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Full text of "Klio : Beiträge zur alten Geschichte"

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KLIO 


Beiträge  zur  alten  Geschichte. 

In  Verbindung  mit 
Fachgenossen    des    In-    und    Auslandes 

herausgegeben  von 


C.  F.  Lehmann-Haupt,     und      E.  Kornemann, 

a.  o.  Professor  der  alten  Geschichte  a.  o.  Professor  der  alten  Geschichte 

an  der  Universität  Berlin.  an  der  Universität  Tübingen. 


Erster  Ergänzungsband. 

Mit  3  Tafeln  und  einer  Karte. 


ixv^TjMEofi/- 


Leipzig 

Di  et  er  ich' sehe   Verlagsbuchhandlung 

Theodor  Weicher 

1906. 


1 4.*i;at24 


;. :     :      ••:  ••:  •••  ••:  :  •;  /.  • 


Inhalt. 


Beiheft     1:  Kornemann,   Ernst,  Zur   Geschichte   der  Oracchenzelt. 

Quellenkritische  and  chronologische  Untersuchungen. 

Beiheft   II :  Komemann,  Ernst,  Die  neue  Liyias-Epitome.    (Oxyrhynchus 
^  Papyri  IV   No.  668.)     Mit  einer  Tafel. 

Beiheft  III:  Rostowzew,  M.,  Romische  Bleitesserae.  Ein  Beitrag  zur 
Sozial-  und  Wirtschaftsgeschichte  der  römischen  Kaiserzeit. 
Mit  zwei  Tafeln. 

Beiheft  lY :  Sundwall,  Johannes,  Epigraphisehe  Beiträge  z.  sozial-poli- 
tischen Geschichte  Athens  im  Zeitalter  des  Demosthenes. 

Beiheft    V:  Giimmerns,     Herman,    Der    romische    Gntsbetrieb    als 

wirtschaftlicher  Organismus    nach    den  Werken  des  Cato,    Varro 
und  Oolumella. 

Beiheft  VI:  Filow,  Bogdan,    Die  Legionen  der  ProTinz  Moesia  von 

Augustus  bis  auf  Diokletian.     Mit  einer  Karte. 


Zur 

Geschichte  der  Gracchenzeit 


Qnellenkritische 
nnd  chronologische  Untersuchungen 


Ernst  Eomemann. 


Leipzig 

Dieterich' sehe  Verlagsbuchhandlung 


Theodor  Weicher 
1903. 


Inhalt. 


B«tl6 

A,  Zur    Kritik    der   Qutlloji 1—42 

1.  Die  lateinischen  Bleichte  und  PJutarch  1—20 

n.  Die  Ännalen  des  Fauniiuä  die  gosucbte  Primlirqueü«*   ..,,.,  20 — 37 

IIL  Die  Frage  nach  den  Mittelquellcn  37—42 

B,  Zur   Clironologie        .........  42—53 

T.  Die  «eitliche  Folge  der  Gesetze  dm  Gaius  42—51 

n.  Die  Datierung  der  lex  Thoria  52—63 

Anhang:    Die    Datierung    des    Stnmtsht^seliiui&äeft    bei    .Tuiir|jboä    AnL   Jud, 

Xin  9.  2,  260—265  Niesr'  54-56 


A. 
Zur  Kritik  der  Quellen. 

I.    Die  lateinigehen  Berichte  und  Plutareh. 

Eduard  Meyer  hat  vor  einigen  Jahren*)  die  uns  erhaltenen  Quellen 
der  Gracchenzeit  mit  ein  paar  kräftigen  Strichen  charakterisiert  und  ihr 
Verhältnis  zu  einander  festzustellen  gesucht.  Er  schliesst  mit  den 
Worten:  „In  den  Grundztigen,  in  den  Angaben  über  die  maassgebenden 
Thatsachen  stimmen  alle  drei  Berichte  aufs  beste  tiberein,  so  verschieden 
ihr  Standpunkt  ist.  Das  giebt  uns  nicht  nur  die  Gewähr,  dass  wir  in 
diesen  Dingen  auf  festem  historischen  Boden  stehen,  sondern  bringt  uns 
auch  den  unschätzbaren  Gewinn,  dass  mr  in  den  Grundlagen  unserer 
Quellen  Berichte  erkennen,  welche  aus  den  Ereignissen  heraus  geschrieben 
sind  und  uns  unmittelbar  in  den  Kampf  und  die  Auffassung  der  mit- 
einander ringenden  Parteien  hineinführen In  Wirklichkeit  sind 

die  grossen  Geschichtswerke  dieser  Zeit  für  uns  sehr  wohl  greifbar,  auch 
wenn  wir  die  Namen  ihrer  Verfasser  nicht  kennen."  So  sehr  ich  auf 
der  einen  Seite  mit  dem  positiven  Teil  dieser  Ergebnisse  einverstanden 
bin,  ebenso  sehr  leugne  ich  andererseits,  dass  wir  uns  bei  dem  im  letzten 
Nebensatz  angedeuteten  negativen  Resultat  beruhigen  müssen.  Selbst 
auf  die  Gefahr  hin,  von  Seiten  der  modernsten  Richtung  in  der  Quellen- 
forschung als  Ketzer  verