewinn, niemals Verlust
einbringen (wenn nicht Naturereignisse oder Räuber die Frucht zerstören),
und dann wagt der Pächter nicht um Nachlass zu bitten." Der Sinn ist
vollständig klar. Die regelmässige Zahlung des Geldzinses bleibt für den
Grundherrn die Hauptsache; sie sich zu sichern muss seine Hauptaufgabe
sein. Vor allem gilt es die häufigen Pachterlasse, remissionesj^ möglichst
zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der sicherste Weg, sagt
('Olumella, nicht ein rigoroses Festhalten an den Zahlungterminen, viel-
mehr muss man dafür sorgen, dass die Kolonen den höchstmöglichen Er-
trag aus ihren Parzellen herauswirtschaften. Wenn der Pächter seine
Äcker mit Fleiss und Umsicht bestellte, musste er meistens das nötige
Geld aufbringen können, um die Pachtsumme zu zahlen, und konnte dann
schwerlich um Erlassung bitten. Aber gerade die Bewirtschaftung der
Parzellen muss viel zu wünschen übrig gelassen haben. Es muss vor-
gekommen sein, dass die Kolonen die Reben oder Fnichtbäume, die auf
ihren Parzellen wuchsen, durch ihre Nachlässigkeit zu Grunde gehen
Hessen (§ 6). Darum rät C'olumella, die Bewirtschaftung der Parzellen
zu überwachen, und die Kolonen zur Arbeit anzuhalten. Eine solche
Überwachung war zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches. Als Plinius d. J.
die Geldpacht auf seinen Gütern in Teilpacht umwandelte, stellte er eigene
operis exadores, custodes fructibus an, um die Arbeit der Pächter zu
überwachen,^)
Die Überwachung liegt allerdings bei der Teilpacht näher, hat aber
auch bei der Geldpacht nichts Auffallendes. Hatte doch der dominus seinem
colonus einen guten Teil des instrumentum fundi zur Verfügung zu stellen.^
1) M. Weber, Ägrargesch., S. 245.
2) M. Voigt, Römische Rechtsgesch., 11 (1899), 8. 934 A. 48.
3) In Plinius' Briefen erscheinen sie als eine wahre Plage des Grundbesitzers.
4) Plin. ep. IX, 37, 3. — Nach der lex Manciana. col. 111 1. 16 gehört eine solche
custodia zu den Lasten der Kolonen selbst. — Mit Unrecht wird Cic. pro Caec. 94
als Beleg fUr die custodia zitiert. Dass Caecina von seinem Pächter Rechenschaft
empfing, rationes a colono aecepit, braucht durchaus nicht eine Überwachung von
Seiten des Ersteren vorauszusetien.
5) Dig. XIX, 2, 19, 2; oben S. 48.
86 H. Ghimmerus,
Es lag also im Interesse des Grandherrn, auf die Wirtschaft des Pächters
ein aufmerksames Auge zu haben. In den Pachtkontrakt pflegte man
die Klausel einzuführen, dass der Pächter alle landwirtschaftlichen Arbeiten
zur rechten Zeit vornehmen solle, damit er nicht durch unzeitige Kultur
das Gut schlechter mache.*) Natürlich war es die Sache des Grundherrn,
darüber zu wachen, dass diese Bestimmung auch befolgt wurde.
Auch Weber gibt die Möglichkeit zu, „dass es sich bei diesem ,opus'
um die Bestellung des erpachteten Landes des Kolonen handeln sollte,"
aber „dass es sich nur um das Pachtland handeln sollte," findet er
„wenig wahrscheinlich." Allein wenn man in dem „opus^ auch Frohn-
arbeit auf dem Herrenlande mit einbegreift, wird die Erklärung des
folgenden sehr schwierig, ja unmöglich. Warum durfte der colonus um
keine Erlasse mehr bitten, weim der Ertrag des Hoflandes grösser wurde?
Sehr gesucht ist Webers Erklärung, dass, wenn das Feld des Herrn gut
getragen habe, der Kolone nicht wegen angeblichen Misswachses auf
seinem Feld Remission fordern könne. *) Übrigens widerspricht, wie
A. Pemice mit Recht hervorhebt,') dieser Erklänmg der Ausdruck opus
— es müsste operas exigat heissen.
Es scheint also festgestellt zu sein, dass die Kolonen bei Columella
keine Frohnbauem sind, sondern noch die Kleinpächter der republikanischen
Zeit, die für ihre Parzelle nur einen Geldzins erlegen.
Damit ist natürlich nicht gesagt, dass die Kolonen niemals als zu-
fällige Hilfsarbeiter herangezogen worden wären. Nichts hindert uns dies
anzunehmen, obwohl Columella darüber schweigt. Der Umstand, dass er
die Verwendung fremder Arbeitskräfte offenbar nur als Ausnahme er-
wähnt, macht diese Annahme sogar wahrscheinlich.
Das Resultat unserer Untersuchung, dass die Kolonen bei Columella
noch keine operae auf dem Hoflande kontraktmässig zu leisten hatten,
wird dadurch bestätigt, dass solche ojyerae unter den Lasten des Pächters
in den älteren Rechtsquellen nirgends, in den jüngeren nur selten und
mit sehr undeutlichen Worten erwähnt werden. Wie sich damit die
Tatsache verträgt, dass auf den grossen afrikanischen Domänen*) die
Kolonen jährlich zu einer gewissen Zahl von Hand- und Spanndiensten
verpflichtet waren, ist eine Frage, auf die wir liier nicht eingehen können.
Wir haben in der Arbeitsorganisation bei Columella das Bestreben
wahrzunehmen geglaubt, für die landwirtschaftliche Urproduktion
möglichst mit eigenen Arbeitskräften auszukommen. Macht sich dieses
Bestreben auch in Betreff der Beschaffung der Konsumtionsgüter,
besonders der Erzeugnisse der gewerblichen Produktion, geltend?
1) Dig. XIX, 2, 25, 3 (Gaius).
2) a. 0. S. 246 Anm. 57.
S) A. Pemice a. 0. S. 91 A. 1.
4) Nicht bloss auf den kaiserlichen, sondern auch auf den privaten. Die viel-
besprochene lex Manciana ist für ein Privatgut abgefasst.
Der rommht' Gutjihelrivft
Wie Cato und Varro ermahnt auch (blnmeüa deii pat^ familim diö
Zeit der Morgen- und Abenddämmenmg zu Hansarbeiten verschiedener
Art. auszunutzen, num tnuHa ^unt, sagt er/) qiuie in lucuhmfione rede
ftguntur. mn* enim vin^'as possidefnus, pnli ei ridicae pomunt dolnri
estaeuiqt^: m-e regia ferutas vel cortici» ferax e$tf apibtis alvearia fieri
dehent: sive palmae spartive femimla est^ fiseinae sjtoriaeque: mu mr-
ffuHorum^ carbm ea? vimine, (§ 91) ac ne cetera nmie perseqtmr, nulla
re^ non aUfjuid affert, qtwd ad lucubrationein confid possit . . . (§ 92)
, , , tum etmtn per lurnhationem ferramenta aciiere et ad en facere^ vel
facta mannlria apiare^ quorum optima sunt ilignea, deinde carpinen^
post haec frax'mea.
Als gewerbliche Hausbeschäftigung der Sklaven erscheint also auch
hitr haüptsäclüldi leichtere Holz- und Flechtarbeit, Im Winter, im
Januar, werden am besten die für den Weinberg erforderlichen Pfähle
zugehauen.*) Ein Arbeiter kann 100 pali oder 60 ridicae im Tage
schnitten, ausserdem in der Abenddäramerung 10 pali oder 5 ridicae^
ebenso viele in der Morgendämmerung*') Von sonstiger Holzarbeit er-
wähnt Oüluraella speziell diis Verfertjjren von Handgriffen, nmnabria, für
die Eisengeräte*) Das Korbflechten dauert auf grossen Weingütern das
ganze Jahr hindurch: si aj/er amplu.^ aut mnefn auf arhtista grandia
$iitü\ perenne fahricandae dmttnmodiae et IrimodlaA}^ et fisceUae tcxendae
et picnndäe^) Über da3 Verfertigen von Hienenkttrben sagt. (*olnmella:
alrenrm fahricanda sunt pro conditiane regionis (aus Binde, Pfriemen-
gi^as, Weide oder Holz)/)
Wie man sieht, hat ColumeUa in Betreff der gewerblichen Betätigung
der Guts8klaven zu dem, was seine Vorgänger hierüber vorschrieben,
kaum etwas Neuei« hinzuzufügen/) Der Umutand, dass ColumeUa das
i XI, 2, 90,
2) XI. 2, U. Wenn man die PAihle und Weid^omteo nicht auf d^m ^igeueo Bodrtt
*liefvarbrln|r«!ti katiii^ mo ist es nach ColumeUa* An«icbl be«iier, kotn<!iu Wcitigurtön an*
sulegeii, dt»üii «it? su kaufen lohnt web nicht (IV, 80, 1). Nicht alle Landwirti» waren
jedoch diewr Ännidit. Der Verkauf von derartigen Stützen, pedamcnta, von einem
Gute, wo an »»olcben Überflu«« war (Varro I, 10,3^^ muw* rreht ^MntrSi^lTch ^'eweien
•Hn. Man leiste Hucb mbctat mlvae p€dare$ und harumiinrta für üU(^chlit'8Mtie}i«' Vcr^
KuHM^rutig an, Düf VII, l,y, 7 Die WeideDpilanzung •ti^llte «chon Cato im Hinblick
auf die HcnUbilität uuter dcu verscbiedeuen Bodenkultiin^a an die dritte Stelle Ott
Handel mit p^dammta worda au einem be«ood6rt*n Bcnifi^: CIL. Yl, 9672: 3t Lid*
nia MoMcho nnffotianit pcrtieario.
8) XI, 2/12.
4) Er folgt hierin Hyginu» , der nach Fljti. XVI, 2S0 wumuMa ru»Heis earpineot
»%H<i, ctrrra zu verfertigen riet,
5) XI r, 18, 2.
6) IX, ö, 1. Vgl Varro lll, lÖ, 15. Verg, Georg. II, 452 f.: mc non et apeA ejeamina
ttmdunt Cmticihus^e cavis mtiosaeque ilids atveo,
7) Die groite Überein stimm nng der scr'^ in die»er Hin^icljt »eigt
deb auch in dem kompnaloriflcbeu Werke *i^ t e» in ». Ä, XV IH, 288:
wmima€ eaed^ndae iftnpus hoc (te. |H^r bminain^ dtdmMt; rtiiqua opera nacturtui
88 H. Oummertcs,
Drehen von Seilen und Stricken, das bei Cato und Varro als eine Haus-
beschäftigung vorkommt, nicht erwähnt, beruht vielleicht nicht auf Zufall,
sondern darauf, dass der erfahrene Landwirt die hausgemachten Seile
wegen ihrer schlechten Qualität als unbrauchbar erkannt hatte.
Oben (S. 78) wurde bemerkt, dass bei Columella unter dem Gutspersonal
auch das weibliche Element vertreten war. Es fragt sich, welche Rolle
in seinem Betriebssystem das Spinnen und Weben, die uralte Be-
schäftigung der Hausfrau und ihrer Sklavinnen, spielt.
In der Von^ede zum zwölften Buche, wo die Geschäfte der vilica
behandelt werden, gedenkt Columella mit Sehnsucht der guten alten
Zeit, wo die Hausfrau selbst den inneren Haushalt besorgte, und wo in-
folge dessen keine Wirtschafterin nötig war. Er beginnt mit einem Aus-
zuge aus Xenophons Oeconomicus^) in Ciceros Übersetzung, wo die wirt-
schaftliche Bedeutung der Ehe als einer Art Arbeitsteilung zwischen
Mann und Frau dargestellt wird. So wie Xenophon die Verhältnisse
schildert, fährt Columella fort, waren sie auch bei unseren Vorfahren:
(§ 7) tisque in patrum nostrorum memoriam fere domesticus labor matronalis
fuit ... (§9) nunc vero, cum pleraeque sie luocu et inertia diffluant, ut ne
lanificii quidem curam suscipere dignentur, sed domi confectae vestes
fdstidio sint, pei'^versaque cupidine maocime placeant, quae grandi pecunia et
totis paene censibu^ redimuntur, nihil mirum est, easdem ruris et instrunwn-
torum agrestium cura gravari, sordidissimumque negotium ducere paucorum
dierum in villa moram. So ist es, sagt Columella, notwendig geworden,
auf dem Gute eine vilica als Stellvertreterin der Hausfrau anzustellen, wie
ja auch der vilicus in die SteUe des abwesenden Hausvaters getreten ist.
maxime vigtUa constentj cum sint noctes tanto ampliores: quatos, cratis, fiscinas ttxere,
faces inciderey ridicaa praeparare interdiu XXX, pcUos LX et in luctihratione vesper-
tina ridicas F, palos X, totidem antelucana. Teilweise geht die Stelle auf Colum.
XI, 2, 12 zurück , aber das Zitat ist ungenau , die Ziffern wohl korrumpiert. — § 236
heisst es weiter: antelucanis ferramenta neuere , manubria aptare^ dolia quaasa sarcire
ipsorumque lamnas seabendo purgare. Ob Plinius hier Columella benutzt hat oder ob
die Übereinstimmung auf einer gemeinsamen Quelle beruht, (vielleicht Hyginus, s. oben
S. 87 A. 4), wollen wir nicht entscheiden. — Vgl. auch Verg. Georg 1,259 ff.:
frigidus agricoJam si quando continet imber,
durum procudit arator
vomeris obtunsi dentem; cavat arbore Untres - —
exacuunt alii vallos furcasque bicarniSj
atque Ämerina parant lentae retinacida viti.
nunc facilis rubea texatur fiscina virga
V. 291 f.: et quidam serös hiberni ad luminis ignis
pervigilat ferroque faces tnspicat acuto
1) Xen. oecon. c. 7, 18—28. Columella zitiert nicht wörtlich, sondern gibt nur
den Inhalt in gekürzter Form wieder. Wörtlich dagegen ist das unten zu erörternde
Zitat, XII, 3, 1—4. — Überhaupt hat Columella im elften und zwölften Buche und in
den entsprechenden Abschnitten des ersten Buches über die Pflichten des vilicus und
der vilica Xenophon stark benutzt.
Der römische Outshetrieb. 89
Diese Klage über den bekannten „Absentismus" der römischen Gross-
gnindbesitzer und über die Faulheit der Matronen interessiert uns hier
nur, insofern sie das Spinnen und Weben als Beschäftigung der Frauen
berührt. Sucht man nach dem faktischen Kern der rhetorischen Phrasen,
so ergibt sich, dass auch auf diesem Gebiete die gewerbsmässige Kon-
fektion den Hausfleiss zu beeinträchtigen begonnen hatte. Es zeigte sich
ökonomisch vorteilhafter, die Stoffe fertig zu kaufen, statt sie im Hause
selbst zu weben. Columella setzt diese Erscheinung zwar auf die Rechnung
der Faulheit und Prunksucht der Römerinnen, aber es wird sich zeigen,
dass in der Regel nicht einmal die grobe Kleidung der Sklaven zu Hause
verfertigt wurde.
Das dritte Kapitel desselben Buches beginnt gleichfalls mit einem
wörtlichen Auszuge aus Xenophons Oeconomicus, In dem entsprechenden
Abschnitt des Originals^) lässt Xenophon den Ischomachus erzählen, wie
er und seine Frau das häusliche Inventar systematisch geordnet hatten.
Unter anderen Gerätschaften nennt Ischomachus (oecon. 1. c. § 7): raXa-
atovgyixä ogyapa, was Cicero (CoL 1. c. § 1) mit instrumenta quibus ad
lanificia utuntur übersetzt. Und zwar gehören diese ogyava zu den
Gerätschaften, die täglich von den Sklaven gebraucht werden : (§ 9) Zcoig
ixiv TÜv öxivdiv xa& ruAiqav ^giÜvTai oi oixitai^ quibus quotidie servuli
utuntur (Col. 1. c. § 3).
In der Tat nimmt es Xenophon als selbstverständlich an, dass die
auf dem Gute erzeugte Wolle an Ort und Stelle gesponnen und zu Kleidern
für die Hausleute gewoben wird.^) Wie aber Columella die Sache ansah,
geht aus den Bemerkungen hervor, die er zu Xenophons Ausführungen
hinzufügt. Die sorgfältige Aufbewahrung des Gutsinventars, sagt er
(1. c. § 5), gehört bei uns zu den Pflichten der vilica. Aber sie hat auch
anderes zu tun: (§ 6) plumis vero diebus, vel cum frigoribus aut pruinis
mulier sub dio rusticum opus obire non poterit, ut ad lanificium redu-
catur, praeparatae sint et pectitae lanae, quo facilius iusta lanifido
persequi atque exigere post^it nihil enim 7iocebit, si sibi atque actoribus
et aliis in honore servulis vestis domi confecta fuerit, quo minus patriS'
familias rationes onerentur.
Die Sklavinnen, *) natürlich soweit sie nicht im Haushalte beschäftigt
waren, arbeiteten also wie die Männer gewöhnlich im Freien. Nur bei
schlechtem Wetter blieben sie zu Hause und hatten dann ihre Arbeits-
pensa, iusta, durch Spinnen und Weben — ganz wie die Männer in dem-
1) Xen. oecon. c. 9, 6—10.
2) Xeo. oecon. c. 7, 86: xal 3tav iffia slötvtx^fj 00t, imiuXritiov ontog oU ^tl
indtia ylpnriffai. Vgl. auch §§ 6 o. 41.
8) muUer ist koUeküv anfiafaaseii. Das Wort kann sich nicht auf die vilica be-
sieheD, denn diese hatte nur die Arbeit der Weberinnen in überwachen und sie in
ihrer Beschlf^gong in miterriditen: (§ 8} oil Mtm debeM aecedere ac iiquid melius
$cicU doeere.
90 Ä Gummeruß,
m\hm Falle dnrrrh llBcliler- und Fleditarbeit — za erfilkiL ..Es
Mrhadet nlmlich nicht« warn sie for skh sdbst^ and fir die Aiifaghei'
iaiifn-«^, danmter wohl vUieus, procurator, magigter peeoris n. a.) osd
andere ange^^ehenere Sklaren die Kleider Terfertigen. damit die Kasse
des Haoj»Taters weniger belastet werda'' Man sieht Colnmella sagt nicht.
AsLUü die Kleider der Sklaven anbedingt zn Hanse gemacht warden. s<»deni
nnr. da^ die Sklavinnen ihre freie Zeit anf diese Arbeit verwenden soDen
fider kennen. Und zuar werden anf diese Weise nnr die Crntsbeamten
nnd die angeseheneren Sklave» mit Kleidern versorgt Der grossen Mdir-
zahl der Sklaven dagegen — so ist notwendig der Gedankengang ab-
znschliessen — kaoft der Hausvater ihre jßelles manlcatae^ centones ond
mit Kapnzen (eucuUi) versdienen gaga.^
So viel lässt sich ans Colnmellas Darstellung über die gewerbliche
Betätigung der gewöhnlichen Gntssklaven ermitteln. Gab es aber auf
seinen Gütern in der familia ruMica auch berufsmässig ansgelernte
Handwerker?
Bestimmte Aufschlüsse hierüber gibt Columella nicht Er zitiert
eine Stelle aus Xenophons Oeconomicus , wo Sokrates den Ischomachos
fragt, utrumne, si res familmris denderasset, mereari vilicum tamquam
fafjrum, an a se instituere consueverit') Selbst gibt er die Antwort:
C§ 9) tarn doeendus est futurus vilicus, quam futurus figulus aut faber.
Aber daraus ist über unsere Frage nichts zu erschliessen. Möglich ist
dass bei Xenophon der zu kaufende xkxxiav als Gutshandwerker auf-
zufassen ist, aber mit dem futurus figuius aut faber meint Columella
offenbar nur einen Handwerker im allgemeinen, mag er für das Gut in
Betracht kommen oder nicht
Mit spezieller Rücksicht auf den Gutsbetrieb wird der faber XI, 2, 13
genannt Es wird hier über das Fällen und Behauen des Bauholzes (in
aedificia succidere arhorem § 11) gesprochen: materies si roborea est^ ab
umx) fahro dolari ad unguem per quudrata debet pedum XX: haee erit
vehis una. Ob aber dieser faber zu den Gutssklaven zu rechnen, oder
ob er ein gemieteter Zimmermann ist, ist nicht zu entscheiden. Zwar
sagt Oolumella: (jui aedificare velint, fabros et architedos advocent,*)
allein diese Bemerkung braucht nicht speziell auf das Aufführen ländlicher
Gebüiide bezogen zu werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine
grössere Bauarbeit einem Baumeister^ in Akkord überlassen wurde. Dies
aber hindert nicht, dass es unter den Gutssklaven einen oder ein paar
berufsmässig ausgebildete Maurer, Steinhauer oder Zimmerleute geben
konnte, welche die vorbereitenden Arbeiten ausführten. Das Baumaterial
1) So ist wohl 8thi zu verstehen, wenn damit nicht die vilica gemeint iit.
2) 1,8, 9. XI, 1,21.
8) XI, 1, 5. Xen. oecon. c. 12, 3: d)vela&at, maTisg orav r^tovog dsri^g
4^ I, pr. 4.
T); Wie der faber conductor b<»i Cato c. 14.
Der römische Outshetrieh. 91
nahm man natürlich wo möglich vom Gute selbst.*) Wo gute Töpfererde
zu haben war, hat man wohl auch die Ziegel selbst gestrichen, wie es
später zu Palladius' Zeit geschah, 2) ohne dass man dafür handwerks-
kundige „Töpfer" gebraucht hätte.
Schliesslich werden fahrt noch XII, 3, 9 erwähnt. Die Wirtschafterin
soll, heisst es, imistere atriensibus, ut supelledilem eayponanty et feiTa-
menta detersa nitidentur atque rubigine liberentur ceteraque, quae re-
fectionem desiderant, fabris concinnanda tradantur. Hier sclieint es in
der Tat, dass CJolumella unter den fdbri gutsangehörige Handwerkssklaven
versteht. Sie werden in dieser Eigenschaft den atrienses gegenübergestellt.
Auch der Plural fabri scheint anzudeuten, dass nicht von dem „Schmiede"
des Dorfes, sondern von den Schmieden (oder Handwerkern überhaupt)
des Gutes die Rede ist. Erinnern wir uns, dass Columella stets ein
grösseres Gut im Auge hat.
Natürlich wurden, wie vorher, die ferramenta in der Stadt gekauft.
Nur die Reparaturen überliess man den Gutshandwerkem. Das Schärfen
der Eisengeräte war, wie wir sahen, eine Beschäftigung der Sklaven in
der Abend- und Morgendämmerung.^)
Stand die gewerbliche Produktion des Gutes in irgend einem Zu-
sammenhang mit dem ergastulum, das ('olumella als erster unter den
scriptores rei ricsticae erwähnt und beschreibt?*) M. Weber ^) macht die
Ansicht geltend, dass das ergastulum ein Gefängnis gewesen sei, „in
welchem die gefesselten Sklaven, Schuldner und noocii arbeiteten imd
schliefen." Er spricht von der „Gefängnisarbeit", welche da von den
Eingesperrten hergestellt worden sei, einer Arbeit freilich, die „nicht
immer zufriedenstellend gewesen sein wird." Das ergatitulum wäre also
eine Art von industrieller Werkstatt gewesen.
Ob diese Auffassung irgend einen Grund für sich hat, wollen wir
nicht entscheiden. In Columellas Darstellung findet sie keine Stütze.
Vielmehr scheint aus der Beschreibung I, 8, 16 — 18 hervorzugehen, dass
die Gefesselten ^^ie die übrigen Sklaven auf den Feldern arbeiteten. Sie
waren nicht bloss den ergastularii, sondern auch den magistri operum,
den Leitern der Feldarbeiten, unterworfen. Der dominus erkundigt sich
nach ihrer Lage, indem er die Nichtgefesselten , soluti, fragt, an ex sua
constitutione iusta percipiant, was voraussetzt, dass beide Kategorien zu-
sammen arbeiten. Dass überhaupt die gefesselten Sklaven als Feldarbeiter
beschäftigt wurden, sagt Columella ausdrücklich,**) und dasselbe ist durch
1) I, 2, 4: matertam lapidemque, si necessitas aedificandi coegerii.
2) Palladius VI, 12. VII, 8. X, 15.
8) XI, 2, 92. XU, 18, 2: (ad vindemiam) falculae et ungues ferrei quam plurmi
panmäi €l exaeuendi sunt, parare hat hier offenbar die Bedeutung kaufen.
«J, 8, 16. XI, 1,22.
5) Airmrgmk^ 8. 840.
6} 1| 9| i. YÄ 4ii^ AmAniok: fiM$ gtniium occupatos ergastulis tenent, 1, 3, 12.
92 H. Oummerus,
zahlreiche sonstige Notizen bezeugt. Plinius') setzt ausdrücklich die
ergastula mit der Ackerbestellung in Zusammenhang. Dass im ergastulum
irgend eine gewerbliche Arbeit betrieben worden wäre, daraufhin ist bei
den scriptores rei rusticae keine Andeutung zu entdecken.
Am Anfang unserer Untersuchung haben wir darauf aufmerksam
gemacht, das Columellas Werk einen encyklopädischen Charakter zeigt.
Sein Bestreben ist, alle Zweige der Landwirtschaft möglichst erschöpfend
zu beleuchten. Insofern dürfen wir seine Darstellung nicht auf ein einziges
bestimmtes Gut beziehen. Aber im Gegensatz zu Varro hat Columella
seine Arbeit zum grossen Teile auf der persönlichen Erfahrung aufgebaut,
einer Erfahrung, die er als eifriger Landwirt auf seinen eigenen Gütern
in der Nähe der Hauptstadt erworben hat. Seine Darstellung der inneren
Organisation des Gutsbetriebes ist deshalb nicht aus verschiedenartigen,
bald diesem bald jenem Autor entlehnten Zügen zusammengestellt, sondern
die einheitliche, lebendige Anschauung des Verfassers liegt ihr zu Grunde.
Nach dieser Darstellung hat der römische Gutsbetrieb seit Gates
Zeiten an Umfang bedeutend zugenommen. Eine Olivenpflanzung, auf
welche er Bezug nimmt, zählt mindestens 1500 iugera. Die ganze Guts-
einrichtung ist für die Grosswirtschaft berechnet. Sonst aber geht die
Wirtschaft in den alten Bahnen weiter. Unter den verschiedenen Kultur-
arten spielt auch bei Columella die Baumkultur, namentlich der Wein-
bau, die Hauptrolle und wird als sehr lohnend dargestellt.
Die Sklavenwirtschaft ist, der Grösse des Betriebes entsprechend,
noch höher ausgebildet als bei Cato. Das Kasemensystem hat man jedoch
fallen lassen: unter dem Gutspersonal werden auch Sklavinnen genannt.
Es wird vorausgesetzt, dass in gewöhnlichen Fällen die stehenden Arbeits-
kräfte des Gutes für die Ackerbestellung ausreichen. Nur noch als Not-
behelf werden für die Ernte Hilfsarbeiter gemietet, ebenso gelegent-
lich für Neurodungen. Auch die Werkverdingung scheint bisweilen
vorgekommen zu sein. Doch sind Columellas Angaben allzu spärlich und
unbestimmt, um uns über diese Verhältnisse eine klare Anschauung zu
gewähren.
Ausführlich dagegen behandelt Columella die Frage der Verpach-
timg grösserer oder kleinerer Teile des Gutskomplexes. Wie Cato die
Bestellung der Getreideäcker einem politor überlässt, so verpachtet Colu-
mella gern abgelegene Getreidegüter an coloni. Die Lasten der Kolonen
bestehen in einem Geldzinse und einigen kleinen Naturallieferungen.
Frohndienst auf dem Herrenlande haben sie nicht zu leisten. Wenn
Columella dem Gutsherrn rät, grösseres Gewicht auf die „Arbeit" als auf
die Geldzahlungen der Kolonen zu legen, so will er damit nur sagen,
l) Flin. n. h, XVUI, 21 ; 36 : coli rura ab ergaatulia pesaimum est.
Der römische Outsbetrieb.
93
dass er die Pächter anhalten soll, ihre Parzellen mit Fleiss und Umsicht
zu bestellen.
Über die Beziehungen des Gutsbetriebes zu der gewerblichen Pro-
duktion schliesslich gibt Columella keinen genflgenden Aufschluss. Doch
sehen wir, dass der Kreis des Hausfleisses im engeren Sinne ziemlich
derselbe ist wie bei Cato und Varro. Die Kleidung der Sklaven wird,
wie bei Cato, grösstenteils nicht zu Hause gemacht. Es ist anzunehmen,
dass man die meisten Gewerbserzeugnisse sich durch Kauf verschaffte.
Dagegen scheint es, dass für gewöhnliche auf dem Gute erforderliche
gewerbliche Arbeiten, namentlich Reparaturen an den Arbeitsgeräten,
eigene Handwerker gehalten wurden.
Allgemeine Ergebnisse.
Es ist oben (S. 24) bemerkt worden, dass Cato als Landwirt kein ein-
facher Bauer im altrömischen Sinne ist, sondern ein Kapitalist, der sein
Gut schlechterdings als eine Einnahmequelle, nicht wie der Bauer zugleich
als seine Heimat betrachtet. In der Tat, sein landwirtschaftliches Be-
triebssystem steht ganz im Zeichen des Kapitalismus. Die konsequente
Richtung der Produktion auf den Absatz, die Abschätzung der ver-
schiedenen Bodenkulturen nach ihrer Rentabilität, die Anschauungsweise,
nach der jede verlorene Zeit verlorenes Geld ist, die rücksichtslose Aus-
beutung der Sklaven, das Bestreben, alle unproduktiven Glieder aus der
Wirtschaft möglichst zu entfernen — alles zeigt den Kapitalisten, dem
die Landwirtschaft nichts ist als die Kunst, aus dem Grund und Boden
mit Hilfe gehäufter Ai-beitskräfte die höchstmögliche Rente heraus-
zuwirtschafteh.
Der Kapitalismus war im Altertum unauflöslich mit der Sklaven-
wirtschaft verbunden. Aber diese Sklavenwirtschaft ist nicht mehr die der
alten patriarchalischen Zeit, wo der Bauer und seine Söhne gemeinschaft-
lich mit den wenigen Haussklaven die Äcker bestellten. Die Sklaverei
des Kapitalismus hat die Eigenschaft, die freie Arbeit aus den immer
grösser werdenden Betrieben zu verdrängen. So ist bei Cato das stehende
Gutspersonal ausschliesslich aus Unfreien zusammengesetzt Auf der
Grundlage der unfreien Ai-beit ist das ganze Gebäude seines Betriebs-
systems aufgebaut.
Nach Büchers Theorie müsste also auf den catonischen Mustergütern
— weil da die Sklavenwirtschaft zu voller Ausbildung gekommen war —
die Produktion und Konsumtion im Rahmen der geschlossenen Hauswirt-
schaft vor sich gegangen sein. Aber unsere Untersuchung hat zu einem
ganz anderen Resultat geführt.
Sie hat gezeigt, dass der Gutsbetrieb bei (.'ato keine isolierte Produk-
tions- und Konsumtionsgemeinschaft war, dass er vielmehr in den vollen
Fluss des allgemeinen Wirtschaftslebens in mannigfacher Weise hinein-
gezogen war. Bei der Bewirtschaftung des Gutes bemerkt man kein Be-
streben, unter allen Umständen mit den eigenen Arbeitskräften allein auszu-
Der römi»cAe Outsbeirieb.
95
komnieiL Die Zakl der ilÄuenid aagei^teUten Gut r im nicht höher be-
rechnet^ als dass dieselben mit den laufenden lij - haftlichen Arbeiten
das ganze Jahr hindurch Beschähipung finden. Für jede grössere Arbeit
rieht man fremde Hilfsleute heran. Ebenso lässt man die auf dem Gute
vorkommenden gewerblichen Arbeiten gewohnlich durch gemietet« Hand-
werker ausführen. Die meisten erforderlichen Gewerbserzeugnisse kauft
man in den benai;hbarten Städten.
Das Ha US werk nach Biichers Terminolngic uuitit^i auf Catos
Gütern haupUüchlich nur leichtere Holz-, Flecht- und Seilerarbeit. Das
Spinnen und Weben g^ichieht nicht mehr zu Uause^ die Kleider werden
gekauft Das Lohnwerk kommt in 8einen beiden Formen vor, als „Stur",
mißm die Handwerker im Dienste des < rutsherrn arbeiten, wie der Schmied,
dfir Banmeister u. s. w.^ und als ,.Heimwerk", indem z, B. die Häute
dem Seiler ziu* Verarbeitung überlassen werden. Das städtische Hand-
werk in !■ ' Sinne versieht da.s Gut mit Ton-, Eisen- und Brunze-
wireii, A\ • . IL Seilen, Kurben, und wa^ derartigas mehr ist.
Von einer geschlossenen Hauswirtschaft kann unter solchen Ver-
hältnissen keine Rede sein. Die Frage, ob wir es hier mit der Stadt-
wirtschaft oder der Volkswirtschaft zu tun haben, und ob neben dem
Handwerk auch da« Verlagssystem oder die Fabrik die Gutsbetriebe
mit den betreffenden Waren versah, wollen wir nicht ent^scheiden. E»
mlttte erst der Stand der Industrie und des Hamtete zu dieser Zeit ein-
ffdüend untersucht werden.
Wir sehen also, dass die ausgebildete Sklavenwirtschaft nicht not-
wendig mit der geschlossenen Hauswirtschaft verbunden sein rauss. In
der Tat, der Kapitalismus, der zur Ausbildung der Sklaveu Wirtschaft
führte, hat sich bei den FM^mem Hand in Hand mit der Geld Wirtschaft
und dem Verkelirsleben überhaupt entwickelt. Dii» fortnchreitende Arbeits-
teilung innerhalb der Gest^Uschaft konnte nicht umhin, auch die länd-
lichen Zustände zu beeinflussen. Wir können in (Jatos Betriebssystem
ein konsequentes Be^streben beobachten, diejenigeji Arbeiten, die nicht
unnüttelbai* mit der Ackerbestellung zu tun haben, vom Gutsbesitzer ab-
zuwälzen* So ausser den gewerblichen .Vrbeiten auch die Ernte, Sogar
den Transport der Produkte über lässt man gern dem Käufer. Der Ver-
kauf geschieht in der Regel an Ort und Stelle, Das Untemehmeilum^
dft0 im römischen Staatshaushalt gerade zu rato« Zeit eine grosse ße-
^itung erhielt, hat offenbar auch in die Privatwirtschaft Eingang ge-
funden. Wie der Staat die Zölle und Steuern den Meistbietenden ver^
steigeH, so verkauft auch der Gutsbesitzer im voraus den Ertrag j?)eine,s
Weinberges, seiner Ölpflanzung, seiner Schafherde einem Spekulanten, Hier
wie dort ist es auch gewöhnlich der „Käufer**, der die „Enite" zu ver-
richten hat
Das erste Jahrhundert v. Chr., da Varro seine Arbeit über die
Landwirtschaft verfaaatei wii*d al^ der Höhepunkt der anükim Sklaven*
96 jBT. Oummertis,
Wirtschaft bezeichnet. Um so mehr fällt es auf, dass sich der Gutsbetrieb
bei Varro, insofern wir ihn erfassen können, von dem bei Cato nur wenig
unterscheidet. Auch hier steht der Gutsbetrieb zu der Volkswirtschaft
in fortwährenden, vielseitigen Wechselbeziehungen. Freie Arbeiter werden
wie vorher regelmässig gedungen, das „Hauswerk" beschränkt sich auf
ebendieselben Gewerbserzeugnisse wie bei Cato, die nötigen gewerblichen
Arbeiten werden durch gemietete Dorfhandwerker ausgeführt Nur auf
sehr grossen, entlegenen Gütern hält man sich eigene Handwerkssklaven.
Aus der Art und Weise, wie Varro diese Tatsache erwähnt und motiviert^
scheint hervorzugehen, dass ihm nicht sowohl die Grösse des Betriebes als
die Lage des Gutes das in dieser Hinsicht entscheidende Moment ij3t.
Aber zweifelhaft ist, ob Varro das richtige getroffen hat Mehr als die
Schwierigkeit, die betreffenden Handwerker jedesmal aus der Stadt zu
holen, muss der Umstand, dass auf einem grossen Gute ein Handwerker
das ganze Jahr hindurch Beschäftigung finden konnte, den Besitzer ver-
anlassen, sich einen oder mehrere gewerbekundige Sklaven zu kaufen. Eis
kann sich damit vor zweitausend Jahren nicht viel anders verhalten
haben als zu unserer Zeit
Schliesslich erwähnt Varro, dass einige Besitzer auf ihren Gütern
Töpfereien und Webereien angelegt hatten. Es wäre jedoch, wie wir schon
hervorhoben, unberechtigt, diese industriellen Betriebe mit dem eigent-
lichen Gutsbetriebe in Zusammenhang zu bringen. Die Entwickelung dieser
auch aus anderen Quellen bekannten ländlichen Manufakturen gehört
mehr in die noch ungeschriebene Geschichte der römischen Industrie als
in die Agrargeschichte.
Cato hatte ausschliesslich mittelgrosse Güter im Auge gehabt, Varro
daneben auch die Grosswirtschaft einigermassen berücksichtigt. Columellas
Normalgut ist ohnehin als Grossbetrieb zu bezeichnen. Weniger als bei
jenen Schriftstellern ist hier die Wirtschaft von auswärtigen Lohnarbeitern
abhängig. In der Klasse der Kleinpächter, die jetzt in den Vordergrund
tritt, hat der Gutsbesitzer eine neue Verstärkung seiner Arbeitskräfte
gefunden. Obwohl die Kolonen nicht kontraktmässig zu Frohnden ver-
pflichtet waren, so haben sie doch wahrscheinlich mehr oder weniger frei-
willig als Lohnarbeiter auf dem Herrenlande gearbeitet.
Entsprechend der Grösse des Gutsbetriebes finden wir jetzt unter den
Gutssklaven auch berufsmässig ausgebildete Handwerker. Allein allem
Anschein nach haben diese Handwerker nur die nötigen Reparaturen und
andere kleinere Arbeiten zu besorgen. Sonst scheint es, dass wie vor-
her die Gewerbserzeugnisse, wie es namentlich in Betreff der Kleidung
der Sklaven erwähnt wird, gekauft wurden.
Die verhältnismässige Dürftigkeit der Angaben bei Varro und Colu-
mella gestattet uns nicht, die innere Organisation des Gutsbetriebes im
einzelnen zu verfolgen. Doch dürfte aus unserer Untersuchung her-
vorgehen, dass, wenn wir bei diesen beiden Schriftstellern eine Bewegung
Der romische Ghitshetrieh. 97
zu einer gesteigerten wirtschaftlichen Selbstgenfige des Gutsbetriebes be-
obachten können, dies darauf beruht, dass der durchschnittliche Umfang
des Betriebes alhnählich gewachsen ist
Aber ebenso wenig, wie man die moderne Gutswirtschaft als wirt-
schaftlich isoliert bezeichnen kann, nur weil das Gut seinen eigenen
Schmied, Tischler oder Steinhauer besitzt, ebensowenig lässt sich dies von
dem römischen Gutsbetrieb bei Varro und Columella sagen. Die Bedürf-
nisse sind zu vielseitig, die Abhängigkeit der Wirtschaft von dem Geld-
verkehr ist zu gross, um nicht zwischen dem Gutsbesitzer und dem
Kaufmanii, Handwerker oder Bankier lebhafte Wechselbeziehungen her-
vorzurufen, die in einem regen Warenaustausch zwischen Land und Stadt
ihren Ausdruck fanden. Gerade im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit
hatte das römische Wirtschaftsleben seine höchste Höhe erreicht Un-
möglich konnten sich die Gutsbetriebe, soweit sie nicht in abgelegenen
halbbarbarischen Provinzen lagen, der Teilnahme an diesem Leben ent-
ziehen.
Doch — zu einer endgültigen Entscheidung der aufgestellten Frage
hat selbstverständlich unsere vorbereitende Untersuchung nicht führen
können. Sie hat m. E. nur den Weg gezeigt, auf dem die Entscheidung,
soweit sie möglich, zu finden ist Die allmählich fortschreitende wirtschaft-
liche Isolierung der römischen Grundherrschaften steht, wie in der Ein-
leitung bemerkt wurde, in ihren grossen Umrissen klar da. Um diese
Erscheinung zu verstehen, müssen wir einerseits die Entwickelung des
landwirtschaftlichen Grossbetriebs, andrerseits die der Gewerbe und des
Handelsverkehrs kennen lernen. Als Einzelfragen, die noch weiter unter-
sucht zu werden verdienen, können die Umwandlung der Kolonen in frohn-
pflichtige Bauern, die Stellung und Bedeutung der Gutshandwerker, sowie
die Entwickelung der ländlichen industriellen Betriebe angegeben werden.
Es ist die Absicht des Verfassers demnächst diesen Fragen eine ein-
gehende Spezialuntersuchung zu widmen.
Gommerof , Der römiMh« OoUbttricb.
Sachregfister.
Die Zahlen verweisen auf die Seiten der Abhandlung.
Absentismus des Grundherrn 24, 89.
aerarii s. u. fabri,
Arbeitskräfte des Gutes 10, 24 ff., 57, 61 ff.,
80 ff.
Arbeitslöhne in der Landwirtschaft 25 A. 3,
• 29, 65.
artifices 3, 5, 69, 71.
Aufseher bei d. Ernte 29; A. der Tagelöhner
27, der Pächter 85, der Sklaven 78, 90.
Autarkie des Oikos 3 ff., 22.
Bauarbeit auf Gütern 37 f., 90.
Betätigung, gewerbliche, der Sklaven 21,
35 f., 66 ff., 87 ff.
Betriebssysteme, gewerbliche, nach K. Bü-
cher 2.
Bezugsorte der versch. Bedarfsartikel 23
A. 6, 36, 39 A. 5, 41, 43 f., 47.
capulatares 28.
Blei, Verarbeitung desselb. zu Gefässen etc.
46.
Bodenbenutzung 19, 55, 77.
Bronzeindustrie, Bronze waren s. u. Kupfer.
CassiuB Dionysius, Magos Epitomator 52 f.,
57.
Catos Buch de agri cuüura 13, 15 ff., .seine
Abfassung 16, auf der persönlichen Er-
fahrung d. Verfasser» beruhend 17, nimmt
auf zwei bestimmte Mustergüter Rück-
sicht 17 f.
cella olearia bei Columella 79.
coloni als Synonym für rustici 83 f. ; in
der Bedeutung Kleinpächter 10, 62 f.,
82 ff.; Frohndpu der c. 11, 85 f.; c. par-
tiarius 33; s. auch Kolonat
Ck)lumellas rei rusticae lihri duadeeim 13,
73. C. als Praktiker 73, seine litermri-
sehen Quellen 74, er berücksichtig zu-
nächst italische Zustände 76.
conductor 31, 37, 81.
custodßs torctdarii 28, c. als Aufseher bei
der Ernte 29, c. fructibus 85.
Dienstmiete s. loc-cond, aperarum,
Diophanes, Magos Epitomator 52 f.
Eisenindustrie und Handel 44 ff.
Eisenwaren 44 f., 91.
epistata 27 A. 3.
ergastulum 10, 91 f.
Erntearbeiter 27, 30, 65, 81.
exactares operis 81 A. 7, 85.
fabn 37 ff., 41 f., 68 f., 90 f.; f. aerani 41 f.,
ferrarii 41 f., 45, 70; lignarii 70.
Fabrik 2, 95.
factores 25 f., 28 f., 30 ; doliorum cuparum-
que f. 70.
familia rustica 9, 24, 36, 90.
ferramenta 44, 81, 91.
ferrarii s. u. fabri.
figlinae 71.
figuli 41, 71, 90.
Fischteiche 59.
Flechtarbeit als Hauswerk 39, 67, 87.
foenisicae 82.
Frohnden der Kolonen 10, 85.
ftiüones 68.
(iartenhau lU, 56, 58 f.
Geflisse, tönerne 41, 43 A. 3, kupferne (bron-
zene) 43.
Sachregister.
99
GeoponicGj Sammelwerk, zitiert Varro 70.
Getreidebau 18 f., 32, 56.
(TCtreideemte 65.
Grossbetrieb 8 f., 20, 57, 69, 78.
Grundsätze, ökonomische, Gates 20, Colu-
mellas 79.
Gutsbetrieb, der römische, nach M. Weber 9,
Umfang des G. bei Varro 56 f., bei Colu-
mella 78 f., wirtschaftliche Isolierung des
G. 9, 11, bei Cato, Varro und Columelia
nicht merkbar 23, 58 f., 80.
Gutsinveutar 24, 66
Handwerk (nach BUchersTerm]nologie)2, 95.
Handwerker, freie, 4, 37, 42, 68 f., unfreie
Gutshandwerker 2 f., 8 f., 11, 69 f., 90 f.
Hauswerk 2, 87, 95.
Hauswirtschaft, geschlossene, 2 ff., 22, 95.
Häute, Verarbeitung der, 40.
Heimwerk 6, 40, 95.
Heuernte 65.
histones 71.
Uolzarbeit als Hauswerk 38 f., 67, 87, 90.
Industrie im Altertum 2.
Isolierung, wirtschaftliche, des Gutsbetrie-
bes, 8. Gutsbetrieb.
Italien, wirtschaftliche Entwickelung 20;
italische Zustände yon den 8cr. r. r. vor-
zugsweise berücksichtigt 17, 55, 76.
Kapitalanlage in der Landwirtschaft 20, 79.
Kapitalismus im Altertum 94.
Kauf: im Allg. 28, 58 f., 68, Kleider 36 f.,
90, bestimmte Flechtwaren 39, Tonwaren
40 f., Kupfer-(Bronze-)waren 43 f. , Eisen-
wan'n 44 ff., Olquetschmaschine 47.
Kleider der Hausleute 86 f., 90.
Kleinbauern 32, 62.
Kleinpacht 10, 33, 62 ff., 82 ff.
Kolonat 10 f., 83, 63, 82 ff.
Kommunikationen, Bedeutung für den Guts-
betrieb 22 f., 59 f., 80.
Konsumtion des Gutes 12, 33 ff., 66 ff., 86 ff.
Kupfer-(Bronze-)iudu8trie und Handel 48 f.
Kupfer- (Bronze-)waren 43 f.
Landtransport 59 f., 80.
Lebensmittel 33 f., 66.
Lederarbeit 6, 40.
leguli 25, 28, 30.
lex oleae legendae 28 £, vini legendi 30,
oleae faciundae 29, dleae pendeniü ««n-
dmndae 81, vini pemdenüe vmidmidi 81|
Ugnarii 70.
loeatio-oonductio aperarum 6, 25 ff., 65, 81 ff.
locatiO'ConducHo aperis 6, 27 ff., 37 f., 65, 81.
Lohnwerk 2, 6, 95.
Mago, Agrarschriftsteller 50, von Varro als
Quelle benutzt 52 f.
mediei 68.
mercennarii 26 f., 62.
mesdores 82.
Metallarbeit u. Metallindustrie 6, 41 ff., 91.
Mustergüter Catos 17.
Nebengewerbe, landwirtschaftliche 71.
Neubrüche 81.
nexus civium 62, 84.
obaerati 62 f.
officia 11, 78.
Oikenwirtschaft 3, in den römischen Guts-
betrieben 8 f.
Ölbau 18 f., 55 f., 77.
Olivenlese 27 ff.
oUvetum Catos 18 f., 24.
aperae 11, 25, 65, 81, 86.
apercNriif unfreie 24, als freie Tagelöhner
10, 25 ff., 29, in der Bed. Arbeiter über-
haupt 81.
opus exigere bei Columelia 10, 85 f.
Palladius 13. Ausspruch über Gutshand-
werker 70.
partiarius 32 f., 37.
pastinatio 81.
pastio viüatka 56, 59, 66.
Pech,Verwendung in der Landwirtschaft 34.
Plinius d. Ä., zitiert Cato 22, u. Columelia
75 A. 2, 87 A. 7.
polüio 82, s. auch societas.
politor 26 f., 31 ff.
prdum 39, 47.
Produktion des Gutes 21 , landwirtschaft-
liche Urproduktion 12, 24 ff., 61 ff., 80 ff.,
gewerbliche Produktion 12, 35 ff., 66 ff.,
87 ff.; P. für den Absatz 23, 59, 79.
redemptor 10, 28 ff., 65.
Reparaturen 69, 91.
iaUdum 19, 24, 87.
«arr«fiMi65.
SaaemayYater und Sohn, Agranchriftsteller,
60111; AiMqprOelM über Kleiopacht 64, 83,
«b«r SketMm 71.
100
Sachregister.
Schmiede 41 f., 45, als Grutshandwerker 70,
91.
Scbuldknechtschaft 63.
scHpiores rei ruHicae als Quellen der Unter-
suchung 12 f., verlorene 8cr, r. r. aus der
Zeit zwischen Cato und Y arro 50 f., zwi-
schen Varro und Columella 73.
ScrofiE^ Cn. Tremellius, Agrarschriftsteller
51 ff.
Seilerarbeit 39 f., 67, 88, als Heimwerk 40.
Sklaven, gefesselte 24, 91.
Sklavenbetrieb, Sklavenwirtschaft 5, 7 f.,
24, 61, 65 f., 78, 80 f., 94.
Sklavinnen 36, ihre Arbeit 88 ff.
socii als Bütuntemehmer des redemptor 80.
societas, polüio: locatio operis oder so-
cietas? 82.
Sparsamkeit als Wirtschaftsprinzip 21.
spicilegium 65.
Spinnen als Hauswerk 36 f., 88 ff.
Stadtwirtschaft 2 ff., 95.
Steinarbeit 87 f.
Stolo, C. Licinius, Agrarschriftsteller 51 ff.
Stör 6, 95.
strictores 28 f.
Stützen der Weinreben 24, 67, 87.
Tagelöhner, freie, 10, 25 ff., 62, 65, 81.
textares 71.
Tonwaren 40 f.
Töpfer 41, 71, 90.
Töpferei 40 f., 70 f.
Töpfereien auf den Landgütern 71.
tarcularium (Kelterhaus) 89, 47.
torcularii 82
trapetuSf Ölquetschmaschine, Etymologie
des Wortes 29 A. 2, Bestandteile, Preis 47 f.,
Herstellung 39, Transportkosten 17, 47 f.
treblaej tribulatf Dreschwagen 44.
Unternehmertum 95.
Varros rerutn rusticarum libri tres 18, 51 ff.
Yarros Yorgänger 50 f., seine Quellen
und die Art seiner QucUenbenutzung 52 ff..
er hat kein bestimmtes Mustergut im Auge
55, berücksichtigt zunächst italische Yer-
hfiltnisse 55.
vaaa ahenea 43.
vaseularü 48.
Yerdingung der Olivenlese 28 f., der Öl-
bereitung 29, der Weinlese 80 ff., der
Neubauten 87 f., der opera ruttica maiara
65, der pastinaHo 81.
Yergils Georgiea, von Columella benutzt
74 f.
Yerkauf des Ertrages im voraus 31, 65, 82.
Yerkaufsartikel des Gutes 18, 21, 79 f.
Yerlagssystem 2, 95.
vicini 25, v. anniversarii 68.
Yiehzucht 19, 56, 77.
vilica 24, 61, 88 f.
vtUcus 24, 27, 61.
Yindanios Anatolios, Quelle der Geoponica
70.
vindemiatores 82.
vinea Catos 18 f , 24.
Yolkswirtschaft (nach Büchers Termino-
logie) 2, 95.
Warentransport 47 f., 59 f., 80.
Weben als Hauswerk 86, 88 ff.
Webereien auf den Landgütern 71.
Weidenpflanzung 19, 24, 87.
Weidewirtschaft 19, 56.
Weinbau 18 f., 56 f., 77.
Weinlese 27, 65, 81.
Werkverdingung s. loc.-€ond. aperis,
Wirtschaft, antike, nach Bücher 2, 5 ff.,
nach Röscher 2, nach Rodbertus 8, nach
Ad. Wagner 4.
Wirtschaftsstufen nach Bücher 2, 5.
Wolle, im Hause nicht verarbeitet 87.
Xenophons oeconomieuSy von Columella be-
nutzt 88 ff.
Ziegel 88, 71, 91.
Zimmerleute als Gutshandwerker 70, 90.
Berichtigung.
S. 65 Z. 11 V. u. : Urgrossvater statt Grossvater.
Druck Ton G. Krcyting in Loipsig.
Die Legionen
der
Provinz Moesia
von Aiigustus bis auf Diokletian
Bogdan Filow.
Mit einer Karte.
*^ittjff
Leipzig
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1906.
Vorwort.
U nter den vielen Neuerungen, welche die Begründung der römischen
Weltherrschaft in den römischen Staatseinrichtungen notwendig machte,
und welche in dem Prinzipat ihren Ausdruck gefunden haben, nimmt die
Einführung eines stehenden Heeres zweifellos den wichtigsten Platz ein.
Durch die grosse politische und kulturgeschichtliche Bedeutung der kaiser-
lichen Truppen ist auch der Wert des römischen Heerwesens der Kaiser-
zeit für das Verständnis der allgemeinen Keichsgeschichte bestimmt. Da
wir aber keine zusammenfassende Darstellung über dieses Heerwesen aus
dem Altertum besitzen, wie Polybios sie für die republikanische Zeit ge-
geben hat, so musste die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Gegenstandes
an die gerade aus der Kaiserzeit in Fülle vorhandenen Überreste an-
knüpfen. Auch hier hat wieder T h e o d o r M o m m s e n den Weg gewiesen,
und in unserer Zeit haben namentlich Alfred von Domaszewski und
Krail Ritterling der Spezialforschung mustergültige Vorbilder geliefert.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Geschichte der Kaiserlegionen.
Seit ihrer für seine Zeit vortrefflichen Behandlung duixh Grotefend in
dem 1846 erschienenen Artikel legio in der Pauly'schen Realenzyklopädie
und dem verfrühten Buche Pfitzners (1881) hat auch hier die Forschung
sich immer mehr spezialisiert. Vor allem sind die Taten und Schicksale
einzelner Legionen eingehend untersucht worden, namentlich in einer
Keihe Leipziger Dissertationen. Dabei war man immer genötigt, auch
die Geschichte anderer Legionen zu berücksichtigen, die mit der be-
treffenden in Berührung gekommen sind, sei es, dass sie zusammen die
Besatzung derselben Provinz bildeten, sei es dass sie zeitweilig zu ge-
meinsamen Expeditionen vereinigt wurden. So sind sehr viele Einzel-
heiten festgestellt worden, aber die Dürftigkeit der Quellen hat auch
viele Probleme entstehen lassen, deren Lösung schon in verschiedener
VI
Weise versucht worden ist und die trotzdem bei genauerer Betrachtung
noch aufgeklärt werden können.
Wer sich besonders darüber Klarheit verschaffen will, welche Truppen
zu einer bestimmten Zeit in dieser oder jener Provinz oder zu einem
Feldzuge vereinigt waren, ist in der Regel darauf angewiesen, die noch
immer sehr zerstreuten Zeugnisse und darauf bezüglichen Ausführungen
mühsam zusammenzusuchen. In der vorliegenden Arbeit ist deshalb der
Versuch gemacht worden, festzustellen, welche Legionen in der Provinz
Moesia bis auf Diokletian gestanden haben, wie lange ihr Aufenthalt
dort dauerte und an welchen Kriegen sie beteiligt waren. Auf die Ge-
sphichte der einzelnen Legionen, soweit das nicht für den Zusammenhang
nötig war, bin ich ebenso wenig eingegangen, wie auf das System der
römischen Grenzverteidigung an der unteren Donau.
Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Ernst Fabricius,
auf dessen Anregung die vorliegende Arbeit entstanden ist und dessen
Kats ich mich oft zu erfreuen hatte, spreche ich auch an dieser Stelle
meinen besten Dank aus.
Fr ei bürg i. B., November 1905.
B. Fllow,
Inhaltsübersicht.
8«it«
LiteratarverzeichaiK und Abkürzungen IX
5} 1. Die Provinz MoeHia 1
§ 2. Die mÖBischen Legionen bis zur Schlacht bei Cremona 6
§ 3. Die musischen Legionen von der Schlacht bei Cremona bis zur Teilung der
Provinz 26
§ 4. Die Donaukriege Doniitians 36
J^ 5. Die Zeit Traians.
1. Die Beteiligung der mösischen Legionen an den Dakerkriegen ... 47
2. Dacia 56
8. Moesia superior 61
4. Moesia inferior 63
§ 6. Die mösischen Legionen von Hadrian bis auf Diokletian 72
1. Die grossen Kriege um die Wende des 2. Jahrhunderts 73
2. Die Stellung d«r Legionen an der unteren Donau nach Verlust der
Provinz Dacia 81
8. Die Provinz Scythia 82
Schlusswort 87
Chronologische Übersicht der mösischen Legionen 89
Verzeichnis der behandelten Stellen und Inschriften 90
Register 90
Literaturverzeichnis und Abkürzungen.
Um diis Verständnis der Abkürzungen zu erleichtern , gebe ich in diesem . Ver-
zeichnisse nur die wichtigsten Spczialschriften an, welche bei der Arbeit fortwährend
berücksichtigt worden sind. Die uligemein bekannten Werke sowie die Literatur Über
einzelne Fragen sind jeweilig an dem betreffenden Orte angeführt.
Benehel, F. De legione Ramanorum I Italica. Diss., Lipsiae 1903.
Borgllest, B. Suüe iscrUioni ramane del Ueno del prof. Steiner e mlle legioni che
stanziarano nelle due Germanie da Tiberio fino a Gallieno, Annaii delV iMtituio
1889, p. 128 180 = OfMWM complHes IV, Paris 1865, p. 181—265.
Cagnat, R« Unter legio in Dicliannaire des antiquiUs grecques et ronuiines (Daremherg
et Saglio^ III 2 p. 1047—1093.
CiehorlnSy V. Die römischen Denkmäler in der Dobrndschu^ Berlin 1904.
— Die Reliefs der Traianssäule, Berlin, II. Textband 1890, III. Texthaud 1900.
Begaan, H. Inscriptiones latinae sdectae, ßeroliui, I 1892, II 1902.
V. Bomaazewaki, A. Die Grenzen von Moesia superiar und der iUyrische Grenzzolly
Arch.epigr. Mitf. XllI (1890^ 129—154. Als Ergänzungen dazu Patsch, Rom.
MiU. VIll (1893) 192-200 und Rostowzew, Arch.-epyfr, Mitt. XIX 137, 16.
— Die Entwicklung der Provifu Moesia, N. Heidelb. Jahrb. I 1891; 190—200.
— Die Dislocation des römischen Heeres im J, 66 n. Chr., Rhein. Mus. XL VII (1892)
207-218.
— Die Chronohtgie des bellum Germanicum et Sarmaticum 16(1 — 175 n. Chr., N. Heidelb.
Jahrb. V (1895) 107-130.
— Die Religion des römischen Heeres, U'estd. Zeitschr. XIV (1895) 1—124.
Urotefend, C. L. Unter legio in Pauly's Realenzyklopädie IV, 1846, S. 868—900.
Uselly 8t« Kssai sur le regne de Vempereur Domitien, Paris 1893.
Gttndel, Fr. De legione II adiutrice. Diss., Lipsiae 1895.
JOnemann, A. De legione Romanorum prima adiutrice. Diss. Lips. , I^eipziger
Studien XVI (1894).
iungj J. Fasten der Provinz Dacia^ Innsbruck 1894.
Marqnardt) J. Römische Staatsverwaltung II, 2. Aufl.. besorgt von H. Dessau und
A. V. Domaszewski. Leipzig 1884, S. 443—462.
Pfltznery W. Geschichte der rmnischen Legionen von Augustus bis Hadrian,
Leipzig 1881.
PIcky B« Die antiken Münzen Nord-Griechenlands, hrsg. unter Leitung von F. Imhoof-
Hlumer. Band I: Dacien und Moesien, bearbeitet von B. Pick. I. Halb-
band, Berlin 1899 (enthält Daeia, Moesia superior und die griechischen Städte
Kallatis, Dionysopolis, Istros, Markianopolia und Nicopolis ad Istrum).
Y. Premerstetn 9 A. Die Anfänge der Provinz Moesien, Österr. Jahresh. I (1898)
Beibl. 145-196.
Proaopographia imperii Romani, ediderunt Klebs, Dessau, de Rohden, Berolini 1897 — 98.
Bappaporty B. Die Einfälle der Goten in das römische Reich bis auf Konstantin,
Leipzig 1899.
Ritterling, £• De legione Romanorum X gemina, Diss., Lipgiae 1885.
— Zur römischen Legionsgeschichte am Rhein, IVestd. Zeitschr. XII (1893) 105 — 120.
203—234.
Scliiller, H. Geschichte der römischen Kaiserzeit I, Gotha 1883.
Schilling) 0. De legionibus Romanorum I Minervia et XXX Ulpia. Diss. Lips.,
Leipziger Studien XV (1894).
Schnitze, £• De legione Romanorum XUI gemina. Diss., Kiliae 1887.
Trommsdorif, H. Quaestiones duae ad historiam legionum Romanarum spectantes.
Diss., Lipsiae 1896.
Weichert, A. Die legio XXJI Primigenia. Erlauger Diss., M'estd, Zeitsdir. XXI
(1902) 119—158, XXII (1903) U7— 177.
Die Inschriften aus dem CIL. sind einfach nach Band und Nummer zitiert
U Die Provinz Moesia.
Dia EiDziehung des Gebietes der Provinz Moesia, das ungefähr das
'Tieutige Serbien und Nord- Bulgarien nmfasste, in das römische Reich war
eine Folge der Krobeningspolitik des Augustus auf der Balkanhalbinsel
und durch seine Pläne für die Verlegung der nördlichen Reichsgrenze bis
zur Donau bedingt. Die Römer hatten hier schon froher mit Erfolg
gekämpft^*) aber, obwohl ihr Eiutluss sich über die Grenzen der Provinz
Macedonia hinaus geltend machte. habt'U die^e Feldzüge keine wesentlichen
\'eränderungen Id den dortigen politischen Verhältnissen herbeigeführt.
Auch der dalmatische Krieg des Augustus (3^1—3;^ v. Chr.) hat die spätere
Provinz Moe^sia nicht berührt-) Jetzt aber, bald nach der Schlacht bei
Aktium, noch im J. 29 v. Ohr,, bekam der Statthalter von Macedonia
und Achaia M Licinius Oassus, der Enkel des Triumvim, den Auftrag,
die Völkerschaften zwischen Haenms und Donau zu unterwerfen.^) Die
Bastamer, w^ekhe nördlich von der l^onaa wohnten, in diesem Jahre aber
bis nach Thracia vorgedrungen waren, um sich neue Wohnsitze zu suchen.
gaben den Anlass zu dieser Eroberung. Zwar zogen sie sich ohne Wider-
stand zurück, als Crassus sie dazu auffordern liess, doch dieser folgte
über den Haemus ihnen nach,*) und bei dem Einfluss des Ciabrus*) in die
Donau kam es zur Schlacht, wobei das feindliche Heer beinahe vollständig
aufgerieben wurde und der König Deldo durch die eigene Hand des
Crassus fiel') Das gesamte mösische Gebiet unterwarf sieh dem Sieger.
1) So dfÄDg der l*rokoD«ul von Mac«^donia. C, Scriboniiis Curio, der Nachfol^r
des Appius ClaudiiUf tm J. 75 v. €br. in l>ardaDift bis zur Donau vor. Eutrop, VI 2,2:
n (d, h. C. ScriboniuA Curio} Dnrdnno* vidi et usque ad Danuvium ptnttrai^t tnufftphum-
que meruit, VgL Oro». V 23, 17 aqcj„ Miirt|UJwdt 1*301, Moromaen II G. Ill 41 f.
2) Mommseii B, G. V 9.
8} VgL Ubi^r dieiea Peldxug Marquardt 1*301 f., SchUler 1 231, Moinm«cn R, G.
V 12, Gardlbaiu**ii Kai». Aufj. \ 1052, Cichoriü« IHt Denkmäler S. 18 ff., Pn>tM>p. L 126.
i) Dio LI n.
h) Ctabru^ »chrt!ibt Mamiinen CIL. HI p. 1020 nach Ptoleuiaeiw 111 8, 2; 10, l :
KiaßQog noraii6i, — Patsch bei Pauljr-Wiüowa III 1820 1 schreibt Ctl^rwi, Der beulige
Name taufet Tjübiitza
tS) Dio LI 24.
2 Bogdan Filow,
Im nächsten Jahre, als die Bastamer wieder die Donau überschritten und
zum zweiten Mal den römischen Legionen unterlagen, wurden sie fttr
immer von dem rechten Donauufer verdrängt, und die römische Herrschaft
war hier endgültig begründet. Viel Mühe hat das nicht gekostet. Von
dem Verzweiflungskampfe eines um seine Freiheit und Unabhängigkeit
auf Leben und Tod ringenden Volkes, wie das der Fall mit den Thrakern
war, hören wir nichts, ja sogar an dem grossen pannonisch-dalmatischen
Aufstande, in dem die Donauvölker mit solcher Hartnäckigkeit und Aus-
dauer ihre auf immer verlorene Freiheit noch einmal vergebens zu erlangen
versuchten, haben sich die Moeser nicht beteiligt.^) So ist es sehr be-
greiflich, dass nach der Eroberung keine römische Besatzung in dem
neugewonnenen Gebiete zurückgelassen , sondern der ' östliche Teil mit
Thracia vereinigt und thrakischeü Vasallenfürsten unterstellt, der west-
liche an mehrere Gaufürsten verteilt wurde, denen auch die Bewachung
der Grenze übertragen war.*)
Als Provinz wurde das neugewonnene Land erst später eingerichtet,
doch lässt sich die Zeit der Einrichtung nicht ganz genau bestimmen.
Wie es scheint, geschah es schon unter Augustus,*) wahrscheinlich gleich
nach der Niederwerfung des pannonisch-dalmatischen Aufstandes im J. 9
n. Chr., als auch Pannonia als selbständige Provinz eingerichtet wurde.
Jedenfalls hat es in Moesia spätestens seit dem J. 9 n. Chr. ein besonderes
Militärkommando gegeben, so dass wir diese Zeit zum Ausgangspunkt
unserer Betrachtungen machen.
Die Provinz stand unter einem kaiserlichen Legaten von konsu-
larischem Range und war zeitweise mit Achaia und Macedonia verbunden,
erst seit dem J. 44 n. Chr. hatte sie eigene Verwaltung.*) Unter Domitian,
Ij Weder bei Dio noch bei Velleios wird von einer Erhebung der Moeser ge-
sprochen. Aus dem Verlaufe des ganzen Krieges, soweit wir ihn kennen, wird viel-
mehr ersichtlich, dass der Aufstand nur auf Dalmatia und Pannonia beschrfinkt war.
Dass in Moesia kein Aufstand ausgebrochen war, zeigt auch die Stelle bei Dio LV 80, 4
(Boissey.) zum J. 6 n. Chr. : %al ^utä taina tov te JSsovrJQOv ig triv Mvciav duk ti
tovg Jaxovg xal 9ia xohg jMVQOiuctag noQd'ovvtas avtriv &ndQOvtos. Durch diesen
Einfall der Daker und Sarmaten und nicht durch einen Aufstand in Moesia war Caedna
an der weiteren Teilnahme an dem Kriege verhindert. Vgl. auch Gardthausen Kais.
Aug. 1 1181, V. Premerstein Österr. Jahresh, I ßeibl. 165 f.
2) Mommsen B. G, V 13, 1, v. Domaszewski N. Heidelh. Jahrb. I 193, v. Pmner-
stein Ösl:err. Jahresh, I Beibl. 180, Gardthausen Kais. Aug. I 1054.
8) Die Ansichten über die Zeit der Errichtung der Provinz gehen auseinander;
vgl. Marquardt 1*302, Mommsen R. G. V 14 Anm. , v. Premerstein Österr. Jahresh, I
Beibl. 172 ff., Gardthausen a. a. 0. II 786 ff. Unrichtig nennt Dio LV 29, 8 zum J. 6
n. Chr. den A. Caecina Severus 6 tfjg nlriaiox^Qov Mvalag &Qxfov. Bei Velleius II 112
heisst er einfach vir consularis; vgl. Pfitzner S. 17. 153 und v. Premerstein a. a. O.
S. 172.
4) Marquardt I«302, Gardthausen a. a. 0. II 787 f. Über Martins Macer, der
Moesia unter Claudius als praetorius verwaltet hat, vgl. v. Domaszewski Slhein. M%u.
XLV (1890) 1 ff. und unten S. 7
Die Legionen der Provins Moe^u,
S
wahrscheinlich im J. 86, wurde sie zur leirht^^ren Verteidigung: fler iiinMize
gegen die immer stärker vordringenden Iraker iu Moe^ia superior und
Moefiia inferior geteilt*) liie Grenze zwschen den beiden Teilen bildete
aber nicht der Fluss Ciabrns (Tzibritza) in seinem ganzen Laule^ wie das
auf Grund von Ptx>lemaeus (111 i*, 1; 10^ l) im allgemeineu angenommen
wurde,') sondern auch AJmus (Lom), w^estlich davon, gehörte zu Moesia
inferior, 80 dass die Grenze ungefähr in der Mitte zwisrhen Ratiaria und
Almas war;*^)
Der Umfang der Provinz hat im Laufe der Zeit sehr gescliwankt*)
Dass die ui'spriingUche Provinz Moesia nur aus der späteren Moesia
superior und TrebalHa, dem westliehen Teil der späteren Moesia inferior,
bestand t zeigt besonders die Inschrift V 1838 = Dess, 1341», welche
einen praef{ecttiH) nvifatium Moesiae et Trehalline nennt,*) Ebenso ist
schon oben erwähnt worden, dass der ostliche Teil des neuej-oberten
Landes, die sogenannte ripa Thraeia, den thrakis€hen Vasallenfürsten
unterstellt war, welche auch rlie Verteidiguntj: d^r Grenze zu besorgen
1) Marquardt I« 303. Schiller 1 :»32, iiaell j>. IH6. 215, I)«* früheste Zcuu^nis iihcr
die TeiUiiig i»l dio Iiiwhrift III 4013 = De«», 1005 (vgl XI h1\). ein curfiuti homyrum
de« L. FuüisttUnu« \'»^ttoniami« {Prasop. F 396)^ Irg. pro pt\ proinnc. iMlmatiae item
prorinc. Pannaniae iUm Moeniae superim'is, Statth<cr von l'iuiDonia war er tin J. H4
(Dipl XVI. CIL, UI |K 19631 und 85 Dipl. XII, CIL. 111 p. 855 u. 1964), aluo fwt
nach dnin J, 85 hat er di« Statlhalt^'rs^haft von Moftiii biij». «hrrnommen. ßf*g**ii
Borrnann ihierr. Jahrejth. I 174,6 vgl. d^W p, 186, H Du Küi'^'r Oouiitiuii im J. 86
idch in Mo«!ila wvgen de« Khi'gott mit den Dakeru »uf^^hulten hat iv^L Dio LXVU 6. 3
«im J. H6), »o i«t e«^ ».«iir wabriM^biMtiliehf daH^i die Teilung Moesioii» geradi' in die««!
Jahr flÜh tind dai» L. Fuiilitulanuii Vettuniauu» der onite Statthalter von Mo«Aia «up.
war. Vgl auch Ritltrlmg Chterr, Jahrtsh. \\\ 1904} Beibl. 32 f,
2) Marquardt 1*303, Jung Grundrüs der Geogr. ron ItaiieH und dtm Orhü Homanu«
8. 182. G»>U p. 135.
3) Vgl. CLL. in p. 992. 1020 und .lie Karte von Kieptri zti CIL, III. Suppl II
fMc.5. — £ine WcihinMchrifi aut Wmm MX 7420 lautet: HercuU \ pro salute | 2\ Vitraai
Pollion, %, Äug. I pr» pr. \ L. Mesvius Primus | 7 leg. l lial. fr\t*mmUartus). Dio
Aiiiv»»flenheit eine« cmturw frum, drr Ir^^, 1 Ital,, welche in M«>f»»ia inf. ttand, beweis
fwaj noch nicht, tbu'* Almun in Moesia inf. i^ehftrtc (v. Domajtzi'wski Arch.-epigi', M»tL
XllI I53f.\ wohl aber die Wiihimg für den Legaten T. Vitra»iii« Follio, w^^lchor Moeiria
Inf. unter AwtoiiitiUJi riu» vej-waltet hat (vgl. III 762 ♦ p. 13^ und 14214'}. Die Za*
gebörigkf it vun Atmufl zu Moesia Inf Ix^PtHtigt aueh ein Verceiebuis von 16 principaUß
derunterinlmincben leg, I Ital,, weleh«^» ehi^ntallB in Altnus gefunden wartlen tut i III 144*39';«
Die Annahme BeueheU IHs9. 77.4. da«» Almu« tut Zeil »len Ptol**maL'U^ uieht m«»hr
itti MueaiH inf. gi>hoiic. wird dureh die hier angeführte Iittichnft III 7420 widerlegt.
Die lnnchrift 111 7421 aus Almus, welehe eineu r^r. leg. VII Cl. i'txtt nttnü LX nennt
iiod welche V, Domassi^wtki a* &. O* xu Guiiiteii drr Angabe des Ptoleinaeu« aiigi'führt
hat, int nicht Uewetieud, weil tiv eben uur eüien Veterauea neniit
4) Über den Um fang dtf Provinx Moesi« vgl. besonder» Kiepert Famtae arhut
antiqui XVII: JUgrieum et Thraeia ö. 3 des Texte«, v, Premerstttn Otiterr. Jahrejth, l
BeibL 148 E, Pick Üi« Münien a 07-^72.
5) Vgl. V. PrtmeMein a, a, 0. S, 149 f 171 und Piek a. a. n. 8. 66, 8 gegcu
Y. DomaAiewiki N, lUidM. Jakrb. I 197.
4 Bogdan Filoiv,
hatten. Nach der Umwandlung von Thracia aber in eine römische
Provinz im J. 46 n. Chr.^) war auch die ripa Thracia, wenigstens in
militärischer Hinsicht, mit Moesia verbunden,*) wie ja T^ada immer
militärisch dem Statthalter von Moesia unterstellt war.^) Ob der Haemus
schon damals die Grenze zwischen Moesia und Thracia bildete, ist nicht
mit Sicherheit zu sagen. Jedenfalls gehörte die von Traian zum Andenken
an die dakischen Kriege nördlich vom Haemus gegründete Stadt Nicopolis
ad Istrum (das heutige Niküp in der Nähe von Timovo), wahrscheinlich
mit dem umliegenden Gebiete zu der Provinz Thracia.*) Dagegen wurde
die sfldlich vom Haemus gelegene griechische Kolonie Mesembria im
2. Jahrb. zu Moesia inferior gerechnet.^) Erst seit dem Ausgange des
2. Jahrh. bildete der Haemus die Grenze zwischen den beiden Provinzen
Moesia inferior und Thracia.^ Die Abgrenzung von Moesia superior gegen
Thracia, Macedonia und Dalmatia scheint solchen Schwankungen nicht
ausgesetzt gewesen zu sein.')
Im J. 57 wurde das Gebiet der milesischen Kolonie Tyras, nördlich
von der Donaumündung, zu der Provinz Moesia hinzugezogen,^) und sogar
auf der Chersonesus Taurica, inmitten des unter römischer Oberhoheit
stehenden bosporanischen Reiches haben die Eömer festen Fuss gefasst^*)
so da^ der Statthalter von Moesia für den Schutz auch dieser Land-
schaften gegen die Einfälle der Barbaren durch Zurücklassung einer
römischen Besatzung zu sorgen hatte, wie uns die Inschriften lehren. ^^)
Ebenso ist seit Traian die sehr schwach bewohnte Landschaft östlich
vom Flusse Alutus zu Moesia inferior hinzugezogen, wie einige in Draschna
de sus, nördlich von Plo^scht, gefundene Ziegel der untermösischen Truppen
zeigen.i^) Auch der südliche Teil der Theissebene, westlich von Dacia,
1) Marquardt I« 313, Mommsen R. G. V 193.
2) Vgl. V. Premerstein Österr. Jahresh, I. Beibl 188 f. — v. Domaazewski N, Heidelb.
Jahrh, 1 194 ff. nimmt an, die Abtrennung der ripa Thracia Ton dem thrakiscken
Fürstentum sei schon unter Tiberius erfolgt, doch schwerlich mit Recht.
3) Vgl. Tacit. Ann. II 66. III 89. IV 47; Marquardt P 314.
4) Vgl. CIL. III p. 992 add. ad 749, Mommsen E. G. V 282, 1, Kalopotbakes De
Thracia provincia romana, Dis». Lips. 1893 p. 87, Pick Die Münzen S. 67, v. Premer-
stein a. a. 0. S. 189.
5) Pick a. a. 0. S. 67. 71 f.
6) Kiepert Formae orbis antiqui XVII S. 8 des Textes, v. Premerstein a. a. O.
S. 189.
7) Vgl. im allgemeinen v. Domaazewski Arch.-epigr. Mut. XIII 129—154. Die
beste Karte der mösischen Provinzen ist die von R. Kiepert zu CIL, III Suppl. II
fasc. 5 (1902).
8) CIL. III 781 u. p. 1009 (Dess. 423), Ptolem. lU 10, 8. Marquardt P 806.
9) Marquardt P 306 f.
10) III 782. 13751 a.b. 14214»*. 14215»-*. Über die Besatzung von Chersonesos
vgl. unten S. 14 und Rostowzew Beiträge zur alten Gesch. II 80 ff.
11) Im CIL. III unter n. 12530 zusammengestellt; vgl. Kiepert Formae orbis an-
tiqui XVIl S. 3 des Textes, v. Domaazewski Ärch.-epigr, MiU. XIII 137 und Rhein, Mus.
XLVIII (1893) 242, Brandis bei Pauly-Wissowa IV 1969 (unter Daeia).
i>k' Li'ffmwn der Prorim Moesia. Ti
irde mit der ProTinz Hoesk soperior vereinigt, \) so dass die neuge-
gründete Provinz üaoia von drei Seiten von dem Gebiete der Provinz
Moesia umfasst war.
Grössere Verändeningen an der unteren Donau nach der Gründung
der Provinz Dada sind erst während der Goteneinfälle f238— 269) ein-
getreten. Schon im J. 2B5 unter Maximinus scheinen die transdanuvischen
Besitzungen von Moesia inferior verloren gegangen zu sein,*) bald darauf,
im J. 256/57, wurde auch die Provinz Dacia verloren, nur die festen
Plätze haben sich noch längere Zeit gehalten.*) Das römische Heer,
durch eine ununterbrochene Reihe von Bürgerkriegen vollständig gelähmt,
war nicht mehr im stände die Einfälle der Barbaren, welche zahlreiche
Plünderuugszüge , teils zu Lande über Moesia, teils zu Wasser über den
Pontus Euxinus nach Griechenland und Kleinasien unternahmen und diese
Gegenden vollständig und dauernd verwüsteten, zu verhindern. *,WenD
Moesien und Thmcien auch nicht dauernd von den Goten besetzt wiu-den,
so kamen und gingen sie doch hier, gleich als wären sie zu Hause, und
streiften von da aus weit nach Macedonien hinein",*)
Die römische Herrschaft südlich von der Donau schien bei den
Zuständen während der Goteneinfälle sich ganz aufzulösen. Sogar einzelne
Erfolge, wie der Sieg des Kaisers Hiilippus im .1. 245^) oder des Statt-
halters von Moesia, des späteren Kaisers M. Aemilius Aernilianiis/J waren
nicht im stände eint^ Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. Erst
dem Kaiser Claudius (208 — 270), welcher einen glänzenden Sieg über die
Barbaren \m Naissus in Moesia superior gewonnen hat,') gelang es die
r(^misch6 Herrschaft hier wieder aufzurichten und den Raubzügen der
Goten und ihrer «teuossen vorläufig ein Ende zu machen. Freilich war
die Provinz Dacia für immer verluren, und so zog Kaiser Aui^lian alles,
was noch an rümischen Bürgern und Besatzungen sich auf dem linken
Donauufer befand, zurück und errichtete im .1 275 sudlich von der Donau
zwischen Muesia superior und inferior eine neue Dacia, welche später
1) Die AusfÖhningeD v. Homaszewskit Arck-epigr. Mut, XHl \A^ werden im
gÄDieu richtig »ein, wenn er im eioxrlüen auch zu weit gebt (vgL BmiidiB bei Puiily-
WiiMowa IV 1970), Für Samiixegetbu^ijt hiit i*r ■eint* Ansicht w'lbiit [a. h. O. 8. 154 1
modifiziert, indem er dtt'ii« St«dt doch zu Ducta rechnet. Aber tiuch Mehadia wird
schwerlich zu Moeaia «np. gehart haben. Über die Ziegel der leg. IV Ftav. aus diesen
Orten vgl unten § 5. 2, über die Weihinwihrift aus Sarnjixegethui»Ä III 7^04 (Dew> 2417),
welche von einem 7 le^, IV. F. f., exerc{i(ator) eq{uiium) ning{uUniHm\ V- Arndt Nigrini
leg. Äug, pr. pr. ge»etit Ur, vgl Deniaa su 2417 «dn» 3 und Jung Fasten 8, 15,
2) Bfmrquardl V 306, Mommseo RG,V 217 1, Rappaport 3, 27.
S) Mart|uardt 1^ 512. Schiller I $S3, 6, Mftmin»eii K Q. Y 220, Rappaport ». 51 L
4) Mfimm««D R 0. V 221
5) Schiller 1 aOl, Rappaport 8. 82.
ti) Schiller I 809, Rappaport 8. 4«.
7) Schiller l H4S f ^ Mommsen i?, G. V 22<5, Rappaport fi 81^
6 Bogdan Filow,
in Dacia ripensis und Dada mediterranea zerfiel.^) Die Donaogr^ize
war von neuem befestigt und gewährte jetzt wieder den südlich davon
liegenden Provinzen den nötigen Schutz.
§ 2. Die mösisohen Legionen bis zur Schlacht
bei Oremona.
I. Die erste sichere Nachricht über die mösischen Legionen gibt
uns eine in der Nähe von Bol jetin (Serbien, an der Donau) in den Felsen
eingegrabene Strasseninschrift aus dem J. 33/34 n. Chr.,«) der zufolge die
beiden Legionen IV Scythica imd V Macedonicä an der grossen Heer-
strässe auf dem rechten Donauufer gebaut haben.«) Diese beiden Le^onen
standen also damals in Moesia. Auch Täcitus Ann, Vf 5 gibt die
Besatzung dieser Provinz für das J. 23 n. Chr. mit zwei Legionen i^,
worunter nur dieselben Legionen gemeint sein können. Nicht so gmau
lässt sich die Zeit bestimmen , wann die beiden Legionen nach Jloesia
gekommen sind, doch muss das spätestens nach d^ Niederwerfiuigrcdes
großsen pannonisclr-dalmatischen Aufstandet im J. 9 n. Chr., waches Jahr
wir auch für die Einrichtung der Provinz als das wahrscheinlichste be-
zeidinet haben (S. 2), geschehen sein.*) • '
Aus der Zeit vor dem J. 9 n. Chr. hat nur die leg. XX Spuren von
einer Anwesenheit in Moesia hinterlassen: HI 7452 (Dess. 2270) —
L. Plinius Sex. f. \ Fah domo ] TVufnplia, \ mil. leg. XX, \ cmnorum XLV,
\. stipendiorum XVII, \ kic sitiLs est, \ testamento fieri \ iussit, \ Sectmdus
j L* Plin. et P. Mestri \ liberttis fecit^) *
1) Die Belege uDten zu § 6, 2. Vgl. Marquajdt I< 312, Schüler I 853, Mommsep
R:G. V 220, Brandis bei Pauly-Wissowa IV 1975 f. (unter Dacia). Für die Chrono^
logie Tgl. Rappaport S. 99. Die Teilung der Provinz erfolgte nicht schon unter Aureliao^
wie es zuweilen angenommen wurde, sondern erst unter Konstantin (Rappaport 8. 100, 2).
2) m 13813b (Dess. 2281): Ti. Caesare Äug. f, \ Augusio imperatar., ponL tnax.^
tr. pot XXXV. I leg. HU Seyt, leg. V Maced.
3) Diese Strasse ist später unter Vespasian, l'itus und Domitian noch einmal; Aus-
gebaut und ausgebessert worden, wobei an derselben Felswand, an der die obengenannte
Inschrift eingegraben war, noch andere Inschriften angebracht wurden ; vgl. lU 13 818.
4) Vgl. Pfitzner S. 16 ff. Nach ihm standen die beiden genannten Legionen in Syria,
von dort wurden sie im J. 5 n. Chr. nach Europa geschickt in Zusammenhang mit der
grossen Legionen Verschiebung, welche durch den Krieg des Tiberius gegen Maroboduus
und den pannonisch-dalmatischen Aufstand herbeigeführt war. v. Premerstein österr.
Jahresh, I Beibl. 155 meint dagegen, dass die leg. V Maced. vor ihrer Versetzung nach
Moesia die Besatzung von Macedonia gebildet habe. '
5) «Gefunden im Dorfe Reseletz, am linken Ufer des Isker. zwischen YratEa und
Pleven, vom jenseitigen rechten Ufer aus einer Monastir genannten Huine herbei-
geschafft.*
Die Leghnen dt*r Prmrim Moej^in.
Die leg. XX hat im J. 6 n* ChrJ) unter Valerius Messalüius in
Uly neuro getochteii (VeUeius II 112, 2) und war in dem paunonisch-
dahnatischen Aufstande nnunterbrochen tätig**) dann aber, schon im J. 9
n. ein., kam sie infolge dei^ Varusniederlage nach Germania.*) Die eben
angeführte Inschrift gehurt also in die Zeit von 6 bis 9 u. Chr. Aber
so lange die leg. XX sieh in Ill^Ticum aufgehalten hat^ stand sie in
Dalmatia,*) wo sie die ganze Zeit gegen die Aufständischen gekämpft
haben wii*d. Ob l>ei solchen Umstiindeu aus der angeführten Inschrift
mit V. Premerstein ^) auf eine Vorpostenstellung der Höraer an der
thrakischen (»i-enze zu schliessen ist, oder ob L. Plinius bei irgend einer
Expedition dort gestorben war, ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls
handelt es sich höchstens um einen vorübergehenden Aufenthalt in Moesia
sei e^ der gan/.en Legion, sei es nur eine^» Teiles von ihi\ uiitl deshalb
können die Legionen IV Scyth. und V Maced. mit Recht als die erste
Besatzung von Moesia betrachtet werden.*)
Du* Aufenthalt in dieser Provinz auch nach dem J* 34 n, (Im bestätigt
die Inschrift aus Arreüum XI 18;^5 (Bess, 061»). Der in der Inschrift
genannte [L.] Martiun Macm- war U'g. 7\, naadi V€^.a[ari9 Aug. pr,]
pK protine^ AheMae kgi IV Scyt[hic^ et leg,] V MacM,, dann Prokonsul
von Achaia^ hat also gleichzeitig die Provinz und zwar als pnt^torius
verwaltet und die beiden folglich noch damals, unter (iaudim^, dort
stehenden Legionen kommandiert/)
Die leg. \ Maced. kam erst im J, 62 wegen des parthischen Kriege«
unter Nero ans Moesia nach Syria.**) Zu derselben Zeit finden wir auch
\} Sie lil Wahn»c1)0inltch <ei>t kmi« vnrhrr »rricltiiiet wonlru- v^i xMoiinii»! d Mtm.
Amc^.* p, 70 w|«|,, Hir^cbfeUl Uemm XXV (1890) 353, lagnat |) l<^>^.
2) Tacit* Ann. \ 42: prmane ei %kesima Ugmifs^ iUUi ntgm^ a Tihtrtu atuyj,ii-
tu tat pn^eliorum mcta » tot prnemu^ aucfa, han*- tarn tiiftgiam äuct vejitrö ijrattam rr
fcfUn? Km Soldat der lig. XX \%i wUlircnd di'i puiiuofnMch-diilmjaiwjhen Aufstmidc*»
j{ Wim mal von Tflifriiis dekori(*rt worden: V i^^^i (!)**««. t?272); vgL v. DotiiiiJüe«;w»ki />fV
Ftihnen im fom. Beert S. 8H, 2.
3) Homi]i»en CIL, HI p. 2öU, Cn^^nut j». 1088.
4) Momiatt^ii ft. a. <>., Iliriühfeld Hmurs XXV Hr»^. In U&lmtititi «nd 3 liiiichnft«ni
der Legion güftiiideu wordfu: 111 20!^0. 2911 ^ brult! Vetertitiitigrubstüiuu iifid de>«buib
voll keiner bcaondereu Uedeutuug, und 2836 (Dt*«». 2851), welche ein^^n ha^ktu/s prior
der Lagion msont* Vgl. iiuch daii Fmgiiiftiit lII 11746. In Moeaia ii4 uiir die oben
angefiilirle Ineebrlft» in Uiumonin gRr kein^ gefunden worden.
5) ÖMterr. Jahresh. 1 BeibL 167,1.
6) Die Annahoic, daiM 8cbt>n vor dem imnnoni*icb'daliiiatip«chen ^ in Moetln
»wei Legionen ^'rutnuden bab«ji Monina*i^a R G. S 37, L v. I*reni«^r^! (\ Jahre*h,
l Iteibl, 165 s katin »ucb richtig «ein, IM»t sieb aln^r nicht boweiMen.
7) Mo<>tiH war bis zur UQckgsbe Achaiiu an den Senat im «1. 44 mit dii'Mr
Provinx und Miikedonien vi*rcinij|t und eine« konsttlar Eschen Statthalter tinttirsteUt
(MarquArdt 1^302, (tardthauM*n KntA. Äutf, 11 7H7 f ), dem ^Lutius Macer unter|C^H>rdnet
g«#Men «ein mnss. V^l. über diese» abnanne \'erhiütnui v^ Donmazewski Hhtin. Muh.
XLV (18W) l ff. unti XLVll 2a7,$.
81 Tjicit Amt. XV 6.
8 Bogdcm Filoxv,
die leg. IV Scyth. schon in Syria,^) ohne dass über ihre Geschichte bis
daMn etwas direkt überliefert ist. Dagegm treffen wir im J. 69 in
Moesia drei Legionen : HI Gallica, VII Clandia nnd VIII Angusta.*) Die
leg. ni Gall. ist, nach Sueton Vesp. 6 zn schliessen,«) erst im J. 67 aus
Syria nach Moesia gekommen, die beiden anderen sind also an Stelle der
rV. Scyth. nnd V Maced. getreten. Unsere Angabe ist, die Zeit nnd
Reihenfolge dieser Verändemngen g;enan zn bestimmen.
Gewöhnlich wird angenommen,*) dass die leg. IV Scyth. unter Clan-
dins aus Moesia nach Germania gekommen nnd in Moesia durch die
pannonische leg. VIII Aug. ersetzt worden sei In solchem Falle mttsste
die leg. VII Claud. im J. 62 aus Dalmatiä nach Moesia an Stelle der
leg. V Maced. getreten sein.
Die Versetzung der leg. IV Scyth. aus Moesia nach Germania kann
aber nicht mit der Versetzung der leg. Vm Aug. aus Pannonia nach
Moesia zusammenhängen. Denn, wenn eine Verstärkung des germanischen
Heeres nötig gewesen wäre, so hätte man doch wohl einfach die leg. Vin
Aug. aus Pannonia nach Germania geschickt Wir mflssen also zwei
selbständige Massregeln voraussetzen: die Versetzung der leg. IV Scyth.
nach Germania und die Versetzung der leg. Vm Aug. nach Moesia.
Die Annahme, dass die leg. IV Scyth. nach Germania gekommen sei,
beruht lediglich*) auf einer Stelle aus Tadtus, Ann. Xm 35, wo von
den Verstärkungen des syrischen Heeres während des parthischen Krieges
unter Nero die Rede ist: et hdbiti per Oalatiam Cappadodamque dilectus,
adiectaque ex Germania legio cum equitibus alariis et peditatu eohortium.
Gegen seine Gewohnheit gibt Tacitus in diesem Falle die Nummer der
Legion nicht an, so dass wir nur auf Vermutungen angewiesen sind.
Borghesi*) und Nipperdey^ haben an die leg. XII Fulm. gedacht,
Grotefrad^) und Mommsen®) zunächst an die leg. m Gall., dann aber
sind sie zu der Überzeugung gelangt, dass es sich hier nur um die
leg. IV Scyth. handeln könne.^") Das letztere ist sicher richtig,**) da von
allen Legionen, welche an dem parthischm Kriege bis zum J. 62 teil-
1) Tacit. Ann. XV 6.
2) Tacit. Bist. II 85, vgl. Suet Vesp. 6.
3) hgio tertia, qtuie sub exüu Neronis tranalata ex Syria in Moesiam fuerai; Tgl.
Tacit. Eist. II 74: (MuciaDus) tertiam Ugionem, quod e Syria in Moesiam franftSMl,
8uam numerabat.
4) Grotefend Bonn. Jahrb. XI (1847) 82—85, Pfitzuer S. 81 ff. 233, Mommsen
Man. Ancyr.^ p. 68, 2, v. Domaszewski Rhein. Mus. XLVII 207, 3.
5) In Germania sind bis jetzt gar keine Spuren von dieser Legion gefanden worden.
6) Oeuvres IV 229.
7) In seiner kommentierten Ausgabe des Tacitus zu Ann. XIII 35.
8) Paulys Realenjsykl, IV 876.
9) In der ersten Aufl. von Moti. Ancyr. 46, 2. Dem folgt auch SchiUer 1 349, 4.
10) Grotefend Bonn. Jahrb. XI (1847) 82-85, Mommsen Mon. Ancyr*. p. 68, 2.
m Vgl. auch Pfitzner S. 31 ff., v. Domaszewski Fhein. Mus. XLVII 207, 3.
The Lf\(/tnNf'n dtr l*nn nn Motsfn.
genoiiinieri haben und die wir ruus dem Beridite des Tacitiis gmnw kennen,
keine andere in den Westprovinzen überhaupt nachweisbar ist. Es
entsteht nur die Frage, ob die leg. IV Scyth. damals tatsächlich auis
Germania nach dem Orient gekommen war, oder oh hei Tacitus ein
Fehler in der Angabe der Provinz vorliegt.
Wir haben gesehen, dass die leg. TV Scjnli, unter Claudius noch in
Moesia gelegen hat (S. 7)* Andererseits finden ^ir sie im J. 62 schon in
Syria (Tacit Ann. XV 6)^ wo sie einige Jahre früher angekommen sein
mnss (Tacit An)}. XIII 35), Ihre Vei-setzung aus Moesia nach Germania
könnte also nur unter Claudius oder allenfalls im Anfange der neronischen
Zeit erfolgt sein. Aber gerade für diese Zeit lässt sich ein Bedürfnis
nach Verstärkung des germanischen Heeres nicht erkennen. In Germanin
inferior standen damals dauernd vier Legionen^) und, trotz der erfolg-
reichen Kämpfe des <'orbuIo gegen die chauker im X 17,*) hat die
Tlegiening die Aufgabe des rechten Hheinufers beschlossen, woraus man
ersieht, dass dici^er Krieg durchaus nicht so emst geführt war, um eine
besondere Vei-stärkung de.s Heeres aus der entferntesten europäischen
Provinz nötig zn machen.*) Höchstens bei dem obergermanischen Heere
wäre Kaum für eine weitere Legion gewesen, denn dieses bestand seit
dem J, 46 nur aus drei Legionen ;•) aber hier kann erst recl»t kein Be-
dürfnis nach Vei-stärkung des Heeres nach dem .L 46 anerkannt werden.
Unter solchen Umstünden erscheint die Annahme, das« die l«g. IV Scyth.
luiter Claudius aus Moesia nach (Tcnnania vei-set^t worden sei, sehr
unwahi-scheinlicli, und deshalb sind schon wiederholt Bedenken geg'en die
Angabe des Tacitus, dass* die Legion gerade aus (lennania nach Syria
ge^htckt worden sei, erhoben worden.^) Uie Stelle des Tacitus ist füj*
die ti6schiclit4ä der leg. JV Scyth, jedenfalls nicht entscheidend.
1) Diu wureii vor der lirrtaiiuiMch^'ii Etpeüitioii die Le^^ionen 1 iGrnD.\ V Alaild.,
XX Val. Victr. und XXI Rtip. Von diuxen vtrr kam die leg. XX uftch Brtlantiiii, an
ihre SteJle Iral aber die iieugi^bildete XV Primig Vgl Ritte rliog Dis$. 81 *»q.^ ('»gtiat
p. 1087, VVeicUert Weatd ZeiUchr XXI I2fi(r Dir l.g XXI Rä|». hat «päter itimi
Standort mit di*r leg, X^''! Gall au« (lermania »uperior vertauscht; vgl, Cagnat ]k lOW*
2) 8i-hilf.T I ft22f., Mommj^ii Ji (i, V 114 f
3) Wa« dif^ Entfemunf^ lewiMehf^n Germania und Moeitia betrifft , int et atbr
lyicUtig lU beiuzhteii, das« datnaU die direktvu Stnuieo von den rheiniMchei) Lif^ion»-
lagern oach der Donau noch nicht erbaut waren. Erit Kur Zeit Domitians und Traiant,
aJa die W*rhlnUting bester wurde, nind dit' gernmoUcben Legionen biiutiger icu den
Kri *'n di*' Dak«T iiHch der unteren Donau herangezogen wonlea. V^L FahriciUM
Dt' thmf Badens durch die Mömer, UX^S 8. 4t> f.
4) Vor der britanoi»chen Expedition «tanden hier vier Legionen: II Aug., Xlll
Öeoi., XIV Gem. und XVI ftall, Die 11 Aug. und XIV tiinj, waren mit der XX Val
Victr. au« Germasia tnf nach Brltannia gekomme» (die 4. hrltanniiche t>e^ion« die
IX H)xp., wurde au« i^annoota genommen}, au thra Steik ilnd die tV Maced. auA Kia-
|)ania und dir ncuj^ebtldete XXIl Frimig. ^u^unu Im J. 4rt kam die leg. XIII (jitw.
nach l*animnia i^S. IS*, b), to <bi Irui Legioiven atatuUn.
5) Dltnricer Bt>nn, Jahrh,
10 Bogdan FUow,
Wir wenden uns jetzt zu dem zweiten Punkte der hier kriti8i»i;eii
Annahme: dass die leg. VJll Aug. im J. 46 aus Pannonia nach Moesiä
versetzt worden sei. Für diese Versetzung beruft man sich auf die
Inschrift aus Castulo n 3272, welche nur handschriftlich erhalten ist:
q. corNELlO MF GAL VALERIANO PRA^. a2ae , . ,
. . . PRAEF VEXILLARIORVM - IN TR ACHI A XYaleg
V iwaccDONiCA A ^ LEG VTH • A VGVSTA . A • TRIBVNIS LAticlacü et , . .
Ä«««rtrIB VS >) A . PRAEF CHORTI VM STAT VIS CORONI» donato ...
. . . LONEN ET CHORTIS SERVIAE IWENALIS . . .
titiaE . L F . OPTATAE VXORI HVIC • COLONIA PATRIaa . .
Obwohl im einzelnen die Erklättmgen dieser Indchrift auseinander
gehen, ^) ist man doch darin einig, dass Comölius Yalerianus Praefekt
von vexillurii der leg. V Maced. und Till Aug. in Thracia gewesen sei
Da aber Thracia militärisch dem Statthalter von Moesia unterstellt
war (S. 4,3), so müssten die beiden Legionen V Maced. und VllI Ang.
zu der Zeit, als diese vexiUarii nach Thracia abkommandiert waren, in
Moesia gestanden haben. Das trifft nur für die Zeit von ca. 43 (S. 7)
bis 62 zu. Der Anlass für die Absendung eines besonderen Eonmiandofi
nach Thracia könnte in diesem Falle der Widerstand der Thraker bei der
Umwandlung ihres Landes in eine römische Provinz im J. 46 gewesen
sein,«) woraus dann folgen würde, dass die leg. VIII Aug. schon im J. 46,
vielleicht sogar früher^ in Moesia gestanden hat. Aber, obwohl die Ver-
setzung dieser Legion nach Moesia im J. 46 an sich selbst sehr begreif-
lich ist, scheint es mir doch, dass man diesen Schluss durchaus nicht aus
der hier angeführten Inschrift ziehen kann. Die Zahl XV nach l'RACHIA
kann weder XV vexUlurn noch XV vexillaiiones bezeichnen. Ebenso
wenig kann man aus der Inschrift ersehen, dass die veAJJarn den beiden
erwähnten Legionen entnommen sind. Denn in solchem Falle müsste es
nach Analogie ähnlicher Inschriften heissen: praef. vexilJar'ionim in
Irachia leg{ioni8) V Maced. et (leg) VIII Äug.*) Dass man aber keinen-
falls praef. veodllariorum . . . a leg(ione) V Maced. etc. verbinden darf,
zeigt die unmittelbare Anfügung von a tribuni^ laticlavis. Es ist aller;
dings schwer zu sagen, wie die Inschrift ursprünglich gelautet hat Ich
1) Nach V, Domaszewski Rhein. Mus. XL VII 211.
2) Über diese Inschrift haben gehandelt: Grotefend Botin. Jaftrb. XXXII (1862)
45, Hübner BuUett. delV inst. 1862 p. 184, Mommsen CIL. II zu 3272, Pfiümcr 8. 32,
y. Domaszewski Rhein. Mus. XLVII 211. Demselben Q. Cornelius Yalerianus gehört
auch der cursus honorum II 2079, doch i§t dieser noch schlechter erhalten. Sonst ist über
Heine Per^ÖDÜchkeit nichts bekannt.
3) Das hat zuerst Mommsen Ephem. epigr. II 259, 2 vermutet.
4) Ein analoges Beisjiiel bietet die neuerdings in Baalbok gefundene Inschrift
(Sitz.'Ber. der Berlin. Akad. 1903 S. 817 = Rer. archeol. 1903 II p. 467 n. 868): praef.
rexiüariorum leg(ionum) Villi. Vgl. auch X 5829 (Dess. 2726) aus Ferentiniuii: prioe-
positus vexiVationihus miüiaris tribus expeditione Brtttannica leg. VII Chmm. VUI-AUß.
XXII Vrimig. Ferner XI 1196 (Dess. 2284), III 3200 (Dess. 2478) u. a. m. EiM Ab>
weichung von dieser Ausdrucksweise ist mir nicht bekannt.
Die Let^oneti der Prwnn,t MoesUt,
II
glaube /das» wir sie uns ungefähr folg-endermassen vorzustellen haben :
praef. irejriUariormn in Trachia XV [ , . , konorato a %. V Ma€e\donim,
a le(f, VIII ÄUffu^n, n trihunts fa\titlat?ui et , , . semest7']ibifs, a praef*
chorüum siatuis cor&ni[s • ^ .*j
Die herrschende Ansicht (N, ^i u^rr ilie mösischen Legionen üi
daudisch-neronischer Zeit ist also anhaltbar, weil weder aus Tacitus
Ann, XIII 8S bestimmt auf eine Versetzung der leg. IV Scyth. aus Moesia
nach Germania f^^eschlüssen werden kann, noch aus der Inschrift II 3272
folgte dass die leg. MII Aug. bereits im J. 46 in Moesia gestanden hat.
Es bleibt, bei Ermangelung jeder direkten Nachricht, nur übrig, auf l^ni-
w^en etwaB sicheres ober die mösischen Leonen dieser Zeit zu ermitteln.
IL Es ist schon oben (S. 8) ei-wähnt worden^ dass ün J, 67 die
leg. ni Galh aiis Syria nach Moesia versetzt worden ist, so dass seitdem
in Moesia drei Iveginnen standen (Tacit. Ilist II 85, vgl Suet. Ve^p, 6).
Fasst man diese Versetzung der leg. IIT Oall als eine Verstärkung des
mösischen Heeres auf, s«» ist sie vollständig unbegreiflich und scheint
sogar den damaligen Zuständen direkt zu widersprechen. Denn von
Unruhen in Moesia wird für diese Zeit gar nichts berichtet, in JudjUi
dagegen wütete gerade der Aufstand, Nero gelbst war mit seinem Zuge
gdgen die Alanen^) beschäftigt, wobei man eher Versetzungen von
euroi>äischen Legionen nach dem Orient zu erwarten hätte, als um-
gekehrt. Nur bei der X'nraussetzung, dass durch die leg. IIT Gall. ein-
fach ein Ersatj! für eine früher aus Moeaia nach Syria abkommandierte
I.<egion geschaffen und dass dadurch die mösische Besatzung wieder auf
die Nonnalzahl von drei Legionen gebracht wurde, lässt sich die Ver-
setzung der leg. III iiall nach Moesia im .L r»7 erklären. Dieser Um-
stand aber legt die Vermutung sehr nahe, dass schon früher die Besatzung
von Moesia nicht mehr aus zwei, sondern aus drei Legionen bestanden
hatv Wir müssen deshalb sninächst sehen, ob diest* X^rmutung auch
sonst Bestätigung findet*
Schon Mommsen bat einmal darauf hinge \^iesen,*) dass eine Ver-
]) Ich kenn«* voti iDachrift^D, welch« die obige Aulfniiuiig der Inftcbnfk am C^asIuIo
bflitätjgen kotint<*n, nur IT 1086 (Dt*it. 2712) ^ lUpft (Bjictica) — , , . praef, cok,] |
/J Vas4:4>nnim equit.f trib. milUtum IrgmniM II Aug.^ praef. | alat I A»turum^ donut
(kmaio I ci^roHa mttraU . . . ei haatin \ purvi V, /tonornto ab exerci\iibuii in
quibttJt müiiavii Öigü | auratts et statuia equttttribwf. \^\. auch XMl 1041 iDl*«!».
26SI) — 8ailltt^a — C Julia Aff[«]diPii f. VoUimy]a Macro \SiMit{öno) . . . feocai[o]
' ^e^äloTKin DC Rdetorum cmtetlo Ircü^ia, chpea, | eoronift^ aenulig {9ic)aure^ donato
a tammilHoHib{u») | . , . Diese IuBclirlft itammt wiihrscheiulich aus der Zeil dos
Aogustus; Tgl fii Xin 104!. — VI 3«17 ^ . . us T L Numimim | \hono\r. ah €X4rc
amm- aur. | . .
'2) Niu^h MommKün ü f?. V H^, I »ehreilie ich Alatmti anslatt des lihUchi^n Albaiiar;
irgl Aüch Törna»ebi'k bd Panl? -WUsawa I I2»t.
Sj CIL 11 zu ^TiT'i
12 Bogdan Filow,
mehrung der mösischen Legionen nnter Claudius sehr wahrscheinlich sei,
ohne auf die Gründe im einzelnen einzugehen. Diese können nur in den
damaligen politischen Verhältnissen an der unteren Donau gesucht
werden. Im J. 46 wurde Thracia in eine römische Provinz umgewandelt^
was nicht ohne ernsten Widerstand der Bevölkerung geschehen konnte
und ein energisches Eingreifen der Bömer erforderte.^) Die mösischen
Legionen sollten jetzt auch die unterste Donaustrecke fiberwachen, eine
Aufgabe, welche bis dahin den thrakischen Fürsten überlassen war,*)
und Thracia erhielt selbst eine Besatzung voü Auxiliartruppen, welche
sich auf 2000 Mann belief.»)
Zu derselben Zeit haben die Bömer auch in die Angelegenheiten des
bosporanischen Beiches eingegriffen. Hier war im J. 41 von Claudius
ein Nachkomme des alten, von Pompeius besiegten Mithridates mit dem
gleichen Namen zum König eingesetzt worden.^) Jetzt im J. 46 wurde
er von seinem Bruder Cotys bei Claudius angeklagt, von dem rSfaüschen
Feldherm A. Didius Gallus^) mit Gewalt vertriebe und das Beich dem
Cotys übergeben.^ Dabei musste auch hier eine römische Besatzung
zurückgelassen werden, welche nur dem mösischen Heere ratnommen
worden sein kann.^ So beginnt mit dem J. 46 eine neue Periode in der
Entwickelung der Verhältnisse an der unteren Donau.
Nach Niederwerfung des grossen pannonisch-dalmatischen An&tandes
im J. 9 n. Chr. kann in den letzten Jahren des Augustus hier nicht viel
geschehen sein. Auch unter Tiberius hat sich die Begierung nur auf
der Unterdrückung der Aufetände in Thracia beschränkt. Anders wurde
das unter Claudius nach der Eroberung von Britannia, und es ist gewiss
kein Zufall, dass die eben geschilderten Ereignisse gerade in das J. 46
1) Marquardt P 818, Mommsen ü. G. V 193.
2) Vgl. S. 8. Dass früber in dem dstllcben Teil der spätereD Ifoesia inf. keine
römische Truppen gestanden haben , zeigt auch Ovid ex ponto U 9, 35 und 79 (siun
J. 12—18 n. Chr.), wo er sieh dem Schutze des thrakischen Fürsten empfiehlt; vg^.
V. Domaszewski N. Heiddb. Jahrb. 1 198.
3) Joseph. beU. Jud. U 16, 4 (§ 868 Niese) zum J. 66 n. Chr. Dass diese Be-
satzung schon seit der Errichtung der Provinz dort gelegen hat, kann nicht bezweifelt
werden ; vgl. auch Mommsen R G. V 198. Von Trnppen in Thracia sind nachweisbar
coh. [in] Breueorum in Perinthos (Jll 7895) und coh. U Lucensium (Ul 12387+14207"
vom J. 196 und III 12889 vom J. 217/218).
4) Dio LX 8, 1 zum J. 41.
5) Wahrscheinlich damals Statthalter von Moesia, vgl. Frotop. D 60. Tacitus
Ann. XII 15 nennt ihn einfach dux.
6) Dio LX 28, 7 Boissev. mit den Anmerkungen dazu; vgl. auch Nipperdejr zu
Tacit. Ann. XII 15. Der Bericht über die Einsetzimg des Cotys izt bei Tacitus ver-
loren gegangen.
7) Tacit Ann. XII 15 ff.; vgl. Marquardt I< 307. Dass diese BesaUung im Bos-
porus dauernd geblieben war, zeigt deutlich der Bericht des Tacitus ^nn. Xu 15 zum
J. 49 : Mithridates poet^am Didium, ducem Bamanutn, roburque exereüus abisse
cognoverat , reUctos in novo regno Cotyn iurenta rudern et paucM cohortinm cum Jnlio
AquiUij equiie Bomano regem Dandaridarum exturbat imperioqw eiu$ potOur,
Di*' fA'ffionm (fer Provhts Moesht,
1;^
falleiL I>eniij wit riaudius die Pläne Cäsar» in Britannia verwirklicht
hat, 80 scheint er aach das Werk des Augnstus an der unteren Donau
weiter geführt zu haben.
unter Nero wurde diese expansive Politik an der unteren Dunan
fortgesetzt. Das zeigt die bekannte Inschrift des Ti. Plautius Silvanus
Aelianus aus Tihur/) welche bei der Dürftigkeit der Überlieferung von un-
schätzbarer Bedeutung für die Geschichte der Provinz Moesia ist. Da diese
Inschrift uns auch später beschäftigen wird, gebe ich sie hier gleich wieder;
TTi. Plautio M, f, Äni, Sitvano AelianOf pontif., sodali Aug.p HI
nhio) a{erc) a{r(/eu(o) n{uro) f[lando) f{enunfJo)p q(uaeMori) 7k Caesaria,
hffat leg, V in Of^nnania, pr(at4on) urb{ano)f legaL et comiti iUmid,
Caesaris in ßritiminiaf conmlit pracos* Asiae^ legat pro praet Moemie,
in qua plura quam ctmttint miU{iä) ex numero TransdaHmHmwr{um)
nd j^aestanda trihuta cum conittgiMus) ac liberis et prinmpihm auf
regihus mis trnvsduxit: niotum (yritmietn Sarmat^r{um) comprtis^ii,
qtmmvis parie{m) 7nagna(fn) ejrercitm ad expeditionetn in Armeniam
tnwuset; ignütos ante mit infmims p{opiäo) Ii(omano) reges dgna Romana
adoraiuros in ripamj quam tuehatur, perduxit; regibtis Bastarnarum ei
Rhoxolanorum filios, Daeorum fratrum (sie) captoB aui hostihus ereptoB
remisit; ab aliquis earum opsides acc^nt; per quem j^acem promnciae et
confirfnavit et protuUt: Segtharum quoque regmi (sie) a Cherronmm
qftae est ultra BoruMenen ojmdione summoto,
/Yimus ta- ea pf-omncia magno tntici modo annonam p{ojtuU)
li(omam) ndlevarit. Hüne legat am in in (sie) Hispaniam ad praefev*
tur{am) urtm reminifmn sefiatm in praefedura triumphalibus ürnamentis
honoravit, auciore imp> Caesare Augmio VeBpasiatio, verbis e.r orattone
mu8, q(mte) i(nfra) 8{€ripta) 8(tmt): Moesiae ita praefuitj ut nmi debuerit
in me differri honor triuwphaUum eins omamentoriim. nisi quod latior
ei eontigit mora titulm praefecto urbi^, Hunc in eadmi praefedura
urbis imp. Caesar Aug, Ve^oHanm itenim cos* feeit
Wenn auch in dieser Inschrift nicht alles ganz klar ist, gibt sie
doch ein Bild der kriegerischen Unternehmungen an der unteren Donau
zur Zeit Neros.-) Die Züge des Plautius Silvanus waren hauptsächlich
gegen die VöUcerschaften nördlich von der Donanmündung, gegen die
Bastamer und Roxolanen und ihre skytliischen Stamraesgenossen gerichtet.
In diesem Zusammenhange ist noch an zwei andere Ereignisse zu
erinnern: die Einziehung des Gebietes der Stadt Tyras im .1. 57*) und
1) XIV 3608 = De«. 988.
2) Für die Erklärung der Inschrift im eiozeloeQ vgl Deai&u CIL. XIV su 3608,
MoRiimeo K G. V 1^8, v. Domaflsewski Rhein. Mm. XL VII (1892) 209 f, Vollmer ebda,
Uli (1898) 686 1
3) Vgl, S. 4. Ob dieses Ereigni* in der luschrift out den Worten per quem pacem pro-
vineiae €t oonfirmaeü etproiulä gemeint lAt, wie Dessau &, a. 0. auoimmt, mag dahingeslc^lll
Uteibeii. Bei den spätereo Erklürern hat diese Ansicht keine Anerkoimiuig gefunden.
14 Bogdan Filoir,
das Erscheinen des Bildes des römischen Kaisers auf den bosporanischCT
Eönigsmünzen aus der Zeit Neros, was auf eine Einschränkung dec
Autonomie der bosporanischen Könige hinweist*)
Wie sehr die militärische Lage an der unteren Donan sich um die
Mitte des ersten Jahrhunderts in der Tat verändert hat, zeigt aid-
lieh Josephus beU. Jud. 11 16, 4 (§ 366 ffl Niese) in der Bede des Agrippa
aus dem J. 66: li x^ Xiyuv 'Hvioxovq r« xai Kolxovs xai tö tüv Tav^
QWß yvlotf, Boffnogavovs ra xai xä nigioixa xov IIoptov xal r^g Mcumwi-
8ög i&vfj; nag' olg ngip fiiv oviT olxaiog kyiywviirxiro Stanot^, ww di
rgiöx^Xioig onXiraig inotdaanai^ xai TMffagäxoyra vrjtg fiaxgm ri}y ngip
änXwTov xal aygtav ügtivtvoivai d^akaaeav .... GgqxBs ol ni^ti fiip ev^og
inra di fitjxog tifiegiSy x^9^^ 8iuXfiq)6xtQ , . . . . ovjjfi SiCxtUoig *PmfUiimf9
vnaxatovaiv ygovgöli;
Wie wir gesehen haben, stand diese Besatzung in Thrada schon seit
dem J. 46.') Dagegen können die 3000 Hopliten des Josephus mit de^
Besatzung, welche wir im J. 46 am Bosporus fanden,*) nicht idratisch
sein, denn dazwischen liegt eben die Statthalterschaft des Plautius Sil-
vanus. Während bei Tacitus {Ann. Xu 15) vermutlich nur von Auxiliar-
truppen die Rede ist, finden wir jetzt nach Josephus im J. 66 am nörd-
lichen Ufer des Pontus Legionssoldaten,*) welche ebenfalls nur dem
mösischen Heere entnommen worden sein können.^)
1) Vgl. Sallet Zeüsehr, für Numismatik IV (1877) 304 ff., v. Domaszewiki Bhein.
Mus. XLVIl 208 f., Rottowzew Bcüräge ewr alten Gesch. U 81.
2) Vgl. S. 12 mit Anm. 3.
3) Vgl. 8. 12 mit Anm. 7.
4) Wie auch RitterÜDg Diss. 33, 3 annimmt, sind bei Josephus unter önUtai Legion»-
soldaten zu verateben. Deshalb bezeichnet er auch die Besatzung von Thracia nicht
mit bnllxai,. Im 2. Jahrb. sind Legionsabteilungen in Chersonesus sicher nachweisbar
(Tgl. die folgende Anm.). Es steht also nichts im Wege solche Truppen dort schon
unter Nero anzunehmen.
5) Die Zusammensetzung der Besatzung von Chersonesus ist uns erst aus dem
2. Jahrb. genauer bekannt : es sind ausschliesslich Truppen aus dem Heere von Moesia
inf. So Abteilungen der leg. I Ital. (lU 13751a. 14214*'. 14215«), der leg. XI. Claad.
(III 782 + p. 1010 = Dess. 2352. III 14215«). Auch die coh. I Cilicum, welche der In-
Schrift III 13751b zufolge eine zeitlaog in Chersonesus gestanden haben muas, gelidrte
nach Dipl. XLyill {CIL. III p. 878 4- p. 1979) im J. 134 zu dem Heere von Moesia
inf. Die gesamten Truppen der Römer am nördlichen Ufer des Pontoa Enxinus
scheinen unter einem trilmnus müitum gestanden zu haben, und zwar gehörte attch er
regelmfissig einer untermösischen Legion an. Vgl. VIII 619 (Dess. 2747) aus Mactar :
irih. milit, leg. I Italicae, praepositus vexilkUionibus P&nticis aput Scythia (sie) et
Tauricam (Die Inschrift stammt aus der Zeit bald nach dem Markomanenkriege
M. Aureis). III 14214^* — Chersonesus, aus dem J. 185 — . . . pro \sdl(tUe) imp.]
M, Ai^r.] Ant. Com modi Aug. et \ Fl. Sergiani Sosihi, \ trih. mtl. leg. I Jto/., iu(p)en. '
reverentissimi , 8{ub) c(uius) c(urä) e{gi) \ et mea meorumq(ue)j T. \ Aur. T. /l Qmi.
Secun\dus Rave{nna) , tr{ierarchu8) cQassis) F(laviae) Mipesicae), v. 8. l, l m. | Se^umUes
Matemo et Bradua cos. Vgl auch III 13750 Zeile 36—37. 44 ans dem J . 185/6. Ein
{centurio) leg. I It((ä.) , prae(positu8) vex{iUationilm8) Moes(iae) inf, wild, genuuil md
einem Ziegel aus Aj-Tor III 14215\ : , .r ,V
LHt* Id€gio7veii der Protim Moesia,
V
Überblickt man die eben geschilderten Ereignisse unter Claudius und
Nero, so zeigt sich sehr deutlich« welche neue Aufgaben dem mosischen
Heere erwachsen waren. Schon aus diesem Grunde wären wir berechtigt
anzunehmeji, dass im J. 40 eine cb-itte Legion nach Moesia gekommen
iüt. Aber as lässt sich auch direkt nachweisen^ dass unter Claudius in
Moesia drei Legionen gestanden haben.
In der oben (S. 13) angeführten Insrhrift de.s Plautius iSilvanus heisst
e^ gleich im Anfang bei der 8c bilde rung seiner Tätigkeit in Moesia:
motum anentem Saffnataiinm) rompre^»it, quamriH parte(m) mapia(m)
ejrereittis ad ej-peditionem in Arnu^tiiam misisset Da Plautius Silvanus,
wie aus der Inschrift hervorgeht die 8tatthalterschaft von Moesia unter
Nero bekleidet hat, so ist die in Betracht kommende e^tpeditio der par-
thische Zug des Corbulo* Dass in der hier angeführten Stelle mit
tnaffna pars exercitm eine ganze Legion gemeint ist^ lässt sich bei der
Art, wie das besonders hervorgehoben wird, kaum bezweifeln. Auch
wissen wir aus dem ausführlichen Berichte des Tacitos,*) dass für Ver-
stärkung des syrischen Heeres nur dreimal Truppen aus den West-
provinzen herangezogen worden sind und zwar immer nur ganze Legionen*
Es könnte sich nur fragen, ob Plautius Silvanus damals zwei oder drei
Legionen gehabt hat, wenn nicJit in ersierem Falle der Ausdruck
dimidia pars statt mutpia pars zu erwarten wäre.
Wir wissen^ wie schwer es den Kämern war, mit ihren Nachbarn
nördlich von der Donau zu kämpfen. Die unwiderstehliche Macht der
aarmatischen Reiterei schildert schon Tacitus {Bist I 79), Es war
damals nur ein Zufall, wie Tacitus selbst erzählt, dass der Einfall dei*
Sarmaten mit ihrer Vernichtung endete. Dass das richtig ist, zeigt der
zweite Einfall der Sarmaten, über den Josephus {belL Jod, VII 4, 3)
berichtet, und bei dem der Statthalter von Moesia, Pont eins Agrippa,
trotz seiner Tapferkeit und seinen zwei i^egionen,^] vollständig geschlagen
und getötet worden ist Erst seinem Nachfolger Kubrius Gallus gelang
es nach Heranziehung von Verstärkungen die Feinde zu vertreiben.*)
Man muss dabei nicht vergessen, dass es sich in diesen Fällen immer
nur um Defensive handelte. Nicht mit grösserem tilücke endete auch der
sarmatische Zug Domitians. bei dem, wenn man Suet I)qv%. 6 glauben
will, eine ganze Legion vernichtet worden war, von den dakischen Kriegen
desselben Kaisers gar nicht zu reden. Nimnit man nun an, Plautius
Silvanus habe bei der Übernahme der Statthalterschaft von Moesia nur
zwei I^egionen gehabt und eine davon alsbald abgeben müssen, so wäre
ihm nur eine Legion geblieben/) von der er dann noch Truppen zum
\) Ann. XJIl 8. ^. Sa 40 XV X 6. I 10. 25. 26.
2) Diu wfircii )rg. l lUl. und leg. V Alaad.; vgl S* 27,
S) Vgl. Über dtt»cu Eiofall S, 31 f,
A) OttM IT Air die abgcgebenti Lirgioo suoKehst keioen Erstitz erlmHefi ünt, Beigen
deaUifli die Wortt* der laechnft [S. 18): motum otieniem S(trmatar{um) comprtM^it^
itJM par(€(fii) magna/jm. cxercitm . . . mmsset
18 Bogdan Filow,
Man konnte bis vor knrzan nur auf Pannonia anter Nero als mmi
eine Ausnahme hinweisen. D^in hier stände damals nur zwei hegkmemz
Xm GeuL and XV ApolL (S. 19, 6). Als im J. 63 die leg. XV ApoD.
för den parthischen Krieg nach dem Orient abkommandiert war (Tacit.
Ann. XV 25), blieb in Pannonia nnr die leg. XTTT Gem. Aber wie
Bitterling 1) nenerdings aas einige Camantiner Inschriften ganz sicker
Dachgewiesen hat, war an Stelle der leg. XV ApolL schon damals die
leg. X Gem. aas Hispania nach Pannonia versetzt word^L
Wir ersehen daraas, dass, abgesehen von Hispania nnd Dalmatia, in
allen kaiserlichen konsnlarischen Provinz^i immer mindestens zwd LegioneB
als Besatzang gestanden haben. Dagegen war^ alle kaiserlichen Pro-
^vmzea mit je einer Legion Besatzang darchweg nar praetorisch» Statt-
haltern anterstellt. SelbstverstHndlich richtete sich die Zahl der Legicmeii
nicht nach dem Bange des Statthalters, sondern nmgekehrt*) Wie sdir
aber der Bang des Statthalters dnrch die Zahl der Legionen einer Provinz
bedingt wurde, zeigt der Umstand, dass in den Grenzprovinzen sich keine
einzige Ausnahme von der Begel findet
Bei solchen Umständen ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein
Statthalter von Moesia jemals bloss eine Legion befehligt habe. Eben
deshalb aber muss auch Plautius Silvanus drei Legionen übemomm^i
haben; denn eine dauernde Verminderung seines Heeres konnte nur von
drei auf zwei, nicht aber von zwei auf eine Legion eintreten.
in. Es bleibt noch zu bestimmen, welche diese drei Legionen ge-
wesen sind. In Betracht kommen nur folgende vier Legionen: IV Scyth.,
V Maced., VTI Claud. und VIII Aug. (vgl. S. 7 f.). Von diesen vier ge-
hörte sicher die leg. V Maced. dazu, da ihr Aufenthalt bis zum J. 62
in Moesia durch Tacitus {Ann. XV 6) gesichert ist. Andererseits lässt
sich nachweisen, dass die leg. VII Claud. weder im J. 46 noch bald
darauf nach Moesia gekommen sein kann.
Wir wissen aus Dio (LV 23, 4; LX 15, 4), dass die beiden dalma-
tischen Legionen VII und XI im J. 42 vom Kaiser Claudius den Ehren-
beinamen Claudia pia fidelis erhalten haben, weil sie bei der Erhebung
des Statthalters M. Furius Camillus Scribonianus zwar zunächst für diesen
gewesen, aber schliesslich doch zu ihrer Pflicht zurückgekehrt waren nnd
ihre Verführer getötet hatten. Deshalb zeigen auch die Inschriften der
leg. VII teils die Benennung leg. VU, teils leg. VII Claud., teils leg.
VII Claud, p. f., wobei selbstverständlich die Inschriften mit leg. VII
sich beinah ausschliesslich in Dalmatia finden. Von den übrigen aber,
welche uns hier eigentlich angehen, findet sich in Dalmatia gar keine
Inschrift mit der Bezeichnung leg. VII Claud., sondern alle 22 Inschriften
1) Rhein. Mus. LIX (1904) 55 ff.
2) Vgl. auch V. Domaszewski Rhein. Mus. XLVl (1891) 600, 1.
Die Legione-n iler Promm Moesia,
19
dieser Legion tragen dit; liezeichnung Ivff, VII Claud, p. /*. wobei nur
die sicheren Le&ung^en berücksichtig worden sind. Dagegen haben von
den 55 mosischen Inschriften 40 die Bezeichnung leg. VII Claud. und
nur 15 leg. VII Claufl p. f. Daraus ergibt sich, dass die Bezeichnung
leg. VII Claud, p. f: die ältere und Irg^ VII Claud* die jüngere ist, und
dass die I^egion weder im J. 46 noch bald darauf nach Moesia gekommen
sein kann. Denn die 22 Inschriften in Dalraatia koTinen nicht sämt-
lich auÄ der Zeit vom J. 42— 4() oder 50 stammen, zumal die Soldaten
dieser Legion vorwiegend keine Dalmatier waren*) und deshalb auch
keinen Anlass hatten nach der Entlassung nach Dalmatia zurückzukehren,-)
Die beiden anderen Legionen^ welche ausser der leg V Macei seit
dem iL 46 in Moesia gestantlen haben ^ können demnach nur die leg. IV
Scyth. und Vin Aug, sein. Wir haben schon oben (S. 8 f.) im Anschluss
an Tacitus Ann, XIII 35 gesehen, dass eine Versetzung der leg. IV 8cyth.
unter t'laudius nach Germania sehr unwahrscheinlich sei. Jetzt können
wir behaupten^ daüs diese Versetzung ausgeschlossen ist und dass die leg.
IV Scyth, auch nach dem J. 46 nur in Moesia gestanden haben kann.
Also hat Tacitus a. a. O. zweifellos Germania mit Moesia verwechselt^)
Was dii/ leg, VIII Aug. betrifft, so stand sie im J, 14 n. Chr. in
Pannonia,*) aber im .1 Gt» linden mv sie in Moesia.^) Da eine Ver-
mehrung der musischen Legionen iui J, 46 sichf^r stattgefunden hat* und
da die dalmatische leg. VII Claud. damals noch nicht nach Moesia vei-setzt
wurde, so muBS eben die leg, VIII Aug. schon im J, 46 nach Moesia
gekommen sein**)
I) Vgl* Mouiniien CIL. 111 p. 281 aq. 1474,
% Utitor den daltnatiijcheii Inschriften der Ug. VII (liiud. an« der Zmt ooch
42 n. Chr. findet ticli keino sichrr datirrlmns Nur \\l 12794 fUlit unter CUudiui.
Die KahlrtsJcheii datierten Inschriften aun MoeAiu gehören sunitlich dem 2. und 3. Jalirh. ati.
3) Zur Rechtferttguug djeiiei SeJilusAes mag noch dtLran erinnert werden, dMi
auch für die ipltteron VerttÜrkiingcn de« ijrUchen Heeres im J, 62 und 63 die LegioDea
der Donau^irovinsen verwendet wurdea und xwar erst auti der näheren Moesia (Tacit
Ann, XV G) und dann aua Pannunia (ebda* XV 26). Al*o wird auch die erste Ver-
•Urkung dem musischen und nicht dem germattinchen Heere eAtüommea worden aeiiu
4) Tacit. Ann. 1 23; m.
h) Tacit, //M^ I 79; II 8Ä.
6) In Pannonia standen im J. 14 n. Chr. 3 l.ogMXiiii iTacit. Ann. I 16); V'MI Aug.
IX Hisp. XV Apoll, (ebda. 1 23. 30). Die leg IX Hi^p. \smy vom J. 20—24 i\9xh Afrika
geschickt (ehda. 111 0. IV 123;, so das» im J. 23 in Pannonia nur £woi Lcgioneo »landen
(ebda. IV 5). Im J. 43 kum dann die leg. IX Ill^p. nach ßritannia und ist dort gebliebeu
(ebda. XIY 82), io da»» »«eit dem J. 43 in Pjuinonia nur die beiden Legionen VUI Aug«
ttßd XV Apoll. gestHiiden haben, von denen auch die leg, VIU Aug. sieb an dem
britannischen Kriege beteiligt su haben scheint (vgl. XI 6163 = De*iL 967 ■ Henxen
BuU. ileW hist. 1872 p. 100), Als im J. 46 die leg. VIII Aug. nach Moesia kam, wurde
de in Pannonia durch die leg. XIll Gem. aus Germania uuperior er»eUt, Vgl. Hommaeti
CIL, in p. 482, Eitterlitig Diss. S6 »qiq. = v. Domassewaki We^td. Zeä$chr. XXI iim2)
178. 180 FermuU't, dass die leg, XllI Gem. fcchon vor dem J. 46 an Stelle der nach
BntAn&ia renetstan leg. IX Hisp. nach Pannonia gekommen war. Unhaltbar ist da-
20 Bogdan Filow,
Es standen demnach seit dem J. 46 in Moesia die drei Legionen:
IV Scytii., V Maced. und VHI Aug. Von ihnen haben zunächst die leg.
IV Scyth. und die leg. V Maced. Moesia verlassen, denn wir finden sie
beide an den parthischen Zagen unter Nero beteiligt, und zwar sagt
Tacitus selbst ausdrücklich (Ann. XV 6), dass die leg. V Maced. damals,
also im J. 62, nach Syria gekommen war. Dagegen ist die Zeit des
Abmarsches der leg. IV Scyth. unbestimmt. Wenn aber Tacitus (Ann.
XV 6) zum J. 62 sagt: qvurta et ditodecima legiones addiia quinta, quae
recens e Moesis excita erat, so geht zunächst daraus hervor, dass die
leg. IV Scyth. im J. 62 schon im Orient stand.
Als Corbulo im Frühjahr 55^) die Statthalterschaft von Cappadocia
übernahm, befanden sich im Orient nur vier Legionen^): DI G^alL,
VI Ferr., X Fret. und XII Fuhn.,«) die leg. IV Scyth. war also damals
noch in Moesia.
Die erste Aufgabe des Corbulo in seiner neuen Stellung war, sein
Heer, welches unter der nachlässigen Statthalterschaft des Quadrates
vollständig demoralisiert war und sich jeder kriegerischen Arbeit entwöhnt
hatte, wieder in Ordnung zu bringen. Deshalb wurden Aushebungen in
Galatia und Cappadocia vorgenommen und eine ganze Legion, d. h. eben
die leg. IV Scyth. aus Moesia, herangezogen.*) Richtig bemerkt Nipperdey
(zu Tacit. Ann, XIQ 35), dass alle diese Reformen nicht im J. 55 aus-
geführt werden konnten, sondern der Hauptsache nach die Zeit der Ruhe
zwischen 55 und 58 ^) beansprucht haben. Jedenfalls, als der Krieg gegen
die Parther im Frühjahr 58 endlich begonnen hat, muss die leg. IV Scyth.
schon zur Stelle gewesen sein.*)
Eine noch genauere Zeitbestimmung ermöglicht die schon öfters
herangezogene tiburtinische Inschrift des Plautius Silvanus (S. 13). £^
ist oben ausführlich dargelegt worden, dass Plautius Silvanus, als er
parte{in) magna{m) exercitics in Armeniam misisset, drei Legionen gehabt
hat. Deshalb können die Worte magna pars exerdtus nicht auf den W^-
gang der leg. V Maced. im J. 62 sich beziehen, denn damals hat Plautins
gegen die Ansicht von Schnitze DiM. 85 sqq., dass die leg. XIII Gem. erst im J. 58
nach Pannonia versetzt worden sei. Denn die leg. VIII Aug. kam nach Moesia nicht
erst im J. 58, wie Schnitze meint, sondern, wie wir eben gesehen haben, schon im J. 46.
1) Vgl. Nipperdey zu Ann. XIII 9, Egli in Büdingers Untersuch, zur rAn. Kaiser-
gesch. I (1868) 281.
2) Tacit Jnn. XIII 8: copiae Orieniie ita dividuntury ut pars auxiUarium cum
duabus legiontbus apud provinciant Suriam et legcUum eius Qu(idratum Ummidium re-
maneret, par civium sociorumque numerus Corbuloni esset.
8) Von diesen vier Legionen erwähnt Tacitus selbst die VI Ferr. {Ann. 11 79)
und die X Fret. {Ann. II 57). Dass die anderen nur die leg. III GaU. and leg. XII
Folm. sein können , hat schon Mommsen Man. Aneyr.* 68, 2 nachgewiesen. Vgl. aach
S. 8 f. und Pfitzner S. 31. 167.
4) Zu der betreffenden Stelle aus Tacit. Ann. XIII 85 vgl. S. 8 f. und 19.
5) Vgl. auch Egli a. a. 0. S. 849, 1.
6) Vgl. Tacit. Ann. XIII 84—86.
Die Li'ifioneH der Provinz Moe^w.
21
Silvanus, nachdem die leg, IT Seyth. schon früher nach dem Orient kam,
nnr zwei Legionen gehabt') Diese Wurte beziehen sich also auf den
Weggang der leg. IV Scyth. Nnn kann aber Silvanus die Statthalter-
schaft von Moesia nicht vor dem J. 56 übeniommen haben, weil er das
nach der Inschrift vorangegangene Prokonsulat Asiens noch unter Nero,
also wahi^cheinlich im Arat^jalire 55 56, inne*;^eliabt hat*) Fttr die Abgabe
der leg, rV^ Sc>th. bleiben demnach nur die Jahre 56 und 57 übrig. ^^)
Nach diesen Ausführungen gestalten sich die Veränderungen in dem
Bestände der mösischen Legionen folgendennassen: vom J. ca. 9 n. Chr.
bis 46 stehen in Moesia die Legionen IV Scyth, und V Maced. Im J. 46
kommt noch die leg, VTII Äug. aus Pannoniy hinzu (S. 19), 56 oder 57
wird die leg* IV Scyth* nach Syria preschickt und zunächst durch keine
andere ersetzt. Im J. 62 ging auch die leg. W Maced. nach Syria (Tacit.
Ami. XV 6). an ihre Stelle trat aber, weil in Moesia nicht nur eine
Legion bleiben konnte, die leg. VII Claud, aus üalniatia ein. Diese
letztere stnnd im J. 42 noch in Dalmatia zusammen mit der leg. XI
1) Die Jeg. V Maced. kann iiuch de»hnlb nicht «;eiiieifit «ei«, whiI tili ihre StcUf,
wie wir gkicb sehen werden, die leg, Vll Claud. uub Dalmatia getreten ist, »o daw
PlautiuB SUvatiUB keinen Grund gehabt haben wiirde, die Abgabe der leg. V Maeed.
lie^Qiiders hervonu heben.
2) Le Bas-Waddington VoifOfft arehM. 111 «*>00* - Tralle« — MpÄt^tf KXa[6]dtov
[KmiaaQft] Sißaarbp PtgiiaviKbv -4t»roK^aT0^a &i6t> [6 dii]fi[osr] 0 Kutftagi^itv iuiitiigmin[vl
inl itv&\*itdTm> [T<^e]^/<>i' Ulavtlov I^iXttvavof^ \A(\Xi[a\vov ^ (ntiitlii^ivtog [T]ipiQiov
Klavdiov/ hQonXiovi [rloö], KvQtivtt/h^onX^ovg '^(Jloxa^<rf«c'JO^' *.iv^yoi'?, inov n6Xe[tog]*
\*gj. WaddinfT^ou Faste» de^ provinceif miatitpi^s u. 85, Prosop. P «^6B.
8) DarauA ergibt »ich zugleit'b. dai« Plaufiu»» 8i)THfiüs die St»ttbaHer*ebiift von
Moeaia fpät«tt€ni im J. 57 angctret^o hat. r>ie»er Funkt hat eine gtoav Kontroverse
bOTTOfgemfen. Naeb Horgbe*i OeHvm IV 2S0 (vgl VIH 427) hat die StalthaUer-
ichafit dra Flautius 8ilvanui »ichon <*«. 55 angefangen, nach Henwän Annuli dtVt imL
1850, 14 ff. erst cu. 02. Dio letztere Ansicht, welche auch von Mommisen CIL. 111 p 1010
uud V. DomanKCwaki Wtein. Mwt. XLVII il892} 210 f. vertreten wird, Btüty.t sich ledig-
lieh darauf, duta mit der moffna pars exercüu» die leg. V Maced. geineint sei, wa»
«ich oben al« unrichtig heraiugeiiteUt hat, Kine Vermitt^lung der bi-iden Aniichtrn
bat Dtfisau CIL. XIV p. 894 veraicht, indem er unter ma^na parn exercitUM auch die
leg. y Maced. versti^htf aber deich die Stutthulterichaft de«« Silvanut im J. 57 oder
M>gar früher unBetzt und awar deshalb, weil er die Stelle der lni»cUrift (S, IS'i: per
qttem pacem promnciar ei eonfinrnwU ei prütuUt auf die Einsiehung de« üebiete»
der StadI Tyra» im J. 5li/57 bezieht (%gL S. 4). Gag» diese AuH'aMun^^ hut aber
y. Domaasewiki a. a. 0. Einspruch erhoben, doch otina htüfetclictiden Grund, Denn
aacb bei der AuffaMung Des&uB braueht man nicht anzunebmenf daai die römisehen
Waffen am Bor>ftheuea Halt gemacht haben. Da dir ZUge dei Plautius Silvanu» in
der Intebrift offenbar uiclit cbronolugiseh, «oudern geographisch vom Wei»ieu uttcli ÜBteo
aufgezählt werden, »o i«i e« ganz In der Ordliling, dasi die Erweitemng der Gr»»«zen
Moesieni erat nach der Schilderujjg der Zilge ausaiRmeii fassend erwähnt wird. -~ Uo*
haltbar ist die Aiinahme Waddti\gtons Fnstfn u, S5, dnse FlaviuB Sabinu» Moe»ia bi«
zum J. 5S verwaltet habe und dethalb Plautius Silvanu» eni nach dem *h 58 die
Staithalt^ntcbaft von Moesia Übernommen haben könne. Taeit Hut. IlT 75 »agt von
Flavitia Sabiiiufl einffteb, da«s »eine Suttbalterscbaft 7 Jahre geda««»rT hat. Vgl,
Pr<mp. F 231.
22
Bo(fd(in Mhu\
Olaiid./) im J. 69 aber war dort nur die leg. XI ( laud. (Tacit. Hist Uli;
TTT 50), die \e^. VII Claud. dagegen war schoo iß Moesia (Tacit Jlist,
n 85). Diese Versetzoiig der Legion riacli Moesia kann -wegen der dal-
matischen Inschriften (S. 18 f.) nicht bald nach dem J, 42 erfolgt sein,
sondern erst im J. ö2, als in Moesia nur eine Legion geblieben war.
Demnach standen nach dem J, 62 in Moesia die beiden Legionen VII Claud.
und VIII Aug., in Dalmatia nur eine, die XI Cland.
Diese Resultate decken sich vollständig mit den Angaben des Josephus
hell, lud, II 16, 4 {§ 368 ff. Niese) zimi J. 66 nach €hr;-) O^^xig
ovxi dtg/tklotg' Fwpiaimp inaxotovmv tpgovQolg; ot ö^anii tovtwv * JkXvQiot
tiiV fiix^i jdctlttariag änormvouiv^p* I<5tq(^ xarotKOvrtBg, ov Svöiv ^ovotg
Tayuaüi imixovaiVf fi€i^' wv avroi taq Jaxmv uvctxontQvmv oQ^ag; ot äi
tonavtdxig ngog ilivd^egiav dva^aiTiGavieg Jalfiarai ...... »'vi' ovx i^f*
ivi fäyfiari ' Pwfiamv jjöv;(fav ayovi^tv; Nur ist diese Steüe oft miSS-
verstanden wurden. Man hat nämlich gemeint, dass Josephus unter
VAAvpioi auch die Pannonier vei'stehe, und dass deshalb sowohl Paunonia
wie Moesia damals je eine Legion gehabt haben müssten.^) Dass das nicht
richtig ist, zeigt schon die Erwähnung der Dalmatier, die doch die eigent-
lichen Illyrier im engeren Sinne des Wortes waren.«) Ferner sagt Josephus,
dass mit diesen zwei Legionen auch die Einfälle der Daker zurückgehalten
werden mussten. Nun ist aber bekannt, dass die Daker die Nachbarn
nur der Moeser und von Pannonia durch die sarmatischen Jazygen ge-
trennt waren,*) so dass sie Einfälle nur nach Moesia unternehmen konnten.
1) Dio LV 28, 4; LX 15, 4 Boisaev. Vgl IH 2908 (Urs«. 2280). 9978 t p. 2278
(Dm$, 5958>. 2882. 12704.
2) Da»B die Angaben dea .losepbuä richtig Biod, hat Kulelzt v. DomaAzeiraki Rhein.
Mm, XL VII ri892) 207 ff. geteigt. Nur die acht Legionen, welche nach Joseph uft da*
mala in Cennania gestandim bab^o sollen, lassen sich nicht nachweiBCti^ denn die leg, X
Gem. stand seit dem ,1 m in Pannonia. Vgl. Ritterling liheht. Mm. LIX (19041 $5ft.,
besonders 8. 60.
8) So Pfitzner S. 39. 154, Ritterling IHsa, 85.
4) Über die Bedeutung des Wortes Illyricuna im Altertum vgl. Appiai» TUtfv, 1:
^[IXvQtoi^g '*ElX7]vt:g i)yovvTm roi»? vm^if tt Muntdoviav xtcl G^rtuttit' dwö JkvtovüiV nal
0§iffrffwtmv inl nota^^v*ht^ov\ Ebda. 6: *P(oftatot 6h ncd tovßdt xal Ualot^ag fV aiftatii
4^ ndrtctg *IkXv^i4cc ijyovptai . . . mai th tfXog r^vät toav iO'vtäv, &nb ävieiovrog''I(fj^ov
Vgl. auch 8uet Tib, 16: Äe perseverantiae grande pretium ttäit, toto lUyrico, quod
irUer lUdiam regnwnque Noricum et Thraciam et Maeedoniam interque Dnnnbium flumen
ei sinmn maria Hadriatici patet, perdomito et in ditionem redacto. In späterer Zeit
gehört« auch Dacia zu lUjricum: Trcbell. Pollio vit tlaud. 15: dttx totius lUtjrici.
hahct in pottsiaiem ThracwSf Moesos. iMimatas, Ptinnonio», Daco9 exercitu9. Von der
neueren Literatur vgl besonders CIL. 111 p. 279 und Marqunrdt 1* 295f,
5) Darauf hat &chon v. Domaszew&ki ühein, Mus. XLVll 211 bingcwie«en. —
Die Jazjgeu kamen in die Theissebene unter den Julischen Kaisern, zwischen 20 und
50 n. Chr., und verdrängteu von dort die Daker^ deren Grenze früher im Westen bis
sfiuf Donau reichte. Vgl v. l'remerätejn (.Merr, Jahresh, VII ^1904 227 mit Aura» 52,
Die Legionen der Provinz Moesia, 23
Schliesslich aber zeigt Josephas selbst sehr deutlich, was er mit diesen
IlXvQioi meint, denn er nennt sie äno toiruiv (d. h. tiHp 00qxwv) fiixQ^
/lalfAuTiaq anoTifivofiivriV 7arQ(p xatoixovvxaq, also die Bewohner Moesiens,
da ja die Pannonier ausserhalb dieses Gebietes wohnten.
Wie V. Domaszewski^) aus den Worten des Tacitus Ann. Xni35:
legio cum equitibus alariis et peditatu cohortium erschlossen hat,
war mit der Versetzung der leg. IV Scyth. nach Syria eine dauernde
Verstärkung des syrischen Heeres beabsichtigt. Tatsächlich ist diese
Legion für immer in Syria geblieben. Die leg. V Maced. dagegen, wenn
auch nach Syria abkommandiert, gehörte eigentlich noch immer zu dem
Heere von Moesia. So sollte man erwarten, dass nach Einstellung der
Feindseligkeiten gegen die Parther diese Legion wieder nach ihrer Provinz
zurückgekehrt wäre. Aber dem parthischen Kriege folgte der Aufatand
der Juden, für dessen Niederwerfung auch die leg. V Maced. bestimmt
wurde.*) Weil dadurch ihre Abwesenheit sich noch mehr verlängert hat,')
wurde an ihre Stelle die leg. III Gall. im J. 67 nach Moesia geschickt,*)
da, wie wir sahen, zw ei Legionen auf die Dauer in Moesia nicht genügten.
IV. Die grossen Stürme des J. 69 haben ihre Einwirkungen bis
nach der unteren Donau geltend gemacht und die darauf folgenden
Bürgerkriege auch die Donaulegionen dazu gereizt, über die Geschicke
des Staates zu entscheiden. Aus Tacitus Eist I 9 geht hervor, dass
schon vor dem Tode Neros, sei es einzelne illyrische Legionen, sei es nur
von ihnen detachierte Truppen nach Italien geholt worden waren, welche
aber, statt den Thron Neros zu schützen, mit dem Statthalter von Ger-
mania superior L. Verginius Ruf us Verhandlungen angeknüpft haben. Ob
die mösischen Legionen dabei beteiligt waren und in welchem Umfange,
lässt sich nicht sagen.*) Jedenfalls müssen die bei Tacitus erwähnten
1) Bhein. Mus. XLVIl (1892) 216, 1.
2) Vgl. Joseph. beU. Jud. III 1, 2; IV 1, 3; V 2, 3; VII 1, 3 und öftere. Ein
Centurio der leg. V Maced. hat sich in diesem Kriege die dana müitaria verdient
(VI 3580 = DesB. 2641). Vgl. auch XI 390 (vgl. 391) — Ariminum - . . . mil kg.
V Macedan,, 7 ieg, eiusd,, 7 leg. eiusd. II j 7 leg, VI VictriciSf 7 leg. XV ApoUinar.,
pHm. leg. XII[I] Gemin., donis donato ab imp. Vespasiano Aug. beüo Judaico. Der
betreffende ist entweder in der leg. V Maced. oder in der leg. XV ApoU. dekoriert
worden, da die übrigen Legionen, in denen er gedient hat, an dem Kriege nicht be-
teiligt waren (vgl. Tacit. Eist. Y 1). Man wird sich aber eher für die erstere Legion
entschliessen , da auch das Avancement innerhalb der leg. Y Maced. als eine Aus-
zeichnung in demselben Kriege betrachtet werden kann — Bei dem Zustande, in dem
sich die orientalischen Legionen immer befunden haben, ist es durchaus nicht auffallend,
dass gerade die illyrischen Legionen V Maced. und XY Apoll. fUr die Bekämpfung
des Aufistandes bestimmt wurden.
3) Sie kehrte erst im J. 71 nach Moesia zurück. Joseph, bell. Jud. Vll 5, 3.
4) Ygl. S. 8, 3.
5) Tacit. Hist. 19: quies et lUyrico, quamquam excitae a Ncrone legiones, dum
in Italia cxnictantur , Verginium Icgationibus adisseut. Es ist unmöglich mit Pfitzner
24 Bogdan Filow,
Truppen schon gleich nach dem Tode Neros und der Proklamierung Galbas
nach ihren Provinzen zurückgekehrt sein.
Doch auch die Erhebung Galbas hat den Bürgerkriegen kein Ende
gemacht. Die germanischen Legionen haben Vitellius, die praetorianischen
Kohorten Otho zum Kaiser ausgerufen, dem letzteren haben auch die
Donaulegionen den Eid geleistet,^) und so nahmen die Bürgerkriege mit
der Ermordung Galbas am 15. Januar des J. 69 ihren Fortgang.')
Inzwischen hatten die ßoxolanen, ein sarmatischer Stamm, welcher
nördlich von der Donaumündung wohnte, im Winter 68 auf 69 einen
Einfall in Moesia gemacht.«) Tacitus spricht von Vernichtung von zwei
Kohorten. Darunter sind nur Auidliarkohorten zu verstehen, denn bei
dem Zusammentreffen mit der leg. in Gall. wurden die ßeiterscharen
der Barbaren, 9000 Mann, wenn auch durch einen Zufall, vollständig
aufgerieben. Obwohl dieser Erfolg nur der leg. ni Gall. und ihrem
Legaten T. Aurelius Fulvus zu verdanken war, hat Otho doch gleich
die Gelegenheit benützt, auch die Legaten der beiden anderen Legionen
auszuzeichnen, und dem Statthalter von Moesia M. Aponius Satuminus
sogar eine Triumphalstatue verliehen, wie Tacitus sagt, laeto Othone
et gloriam in se trahente, tamquam et ipse felix hello et suis ducibtis
suisque exercitibus reyn puhlicam auxisset^) Man ersieht zugleich daraus,
dass damals, im Anfange des J. 69, alle drei mösischen Legionen in ihrer
Provinz waren und dass die Donaugrenze noch immer nicht genug befestigt
war, um solche Einfälle der Barbaren zu verhindern.
An der Schlacht bei Bedriacum (April 69)*) haben sich die mösischen
Legionen nicht beteiligt, denn ihre Truppen waren zu dieser Zeit noch
nicht in Italien angekommen (Tacit. Kist II 32). Aber auch dieses Mal
waren nicht die ganzen Legionen unterwegs, sondern nur je 2000 Mann
von ihnen. ^) Wenn Tacitus {Hist n 85) von drei mösischen Legionen
spricht, so sind darunter nur diese drei Abteilungen zu verstehen, denn
man wird an eine völlige Entblössung der Provinz um so weniger denken,
als Otho schon ohnedies eine grosse Truppenzahl an seiner Seite hatte.
Jedenfalls verweigern nach dem Tode Othos die mösischen lYuppen
S. 154 aus diesen Worten den Schluss zu ziehen, dass damals aUe mösischen Legionen
nach Italien gekommen waren. Höchstens sind es nur einzelne Abteilangen von ihnen
gewesen, wie auch im J. 69 die mösischen Legionen je 2000 Mann dem Otho nach
Italien geschickt haben (Suet. Vesp, 6). Bei Tacitus findet sich auch sonst für Legions-
abteilungen der Ausdruck legiones; vgl. Hist. 1130; III 22.
1) Tacit. Hist. 1 76.
2) Tacit Hist. I 41.
3) Tacit. Hist. I 79.
4) Ebda.
5) Mommsen Hermes V (1871) 161—163.
6) Suet. Vesp. 6: Moesiaci exercitus bina e trihus legionihus miliar misaa auxüio
(Moni.
Die Leffionen dn* Prumtiz Mot^ut,
25
lern \ itelliiis dea Gehorsam und betragen sich bei Aquileia wie im
Feindesland;»! sie sind jedoch bald darauf in ihni Provinz zurück-
gekehrt.
Nach allen diesen Vorgängen ist ea selir begrreiflich, dass die Donau-
legionen mit der Einsetzung des Vitellius zum Kaiser gar nicht zufrieden
sein konnten und um 80 lieber sieh für Ve.spasian erklärten,^) der am
1, Juli 69 in Alexandria zum Kaiser ausgerufen wurde.^ In dem
Kriegsrate zu Poetovio,. dem Winterlager der leg, XIIl Gemina, haben
sich die P^ührer der Legionen entschlossen, hauptsächlieh durch Antonius
Primus dazu veranlasst, sogleich nach Italieu zu gehen ^ ohne die An*
kunft der orientalischen Legionen abzuwarten.*) Auch M. Aponius Sa-
turninus, der Statthalter von Moesla,^) wurde benachrichtigt sich mit
seinen Legionen zu beeilen,^) So haben alle drei mösLschen Legionen,
abgesehen von den Besatzungen der Lagei^plätze ,^ im Herbst des J. 69
ihre Provinz verlassen. I>ie persönlichen Interessen und der Ehrgeiz
der Einzelnen ging» wie so oft, auch die^ses Mal über die Interessen des
Staates. Die Teilnahme der mösischeu Legionen an den Kämpfen gegen
die Vitellianer im einzelnen zu verfolgen, liegt nicht im Rahmen luisei^er
Aufgabe.
Die Legionen III GalL und VUI Aug, sind nie wieder nach Moesia
gekommen; die eine kehrt** aus Italien nach ihrer alten Provinz Syria
zurück,**) die andere ist an den Rhein ver'setzt worden. Vou ihnen sind
in Moesia bis jetzt noch keine Spuren gefunden worden. Die leg. III
Galt kommt allerdings auf z^ei mösischeu GrabJ^teinen vor, aber diese
Grabsteine haben mit dem Aufenthalte der Legion in Moesia nichts zu
tun. Der eine*) stammt sicher erst aus di*m 4, Jahrb., als die leg, III
Gall. ihr Haupttjuartier in Dauaba bei Dama&ku.s hatte, ^<*) womit dann
auch das Christenemblem auf der Inschrift stimmen würde. Auch der
zweite, erst neuerdings in Viminacium gefundene Grabstein'*) stammt,
wie schau aus dem Beinamen der Legion zu erselien ist. erst aus dem
2) TacJt Hi$t, 11 85, Buet, Fetp. 6; vgl. Tacii. Ifwrt. II 60. 7i.
S) Tiicit. UiBt. n 79.
4) Tiicit. Hüft, IH 1— 3,
5) Vgl. TacU. /fi«/ I 79; U 85.
6) Tftcit. Hist. in 5.
7) DuB gfht mu Tueit. Üiät. HI 46 hervur,
8) T«cit. WM. IV 3^.
9) III 755 r p. ^3 t p* l^^ — AiÄiniun (Nicopol) — J^ | bonan memoriae | Awrt*
Hat Marcd\linae Otsc. pientijtsimae \ f hai^ns ifa liberorum^ fiUae | q(ucn)d\(nn) Maf'
ceUini ex praef. Ug. 111 \ Gallkae l^navm Dama^cOt I quat vtxit nim* L^ | TurrantH*
humum praeibttter cQniugt benae merita^ \ mcmmiam ef Hbi ^^vm) fifleiij,
10) Not, dign. or XXXII 31.
11) tkterr, Jahrtsh VIII (1905) BHbt. 6 n. l4=^Hev. artMol. 1005 tl p.48^D. 1^7
— ViaüfiEcittm — Valerine Hilttrae , M. Aurcl(iu8) IVmofi 7 | Us0. III Oali S(tiPenanat)
AlUxandrianac) c(m\iu{fi pii4simf '>lc poi(juit).
26 BogihtN Füow,
3. Jahrh. Diese zwei Grabsteine sind nur ein Zeugnis für den regen
Verkehr zwischen dem Orient und den Unterdonauländem.
Wichtiger ist eine Inschrift aus Viterbo (XI 3004 = Dess. 1002X
auf der die leg. VIII Aug. bis Aiigmta genannt wird. Wie v. Domas-
zewskiO gezeigt hat, muss die leg. VIII Aug. sich diese Auszeichnimg
während der Züge des Plautius Silvanus (vgl. S. 13) erworben haben.
§ 8. Die mösischen Legionen von der Schlacht
bei Cremona bis zur Teilung der Provinz«
Durch die Erhebung Vespasians zum Imperator wurden auch die
bis dahin an den Bürgerkriegen noch unbeteiligten Legionen des Ostens
in den Kampf hineingezogen, die Donauprovinzen waren fast vollständig
von ihrem militärischen Schutze entblösst. Obwohl in dfem Kriegsrate
zu Poetovio gewisse Massregeln zum Schutze dieser Provinzen getroffen
wurden,*) konnte das doch nicht verhindern, dass die Daker, die Ab-
wesenheit der Legionen benützend, einen Einfall in Moesia machten
und die schwach besetzten Winterlager der Auxiliartruppen eroberten.«)
Schon schickten sie sich an auch die Legionslager zu erstürmen, als
gerade der Statthalter von Syria Licinius Mucianus, der mit der leg. VI
Ferrata und IZQOQ veodllarii der anderen orientalischen Legionen*) nach
Italien marschierte, in Moesia ankam und die Eindringlinge wieder ftber
die Donau zurückwarf.^) Aber dass auch er seine Truppen nicht in
Moesia zurückliess, sondern mit sich nach Italien führte, sagt Josephns
hell, Jiid.VJ 1, 4: iiixä rfjg arpanäg ntauai^)
Sobald die Entscheidungsschlacht bei Cremona') geschlagen war,
sorgten die führenden Persönlichkeiten für die Wiederbesetzung der ver-
lassenen Provinzen, um so lieber, als sich dabei die Gelegenheit bot, die
besiegten germanischen Legionen aus Italien zu entfernen.®) Das waren,
abgesehen von den Abteilungen anderer, die vollen Legionen I Italica,
1) mein. Mus. XLVII (1892^ 212 f.
2) Vgl. Tacit. Hi9t. in 5.
3) Tacit. HiBt III 46.
4) Joseph, bell Jud. V 1, 6; Tacit. Eist. II 83,
5 Tacit. Eist. III 46.
6) In Moesia siud bis jetzt gar keiue Spuren gefunden, aus denen man auf eineo
längeren Aufenthalt dieser Truppen schliessen könnte. Die Inschrift aas Troeamis
III 6191: D(i8') m(anibu8) \ [Jüjliae Urbi\[cae f]iliae \ [G. Juli] Anto\n%n% 7 Ug. XII
Fulj G. Julius I Theseus Hber(tu8) \ Antonini op pi\etate (sie) faeere \ euravü gebort,
wie schon der Fundort zeigt, erst dem zweiten, vielleicht sogar dem dritten Jahr-
hundert an.
7) Vgl. über diese Schlacht Mommsen Hermes V (1871) 169—173.
8) Tacit. Eist. III 35.; 46.
lyw Lcyiofu'H dt'i' Provinz Mocsia.
27
\* Aluudae.M XXI Kapax und XXTI Pilmigenia.^ Die le-sr. XXI IU\k
wurde nach Viüdonissa icurückbeordert,^) die übrigen drei nach IllyriciiTn,
d. k Pannonia und Moesia, geschickt,*) Wie sie im einzelnen verteilt
waren, ist uns nicht überliefert. Die leg. I Ital. kam jedoch sicher nach
tfoesia;^) auch die leg, V Alaud. kann damals nur nach Moesia gekommen
seiJi (S. 3^^ ty Deshalb muss die leg. XXIT Primig. zunächst nach Pannonia
geschickt worden sein, von wo sie bald nach Germania superior zurück-
kehrte.**) Beuchel^ nimmt allerdings an, dass alle drei Legionen nach
Moesia geschickt worden seien, indem er sich auf den bald erfolgten
Einfall der Sarraaten im Anfang des J. 70 (S. 31 f.) beruft Aber als
die Schlacht bei Cremona im Oktober t>9*) gej^chlagen wurde, konnten
die römischen Heerführer diesen Einfall nicht wohl voraussehen, mn alle
verfügbaren Truptren nach Moesia abzusenden und Pannonia auch weiter
ohne Besatzung zu lassen. Ausserdem hätte Tacitns, wären tatsächlich
alle drei Legrionen nach Moesia geschickt wonlen* sie kaum als di^perme
bezeichnen können, Ks ist deshalb anzunehmen, dass zunächst nur die
beiden Legionen I Ital. und V Alaud. nach Moesia geschickt wurden. Sie
sind dort wahrscheinlich schon im November 60 angekommen, und zugleich
hat auch Fonteius Agripi>a, bis dahin Prokonsul von Asia. die Statt-
haltei'schaft von Moesia übernonimen. ^)
Die endgültige Verteilung der Legionen konnte erst nach der Ein-
nahme Roms durch die Vespasianer im Dezember 69 erfolgen. R^ ist
selbstverständlich, dass eine ganz neue Verteilung der Legionen vor-
1) Zur Schreibung vgl. Cicboriu« bt*i Pnuly-Wisftowjii 1 1295.
2) Tucit. fliät. n 100; vgl. II Ö9, 11122; l'fitiner 8. 62, Ritterling lJü$. m,
V. Df)inius«*w9ki ArcK-rpitfr. Mitt. XV 100, Weicbert Uestci ZHUehr. XXI 151, Bcucbel
S) Dm gebt au» Tacit. fM. IV 70 (vgl. tV 68] hervor. W^nti die leg, XXl
Hh\}, \on Vtndoiiiiiaa her noch vor den tu Italien Mch auflialteudeu Levrioueri nU emtr
gegen Civilis vorrückt (Taeit. HtMt. IV 70. »n kaim »ie toswbchen nicht nach lilyricurn
verlegt worden lein.
4) Tacit* n*i(1 IM 35; VHtar ktponr^ , ne mantntt adhuc eiviU beUo amhitfue
it^erent, per JU^tictm tiisperme, VgK 111 4ß. Zu lllvrieiiin geborte nach Tacitu«
Bist 176^ 11 86 iiucb DaUiiatia- Dn aber diei** letiten? keior (irenxprovin» war, §0
kann sie bei dleter Verteiluog der Legionen nicht in Betracht kommen.
5) Vgl. Beuche! rHss, 88 iq. 69.
6) Vgl aucli PfiUner 8 «2. 146,271, RittcrHuj? Ührm Mu^ LIX (1904j 61 f.
7) Diu, R6.
8) Mommsen Hnmrn V (1871 1 Ifil Bruchti i>i>if llfi 8<|.
^ Tacit llist. III 46 : FonttiHM Agrippa ex Amt {pro ronnttlr tarn provinciam
autiHO intperto tmucrai) Mamar praepusüwt e«i^ additis cöpiit r VittUiann exereitu,
d. h. den Legionen 1 Ital. und V Alaud. Wie aas dtettetn Kapitel des Tucitu» deutlich
hervorgeht f war die Schlacht bei Crt>niuna «ohon ge«chlagen, ala Mucianut ilie Dnker
Kurückwarf. Diese» Ereignis tlllt alM) in den Anfang Kövemben» 60. Bii» suni ^cblu»«»^
dieies Monat» wenien «iuch dio bet»iegtt!ti viteniatiischen l^gioneti in Moe«ia Htigekottimen
«ein. I)e«»halb wird FonieiUÄ Agrippa die Htaltlialtorscimft vmi Moeala »ehwerlieh vor
De«eiiil»er 61* iit»ernomfnr»ii habün.
28 Bogdan Filow,
genommen werden musste und dass nicht wieder dieselben Legionen in
die einzelnen Provinzen znrückyerlegt werden konnten, in denra sie
früher gestanden hatten. Um zn sehen, welche Legionen für Moesia
bestimmt wurden, denn nur zwei Legionen konnten dort auf die Dauer
nicht genügen, ist es notwendig, da sich dabei einige Schwierigkeiten
herausstellen, die Schicksale der nach Italien zusammengeströmten Legionen
etwas genauer zu verfolgen.
Nach dem Abzüge der vier vitellianischen Legionen I Ital, V Aland^
XXI Eap. und XXII Primig. (S. 27) blieben noch in Italien ^ abgesehen
von den Praetorianern und einzelnen Legionsabteilungen, die pannonischen
und mösischen Legionen : in Gall., Vn Galb., Vn Claud., Vm Aug. und
XIII Gem., welche die Schlacht bei Cremona mitgemacht hatten.^) Bald
kam auch die dalmatische leg. XI Claud. hinzu, ^) ebenso brachte Mudanus
seine syrische leg. VI Ferr. mit.*) Es befanden sich also in Italien die
Legionen: IH Gall., VI Ferr., VH Claud., VII Galb., VHI Aug.,
XI Claud. und Xni Gem., ausserdem die neuerrichtete n Adiutrix.*)
Nach der Ermordung des Vitellius und der Anerkennung Vespasians, als
das Ziel, für welches alle diese Truppen nach Italien gebracht waren,
erreicht war, mussten natürlich diese acht Legionen Italien wieder räumen.
Schon bald nach dem Eintreffen des Mucianus in Rom wurde die leg. YU
Galb. nach Pannonia versetzt, um dadurch die Hauptstütze des Antonius
Primus zu beseitigen,^) ebenso bekam die leg. HI Gall. den Befehl, sich
in ihre alte Provinz Syria zu begeben.«) Auch die leg. VI Ferr., welche
Tacitus nicht mehr erwähnt, ist wahrscheinlich zu derselben Zeit mit
den anderen syrischen vexillarn nach Syria zurückgekehrt^ In Italien
blieben also im Anfang des J. 70 die fünf Legionen: VH Claud., Vm Aug.,
XI Claud., Xm Gem. und H Adiutr.
Damals erklärte Civilis, der bisher seine wahren Absichten unter
dem Vorwand, die Sache Vespasians zu vertreten, verborgen hatte, den
Krieg gegen Rom.^) Für seine Bekämpfung wurden nicht nur die in
Italien versammelten Legionen sondern auch die aus Hispania und
1) Tacit. Eist. UI 21.
2) Taoit. Eist IH 50.
3) Tacit. Eist. II 88.
4) Die I Adiutr. wurde schon nach der Besiegung Othos von Vitellius nach
Hispania geschickt. Tacit. Eist. U 67, vgl. II 86; IIE 44.
5) Tacit. Eist. IV 39 : igitur MtunanuSf quia propdlam opprimi Antonius nequibat,
muUis in senatu laudibus cumulatum secretis promissis onerat, citeriorem Eispaniam
ostentans discessu Cluvii Ruft vactuim. Dein postquam inanem animum spe et cupidint
impleveratf vires abolet dimissa in hiberna legione septima, cuius flagrantissimus in
Antonium amor.
6) Tiicit. Eist. lY 89 : tertia legio, familiaris Arrio Varo miles, in Suriam remissa.
Sie war zuerst nach Capua geschickt (Eist. IV 8), und deshalb ist es sehr möglich,
dass sie zur See nach Syria zurückkehrte.
7) Vgl. auch Beuchel Diss. 51.
8) Tacit. Eist. TV 54,
Dir Leifionfif drr l*i'()tihi Afoemi,
29
Britaunia bp^tinirat. irerade hier fängt die Schwierigkeit an, denn die
Nummern der leffitmes iricMces^ die aas Italien gegen Civilis ges*_'-hickt
wurden, stehen zwar bei Tacitus Eist. IV 68, sind aber in den Hand-
schriften so entstellt, dass man mit die^r Stelle zunäcitst nicht viel
anfangen kann. Nur in einem Punkte sind die verschiedenen Heraus-
geber einig, nämlich dass sieh darunter die leg. VTII Aug, und XI Claud,
befanden,*) wie ja in der Tat diese zwei Legionen auch später In
Germania geblieben sind. Die Züge der mediceischen Handschrift aber
weisen bestimmt drei Zahlen auf: iiim jr; tmj, also noch eine der beiden
übrigen, VIT Claud. oder XIII Gem., war dabei mitgeraeint. Welche der
beiden aber, ist um so schwerer zu entscheiden, als lediglich eine zeit-
weilige VersetiEung nach Germania in Frage kommt* Denn bald darauf
finden wir die beiden in Betracht kommenden Legionen in iliren alten
Provinzen, die VII in Moesia, die XIII in Pannonia.
Die Stelle der mediceischen Handschrift will Pfltzner^) in VII Ol,
XI, VIII auflösen, während Mommsen») die Legionen VIII. XI, XUl
darin sieht. Wir wollen die beiden Lesarten näher betrachten, zumal
Mommsen seine Konjektur durch keine Gründe stützt, weshalb sie auch
keine Anerkennung gefunden hat.
Die Lesart Pfltzners erregt zunächst dadurch Bedenken, dass die
fBJltaigende Reihenfolge der Legionsnummern verletzt wird. Denn es
sdbefnt, dass bei Aufzählung einzelner Legionen im Altertum die auf-
steigende Reihenfolge wenigstens so konsequent durchgeführt wurde, wie
heutisutagc. Das ist nicht nur bei Tacitus selbst fast überall der Fall/)
sondern auch auf den Inschriften,*) Auch Cassius Dio LV 23 hat bei
1; Deihnlb briogcn mich die Auagabea nar diene «wel Legionea. Auch die leg*
U Adiutr. giüg uuch GermtLniB^ da sie aber nicht *ru d«n lefjinntia victrirfn gehcVrtc,
lAt iie bei TiiciIuä Hiät, IV 68 getrennt von dieftcni erwjümt.
2) A. a. O. 8. 6Ö f. Diem Lesari huben aut-h 8ehin<*r l 504. 5, Ritterling W&ttd,
Z4itschr. XII (18031 llOfI' und Beuchol IHän. 47 sq. vtirteidigt. Die älteren Lesarten
dieier Stelle dud aus vtTH'hiedeQeD CSründen untnügUeb; vgl. Ritterling a. a, 0.
8) Hermes XIX (1884) 440, 1; vgl »eine It G. V U5/l.
4} Bei Tacitus kommen im |,runzi«n 88 FUlle vor, wo bei Anfkäbluiig von xwet oder
mehreren Legionen die aufatoigende Reihenfolge beibehalten wird: Ann. 128.81.37
(S Mal). 89. 42. 45, 70; XIV H7; XV 6 (2 Mal). 7 26; HisL 1 18, 55 3 Mal). Sri; 11 IK
100 (2 Mal); HI 7. 10. 18. 14. 27. 29; IV 35. 80. 37; V L 14. Aii*nahmeD finden liob
nur an sechs Stellen ^ die ich wortlieh aniiihre: Ann. I 31: unetmcesimanti quintani»-
que; Ann. XV 26: sextam ac tertiam; Ilist. II 67: undeeuma ac itptma; Hi^L 11 inO;
unaetvicenfiima lUipax et prima Italien: Mist, ffl 44: decumam quoque ac i^tartnm;
IliMt. y 1 : duoeivicen»imano» teriiatwitquf. Zu beacbteti Ut jedoch^ da^s an alten »tecbs
Stellen nur je zwei Legionen emühut werden, während es in unserem Falle sich urn
drei Legionen handelt. — Natürlieh kommen «olche Fälle, wo die Aufzählung der
Legionen durch die Manseh- <ider Schi ach toninung bedingt ist, nicht in Betracht, sei
Am. I M. 64; Xlll 38. 40; Hut U 24. 43; m 2L 22.
b) Vgl t, B, III 13 813b (Üess. 2281), lU 290« (Des«, 2280)^ X5821>, XIV 8602
(Dcstt i>50) u. s, w. Ferner die Ziegel aus Mirebe^iu D»»8«. 2285, wo ftlnf Legionen naeh-
oinander zu IcÄen sind, und die Inschrift aus Baalbek, Sitz -Ber. der Btrlinrr Akad.
1903 S, 817 ^ Bev. arcMd. 1908 II p, 467 n. 868, in der acht Legionen in auftteigen-
30 Bogdan Filow,
der Aufzählung von Legionen an dieser Regel festgehalten. Nur wenn
eine Legion bei Tacitus einen Beinamen fährt, wird sie, wie auch
Ritterling 0 bemerkt hat, zuletzt aufgeführt, auch wenn sie eine kleinere
Nummer hat ^) und nicht zuerst, wie in der Konjektur Pfitzners. Gerade
an dieser Stelle eine doppelte Ausnahme von dem sonstigen Sprach-
gebrauch des Tacitus anzunehmen, scheint mir unzulässig.
Die Lesung Mommsens dagegen ist nicht nur aus diesen formalen
Gründen viel wahrscheinlicher, sondern stimmt auch allein mit der da-
maligen und sich bald darauf ergebenden Stellung der Legionen nberein.
Beide Legionen, Vn Glaud. und Xin Gem., mussten nach Beendigung
der Bürgerkriege von Italien entfernt werden, und es ist nur die Frage,
welche der beiden nach ihrer Provinz zurückkehren und welche gegen
Civilis gehen sollte. Nun haben wir gesehen, dass sich zu dieser Zeit in
Moesia nur zwei Legionen, I Ital. und V Aland., befanden (S. 27),
während sonst dort drei Legionen zu stehen pflegten. In Pannonia da-
gegen, wo seit Claudius nur zwei Legionen standen,*) befanden sich schon
die leg. XXn Primig.*) und die leg. VII Galb.*) Aus diesem Grunde
scheint mir, dass nicht die leg. VII Claud., sondern die XTU Gem. nach
Germania mitgenommen, die erstere dagegen, wie sich auch sonst nach-
weisen lässt,^) gleich in ihre Provinz Moesia zurückgekehrt ist
Dann ist es bekannt, dass die leg. XXII Primig. sowohl vor wie
nach den Bürgerkriegen in Germania stand.^ Wenn sie zeitweilig nach
Pannonia versetzt wurde, so geschah das nur mit der Absicht, ne manente
adhuc dvili hello ambigue agerent, wie Tacitus Hist HL 35 sagt. Dagegen
stand die leg. XIII Gem. wie vor, so auch nach den Bürg^kriegen in
Pannonia.^) Man sieht, dass diese zwei Legionen ihren Aufenthaltsort
zeitweilig vertauscht haben, und da die leg. XXII Primig. nach Pannonia
kam,*) so muss die leg. XIQ Gem. inzwischen nach Germania geschickt
worden sein. Erst nach Niederwerfung des Aufstandes kehrte sie wieder
nach Pannonia zurück und löste dort die leg. XXTT Primig. ab, die jetzt
nach Germania kam.^)
der Reihenfolge aufgezählt sind. Eine Ausnahme bietet der Ziegel III 8062 (Fundort
unbekannt): leg. XIII gem. leg. I ad.; doch bei einem Ziegel, wo selbst die Schrift
manchmal von rechts nach links geht, kann das nicht auffallen.
1) IVestd. Zeitadir. XII (1893) 112, 20.
2) Vgl. Tacit. Etat. II 85: octava erat ac sepHma Claudiana; Hist. II 86: tertia
decuma legio ac septima Galbiana; Hist, III 27: octava ac 8eptima Claudiana,
3) Vgl. S. 19, 6.
4) Vgl. S. 27.
5) Tacit. Hist. IV 39; vgl. S. 28.
6) Vgl. S. 31 f.
7) Vgl. Cagnat p. 1089, neuerdings auch Weichert U'estd. Zeitschr, XXI 119 ff.
8) Vgl. Cagnat p. 1086.
9) Die leg. XV Apoll., welche im J. 71 nach Pannonia zurückkehrte (Joseph.
beü. Jud. VII 5 , 3) löste dort nicht die leg. XXII Primig., sondern die VII Ghdb. ab,
welche seitdem als leg. VII Gem. in Hispania stationiert war.
/>//» I.rffioimt der Pravmi J/orwi.
81
Alis diesen Gründen lese ich mit Mommsen bei Tacitus HinK IV 1)8
legiones tndricm VIIL XI. XIJJ.^)
Dadurch fällt Licht auf eine zweite Stelle des Tacitiis, welche, wie
mx seheint, in unseren Au8g:aben unrichtig wiedergesehen ist, Hist V 14
zählt nämlich Tacitiis die kurz vor der Schlacht bei (*astra Vetera ein-
getroffenen Legionen auf, durch welche die Streitkräfte des (*erialis ver-
floppelt wurden. Die Handschriften bieten ^t/;, rtuj. Dass diese Zeichen
nur XUl und XIV bedeuten können, ist klar. Trotzdem haben alle
Editoren das xuij in VI geändert und zwar wegen V 16. Wir haben
aber eben gesehen, dass die Beteiligung der leg, XIII Oeni, an dem
Kriege gegen Civilis sehr wahrscheinlich ist. Ich ß:laube deshalb, dass
wir an deni überlieferten Zeichen xuj nichts zu ändern brauchen, sondern
dass einfach das Zeichen für die 'VI. Legion ausgefallen ists, so dass wir
in Hut V 14 zu lesen haben; dujdieath ropiis adventu secNt^hv et
^e^tae et tertiae dccimac et qiiariae d^nmae legionumf was auch zu
dem Ausdruck duplimÜH copiis besser stimmen würde. ^) Die beiden
besprochenen Stellen in den Hut. IV 68 und V 14 ergänzen und stützen
sich gegenseitig. Das» Tacitus Hht. V U» die leg. XIII Gem. nicht
wieder erwähnt, kann nicht auffallen: denn diese Legion hat keine be-
sondere Tat vollbracht, welche eine Hervorhebung verdient hätte, wie
das bei den drei übrigen Legionen TI Adiutr., VI Victr. und XIV Gem. der
F&U war. An dem Siege bei Cremona wai' die leg, XUI Gem. nur neben
den anderen beteiligt gewesen, ohne sich besonders ausgezeichnet zu
haben, und wenn irgend eine Legion ftir diesen Sieg sich ein besonderes
Verdienst zuschreiben wollte, so war die leg. 111 Gall. die einzige dazu
berechtigte,*)
Wenn demnach die Verwendung der leg, XIU Gem. gegen Civilis
als sicher betrachtet werdt^n kann, so lässt sich anderei-seits nachweisen,
dass die leg. VII Claud. in der Tat schon im Anfange des J. 70 nach
Moesia geschickt wurde. Josephus nämlich berichtet ausführlich über
einen Einfall der Sarmaten in Moesia, dessen nähere Zeitbestimmung für
1) Mun hnt bf^bAUptet, da«» die Konjrktiir Pßt«ncr» mit den Zügen der fliimi-
"chrift l>e«»er übfnniifiiimm<\ Ditrlibrr kat)» öur defjeoig<i urteilen, der die HiLudftcbrifl
«rlbftt gelben bat. Dum man über bt*i vxxivr io vertlorbi^uon Btellt* nicht srbr \i«*l
Crewicbl auf Ütift^i^re Ähnlich keit It'pfcn kann^ versteht »ich von »^lb«t.
2) C^riali» halft' damals fünf Legionen: I Germ., IV Maeed., XVI Oall, XXI Rap.
und XXH l'rtini^. V^dlzähMg war nur die 1«»^. XXI Kap. l>er Adlor mit dein fcr<^*»ttien
Teil dr*r leg, XXII Prioaig. befand «ich damaU, wie wir {^e»eben baben^ in Paunonia;
▼ou den itbrlgen dr^i waren t€x(Qatiomu nach Italla genchickt, welche die S<hlacht
liei Cremnn» mitg^einacbt halten. Vgl. aacb die Amgabe de* Tacitns von Baiter-Orclli
zu Hiii, V 14
Ä) Vgl, Tacit, Hut. 11 1 24 f, (oach der Antpmcbe de» Antonius Priinu» an die
Tnippen): undique rlamoTt tt aritnt^m iokm iüa in Suria mos etit-j tertiam ialutavüre,
Vagus inde an ammlio «iucti subdüus rumor ^ ndventäse Mucianum, exerdttu in mcrm
mtuttUBe. DaiMlbe eraihtt auch Dlo LXIV H. 3 Bobiaev. Ein Soldat df^r leg lll Gan.
ifl aach lueivt in Crtsiuoua eingedrungen; Tacit Riii* DI 29t
32 Bogdan Filow,
uns von grosser Bedeutung ist. Zunächst sagt Josephus selbst, dass er
zu derselben Zeit stattgefunden habe, als auch die Germanen abfielen.^)
Damit stimmt jene Nachricht bei Tadtus überein, die Aufständischen in
Germania seien dadurch ermutigt worden, dass sich das Gerächt verbreitet
hätte, die Sarmaten und Daker seien mit Erfolg in Pannonia und Moesia
eingedrungen.^) Wenn uns auch von Vorkommnissen in Pannonia zu
dieser Zeit nichts überliefert ist, so genügte doch schon der Einfall der
Sarmaten in Moesia, den wir aus Josephus kennen^ um das Entstehen der
Gerüchte verständlich zu machen. Dieser Einfall ist also spätestens im
Anfange des J. 70 erfolgt.
Wir haben gesehen, dass die Sarmaten auch im Winter 68 auf 69
in Moesia eingefallen waren, ^) ihre Reiter aber damals durch einen fftr
die Römer glücklichen Zufall beinahe vollständig angerieben wurden.
Es ist nur sehr begreiflich, dass die Sarmaten diese schwere Niederlage
nicht ungerächt lassen wollten und schon den nächsten Winter, als der
gefrorene Fluss und der Abzug der Legionen ihnen den Übergang
erleichterten, wieder einen Plünderungszug nach Moesia unternahmen.
Alle Umstände weisen also darauf hin, dass die Sarmaten diesen zweiten
Einfall, von dem Josephus und Tacitus sprechen, im Winter 69 auf 70,
wahrscheinlich im Januar *) des J. 70 unternommen haben.*) Dieses Mal
war das Glück zunächst auf ihrer Seite: die beiden Legionen, I Ital. und
V Aland., wurden geschlagen, der Statthalter selbst, Fonteius Agrippa,
fand in der Schlacht den Tod.«) Plündernd durchzogen jetzt die Sar-
maten das ganze Land, ohne auf Widerstand zu stossen. Als das in
Rom bekannt wui*de, übertrug man die Statthalterschaft von Moesia dem
Rnbrius Gallus mit dem Auftrage, die Sarmaten zurückzuwerfen.^ Es
1) Joseph, hell. Jud, VII 4, 3 : Tfj äh ytQOSiQrnUvtj Fsqiuxv&v iacoaxdan %axa xks
aircag iifiigag xal Sxv9'ixbv tdlurnta ngbs *Ponujclovg aw^dga^uv %xl,
2) Tacit. Hist. IV 54: Galli sustulerant anmos, eandem uhique exereüuum nosirih
rum fortunam rati, vulgtUo rumore a Sarmatts Dacisque Moesica ac Fanntmiea hibema
circumaederi.
8) Tacit. Eist. I 79; vgl. S. 24.
4) Vgl. S. 35, 1.
5) Da FoDteioB Agrippa (vgl. die folgende Anm.) die Statthalterschaft voo Moesia
wahrscheiDÜch erst im Dezember 69 angetreten hat (S. 27, 9), so können die Sarmaten
nicht vor dieser Zeit in Moesia eingefaUen sein.
6) Joseph, heil. Jud. YII 4, 3 : ol yocQ xaXov^voi Sxvd'&v Zag^cu (m. verstehen
sind die Roxolanen) , nolv niffi-og övreg , ädriloi fikv tbv "largov insgatMifieav slg r^f»
inirdde, noXX^ 6h ßla xal x^cltnol äu£ rb navtanaciv &viXnictov xf^g iq>6dov ngomtBC^-
rtg 9rol>loi;9 ^ikv t&v inl rr]g (pQOvgag 'PmiutUov icvaigovai., xal tbv ngiaßevtiiv tbw
^cni%bv ^ovx'qiov *Aygin7Cav vnavtidaccvtcc xagtegätg luc^diupov xxüvavci^ x^v d* into-
X6i.fi4vriv %&gav unactiv xaxhgsxov &yovrtg xal (pigovxsg oxm nsgmicouv.
7) Joseph, a. a. O. sagt eigentlich ObBöitaötavbg dk xä ysyevriiLivtt . . . ^v96iU9og
'Poi^ßgiov rdiXXov ixniitTCH dixriv ini^aovxa xolg Sccgiuxxcug, doch, wie aus dem vor-
hergehenden Kapitel bei Josephus zu ersehen ist, war Yeapasian damals in Alezandria,
XHp Legionen der Provitn Moma.
33
ist aber sehr begreiflich, das^ er »iiese Aufgabe mit deii beiden ge-
scblagenen Legionen nicht durchführen konnte, und da^s ei* frische Truppen
mitgebracht haben muss, zumal in Moesia noch immer nur /Avei Legionen
standen. Von den fünf daruals iu Italieu versammelten Legionen (S. 28)
kommen aber nur die leg. VII Ckud. und XIII Gem. in Betracht. Dann
kann es keinem Zweifel unterliegen, dass diejenige Legion mit Rubrius
Galltts nach Moesia ging, welche auch friilier dort get^tanden hatte, also
sowohl mit den Örtlichkeiteu selbst wie mit der Kriegsftihrung der
Harmaten vertraut war, und welche wir auch später in Moesia finden*
nämlich die leg. VII Olaud.»)
So standen seit dem Anfange des J, 70 in Moesia wieder dm Leo-ionen :
I Ital., V Aland, and VII Oand.
Man hat oft, auch in neuester Zeit, die Vermutung aui^gebprochen,
dass die leg, V Alaud. von Vespasian aufgelöst wonlen sei;') Diese
Vermutung ist aber unbegründet und sclion endgültig widerlegt*) Wie
jetzt allgemein angenommen wird, hat Vespasian nur vier Legionen auf-
gelöst: I (Genn.), IV Maced,» XV Primig. und XVI Galt*)
Zweifelhaft könnte nur sein^ ob die leg. V Alaud. nach der SchlacJit
bei Oemona in Pannonia oder in Moesia gestaudeu hat. Aber, wenn
man bedenkt, dass zu diesei- Zeit <lie an Pannonia grenzenden Völker-
schaften meist in einem Klicntelverhältnisse zu dem römischen Staate,
standen,^) dass in Pannonia sowohl vor wie nach den Bürgerkriegen nui'
und »o könnt« di«^ Nachricht kHwtn frUher eu Hnn gC'komnieu Bt<iii^ nU unch Rom.
Ebenso wenig wird man daran dcuki^n konnei«. dana Mueianu« in Htym vni die An*
ordouogeo Veapa»iaufi abg«wartcl hätlr, iiin die V^rbäUnii»»« iu Mocuta su ordnen.
Auiserdem wU»i*n wir au« Tant HiVf. II 99, daa« ItiibriUB Gullii» ficlb»t damaU in
Rom w»r. Deshalb iit dic^t^ Stelle den Josephus lo zu viTsU^hcn, das» Kubrin« <Tallus
nicht direkt vt*u Vu^pftflUn, »ondtirn von srincm Vrrtretrr in Korn, drr ja alles im
Namen dea neuen KaUcri vor unner Ankunft in Rom anordni'ti', alt StatthaUer nach
Moosia geM!hickt wurde.
1) £b int i«br mägUcb, daai auch die leg, VI Fcir. , falli iie damals noch in
Italien war (vgL 8, 28) und nicht dt'o Seeweg nach Sjria «^tngc<»ehJageu halte ^ mit
Rubriu« Galloa naeli Moe«ia marscbi«Tt i»t und von dort die Kciee nach Syria forijctxte.
2) Borghcai Otmre» IV 217, Schiller l 511.2, Mommaen Ephtm, tpigi\ V 214 und
H. G. V 145, 1, Udell p. 16*), 2, Sceck lilmn. Mus. XLVIII (1893) 608 f. und andere.
a) VgL besonders Trommjdorff Di$s. 70,
4) Vgl. Pütmer S. 69 f» Ritterling fHi». 66 »q^ v. Domaszewaki Arch^epitjr, MitL
XV 1892) 190, 40 und Jieli^ioH S. 24. — (rf^gcn Schilling Diän. 88 »qq., dem auch
JUnemann Düttt. 46 darin beiatimmt, da«» die log. XV Primig, noch weiter existiert
habe, vgl jetzt Tromtmdorff i>tl«», 64 sqq, Ka mag noch hiitEUgefögt werden, du« die
ViTaet»unm' der leg. XV l*rimig. nach dem Orient^ wodurch Schilling da« Fehlen ¥on
Spuren dieaer Legion erklärt, nicht als Strafe fUr die Beteiligting an dem galliacben
Aufstände aitgeachen wertteu kann. Vgl. Tacjt. liiM. II 80: nihil aeqtte provinciam
rjrercitumque accenää^ quam quod adserretahai Mucianws^ ttatnisse VtteUium, ut Oer-
maniea§ kgume^ in Sun'am od milHium opuienUxm quiHamquc tran$ferT€i, natürlich um
lae fUr aeine Erhebung «um Kai&t^r zu beleih neu.
6) Vgl. im atlgemeinen Mommaen R G. Y 195—197.
Fllnw Hirn l<<«|loaaii it^r Worina MomJ«. 8
34 Bogdan Filow,
zwei Legionen sich nachweisen lassen/) und dass eine Änderung der
dortigen Verhältnisse erst zur Zeit Domitians eintrat, so ist es mehr als
unwahrscheinlich, dass man nach den Bürgerkriegen gerade das pannonische
Heer durch eine dritte Legion, d. h. durch die V Alaud., verstärkt hat.
Andererseits kann die dritte Legion des mösischen Heeres zu dieser Zeit
keine andere sein, als gerade die leg. V Alaud.
Von dieser Legion sind bis jetzt noch gar keine Spuren aus der
flavischen Zeit gefunden worden, weder in Moesia noch in einer anderen
Provinz. Man könnte deshalb denken, dass sie bei dem eben geschilderten
Einfalle der Sarmaten im Winter 69 auf 70 vernichtet worden wäre.
Aber dagegen sprechen schwerwiegende Gründe. Zunächst, wenn damals
tatsächlich eine ganze Legion vernichtet worden wäre, soJiätte Josephus,
der diesen Einfall ausführlich schildert *) und über die römischen Legionen
überhaupt sehr gut unterrichtet ist,«) nicht von dieser Vernichtung
schweigen können. Dann aber ist nicht zu ersehen, welche andere
Legion, wenn nicht die V Alaud., unter Domitian von den Dakem ver-
nichtet worden sein soll.*) Schliesslich, wenn in Moesia noch keine Spuren
von dem Aufenthalte der leg. V Alaud. zu Tage getreten sind, so wird
man doch nicht einen voreiligen Schluss daraus ziehen dürfen; denn, wie
bekannt, sind überhaupt die römischen Altertümer in dieser Provinz noch
sehr wenig erforscht.
Es ist von grosser Wichtigkeit für das Verständnis der gleichzeitigen
und später erfolgten Veränderungen in dem Bestände des mösischen Heeres
sich alle diese Einfälle der nördlichen Barbaren in Moesia, mit denen wir
in diesem Paragraphen oft zu tun hatten, vor Augen zu halten. Die
Sarmaten waren schon im J. 57 unter der Statthalterschaft des Plautins
Silvanus mit den römischen Legionen in Berührung gekommen,*) sicher
nicht zum ersten Male, denn der Name der leg. IV Scythica weist deuüicfa
1) Id Pannonia Blanden bis auf Domitian folgende Legionen:
(9)— 20 n. Chr. leg. VH! Aug., IX Hisp., XV Apoll.
20-24 „ „ „ Vin Aug., XV Apoll.
24-48 „ „ VIII Aug., IX Hitp., XV ApoU.
43-46 „ ., „ VIII Aug., XV Apoll.
46-63 „ „ Xm Gem., XV Apoll.
63-68 „ „ „ X Gem., XIII Gem.
68-69 „ ., „ VII Galb., XIII Gem.
69 Spätherbst Durchmarsch der leg. VI Ferr.
69 November ., XXII Primig.
70 Anfang— 70 Herbst „ VU Galb., XXII Primig.
70 Herb8t-71 Herbst „ VII Galb., XIII Gem.
71 Herb8t-88 „ XIll Gem., XV Apoll.
Vgl. S. 18. 19, 6. 27 f. 30, 9.
2) Bell Jud. VII 4, 3.
3) Vgl. S. 22, 2.
4) Vgl. S. 37 ff.
5) XIV 3608 = Dess. 986 « S. 18.
/>i> Le^ponen der Provinz MoesUi.
35
darauf hin, dass^ die Römer silioii früher die Bekanntschaft mit «leu uönl-
lieb von der Donauin iindung wohnenden Völkerschaften gemacht haben.
Dann folgte, abgesehen von solchen Einfällen, über die uns nichts über-
liefert ist, und welche zweifellos, nach den anderen zu schliesseu, öfterti
stattgefunden haben, i) der Einfall der Roxolanen im Winter 68 aul 69
(8. 24), Noch ira Herbst 09 kamen auch die Daker ober die Donau, wurden
aber von Mucianus zurückgeworfen (S, 26)* Mit sichl echterem Ausgange ftir
die Römer und von grosserer Bedeutnng für die (iest^ltung der Dinge
in Moeda war der Einfall der Sarmaten im Winter 69 auf 70 (8, 31 f.).
Diese Zustünde konnfen nicht so bleiben; man dachte jetzt ernstlich «Inran,
die Provinz von solchen Übeln zu befreien. Der neue Statthalter Knbrius
Gallus hat die notigen Massregeln augeordnet Die Truppeji wTxrden
näher an den Flui^ herangeruckt, bei den wichtigen Übergangsstellen
sind wahrscheinlich Kastelle errichtet worden. Der Übergang des Flusses
mnsste den Barbaren unmöglich gemacht werden,*) Auch eine Verstärkung
des Heeres wird gerade für nötig gehalten worden sein, als im Herbst ^
71 die le^. V Maced. wiedy^ nach Moesia kam, nachdem sie von Titas
aus Älexandria zusammen mit derlei. XV Apoll., welche nacli Pannonia
marschierte, entlassen worden war>)
So stunden vom Herbst 71 an in Moesia die vier Legionen l It-aL,
V Alaud., V Maced. und VN riaud,^)
1) Diese EiiifJillc drr Sarmuten und Diiker müjaon zirmlicb oft etaltgofiinden
haben und »wiir Crnit immer im Winttr» s£wi«chrn l)f«rmb«T . und Fcbrimr (vgl v,
Pivraersteiti (iaierr, Jahregh. 1 B<*ibl. 169 f.) 7 <di di?r FJu»i zugefroren und leicht su
[»lUAiertfii wftr. Vgl. Floru« II 28: Dnci . . . quoiien» conaretus gelu Danuviuii iunxeral
ripti8, decurrefe soUbant et tncina popuUiri, Piiniu» Panegifr, 12: an audeani , qui
ieiant te adsedme ferod^^mü jt>o/>i^/tÄ io ip»o tentfutrt, quod amicummum ülü^ d%ffic%V
Umum nohui, cum Panultius rtpoji (jein »un<fit duratusq^te ffhicte ingentia tcrgo Mla
tramtportoti cum f'fnae tjtnU» wo» itlt^ fRogif qitmn ruo caeto^ mo wtdere armantur?
BeknnntUch bnhco die Daker und 8armAt<>ii (tioxolancn) aticb im Winter 101 auf
102f wHbrand des dukbcbco KrtegcA^ einen Einfan nach \loeiin unteraommeo ; vgl
Ctchoriui Die Traiamsäide 11 150 f.
2) Jü»t*jjh. heU. Jud. \'ll 4, S; to^o dh fp noX^im tAo^ im^tlg 6 atgirrfiyog (d. h,
Hubrius Oudu«) nal tfa t(i to ft^lkov tiOffaXtlag ^{fOworfOt^ nliioGi y^Q ^^^^ ihI^oci
rpi^Xwtaig tbv TQnfyv dt^^'kufitp, ci^ *t»*rtr rof^ ßuQpuQotg rijV ditlfiafftv rhliiag üdvvcttov.
S) Nach Boacbcl l^m. 43—45 im S«*ptemb«r i^der apSte^t^ni im Oktober de» J. 7L
4) Joftcph. htU. Jud. Vn 5, 8: TUog Ak . , f/x*F dg*AX*itivSpttav . . Svotv avtd»
fuyiiuTmv awr^nalov^inot^P inuttQöi^ Q4^tP ntQ itptnto rrcflir itnhtuXtv* fh l^^t' ti^v
b\ Man bat früher iing«!nommt!n, dasM auch die von »apasfan errichtete leg, IV
Flav. f weicbr* ipäter zu der Bc^tzung von Moeiia «upcrior gehörte, icbon jet£t nach
Moeidn gekommen wäre. Aber die verschiedeaen jUogBt in Daimatia gefundenen Ziegel
dieser Legion ,\U 15110) und betauder« der Orabsteio eine« aquiUfer IIl 14995 —
Bunium — P, t\irjiidt\o P, f, Gal ( Calvo Lugd{uno) | aquiUfevo \ leg. IUI F. f.,
ii«n(M) ] XLI fftip. XUX, I h{ie) f(i(iai «(«*)) beweiaen, da« die Irg. IV Flav. suemi
in Daimatia stationiert wnr. Vgl. l^attch lirm. Mtttrtl IX 18^ 2^3 C und limemch,
MttUä. awt Bo^ntcn Vli 1900, 79 C, Beucbel !>»««. 52 tq,, Ritterling ötierr. Jakruh.
VU (1904) Belbh m,
3*
36 Bogdan Filow,
Die von Rubrius Gallus getroffenen Schutzeinrichtungen scheinen
ihren Zweck tatsächlich erfüllt zu haben. Wenigstens werden uns aus
der nächstfolgenden Zeit keine Einfälle der Barbaren in Moesia berichtet.
Es scheint, dass auch in diesem Lande unter der kräftigen und energischen
Regierung Vespasians eine Zeit der Ruhe eintrat. Erst unter Domitian
haben sich hier Ereignisse abgespielt, welche zu dauernden Umwandlungen
der Verhältnisse an der unteren Donau geführt haben.
§ 4. Die Donaukriege Domitians.
Die Überlieferung der Donaukriege Domitians ist sehr lückenhaft
und ungenügend. Auch über ihren militärischen Erfolg oder Misserfolg
lassen sich meistens nur Vermutungen aufstellen. Es empfiehlt sich
deshalb zunächst festzustellen, was in dieser Hinsicht als sicher zu be-
trachten ist.*)
Dass diese Kriege sehr verlustreich i^aren, darin stimmen alle
Quellen überein,^) und Sueton erwähnt die Vernichtung einer Legion aus-
drücklich, ä) Ritterling und Schilling haben sogar die Vernichtung von
zwei Legionen unter Domitian angenommen : der leg. V Alaud. im Kriege
1) Über die Donaukriege Domitians vgl. Mommsen Hermes III (1869) 115 ff. und
E. G. V 200 f., Schiller I 528 ff., besonders die gründliche Arbeit von GseU Essai sur
le regne de Vempereuv Domitien p. 202—231 , wo auch die übrige Literatur angefUhrt
ist. Von neueren Arbeiten: Brandis unter Dada und Decebalus bei Paulj-Winowa
IV 1966 und 2248, Mommsen Sitz.-Ber. der Berl Akad. 1903, 823 f., Ritterling Österr.
Jahresh. VII (1904) Beibl. 23 ff., Patsch ebda. 70 f. und Cich'orius Die Denkmäler
S. 19 — 42. Einzelnes bieten auch die Anmerkungen Boissevains in seiner Ausgabe des
Cassius Dio Buch LXVII. — Der Ansicht Ritterlings a. a. 0., dass Domitian nur einen
Krieg gegen die Daker geführt habe, kann ich nicht beistimmen. Dass es zwei Kriege
gewesen sind, hat Gseil a. a. 0. gezeigt (vgl. auch Brandis a. a. 0.), und diese An-
nahme findet ihre Bestätigung sowohl in dem ausdrücklichen Zeugnisse Suetons Dom, 6
wie in der Inschrift aus Karthago VIII 1026 = Dess. 2127: Q, Vilanius Q, f, Vol Nepos
Phüippis 7 coh. XIII urh,, donis donatus a Domüiano oh bellum DadcuMy üem ab
eodem ob beüum Germanicumj item torquib. armiüis ob bellum Dacicum. Die Erklärung
dieser Inschrift, dass es sich nicht um zwei Dakerkriege handle, sondern dass der
Betreffende die Dekorationen vom dakischen Kriege zweimal erwähne, scheint mir
nicht annehmbar. Dass Vilanius Nepos unter demselben Kaiser in zwei dakischen und
einem germanischen Kriege dekoriert worden war, ist durchaus nicht auffällig. So
war ein anderer Centurio in den beiden dakischen und dem parthischen Kriege Traians
dekoriert worden (II 4461 = Dess. 2661 = S. 55 n. 11).
2) Tacit. Agr. 41 : tot exercitus in Moesia Daciaque . . . et Pannonia temeritate
aut per ignaviam ducum amissi. Eutrop. VII 23, 4 : a Dacis Oppius Sabinus eonsularis
et Cornelius Fuscus praefectus praetorio cum magnis exercitibus occisi sunt. Orosins
VII 10, 4: Domitiantis ... de extinctis legionibus triumphavit.
3) Suet. Ikrni, 6: legione cum legato simul caesa; vgl. Eutrop. VII 28,4: in Sar-
matia legio cum duce interfecta est
Die Legionen der Provinz Moesia. 37
gegen die Daker und der leg. XXT Rap. im Kriege gegen die Sarmaten.«)
Aber diese Annahme, obwohl sie richtig sein kann, findet in unserer
Überlieferung keine direkte Bestätigung; denn die Worte des Orösius
Vn 10, 4: de extinctis legionibim triiimphavif können bloss eine rhetorische
Wendung sein.')
Die Entscheidung über diesen Punkt hängt von der Feststellung ab,
wie viele und welche Legionen Traian von seinem Vorgänger übernommen
hat. Der Beantwortung dieser Frage ist ein grosser Teil der Dissertation
Trommsdorffs gewidmet, aber die Ergebnisse, zu denen er gekommen ist,
sind sehr zweifelhaft, weil das Verschwinden der leg. XXI Rap. erst
unter Traian oder Hadrian sich doch nicht erklären lässt.*) So viel ich
sehe, ist bei der heutigen Kenntnis der Geschichte der römischen Legionen
diese Frage nicht mit Bestimmtheit zu beantworten.
Nur so viel ist sicher, dass die leg. \ Alaud., von der bis jetzt gar
keine Spuren aus der Flavierzeit gefunden worden sind, spätestens in
den Kriegen Domitians ihr Ende gefunden hat, wie das auch von allen
Seiten zugestanden wird. Es kann entweder bei der Niederlage des
(^omelius Fuscus im J. 86 in Dacia oder in dem Kriege gegen die
Sarmaten im J. 92 geschehen sein.*) Wir wollen diese beiden Kriege
und die Truppen, welche sich daran beteiligt haben, näher betrachten.
Der erste Dakerkrieg Domitians begann mit dem Einfall der Daker
in Moesia, wahrscheinlich schon im Winter 85 auf 86.*). Die mösischen
Legionen wurden geschlagen, der Statthalter der Provinz Oppius Sabinus
fand dabei den Tod.") Auf die Nachricht davon kam sofort Domitian
selbst nach Moesia,') überliess aber die P'ührung des Krieges dem Prae-
1) Ritterling n'egtd. Zeitschr. XII (1898^ 822 fr., SchiUing Di$s. 20 9q({, Die^lbe
Ansicht vertreten anch Jünemann Diss. 44 8q<i. und Gündel Z>*M. 89.
2) Vgl. aach Trominsdorff Diss. 81.
8;^ Über die leg. TT Traiana vgl. jetzt auch Ritterling Rhein. Mus. LVIII (1908)
476—480, welcher annimmt, das« diese I^gion schon zur Zeit der Dakerkriege Traians
errichtet worden sei. Freilich ist das nar eine Vormatnng, die schwerlich Zustimmung
finden wird. Vgl. unten S. 66, 8.
4) Die Vernichtung der Tx^gion wird gesetzt in den Krieg gegen die T)aker
von Ritteriing Uestd, Zeitschr. XU (1898) 284 und (isterr. Jahresh. VTI (1904) Beibl.
86 f., Schilling Diss. 20 «iq., in den Krieg gegen die Sarmaten von Pfitzner S. 76.
134. 157. 287., Trommsdorff Diss. 79 ff. Vgl. auch Grotefend Paulys Eecdeneykl. IV
(1846^ 871, V. Domaszewski Beligian S. 24, 108. Auf beiden Seiten handelt es sich nur
um Vermutungen. Die Zeit ist verschieden angegeben worden, weil auch die beiden
in Betracht kommenden Ereignisse früher chronologisch nicht genau fixiert waren. —
Wenn eine Legion in dem Kriege gegen die Quaden und Markomanen im J. 89 ver-
nichtet worden war, so kann sie keine mÖsische sein, weil diese damals gleichzeitig
siegreich gegen die Daker kftmpften. Vgl. (tsell p. 216—222.
5) Gsell p 209.
6) Suet. DofH. 6, Eutrop. VII 28, 4, Jordan. Oet. Xlll 76.
7} Dio LXVn 6, 8 (Boissev.^ zum .1. 86: 6 Jofiittavbg fi^v h n6Ui tirl
Mvaiug imoiuivieg vf^Qi^tv.
38 Bogdan Filow,
fectus praetorio Coraelius Fuscus.^) Diesem gelang es die Feinde aus
Moesia zu vertreiben und er folgte ihnen über die Donau nach.*) Die
Daker zogen sich zunächst zurück, um die Römer weiter in das unbekannte
Land eindringen zu lassen. Als schliesslich die Schlacht geliefert wurde,
erlitten die Römer eine schwere Niederlage und auch der zweite römische
Feldherr blieb vor dem Feind. ^)
Wie gross die Verluste der Römer dabei gewesen sind, lässt sich
aus der Situation, unter der die Schlacht stattgefunden hat,*) und ans
den uns erhaltenen Nachrichten schliessen. Nach Oix)sius hat Tacitus aus
Patriotismus ihre Höhe nicht angeben wollen/) und auch Eutrop. VII 23, 4
berichtet: a Dacis Oppius Sdbinvs consvlaris et Cornelius Ftiscus ....
cum magnis exerdtibris occisi sunt Es war dies die schwerste Nieder-
lage der Römer seit der Varusschlacht. Wie damals gegen die Germanen,
so war es auch jetzt nicht möglich die Offensive gegen die Daker sofort
ohne grössere Vorbereitungen wieder aufzunehmen. Wenn schon aus
diesen Umständen auf die Vernichtung einer Legion geschlossen werden
kann, so kommt noch eine Nachricht hinzu, welche diese Vermutung
bestätigt. Cassius Dio berichtet, dass Traian nach dem Siege bei Tapae
im J. 101 bei der I<>oberung der dakischen Festungen unter den anderen
Sachen auch das Feldzeichen, welches die Daker bei der Niederlage des
Cornelius Fuscus gewonnen haben, vorgefunden hat.®) Dass Dio in diesem
Falle mit dem Singular und dem bestimmten Artikel rd atifieloy einen
Adler meint, hätte nicht bestritten werden sollen.') Allerdings scheint
1) Suet. Dom. 6. ^
2) GfteH p. 214.
3) Suet. Dom. 6, Eutr. VII 23, 4, Jordan. Get XIII 78.
4) Nach Gsell ]). 214 fand die Schlacht in den Gebirgen zwischen Tapae und
Sarmizegethusa statt, nach Brandis (Pauly-Wissowa IV 1966) in der Gregend des Roten-
turmpasses, was viel wahrscheinlicher ist. — Cichorius Die Denkmäler S. 19 fF. be-
zieht sehr scharfsinnig den Grabaltar von Adamklissi (III 14214) auf diese Nieder-
lage des Cornelius Fuscus. Nach ihm wurde der letztere zweimal geschlagen: erst in
Dacia selbst und dann entscheidend in der Gegend von Adamklissi, wobei angeblich
8800 Soldaten, eine ungeheure Zahl für die damaligen Verhältnisse, gefaUen sein sollen.
Doch vgl. gegen diese Auffassung v. Domaszewski Rhein. Mus. LX (1905) 158 £,
5) Orosius VII 10, 4 : quanta fuerint Diurpanei Dacorum regia cum Fusco duce
proelia quantaeque Romanorum cladeSj longo textu evolverem, nisi Comeiius Tacüus^
qui hanc historiam diligentissime contexuü, de reticendo interfectorum numero et Sal-
lustium Crtspum et alios auctores quam plurimos sanxisse et se ipsum idem poÜssimMm
elegisse dixisset.
6) Dio LXVIIl 9, 3: 6 dh Tgaucvos ögri ts ivttTtixKfitivcc ^aßs xal iv ainolg %a
rt onXa tu tt iirixavtiiiata va alxfLccXata ro rt arnttiov rö i^l roO ^otytfxor
uXbv svQS.
7) In derselben Bedeutung wird dieses Wort auch bei Arrian gebraucht; vgl.
hxta^i^ xccT \iXav&v § 5 f.: iWecra ro armttov tf/g nsvttxaidBxcctris fpcclayyog, xai A^fp'
cci>Tä) d i)yt^ü)v ti)^ (fdXuyyog Ovaliig xal 6 vnagxog xal ol xdlagxoi .... 'Eni dk t^
TtsvTfxaLdixdrr] (pdXccyyi TfTajr-O'a) t6 ßriiitlop Tf}g StoSfxdrrig cpaXayyog xal xtXutQX^^ ^/*v'
aixo) xal bxccrovTaQxoi. Vgl. auch Ritterling U'estd. Zeitschr. XII ^33, Schilling Divf.
20 sq., v. Domaszewski Religion S. 24, 103, Mommsen Sitz.-Ber. der Berl Akad, 1908,
I}ie Legionen der i\ovmz Moeüa, :j9
der Verlust des Adlers nicht immer die Auflösung der betreffenden
Legion zur Folge gehabt zu haben. ^) Gewiss sind aber die Verluste an
Mannschaften entscheidend gewesen, und gerade diese müssen bei der
Niederlage des Cornelius Fuscus sehr gross gewesen sein. Hat dabei eine
Legion auch den Adler verloren, so wird man bei der Bedeutung eines
solchen Verlustes^) kaum annehmen dürfen, dass die betreffende Legion
noch weiter bestanden hat. Das sind die Gründe, welche für die Ver-
nichtung einer Legion bei der Niederlage des Ck)melius Fuscus im J. 86
geltend gemacht werden können.
Die Truppen, welche dabei beteiligt waren, lassen sich noch bestimmen.
Zunächst waren es zweifellos die mösischen Legionen I Ital., V Alaud.,
V Maced. und VII Claud.«) Sicher ist auch die leg. IV Flav., welche wir
bald nachher in Moesia superior finden/) aus Dalmatia herangezogen worden.
Schwieriger ist zu sagen, ob und welche Legionen von entfernteren
Provinzen für den Krieg aufgeboten worden sind. Ein Centurio der
leg. II Adiutrix hat sich in dem Dakerkriege Domitians die dona militarm
erworben.*) Diese Legion stand noch unter Domitian in Britannia,«) sie
hat sich aber auch an dem suebisch-sarmatischen Kriege dieses Kaisers
beteiligt,^ und bald darauf finden wir sie in Pannonia inferior.^) Sie
ist also schon zu den Dakerkriegen Domitians an die Donau verlegt
worden.«) Doch kann das nicht schon im J. 86 geschehen sein; denn
824, Cichorius Die Denkmäler S. 83. 41. - Was TrommsdorfF Diss. 72 »qq. gegen diese
AoffassoDg des Wortes öriiutov bei Dio vorgebracht hat, ist nicht beweiskräftig. Überall
bei Dio, wo er Signa beseichnen will, steht örnista im Plural (die Stellen sind von
Trommsdorff a. a. O. zusammengestellt). Die Anwendung des Singulars in diesem einzigen
Falle zeigt deutlich, dass er hier etwas anderes meint. Nach Trommsdorff steht hier
der Singular abweichend von den anderen Stellen deshalb, weil der Leser schon aus
dem vorhergehenden, uns verlorenen Kapitel wisse, was für ein arnulov gemeint sei.
Aber man kann mit demselben Rechte behaupten, gerade aus diesem Grunde wendet
Dio in unserem Falle nicht das bei ihm fUr Adler Übliche &trbs an, sondern arnulov.
1) Vgl. Trommsdorff Diss. 78.
2) Vgl. V. Domaszewski Ecligion S. 19.
ii) Für die inschriftlichen Belege vgl. S. 47 und 53 ff.
4) Vgl. S. 46.
T)) lll 10224 — Sirmium — T. Cominius | 2\ f. Volt. 6eve,ru8 Vienna 7 1 leg. II
Ädiutric., \ donis donat. ; ab imp. Caesare ', Aug. hello Dacieo \ tor^ibus armiüis \ phaleris
Corona vdl\larif vixit ann. XXXXV. \ T. Caesernius Macedo \proc. Aug. her. ex lest-
(amento) p{08uit). Vgl. die Anmerkung zu der Inschrift auf S. 48 n. 8.
6) Hühner CIL. Vll p. 5, GUudel Diss. 85 sqq., Cagnat p. 1077.
7) X 185 (Dess. 2719) — Potentia — S[atrio Q. f. Hör. Sep[. . . | . . .]to UU
vir. vianim cur\an\da]rumf trihuno militum l[eg. | 8ec]undae Adiutricis p. f., donis [miilfj-
taribtis hello Suehico ii[em \ Sar]matico Corona murali coro[na | va^üari hastis puris duo-
dus (sie) vea:[ill. | afjgenteis duobus, optioni tribun[or. | le]gionum quinq., quaest. pro
[pr. I pr]oüinciae Cretae et Cpren\ar., | tr]ih. plehis^ praetori, | [pa]trono municip[ii | ex]
testamento fili eiuSf \ [l(pcus)] d(atus) d{ecreto) d(ecurionum).
8) Vgl. S. 40 f.
9) Mommsen B. G. V 168. 173, Hübner Hermes XVI (1881) 540, (iündel Diss, 41,
Cagnat p. 1077, Ritterling Österr. Jahresh. VII (1904) Beibl. 25.
40 Boydan Filow,
nach der Niederlage des Oppias Sabinus handelte es sich um ein schnelles
Eingreifen, und so konnten damals nur die Legionen der näher liegenden
Provinzen in Betracht kommen. Die leg. 11 Ad. wird also erst im J. 88/89
an die Donau gekommen sein, da für den zweiten dakischen Krieg grössere
Vorbereitungen vorauszusetzen sind. Auch die pannonischen Legionen
können für den ersten Krieg nur teilweise herangezogen worden sein,
weil in Pannonia zu dieser Zeit nur zwei Legionen standen.^) Ob dagegen
eine obergermanische Legion an dem Kriege teilgenommen hat, ist nicht
zu entscheiden. Wir besitzen wenigstens keine Andeutung dafür.*) So
hat Cornelius Fuscus fünf, höchstens sechs Legionen über die Donaa
geführt: die vier mösischen I Ital, V Aland., V Maced., V'II Claud., die
dalmatische IV Flav. und vielleicht noch eine obergermanische oder Teile
der pannonischen Legionen.^ Ausserdem, da Domitian selbst in Moesia
war und der Feldherr die Stelle des Praefectus praetorio bekleidete,
waren wahrscheinlich auch die Prätorianer beteiligt.*)
Bevor wir auch den suebisch-sarmatischen Krieg im J. 92 in ähnlicher
Weise betrachten, ist es notwendig festzustellen, wo die leg. 11 Ad. zu
dieser Zeit gestanden hat. In der zweiten Hälfte des zweiten Jahrb.,
1) Das waren die leg. XIII Gem. und XV Apoll.; vgl. CIL. HI p. 482.
2) Die Beteiligung der leg. I Ad. behauptet Ritterling Diss. 75, Westd, ZeiUchr,
XII 118 f. und Öaterr. Jahresh. VIT Beibl. 27, 5; doch es fehlt ein gentigender Beweis
dafür. Es ist überhaupt sehr fraglich, ob die leg. I Ad. in den ersten RegieruDg»-
jahren Domitians in Germania oder in Hispania stand. Gegen Ritterling a. a. 0 vgl.
JUnemann Diss. 35—65. Sicher ist, dass diese Legion unter Yespasiau sich in Mognn-
tiacum aufgehalten haV (v. Domaszewski CIL. XIII p. 303), aber möglich ist, wie
Mpmmsen Hermes III 119 ff., R, G. V 59, 1 und Gsell p. 179. 195 annehmen, dass sie
wieder nach Hispania zurückkehrte und erst im J. 89 wegen des Aufiitandes des
Antonius Satuminus endgültig nach Germania superior kam. Vgl. Plin. Paneg. 14:
cum leg ton es duceres. Haben wir es hier tatsächlich mit einem wirklichen Plaral
zu tun, so müssen damals in Hispania zwei liCgionen gestanden haben: I Ad. und
VII Gem.
3) Nach Ritterling Österr. Jahresh. VII Beibl. 86 waren folgende sechs Legionen
beteiligt: T Ad., I Ital., II Ad., V Alaud., V Maced. und VII Claud. Doch dass die
leg. II Ad. schon damals aus Britannia herangezogen war und die leg. IV Flav. ruhig
in ihrer längst befriedeten Provinz blieb, ist sehr unwahrscheinlich. Über die leg.
I Ad. vgl. die vorhergehende Anmerkung.
4) Auf die Beteiligung der Prätorianer au diesem Kriege will Gsell p. 212 eine
stadtrömische Inschrift beziehen: VI 2725 (Dess. 2034) — C. Vedennius C. f. | Qui,
Moderaius Äntio, \ milit. in leg. X VI Gal. a, X, | tranlat (sie) in coh. IX pr,^ \ in qua
milit. ann. VIII, \ missiis honesta mission.y \ revoc. ab imp.j fact. evoc. Aug., \ areiteei.
armament. imp., \ evoc. ann, XXIII, | donis militarib. donat. \ bis, ab divo Vesp. et
imp. Doniitiano Äug. Germ. \ Da aber die leg. XVI GhH. von Vespasian aufgelöst
worden war, so kann sich Vodennius Moderatus an dem dakischen Kriege Domitians
nur als evocatus beteiligt haben. Die evocati hatten ihren Platz im Marschlager neben
den Praetorianem (Hygin. de mun. castr. ed. Domasz. eup. 6), sie bildeten aber eine
besondere Truppe (Marquardt II* 388 f.), so dass die hier angeführte Inschrift die Be-
teiligung der Praetorianer an den Kriegen Domitians nicht bestätigen kann. Evocaii
haben sich auch an den dakischen Kriegen Trainns beteiligt; vgl. III 6359 — p. 1491
Dess. 2665).
wahrscheinlich seit dem J. 120, stand sie in Aquincum»') aber nach
Ptolemaeiis n 15, :^ garnisomerte die einzige Lei^ion von Pannonia inferior
in Acuminciim. Da diese Leofion nur die leg, TT AtL sein kann, so inuss
sie unter Traian* bevor sie nach Aquincnni kam, in Aciiinincum gestanden
haben.*) Es frag"! sich nur, ob die le§r. II Ad. gleich nach Beendlgimg
des zweiten Dakerkrieges Doniitians im J. 89, für den sie aus Britannia
an die Donau kam (S. 39), in Acumincum stationiert T\Tirde, oder ob sie
sfunäcbst in Moesia geblieben war.*) Gegen einen Aufenthalt in Sloesia
spricht aber vor allem der Umstand , dass in dieser Pmvinz bis jetzt
nicht eine einzige Inschrift der leg. IT Ad. gefunden worden ist. Auch
ist eine Verstärkung der musischen Legionen durch die le^. II Ad. nach
den Erfolgen gegen die Daker inj J. 89 an sicli wenig wahrscheinlirli.
Dagegen wird die Aufstellung der I.#egion in Acumincum schon unter
Domitian um so be^eiflicher , wenn man an die grosse strategische
Bedeutung dieses Ortes denkt,*) Von hiei* konnte die Legion gleich
schnell sowohl gegen die Sannaten. väid ge^en die Daker vorgehen. Erst
unter Traian oder Hadriaiu als Acumincttm seine militäiische Bedeutung
durch die Eroberung Dakiens verloren hatte, wird die L^on nach
Aquincum vorgeschoben worden sein. Jedenfalls ist ihr Aufenthalt unter
Domitian in Pannonia indirekt durch den auf S. 3*.», 7 angefü lutea cumw
hanoruw aus Potentia (X 135 ^ Dess. 27 U>) gesichert. Der Unbekannte
war trihmm militum der leg. U .\d. und als solclier in dem suebisch-
samiatischen Kriege dekoriert, dann ojäw trihnnontm Irgiomim quinqtie,
welches Amt er demnach uuj das J. 02 bekleidet haben muss.^) Die
fönf Legionen müssen also damals in einer Pn»vinz vereinigt gewesen
1) CIL in p. Al^.AB'J, Gilodel IMss 47, Cagoat |i. ii>77.
2) Vgl. Momm»en CIL. lll p, 482, Ü. O V 207. 208, v. Domasiewiki lihein,
Mwi. XLVT (1891)003 f. qikI m Hl 10224 — Die Ansicht Gmidelt Dm, 41 »cpi., dait
bei PUflciüäeuü H 15, 3 die Legion irrtümlicb ku Acumiucum iluU zu A(|uiticuni bei-
gesi'b rieben sei, »cbcirit mir ganz unlrnttbür Ks ttt iif»r riebt ig, das« Ptolomaeus in
vielen Funkten die St<*Unng der Legionen so, wie «ift erst unter Htidrian und Aatoniottt
Pitw WUT, fuigegebfn biit ^i'^gL Gümlel IHj». 49 *«i4 ^ ßeucbel />*>^, 71}^ und d»tnjiU
muM die leg, II Ad. in Aquincuin gestunden buhen. Aber iindererieitfl bt aucb bt**
kiinnl, daat die Qncneu des Plolemaeo« Ytelf«eh auf die Zeit Traiana lu rückgeben,
und diLKS er ^ie nur im etnzeiueu ergänzt und berichtigt bat (vgl. Ritterling //üf. 50,
Y. Lk)miuzewiki Rhein. Mua. XLVl 605 und CJL. IJl p :2191, Piek hin Münien a 67, 1,
Beucbel IHüH. 71). Wenn iitso nacb ihm die Legiun in Acumincum »tand, »o folgt nur
dar AUS, dast er gerade für die Stellung der pannouLscben Legifinen eine ijueHe aut»
der Zeit Traians l>enUt<i bnt. Dasselbe bestätigt auch seine Angabe II 14, 3, du«» die
leg. XIV Gem. In ud Flexum gestanden Imt, wa« ebenso nur ftir die Zeit Traians
p«iat, Mun wird Hchwerlicb in diejien beiden Fjülen Versebrei bangen annehmen dürfen^
suin:il auf einen Aufentbiilt drr leg. XIV G«*m, in iid Flexum aucK einige Iiiaebriften
binweijien. Vgl. v, Donryaszewski lUUginn S. 28 und CIL. III p. 2101
a Das letJEtere behaupten Pfitxner 8. 74. 138. 225, Gundel Dim, 41 sfp|., Beuchet
!Hm. 62, 58,
4) Vgl. V. Dumasaewski Sthein. Mub, XLVl (1891; 608 f
5) V^. über dieses Amt Momiusen zu X 135 und bei Des^uu xu 27 U> adn. 2.
42 Boydan Filow,
sein und diese Provinz kann nur Pannonia sein.^) Die Legionen selbst
aber sind entweder I Ad., 11 Adiutr., XIII Gem., XIV Gem. und XV ApolL
(so Ritterling Österr. Jahresh. VII Beibl. 37) oder, da die Vemichtang
der leg. XXI Rap. unter Domitian sehr fraglich und der Aufenthalt der
leg. I Ad. zu dieser Zeit in Pannonia nur eine Vermutung ist,*) die
Legionen n Adiutr., Xni Gem., XIV Gem., XV Apoll, und XXI Rap.
Von einem Aufenthalte der leg. 11 Ad. in Moesia kann deshalb nicht
die Rede sein.*)
Der Krieg gegen die Sueben und Sarmaten im J. 92 ist, wie es sich
aus der geographischen Lage der genannten Völker ergibt, von Pannonia
aus geführt worden. Wie gegen die Daker die musischen, so waren es
jetzt die pannonischen Legionen, welche den Kern des Heeres bildeten.
Zu den beiden pannonischen Legionen, Xni Gem. und XV Apoll., kam
im J. 88/89 noch die leg. 11 Ad. hinzu. Auch die beiden Mainz^ Leo-
nen, XIV Gem. und XXI Rap., welche an der Erhebung des Antonios
Satuminus im J. 89 teilgenommen haben, sind wahrscheinlich gleich darauf
nach Pannonia versetzt worden,*) so dass bei Ausbruch des Krieges in
Pannonia fünf Legionen gestanden haben. Inschriftliche Zeugnisse für
die Beteiligung an dem Kriege besitzen wir nur für die leg. 11 Ad.*)
Es bleibt festzustellen, ob und in welchem Umfange sich die mösischen
Legionen an diesem Kriege beteiligt haben.
Den einzigen Anhaltspunkt dafür bietet die Inschrift aus Tifemum
Mataurense XI 5992:
L. Aconio L, f. Clu, , Statur ae j 7 leg, XI C{laud.)p. f., leg. IIIIF(lav.) f.,
leg. I V Maced.j leg. VII Qlaud) p. f., doni(s) \ donato ab imp. Traiano
Aug. Oertn. ob bellum Dacic. \ torquib. armill. phalerls \ corana vallar. et
apriorib. (sie.) | prlndpibus eisdein donis \ donato ob bellum Oerma. \ et
Sarmatic, a divo Traiano \ ex miUtia in equesfretn \ dignitatefn translato,
1) Moesia war spätestens seit dem J. 86 schon geteilt; vgl. S. 3.
2) Vgl. S. 40, 2.
3) Demnach war Hadrian Tribun der leg. II Ad. weder in Moesia superior, wie
Pfitzner S. 76 f. nachzuweisen versucht hat, noch in Britannia (Henzen zu Borgheai
IV 206), sondern in Pannonia und erst dann, extremis iam Domüiani ien^poribus (Spart.
Vit. Hadr. 2) kam er als Tribun der leg. V Maced. nach Moesia inferior. Vgl.
Spart, a. a 0. und die bekannte athenische HadrianBinschrift III 550 = IG. III 464 =
Dess. 308. Dass fladrian die Tribunenstellen in derselben Reihenfolge bekleidet hat,
wie sie in der genannten Inschrift aufgezählt sind , zeigt Mommsen CIL. III zu 550.
4) Gsell p. 201. 259, Ritterling Westd. ZeiUchr. XII 117, 37, Jünemaun Diss. 57 sq.,
Kopp Die Römer in Deutschland S. 78.
5) X 135 = Dess. 2719 = S. 39, 7. Dazu Gündel Diss, 53, Cagnat p. 1077. Für
die Beteiligung der leg. XIII Gem. beruft man sich auf die Inschrift III 6818 = 291
(Dess. 1017) -=-. S. 49 n. 5, so Mommsen CLL, III zu 291, Schnitze Diss 44, Cagnat
p. 1086. Diese Inschrift gehört jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach erst dem zweiten
Jahrb. an. Vgl. v. Domaszewski Jihein. Mus. XLVIII (1893)247.
Dir Letfionrn der Ftmnuz Mo(*:^a.
Ärlmini pontif{ici)f quinq(uennali), \ Tifirni Mat{aurensi^) flamini, poti-
tif\ici)p I ffuin(f(umnnH), \ L, Acofiina Stnturtt fil | ex fe^tumento eifU(.
Mit dem bellum Gn'm(nnict4m) t^t iSarma(ic{uni) kann srhon deshalb
nidit ein einziger KriejLr ^^emeint sein, weil L. Acuniiis die militürischei]
Auszeiclinungeu von mehreren, also wenigstens von zwei Kaisern erhalten
hat^) Dann aber ist auch ein helhint Gerimimcum et Samiaticum für
die Zeit vor Traian nicht bekannt.^) Um heUnm Sannnticum unserer
Inschrift wird also der suebiscb-sartnatische Krieg Domitians sein/'') und
in dem hdlnm OerrnnincMw .steckt ein anderer gennanischer Krieg der
Zeit vor Traian. Diev^^en Krieg aber kann L. Acunias nur als ("enturio
der obergerraanischen leg* XI tiaud,*) mitgemacht haben, da die Beteiligung
der drei mösiöchen Legionen an einem germanischen Kriege vor Traian
vollständig unbekannt ist. Uer germanische Krieg Nervas, aligesehen
von anderen, chronologischen liriinden, kommt hier auch deshalb nicht
in Betraclit, weil er, so viel wir wissen» inschriftlich hMum iSurbieum
lieisst^) Auch der Chattenkrieg Domitians kann nicht gemeint sein, weil
1) Au» drm Venchwt?igeü dt?a Namtvus d*»*; KnUer» folgt noch durcbtiUM nicht,
diUi die dona mtlHnrfa von eiuein verurtüUteD Kaiser reilieh<>n worden sind. VgU
8. 17 C, hcÄonderB S 68.
2) Beilum Gemmmcum vi i'^iartnuticum hei»»t erst der MarkornnDenkrieg M^ Aureli-
(vgl. VI ^11806 ^ tit'»?i. ia27i, au d»?M »elbstvorständlich uicbt zu denken ist, —
Moinmsc'D Sitt.-]ifi\ thr ftcrl. Akafi, 1903, ?23 «ill daa bellum Germantcum et Stimme
iicum uöierer Inschrift mit dem beUum Suebiettm et Sat-mnttcum unter Domitian ideiu
Itfisier^n. Aber dagegen spricht, au»a«r des oben angefahrten Gründen, »och der
Umstand, dass der Name bellum Gemmnieum sich f\lr den snnhisch sann atischeu Krieg
nicht nachweUen lHnst Die Bei*piüle, welche Momm»eu a. a. O. für du« letztere nn*
Itihrt, ktütten ^Hne Annicht nicht. In der Intchrift aus Pen nt hos HI 7897 rn. 12325
p. 2816** (7 Jeff, XV Ajiol itrm 7 leg. V Mac^ et Itfj. XVI Fl fir, bin donin doftatm
heUo [hwü\o] ei bellet Germanico bezeichnet belhtm Oermaffteum^ wenn nicht den
rhatlT-nkricg im J, 8Ö, sf» sicher den vom .!. 83^ an dem die pannoiiitche leg. XV Apoll
sehr Wühl teilgenomn)t!U haben kann ivgL auch CIL. III sa 12825). In der Inschrift
aus Ktirthiig«) VlII 1026 (Des*, 2127) steht donte donatwt a Domititwo *ih brlhtm
Dacicum item ah codeni ab bellum Germunicum item t^quib. arfnilli^ oh hrlluin Dacicuw
Hier kann hrllum Germantcum »cbon deshalb nicht den suebfsch sarmalischi'n Krieg
bexeichnen^ weil der letitere jedenfalls nach dem zweiten dakt sehen geführt wurde, »0
iiass er auf der Inschrift nicht swisehen den beiden dakischcn genannt wenlen kannte
<^vgl, 8. clt), 1;. Wie w Doma»«rwftki Kon'esjiovdfnthl drr Watd. Zeiiechr. 1892, 114,
auf die Inschrift VI 1847 g«*stiit4t» gezeigt hut, liCÄcithnet bellutn GertHanicum der kar-
tbaginilicu Inschrift VIII 102G den Krieg gegen Antonius Saturulniis und seine Ver
bUndeten, die Chatten.
3) Auch Suct. Dom, Vi siigt einfach de Sarmatiä tauieam utodu (AipitoHnu Jovi
reitulä. Die BcEciehnung dieses Kriege» uls beUum Sarm^ttieum bat also nichts an*
^tÖKiiges an »ich.
4 Sie kam nach Oermunia iui J. TU wegen de»- AMf>*iandc* den Civilis (Tacli.
Hilft. IV 68 und war in den ersten liegieruiig*»jahn»n Tmian« noch immer dort; vgl
XIU «2118 (D«». 22&»\ und HamoAemn Koritiptmdmsbl. der ne$td. ZeiUchr, VI
^,1887) m(f,
$) V 7425 (De«tf. 272U. ; rfonur dmialo ah imp, Xerra Ca^tare Aug, Gerw. htlUi
Suehic. eoron. . .
44 Boydan Filow,
in diesem Falle L. Aconius die dona militaria nur von einem Kaiser
erhalten haben würde. Das bellum Oermanicum unserer Inschrift kann
also nur der germanische Krieg Vespasians vom J. 73/74 sein.^) L. Aconins
hat diesen Krieg als Centurio der leg. XI Claud. mitgemacht, den suebisch-
sarmatischen im J. 92 als Centurio der leg. IV Flav. oder V Maced. und
den Dakerkrieg Traians als Centurio der leg. Vn Claud. Demnach hat
er ungefähr 30 Jahre als Centurio gedient, was gar nicht befremdet.*)
Die Inschrift ist erst nach dem Tode Traians gesetzt worden, weil der
letztere darin divits heisst. Wenn also L. Aconius seine Laufbahn unter
Vespasian mit 20 Jahren angefangen hat, so war er bei seinem Tode
ungefähr 70 Jahre alt. Es ist aber nicht notwendig anzunehmen, dass
er in jeder Legion die gleiche Zahl von Jahren verblieben ist,*) und
deshalb wird er den suebisch-sarmatischen Krieg Domitians als Centurio
der leg. IV Flav. mitgemacht haben; denn diese stand in Moesia superior,
während die leg. V Maced. in Moesia inferior weiter von dem Kriegs-
schauplatze entfernt war.
Es ergibt sich also aus der behandelten Inschrift, dass die leg. IV Flav.
an dem suebisch-sarmatischen Kriege Domitians teilgenommen hat, sei
es vollzählig, sei es mit einer veccillaüo.
Im ersteren Falle wird man kaum annehmen dürfen, dass auch die
leg. V Alaud. (vorausgesetzt, dass sie bei der Niederlage des Cornelius
1) Dieser Krieg ist nur aus Inschriften bekannt. Wir finden dafür die Ausdrucke
adveraus Germanoa (XI 5210 = Dess. 990) und res in Germania proapere gestae (XI 5271).
Die übrigen Zeugnisse findet man in der Frosop. D 107. 148; P 808. Über den Ver-
lauf des Krieges vgl. Zangemeister N. Heidelb. Jahrb. UI (1893) 9£F., Fabricius Die
Besitznahme Badens S. 84 ff.
2) Ein Centurio, ebenfalls aus dem ersten Jahrb., hat 48 Jahre gedient (DI 2834),
ein anderer 40 Jahre (il 4147), ein dritter 45 Jahre (VIU 2877 = Dess. 2658). Ein
centurio trecenarius der leg. VII Claud. hat 42 Dienstjahre gehabt (VI 32709a). Ein
Unbekannter hat 50 Jahre gedient und zwar 46 als Centurio in 18 verschiedeuen
Legionen (VIII 217 = Dess. 2658). Dass ein Conturio, der schon unter Vespasian
dekoriert war, auch noch unter Traian stark genug war, um wieder ausgexeichnet zu
werden, beweist die Inschrift aus Jader (Dalmatia) III 2917 = Deas. 2647: Q. Baeeio
Q, f. Cl. Bufo , p(rimo) p(ilo) leg. XII Fulm. trecenario , donis den. ab imper. Vespa-
sian. et Tito imp. bell. Jud.j ab imp. Trai(ano) beü. Dacic.
3) Vgl. VI 3584 (Dess. 2656): Ti. Claudio Ti. f. [G]dl. Vitali ex e^v{i\te B(pmano\
ordinem accepit in leg. V [Mac.]j successtone \ promotus [ex] leg. V Ma[e\. in leg. [IB\cil.,
donis dipnat.) \ torquib. armill. phaler. Corona val[l.] beüo \ Dacico, sueeessione promoi.
ex leg. I Itcd. in leg. \ I Miner.j [it\er. donis d(onat.) torquib. armil[l.] phaler. \ Corona
val[l.]. beUo Dacico^ successione />ro|mof. ex leg. I Miner. in leg. XX Ftcf., item prom. '
in leg. ead.j item successione promotus ex leg. XX \ Vict. in leg. IX [Hfisp.f suec. promot.
ex leg. IX [Htßp. \ in leg. VII Cl. p. /*., item successit in leg. ead., \ müit. 7 in II (c<>-
horte) pr{incep8) post(erior) annis XI, vixit annis XLI Da Ti. Claudius Vitalis nur
41 Jahre gelebt hat, so hat er höchstens 21—23 Dienstjahre gehabt, wovon 11 Jahre nur
in der leg. Vll Claud. Wenigstens lassen die letzten Worte der Inschrift keine andere
Deutung zu, weil Claudius Vitalis nicht nur 11 Jahre gedient haben kann und nicht
immer in allen sechs Legionen als centurio princeps posterior der zweiten Kohorte.
Die Leii'imieu dir Provinz Moesia, 45
Fuscus nicht ihren Untergang gefunden hätte) für den Krieg heran-
gezogen worden wäre; denn die Wegziehung von zwei ganzen Legionen
aus Moesia ist bei der Dakergefahr kaum denkbar, zuma] wenn die
Anwesenheit von fünf Legionen in Pannonia vorausgesetzt werden darf.*)
Wenn aber die leg. IV Flav. nur eine vexillatio gestellt hat, was viel
wahrscheinlicher ist, so kann auch die leg. V Alaud. höchstens eine
Abteilung für den Krieg abgegeben haben und nicht vollständig in diesem
Kriege untergegangen sein.
Wie dieser Krieg endete, wissen wii* nicht. Domitian ist damals
zum 22. Male zum Imperator ausgerufen worden,*) und nach seiner Rück-
kehr fanden grosse Feierlichkeiten in Rom statt.») Aber einen Triumph
hat er nicht gefeiert, sondern nur einen Lorbeerkranz dem Jupiter Capi-
tolinus dargebracht.*)
Sueton (Dom, 6) berichtet über die Donaukriege Domitians folgender-
massen: e^rpeditioneff partim sponte suscepit, partim neeessario . . . necessario
tinam in Sarmatas, legio^ie cum legato simul caesa, iw Dacos duas,
primam Oj)pio Sabino constdari opresso, necundam Cornelio Fusco, prae-
fecto cohortium praetorianarum , cui hellt summam commiserat. Man hat
diesen Bericht so aufgefasst, dass in dem Kriege gegen die SarQiaten im
J. 92 eine ganze Legion vernichtet worden sei,*) und dass diese Auf-
fassung schon im Altertum geläufig war, zeigt auch Eutrop. VII 23, 4:
in Sarmatia legio cum duce interfecta est. Aber die Worte Suetons
lassen auch eine andere Auffassung zu, welche richtiger zu sein scheint.*)
E^ Lst ganz klar, dass die beiden Expeditionen gegen die Daker die
Kriege im J. 86 und 89 sind und dass der Einfall der Daker, bei dem
Oppius Sabinus getötet war, nicht eine Expedition Domitians sein kann.
So ist eben dieser Einfall der Daker der Anlass zum ersten Dakerkriege
und die Niederlage des Cornelius Fuscus der Anlass zum zweiten gewesen.
Bleibt man bei dieser Auffassung, so können die Wort« legwne cum
legato simul caesa nur den Anlass zum Sarmatenkriege enthalten. Die
Vernichtung der Legion ist also nicht erst während des Krieges selbst
eriolgt, sondern muss ihm vorausgegangen sein. Das ist aber nur in
zwei Fällen möglich: entweder waren die Sarmaten in dem Kriege gegen
die Quaden und Markomanen die Verbündeten dieser Völkerschaften, oder
sie waren die Verbündeten der Daker im J. 86.^ Nimmt man den
1) Vgl. S. 42.
2) GteH p. 226.
8) GseH p. 229.
4) Suet. Dom, 6: de Sarmatia lauream modo CapüoUno Jovi retiulü.
5) Pfitxner S. 76. 184. 157. 287, G«ell p. 225, Tmmmsdorff Dt w. 79 »qq. und andere.
6) Vgl. V. Domasxewski Religion S. 24, 108, Mommsen SÜM.-Ber. der Berl, Akad,
1908, 824.
7) Unter Traian standen aUerdings die Jaxygen (denn diese sind bei den Kriegen
Domitians unter Sarmaten «u verstehen) auf der Seite der Römer (vgl. Dio LXVIII 10
46 Bofjdan F'dow,
ereteren Fall an, so kann die vernichtete Legion nur eine pannonische
sein, weil die mösischen gleichzeitig unter Julianus siegreich gegen
die Daker kämpften.*) Bei der zweiten Annahme dagegen bestätigt
Sueton nur den oben^) aus anderen Zeugnissen gezogenen Schluss,
dass eine Legion bei der Niederlage des Cornelius Fuscus vernichtet
worden ist.*)
Wir fassen die Ergebnisse dieser langen Erörterungen kurz zu-
sammen: bei der Niederlage des Cornelius Fuscus ist eine L^on sicher
untergegangen, bei dem Kriege gegen die Sarmaten im J. 92 lässt sich
dagegen die Vernichtung einer Legion nicht nachweisen. Dann aber —
und das ist das wichtigste für uns — bei der Niederlage des Cornelius
Fuscus war die leg. V Alaud. sicher anwesend, während für den Krieg
gegen die Sarmaten, wenn sie bis dahin überhaupt existiert hat, nur eine
ve.dllatio der Legion in Betracht kommen könnte. Die leg. V Alaud.
kann also nur bei der Niederlage des Cornelius Fuscus im J. 86 vernichtet
worden sein.
An Stelle der vernichteten Legion ist die leg. IV Flav. in Moesia
geblieben. Das ist zwar nicht direkt überliefert, lässt sich aber mit
Sicherheit erschliessen. Die Spuren der leg. IV Flav. in Dalmatia sind
sehr dürftig, und deshalb kann ihr Aufenthalt daselbst nicht von langer
Dauer gewesen sein. Die Legion hat sich an den Donaukriegen Domi-
tians beteiligt, und es ist nicht wahrscheinlich, dass sie nach der ver-
änderten Lage an der Donau wieder nach Dalmatia zurückkehrte, wo
alles schon längst ruhig war. Dagegen wurde Moesia im J. 86 in zwei
konsularische Provinzen geteilt,*) und deshalb sind für jede Provinz wenig-
stens je zwei Legionen als Besatzung vorauszusetzen.*) Drei von diesen
Legionen sind uns genau bekannt,*) die 11 Ad. kam erst im J. 88/89
an die Donau und war in Acumincum stationiert,^) die vierte mösische
Legion kann also nur die leg. IV Flav. sein. Wie diese vier Legionen
auf die beiden Provinzen verteilt waren, ist ebenso mit Leichtigkeit
und Cichorias Die Traian8SäuU II 150). Da sie aber unter Domitian in Krieg mit
den Römern verwickelt waren, so ist es ganz natürlich, wenn sie damals die Verbündeten
der Daker waren. Bei den Beziehungen, welche Dekebalus mit den umliegenden
Völkern angeknüpft hat (Dio LXVIII 8. 11. 12; Mommsen R. G. Y 201, Cichorius a. a. O.
8. 51 ff.), ist das nicht zu verwundern.
1) GseU p. 216-222.
2) S. 38 f.
3) Dass der Adler, obwohl die Legion von den Sarmaten vernichtet wurde, in
den Händeu der Daker geblieben sein kann, zeigt v. Domaszewski Religion S. 24, 103
durch Beispiele aus der Varusschlacht, wo die Cherusker die Sieger waren, die drei
Adler aber in die Häude ihrer Verbündeten fielen.
4) Marquardt I* 304; vgl. S. 8, 1.
5) Vgl. S. 16 ff.
6) 1 Ital., V Maced., VII Claud.
7) Vgl. S. 39 ff.
Die Legionen der Provinz Moesla, 47
aus den hinterlassenen Inschriften zu ersehen: es standen demnach seit
dem J. 86
in Moesia sup.: leg. IV Flav. und leg. VII Claud.
in Moesia inf.: leg. I Ital. und leg. V Maced.
Das waren die mösischen Legionen bei dem Ausbruche der Daker-
kriege Traians.
§ 5. Die Zeit Traians.
1. Die Beteiligung der mösischen Legionen an den Dakerkriegen
Traians.
Dass die mösischen Legionen auch bei den Dakerkriegen Traians wie
bei denen Domitians die Hauptrolle spielten, lässt sich nicht bezweifeln,
da in beiden Fällen Moesia die Basis der Operationen gegen die Daker
bildete. Viele Angehörige der mösischen Legionen haben sich dabei die
dona militaria erworben, die Inschriften lassen jedoch nicht immer unter-
scheiden, ob es sich um die Kriege Domitians oder Traians handelt. Als
allgemeine Eegel gilt, dass solche Verleihungen der dona militaria, bei
welchen der Name des Kaisers nicht erwähnt ist, auf einen verurteilten
Kaiser, also in unserem Falle auf Domitian, zu beziehen seien. Da
daraus oft weitgehende Schlüsse gezogen worden sind, wird es nicht
überflüssig sein, die Sprache der Inschriften nach dieser Richtung hin
zu untersuchen.*)
1) In der emt nach Abschluss der vorlie^nden Arbeit erschienenen, sonst sehr
sorgföltigen Abhaodlung über die dona müitaria von Paul Steiner (Bonn. Jahrb. 1905)
ist dieser Punkt nicht berück« chtigt. Ja der Verfasser scheint selbst den alten Fehler
begangen zu haben, wenn er Inschriften wie III 12411 <= Dess. 2666b = Steiner n. 62
und XII 3167 = Dess. 1016 = Steiner n. 67 ohne weiteres auf Domitian bezieht
und meint, dass Sex. Caesins Propertianus (XI 5028 = Dess. 1447 = Steiner n. 40) die
dona müUaria gerade von VitelUus oder M. Stlaecius Coranus (VI 8589 = Des«. 2780
= Steiner n. 88) gerade von Nero erhalten habe. Aach sonst ist Steiners chronolo-
gische Einteilung der auf die dona militaria bezüglichen Inschriften nicht immer ein-
wandfrei. Der veteranus III 9885 (Dess. 2822 = Stein. 28) kann unmöglich die d&na
müiiaria von Claudius erhalten haben, weil die Inschrift spätestens im J. 42 gesetzt
worden ist (vgl. S. 51 u. 16). Die Inschrift aus Poetovio III 4060 = Stein. 89^ gehört,
wie schon der Herausgeber bemerkt hat, der Zeit an, als die leg. VIII Aug. noch in
Pannonia war, d. h. vor 46 n. Chr., also nicht unter Nero. Die Inschrift VI 1626
(Dess. 1885 = Stein. 55), welche Steiner in die Zeit der beiden ersten Flavier setzt,
ist «eher nachh adrianisch (vgl. S. 50 n. 10). Die Inschrift III 6818 (Dess. 1017 =
Stein. 73), von Steiner auf Domitian bezogen, wird eher um die Mitte des zweiten
Jahrh. anzusetzen sein (vgl. v. Domaszewski Bhein. Mu$. XL VIII 247). Überhaupt
sind viele Inschriften ganz willkürlich unter die einzelnen Kaiser verteilt. Der Ver-
fasser hätte vielmehr von den sieher datierbaren FiUen, an denen ja kein Mangel ist,
ausgehen, oder wenigstens die unsicheren Datiemngen in irgend einer Weise andeuten
48 Bogdan Fihir,
Das Recht die donu militaria zu verleihen kommt dem Kaiser nnd
dem Prokonsul zu, in so weit der letztere ausnahmsweise zu einem
effektiven Kommando gelangt.*) Deshalb werden auf den Inschriften in
der Eegel nicht nur die dona militaria genannt, sondern auch der Kaiser,
von dem sie verliehen worden sind.*) Daneben gibt es ziemlich zahlreiche
Fälle, in denen der Name des Kaisers fehlt Diese letzteren, soweit ich
sie kenne, abgesehen von solchen, die sich auf die Dakerkriege beziehen,
stelle ich in drei Gruppen zusammen.
A. Die dona militaria sind von einem verurteilten Kaiser verliehen
worden :
1. in 6809 (Dess. 2696) — Antiochia Pisidiae — P. Anicio \ P. f. Ser.
Maxi\mo . . . praef. eooer\cituJ{8) qui est in Aegypto, \ donato ab imp.
donis I militaribus ob expedi\tionem, honorato \ Corona muraii et \ hasta
pura ob bellum \ Britannic(um) . . . Das zuletzt erwähnte bellum ist
der britannische Krieg des Claudius, so dass der betreffende die
ersten dona militaria wahrscheinlich von Caligula erhalten hat.
Vgl. Mommsen zu der Inschrift
2. in 143871 — Baalbek — . . . [hello] C[o]mmagenico , donis donaio
a[b I i]mperatoribus Corona aurea tof[quibu8 \ a]rmillis phaleris, Jumo-
rat(o) albat(a) de€[u]f[8ione \ a]b imp., primopüo leg. HI [0]c^l]f. . .
Das bellum Commagenicum ist das unter Yespasian. Die imperatares
sind entweder Nero und Vespasian, oder Vespasian und Titos. Sicher
ist an der zweiten Stelle Nero gemeint (vgl. HI 14 387 ff und den
Kommentar zu den beiden Inschriften). Auf Nero bezieht sich teil-
weise auch No. 17.
3. m 10224 — Sirmium — T. Cominius \ T. f. Volt. Seve\rus Vienna
7 I leg. II Adiutric, \ donis donat. \ ab imp. Caesare \ Au^. belle Da^nco
torquibus . . . Obwohl diese Inschrift einen dakischen Krieg nennt,
habe ich sie hier aufgenommen wegen der charakteristischen Ans-
drucksweise. Die Umschreibung imp(erator) Caesar Au^(ustus\ anstatt
den Namen des Kaisei*s direkt zu nennen, zeigt deutlich, dass es
sich um Domitian und nicht um Traian handelt In derselben Weise
ist der Name Domitians umschrieben in der Inschrift aus Fnlgininm
müssen. So aber können die Folgerungen , die er auf S. 78 zieht, nicht ohne weitei«
Prüfung angenommen werden. Aus denselben Gründen sind auch seine Tabellen nur
mit Vorsicht eu benützen. Die Inschriften Bull deW Inst arch. 1868 p. 60 (Dem. 2728
=■■ Stein. 99) und Bull, comm, di Roma 1888 p. 104 (Dess. 1327 = Stein. 118) findet
man jetzt auch CIL. VI 32938 und 31 856. Umgekehrt stehen X 408 (Stein. 117) VIII 217
(Stein. 138) III 13648 (Stein. 140a) UI 14187* (Stein, 140b) und VI 8538 (Stein. 171)
auch bei Dessau; 1117. 2658. 2663. 4081. 2729.
1) Mommsen Staaisrecht IP 266, Fiebiger bei Pauly-Wissowa V 1528 (unter dona
militaria).
2) Beispiele für die einzelnen Kaiser von Aug^tus bis Septimius Severus findet
man jetzt am vollständigsten bei Steiner a. a. 0. S. 47—69.
Die Legionen der Provinz Moesia. 49
XI 5210 (Dess. 990, vgl, Prosop. D 107), ähnUch (imp. Caesar
Augustm Oermanicus) in der Inschrift aus Baalbek Site-Ber. der
Berlin. Ahad. 1903, 817 = Rev. archdol 1903 II p. 467 n. 368.
Vgl. auch die folgende Inschrift
4. XIV 3612 (Dess. 1025) — Tibur — L. Roscio M. f. Qui. \ Aeliano
Maecio \ Cderi | . . . | trib. miL leg. IX Hispan. \ veocillarior. eiusdem \
in expeditione Oermanica, \ donato ab imp. Aug. \ tnüitarib. donis
Corona | . . . Auch hier kann mit imp. Aug. nur Domitian gemeint
sein. Vgl. die Anmerkung zu der vorhergehenden Inschrift.
5. m 6818 = 291 (Dess. 1017) — Antiochia Pisidiae — . . . \ R f.
Stel. 8osp[i]ti \ fetiali, leg. Aug. \ pro pr.provinc. 0€U(atiae) \ Pisid(iae)
... I Arm(eniae), leg. leg. XIII Gem., \ donat. don. militarib. \ expedit.
Suebic. et Sarm. \ cor. mur. . . Die Inschrift bietet keinen besonderen
Anhaltspunkt für die genauere Zeitbestimmung. Die expedit(io)
Suebie(a) et 8arm(atica) könnte der suebisch-sarmatische Krieg
Domitians sein (Mommsen zu III 291, Schnitze Diss. 44, Cagnat
p. 1086). Doch vgl. dagegen v. Domaszewski Rhein. Mus. XLVni
(1893) 247.
6. V 3356 (Dess. 2710) — Verona — [Ti. Claudio] Ti. f. Quir. Alpino
I praef. aUie Oallic, \ trib. leg. II Aug., \ praef. coh. II pr., \ don. don.
bello Oerm., \ Claudia Ti. f. Marcellina \ marito optimo. TL Clau-
dius Alpinus ist derselbe Mann, welcher nach seiner Adoption den
Namen L. Bellicius SoUers getragen hat und consul suffectus unter
Traian war (vgl. Prosop, B 85). Das bellum Germ{anicum) ist des-
halb einer der beiden Chattenkriege Domitians , den Ti. Claudius
entweder als Tribun der britannischen leg. IT Aug., oder als Präfekt (?)
der coh. n pr(aet.?) mitgemacht hat Dass an den Chattenkriegen
Domitians auch die britannischen Legionen beteiligt waren, beweist
die Inschrift 4. Die germanischen Kriege unter Vespasian und Nerva
kommen deshalb nicht in Betracht, weil die Beteiligung auswärtiger
Legionen oder der Praetorianer an diesen Kriegen sich nicht nach-
weisen lässt
7. VI 798 (Dess. 1448) — Cn. Octavius Titinius Capito \ praef. cohortis,
trib. müit., donat. \ hasta pura Corona vallari, proc. ab \ epistulis et a
patrimonio, iterum ab \ epistulis divi Nervale, eodem au^^tore \ ex s. c.
praetoriis omamentis, ab ^nstulJ^tio imp. Nervae Caesar. Traiani
Au^. Ger., \ praef. vigilum, Volcano d. d. Cn, Octavius ist das erste
Mal jeder W^ahrscheinlichkeit nach von Domitian dekoriert worden.
Vgl. die Anmerkungen im Corpus und bei Dessau.
8. X 135 (Dess. 2719) — Potentia — . . . [S\atrio Q. f Hör. Sep, . . .
tribuno militum ^eg. \ sec]unda^ Adiutricis p. f., donis [mili]taribus
bello Suebico it[em \ Sarjmatico Corona murali ... An beiden Seiten
der Inschrift sind nur einzelne Buchstaben ausgefallen; das Wort
Filow, DU Ltgionen dn Proviat MomI». 4
50 Bogdan Mlow,
donatus fehlt. Es ist wahrscheinlich der saebisch-sannatische Krieg
Domitians gemeint.
9. SitZ'Ber. der Berlin. Akad. 1903, 817 = Rev. arcMol 1903 11 p. 467
n. 368. — Baalbek — (7. Velio 8(ji(t\üi f. Rufo . . . item donis donato
Corona muräli \ hastis dtuibiis vexiUis diiobtts et bel\lo Marcommannorum
QtAodorvm \ Sarmatarum, adverstis qiios eoopedi\tionem fecit . • . Ei
handelt sich um den saebisch-sarmatischen Krieg Domitians. Vgl.
Mommsen a. a. 0. S. 818 ff., Ritterling Österr. JahresL VII (1904)
Beibl. 23fl.
10. VI 1626 (Dess. 1385) — Cn. Fompeio ... p. p.bis leg. 11 Aug. et leg.
X Fretens., . . . | trih. coh. V pr., donis donato ab \ imp. torq. phai.
. . . proc. Aug. provinciae \ B{ritt]annia^ . . . proe. \ Aug. a rationibus.
Die Inschrift gehört sicher der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. an,*)
so dass der betreffende die dona militaria von Commodns erhalten
haben kann. Vgl. Wilmanns Exempla zu n. 1274.
B. Die dona militaria sind von nicht verurteilten Kaisern verliehen
worden :
11. V 5832 pess. 2338) — Mediolanum — P. Tuülius P. f. 0[uf.]
veter anu^y sign\ifer\ \ aquilifer leg. V [>-•], \ cürator veU{ran.],
aecepit ah imp^irat^ \ praemia dup^icia\ \ natus est A. Hirtio [A. f. C]
Vibio Pansa cos., d€{ces8it] \ C. Fufio Oemino L. Ri^bellio] \ Oemino
COS. . . . P. Tutilius hat also vom J. 43 v. Chr. bis 29 n. Chr. gelebt,
so dass der imperator entweder Augustus oder Tiberius ist. Für
den Namen des Kaisers ist kein Platz vorhanden, da an der rechten
Seite der Inschrift nur einzelne Buchstaben ausgefallen sind.
12. V 531 (Dess. 989) — Tergeste — [C] Calpe[tano] | Ränt[w] \ Qui-
rindl[i \ Va]lerio P. f. Pomp. F[e8to] leg. pro praet. ea^ercit.
Afri]eae, cos., donato ab imper[atore \ hastis] puris Uli vexiUis IUI
co[ronis \ IIH v]allari murali classica a[urea, \ cura]tori alvei OTiberis
et ripd[rum, \ pon]tif., leg. Aug. pro pr. provin([iae \ Pan]noniae et
provinc[iae] \ Hispaniae, \ patrono \ plebs urbana. Der betreffende
war legatus exerdtus Africae im J. 69/70 (Tacit. Eist. U 98;
IV 49. 50; vgl. Plin. qnst. HI 7, 12), consul suffectus im J. 71
(XIV 2242), so dass er die dona müitariu von Vespasian erhalten
hat, vielleicht für seinen Zug gegen die Garamanten in Afrika.-)
Auch in dieser Inschrift sind die Ergänzungen sicher, der Name des
Kaisers fehlt.
18. m 13648 4- 14187-^ (Dess. 2663), vgl. 14187* (Dess. 4081). — Amastris
— Sex. Vibio Oallo tre\cenario, primijrilalri, iwaef. kastror(um) leg.
1) Procuratores Äugusti a rationibus ritterlichen Ranges kommen erst seit Hadrian
vor. Vgl. Marquardt U« 307 ff.
2) Tacit. Bist. IV 50; vgl. Proaop. C 184.
Die Legionen der Provinz Moesia, 51
XIII Oem.y donis donato ab imperatoribus \ honoris viHuti^q(u£) ;
causa torquib. armilUs vexillis II. \ Sex. Vibitis Cocceiunus
patrono bene merepiti. Diese Inschrift bietet gar keinen Anhalts-
punkt für die nähere Zeitbestimmung. Wegen der Namensform aber
gehört sie schwerlich in das erste Jahrb. Andererseits kann man
wegen des praefedics hastrorum legionis und der dona militaria nicht
über die Zeit des Septimius Severus hinausgehen. Von verurteilten
Kaisern kommt deshalb nur Commodus in Betracht, und dass Vibius
Gallus gerade von ihm dekoriert worden sei, ist sehr unwahr-
scheinlich. Deshalb habe ich die Inschrift in dieser Gruppe angeführt.
Die imperatores können vor allen M. Aurel und L. Verus oder
Septimius Severus und seine Söhne sein, doch ist nicht notwendig
anzunehmen, dass die imperatores gleichzeitig regiert haben.
14. m 1193 -f p. 1390 (Dess. 2746) — Apulum — C. Jul. C. ß. Thevest ,
Corinthiano praef. \ coh. VII Oall., tribtm. \ coh. I Britt. item ve^iU
(lationi^) \ Dacor{um) Parthic(ae), cui ob virtute sua sacra\tissimi
imper{atores) eoro\nam muralem et vea[il]lum argent. insignem
dederuntj \ praef. alae Campag(o7iiifn) \ Die sa^atissimi
Imperatoren sind Septimius Severus und seine Söhne. Vgl. Mommsen
zu der Inschrift.
15. X 3886 = I 624 (Dess. 2225) — Capua— C. Canuleius \ Q. f. leg. VII,
evo[cat., mort. est ann. not. \ XXXV, dmiat. torq. armil. \ paler. Die
dona militaria hat C. Canuleius entweder von Caesar oder von
Antonius oder von Octavian erhalten; vgl. Mommsen zu I 624.
1(>. m 9885 (Dess. 2322) — in der Nähe von Scardona palmatia) —
M. Fraxsaniun Sex. f. \ Pol. domo Regio Lepido \ veterant4S leg. XJ,
eques, \ annorum XLIIII, stipendiorum XXV, danatus \ phaleris tar-
quibus I armillis, h. s. e. Die Inschrift ist vor dem J. 42 gesetzt,
weil die leg. XI den Beinamen Claudia p. f. noch nicht führt (vgl S. 18).
Die do7ia militaria sind deshalb entweder von Augustus oder von
Tiberius verliehen worden, weil unter Caligula, der noch einzig in Be-
tracht kommen könnte, in Illyricum keine Kriege geführt worden sind.
17. XI 395 (Dess. 2648) — Ariminum — M. Vettio M. f. Ani. \ Volenti j mil.
coh. VIII pr.y benef. pra^f. pr{aetorio), \ donis danato bello Britan. \
torquihis armiUis phaleris, \ evoc. Äu^g., Corona aurea donßt, \ 7 coh.
VI vig. . . . princip{i) \ praetori leg. XIII Oem.j ex tree. , [p. p.]
leg, VI I M,ctr.j donis donato ob res prosper. \ gest(as) contra Astures
torq. phaler. arm., \ trib. coh. V vig. . . . \tr%b^ leg. XIIII Oem. Mart.
victr., I proc. imp. Caes. Au^g. prov. Lusitan Das bellum
Britannicum ist sicher der Britannische Krieg des Claudius, von
dem M. Vettius auch die dona militaria erhalten hat. Als pri-
mus pilus (?) der leg. VI Victr. ist er von Nero dekoriert worden
(Cagnat p. 1083), und insoweit gehört diese Insdirift auch zu der
ersten Gruppe.
4*
52 Bogdan Fihw,
18. VI 32933 (Dess. 2723) — L. Pacmio L. f. Pal \ Proculo | . . . .
praef, vexillation. eq. Moesiae infer, et Dadae eunti (sie) | in
expeditione Parthic, donis \ militaf[ib.] donato, praef. eq. \ alae pr.
Aug. Parthorum | . . . . Die expeditio Parthica kann nur der parthische
Krieg unter M. Aurel sein (vgl. S. 75 f.), so dass der betreffende
die dona militaria von M. Aurel und L. Verus erhalten hat.
19. Eev. arcUol 1893 I p. 396 n. 88 — Annuna (Numidia) — [Q. An-
üstio Advento] Q. f. Quir. Postumio A^u]ilino cos. . . . leg. Aug.
at praetenturam Italiae et Alpium eocpeditione Germanica .... leg.
Aug. leg. VI Ferratae et secundae Adiutrids, translato in eam ex-
peditione Parthica, qua donatu^ est doni^ militaribu^ eoronis ....
vexillis duobus, praetori Die Inschrift ist ein absteigender
cursus honorum. Der betreffende war Konsul unter M. Aurel, so
dass die beiden Kriege der parthische und der markomanische dieses
Kaisers sind (vgl. Prosop. A 589). Der Name eines Kaisers ist in
der Inschrift nirgends erwähnt.
20. Vm 217 (Dess. 2658) — Cillium (Prov. Byzacena) . ... T leg. XV
Apoll., I 7 leg. II Par., 7 leg. I Adiutrids, \ cansecutus ob virtuteni
in I expeditionem Parthicam \ eoronam muralem vaUarem \ tarques
et phaleras, agit in \ diem operis perfecti annos LXXX \
Da der Unbekannte auch Centurio der von Septimius Severus gebildeten
leg. n Parth. war, ist entweder der parthische Krieg dieses Kaisers,
oder der parthische Krieg unter Caracalla gemeint. An spätere Kriege
ist wegen der dona militaria nicht zu denken.
C. Zu dieser Gruppe rechne ich solche Inschriften, welche gar keinen
Anhaltspunkt für die Bestimmung des Krieges und des Kaisers bieten.
Die meisten davon sind Grabsteine, deren Angaben sehr kurz und nur
auf das notwendigste beschränkt sind. Der Name des Kaisew, der Titel
imperator und die Bezeichnung des Krieges fehlen durchweg.') Die
wörtliche Anführung dieser Inschriften wäre ganz überflüssig. Nur zwei
Beispiele mögen zur Charakteristik der ganzen Gmppe dienen:
21. in 14398 — Iconium (Lycaonia) — Tito Servaeo Sabino \p{rimo)
2){ilo), donato omnihus \ donis. L. Servaeics \ Säbinus 7 leg. VI Vict.
\patri suo fecit.
22. IX 1614 — Beneventum — L. Laeülio L. f. \ Stel. Rufo \ trib. mil
leg. XXII, I don. hasta pura | Corona vallari, \ aedili, quaes., Ilvir
; i. d., praef. fabrum. \ Atteia Q. f. Prisca \ uxor.
ÄhnUch sind noch folgende Inschriften: U 1086 (Dess. 2712). HI 1664.
5334 + p. 1048. 8438 (Dess. 2597). 12 498. U3b8''\ 14 507. V 930. 7495
1) Nur auf e'mer Inschrift, die sich Dicht genau datieren läset, finde ich den
Titel imperator: Epheni. epigr, VIII 530 (Dess. 2321) — Calea (Campania) — M. Aemtli
M. f. Pob. I Soteriae equitis, domo \ Oscensis, torquihiis armiU. \ phdUrü ab impertUore
donatus, militis missici | veterani leg. Villi Hispanies., \ hie ossa sita sunt. Jedenfalls
gehört die Inschrift der ersten Hälfte des ersten Jahrh. an.
Die Legionen der Promnz Moesia. 53
(Dess. 2337). VI 3539 (Dess. 2730). 3618. VUI 2786 (Dess. 2659). 5209.
10605 = 14697 (Dess. 2249). XI 5028 (Dess. 1447). Dess. 2638. Schon
die grosse Zahl dieser Inschriften verbietet die Annahme, dass die dona
militaria nur von verurteilten Kaisern verliehen worden sind. Die Aus-
lassung des Namens des Kaisers in allen diesen Fällen kann nicht ab-
sichtlich sein, sondern wird mit dem Stile ähnlicher Inschriften zu-
sammenhängen.
Aus diesen Zusammenstellungen ergibt sich folgendes:
1. Ist der Kaiser, von dem die dona militaria verliehen worden
sind, verurteilt und die Inschrift erst nach seinem Tode gesetzt, so
erscheint an Stelle seines Namens entweder eine Umschreibung (3 und 4),
oder nur der Titel imperator (1, 2 und 10), oder auch gar nichts
(5 bis 9- und 17).
2. Finden wir auf einer Inschrift statt des Namens des Kaisers nur
den Titel imperator, so können die dona militaria ebensogut von einem
konsekrierten (11 bis 14), wie von einem verurteilten Kaiser (1, 2 und 10)
verliehen worden sein.
3. Steht auf der Inschrift weder der Name des Kaisers noch der
Titel imperator und gehört die Inschrift nicht zu der Gruppe C, so können
trotzdem die dona militaria von einem konsekrierten (15 bis 20), wie von
einem verurteilten (5 bis 9 und 17) Kaiser verliehen worden sein.
Wenden wir uns nunmehr zu den Inschriften, welche sich auf die
Dakerkriege beziehen, so ist es nach dem gesagten klar, dass die
Inschriften für die Dakerkriege Domitians sich nicht ausscheiden lassen,
wie das immer bis jetzt geschehen ist, weil der Name des Kaisers auch
ohne besondere Absicht verschwiegen sein kann. Deshalb habe ich alle
Inschriften, welche die Beteiligung der mösischen liegionen an den Daker-
kriegen sichern können, an dieser SteUe zusammengestellt.
leg. I Ital.
1. XI 3100 — Falerii — [C, Nu]mmiu8 Hör. V[eru8] | . . . mprovinciae
. . . I . . . acorum,^) praef. . . . | [T]hr{acum), trib. leg. I Itali[cae] ...
[djo^iw militaribu[s donatics ab\ \ imp. Traiano Äug. . . . | pontif. sacr.
iun. Cu[rritis . . . ] | cellam caldari[am pec. sua fecit\ \ C. Nummitut
( \ f. H[or. . . .] patronus reip. mu . . . \ ex s. c. adi[ecit]. Es ist aller-
dings nicht sicher, ob der betreffende gerade im dakischen Kriege
und zwar als Tribun der leg. I Ital. dekoriert worden war.
2. VI 3584 (Dess. 2656) = S. 44, 3. Obwohl der Name Traians in dieser
Inschrift nicht erwähnt wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie
sich auf die Dakerkriege dieses Kaisers bezieht. Vgl. Beuchel
Diss. 79 sqq.
1) Die übliche ErgfiDSung Daeorum ist sehr unsicher. Da an beiden Seiten der
Inschrift ziemlich viel zn fehlen scheint, kann hier auch eine ala oder cohors (etwa
Arvacorum, Rauracorum oder MatUticorum) gemeint sein.
54 Boydan Filow,
leg. IV Flav.
3. XI 5696, vgl. 5697 — Albacma — [C] Caesio C. f. Ouf. \ Silvestri
benef. \ pr{aef.) pr{aetorio), evoc, Aug., \ 7 leg. II Aug., leg. HU
F. [/:], I leg. III Gall, leg. VI \ Ferr., leg. XXX U{lpiae) v{ictr.\
p(rifno) p(ilo), praef. castror. leg, IUI F. |/.], | \do]nis dato hello Da-
cico Ms I [tor]quibics mtnillis phale[ris, \ po]ntifici, curatoH [viar.
et I pont] Umhr. et Piceni, dato [ah imp. \ An]tonino Aug. Pio [p. p.
imp. I //], patrono municipi . . . | . . . erelius ... \ ... Ejufintis cos. f. f.
Diese Inschrift bezieht sich sicher auf die Dakerkriege Traians, weil
C. Caesius auch Centurio der leg. XXX ülpia war und noch um das
J. 142 lebte.*) Wenigstens das eine Mal ist er entweder als Centurio,
oder als praef. castrorum der leg. IV Flav. dekoriert worden.*)
4. Auf die Beteiligung der leg. IV Flav. an den dakischen Kriegen
Traians sind vielleicht auch die in Mehadia und V&rhely (Sarmize-
gethusa) gefundenen Ziegel der Legion (III 8070 a. e. f.) zu beziehen;
vgl. S. 59.
5. Schliesslich ist auf die Beteiligung derselben Legion an den dakischen
Kriegen Traians oder Domitians noch ein Fragment aus Nemausus
(Gallia Narbon.) XII 5899 zu beziehen, welches ich, abweichend von
dem Herausgeber, folgendeimassen ergänzen möchte:
trib. mil. leg.
QVARTAe flaviae, dort. don. ah . . .^)
oh h ELLA • D ACI ca . . . praepos. equitibtcs
auxiLIABlBYS
Die gewöhnliche Reihenfolge der Ämter war praef ectus cohortw,
trihunits militum legionis, praefeetus alae.*) Deshalb ist es sehr
wahrscheinlich, dass der betreffende, bevor er praeposittis equiiibus
aumliarihus wurde, tribunus militum legionis und nicht praefechis
eohortis war.
leg. V Maced.
6. X 6321 (Dess. 1035) — Tarracina — Q. Boseio Sex. f \ Quir. Coelio
Murenae \ Silio Deciano Vibullo \ Pio Julio Eurydi Herdano
Pompeio Falconi cos., \ XVvir, s. f., procos. provinc. Asiae, leg.pr.pr.
1) Vgl. XI 5697 : aüecto ab optima imp. T. Äelt[o] Äntonino Äug. Pio p((Ure)
p{atriae) imp: U und XI 5694 (Dess. 2666 a) vom J. Ul.
2) Die leg. II Aug. staud in Britannia, die III Grall. und VI Ferr. im Orient.
Die Beteiligung der leg. XXX Ulpia als einer neugebildeten ist sehr unwahrscheinlich.
3) In der Lücke könnte sehr wohl auch der Name Domitians gestanden haben;
vgl. III 4013 (Dess. 1005) : donato [ab imp. Domitiano Äug, Germanico] hello Dacico.
Der Name des Kaisers ist getilgt, lässt sich aber sicher erkennen. Ferner VI 2725
(Dess. 2034): donis müitarib, donat. bis, ab divo Vesp. et imp. Domitiano Äug. Germ.;
VIII 1026 (Dess. 2127) : donia donatus a Domitiano ob bellum Dacicum.
4) Vgl. II 1086. III 386 (Dess. 2718). 600 (Dess. 2724). VI 3538 (De«. 2729). 32983
(Desa. 2728). XI 4748. 5959. 6033. 6123 und öfters; Marquardt II« 378, Hirschfeld Die
kaiserlichen Verwälhmgsbeamten* S. 418 f.
Die Le(/ionen der Provinz Moesia. 55
imp. Caes. Traiani Hadriani Aug. pravinc. \ Brittanniae, leg. pr. pr.
itnp. Caes.Nervae \ Traiani Aug. Oermanici Dacid \ \pr]ovinc. Moesiae
inferior., curatori \ [via]e Traianae et leg. Aug. pr, pr. provinc. i
[Judaeae e]t leg. X Frei., leg. pr. pr. prov. Lydae \ [et PamphyX\iae,
leg. leg. V Macedonic \ [hello Dadco, donis militari]btis donato. Da
Q. Boscius Falco die Statthalterschaft von Jadaea, welche er
ca. 107—109 (vgl. Prosop. E 68) verwaltet hat, bald nach der
Legation der leg. V Maced., in welcher Stellang er dekoriert worden
war, übernommen hat, so hat er die dona militaria in einem der
dakischen Kriege Traians, wahrscheinlich im ersten, als Legat der
leg. V Maced. erhalten.^) Daraus folgt, dass an dem ersten dakischen
Kriege Traians die ganze leg. V Maced. beteiligt war.
Unbestimmt, ob auf die Dakerkriege Domitians oder Traians zu
beziehen, sind noch folgende Inschriften:
7. m 7397 (vgl. 12325 + p. 2316«) — Perinthos — M. JuUus Avitus
UUinia Beis ApoUinar. \ 1 leg. XV Apol. item 7 leg. V \ Mac. et
leg. XVI Fl. fir., bis , donis donatus hello Da^[o'\ \ et hello Oerthanico,
; sorores fratri \ optitno [et] pientissimo.
8. m 12411 (Dess. 2666»») — „Gefunden in der röm. Nekropole NW
vom Dorfe Nedan" (Moes. inf.) — d.m.\ L. Val. L. f. Produs \ mil
leg. V M(aced.), {henef.) lega(ti), \ opt(io) ad spe{m) ordin{is), \ 7 leg.
eiusd{em), d{onat.) tor. ar. \ pha[le]r. hei. Dac.^ 1 leg. I \ BcU., 7 leg. XI
Cl, 7 leg. I XX V(al.) v{ictr.), 7 leg. Villi Hisp., \ mis{sus) h(onesta)
mis{8ione), rix. an. LXXV, h. s. e.
9. XII 3167 (Dess. 1016) — Nemausus — T. Julio Sex. f. Volt. Maximo
Ma ... I Broccho Servilian. A. Qtuidron[io] \ L. Serv^ilio Vatiae Cassio
Cam ... 1 leg. Aug. leg. IIIIFlaviae, leg. Aug. leg. IAdiu1[r., leg. Aug?\
iuridico Hisp. citerior. Tarraconens., pr{aetori), a[ed. cur?, q{u<iestori)]
I provinciae Hisp. ulterioris Baeticae, don[ato] \ hello Dadco coronis
murali et vallari h[asta pura] \ veodllo, trib. mil. leg. V Macedonic,
seviro [equitum] \ Born. türm. 1, Xviro sÜitibus iudi(![andis], Cala-
gurritani \ ex Hispania dteriore patr[ono].
Schiller I 551, 2 zitiert für die leg. V Maced. noch Le Bas-
Waddington ni 728, doch kann ich in dieser Publikation eine solche
Inschrift nicht finden.
leg. Vn Claud.
10. XI 5992 = S. 42 f. für einen der dakischen Kriege Traians; vgl. S. 44.
11. II 4461 (Dess. 2661) — Aeso (Hisp. Tarrac.) — L. Aemilio \ JL fil.
Oal. I Patemo p.p., \ praef. fahr., D leg, VII 0{em.), \ 0 leg. I M{in.),
1) An die dakischen Kriege Domitians ist jedenfaUa gar nicht zu denken, weil
Q. RoBcius Falco im J. 97 oder bald darauf tribunus plebis war (Plin. epist. 1 28) and
erst nach dieser Stellung die Legation der leg. V Maced. übernommen hat; vgl. Dessau
SU 1036.
56 Bogdan Filow,
D leg. VII Cl \p. f.], \ J leg. XIII 0(em.), Dcoh.X[.. urb.l D coh. Uli
pr,, CCC^) leg. II Au\g^ \ et p. p., ter donis donato \ ab imp. Traiano
torqui ' bus armillis phaleris \ Corona vällari, bis \ in Dada, semel in
Parthia, \ Aülia L. fil Vera bene de se merito. Der betreffende
wird sich die dona militaria in den dakischen Kriegen Traians als
Centurio der leg. I Min.«) und VII Claud., oder der leg. VII Cland.
und Xin Gem., die in dem parthischen Kriege als Centurio der
coh. IV praetoria erworben haben.
1 2. Die leg. VII Claud. scheint noch an der ersten entscheidenden Schlacht
bei Tapae sich beteiligt zu haben, wie Cichorius Die TraianssätUe
II 118 aus dem Vorkommen des Adlers dieser Legion an der
betreffenden Stelle des Säulenreliefs erschlossen hat.
13. Auf einen der Dakerkriege Domitians oder Traians bezieht sich
wahrscheinlich auch III 12 498 — Tomi — T, Valerim T, f. CoUina
Germantis Pessennunto immaginif, leg, VII Qlaud.) p. f., donis (bis?)
don,, I inxit an, LVII, A. s. e. Heredes T, Valeritcs [J]uli€^n]us et
L. Valerius [0]e[r]m[an]us et Valeria Germana et C[l J]u\lia coniun[x]
b{ene) [m]e(renti).
Wichtiger sind die Dakerkriege Traians für die mösischen Legionen
in einer anderen Beziehung gewesen, nämlich dadurch, dass seitdem die
mösischen Legionen teilweise ihre Standquartiere verändern mussten, und
dass eine Änderung in der Zusammensetzung des mösischen Heeres herbei-
geführt wurde. Alle diese Neuerungen waren durch die Gründung der
Provinz Dacia bedingt, so dass es notwendig ist, bevor wir weiter gehen,
einen Blick auf die Legionen der neuen Provinz zu werfen.
2. Daela.
Nach Beendigung des zweiten Krieges im J. 107 wurde Dada als
prätorische Provinz eingerichtet^) und ei-st unter M. Aurel in eine kon-
sularische umgewandelt.^) Zu ihrer Besatzung bis M. Aurel hat also
nur eine Legion gehört, da ein Pi'aetorier zwei Legionen nicht befehligen
konnte.*)
Es gibt zwei Legionen, welche zahlreiche Spuren von einem Aufent-
halte in Dacia hinterlassen haben: die frühere pannonische XIII Gem.
1) Über den trecenarius vgl. Mommsen Ephem. epigr. IV 242 ff., v. Domassewtki
Religion S. 93, Yaglieri Buüett. comundle di Borna 1899, 46 segg.
2) Die leg. I Min. hat sich an beiden dakischen Kriegen Traians beteiligt:
II 2424. III 550 (Dess. 308). VI 3584 (Dess. 2656); vgl. Spart, vit. Hadr. 8, SchilUng
Diss. 47 sqq., Cichorius Die Traiarmäule II 228. 368 f., 111171.253.
3) Marquardt I«308f., v. Domaszewski Bhein. Mus. XL VIII (1898) 248, Jnng
Fakten S. 1 ff.
4) Marquardt P 309 f., v. Domaszewski a. a. O. S. 244, Jung a. a. O. S. 17.
5) Mommsen Staatsrecht II« 247, 8, v. Domaszewski Bhein. Mus. XLV (1890) 208;
vgl. auch S. 16 ff.
Die Legionen der Pfvvinz Moesia. 57
und die mösische V Maced. Welche von diesen die Besatzung der prä-
torischen Dada bildete, zeigen die Inschriften: unter denen der leg. V
Maced. gibt es keine, welche in die Zeit vor M. Aurel gesetzt werden
kann, während die leg. Xin Gem. schon unter Hadrian in Dacia stand*)
und auch nach dem bekannten vatikanischen Legionsverzeichnisse
(VI 3492 = Dess. 2288) allein die Besatzung der Provinz bildete.«)
Schwierigkeit macht nur die Zeit Traians, denn für diese Zeit ist keine
Legion in Dacia direkt nachweisbar, und so sind darttber verschiedene
Ansichten ausgesprochen worden.
Jünemann^) nimmt an, dass zuerst die leg. I Ad. die Besatzung von
Dacia gebildet habe, und der Abmarsch der leg. XV ApolL im J. 114 aus
Pannonia nach dem Orient soll die Veranlassung für die Versetzung der
leg. I Ad. von Dacia nach Pannonia und der leg. XIU Gem. von Pan-
nonia nach Dacia gewesen sein.*) Wir wollen diese unbegreifliche Ver-
schiebung der pannonischen Legionen gelten lassen und die Gründe, welche
für den Aufenthalt der leg. I Ad. in Dacia angeführt sind, für sich
allein prüfen.
Die beiden Inschriften aus Apulum sind Weihinschriften von Veteranen
der leg. I Ad.*) und können deshalb den Aufenthalt der Legion in Dacia
nicht beweisen. Die erstere ist schon unter Traian gesetzt worden. Da
die Legion abBr an beiden Kriegen teilgenommen hat,") so ist die An-
wesenheit ihrer Veteranen in Dacia gleich nach dem Kriege sehr begreif-
lich. Ebenso wenig lässt sich aus dem Umstände, dass ein Veteran
der leg. I Ad. als magistra{n)$ in den Canabae von Apulum erscheint
(Inschrift b), den Schluss ziehen, dass diese zu der leg. I Ad. gehört
haben. Denn in den Canabae der einzelnen Legionen erscheinen als
1) Vgl. die auf S. 61, 7 besprochene Inschrift aus H^viz und III 1061 (Dess. 4006)
— Apulttoi — Jifivi) o{ptimö) m(aximo) \ et consesaui deo\rum dearumque \ pro aalute
imperii \ Bomani et virtute \ leg. XUI G(em.) sub M. Statio \ Prisco eonsule de\8ign(Uo.
M. Statiot FritcuB war Statthalter von Daoia im J. 158, cansul Ordinarius im J. 159;
vgl. Jung Fasten S. 11 n. 15, Prosop S 637.
2) Pfitsner S. 85f. 96. 162. 239 hat dieses Verzeichnis missverttanden und den SchloM
gezogen, dass damals in Dacia drei Legionen gestanden haben: Y Maced., XI Claad.
und XIII Gem. Die Sache ist schon von Mommsen Ephem. epigr. lY 528, 3 richtig
gestellt. — Das vatikanische Legionsverzeichnis stammt bekanntlich aus der Zeit
zwischen 135 und 169 n. Chr. (Ritterling Diss. 50, 1). Trommsdorff Dies. 85 hat ver-
sucht die Zeit naher zu bestimmen und setzt seine Abfassung unter Antoninus Pius
(188-161).
8) Diss, 67—70.
4) Junemann Diss. 72.
5) a. III 1004 — Dominae et d{is) [oder dieae)\ | prosalut. \ imp. Nerva(e) \ Traiani \
Caes. Äugu. \ Ger. Daci., | L. AnUmius \ ApoUin[aris] \ vet. leg. I Ad. p. f.
b. III 1008 (Dess. 2476) — FoHunae \ Aug. sacr. et geni\o canabensium, \ L.
Silius Maximus | v[et.] leg. I Ad. \ p. f., magisUra(n)s \ primus in can(abis), \ d. d., | ei
Silia Januaria | et Silius Firwdnus.
6) Ygl. Cichorius Die Traianssäule II 34, III 56 f.
58 Bogdan Filow,
magistrantes auch Veteranen anderer Legionen, wie auch solche der
Auxiliartruppen.^)
Bedenken könnte eher ein Ziegel (HL 8062 = 1628, der Fundort ist
unbekannt) erregen mit dem Stempel:
LEG Xm G ET I AQI
Gestützt auf dieses Zeugnis haben auch Mommsen^) und Schiller^)
angenommen, dass zuerst diese beiden Legionen in Dacia gestanden
haben. ^) Denn es kann nicht geleugnet werden, dass das Vorkommen
von Militärziegeln in einer Provinz den Aufenthalt der betreffenden
Truppe in der Provinz sichert. Aber welche Schlüsse man aus den
Ziegelfunden ziehen kann, das werden uns am besten eiüige Beispiele
zeigen.*^)
In Dacia (Szent-Mihily) ist ein Ziegel mit dem Stempel LEG • VI •
ElSijfana) gefunden worden (HI 8069), mehrere Ziegel derselben Legion
auch in Pannonia inferior (Eszek, III 3754). Es kann nur die leg. VI
Victr. gemeint sein. Sie stand zuerst in Kispania, dann von Vespasian
bis Hadrian in Germania inferior, und unter dem letzteren Kaiser wurde
sie nach Britannia versetzt, wo sie dauernd geblieben ist.') Da es sehr
unwahrscheinlich ist, dass diese Legion jemals aus Britannia an die Donau
kam, so können die angeführten Ziegel nur aus der Zeit der Dakerkriege
Traians stammen. Denn ein längerer Aufenthalt der leg. VI Victr. an
der Donau und zwar in zwei Provinzen (Pannonia inferior und Dacia)
ist ausgeschlossen. Wohl aber kann eine veocillatio der Legion an einem
der Dakerkriege teilgenommen und während dessen einige Bauten in
Pannonia inferior und Dacia ausgeführt haben.')
Noch lehrreicher sind die Ziegel der leg. IV Flav., welche bis zum
J. 86 in Dalmatia, seitdem immer in Moesia superior gestanden hat
1) a. m 11584-p. 1015 (Desa. 2477) — Apulum — Victariae | Äug. | L. JuL T.
[/*.] OdUr, I Leuganus Clunia vet. leg. \ XIIII G{em.) M(artiae) v{ictrieis\ atdis \ custoB
c(%viutn) R(ftmanorum) leg. XHI, \ nomine suo et \ C. Jtd. PtUemi fUi \ tut d. d.
b. m 1100 (Des8. 7171) — Apulum — Pro aalute Aug., m^atri) d(eum) m{agnae)
sanctumy \ T. Fl. Langinus vet. ex dec. al(ae) II Pann(oniorum), | dee. ooL Dae(icae\
dec. mun. Nap(ocae) , dec. kanab(arum) \ leg. XTTT G(em.\ et Cl. Candida caniunx et
Fkm I Langinus Clementina Marcellina fil. \ ex imperio pecunia sua fecer(unt). L^oeua)
d(atu8) d(ecreto) d(ecurionum). Vgl. Mpmmsen Die röm. Lagerstädte, Hermes YII 814^
2) CIL. unter n. 1628.
3) A. a. 0. I 558.
4) Dieselbe Ansicht vertreten auch v. Domaszewski Ärch.-epigr. Mitt. XHI (1890)
144, 82, Religion S. 24, 98 und Jung Fasten S. 88 n. 4.
5) leb gebe auf diese Dinge desbalb ausfUbrlicber ein, weil die unricbiige Auf-
fassung der Ziegelfunde oft grosse Verwirrung verursaebt hat Man vergleiche b. B.
Jung Fasten S. 16 und S. 141, 4. Weder Sarmizegethnsa bat jemals su Moesia superior
gehört, noch stand die leg. IV Flav. unter dem Statthalter von Dacia.
6) Vgl. im allgemeinen Cagnat p. 1083.
7) Ist das richtig, so müssen auch andere untergermanische Legionen veanUaiiones
für den Krieg gestellt haben.
Die Legionen der Provinz Moesia. 59
Ziegel von dieser Legion, abgesehen von Dalmatia und Moesia superior,
sind an folgenden Orten gefanden worden: 1. in Dacia und zwar in
MehadiaO und in Sarmizegethusa,^) 2. am linken Donanufer und zwar
mehrere Exemplare in Zsidowin (zwischen Temesv&r und Viminacium)^)
und in Szerb-Poszeszena (in der Nähe von Viminacium),^) 3. in Pannonia
inferior, mehrere Exemplare in Sirmium*) und zwei in Aquincum.«)
Dass die ganze leg. IV Mav. an allen diesen Orten sich nicht dauernd
aufgehalten haben kann, ist klar und bedarf keiner weiteren Erörterung.
Die dakischen Ziegel können aus den Dakerkriegen Traians herstammen,
die pannonischen dagegen etwa aus dem Markomanenkriege M. Aureis;
denn an beiden Kriegen hat die Legion sich sicher beteiligt.^) Diejenigen
aber, welche am linken Donauufer in der Nähe von Moesia superior
gefunden worden sind, beweisen, dass diese Gegend administrativ zu
Moesia superior gehörte.^)
Im Museum zu Eszeg befinden sich Ziegel der leg. V Maced. und der
leg. Xin Grem., welche nur in Pannonia inferior gefunden sein können.*)
Auch die leg. VII Claud. hat sowohl in Dacia wie in Pannonia inferior
Ziegel hinterlassen,i<>) obwohl sie immer in Moesia superior gestanden hat.
Es wird doch Niemand deswegen annehmen wollen, dass alle diese Legionen
zu irgend einer Zeit zum Heere von Pannonia inferior gehört haben,
obwohl ihre oder ihrer vexiüationes Anwesenheit dort auf kurze Zeit
sich nicht bezweifeln lässt. Schliesslich hat auch die leg. XI Claud.,
welche seit dem J. 101 in Moesia inferior gestanden hat,^^) einige Ziegel
in Pannonia hinterlassen und zwar wieder in den Hauptlagem Aquincum")
und Brigetio,^'*) ausserdem noch in Oedenburg,**) welche ebenfalls nur auf
einen vorübergehenden Aufenthalt dieser Legion in Pannonia schliessen
lassen, sei es zur Zeit Traians, sei es zur Zeit der Markomanenkriege.
Auch die Ziegel der leg. VIEL Aug. aus Aalen in Raetia (III 11991), wo
bis M. Aurel keine Legionen gestanden haben, mögen in diesem Zusammen-
hange erwähnt werden.
Die hier angeführten Beispiele zeigen ganz deutlich, dass von Legio-
nen oder abkommandierten Abteilungen von ihnen, die während eines
1) III 8070 a.
2) 111 8070 e. f.
3) ni 8070 b. c.
4) U18070d.
5) III 10664a. b. c.
6) 11110668 a. b.
7) Für die Dakerkriege vgl. S. 54, für den Markomanenkrieg S. 76.
8) Vgl. S. 5, 1.
9) III 15 174. p. 232«»' ad n. 8064, 10.
10) 1118071b aus Mehadia; 10666 (Tgl. p. 2828^«'*) aus Sirmium.
11) Vgl. S. 65flF.
12) 11111361a.
13) 11111351b.
14) III p. 2828*« ad. n. 11351.
60 Bogdan Filow,
Feldzuges in einer fremden Provinz, zu deren Besatzung sie nicht ge-
hörten, sich aufgehalten haben, häufig Ziegel gebrannt worden sind.
Es ist gewiss kein Zufall, dass gerade in Dacia und Pannonia, den
grössten Kriegsschauplätzen des zweiten Jahrhunderts, Ziegel der ver-
schiedensten Legionen gefunden werden, während z. B. in Moesia, Oermania
oder Britannia die Ziegel auf die einheimischen Legionen beschränkt
sind. Dass unter solchen Umständen auch der oben angeführte Ziegel der
leg. Xm Gem. und I Ad. (TU 8062) den dauernden Aufenthalt dieser
Legionen in Dacia nicht beweist, liegt auf der Hand. Man könnte daraas
höchstens den Schluss ziehen, dass die beiden Legionen sich an den
dakischen Kriegen Traians beteiligt haben, was wir für die leg. I Ad.
auch aus der Traianssänle wissen.^) Es fehlt also jeder Gmnd f&r die
Annahme, dass die leg. I Ad. zu der Besatzung von Dacia gehört habe.
Wenn sie nach Beendigung der Dakerkriege nicht nach Germania zurück-
kehrte, war sie schon damals in Pannonia stationiert.*)
Mommsen *) und Pfitzner *) haben angenommen, dass die leg. V Maced.
nach Beendigung des Krieges wenigstens einige Jahre in Dacia geblieben
sei und dort die Kolonie Sarmizegethusa im J. 110 gegründet habe.*)
Diese Annahme beruht lediglich auf der Ergänzung einer Inschrift aus
Sarmizegethusa (III 1443), welche nur handschriftlich in drei Exemplaren
erhalten ist. Das eine ist stark interpoliert und kommt nicht in Betracht;
massgebend sind nur die zwei anderen, welche unabhängig von einander
abgeschrieben sind. Mommsen hat, gestützt auf eine ähnliche Inschrift
aus Thamugadi,«) den Text folgendermassen rekonstruiert:
ex AYdoritate imp. cae
SARIS DIVI NERVae f.
TRAIANI AVGVSTI
CONDITA COLONIA
DACICA 5
PER
%. V M SCAVRIANVS
%. EIVS PRO PR
d.d.
Die Schwierigkeiten, welche bei dieser Ergänzung entstehen, hat
Mommsen natürlich nicht übersehen: nämlich, dass in einer offiziellen
1) Vgl. Cichorius Die IVaianssäule II 34, III 56 f.
2) Cichorius a. a. O. III 57 f. hat angenommen, dass die leg. I Ad. zwischen den
beiden Dakerkriegen in Dalmatia gestanden habe. Dalmatia war aber schon unter
Domitian inennis (vgl. S. 46), und es lässt sieb kein Grund finden, warum Traian
wieder eine Legion dorthin geschickt haben soll.
3) CIL. III unter n. 1443 und p. 229.
4) A. a. 0. S. 86. 162. 239.
5) Diese Ansicht vertritt auch Jung Bömer und Rotnanen in den Donaüländem
S. 92, Jiomnn. Lniidsch. des röm. Haches S. 383 und neuerdings Fasten S. 2 n. 1.
6; Vi II 2355.
Die Leyionen der Provinz Moesia, 61
Inschrift der Beiname der leg. V Maced. nur durch M abgekürzt,^) und
dass der Legat nur mit seinem Cognomen genannt wird. Es hat sich
später noch herausgestellt, dass in dem Exemplar a Zeile 6 der Punkt
zwischen V und M und das S am Schluss von Scaurianm fehlen.*) Der
Schluss der beiden massgebenden Abschriften gestaltet sich hiemach
f olgendermassen :
a) PER b) PER
VM SCA VRIAN V M SCAVRIANVM
EIVS PRO PR
Wir haben also mit Borghesi'*) den Schluss der Inschrift zu lesen:
PER
d. termtiWU SCAVRIANVM
Ug. EIVS PRO PR.
D. Terentius Scaurianus verwaltete Dacia im J. 110 und war ver-
mutlich der erste Statthalter dieser Provinz.*)
So kann auch der Aufenthalt der leg. V Maced. unter Traian in
Dacia nicht nachgewiesen werden. Die Legion, welche schon unter diesem
Kaiser in Dacia gestanden hat, kann keine andere als die leg. Xin Gem.
sein, deren Aufenthalt in dieser Provinz wenigstens seit Hadrian gesichert
ist,*) und die sich auch an den Dakerkriegen beteiligt haben muss.^
Wir haben gar keinen Grund anzunehmen, dass vor Hadrian eine andere
Legion in Dacia gestanden haba^
3. Hoesla superior.
Was Moesia superior betrifft, so haben weder die Dakerkriege
Traians noch die späteren Ereignisse eine Veränderung bei den Legionen
herbeigeführt, obwohl der Umfang der Provinz in späterer Zeit bedeutend
kleiner wurde. Die beiden Legionen IV Flav. und VIl Claud. kommen
1) Diese AbkUrzuDg ist im Übrigen durchaus nicht selten, vgl. III 987 (Dess. 3847).
6162. 6169. 6189. 12411 (Dess. 2666b) and die Ziegel III 6240c und 12524.
2) Vgl CIL. III p. 1407.
3) Bei OrelliHenzen p. 494 sq. ad n. 509; vgl. auch Hirschfeld SiU.-Ber. d.
n'iener Akad. LXXVII (1874) 865, 2.
4) Vgl. Jung Fasten S. 2 n. 1, Prosop. T 68.
5) Vgl. S. 56 f.
6) Ihre Beteiligung an den Dakerkriegen wird, so viel ich sehe, inschriftlich
direkt nicht bestätigt, doch gibt es Inschriften, welche darauf bezogen werden können.
Vgl. III 8438 (Dess. 2597) — Narona — . . . [dom]o (?) Äriminio) \ mil Ug. XIU,
donat. iorq. \ armil. pfml., et. 7 coh. I Camp., an. LX, t{e8tamerUo) f(ieri) {(ussit).
Posidonius \ et Prunicus lib. posuer. | et dli ne(mini), h. 8. e. — Dess. 2688 — Aquileia
— T. Statins P. f. | Serg. Marrax \ prim. pil. leg. XIII \ Geminae, \ donatus | torfuib.
armtU. | phaleris, hasta | pura hiSy coron[is] \ aureis quinlque]. Die Venchweigung des
Namens des Kaisers ist an sich selbst bedeutungslos (S. 58). Vgl. femer noch 11 4461
(Dess. 2661) = S. 55 n. 11 ; III 18648 (Dess. 2668) = S. 50 n. 18 und S. 60.
7) Das Lager der leg. XIII Gein. war in Apuluni. Vgl. CIL. 111 p. 182 und die
zahlreichen Inschriften aus diesem Orte. Die Annahme, dass die Legion unter Hadrian
62 Bogdun F\lou\
auch nach dem bekannten vatikanischen Legionsverzeichnisse (VI 3492
= Dess. 2288) Moesia snperior zu. Dio LV 23 f. kennt dieselben Legionen
in dieser Provinz, und sie sind dort noch im vierten Jahrhundert nach-
zuweisen. Schliesslich erscheinen der Löwe und der Stier, die Tierbilder
der leg. IV Flav. und Vn Claud., fast auf allen vom J. 239 bis 254/5 in
Viminacium geprägten Münzen der Provinz Moesia superior.*)
Die leg. VII Claud. stand, wahrscheinlich schon seit sehr früher Zeit,
in Viminacium,®) wo auch viele Ziegel der 'Legion gefunden worden
in H^yiz, im östlichen Teile der Provins, gestanden habe (so Monimsen CIL. III p. 160,
Jung Eömer und Bomanen S. 96, Roman. Landsch. S. 890, doch jetzt Fasten S. 130
urteilt er anders), beruht auf einer Inschrift aus diesem Orte (III 958), welche too
Mommsen folgendermassen ergänzt ist:
tmp. caes. divi traiani pa
nepoti traiano hadrian
leg.
iRTHIC FIL DIVI nerwu
lO AVG PONTIF Mäc.
XIII G SVB TIB Cl. audio
G ANTONIN//N/
Man hat in dem Tib. Claudius den Legaten der Legion gesehen (vgl. Index zu
CIL, m p. 2482 unter leg. XIII Gem., Pro8op. C 628, Jung Fasten S. 57 n. 6), und
demnach müsste die Inschrift von der ganzen Legion gesetzt sein. Aber es kann sich
hier auch nur um eine vexiüaiio der Legion handeln, welche unter einem Centurio
gestanden hat. Der übliche Ausdruck in solchem Falle ist aUerdings sub cura Juni
Vietoris (vgl. II 6188 = Dess. 2293. HI 1980 = Dess. 2287. DI 6745. 7449. 8099), aber
es gibt auch Beispiele, wo das Wort cura fehlt:
a) Xm 4623 — Norroy (Prov. Belgica) — Herculi Saxsäno | vexOlari le(g.) XXI
Ba(p.) I et auxilia eorum ch\ortes (sie) F, qui sunt sub \ L. Pcmpeio Secundo 7 | 2^0
XXI, V, s. l m.
b) Buü. de corr. helUnique 1902 p. 165 n. 5 = Rev, archiol 1908 II p. 443
u. 252 — Seleucia Pieria — in^. T. Adio [Ha]d[rt]\ano Antonino \ Aug, Bio p{airi)
p(atriae) vexil leg, \ IUI Scy[t. et leg,] XVI F. f, | su[b] Sui[picio?] JuUa\no.
Ein Legat der leg. XIII Gem. mit dem Namen Tib. Claudius ist erst aus der
Zeit des Septimius Severus bekannt (vgl. Jung Fasten S. 57 n. 6, Prosop. C 678), und
deshalb wiU Jang a. a. 0. S. 58 die Inschrift aus H^viz erst in die Zeit des Septi-
mius Severus setzen, was aber wegen der ersten erhaltenen Zeilen unmöglich ist Da-
gegen finden wir einen Centurio der leg. XIII Gem. mit dem Namen Tib, Claudius)
Vdlertanus auf der Inschrift aus Apulum III 981 , welche ebenfalls aus dem zweiten
Jahrhundert zu stammen scheint: Aesculapio et \ Hygiae Tib. Cl(audius) | Valerianus
7 I leg. XIII G{em,) et \leg.] \ I aitricis (sie) | voto p(osuit). Aus diesen Gründen möchte
ich die Inschrift aus H^viz folgendermassen ergänzen:
imp, caes. divi traiani ^wijRTHIC FIL DIVI nervae
nepoti traiano hadrian 0 AVG PONTIF Maximo
vexiHatio leg. jXIII G SVB TIB CL wderiano
7 Ug. eiusdem \ G ANTONIN//N/
Eine ähnliche Inschrift besitzen wir auch aus Kutlovitza (Moesia inf., III 7449 =
S. 65, 1). Wenn auch H^viz ein solches Kastell besass wie Kutlovitza (vgl. über dieses
Kastell Mommsen Ephem, epigr, IV 525 sqq.), so folgten in der hier besprochenen
Inschrift die Namen der Mannschaften, welche die Besatzung bildeten, und von denen
in der letzten Zeile der Inschrift nur ein Rest erhalten ist
1) Vgl. Pick Die Münzen S. 27 f, n. 70 ff.
2) Ptolem. III 9, 3 Müller; vgl. Itin. Anton, p. 133, Not. dign. or, XLI 81; CIL,
III p. 264 und zu n. 1701 , Cagnat p. 1088. Viminacium scheint schon unter Tiberins
Die Legionen der Provinz Moe^ia. 63
sind.") Auf einem von ihnen*) steht der Stempel LEG YlM(i7iaciensis),
womit nur die leg. Vn Claud. gemeint sein kann.
Das Lager der leg. lY Flav. lässt sich ans den Inschriften nicht
bestimmen,*) doch seit Traian ist es sicher Singidunnm gewesen.*) Dieses
letztere hat aber erst unter Traian grössere Bedeutung erlangt und vor
der Eroberung Dakiens ist dort kaum ein Legionslager entstanden.^
Dagegen hat Ratiaria schon sehr früh grosse militärische Bedeutung
gehabt,*) und es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass die leg. IV Flav.,
bevor sie unter Traian nach Singtdunum verlegt wurde, dort gestanden
hat^ Dafür spricht wenigstens noch der Umstand, dass Ratiaria von
Traian zur Kolonie erhoben wurde,*) was mit der Verlegung der Legion
nach Singidunnm in Zusammenhang stehen kann.^)
4, Moesia inferior.
Hier standen bei dem Ausbruche der Dakerkriege Traians die leg. I
Ital. und V Maced. (S. 47). Die erstere Legion hat die Provinz, so viel
wir sehen, niemals dauernd verlassen. Ihr Lager war Novae, ^<*) zugleich
Hauptstadt der Provinz Moesia inferior.^^)
Legionslager gewesen zu sein; vgl. v. Domaszewski N, Heiddb. Jahrb. I (1891) 198
und Österr. Jahresh. V (1902) 147 f.
1) in 1700. 6324. 6325. 8071. 8275. 12675 und die Ziegel in den Österr. Jahresh,
VI (1903) BeibL Sp. 53flF., Vin (1905) Beibl. Sp. 8 ff.
2) m 1701. Der Fundort ist unbekannt.
3) Ziegel sind vor allem in Singidunnm (III 6824. 8276, 2), Viminacium und dessen
Umgebung (IH 8070 b. c. d. 8276,1c. 13815. 14597 und Österr. Jahresh. VI Beibl.
Sp. 52 f., VIII Beibl. 3 n. 7) gefunden worden. Über die ausserhalb der Grenzen Ton
Moesia sup. gefundenen Ziegel vgl. S 58 f .
4) Ptolem. in 9, 3 Müller; vgl. Bin. Anton, p. 132: Sinffiduno castra, Not. dign.
or. XLI 30; Cagnat p. 1080, v. Premerstein ÖsUrr. Jahresh. IV (1901) Beibl. 105.
5) Vgl. V. Domaszewski N. Heidelb. Jahrb. I (1891) 198, 1.
6) V. Domaszewski a. a. 0. S. 198, Westd. Zeitschr. XXI (1902) 175.
7) Welche Legion vor der IV Flav., die ja erst im J. 86 nach Moesia sup. kam
(S. 46), in Ratiaria gestanden hat, wissen wir nicht. Vor der Teilung der Provinz
könnten dort auch zwei Legionen gestanden haben.
8) Die col(pniä) mp(ia) Ratiar(ia) wird z. B. genannt III 7492 = 753 (Dess. 1465).
6294 (Dess. 7175). 8088 (Dess. 7176); Komemann bei Pauly - Wissowa IV 547 n. 229
(unter eoUmiae).
9) Vgl. auch S. 64.
10) Vgl. Ritterling Diss. 49, 1, Beuchel Diss. 60—79; Itin. ÄnUm. p. 221, Not.
dign. or. XL 30, Bavennas p. 187, 7. 189, 10 (IV 7). Die Angabe des Ptolem. UI 10, 5,
wonach die Legion in Durostorum gestanden haben soll, beruht, wie jetzt ganz sicher
fieststeht, auf Missverständnis der späteren Abschreiber.
11) Vgl. CIL. III p. 992 und die in Novae gefundene Inschrift aus dem J. 224
in 7591 (Dess. 2295): dis militaribus, \ GeniOj Virtuti, A'quilae sanc(tae). 3ignis\que leg. I
Bai. 8eve\rianae, M. Aurel. \ Justxis domo Ho[r]rei Margensü m{unicipio?) \ Moesiae supe-
rto{m, ex (trecenario), p(rimus) p{ilus) \ d(pnum) d{edit). — Dedic(atum) Xu Kai | Oct.
JuUano I n et Crispino \ cos. | [pey Annium Balicum \ leg. Aug. pr. pr. Die Weihung
wurde von dem Statthalter nur an seinem Amtssitze persönlich vorgenommen, sonst von
dem Legaten der Legion. Vgl. v. Domaszewski Religion S. 110 mit Anm. 452.
64 Bogdan Filow,
Auch die leg. V Maced. ist nach dem Kriege nicht in Dacia geblieb^i
(S. 60 f.). Sie ist also wieder nach Moesia inferior zorflckgekehrt and
stand von Hadrian bis M. Aurel in Troesmis.^) Dagegen seit Vespasian,
spätestens seit der Teilung der Provinz, war ihr Lager in Oescos.*)
Ihre Versetzung nach Troesmis ist sicher unter Traian erfolgt, weil
Oescus von ihm zur Kolonie erhoben wurde,*) was nur bei der Wegziehong
der Legion aus diesem Orte möglich war.^) Oescus und Ratiaria haben
die militärische Bedeutung, die sie im ersten Jahrhundert besassen, durch
die Gründung der Provinz Dacia verloren, und die Legionen mussten
anderswohin verlegt werden. Wir haben zwar bis jetzt noch keine
Beweise dafür, dass auch in Ratiaria eine Legion während des ersten
Jahrhunderts gestanden hat. Da aber Ratiaria in derselben Weise wie
Oescus von Traian behandelt wurde, ^) so lässt sich nicht bezweifeln, dass
auch der erstere Ort vor Traian ein Legionslager war. Die Legionslager
des mösischen Heeres im ersten Jahrhundert können übrigens noch nicht
mit Sicherheit festgestellt werden, und alles, was bis jetzt darüber vor-
gebracht ist, geht nicht über Vermutungen hinaus.
Nach dem vatikanischen Legionsverzeichnisse (VI 3492 = Dess. 2288)
stand in Moesia inferior, ausser den Legionen I Ital. und V Maced., noch
1) a. III 6166 t- p. 1008 (Dess. 2474) - Troeamis — \p]ro 8di(ute) | tmp. Caesar, j
Tra(iam) Hadr(iani) \ Aug., C. Vdl. \ Pud. vet. le(g.) V \ Mae. et M, ülp. Le[(mL ma-
g(istris) canahe(nsium) et \ Tuc(cio) Ael(iano) aed(ile) d(onum) d(afU) \ vet(eran$) et efivee)
B(pmant) con8{i8tentes) ad | canah(a8) leg. V Ma{ced.).
b. lU 6168 — Troesmis -— tmp. Caemri \ T. Ael. Hadriano | Antanino \ Aug. Pio
p{atr%) p(atriae), \ Ti. Cl. Celstia \ p(rimu8) p(ilwf) leg. V. Mac.
c. III 6169 — Troesmis — [p]ro sal. imp. Ant. | et Veri Aug.^ leg. V Mac^ \
JaUi Bassi leg. Aug. \ pr. pr., Marti Veri Ujg.] \ Aug., P. Ael. Quintianus \ Magni fU.
7 leg. V M{aced.) .... Vgl. Ptolem. III 10, 5 (MüUer); CIL. lU p. 999. Auch Ziegel
der leg. V Maced. sind in Troesmis gefunden worden: III 6240. 7618.
2) Vgl. Y. Domaszewski N. Heiddb. Jahrb. l (1891) 197 f. und Weetd. Zeüeehr.
XXI (1902) 189. Auf diesen Aufenthalt der leg. Y Maced. in Oescus besieht er (IVeetd.
Zeitschr. XXI 188 AnoL 212) folgende Inschriften:
a. m 12348 -f p. 2316*» — Beschli, in der Nähe von Ocmus — C. FiWliit a
f. I Fab. Fro\nto do\mo Bri\xia vet\r (sie) leg. V \ 3f[ac.], vi\a{ü an]ni.
b. m 14415 — OeMSus — C. Anni\u8 C. f. | Ani. Müo \ Luca vet. | leg. V Mae.,
vix. ann. Ferner die unedierte, bei ihm abgedruckte, ebenfaUs in Oescus gefundene
Inschrift L. Septimius C. [f.] midies) leg. V Mae., vix. a. LX, mäüav. a. XXX, h. 8. e.
Maeolia l(ibertä) [et] coiux f. c.
3) III 7429 (Dess. 1465) aus Oescus: (honorato) ab ardine col. ülp. Oeecii); Tgl.
auch III 14416 (Dess. 7178), ebenfalls aus Oescus: princeps ordinis eol. Oeic(i) and
VI 31 146: lUipia) Oe3c{us)\ Kornemann bei Pauly-Wissowa a. a. 0. n. 232.
4) Vgl. Mommsen Die röm. Lagerstädte, Hermes VII (1873) 299 ff., bes. 828 f.,
Schulten bei Paulj- Wissowa III 1455, Nissen Novaesium (Bonn. Jahrb. 1904) S. 8 f. —
Dass der grosse «Traians'-Wall in der Dobrudscha nicht unter Traian angelegt sein
kann, wie noch Schiller I 554 (vgl. auch Mommsen B. G. V 206 f.) angenommen hat, ist
schon ?on Schuchhardt Jahrb. des arch. Jnst. XVI (1901) 119 bemerkt worden; Tgl.
auch Cichorius Die Denkmäler S. 8.
5) Vgl. S. 63.
Die Leffioneti di*r Provinz Moesicu
SS
die leg. XI Claud. Den Aufenthalt der letzteren in Moesia inferior im
J, 155 bestätigt eine Inschrift aus Kutlovitza.Vi In den ersten Regierungs-
jahren Traians stand sie dagegen noch in (Jeitnania superior,*) Z\^ischen
diesen beiden Daten ist also die Versetzung der Legion nach Moesia
inferior erfolgt Einen weiteren Anhaltspunkt bietet der Umstand, dass
die Canabae der leg. XI Claud. in Dm-ostorum, dem Hauptlager der
Legion,"") den Beinamen Äelmc führen,*) Demnacli war die leg, XI Claud*
in Durostorum schon unter Hadrian oder spätestens unter Antouinus Pius.
Aber ein Gi-und für die Versetzung der Legion nach Moesia inferior unter
diesen beiden Kaisern ist nicht zu finden/^) Dagegen können wir mit
Bestimmtheit annelunen, dass zur Zt^it Hadrians die leg. XI Claud. nicht
mehr in Germania superior war. Denn sie erscheint nicht unter den
anderen obergermanischen Legionen, welche ihre vejrillationes für den
britannischen Krieg Hadrians gestellt haben, ^ was nur durch die Ab-
wesenheit der leg XI Claud. erklärt werden kann.^) Da aber dieser
Krieg im J. 122 erfolgte,»^) so mnss die leg. XI Claud. zu dieser Zeit
schon in Moe.sia inferior gestanden haben. Wir haben oben (S. Gi)
gesehen, dass die leg. V Maced. unter Traian nach Troesmis vorgeschoben
1) III 7449: ...» [peifnisguy T. Flam\ | lAmgini leg. Auq, pr. pr,^ | Dtritlat. leg.
XI (X I sub cura Fi Mcuumi ) Ug, | eiusdem^ Sepero et Sabiniano \ cü#. E« folgen die
Nameo der Manna<?hiifteD, widchf dirse vexillaiw gebildet haben.
2) Xni <>21»S (Dets. 22^6) — Badcii-Baaen — it]mp, Nerva Tra[ian. Cae». Äv^,
Gtrnh] [ pontif. max. ^tv. pol , , . , eo8 . . , , p. p:\ | le\g. T Aät., [l\eg. XI C\L], Die In*
acbrift ist wahracheitilicb Im J. 100, Tor dem Ausbruche de« dakischen Krieges^ gdsetst
wordetj; vgl. CIL. XUl 2 p. 197.
3) Itin Äntoft. p. 223, Not. dign. ör. XL 88; Cagnal p. 1085, Beuchel Ditut. 72.
Einige Ziegel der leg. XT CUud. bind tu DurostoruTu gefunden: 11 1 12'^>25. 14597^
ttdere in der Nähe dieser Stadt: 7r.l9a,b, 12526, Vgl. Auch S. 63, 10,
4) 111 7474 (Dens. 2475) ^ Durostonnu — J. o. m, t pro mlute imp. Caea. T, Aeli
Hä\driiini Antonini Äug, Pii et Vert Caex.y templum et idatuam \ c. R, ei comfiststtntibu^t
in I canabis Aelü kg. XI Cl, | Cn, Oppiwt Soterichu» ei \ Oppiua Seperus ßL eius | de
mo fecerunt Dedicaium eäi per 7YA. CL Satumi num leg. Aug. pr. pr,, T$b. CL Juti\ano
leg. Aug, — »Der RecbtBgruud dieser Benenuuug liegt iu der Zugehitrigkeit de« terH-
torium legionis der 1 »ouaupruviuzen luui kaisefilchett Fiskus.* (Schulten hei Tauly-
Wisaowa 111 U54u
5) DftÄ» e« aueh zu dieser Zeil an der uiitereo DoDau nicht gani ruhig sugiug, ist
sclbstverstäudlieh. So erfolgte Quter Iladrian eiu Einfan der Roxulaneri iu Mrxwim
(Sehillcr 1 W)j, auf den wir noch iui rück kommen werdeo. Eben*o seheinen die Skythen
unter Autonimis Piut die griechische Stadt Olhia, au der Mündung der Hypanis (Bug);
bedroht tu habeu (Si^hiiler l 632). Alles da« war aber etwon gaus Gewöhnliches und
kann eine V'ermehrung der mtkiseheu Legionen nicht herbeigeführt haben,
6) Vgl. die Inschrift aus Ferentiuuw X 5821* DeKs. 272H : J. PqhUuji T. f. Pol.
Sabinug . . . trib. mit. hg. VI Ferrat., donis donatuv expeäitiouc tarihicd a dito Draiano
praep^Htus vexillatiQnibus miUiaris Iribm expeditione Brittnnniea leg, VII Oemin.
Vm Aug, XXII Primig. — Die leg. Vll Getn. seheint damals ebenfalls in Genuauia
«superior gestaiidf*n zu haben; vgl VI 3588 (Dess. 2729}; v. DomaiizewBki Hhtin. Muä.
XI. VII (181*2) 215 f.
7. Vgl. auch V. Domaszewski Ärek.-epigr, MiÜ. X (188G) ^, d und uüteu a 70, 4,
8) Dürr Die Meismt d^ Kai^era Hadrian, Wien 1881 S. U, Sebüler I 607. 6*
FiluWf DU L«fioa«ii dlof Wofliu Alo«aU. 5
66 Bogdan Filow,
worden war. Diese Vorschiebung kann, bei der Entfernung zwischen
Troesmis und Novae, dem Hauptlager der leg. I Ital.,i) schwerlich statt-
gefunden haben, wenn nicht gleichzeitig auch das Lager von Durostonun
entstanden wäre. Deshalb muss die leg. XI Claud. schon unter Traian
nach Durostorum gekommen sein.
Eine genauere Zeitbestimmung lässt sich nicht geben. Es spricht
jedoch einige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Legion schon gleich
nach Beendigung des ersten Dakerkrieges nach Moesia inferior gekommen
ist. Sie hat Spuren von einem vorübergehenden Aufenthalt zu dieser
Zeit in Pannonia hinterlassen,^) und es ist sehr möglich, dass sie bei dem
Ausbruche des Krieges nach Pannonia versetzt wurde, um den Weggang
der pannonischen Legionen nach dem Kriegsschauplatze zu decken.*)
Ihre Versetzung nach Moesia inferior gleich nach Beendigung des ersten
Krieges im J. 101 kann dann durch die allgemeine politische Lage an
der unteren Donau herbeigeführt worden sein. Gleichviel ob Traian
schon damals an die endgültige Eroberung Dakiens dachte^) oder nichts
war eine energische und nachdrückliche Politik an der unteren Donau
unumgänglich. Die Ereignisse unter Domitian haben ja deutlich gezeigt,
mit wie gefährlichen Gegnern die Bömer hier zu tun hatten, und die
römische Regierung musste jetzt, wie auch später, sich auf die Stärke
der rechtsdanuvischen Legionen stützen. Aber auch die Eoxolanen, mit
denen die Römer schon so oft gekämpft hatten,*) haben während des
Krieges an der Seite der Daker gestanden und mit den letzteren zu-
sammen im Winter 100 auf 101 einen Einfall nach Moesia inferior unter-
nommen.«) Um auch dieses Volk in Respekt zu halten, wurde gleich-
zeitig mit der Versetzung der leg. XI Claud. nach Moesia inferior
(Durostorum) die leg. V Maced. aus Oescus nach Troesmis vorgeschoben-')
Das waren die militärischen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltang
des Friedens an der unteren Donau. Die endgültige Unterwerfung
Dakiens war nur die Konsequenz davon und konnte eine neue Truppen-
verschiebung nicht mehr veranlassen.*)
1) Vgl. 8. 63.
2) III 11239 + p. 2192 (Dess. 2325) — Carnuntum — C. Valeri\u8 C. f. GaL
Proculus I Calagurri | eq. leg. XI C{laud.) f. \ 7 Vindicis, | an, XXX stip. iX, | A. «. e.
t f. i. I Ä. f. c.
8) V. DomaszewBki Arch.-epigr. MiU, X 28 f., van de Weerd Musie bdge V (1901) 58.
Es ist aber mit nichts zu beweisen, dass der Aufenthalt der leg. XI Claad. in
Pannonia in die Zeit des zweiten Dakerkrieges fallt. Die Ziegel der Legion ans
Pannonia können auch aus viel späterer Zeit stammen (vgl. S. 59). Wir haben gar
keinen Grund anzunehmen, dass die Legion längere Zeit in dieser Provinz geblieben ist.
4) Cichorius Die Traianssäule II 869.
5) Vgl. S. 34 f.
6) Cichorius Die Traianssäule II 150 f.
7) Vgl. S. 64.
8) Schon Pfitzner S. 85. 253 und Mommsen Ephem. epigr. IV 528 haben Termutet,
dasfl die leg. XI Claud. unter Traian nach Moesia inf. gekommen sei, ohne Grründe
Die Legionen der Provinz Moesia. 67
Jedenfalls zur Zeit des parthischen Krieges Traians war die leg. XI
Glaud. schon in Moesia inferior, was aus folgenden Erwägungen hervor-
geht. Im J. 117, bald nach dem Tode Traians, als Hadrian selbst noch
im Orient war, erfolgte ein Einfall der Roxolanen in Moesia, welcher
ziemlich grosse Ausdehnung gehabt zu haben scheint.^) Zum Schutze
der Provinz schickte Hadrian Truppen voraus und eilte selbst nach
Moesia: audito dein tumultu Sarmatarum et Roxolanorum praemissis
exerdtibtis Moesiam petiit (Spart, vit Hadr. 6). Es ist klar, dass diese
Truppen nicht dem orientalischen Heere angehört haben können, denn
die schlagfertigsten römischen Legionen des illyrischen Heeres hätten
nicht der Hülfe der erschlafften orientalischen Legionen bedurft, um einen
dafür YonubriDgen. Auch Ritterling Rhein. Mus. LVIII (1908) 480 behauptet daiiselbe,
doch scheint mir seioe Beweisführung bedenklich. Er nioimt nämlich an (a. a. O.
S. 478 — 480), dass die leg. II Traiana schon vor den dakischen Kriegen gegründet sei,
sich an einem derselben beteiligt habe und zunächst in Moesia Inf. stationiert gewesen
sei. Bei ihrer Versetzung nach Ägypten soll die leg. XI Claud. an ihre Stelle in
Moesia inf. getreten sein, also ungefähr zwischen dem J. 105 und 107. Nun ist aber
die genaue Datierung der einzelnen Ämter, welche [An?Jnius Gallus Numisius Sabinus
(III 6813 = Dess. 1038 aus Antiochia Pisidiae, Prosop. 6 39) bekleidet hat, worauf
sich die Ansicht Ritterlings stützt, unmöglich. (Die Inschrift lautet: [An?\nio L. f.
Stel. I Gallo Vecilio \ Crispino Mansuanio \ Marceüino Numisto | \S]abino leg. Äug. pro
pr. I provinciar. GcUatiae Pisid, \ [P]aphlogoniae, sodcdi Fia\v%ali, procos. prov. Sard., j
leg. legionum I Italic<ie et \ [/]/ Traianae fortig , prcief. fr um. \ dandi, curatori viar.
Clodiae \ Ckusiae Anniae Ciminiae Tra\ianae novae^ praetori, trib. p{., | quaestori pro-
vinc. Ponti et \ [Bjit^MfO«, leg. Asicie, Illoir. capital.^ \ \trih.] milit leg. XXI Rapacis.)
Es fehlt zunächst der Beweis, dass die leg. XXI Rap. schon unter Domitian vernichtet
worden war, und die Annahme v. Domaszewskis Religion S. 25 und Trommsdorffs Diss.
89 — 91, dass diese Legion noch unter Traian existierte, hat manches für sich. Wenn
man sogar zugibt, dass die leg. XXI Rap. seit Domitian nicht mehr existierte, so fehlt
wieder der Beweis, dass Gallus Numisius Sabinus das Prokonsulat von Sardinia schon
im J. 111/112 oder einem der nächstfolgenden und nicht etwa in den ersten Jahren
Hadrians bekleidet hat. Es ist zwar richtig, dass Gallus Numisius Sabinus, als Beamter
senatorischen Ranges, die Legation der leg. II Traiana nur ausserhalb der Grenzen
Ägyptens geführt haben kann. Da aber diese Legion sicher an dem parthischen Kriege
Traians teilgenommen hat (vgl. Trommsdorff Dies. 35 sqq., Cagnat p. 1078, RitterUng a. a. 0.
476—478), 80 wird auch Gallus Numisius Sabinus in diesem Kriege und nicht in einem
der dakischen Legat der leg. II Traiana gewesen sein. Wir haben also gar keinen
Grund anzunehmen, dass die leg. 11 Traiana an den dakischen Kriegen teilgenommen
habe, und deshalb kann auch von einem Aufenthalte dieser Legion in Moesia inf.
nicht die Rede sein. — Unrichtig ist auch die Ansicht van de Weerds Musie beige
V (1901) 46—54, dass die leg. XI Claud. erst unter Hadrian nach Moesia inf. kam.
Ich komme auf seine Gründe noch zurück.
1) Vgl. Dürr Die Reisen des Kaisers Hadrian S. 16 ff., Schiller I 610. Die An-
nahme Dürrs, dass der Einfall nicht nach Moesia, sondern nach Dacia gerichtet war,
ist unbegründet und wird sowohl durch die geographische Lage des Landes der Roxo-
lanen, wie durch die Richtung ihrer früheren Einfälle nach Moesia (S. 34 f.) widerlegt.
Richtiger urteilt Schiller a. a. O. im Anschluss an Spart, vit. Hadr. 6, wenn er an-
nimmt, dass auch die Jazjg^n (Sarmatae) an dem Einfalle beteiligt waren, so dass
Moesia und Dacia zugleich bedroht waren; vgl. jetzt auch Komemann Ktuier
Hadrian S. 28.
5*
68 Bogdan Filow,
Einfall der Barbaren zurückzuwerfen, wie überhaupt die orientalischen
Legionen, abgesehen von dem besonders schweren Markomanenkri^e,
niemals zu den Donaukriegen herangezogen worden sind. Die Angabe
des Biographen wie der Einfall selbst erklären sich nur bei der Voraus-
setzung, dass damals die untere Donauarmee bedeutend geschwächt war,
und dass Abteilungen gerade dieser Armee im Orient standen, welche
jetzt Hadrian nach ihren Standquartieren zurückschickte. Solche Ab-
teilungen des mösischen Heeres, welche Traian für seinen parthischen
Zug mitgenommen hatte, und welche deshalb im J. 117 noch im Orient
gestanden haben müssen, lassen sich auch tatsächlich nachweisen. Da-
mals sind die ala Praetoria aus Moesia superior und die cohors I Su-
gambrorum veterana aus Moesia inferior nach dem Orient gelangt und
dort dauernd geblieben.^)
Aber auch die Legionen der mösischen Provinzen müssen sich an
diesem Kriege, wie immer an den parthischen, beteiligt haben.*) Die
Beteiligung der obermösischen leg. VII Claud., wahrscheinlich durch 'eine
vexillatio, ist auch inschriftlich bestätigt.^) Es ist deshalb anzunehmen,
dass auch die zweite obermösische Legion, die IV Flav., für diesen Krieg
eine vexillatio gestellt hat. In der Nähe von Bettir (Palaestina) ist
femer eine stark verstümmelte Inschrift gefunden worden (m 14155*),
1) Vgl. m 600 (Dess. 2724) - ByUis (Macedon.) - M. VdUnu8 M. f. Quir.
LoUianus ^ . . praepositus in Mesopotamia vexilJationibus equitutn electorum aiarum
Fraetoriae . . . item coIuMrtium I Lucensium . . . I Sygambrum. Wegen der ErwähnoDg
voD Mesopotamia ist die Inschrift auf den parthischen Krieg Traians zu beziehen (ygl.
Cichorius bei Pauly-Wissowa I 1258 unter ala I Praetoria c. R. und Dessau 2724
adn. 2). Die ala Praetoria stand im J. 93 in Moesia sup. (Dipl. CUI), ebenso die
cohors I Sugambrorum veterana, die coh. I Sjgambrum unserer Inschrift (CichoriuB
bei Pauly-Wissowa IV 333), im J. 99 in Moesia inf. (Dipl. XXXI). Wenn sogar die
coh. I Sugambrorum veterana mit der coh. I Claudia Sugambrorum, welche im J. 134
ebenfalls in Moesia inf. stand (Dipl. XL VIII), identisch wäre, so hindert doch nichts,
dieselbe cohors auch in der hier angeführten Inschrift zu erkennen. In diesem Falle
ist sie nach Beendigung des Krieges wieder nach Moesia inf. zurückgekehrt. — Über
die Inschrift VI 32933 (Dess. 2723), die man gewöhnlich ebenfalls auf den parthischen
Krieg Traians bezieht, vgl. S. 75 f.
2) Dass Traian für den parthischen Zug auch Truppen aus den Westprovinzen
mitgenommen hat, folgt aus Fronto de bell parth. p. 205 (Naber): in beüum profectus
est cum cognitis militibus hostem Parthum contemnentibus, aagittarum ictus poet ingentia
Dacorum falcibus inlata volnera despicatui habentibus.
3) X 3733 (Dess. 2083) — Calvizzano (Campania) — C. Nummio C. ß. Fol \ Can-
etanti p(rimo) p{ilo) leg. II Traianae^ \ centurion. II, leg. III | Cyreneicae et VII Cla,^ l
evocato in foro ab actis, \ militi coh. Illpraet. \ et X urb.j donis donato ab | imp. Traiano . . .
ob I beüum Parthicum, f^te]m ab \ imp. Hadriauo . . . ob bellum Judeicum. Die Inschrift
ist also ein absteigender curstis honorum. C. Nummius hat den jüdischen Krieg Ha-
drians als Centurio der leg. III Cyren., deren Beteiligung an diesem ELriege auch sonst
gesichert ist (vgl. XIV 8610 = Dess. 1071), mitgemacht, den parthischen Krieg Traians
dagegen als Centurio der leg. VII Claud. In diesem Kriege ist er wahrscheinlich von
der leg. VII Claud. in die III Cyren. versetzt worden.
Die Legionefii der Pnxvinz Moe&ia. 69
deren Lesung aber in den uns interessierenden Teilen gesichert ist. Ich
gebe sie hier vollständig wieder:
SVM///////// • '
M^RTI///V////
ET VICTOR
CENTVR//VEXILJ /
LEG V MAC ET XI CL
///////////////
I Ulli! IUI II II
Es handelt sich also um vexillarii der leg. V Maced. und XI Claud.,
deren Anwesenheit in Palaestina nur aus Anlass eines Aufstandes der
Juden erklärt werden kann. Aus leicht begreiflichen Gründen ist an den
jüdischen Krieg Vespasians nicht zu denken, sondern erst an die Auf-
stände unter Traian oder Hadrian, zu welcher Zeit die beiden genannten
Legionen zusammen in Moesia inferior gestanden haben (S. 64 f.). Ge-
wöhnlich wird die Inschrift auf den grossen Aufstand unter Hadrian be-
zogen,^) doch mit Unrecht. Die Beteiligung von europäischen Truppen
an der Unterdrückung dieses Aufstandes ist sonst nicht nachweisbar,
sondern ausschliesslich die der orientalischen.*) Es ist allerdings eine Tat-
sache, dass die orientalischen Legionen allein, ohne Zuzug aus den west-
1) Van de Weerd Musie beige V (1901) 49, Schürer Gesch. d. jüdischen Volkes
I»'* (1901) 688, 6, Beiichel Diss. 83.
2) Die Truppen, welche sich an diesem Kriege beteiligt haben, sind von Schiller
I 614, 1 und vollständiger von Schürer a. a. O. zusammengestellt. Doch die Behauptung,
dass auch europäische Truppen an dem Kriege lieteiligt waren, beruht auf Miss-
Verständnis der betreffenden Inschriften. Die coh. IV Lingonum stand vom J. 108
(Dipl. XXXII) bis 146 (Dipl. LVII) in Britannia, und schon aus diesem Grunde ist
ihre Beteiligung an dem jüdischen Kriege Hadrians ausgeschlossen. M. Statins Priscus
(in der Inschrift VI 1523 = Des«. 1092) ist nicht als Praefekt dieser Kohorte, sondern
als Tribun der leg. III Gall., welche am jüdischen Kriege sicher teilgenommen hat
(vgl. Schürer a. a. 0.)i dekoriert worden (vgl. auch Jung Fasten S. 11,2). Denn die
dona militaria sind erst am Schlüsse des cursus honorum erwähnt, was oft vorkommt
(VIII 9990 = Dess. 1852, XI 390 u. a.), und so ganz zufällig hinter die Praefektnr der
cohors IV Lingonum zu stehen gekommen. Ebenso wenig lässt sich die Beteiligung
der leg. X Gem. aus dem Fragmente VI 8505 erschliessen : Sex. ÄUius Senecio
praef. alae [/] Fl. Gaetulorumj \ trib. leg. X Geminae, missus \ a divo Hadriano in ex-
peditione Judaica ad vexilla[tiones deducendas .... Da Sex. Attius die Praefektnr
der ala erst nach dem Tribunat der Legion übernommen haben kann (S. 54, 4) , so
haben wir hier einen absteigenden cursus honorum vor uns. Deshalb kann Sex.
Attius nicht als Tribun der leg. X Gem. nach Judaea geschickt worden sein, weil
chronologisch seine Tätigkeit in Judaea vor das Tribunat der leg. X G«m. fallt,
sondern in einer anderen Stellung, die auf der Inschrift nicht mehr erhalten ist. Eine
so strenge Einhaltung der chronologischen Reihenfolge kann nicht auffallen. Auch
in einem anderen absteigenden cursus honorum aus Nemausus (XII 8167 = Dess. 1016
= S. 55 n. 9) werden erst die dona militaria aufgezählt und dann der Legionstribunat,
bei dem sie erworben waren, erwähnt. — Auf die Beteiligung der leg. VII Claud. an
dem jüdischen Kriege Hadrians wollte Pfitzner S. 98. 160. 248 aus der Inschrift Orelli
832 (jetzt X 3783} schliessen, doch vgl. über diese Inschrift S. 68, 8.
70 Bogdun Filow,
liehen Provinzen, nicht im stände waren, einen grossen Krieg geg^n
die Parther zu führen. Dennoch wäre es sehr merkwürdig, wenn die
neun Legionen, welche unter Hadrian im Orient (einschliesslich Ägypten)
gelegen haben,^) nicht im stände gewesen wären einen Aufstand der Juden
zu bewältigen.*)
Dagegen ist die Beteiligung mösischer Truppen an dem Aufstande
unter Traian sehr begreiflich, weil solche Truppen wieder aus Anlass
des parthischen Krieges im Orient standen (S. 68). Deshalb kann auch
die hier in Betracht kommende Inschrift aus Bettir nur auf diesen Auf-
stand sich beziehen,*) und zwar müssen die Abteilungen der leg. V Maced.
und XI Claud. schon wegen des parthischen Krieges nach dem Orient
gekommen sein. Das ist aber nur bei der Voraussetzung möglich, dass
die leg. XI Claud. schon vor dem J. 114 in Moesia inferior war.
Diese Interpretation der Inschrift aus Bettir erfordert noch eine
Erklärung, um Missverständnisse zu vermeiden. Es ist nämlich sehr auf-
fallend, dass auf der Inschrift nicht auch die dritte untermösische Legion,
I Ital., genannt ist. Denn es ist eine stehende Regel, dass bei der Bildung
einer vexillatio für eine grössere Expedition aus den Mannschaften von
mehr als einer Legion, welche in derselben Provinz stehen, sich alle Le-
gionen der betreffenden Provinz beteiligen.*) Deshalb sind auch Ver-
1) Vgl. das yatikaDische LegionsverzeichniB VI 3492 == Dess. 2288.
2) Bei der Einnahme Jerusalems hat Titus vier Legionen gehabt: V Maced.,
X Fret., XII Fulm. und XV Apoll. Ausserdem Abteilungen der leg. III Cyren. und
XXII Deiotar. Vgl. Joseph, bell JucL V 1, 6, Tacit. Eist V 1. Bis dahin hat Veu-
pasian den Krieg nur mit drei Legionen (V Maced., X Fret. und XY Apoll.) geführt.
Die europäischen Legionen V Maced. und XV Apoll, befanden sich damals zufallig
im Orient wegen des parthischen Krieges unter Nero ; vgl. Tacit. Ann. XV 6 o. 26.
8) Über die Kontroverse, ob der Aufstand unter Traian sich auch auf Palaestina aus-
gebreitet hat, vgl. Schürer a. a. 0. S. 667 f. Auch er gibt zu, dass Palaestina wenigstens
nicht ganz ruhig geblieben zu sein scheine, und zwar wegen Spart. vU, Hadr, 5 : JLyeia
denique ac Palaestina rehelles animos efferebant. Vgl. auch Schiller I 562, L Wie dem
auch sein mag, Tatsache ist, dass im J. 116/7 eine vexiüatio der arabischen leg. III
Cyren. in Jerusalem gestanden hat; vgl. III 13587 = Dess. 4893. Deshalb ist auch die
Anwesenheit der mösischen vexiUarü in Bettir zu derselben Zeit nicht auffaUend.
4) Vgl. Ritterling Wesid. Zeitschr, XII (1893) 117 f. und Österr. Jahresh, VII
(1904) Beibl. 28 f., der aber diese Regel etwas zu weit gefasst hat. Wie die bis jetst
bekannten Beispiele [Tacit. Ann. I 49 ff., Eist II 11. 100; Suet. Dom, 6; Joseph, bell
Jud, II 18, 9; V 1, 6 mit Tacit. Eist. II 83 und die germanischen Legionen während
der Bürgerkriege nach dem Tode Neros; die Inschriften III 10471—78 (Dess. 1153),
X5829 (Dess. 2726), XI 1196 (Dess. 2284), XIV 3602 (Dess. 950;, Dess. 2285 und die
oben S. 10,4 erwähnte Inschrift aus Baalbek mit Ritterling a. a. 0. Beibl. 28 f.; vgl.
auch III 1980 = Dess. 2287] deutlich zeigen, gilt die Regel nur dann, wenn die vexH-
larii ausserhalb der Provinz, von der sie genommen sind, verwendet wurden. In allen
diesen Fällen handelt es sich um grössere Expeditionen, an deren ehrenvoller Be-
endigung sich zu beteiligen jede Legion den Wunsch gehabt haben muss. Dagegen
zur Ausführung von Arbeiten in Provinzen mit mehreren Legionen wurden nicht nur
ganz gewöhnlich Teile einzelner Legionen der betreffenden Provinz verwendet, sondern
auch zu Vexillationen , die aus Mannschaften von mehr als einer Legion bestanden.
Die Legionen dei' Provinz Moma, 71
suche gemacht worden, den Namen der leg. I Ital. auf der Inschrift aus
Bettir zu ergänzen.*) Die Abkürzung leg. steht aber nur vor der V Maced.
und fehlt vor der XI Claud. Die Aufzählung der Legionen, welche Mann-
schaften für diese vexillatio gestellt haben, fing also mit der leg. V Maced.
an, und deshalb kann der Name der leg. I Ital. nicht auf der Inschrift
gestanden haben. ^) Ich glaube, dass in diesem Falle die Sache sich ganz
anders verhält. Wir haben gesehen, dass für den parthischen Krieg
Traians nicht nur die Legionen, sondern auch die Auxilien von Moesia
Truppen abgegeben haben, die eine ziemlich beträchtliche Zahl gehabt haben
müssen. Solche zahlreichere Abteilungen aber von einem Provinzialheere
pflegten gewöhnlich sich um eine ganze Legion zu gruppieren.'^) Anderer-
seits weist der Einfall der Boxolanen in Moesia so bald nach den Er-
folgen Traians und der Vermehrung der Legionen an der unteren Donau
bestimmt darauf hin, dass die mösische Armee damals bedeutend geschwächt
war. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass die ganze leg. I Ital. für
den parthischen Krieg Traians nach dem Orient abmarschiert war, und
dass um diese Legion sich die anderen Abteilungen des mösischen Heeres
gruppiert haben. Als der Aufstand der Juden ausbrach, blieb die leg.
I Ital. auf dem Kriegsschauplatze in Mesopotamia, die vexillarii der
beiden anderen untermösischen Legionen wurden dagegen nach Palaestina
geschickt.
Nach diesen Ausführungen gestaltet sich die Geschichte der mösischen
Legionen nach den Dakerkriegen Traians folgendermassen : für den par-
thischen Zug wui'de eine starke Abteilung des mösischen Heeres gebildet,
bestehend aus der leg. I Ital., Teilen der übrigen mösischen Legionen :•
[IV Flav.], VII Claud., V Maced., XI Claud. und Auxiliartruppen (ala
Praetoria, coh. I Sugambrorum veterana). Bei dem Ausbruch des Juden-
auf Standes wurde ein Teil davon, namentlich die Abteilungen der unter-
mösischen leg. V Maced. und XI Claud., nach Palaestina geschickt. Gleich
nach dem Tode Traians erfolgte der Einfall der Roxolanen in Moesia,
nicht immer alle LegioDen herangezogen (111 11365 a.b. Vll 1093). Femer ersieht man
aus VIII 10230 (Dess. 2479), dass nur eine der beiden im J. 145 in Judaea stehenden
Legionen (VI Ferr. und X Fret.) eine vexillatio zum Bau einer Strasse nach Numidia
geschickt hat. Vgl. auch III 353. Wichtig ist endlich III 14438 — Kadiköi (Moes.
inf.) — Nept. Aug. sac^ \ vexil. leg. I Ital. \ M(pesiacae) et V Ma. D{acicae) — sie stand
in Dacia seit 168 (Ö. 77 f.) — Trople]% [. . .] suh curam \ Eptidi Modesti \ 1 leg. V Mac.
et I Vcderi dementia \ 1 leg. I Ital., \ v. s. l. m. Es ist interessant, dass diese vexiüarii
unter zwei Kommandanten stehen — eine indirekte Bestätigung der schon von Grotefend
{Bmn.Jahrh.XXWl 125 ff., vgl. v. Domaszcwski Rhein. Mm. XLVII215f., Ritterling
IVestd. Zeitschr. XII 116) gemachten Beobachtung, dass alle Legionen, deren vexülarii
unter einem Kommando stehen, derselben Provinz angehören, und eine Garantie dafür,
dass die beiden Abkürzungen M und D richtig aufgelöst worden sind.
1) Van de Weerd Musee beige V (1901) 55, Beuchel Diss. 83.
2) Vgl. S. 29 mit Anm. 5.
3) Vgl. Joseph, bell. Jud. II 18, 9, Tacit. Hist. I 61 ; II 83. 89. 100, dazu Bitter-
ling Rhein. Mus. LIX (1904) 195.
72 Bogdan Filow,
veranlasst hauptsächlich durch die Abwesenheit der erwähnten Truppen.
Hadrian schickte diese letzteren sofort zurück und eilte selbst nach
Moesia, um die Ruhe wieder herzustellen. Unter seiner Regierung war
der Friede an der unteren Donau nicht mehr gestört.
Seit dem ersten Dakerkriege Traians (101), spätestens seit der Er-
richtung der Provinz Dacia (107), waren also die Legionen an der unteren
Donau folgendermassen verteilt:
Moesia superior: leg. IV Flav., in Singidunum (früher in Ratiaria).
„ Vn Claud., in Viminacium.
Dacia: „ XITI Gem., zuerst in Sarmizegethusa (?),') bald
(seit 107) in Apulum.
Moesia inferior: „ I Ital., in Novae.
„ V Maced., in Troesmis (früher in Oescus).
„ XI Claud., in Durostorum.
§ 6. Die mösischen Legionen von Hadrian bis
auf Diokletian.
Die Periode, welche uns in diesem Paragraphe beschäftigt, umfasst
beinahe zwei volle Jahrhunderte, und trotzdem erfahren wir aus dieser
Zeit über die mösischen Legionen sehr wenig. Was uns die literarischen
und monumentalen Quellen in dieser Beziehung bieten, ist äusserst lücken-
haft, zusammenhangslos und nach jeder Seite unbefriedigend.
Die Angaben der literarischen Quellen sind an sich selbst fast be-
deutungslos. Wir erfahren nur, dass die mösischen Legionen den einen
oder den anderen Kaiser ausgerufen haben, so Marinus,*) Decius,*) Gallus,*)
Aemilianus,^) Ingenuus^ und Begalianus.^) Aber aus diesen kurzen
1) Vgl. Dio LXVIII 9, 7 Boissev. : (T^aXavög) tb otQcctonsdov iv Zigfu^sfi^ov^
naxaXmoiv .... I9 tr]v 'IraXlav ävexofila&ri^ wo die leg. XIII Gem. gemeint sein kann.
Cichorius Die Traianssätde II 368 f. denkt ohne ausreichendeD Grund an die leg. I
Minervia. In diesem Falle müsste sie nach dem zweiten Kriege durch die leg. XIII Gem.
ersetzt worden sein, wofür sich keine Erklärung bietet.
2) Zonaras XII 19: iv dh Mvaolg Ma^fivdg xi.g ra^uiQxitg otv nccgä t&v atgixtittntbv
ßaaiXtvei-v Ji^i^ri. Vgl. Zosimos I 20.
3) Zonaras XII 19: xal itnBX^6vxa (in Moesia) siy^vg aircbv (d. h. Declus) oi crga-
xi&xai ßaaiXia sixf/jiLrioav. Vgl. Zosimos I 21.
4) Vgl. Schiller I 808, Prosop. V 403.
5) Zonaras XII 21: AlfiiXiavbg 6i tig Aißvg ccvijq^ &qx^^ "^^^ ^^ MvöLa oxgaxi^-
\utxog .... vTtkQtpQOvriaag xw xaxogd^wiucxi, \Lixsiai xovg vtt' aiyxbv axQcctiAxag xal ^Pn^
lialdov aixbv ScvayoQbvovaiv ai^xoxgdxoqa.
6) Trig. tyran. 9: IngenuuSj qui Fannonias tunc regehat y a Moesiaeis legionibus
Imperator est dictuSj ceteris Pannoniarum volentibus. Zonaras XII 24: x&v dh iv xf
Mvöla axQuxKox&v axaaiaoavxtav xal 'lyytvovov avxoxgccxoQa &v€inüvxmv,
7) Trig. tyran, 10: Begalianus deniqne in Illyrico ducatum gerens imperator est
factus nuctoribus imperti Moesis.
Die Legimien der Provinz Moesia, 73
Notizen lässt sich nicht einmal schliessen, dass alle Legionen der Provinz
bei der Erhebung eines Kaisers einig waren und ihn gleichmässig unter-
stützt haben. Es scheint vielmehr, dass in dieser Zeit der Soldatenwillkür
sogar bei den Legionen eines und desselben Provinzialheeres Differenzen
vorhanden waren. So scheint die leg. X Gem. allein von allen illyrischen
Legionen sich gegen die Erhebung des Septimius Severus erklärt zu
haben, da nur ihr Name auf den Münzen dieses Kaisers fehlt.*) Ebenso
scheint die obermösische leg. VII Claud. in Viminacium den Decius anfangs
nicht anerkannt zu haben. ^)
Diese Lücke der Überlieferung ist um so empfindlicher, weil die
Legionen im Laufe der Zeit einen immer grösseren Einfluss auf die
Gestaltung der Dinge in dem römischen Weltreiche gewonnen haben und
dadurch ihre Geschichte noch unentbehrlicher für das Verständnis der
allgemeinen Reichsgeschichte wird. Wir kennen aus dem Berichte des
Tacitus genau die Rolle, welche die Legionen zur Zeit der Prätendenten-
kämpfe nach dem Tode Neros gespielt haben. Solche Prätendentenkämpfe
füllen die ganze spätere Kaiserzeit aus, und die Entscheidung blieb immer,
wie zur Zeit Neros, bei den Legionen. Aber die Autoren berichten jetzt
nur die Resultate der Kämpfe, nicht die einzelnen Vorgänge, welche die
Entscheidung herbeigeführt haben.
Auch die monumentalen Quellen, Inschriften und Münzen, können
die literarische Überlieferung nicht ersetzen. Das einzige, was wir
wenigstens über die mösischen Legionen noch unmittelbar erfahren, betrifft
hauptsächlich die nach Hadrian eingetretenen Veränderungen in dem
Legionsbestande der mösischen oder, richtiger gesagt, der unterdanuvischen
Provinzialheere, weil auch Dacia nova und Scythia in Betracht kommen.
Es bleibt also noch übrig, diese Veränderungen festzustellen und das
wenige, was uns sonst aus der Geschichte der mösischen Legionen über-
liefert ist, hervorzuheben.
1. Die groHsen Kriege um die Wende des zweiten Jahrbnudert».
Unter Antoninus Pius hat an der Donau Ruhe geherrscht, und so
sehen wir die mösischen Legionen neben den pannonischen und germa-
nischen an dem Kriege dieses Kaisers gegen die Mauren**) beteiligt.*)
Wir haben bis jetzt Zeugnisse nur für die obermösische leg. IV Flav.'»)
1) Vgl. V. Üomaszewski Die Fahnen im römischen Heere S. 48, 1. Man wird
schwerlich diese Tatsache mit Ritterling Diss. 61 si}. bloss für einen Zufall halten dürfen.
2) Vgl. Pick Die Münzen S. 25.
8) Vgl. Capitol. Vit. Pub. Pausan. VIII 4iJ, 8.
4) Vgl. ausführlicher JUneniann Diss. 82—86. 135—188. van de Weerd Miisee
beige V (1901) 56.
5 VI 11 9762 -\- \K 2046 - Partus Magnus — Julius Va\les mtl. leg. \ IUI F.^ stip.
X VIII vi{x.) an. \ XXX VI. P. Cul\lia / / / , ani \ Luc{(i) lAiüiu's e. h, c.
74 Boydun Filow,
und die untermösische leg. XI Claud.^) Für die leg. I. Ital. beruft sich
BeucheP) auf Zeugnisse, die nicht beweisend sind. Die Lesung eines
gestempelten Ziegels aus dem Museum zu Constantine^: LEG Z IIA^I
als leg. I Ital. ist ganz unsicher. Unbekannt ist auch der Fundort eines
anderen Ziegels der leg. I Ital, welcher sich jetzt im Museum zu Saint
Germain befindet.*) Woher und aus welcher Zeit diese beiden Zi^el
stammen, ist nicht zu ermitteln, und deshalb lassen sich aus ihnen keine
Schlüsse ziehen. Aber nach dem, was sich bis jetzt über die Absendnng
von vexülarii eines Provinzialheeres für eine auswärtige Expedition hat
feststellen lassen (S. 70, 4), können wir mit Bestimmtheit annehmen, dass
alle mösischen Legionen an dem Kriege beteiligt waren. ^
Aus der Zeit M. Aureis sind uns nur die Schicksale der leg. V Maced.
aus dem ziemlich ausführlichen Texte eines Grabsteines von Troesmis
(in 7505 = Dess. 2311) genauer bekannt. Was über die anderen mösi-
schen Legionen zu sagen ist, wird sich am besten bei der Besprechung
dieses Monuments anführen lassen. Wir lesen auf ihm folgendes:
[T. Val{eriiis)\ T. f. Folia 4fo^cii[ani«5] cas{tris) vet leg. V Mae^
eoc I \bf.e\os., milit coep{if) imp. \ [Äntoni]n. HU cos.,
funcHus) ea?|[perfi]fc Orientali svh 8t\[at Pn^co, Jul. Severo, M[art. ■,
Vero] cQarissimis) v(iris)j
item Oenn(anica) suh \ [Cal]pur. Ägricolay Cl. Fronto\[n]e e(la-
rissimis) v(iri^),
m(is8iis) Mpnesta) missione in Da\cia Cethe(go) et Claro cos. | sub
Comel demente e(larissimo) v{iro),
re\ver8{tis) at lares suos et \ (^ctimy Marcia Basiliss{ä), matre \ den-
d(rophorum), enupt(a) sibi, Val{eria) Longa sorore, pro sahnte)
siia stu)r(um)q(ue).
Wir sehen zunächst, dass T. Valerius den Dienst im J. 145 begonnen
und die honesta missio im J. 170 erhalten hat. Durch diese beiden Daten
1) VIII 9761 f- p. 2046 — Portus Magnus — d. m. | F. Ore8cen\tinio Fl. Sat\umino
Siscie müüti) \ leg. XI C(laud.) 7 | ülp(i) Victo\ri8, stip. XVI, \ vir. ann. \ XXXVU.
Fl(avtä) Jan(uaria) \ fil(ia) f. c. AUerdings war der Name der LegioD bei einer iweiten
Revision (vgl. VIII p. 2046) nicht mehr auf dem Steine zu lesen.
2) Di88. 83 sq.
3) VIII 10474, 13.
4) Vgl. VIII p. 911.
5) Bis vor kurzem waren nur je eine Legion aus den Donau- und RheinproTinzen
bekannt , die an diesem Kriege teilgenommen haben : leg. XI Claud. aus Moesia Inf.
(VIII 9761 -f p. 2046), leg. IV Flav. aus Moesia sup. (VIII 9762 -f p. 2046), leg. II Ad.
aus Pannonia inf. (VIII 9653. 9660). leg. I Ad. aus Pannonia sup. (VIII 9376. 21 049),
leg. XXII Primig. aus Germania sup. (VIII 9655. 9656. 9659. 21508) und leg. I Min.
aus Germania inf. (VIII 9654. 9662). Vgl. dazu Jünemann Diss, 82-86. 185 und van
de Weerd MusSe beige V (1901) 56. Neuere Funde aber zeigen, dam auch andere
Legionen dieser Provinzen für den Krieg vexiüationes gestellt haben müssen: leg. X
Gero. VIII 21669), leg. XIV Gem. (VIII 21057), leg. XXX Ulp. (VUI 21058).
Die Legloneti der Provinz Moesia, lo
wie durch die Namen der betreffenden Feldherren^) sind die beiden Kriege,
an denen T. Valerius als Soldat der leg. V Maced. teilgenommen hat,
genau bestimmt: es sind der Parther- und der Markomanenkrieg M.
Aureis.*)
Die Beteiligung der leg. V Maced. an dem parthischen Kriege wird
auch sonst inschriftlich bestätigt,») und es ist sehr wahrscheinlich, dass
auch dieses Mal die ganze Legion an den Euphrat kam, wie unter Nero
bei den Zügen des Corbulo. Für die Beteiligung der übrigen mösischen
Legionen an dem parthischen Kriege M. Aureis besitzen wii* gar keine
Andeutungen.*) Wenn aber in der Tat die ganze leg. V Maced. damals
nach dem Orient abkommandiert war, so folgt daraus noch nicht, dass
auch die übrigen Legionen von Moesia ihre vexillationes für den Krieg
abgegeben haben, wie Ritterling^) annehmen will.^)
Dass die Römer bei den Kriegen mit den Parthern die Schwäche
ihrer Reiterei besonders stark empfunden hab^n müssen^ ist sehr begreif-
lich, und so sehen wir, dass für den parthischen Krieg M. Aureis die
Heere von Moesia inferior und Dada eine besondere Reiterabteilung ab-
gegeben haben:
VI 32933 (Dess. 2723) — L, Faconio L. f. Fal \ Proculo \ praef,
coh. I Fl, Hisp, eq{uitatae) \ p, /., trib, mil leg. XI 67. p. f., \ praef.
V€xillation(i8) eq{uitiim) Moe\siae infer, et Dacitte eant'i (sie) | in expedi-
1) Vgl. den Koiimientar zu der Inscbrift im Corpus und bei Dessau.
2) Über den letzteren Krieg vgl. v. Domaszewski The Chronologie S. 107—130,
Seria Harteliana (1896) S. 8—18, Petersen — v. Domaszewski — Calderini Die Marcus-
SäuU (1896) S. 21—28 (Mommsen), S. 105—125 (v. Domaszewski).
3) III 6189 — Troesmis — d,m.\ Julius Diz\g<ice posui | fil(io) pientis{simo) \ Valien'oj
Vdle(nU?) milit{i) \ l{eg.) V M{aced.), defu(n)ct{o) \ in exped{iiione) Pari{hica\ \ mü{ita-
vit) annis F, vic(sit) an. XXV, et ma\t[r]i Attie A .... ea .... vgl. dazu Cagnat
p. 1082 und Ritterling Bhein. Mus. LIX (1904) 193, 1. An die Zeit Traians ist wegen
des Stiles nicht zu denken, zur Zeit des Septimius Severus war die leg. V Maced. schon
längst in Dada.
4) Die grosse Zahl der im J. 169 in die leg. VII Claud. neu aufgenommenen
Mannschaften (vgl. das Soldatenverzeicbnis III 14507) zum Teil durcb die Verluste der
Legion in dem parthischen Kriege zu erklären und daraus weiter den Schluss zu ziehen,
dass die Legion an diesem Kriege beteiligt war (v. Premerstein und Vuli^ Österr.
Jahresh. IV (1901) Beibl. 93; vgl. VIII (1905) Beibl. 19 zu n. 58), scheint mir uu-
solfissig. Die nach Beendigung des Krieges im J. 166 auch nach den europäischen
Provinzen verschleppte Pest und die ersten Jahre der Markomanen kriege, an denen die
leg. VII Claud. sicher beteiligt war (S. 76 f.), erklären ja die grossen Verluste, welche
die Legion im J. 169 aufweist, zur Genüge.
5) Rhein. Mus. LIX (1904) 195.
6) Wir kennen nur drei Legionen aus den Westprovinzen, die sich an diesem
Kriege beteiligt haben: leg. I Min., leg. II Ad. und leg. V Maced. (die Belege dazu auf
S. 85, 3). Die beiden ersten waren sicher vollzählig beteiligt, für die dritte ist es
wenigstens sehr wahrscheinlich. Es liegt abo kein Grund vor anzunehmen, dass in
diesem Kriege, wie in dem parthischen Traians, auch vexillationes anderer europäischen
Ijegionen mitgekämpft haben. Es ist wohl denkbar, dass man damals vorgezogen
hat, Dur ganze Legionen von den europäischen Truppen gegen die Parther zu verwenden.
76 Boydan Filow,
Hone Parthic, donis \ militar[ib.] donato, praef. eq(uitum) | alae pr, Auy.
Parthorum, \ patrono et curatori \ mu/nicipi \ d, d. \ publice.
Diese Inschrift bezieht sich sicher auf den parthischen Krieg M.
Aureis. An den Krieg Traians ist nicht zu denken, weil die ala ptiima)
Äug, Parthorum unter diesem Namen erst gegen das Ende des zweiten
Jahrhunderts erscheint,^) an den parthischen Krieg des Septimius Sevems
deshalb nicht, weil, abgesehen von anderen Bedenken, zu dieser Zeit für
die äusserst selten gewordenen Verleihungen der dona müitaria statt
donis donatm ganz andere Ausdrücke angewendet wurden, wie cui ob
virtute sua sacratissimi impeiatores insignem dederunt (III 1193 = Dess.
2746 = S. 51 n. U), consecutus oh virtutem (VIII 217 = Dess. 2658 =
S. 52 n. 20).
Der zweite Krieg, den T. Valerius Marcianus als Soldat der leg.
Y Maced. mitgemacht hat, ist der Markomanenkrieg M. Aureis. An
diesem Kriege haben sich auch die übrigen mösischen Legionen beteiligt.
Es war damals ein ausserordentliches Kommando für Julius Berenicianns
geschaffen , der an die Spitze der leg. I Ital. aus Moesia inferior und der
leg. IV Flav. aus Moesia superior mit ihren gesamten Hilfsmannschaften
gestellt war. 2) Ein Centurio der leg. IV Flav. hat sich dabei die dona
müitaria erworben.^) Bekanntlich wurde dieser Krieg unter den ungünstig-
sten Verhältnissen geführt und hat die grössten Anstrengungen erfordert
Sogar die afrikanische leg. III Aug. musste ihre vexillatio für den Krieg
abgeben,*) und in das Heer wurden sogar Sklaven aufgenommen.*) Bei
1) Vgl. Cichoriufi bei Paiily-Wissowa 1 1256 unter ala I Augusta Parthorum,
2) VIII 2582 (Dess. 1111) — Lambaesis — [A.] Julius Pompäius A. fH Comeka
Pisa T. Vib[%u8 Varus LaevtUus] | Betenicianus Xmr stlUibus iudicandis .... legaius
leg. XIII [Geminae item IUI Fhviae], praepositus legionihm I Italicae et III[I Flaviae
cum Omnibus copiis] \ auxiliorum dato iure gladi, leg. August[orum pro praetore leg. III
Aug.\ I consul desig\natus]. Die Ergänzungen sind durch die demselben Manne ge-
hörenden Inschriften VIII 2744. 2745 und 2488 gesichert. Legatus pro pr. der leg. III
Aug. war Bereniciauus im J. 176 und 177 (vgl. VIII 2547 und 2488). Vgl. über die
Inschrift y. Domaszewski Die Chronologie S. 116, Beuchel Diss, 84 sq.
3) XI 6055 (Dess. 2743) — Urvinum Mataurense (Urbino) — L. Pelronio L. f. Pup.
Sabino Foro Br\ent. corn(iculario) pr(aefecti) pr{aetorio\ [7] leg. X Frei, et IUI FL^ \
donis don. [a]b imp. Marco Antonino in \ bello German. bis hasta pura et co^ronis
vallari et murali, p(rimo) p(ilo) legion. \ III Cyreneicae^ curatori staiorum Ein Tribun
und ein praefectus kastrorum (?) der leg. IV Flav. haben in Aquincum Weihinschriften
gesetzt (III 8463. 3468), wahrscheinlich zu der Zeit, als sie mit dieser Legion wäbreDd
der Markomanenkriege sich in Aquincum aufgehalten haben. Die pannoniscben Ziegel
der leg. IV Flav. stammen möglicherweise auch aus dieser Zeit; vgl. S. 59.
4) VIII 619 (Dess. 2747) — Mactar - Ti. Plautius Ti. f. Papiria Felix Ferrun-
tianns .... praepositus rexil. leg. III. Aug. aput Marcomannos. Auch die orienta-
lischen Legionen scheinen sich an dem Kriege beteiligt zu haben; vgl. v. Domaszevrski
Die Chronologie S. 123. 124, 1, Die Marcus-Säule S. 112 f.
5) Capitol. Vit. M. Ant. 21 : et servos, quem ad modum bello Punico factum fuerat,
atl militiam paravit. Nach v. Domaszewski Die Chronologie S. 114 wurden diese Soldaten
nur für den Besatzungsdienst im Inneren des Reiches verwendet.
Die Legionen der Provinz Jfoesin, 77
solchen Verhältnissen kann auch die Beteiligung der obermösischen leg.
Vn Claud. und der untermösischen leg. XI Claud. an dem Markomanen-
kriege nicht bezweifelt werden, obwohl wir keine direkten Zeugnisse dafür
besitzen. Eine Bestätigung findet diese Annahme vielleicht in den in Pan-
nonia gefundenen Ziegeln dieser beiden Legionen, welche schwerlich aus
einer anderen Zeit stammen.^) Auch die vielen Auszeichnungen, welche
die im J. 195 entlassenen Mannschaften der leg. VII Claud. erhalten hatten,^)
sind zum grössten Teil auf den Markomanenkrieg zurückzuführen.^)
Wichtig ist die Angabe der hier behandelten Inschrift aus Troesmis,
dass T. Valerius seine honesta missio im J. 170 in Dacia unter dem
Statthalter Sex. Cornelius Clemens*) erhalten hat. Demnach hat die leg.
V Maced. damals zum Heere von Dacia gehört, und da sie längere
Zeit an dem Kriege beteiligt war,^) muss die ganze Legion, wie die
I Ital. und IV Flav., an dem Kriege teilgenommen haben. Nach der missio
kehrt T. Valerius at lares suos, d. h. nach Troesmis, zurück, natürlich
nicht mit der Legion, sondern allein.
Obwohl die eben besprochene Inschrift schon längst bekannt war,
hat man noch in der neuesten Zeit angenommen, dass die leg. V Maced.
erst unter Septimius Severus nach Dacia verlegt worden wäre.') Die
älteste datierbare Inschrift der leg. V Maced. in Dacia stammt allerdings
erst aus dem J. 195,^ aber auch in Moesia inferior ist gar keine Inschrift
gefunden worden, welche in die Zeit nach M. Aurel gesetzt werden
kann.^) Wir haben demnach gar keinen Grund anzunehmen, dass die
leg. V Maced., nachdem sie schon im J. 170 zu dem Heere von Dacia
gehörte, wieder nach Moesia inferior zurückgekehrt sei. Es kann nicht
bezweifelt werden, dass die Umwandlung von Dacia in eine konsularische
Provinz unter M. Aurel zum Zwecke der wirksameren Verteidigung der
Grenze geschah.*) Der neue Statthalter konnte aber die Nachbarvölker
1) Ziegel der leg. VII Claud. siud in Sirmiam gefunden worden (III 106Ö6, vgl.
p. 2828»«'), Ziegel der leg. XI Claud. in Aquincum (III 11851a), in Brigetio (11851 V
und in Oedenburg (TU p. 2328" ad n. 11351). Vgl. auch S. 59.
2) Vgl. das Soldatenverzeichnis III 14507.
8) V. Premerstein und Vuliß Österr. Jahresh. IV (1901) Beibl. 96.
4) Vgl. über ihn Jung Fasten S. 19, Prosop. C 1085.
5) Das geht aus den Namen der Feldherrn, unter denen T. Valerius gedient
hat, hervor.
6) Mommsen CIL. p. 160. 999 und zu n. 776 und 8068, Die Lagerstädte, Hermes
VII (1873) 323, B. G. V 208, Schiller I 732, Cagnat p. 1082, Rappaport S. 19, van de
Weerd Mus^e beige V (1901) 49.
7) III 905 -f p. 1014 aus Potaissa, dem Hauptlagcr der leg. V. Maced. in Dacia: imp.
Caes. L. Sep. Severus P. Pert. Aug. \ Ar ab. Adiabenic. pont. max. trib. \ pot. III imp.
Vll COS. II procos. p. p.y I leg. V Mac. p. f. den. dedit dedicante \ P. Septimio Geta leg.
Aug. pr. pr.f | cura agente Tib. C[l.] Claudiano leg. Aug.
8) Die jüngste Inschrift der leg. V Maced. aus Moesia inf. scheint III 6169 =
S. 64, 1 c, aus den ersten Regierungsjahren M. Aurels, zu sein.
9) Vgl. auch Jung Fasten S. 17.
78 Bogdun Filow,
nicht 'durch seinen Titel in Respekt halten, sondern durch die Legionen,
welche er unter seinem Befehle hatte. So ist die Erhöhung des Ranges
der dakischen Statthalterschaft nur eine Folge der Vermehrung der Be-
satzung dieser Provinz auf zwei Legionen,^) und da Dacia nicht nur
vorübergehend, wie Pannonia inferior, einem konsularischen Statthalter
unterstellt war, sondern auch später nur von Konsularen verwaltet
wurde, ^) so muss die zweite Legion, die V Maced., dauernd in Dacia
geblieben sein.^) Diese Reformierung der dakischen Statthalterschaft
wurde aller Wahrscheinlichkeit nach im J. 167/168 vollzogen,*) so dass
zu derselben Zeit auch die leg. V Maced. aus dem Verbände des modi-
schen Heeres ausgeschieden sein muss.*)
An den Ereignissen, welche auf den Sturz des C!ommodns folgten,
haben die mösischen Legionen einen regen Anteil gehabt Wie die übrigen
illyrischen Legionen standen auch sie auf der Seite des Septimius Sevems*)
und haben an der Belagerung von Byzantium und an dem Eri^e gegen
Clodius Albinus unter der Führung von L. Marius Maximus teilgenommen.
Dieser letztere heisst auf der stadtrömischen Lischrift VI 1450 (Dess. 2935)
leg(atus) leg. I Iialic(ae)^ dux exerciti (sie) Mysiad aput Byzantium et
wput Lugudunum. Da aber Byzantium erst im J. 196, nach Beendigung
des Krieges gegen Pescennius Niger und die Nachbarstämme Syriens fiel,^
so ist es nicht wahrscheinlich, dass das mösische Heer auch in Asien
tätig gewesen ist.^) Allerdings war Ti. Claudius Candidus, der bekannte
Feldherr des Septimius Severus, diix exercittis Ulyrici eocpeditione Äsiana
item Parthica item Oallica/) und als solcher muss er auch das mösische
Heer unter seinem Kommando gehabt haben. ^^) Aber die Belagerung
1) Vgl. auch V. Domaszewski Bkein. Mus. XLVIU (1893) 244.
2) Vgl. die Liste der Statthalter bei Jung Fasten S. 18 ff.
8) Vgl. auch V. Domaszewski Rhein. Mus. XLVIII (1893) 244, 3, Die Chronoiogie
S. 125, 2 uod Brandis bei Pauly Wissowa IV 1971 (unter Dacia).
4) Mommsen CIL. III p. 160, Hirschfeld Süz.-Ber. der Wiener Äkad. LXXVII
(1874) 370, Marquardt 1*309 f. Vgl. auch v. Domaszewski Die Chronologie S. 109 ff.
5) In den ersten Jahren M. Aurels war die Legion noch in Troesmis (vgl. die
Inschrift auf S. 64, 1 c). Als sie zum parthischen Kriege nach dem Orient abmarschierte,
gehörte sie also noch zu dem mösischen und nicht zu dem dakischen Heere, wie
Y. Domaszewski Die Chronologie S. 112. 117 annimmt.
6) Die Namen aller mösischen Legionen erscheinen auf den Münzen des SepUmins
Severus: Cohen IV« p. 31 n. 255. 257 (leg. I Ital.), p. 31 n. 264 (leg. IV Flav.), p. 81
n. 266 (leg. VII Claud.), p. 32 n. 268 (leg. XI Claud.). Vgl. auch Fachs Geaeft. des
Kaisers Septimius Severus, Wien 1884 {Unters, aus der alten Gesch. Heft V) S. 12 f.,
V. Domaszewski Die Fahnen im röm. Heere S. 48.
7) Dio LXXIV 8, 3, LXXV 1, 1 (Boissev.); vgl. Schiller I 712.
8) Vgl. auch Beuchel Diss. 87.
9) II 4114 = Dess. 1140. Unter expeditio Parthica ist der Zug gegen die Araber,
Adiabenc und Osrhoene, der unmittelbar auf die Besiegung des Pescennius Niger folgte,
gemeint. Vgl. Schiller I 719, 5 mit 712, 5, Mommbcn R. O. V 410, 1, RitterUng Diss.
62,2, Dess. 1140 adn. 7.
10) Vgl. S. 22 mit Anm. 4.
Die Legionen der Proxnnz Moesin, 79
von Byzantium kann ja auch als Teil der expediüo Äsiuna betrachtet
werden.
Wir besitzen in der Tat gar keine Andeutung für die Teihiahme
des mösischen Heeres an den Ereignissen in Asien, während die Beteiligung
des dakischen und pannonischen Heeres gerade an diesen Ereignissen auch
sonst bestätigt wird. So müssen die beiden dakischen Legionen, V Maced.
und Xni Crem , ziemlich starke veocillationes für diese Kriege gestellt haben,
denn TL Claudius Claudianus, cansul suffeetus im J. 195/7 und später Statt-
halter der beiden Pannonien, erscheint auf einer Inschrift aus Rusicade
(Numidia) ^) vor seinem Konsulate als praeposittcs veanllation{um) Dadis-
car{tm), nachdem er schon vorher die Legation der leg. V Maced. und
Xin Gem. bekleidet hat.*) Ebenso lässt auf die Beteiligung der panno-
nischen Legionen, wenigstens der leg. 11 Ad., an den Ereignissen in
Asien die Weihinschrift aus Aquincum III 3512 schUessen: . . . opti[6]
ab exped[it.] \ Suriat rev[e]\r$ti8 v, s, L a. Der Name einer Truppe
scheint auf der Inschrift nicht gestanden zu haben. Da aber die Inschrift
in Aquincum gefunden worden ist, so kann der Unbekannte nur ein An-
gehöriger der dort stationierten leg. II Ad. sein. Die expediüo Suriatica
ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach der Krieg gegen Pescennius Niger,
da es bei der Erhebung des Avidius Cassius unter M. Aurel nicht zu einem
Kampfe gekommen war.'')
Für die Zeit nach Septimius Severus sind wir meistens nur auf Ver-
mutungen angewiesen. Eine Inschrift aus Speier (Xin 6104 = Dess. 2310)
nennt einen Soldaten der leg. IV Flav., welcher in einem germanischen
BMege mitgekämpft hat:
d. ni. I Aur. Vitali \ mil. leg, IUI t\ \ stip. VII, vixit \ ann, XXV,
agens \ expeditione \ Oermaniae, Flavius Proc\lti8 mil leg. s. s, \ secundtis
he\re8 contvheT\nali bene mer\€[nti] f. c.
Wegen des Fundortes der Inschrift ist an den Markomanenkrieg
M. Aureis nicht zu denken, und so hat Zangemeister diese Inschrift wohl
mit Recht auf den germanischen Krieg Caracallas im J. 213 bezogen,
über den BMeg selbst und die Truppen, welche daran beteiligt waren.
1) Vni 7978 (Dess. 1147); vgl. VIII 5849.
2) Vgl. Jung Fasten S. 57, Prosop. C 678.
8) Dass die illyrischeo Legionen sich auch an dem parthischen Kriege des Sep-
timius Severus (197—199) beteiligt haben, kann, mit Rücksicht auf ihre Bütwirkung an
den früheren und späteren parthischen Kriegen, als sicher betrachtet werden, obwohl wir
dafUr keine direkte Zeugnisse besitzen. Die Inschrift aus Apulum 1111198 + p. 1390
= Dess. 2746 = S. 51 n. 14, welche einen tribun. coh. IBritt. item vexil Dacor. Parthic,
cui ob virtute sua sacratissimi imper, caronam . . . insignem dederunt nennt, und welche
sich sicher auf die Kriege des Septimius Severus bezieht (vgl. Mommsen im Corpus
SU der InBchrift und die in Anm. 1 angeführte Inschrift aus Rusicade: praepositus
vexülationum Daeiiscarum) ^ kann auch mit dem Zuge des J. 194—196 in Verbindung
gebracht werden (vgl. S. 78, 9).
80 Bogdan Filow,
ist sehr wenig bekannt.») C. Octavius Appius Suetrius Sabinus, Konsul
im J. 214, war in diesem Kriege praeposit{2is) vexi[U{aris)] Germ(anicae)
expedit{ionis) und comes des Caracalla, nachdem er kurz vorher Legat der
obergermanischen leg. XXII Primig. war. 2) Diese vexiUarii können nicht
dem germanischen Heere angehört haben, denn die germanischen Legionen
haben sich an diesem Kriege wohl vollzählig beteiligt. Es sind alao
vielmehr vexUlarii aus dem Heere einer Nachbarprovinz gewesen. Da
aber, ausser der leg. IV Flav., an diesem Kriege sich noch die leg. II Ad.
beteiligt hat,*) so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch andere pannonische
und mösische Legionen ihre vexillationes für den Krieg gestellt haben,
und dass gerade diese vexiUarii unter dem Befehle des C. Octavius Sabinus
gestanden haben.
Mit grösserer Wahrscheinlichkeit wird man behaupten können, dass
die mösischen Legionen auch an dem parthischen Kriege unter Caracalla
beteiligt waren. Dass auch dieses Mal der Krieg nicht ohne Heran-
ziehung der Donaulegionen geführt werden konnte, beweist die Beteiligung
der pannonischen Legionen;*) doch direkte Zeugnisse für die Beteiligung
der mösischen, so viel ich sehe, besitzen wir nicht. ^) Welche Rolle diese
Legionen bei den Prätendentenkämpfen nach Ermordung des Kaisers
Caracalla bei Carrhae im J. 217 gespielt haben, lässt sich nicht sagen.
1) Vgl. über diesen Krieg die Arvalakten vom J. 213 (bei Dessau 451), Spart.
Vit. Ant. Carac. 5, Dio LXXVIII 14 (Boissev.), Aurel. Vict. Caes. 21, 2 uod die Inschrift
aus AquiDum X 5398 (Dess. 1159); Fabricius Die Ent^thung der röm, Limesanlagen
in Deutscht. 1902 S. 15 f.
2) X 5398 (Dess. 1159) aus Aquinum; Momrosen Ephem. epigr. I 134, Pro90p.
0 19. Vgl. auch X 5178.
3) III 3447 — Aquincum — [J.] 0. [m.] \ voverunt \ in espedi\tione Ger\mica Sep. \
Quintia\ntts et Äur. | Gentilis^ \ v. s. l. m. Germica steht natürlich für Germanica, Dem
Stile nach gehört die Inschrift erst dem dritten Jahrhundert an. Die beiden ge-
nannten können nur Soldaten der in Aquincum stationierten leg. II Ad. sein, denn nur
so lässt sich die Auslassung des Namens der betreffenden Truppe erklären. Vgl. auch
Gündel Diss. 61.
4) Sicher war die leg. II Ad. an diesem Kriege beteiligt, III 8844 — Stuhl-
weissenburg — J. 0. m. \ L. Sep. Veranus | vet. leg. II Ad. p. f. \ [p}ro voto 8u[s\e]^f4o
in ex\[p]editione \ [P]arthica \ . . .p Antanino eoH'j. Die Inschrift ist im J. 218 ge-
setzt worden (vgl. Mommsen zu der Inschrift, Gündel Diss. 61, Cagnat p. 1077). —
Auf denselben Krieg bezieht sich wohl auch der Grabstein aus Szanto (Pannonia inl)
III 10572, welcher einen mel (sie) leg. II Ad., qui defunctus est in Partia nennt,
vielleicht auch 111 4480 (Dess. 2307) — Carnuntum — . . . [mater] miserissima Sept(iwno)
Ingenuo eq{uiti) leg. XUIIGem., qui Partia decidit in beüo. Vgl. auch Buü. de corr. Aett.
1901 p. 59 n. 205 aus Bithynien: ccvvmvaQrJxoag Xsyidtai, a xal ß' di6doig[inl^ TU^eag.
Die beiden Legionen hat v. Domaszewbki Böm. MitieiL XX (1905) 158, 1 mit den I Ad.
und II Ad. identifiziert und die Inschrift auf den Orientzug Caracallas bezogen.
5) Mommsen im Index zu C'orpu« III und Schiller 1 746, 6 beziehen die Inschrift
III 6189 auf die Beteiligung der leg. V Maced. am partbischen Kriege Caracallas,
doch vgl. dagegen S. 75, 3.
Die Legionen der Provinz: Moesia, 81
2. Die Stellung der Legionen an der unteren Donau nach Yerlnst
der Provinz Dacia.
Der Anfang der mehr als 30 Jahre dauernden Goteneinfälle in das
römische Reich, welche neben den zahlreichen Verwüstungen auf der
ganzen Balkanhalbinsel auch den Verlust der Provinz Dacia herbeigeführt
haben, fällt in die Zeit des Maximinus. 0
Über die Schicksale der mösischen Legionen in dieser Zeit wissen
wir im einzelnen gar nichts, obwohl es sich nicht bezweifeln lässt, dass
sie an allen Schlachten, welche während dieser 30 Jahre fast ununter-
brochen mit den Goten geschlagen wurden, beteiligt waren. Nicht so
selbstverständlich ist aber ihre Beteiligung an dem dakischen Kriege des
Maximinus im J. 235.*) Denn die Daker dieser Zeit waren nicht mehr
unmittelbare Nachbarn der Provinz Moesia, wie zur Zeit Domitians und
Traians, sondern hatten ihre Wohnsitze viel nördlicher als damals. Wir
wissen nur, dass an diesem Kriege die pannonischen Legionen I Ad.*)
und II Ad.*) und die norische 11 Italica*) beteiligt waren, aber für die
mösischen haben wir keine Andeutung.
Nachdem im J. 275 die Provinz Dacia von Aurelian endgültig auf-
gegeben war,*) wurden die beiden dakischen Legionen, V Maced. und
Xin Gem., auf das rechte Donauufer verlegt und bildeten seitdem die
Besatzung der neuerrichteten rechtsdanuvischen Provinz Dacia. 0 Wo sie
1) Mommsen R. Q. V 217, Rappaport S. 27.
2) Maximinus muss damals Erfolge gegen die Daker gehabt haben, da er seitdem
den Titel Sarmaticus maximus und Dacicua maximus ftihrt: XII 5559, VIII 10047
(Dess. 488), X 6811 (Dess. 489), II 4756 (Dess. 490) u. a. m. Für die Chronologie vgl.
Rappaport S. 27 gegen Schiller I 786.
3) III 3660 (Dess. 2808) — Bajna, zwischen Aquincum und Brigetio — . . . \ et
perpetuae 8ec[urit(Ui] \ Aur. S(Uull[ino] mil, leg. \ I Adi., [qui\ vixit annis XX\niIj atip.
VI, incursu ho\8ti8 Daciae decidü, et Aur. Sat\ullOy q[ui] vixit annis XÜII^ \ Aur. Acutus
mil. leg. I Ad. pat. \ ßis bene merentihus posuit. Vgl. Jünemann Diss. 91 , Cagnat
p. 1076. Auf denselben Krieg bezieht sich yielleicht auch III 4375 — Arrabona
(Pannonia sup.) — Julio Patemo | (quondam) sig. leg. I Ad., stip. \ VI, qui vix. annos \
XXIIIIy qui est hello \ desiderat. Vgl. Jünemann a. a. 0.
4) III 3336 — Intercisa (Pannonia inf.) — . . . in q(uon)d(am) annat[ura] | leg.
II Ad., stip. XVI, djWiundus ex regio\ne Bassianesi, desi\deratus in Dacia q. \ qui
vixit ann. XXXIUI. \ Sept. Maxim[us] . . . vgl. Güudel Diss. 54, Cagnat p. 1077.
5) a. III 4857 — Virunum (Noricum) — d. m. \ Veponius \ Avitus | viv. fec.
sihi I et Diacoxie | Meitime | con. karissime | et Vep. Quart[ino] \ mil. leg. [IPj Ital. p.
[f.], I (phitus) ann. XXXV, stip. Uli, bel[lo] \ Ducco (für Dacico) desider. ieilira (?).
b. III 5218 (Dess. 2309) — Celeia (Noricum) — d. m.\ Aur. Justino militi i
leg. II Ital. (pbito) in exp. \ Daccisca, an. XXIII, | Aur. Verinus vet. et | Mess. Quar-
tina pa\rentes fecerunt.
6) Vgl. S. 5.
7) Vopisc. Vit. Aurel. 39 : cum vastatum lüyrieum ac Moesiam deperditam videret,
provinciam Transdanuvinam Daciam a Traiano constitutam sublato exercitu et pro-
Vincialibus reliquit desperans eam posse retineri abductosque ex ea populos in Moesiam
conlocavit appellavitque suam Daciam, quae nunc duas Moesias dividit. Dasselbe
berichtet auch Eutrop. IX 15: Provinciam Daciam, quam Traianus ultra Danubium
Filow, Dit Legionen der Frorins Moetie. 6
82 Bogdan Filow,
gestanden haben, zeigen uns die Itineraria: die leg. V Maced. in Oescus,*)
und die leg. XIII Gem. in Ratiaria.*)
Die inschriftlichen Zeugnisse aus dieser Zeit sind sehr dürftig.
Wichtig ist ein in Ratiaria gefundener Ziegel (III 14597*) mit dem
Stempel L XIII G RAT, welcher die Angabe der Itinerariu, dass diese
Legion in Ratiaria gestanden hat, bestätigt.')
Auch von der leg. V Maced. sind zwei Ziegel in Tscheleju und Beschli,
beide in der Nähe von Oescus,*) mit dem Stempel LVMOEiS und
leg. u MOES gefunden worden,^) welche erst aus der Zeit des zweiten
Aufenthaltes der leg. V Maced. in Oescus stammen können.«) Auf diesen
Aufenthalt sind die ebenfalls in Tscheleju gefundenen Ziegel (III 8066 b.c.)
mit dem Stempel L • V • M und L V M C zu beziehen. Denn man wird
kaum annehmen dürfen, dass gerade die leg. V Maced., so lange sie noch
in Potaissa, ganz im Norden von Dacia, gestanden hat, für Tscheleju
Mannschaften oder Ziegel geliefert habe, da die leg. Xm G^m. in Apulum
viel näher lag. Ausserdem aber, so lange Dacia im Besitze der Römer
war, ist an die Entstehung eines Kastells am linken Donauufer ganz in der
Nähe von Oescus, was Tscheleju gewesen zu sein scheint, nicht zu denken.
3. Die Provinz Scythia.
Nachdem die leg. V Maced. schon unter M. Aurel von Troesmis nach
Potaissa in Dacia verlegt worden war, standen zunächst in Troesmis nur
Abteilungen der beiden anderen untermösischen Legionen I Ital. und
XI Claud.^ Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass während der Goten-
fecerat , intermiait , vastato omni Illyrico et Moeaia , desperans eam posse retineri, ab-
ductosque Romanos ex urhibus et agris Daciae in media Moesia collocavü appeUavüque
eam Daciam, quae nunc dirns Moesias dividit et est in dextra Danubio in mare fluenti,
cum antea fuerit in laeva.
1) Itin. Änton. p. 220, 5: Oesco leg. V Mac.; vgl. Not. dign. or. XLII 33.
2) Itin. Änton. p. 219, 8: Ratiaria leg, XIII Gem. Die Zahl XUIT in den Hand-
schriften ist in XIII zu ändern, denn die leg. XIV Gem. stand auch nach Itin. p. 247, 4
in Camuntum (Mommsen CIL. III p. 1020); vgl. Not. dign. or. XLII 38.
3) Der in Kladovo, ebenfalls auf dem rechten Donauufer gefundene Ziegel
III 14215^ mit dem Stempel L XIII G P(ia) ^{everiana) stammt wegen des Beinamens
Severiana wahrscheinlich aus einer früheren Zeit. Die leg. XIII Gem. führt den Bei-
namen Severiana auf drei Weihinschriften aus Apulum (III 1019. 1020. 14469). Seitfe-
rianä) und Seve(riana) auf zwei Ziegeln aus Poetovio und Yindobona (III 11 859 a. b).
4) Der erstere Ort liegt auf dem linken, der letztere auf dem rechten Donaunfer.
5) III 8068 b (vgl. 8068 a) und 12523.
6) Das hat Mommsen Ephem. epigr. II zu n. 462 und CIL. III zu 6241. 8068
mit Recht gegen Hirschfeld Sitz.-Ber. der Wiener Akad. LXXVII (1874) 411 f. an-
genommen. Vgl. auch V. Domaszewski CIL. III zu 12523. Es ist in der Tat nicht
zu ersehen, warum die leg. V Maced., so lange sie noch in Moesia gestanden hat, den
Beinamen Moesiaca geführt haben soll. Jetzt stand sie zwar wieder in Oescus, gehörte
aber zum Heere von Dacia nova.
7) Vgl. Beuchel Diss. 75 sq. Für die leg. I Ital. ist das ganz sicher, für die
leg. XI Claud. wenigstens sehr wahrscheinlich , weil das Fragment III 6196 ... 6 *
ie Leffionm
omnf
foemn.
einfalle die römischen Truppen von hier vollständig ziirückgexogen und
in den wichtijct^reii Wrteidig^unf^punkieu Nova«^ und Diirostoniui kon-
zentriert vMU'den. Erst die allgemeine \'ermehrung der <trenztruppen
unter Diokletian *) und die GrimdnnjBr der Provinz Scythia, welche ungefähr
die heutige Dobrutlscha uinfa^ste, haben auch hier eint* Umwandlung
gebracht.-) Als Besatzung hat die neue Provinz zwei neugebildete
Legionen, I Jovia und II Herculia, erhalten, so dass die nonaumündung
von neuem sorgfältig üben^^aeht war. Die Zeit dieser Veränderungen
Iftsst sich nicht genau bestimmen.'*) Auch bezüglich der .stand(|uartiere
dei* neuen Le^onen stimmt die Überlieferung: niidit iiberein. Wir finden
folgende Angaben:
Hin, Antan, p. 225, 2: Trosniis leg. 1 Jovia,
„ „ p. 226, 1 : Nomodunt) leg. TI Herculia,
NoL dign. or, XXXIX 29 : Praefeciu^ fe<fiofiis m*cundafi Her(^4>li[mi\ae,
Trosmis.
r, 1^ n 1, 32: Ptaefectu^ IcgufHts jnifrtiti* J(>r(fi*\ Noiiütiiiftu,
Man hat deshalb vermutet, dass die beiden Legionen im 4. Jahr-
hundert, zur Zeit der Natitia, ihre Standquartiere vertauscht hätten.*)
Eine solche Vertauschung der Standquartiere innerhalb derselben Provinz
bleibt aber ganz ohne Analogie und lässt sieh durcJi nichts wahrschein-
lich machen. Wir können eine Aufklärung diese-s Punktes nur aus den
inschriftlichen Zeugnissen erwarten; leider sind aber auch diese zur Zeit
noch zu ungenügend, um daraus einen sicheren Schluss zu ziehen.
In Cius (Hi-SHarlik) ist eine Inschrift aus dem J. IWJ gefunden worden
(in 7494), welche sich auf die Errichtung eines Kastells bezieht,*) von
der aber nur die rechte Hälfte erhiilten ist:
[rf. n, invictissimus princepn FL V]alefi» littor marimii^ triunifatm* \
[semper Aug. in fidem reeepto rege Äthan]ariCöf victii: superatisque Oothis )
XI ' CL - P * F ' in den Ruinen de» Liigef» von Troesmb gefandi^n worden bt. Du*
Annahme, dius in Troesmi» »citwdse «wci Lcgioncinf I Itnl. und V Maeed,, vereinigt
waren, tiat ßeucbd u. a. 0. mit Hecht znrUckgewieMn.
1) Vgl. MomnuH*!] Dag röm. MiUtärwestn seit Diokktian, nermen XXiV (18d9)
210, Als Krginnitig«!! tu dieser Arbeit Mangold Rhein. Mu». LVil (1902) 259— 2(K
und Müller Phthl LXIV <n#05) 57$— 6S2.
2) (tber Scythia vgl hauptaiehUch die SteUen im Index xur Not, digUr von 8n>ck;
Marquiirdt P31f>» Schiller II 45» Dieie« Gi'hiet hat schon zur 'Mi Strabo« den Nnmcn
Scythia gefUhrt. Strabo V^ll 5, 12 A 490): f^tra di tijp tcav £xQi*di6%tüi* ifogav :tagä
llij Ta tfi% |i4a^&( xoJlotf^ii'fjg Ih\>^ia^ tf^i imh^ "Itrwffov. Vgl, v, Prementein Ögt€fr,
Jahruk. I (18»8) ßcibl. 152.
Ä) Dai wi?nigt% waa üb«r die beiden Legionen I Jovia und It ffereulia bekanot
isli findet mau bei Cagnat p. 1091. — Da diese swei Legionen sehon in drm Itin. Antim.
gänaont »nd, so venimtel Momuisen Hermes XXIV 2U3, I, da«» sie su den ersten von
Diokletian gegründeten Legionen gehört haben.
4) Cagnat p. Xmi; vgl. Mommten CIL. ITI p. m\i,
5) Vgl. den auglührlichen Kommentar su dieser Inschrift von Mommnen im Hef'
Hiiä KV II fl8Ö2) 523 ff. und Seeck ebda. XVIII 150 ff.
6*
84 Bogdan Filow,
[ingruente item in victorias iUa]a tempore feliciter quinquennaliorum
[ . . . himc burgum] oh defensionem rei piMicae eictruocit \ [labore . . .
devotiss%\morv/m militum stcorum Primanorum \ [et . , . comissorjum eure
Marciani trib. et Ursicini p{rae)p{ositi) 8emp(er) vest7'i ; [ . . . ordinante
Fl.] Stercorio viro clarissimo duce.
Da Cius selbst in Scythia liegt, so sind die Primarii die Soldaten
der leg. I Jovia, und deshalb hat Cagnat ') diese Inschrift angeführt als
Bestätigung der Angabe der Itinerariu, dass die leg. I Jovia in Troesmis
gestanden habe. Der Beweis beruht, so viel ich sehe, nur darauf, dass
Cius weniger von Troesmis als von Noviodununi entfernt war, die Soldaten,
welche das Kastell in Cius gebaut haben, also eher zu der Garnison
von Troesmis gehört haben. Man wird aber die Möglichkeit zugeben
müssen, dass an diesem Bau auch Soldaten der leg. 11 Herculia, welche
ebenfalls in Scythia stand, beteiligt waren, und dass in der Lücke der
Inschrift nach Primanorum auch Secundanorum gestanden hat. Deshalb
lässt sich diese Inschrift nicht als Beweis für den Aufenthalt der leg. I
Jovia in Troesmis ansehen.
Die einzige eigentlich hier in Betracht kommende Grabinschrift^*)
die sich nicht näher datieren lässt, nennt einen Präfekten der leg. II
Herculia, welcher noch im aktiven Dienste gestorben war, und da die
Inschrift in Troesmis selbst gefunden ist, so bestätigt sie die Angabe
der Notitia, dass die leg. 11 Herculia in Troesmis gestanden hat Des-
halb glaube ich, dass die beiden Legionen schon unter Diokletian die-
selben Standquartiere gehabt haben, wie sie die Notitia angibt, d. h.
leg. I Jovia in Noviodunum und leg. II Herculia in Troesmis. In den
Itineraria dagegen wird irgend eine Verwechslung vorliegen, welche um
so leichter entstehen konnte, als Troesmis und Noviodunum nur durch
zwei andere Städte voneinander getrennt sind.
Wir bekommen demnach folgende Verteilung der Legionen an der
unteren Donau zur Zeit Diokletians:
Moesia superior: Singidunum — leg. IV Flav.
Viminacium — leg. VII Claud.
Dacia nova: Ratiaria — leg. XIII Gem.
Oescus — leg. V Maced.
Moesia inferior: Novae — leg. I Ital.
Durostorura — leg. XI Claud.
Scythia: Troesmis — leg. II Herculia.
Noviodunum — leg. I Jovia.
1) A. a. 0. p. 1091 not 25.
2) III 6194 = Des«. 2781. — Troesmis — d. m, \ Vol. Thiumpo, qui \ müitavit %n
leg, I XI 67., lectm in sacro \ comit(atu) lanciarius: | deinde protexit \ annis V, missus;
pref. leg. II Hercul, \ [e]gtt ann. II semise et \ decessit; vixit ann. | XXXXV m. III
d. Xl, ÄureL | . . . aspi . . .
Die Legionm der Provinz Moeda. 85
Die vielen und schweren Kämpfe, welche die Römer im Laufe des
dritten und vierten Jahrhunderts an allen Grenzen des weiten Reiches
fast gleichzeitig zu bestehen hatten, und die Unmöglichkeit den Besatzungs-
truppen der einzelnen Provinzen neben der Defensive auch die Offensive
zu überlassen, musöten schliesslich dazu führen, eine besondere Operations-
armee zu schaffen.^) Im dritten Jahrhundert gab es eine solche Armee
noch nicht. Sollte daher ein grösserer Krieg geführt werden und dabei
die Grenzen genügend gedeckt bleiben, so musste immer eine besondere
Operationsarmee aus den vexillationes der einzelnen Legionen gebildet
werden. Schon der Markomanenkrieg M. Aureis war der Hauptsache
nach in dieser Weise geführt,*) aber seine Ausbildung hat dieses System
der Kriegsführung erst im Laufe des dritten Jahrhunderts erlangt. Wenn
noch zu dem Partherkriege M. Aureis drei volle Legionen von den West-
provinzen nach dem Orient abgehen konnten,^) so wird das später, bei
der veränderten Lage am Rhein und an der Donau, kaum jemals
geschehen sein.
Wir haben schon oben alle Kriege bis zur Zeit Caracallas, an denen
sich die mösischen Legionen beteiligt haben, besprochen. Eis bleibt noch
übrig, diejenigen Kriege nach Caracalla zu berücksichtigen, die nicht an der
Donaugrenze geführt worden sind, und an denen sich die unterdanuvischen
Legionen also nur durch veuillationes bei der Bildung einer Operations-
armee beteiligt haben. Die Zeugnisse dafür sind allerdings sehr spärlich.
Wichtig ist vor allem eine erst vor kurzem veröffentlichte Inschrift aus
Timacum minus (Moesia superior):*)
. . . Ingenuu]s | [ . . . ley. V]II Cl.y \ qui vi/it ann. \ XL V, militavit i
ann. XVI 8{emi8sc)y iiäerfevius in ej-peditiolne Fartica et Är(me7iiaca),
Va\leiitinns qui et{f) ()cta\v\us filius eres ei Claudia Cocceiu tnater filio
h{ene) m{erenti) p{osu'd), Ave Igenue. Be\ne vaUaSj mator.
Der einzige Anhaltspunkt für die Datierung dieser Inschrift bietet
die Bezeichnung des Krieges als ej^editio Fart{h)ica et Ar(meniaca),
Zwar heisst schon der parthische Krieg M. Aureis bellum Armeniacum
et Parthicum,^) aber nach Buchstabenform und Stil gehört unsere Inschrift,
wie auch der Herausgeber Vulic bemerkt, erst dem dritten Jahrhundert an.
Von diesen späteren Kriegen aber hat, so viel ich sehe, nur einer Arme-
1) Vgl. Seeck bei I'auly-Wigsowa IV 619 unter comitatenses.
2) Vgl. V. Domaszewski Die Chronologie S. 121 f., Die Marcus-Säule S. 107. Eioe
Regel war das natürlich nicht: es haben sich auch volle auswärtige Legionen an dem
Kriege beteiligt; vgl. S. 76 f.
3) Die leg. l Min. (VI 1377 = Dess. 1098, vgl. VI 31 640), leg. II Ad. (Rev. arcMol
1893 I p. 396 n. 88 = S. 52 n. 19) und leg. V Maced. (S. 74 f.). Vgl. auch v. Domaszewski
Die Chronologie S. 111 f., Ritterling Rhein. Mus. LIX (1904) 191 ff.
4) Österr. Jahresh. VIII (1905) Beibl. 19 n. 58 = Rev. arcMol 1905 II p. 482 n. 163.
5) III 1457 (Dess. 1097), VI 1377 (Dew. 1098, vgl. VI 31640), VI 1497 (Dess. 1094).
Auch haben bekanntlich M. Aurel und L. Verus den Titel Armeniacus geführt; vgl.
VIII 8300 (Dess. 368), II 3399 (.Dess. 367), VI 360 (Dess. 366) u. a. m.
86 Bogdan Fihw.
nien unmittelbar berührt: der Krieg des Sevems Alexander gegen die
Perser im J. 232. i) Auf diesen Krieg wird sich also die Inschrift aus
Timacum minus beziehen und die Beteiligung der leg. VII Claud. durch
eine vexillatio an dem Kriege sichern.*)
Auch eine andere Inschrift aus Syria (der Fundort ist unbekannt)
vom J. 243 8) zeigt, dass wenigstens eine vexillatio der niederpannonischen
leg. I Ad.^) sich damals in Syria aufgehalten hat, wahrscheinlich aas
Anlass des Perserkrieges unter Gordian im J. 242/3.
Schliesslich sind einige Centurionen der Legionen IV Flav., VII Claud.
und XI Claud. auf einer griechischen Rechnung aus Oxyrynchus vom
J. 295 genannt.*) Da die Anwesenheit dieser Centurionen in Oxyrynchus
sich nur durch die Anwesenheit ihrer Centurien erklären lässt, so hat
Cagnat ®) daraus mit Recht den Schluss gezogen, dass die drei erw&hnten
Legionen an der Unterdrückung der ägyptischen Rebellion unter Diokletian
durch veocillationes teilgenommen haben. Es ist deshalb anzunehmen,
dass auch die übrigen unterdanuvischen Legionen, I Ital., V Maced. und
XIII Gem., an dieser Expedition beteiligt waren, dass aber ihre veocillationes
nicht in Oxyrynchus mit den anderen zusammen gestanden haben, faUs
ihre Namen auf der Rechnung nicht zufällig fehlen.^)
Alle diese Tatsachen, so spärlich sie auch sein mögen, zeigen ganz
deutlich, dass die unterdanuvischen Legionen auch im dritten Jahrhundert
an allen grösseren orientalischen Kriegen regelmässig beteiligt waren,
obwohl wir keine direkten Zeugnisse dafür besitzen. Ob man sie auch
für die Kriege am Rhein herangezogen hat, lässt sich nocji nicht mit
Sicherheit sagen. Ihre Beteiligung an dem Germanenkriege unter Cara-
calla^) macht es jedoch wahrscheinlich, dass auch in der späteren Zeit
die unterdanuvischen Legionen für die Bildung der rheinischen Operations-
armeen verwendet wurden.
1) Schiller I 780.
2) Dass der Krieg, der elgeDÜich gegen die Perser geführt if urde, in unserer In-
schrift als expeditio Parthica bezeichnet wird, kann nicht auffallen. Hat doch Philippns,
selbst auf offiziellen Inschriften, den Titel Parthicus maximu8 gefuhrt (III 4634, 10619
== Dess. 507, III 14354«); daneben auch Peraieus maximus (VI 1097 = De««. 506).
3) HI 196 — d. m. | Äel Väleriano bf, trib. \ leg. I Ädi., at^, XVUI, vixü \ ann,
XXXVin. Jul 0ratia\nu8 hf. trib. leg. eius\dem eecundua heres \ et collega benewte-
renti | titulum statuendum | curat' it^ id[ib]u8 Octobr. Arriano et [P]a[p]o cos.
4) Seit Caracalla gehörte Brigetio und die leg. I Ad. zu Pannonia iof. Vgl.
V. Domaszewski Rhein. Mus. XL V (1890) 207 f., Jünemann Diw. 75«qq.
5) Grenfell and Hunt The Oxyrynchus Papyri I 48 (p. 91. 93).
6) A. a. 0. p. 1080. 1083. 1086.
7) Für die leg. I Jovia und II Herculia kann dasselbe nicht angenommen werdcD,
da wir nicht wissen, ob sie damals schon errichtet waren.
8) Vgl. S. 79 f.
Sohlusswort.
Werfen wir einen Blick auf die Legionen, welche an der unteren
Donau in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung gestanden
haben, so sehen wir, dass ihre 2^hl fortwährend gewachsen ist. Während
hier zur Zeit des Augustus nur zwei Legionen gestanden haben, hat sich
ihre Zahl zur Zeit Domitians verdoppelt, zur Zeit Diokletians vervier-
facht. Diese fortwährende Vermehrung der unterdanuvischen Legionen,
wie auch die der pannonischen, hängt zunächst zweifellos mit den Völker-
bewegungen zusammen, mit dem immer stärker werdenden Vordringen
der Barbaren gegen die Donaugrenze, während die Bewegungen an der
Rheingrenze im Laufe des zweiten Jahrhunderts stetig abgenommen haben.
Es kommt aber noch ein anderes Moment hinzu. Die Völker, welche
den nördlichen Teil der Balkanhalbinsel zur Zeit der Römer bewohnten,
die Illyrier, Thraker, Daker und Sarmaten, haben ausserordentlich zäh
an ihrer nationalen Eigenart festgehalten und waren der römischen
Kultur wenig zugänglich. In den Kämpfen dieser Völker gegen die
römische Herrechaft tritt uns ein grossartiges Bild der Freiheitsliebe
entgegen: auf der einen Seite die überlegene militärische Macht eines
hoch entwickelten Kulturstaates, auf der anderen eine bis zum Fanatis-
mus sich steigernde Unbeugsamkeit gegenüber der Fremdherrschaft. Die
Römer müssen schon sehr früh eingesehen haben, dass sie die Donau-
landschaften nur bei der Ausrottung der einheimischen Bewohner be-
haupten konnten, und so sehen wir diese Politik mit einer erschreckenden
Konsequenz bei allen Kriegen auf der Balkanhalbinsel durchgeführt. Von
den Grenzvölkerschaften stand keine in einem Klientelverhältnisse zu den
Römern, nicht einmal die Jazygen in der Theissebene, welche von drei
Seiten von römischem Gebiete umschlossen waren.*) Ein jedes Stück
1) Nach V. Domaszewskl Serta Harteliana S. 9 f. ood RorDemann Kaiser Hadrian
S. 28 mit Anm. 5 standen die Jazygen und Rozolanen seit Traian in einem Klientel-
Verhältnisse zu den Römern, was gewiss richtig ist, wenn man den Begriff des Klientel-
Btaates so weit ausdehnen will. Tatsächlich aber handelt es sich um eine bloM no-
mineUe Anerkennung der römischen Oberhoheit seitens dieser Völkerschaften, welche
weiter gar keine Folgen hatte und welche yon den Römern durch Geldzahlungen unter-
stützt werden mosste. Vgl. Spart, vit. Hadr. 6: cum rege Raxolanorum, qui de in-
minutis stipendiis querebaturf cognito negotio pacem composuü. Wie die
88 Bogdan Filo^r.
Land musste hier immer mit dem Schwerte behauptet werden, ein jeder
Krieg, jede Erweiterung des römischen Gebietes hat zugleich die Grenz-
verteidigung erschwert und eine Vermehrung der Legionen herbeigeführt.
So hat die Umwandlung von Thracia in eine römische Provinz die Ver-
legung der leg. VIII Aug. aus Pannonia nach Moesia und der leg. Xni
Gem. aus Germania superior nach Pannonia veranlasst, die Dakerkriege
Domitians die der leg. II Ad. aus Britannia nach Pannonia, die Daker-
kriege Traians die der leg. XI Claud. aus Germania superior nach Moesia
inferior, und weil auch die pannonischen Legionen nicht geschwächt
werden konnten, mussten die leg. I Ad. und X Gem. aus Germania nach
Pannonia kommen, um an Stelle der leg. XIII Gem. und XV Apoll,
zu treten.
Schliesslich hat auch noch ein dritter Umstand zu der Anhäufung
so vieler Legionen an der unteren Donau beigetragen. Die einzige
Grossmacht, mit der die Kömer zu rechnen hatten, war das parthische
Reich, und mit ihm standen sie fast ununterbrochen in Kampf. Aber die
Legionen des Ostens waren nicht nur ihrer Zahl nach unzureichend, um
diesen Kampf mit Erfolg führen zu können, sondern auch ihrer Disziplin
nach ungeeignet, und deshalb wurden, wie es sich im Laufe dieser Unter-
suchung gezeigt hat, die mösischen Legionen für alle Kriege gegen die
Parther regelmässig herangezogen. Die mösischen Legionen hatten also
wegen ihrer Stellung in der Mitte des Reiches sowohl die Donau- wie
auch die Euphratgrenze zu schützen, und dieser doppelten Aufgabe musste
auch ihre Zahl entsprechen.
So erscheint die fortwährende Vermehrung der Legionen an der
unteren Donau als der greifbare Ausdruck aller jener Verhältnisse,
welche schliesslich die Verlegung der Reichsresidenz von Rom nach
Konstantinopel herbeigeführt und dadurch auch die weitere Entwicklung
der Dinge auf der Balkanhalbinsel bestimmt haben. Während an Stelle
des weströmischen Reiches eine ganze Reihe von Staaten entstanden, die
zwar nicht eine neue Kultur geschaffen, wohl aber der alten neues Leben
gegeben haben, hat hier im Osten das Römertum in Verbindung mit dem
Hellenismus und der besonderen Färbung der christlichen Religion jene
eigenartige Erscheinung hervorgebracht, welche wir in der Geschichte
unter dem Namen des Byzantinismus kennen, und unter dessen Einfloss
ganz Osteuropa bis in die neueste Zeit hinein gestanden hat.
Jazjgen und Kozolanen, die weder zur Ueeresfolge verpflichtet waren , noch die Bo-
stätigung ihrer Könige von Rom zu erbitten hatten, ihre Stellung zu den Römern be-
trachteten, zeigt der Umstand, dass sie die Abwesenheit eines Teiles der mösischen
Truppen bei dem Tode Traians sofort benützten, um in das römische Gebiet einza-
faUen (S. 67 f.), und auch während des Markomauenkrieges gegen die Römer kämpfteD.
Chronologische Übersicht der mösischen Legionen.
ca. 9—46 n. Chr.
IV Scythica, V Macedoniea.
46-56/57
IV Scythica, V Macedoniea, VIII Augusta.
56/57-62
V Macedoniea, VIII Augusta.
62-67
VII Claudia, VIII Augusta.
67-69 Herbtt
III Gallica, VII Claudia, VHI Augusta.
69 Spätherbst
Durchmarsch der VI Ferrata.
69 November
I Italica, V Alaudae.
70 Anfang
I Italica, V Alaudae, VII Claudia.
71 Herbst— 86
I Italica, V Alaudae, V Macedoniea, VII Claudia.
86-101
Moes. sup.: IV Flavia (Ratiaria).
VII Claudia (Viminacium).
Moe«. inf.: I Italica (Novae).
V Macedoniea (Oescus).
101-167/168
Moes. sup.: IV Flavia (Singidunum).
VII Claudia (Viminacium).
Moes. inf.: 1 Italica (Novae).
XI Claudia (Durostorum).
V Macedoniea (Troesinis).
Dada: XIII Gemina (Apulum, zuemt Sarmizegethusa
iV),
167/168-275
Moes. sup.: IV Flavia (Singidunum).
VII C:iaudia (Viminacium).
Moes. inf.: I Italica (Novae).
XI Claudia (Durostorum).
Dacia: XIII Gemina (Apulum).
V Macedoniea (Potaissa .
275 bis DiokletiHD
Moes. sup.: IV Flavia (Singidunum).
VII Claudia (Viminacium).
Dacia uova: XIII Gemina (Ratiaria).
V Macedoniea (Oescus).
Moes. inf: I Italica (Novae).
XI Claudia (Durostorum).
Zur Zeit Diokletians Moes. sup. : IV Flavia (Singidunum).
VII Claudia (Viminacium).
Dacia nova: XIII Gemina (Ratiaria).
V Macedoniea (Oescus).
Moes. inf.: I Italica (Novae).
XI Claudia (Durostorum).
Scythia: II Herculia (Troesmis).
I Jovia (Noviodunum).
Verzeichnis der behandelten Stellen und Inschriften.
Stite
Joseph. 6c«. jMd. II 16, 4 .... 22 f.
, VII 4, 3 . . . .32,7
Itin. Ant. p. 219, 8 82, 2
, p. 225,2. 226, 1 ... . 83 f.
Ptolem. 1115,3 41,2
Tacit. Ann, XHl 35 8 f. 19
„ Eist. IV 68 29 ff.
„ Eist. V U 31
n3272 lOf.
in 953 61,7
1443 60 f.
6189 75,3
7397 = 12325 43, 2. 55
8«ita
III 7494 8811
7505 74 ff.
12325 = 7397 .... 43, 2. 55
14155« 68 ff.
VI 2725 40,4
3505 69,2
32933 75 f.
VUI 1026 36, 1. 48, 2
X3733 68,3
XI 5992 42 ff.
XII 5899 54 n. 5
XIV 3608 18. 15. 20f.
Österr, Jahresh.YlIl (1 905) Bbl. 19 n. 58 85 f.
Register.
Aconius Statura, L., 42 ff.
Acumincum, Lager der leg. II Ad. 41.
Adamklissi, angebliche Schlacht 38, 4.
Adler, von den Dakem erbeutet 38 f. 46, 3.
Ägyptischer Aufstand unter Diokletian 86.
Aelianus s. Plautius.
Aemilianus, von den mösischen Legionen
zum Kaiser ausgerufen 72.
Agrippa s. Fonteius.
Ala praetoria, aus Moesia sup. nach dem
Orient versetzt 68. 71.
Alanen, Schreibung 11,2; geplanter Zug
Neros gegen sie 11.
Albinus s. Clodius.
Almus (I^om), Zugehörigkeit zu Moesia inf.
3. 3, 8.
Alutus, die Landschaft östlich davon zu
Moesia inf. 4.
Antoninus Pius s. xMaurcnkrieg.
Antonius Primus 25. 28.
Antonius Saturninus, Erhebung gegen Do-
mitian 42.
Aponius Saturninus, M., Statthalter von
Moesia 24. 25 ; bekonunt eine Triumphal-
Statue 24.
Appius s. Octavius.
Apulum, Lager der leg. XIII Gem. auch
unter Hadrian 61, 7; eanabae in A. 57.
Aquincum, Lager der leg. II Ad. 41.
Artschar s. Ratiaria.
Aurel , M. s. Parther- und Markomaneu-
kriege.
Aurelius Fulvus, T., vernichtet mit der leg.
III Gall. eine Roxolanenschaar 24.
Bastamer, von Crassus geschlagen 1 f.
Belgrad s. Singidunum.
beüum Armeniacum et ParMcum 85.
Megister.
91
heUum Gertnanieum, Germankum ei Sar-
maticum, SarmoHcumf Suebicum 43.
Botponu s. ChenoDesus.
ßritannia, Leonen unter Claudius 9, 1.
9,4.
Britanoischer Krieg, unter Claudius 9, 1.
9, 4. 19, 6; unter Hadrian 65. 65, 6.
Byzantium, Belagerung unter Septimius
Severufl 78.
Caecina Severus, A., 2, 1. 2, 3.
Camillus s. Furius.
canahaCj zur Verwaltung 57 f. ; e. der leg.
XI Claud. 65.
Candidus s. Claudius.
Caracalla s. Germanen- und Partherkriege.
Castra Vetera, Schlacht 31.
Centurio, Dauer der Dienstjahre 44, 2. 44, 3.
CeriaÜs, Truppen unter ihm gegen Civilis
31,2.
Chattenkriege Domitians 43, 2. 49 n. 6.
Cbaukenkrieg unter Claudius 9.
Chersonesus Taurica, Festsetzung d. Römer
4. 12. 14; röm. Besatzung dort 4, 10. 12, 7.
14. 14, 5.
Ciabru8(Tzibritza), Schreibung 1 , 5; Schlacht
bei C. 1 ; als Grenze zw. Moesia sup. und
inf. 3.
Civilis, gegen ihn aufgebotene Legionen
28 f. 31. 31,2.
Claudius (Kaiser 41—54), Politik an der un-
teren Donau 12 f., s. auch britannischer
Krieg.
Claudius (Kaiser 268—270), besiegt die Go-
ten 5.
Claudius Candidus, Ti., 78.
Claudius Claudianus, Ti., 61, 7. 79.
Clodius Albinus, Krieg gegen ihn 78.
colonicie s. Oescus und Ratiaria.
Cohors III Breucorum, in Thracia 12, 3.
Cohors II Lucensium, in Thracia 12, 3.
Cohors ISugambrorum, aus Moesia inf. nach
dem Orient verseUt 68. 71.
Corbulo, gegen die Chauken 9; gegen die
Parther 15. 20.
Cornelius Fuscus, gegen die Daker 37 f.
38, 4; Bestand seines Heeres 40.
Cornelius Valerianus, Q. 10. 10, 2.
Cotys, König von Bosporus 12.
Crassus s. Licinius.
Cremona, Schlacht 26. 27; mitwirkende
Legionen 28.
Curio s. Scribonius.
Dacia, Einrichtung 17. 56. 77 f.; Legionen
unter Traian 56 ff. 72; Reiterabteilung
des dakiscben Heeres in dem Parther-
kriege M. Aureis 75 f.; Beteiligung der
dakiscben Legionen an dem Kriege gegen
Pescennius Niger 79; Verlust der Pro-
vinz 5. 81 ; Dacia nova 5 f. 81 ; Teilung
der letzteren 6, 1; Legionen unter Dio-
kletian 84.
Daker, von den Jazygen aus der Tbeiss-
ebene verdrängt 22, 5; Einfölle in Moesia
26. 35, 1.
Dakerkriege: unter Domitian 36 ff. 45. 53 ff. ;
mitwirkende Truppen 39 f.; Verluste der
Römer 38; unter Traian 38. 47. 53 ff.;
unter Maximinus 81.
Dalmatia, Rang des Statthalters 17, 1; Le-
gionen in claudisch-neronischer Zeit 21 f.;
unter Vespasian 35, 5.
Dalmatischer Krieg des Augustus 1.
Dardaner, von Scribonius Curio bekriegt 1, 1.
Decius, von den mösischen Legionen zum
Kaiser ausgerufen 72; von der leg. VU
Claud. anfangs nicht anerkannt 73.
Deldo, von Crassus getötet 1.
Didius Gallus, A., 12. 12, 5.
Diokletian, militärische Refonnen an der
unteren Donau 83, s. auch ägyptischer
Au&tand.
Domitian, Umschreibung seines Namens
auf Inschriften 48 n. 3; Aufenthalt in
Moesia 3, 1. 37; s. auch Chatten-, Daker-,
Germanen-, Markomaueu- und Sarmaten-
kriege.
dona militariaf Recht der Verleihung 48;
Sprachgebrauch auf den Inschriften 47 ff.
53. 76.
Durostorum (Silistra), Lager der leg. XI
Claud. 65.
ecoccUi, in den Dakerkriegen Domitians
und Traians 40, 4.
Falco s. Roscius.
Flavius Sabinus 21, 3.
Fonteius Agrippa, seit Dez. 69 Statthalter
von Moesia 27. 27, 9; von den Sarmaten
getötet 15. 32.
Fulvus 8. Aurelius.
Funisulanus Vettonianus, L., erster Statt-
halter von Moesia sup. 3, 1. 17, 1.
Furius Camillus Scribonianus, erhebt sich
gegen Claudius 18.
Fuscus s. Cornelius.
92
Register,
Gallus, von den mösischen Legionen zum
Kaiser ausgerufen 72.
Gallus Numisius Sabinus 66, 8.
Gallus 8 Didius und Rubrius.
Germania, Legionen unter Claudius 9, 1.
9,4; Abteilungen germanischer Legionen
in den Dakcrkriegen Traians 58, 7.
Germanenkriege: unter Vespasian 44; unter
Domitian 43, 2; unter Caracalla 79 f.
Gigen s. Oescus.
Goten, Einfalle in Moesia 5. 81.
Gordian s. Perserkriege.
Hadrian, Tribun der leg. II Ad. in Panuo-
nia 42, 3; s. auch Roxolaneneinfalle und
Judenaufstäudc.
Haemus, als Grenze zw. Moesia inf. und
Thracia 4.
H^viz, kein Legionslager, sondern Kastell
61,7.
Hispania, Legionen anter Domitian 40, 2.
Jazygen , besetzen die Theissebene 22, 5 ;
Einfall in Moesia unter Hadrian 67, 1 ;
Verhältnis zu Rom 45, 7. 87, 1.
Jerusalem, Legionen bei seiner Belagerung
durch Titus 70, 2.
Iglitza s. Troesmis.
Illyricum, Bedeutung des Wortes 22, 4.
27, 4 ; illyrische Legionen von Nero nach
Italien gerufen 23; Mitwirkung illyrischer
Legionen an den Kriegen unter Septi-
mius Severus 78 f. 79, 3.
Ingenuus, von den mösischen TiCgionen zum
Kaiser ausgerufen 72.
Judaea, Einrichtung 17, 6.
Judenaufstände : unter Vespasian 70, 2;
unter Traian 70. 70,8; unter Hadrian
69,2.
Kostolatz 8. Vimiuacium.
Kutlovitza, Kastell 61, 7.
leg. I Ad., von Vitellius nach Hispania ge-
schickt 28, 4; Aufenthaltsort unter Do-
mitian 40, 2; in den Dakerkriegen Traians
57. 60; angeblicher Aufenthalt in Dacia
57 f. ; in Pannonia stationiert 60 ; Beteili-
gung HU dem Maurenkriege des Antoninus
Pius 74, 5; au dem parthischen Caracallas
80, 4; an dem dakischen des Maximinus
81; an dem persischen Gordians 86; ».
auch panuonische Legionen.
leg. I Germ., in Germania inf. 9, 1; Ton
Vespasian aufgelöst 88.
leg. I Jovia, in Noyiodunum (Scythia) 83 f.
leg. I Ital., bei Cremona 26; November 69
nach Moesia 27. 27,9; Anfang 70 von
den Sarmaten geschlagen 82. 15,2; in
Domitians Dakerkriegen 39. 40 ; inTraians
Dakerkriegen 53; in Traians Parther-
kriege 71 ; Beteiligung an dem Mauren-
kriege des Antoninus Pius 74; an dem
Markomanenkriege M. Aureis 76; an dem
ägyptischen Zuge Diokletians 86; steht
auf der Seite des Septimius Severus 78, 6 ;
Lager Novae 68; s. auch mösische Le-
gionen.
leg. I Min., in beiden Dakerkriegen Traians
56. 56, 2 ; Beteiligung an dem Mauren-
kriege des Antoninus Pius 74, 5; an dem
Partherkriege M. Aureis 75, 6. 85, 8.
leg. II Ad., Herbst 69 in Italien 28; geht
gegen Civilis 29, 1; kommt 88/89 aus Bri-
tannia an die Donau 89 f. 42; in Acu-
mincum stationiert 40 f.; seit ca. 120 in
Aquincum 41; Beteiligung an dem Maaren-
kriege des Antoninus Pius 74, 5; an dem
parthischen M. Aureis 75, 6. 85, 4; an
dem Kriege gegen Pescennius Niger 79 ;
an dem germanischen Caracallas 80 ; an
dem parthischen Caracallas 80, 4; an
dem dakischen des Maximinus 81 ; s. auch
pannonische Legionen.
leg. II Aug., geht 48 aus Germania sup.
nach Britannia 9, 4.
leg. II Herculia, in Troesmis (Scythia) 88 f.
leg. II Ital. Beteiligung an dem Daker-
kriege des Maximinus 81.
leg. II Traiana, angebliche Errichtung vor
dem ersten Dakerkriege 37, 3. 66, 8.
leg. III Aug., Beteiligung an dem Marko-
manenkriege M. Aureis 76.
leg. III Cyren., Beteiligung an den jüdi-
schen Kriegen unter Vespasian 70, 2, Tra-
ian 70, 3 und Hadrian 68, 8.
leg. III Gall., in Syria 8.20; konunt 67
nach Moesia 8. 11. 23; vernichtet eine
Roxolanenschaar 24 ; schickt 2000 Mann
dem Otho nach Italien 24; verlässt Herbst
69 Moesia 25; bei Cremona 28. 31, 8;
kehrt nach Syria zurück 25.28; wahr-
scheinlich zur See 28, 6 , beteiligt sich
an dem jüdischen Kriege Hadrians 69, 2 ;
Inschriften mit ihrem Namen aus M<»e-
Hia 25.
Register.
93
leg. IV FIhv., unter VespasiaD iu Dalmatia
35, 5; kommt 86 Dach Moe8ia46; in den
Dakerkriegen Domitians 89. 40; in dem
sarmatischen Kriege Domitlans 44; in
den Dakerkriegen Traians 53. 54; Be-
teiligung an dem parthischen Kriege
Traians 68. 71 ; an dem Maurenkriege
des Antoninus Pius 73; an dem marko-
maDiscben M. Aureis 76 ; aih dem ger-
manischen Caracallas 79 f. ; an dem ägyp-
tischen Zuge Diokletians 86; steht auf der
Seite des Septimius Severus 78, 6; Lager
erst Batiaria, seit Traian Singidunum 63;
Ziegel mit ihrem Namen aus Dacia und
Pannonia 58 f.; s. auch mösischc Legionen,
leg. IV Maced.j unter Claudius aus Hispa-
nia nach Germania sup. 9, 8; von Yespa-
8ian aufgelöst 33.
leg. IV. Scyth., seit 9 n. Chr. in Moesin 6;
unter Claudius noch dort 7; angebliche
Versetzung nach Germania 8 f.; auch
nach 46 in Moosia 19; 56/57 nach Syria
20 f. 23 ; in dem parthischen Kriege Neros
8. 9. 20.
leg. V Alaud. , Schreibung 27, 1 ; in Ger-
mania inf. 9, 1; bei Cremona 26 f.; No-
vember 69 nach Moesia 27. 33 f. 27,9;
Anfang 70 von den Sarmaten geschlagen
32. 84. 15, 2; von den Dakern 86 ver-
nichtet 87 ff. 46.
leg. V. Maced., seit 9 n. Chr. in Moesia
6. 7; geht 62 nach Syria 7. 21. 23; im
parthischen Kriege Neros 20; im jüdi-
schen Vespasians 28. 23, 2. 70, 2; kehrt
Herbst 71 nach Moesia zuriick 35; iu den
Dakerkriegen Domitians 89. 40; in den
Dakerkriegen Traians 53. 54 f. ; im ersten
vollzählig 54 n. 6; bleibt nach dem Kriege
nicht in Dacia 60 f., sondern kehrt nach
Moesia inf. zurück 64; Beteiligung an
dem parthischen und jüdischen Kriege
Traians 70. 71; an dem Manrenkriege
des Antoninus Pius 74; an dem parthi-
schen M. Aureis 75. 75,6; geht 167/8
nach Dacia (Potaissa) 77 f. 77, 7. 82; Be-
teiligung an dem Kriege gegen Pescen-
nius Niger 79; kehrt 275 nach Moesia
inf. zurück 81 ; Beteiligung an dem ägyp-
tischen Zuge Diokletians 86; Lager zu-
erst Oescus, seit Traian Troesmis 64;
seit 275 wieder Oescus 82; Ziegel mit
ihrem Namen aus Pannonia 59; aus der Zeit
nach 275 82; s. auch mösische Legionen.
leg. VI Victr., Beteiligung an den Daker-
kriegen Traians 58; Ziegel mit ihrem
Namen aus Dacia und Pannonia 58.
leg. VI Ferr., in Syria 20; marschiert Herbst
69 durch Moesia 26; kehrt aus Italien
nach Syria zurück 28, vielleicht über
Moesia 33, 1.
leg. VII Claud., unter Claudius noch in
Dalmatia 18 f.; bekommt 42 den Bei-
namen Claudia p. f. 18; 69 in Moesia 8,
schon seit 62 21 f.; schickt 2000 Mann
dem Otho nach Italien 24 ; verlässt Herbst
69 Moesia 25; bei Cremona 28; kehrt
Anfang 70 nach Moesia zurück 31 f.;
in Domitians Dakerkriegen 39. 40; in
Traians Dakerkriegen 53. 55 f.; Beteili-
gung an dem Partherkriege Traians
68. 71 ; an dem Maurenkriege des An-
toninus Pius 74; an dem markomanischen
M. Aureis 77; an dem persischen des
Severus Alexander 85 f.; an dem ägyp-
tischen Zuge Diokletians 86; steht auf
der Seite des Septimius Severus 78, 6;
erkennt Decius nicht an 73 ; Lager Vimi-
nacium 62 ; Ziegel mit ihrem Namen aus
Dacia und Pannonia 59. 77; s. auch
mösische Legionen,
leg. VII Galb. (Gem.), bei Cremona 28;
Anfang 70 nach Pannonia 28; 71 nach
Hispania 30, 9.
leg. VIII Aug., in Pannonia 19, 6; Be-
teiligung an dem britannischen Kriege
des Claudius 19, 6; 69 in Moesia 8, schon
seit 46 19. 21; schickt 2000 Mann dem
Otho nach Italien 24; verlässt Herbst 69
Moesia 25 ; bei Cremona 28 ; gegen Civilis
29; bekommt die Auszeichnung bis Au-
yusia 26.
leg. IX Hisp , 43 aus Pannonia nach Bri-
tannia 9, 4. 19, 6; von 20 bis 24 in Afrika
19,6.
leg. X Fret., in Syria 20; in dem jüdischen
Kriege Vespasians 70, 2.
leg. X Gem., 63 aus Hispania nach Pan-
nonia 18. 22, 2; Beteiligung an dem Mau-
ronkriege des Antoninus Pius 74,5; er-
klärt sich gegen Septimius Severus 73.
leg. XI Claud. ; in Dalmatia 21 f. ; bekommt
42 den Beinamen Claudia p. f. 18; Herbst
69 nach Italien 28; Anfang 70 nach Ger-
mania 29. 48, 4; Beteiligung an dem
Germanenkriege Vespasians 44; unter
Traian nach Moesia inf. versetzt 64 ff.;
94
Begister.
sicher vor 114 70, wahrscheinlich schon \
101 66; Beteiligung an dem parthischen '
und jüdischen Kriege Traians 70. 71 ;
an dem Maurenkriege des Antoninus Pius
74; an dem Markomanenkriege M. Aureis
77; steht auf der Seite des Septimius
Severus 78, 6 ; Lager Durostorum 65 ;
Ziegel mit ihrem Namen aus Pannonia
59. 77; s. auch mösische Legionen.
leg. XII Fulm., in Syria 8. 20; Beteiligung
an Vespasians jüdischem Kriege 70, 2 ;
Inschrift mit ihrem Namen aus Moesia
26,6.
leg. XIII Gem., in Germania sup. 9, 4;
46 nach Pannonia 9,4. 19,6; bei Cre-
mona 28 ; gegen Civilis 30. 31 ; in Traians
Dakerkriegen 60. 61,6. 55 n. 11; unter
Hadrian schon in Dacia 57; sicher seit
107 61; vielleicht schon seit 101 in Sar-
mizegethusa 72, 1 ; Beteiligung an dem
Kriege gegen Pescennius Niger 79; an
dem ägyptischen Zuge Diokletians 86;
Lager Apulum 61, 7; seit 275 in Ratiarla
82; Ziegel mit ihrem Namen aus Pan-
nonia 59.
leg. XIV Gem., 43 aus Germania sup. nach
Britannia 9,4; seit 89 in Pannonia 42;
unter Traian in ad Flexum 41, 2; Be-
teiligung an dem Maarenkriege des An-
toninus Pius 74, 5; an dem parthischen
CaracaUas 80, 4.
leg. XV Apoll., in Pannonia 18. 19, 6; 63
nach Syria 18. 70,2; kehrt Herbst 71
nach Pannonia surück 30, 9. 35; Be-
teiligung an dem jüdischen Kriege Ves-
pasians 70, 2; an dem Chatten kriege
Domitians 43, 2.
leg. XV Primig. , in Germania inf. 9, 1 ;
von Vespasian aufgelöst 33. 33, 4.
leg. XVI Gall., in Germania 9, 1. 9,4;
von Vespasian aufgelöst 33. 40, 4.
leg. XX Val. victr., Errichtung 7, 1; in
Dalmatia und Moesia 6 f.; in dem pannon.-
dalm. Aufstande ununterbrochen tätig |
7,2; 9 n. Chr. nach Germania inf. 7. !
9, 1 ; 43 nach Britannia 9, 1.
leg. XXI Kap., in Germania 9, 1 ; bei Cre-
mona 26 f.; Herbst 69 nach Vindonissa i
27. 27, 3; seit 89 in Pannonia 42; in den
Donaukriegen Domitians 37.
leg. XXII Deiotar., Beteiligung an dem
judischen Kriege Vespasians 70, 2.
leg. XXII Primig., in Germania sup. 9, 4;
bei Cremona 26 f.; November 69 nach
Pannonia 27. 30; kehrt 70 nach Grermania
zurück 30; Beteiligung an dem Maaren-
kriege des Antoninus Pias 74, 5.
leg. XXX Ulp., Beteiligung an dem Maaren-
kriege des Antoninus Pius 74, 5.
leg. Viminaciensis 63.
Legionen, s. mösische und pannonische.
Legionsverzeichnis, vatikanisches, Zeit der
Abfassung 57, 2.
Licinius Crassus, M., erobert Moetia 1 f.
Licinius Macianus, wirft Herbst 69 die
Daker zurück 26.
Lom s. Almas.
Macer s. Martios.
Marcianas s. Valcrius.
Marinas, von den mösischen Legionen zum
Kaiser ausgerufen 72.
Markomanenkriege: anter Domitian 37, 4.
45; unter M. Aurel 76 f.
Martins Macer, verwaltet Moesia als prae-
toriwt 2, 4. 7. 7, 7.
Maarenkrieg des Antoninus Pias 73 f.
Maximinus s. Dakerkriege.
Mehadia 5, 1.
Mesembria 4.
Messalinus s. Valerius.
Mithridates, König von Bosporus 12.
Moesia, Unterwerfung 1 f.; Einrichtung 2.
7, 7. 17; Rang des Statthalters 16 ff. ; im
J. 86 geteUt 2 f. 3, 1. 17. 46; Um£ang 8 f.;
militärische Untemehmangen von Moesia
aus unter Claudius 12 and Nero 18 f.;
die Provinz von Einfällen der Barbaren
oft heimgesucht 34 f. 65,5; Aufenthalt
Domitians in M. 3, 1. 37.
Moesischc Legionen , vor 9 n. Chr. 7, 6 ;
seit 46 drei Legionen 15. 18; in claudiach-
neronischer Zeit 20 f. 23; leisten Otho
den Eid 24 ; erklären sich für Vespadan
25 ; verlassen Herbst 69 die Provinz 25 ;
ihr Bestand im Spätherbst 69 27; seit
Anfang 70 33; seit Herbst 71 35; seit 86
47; Mitwirkung in Domitians Daker-
kriegen 39 f. 46. 47. 53 ff.; in Domitians
Sarmatenkriege 42 ff. ; in Traians Daker-
kriegen 47. 53 ff.; Bestand seit Traian
72; Beteiligung an dem Partherkriege
Traians 71; an dem Maurenkriege des
Antoninus Pius 73 f.; an dem Marko-
maueukriege M. Aureis 76 f. ; an der Be-
lagerung von Byzanz und dem Krie^
Register.
95
gegen Clodius Albinus 78; an dem par-
thischen Kriege des SeptimiuB Seyenis
79, 3 ; an dem germanischen und parthi-
Bchen Caracallas 80; an den Gotenkrie-
gen 81 ; an anderen Kriegen des dritten
Jahrh. 86; an dem ägyptischen Zuge
Diokletians 86; stehen auf der Seite des
Septimius Severus 78; rufen mehrere
Kaiser aus 72; Bestand unter Diokletian
84; 8. auch leg. I Ital, IV Flav., V Maced.*
VII Claud. und XI Claud.
Moesisches Heer, stellt die Besatsang von
Thracia 4. 12. 12,3. 14 und Chersonesus
4. 4, 10. 12. 14. 14, 5; Reiterabteilung
von ihm im Partherkriege M. Aureis 75 f.
Moeser, bleiben dem pannon.-dalm. Auf-
stande fem 2, 1.
Mucianus s. Licinius.
Naissus (Nisch), Sieg bei Naiasus über die
Goten 5.
Nero, Politik an der unteren Donau 13 f.;
8. auch Alanen und Partherkriege.
Ncrva s. suebischer Krieg. i
Nicopoiis ad Istrum (NikUp) 4. '
Niger s. Pescennius.
Novae (Steklen), Lager der leg. I Ital. 68. ,
66; Hauptstadt von Moes. inf. 63. 63, 11.
Noviodunum, Lager der leg. I Jovia 88 f.
NumisiuM 8. Gallus.
Pescennius Niger, Krieg gegen ihn 78 f.
Philippus, Titulatur 86, 2.
Plautius Silvanus Aelianus, Ti., seit 56/57
Statthalter von Moesia 21,3; Tätigkeit
in Moesia 13. 15. 16. 18. 20 f. 21, 1.
Poetovio, Kriegsrat 25. 26.
PoUio s. Vitrasius.
Potaissa, Lager der leg. V Mac. 77, 7. 82.
Praetorianer, in Domitians Dakerkriego 40.
40,4.
Primus 8. Antonius.
Rang der kaiserlichen Statthalter in Bc-
xiehung zur Zahl der Legionen 16 ff.
Ratiaria (Artschar) 3; Lager der leg. IV
Flav. 68. 64; seit 275 der leg. XIII Gem.
82; von Traian xur Kolonie erhoben 68.
64.
Regalianus, von den mösischen Legionen
zum Kaiser ausgerufen 72.
Roscius Falco, Q., Legat der leg. V Mac.
im ersten Dakerkriege Traians 54 n. 6.
Roxolanen, Wohnsitze 24; Einfälle in Moe-
sia: während der Bürgerkriege 24. 81 f.
84 f.; unter Traian 35, 1. 66; unter IIa-
drian 67 f.; andere Einfälle 35, 1; Ver-
hältnis zu Rom 87, 1.
Rubrius Gallus, kämpft gegen Sarmaten
15. 32. 82, 7; befestigt die Donaugrenze
35.
Octavius Appius Suetrius Sabiuus, C, 80.
Oescus (Gigen), Lager der leg. V Mac. 64.
82; von Traian zur Kolonie erhoben 64.
Olbia, von den Skythen bedroht 65, 5.
dnlHai, im Sinne von Legion8soldaten bei
JoHophus 14, 4.
Oppius Sabinus, von den Dakern getötet 37.
Otho, von den Donaulegionen unterstützt 24.
Pannonia, Einrichtung 2. 17; Legionen von
9 n. Chr. bis 88 34, 1 ; unter Domitian 42.
Pannonische Legionen, in Domitians Da-
kerkriegen 40; in Domitians Sarmat<^n-
kriege 42; I^teiliguog an dem Kriege
gegen Pescennius Niger 79; an dem Par-
ther kriege Caracallas 80, 3 ; s. auch leg. I
Ad., II Ad., X Gem. und XIV Gem.
Partherkriege: unter Nero 7 f. 15. 18. 19,3.
20; unter Traian 68. 71; unter M. Aurel
75; unter Septimius Severus 79, 3; unter
Caracalla 80.
Perserkriege : unter Severus Alexander 85 f. ;
unter Gordian 86.
Sabinus s. Flavius, Gallus, Octavius und
Oppius.
Sarmaten s. Jazygen. Roxolanen und Rub-
rius Gallus.
; Sarmatenkrieg Domitians 87. 42 ff. 45.
Sarmizegethusa 5, 1. 38, 4; Gründung 60 f.
Satuminus s. Antonius und Aponius.
Scaurianus s. Terentius.
Scribonianus Curio, C, 1, 1.
Scythia 82 ff.; Legionen unter Diokletian
i 84.
: Septimius Severus, von der leg. X Gem.
anfangs nicht anerkannt 78 ; s. auch By-
zantium. Clodiu» Albinus, Pescennius
Niger und Partherkriege.
' Severus s. Caecina.
SeveruH Alexander s. Perserkriege.
ariiulavy im Sinne von Adler 88. 38. 7.
Silistra s. Durostorum.
Silvanus s. Plautius.
Singidunum (Belgrad), Lager der leg. IV
Flav. 63.
Statura s. Aconius.
96
RegiMer.
Steklen s. Novae.
Strassenbauten zw. dem Rhein und der
Donau 9, 3; südlich von der Donau 6.
6,3.
Suebischer Krieg Nenas 43
SuetriuB 8. Octaviu«.
Tapae, Schlacht 38. 56 n. 12.
Terentius Scaurianus. D., gründet Sarmi-
zegethusa 61.
Theissebene, der südliche Teil mit Moosia
8up. vereinigt 4 f.
Thracia, röm. Provinz 4. 12; Besatzung
12. 12, 3. 14; Ripa Thracia 3. 4, 2.
Traian, s. Daker-. Parthorkriege und Juden-
üufstände.
TrebaUia 3.
Troesmis (JgÜtza), Lager der leg. V Mac.
64. 66; Abteilungen anderer Legionen
82. 82, 7; Lager der leg. n Herculia 83 f.
Tyras, Zugehörigkeit zu Moesia inf. 4.
21,3.
Tzibritza s. Ciabrus.
Vaierianus s. Cornelius.
Valerius Marcianus, T., Lebenslauf 74 ff.
Valerius Messalinus 7.
Vespasiao, lost vier Legionen auf 33; s.
auch Germanen kriege und Judenanf-
stände.
Vettonianus s. Funisulanus.
vexillaruj in Thracia 10.
veonUationes f Bildung aus den Legionen
eines Provinzialheeres 70. 70, 4; unter
Centurio 61, 7; in Chcrsonesus 14, 5; in
dem dakischen 58, 7, parthischen und
judischen Kriege Traians 69 f.; in dem
Maurenkriege des Antoninus Pins 74;
der leg. III Aug. im Markomanenkriege
M. Aurels 76; der dakischen und pan-
nonischen Legionen gegen Pescennins
Niger 79; der mösischen und pannoni-
sehen Legionen in dem Grermanenkriege
Caracallas 80; in anderen Kriegen des
dritten Jahrh. 85 f.
Viminacium (Kostolatz), Lager der leg. VII
Claud. 62. 62, 2.
Vitrasius Pollio, T., 3, 3.
Wälle, in der Dobrudscha 64, 4.
Ziegel, zur Interpretation der Funde 58 f.
Druck von O. Kreyiing iu Leipxig.
RoterlurmP,
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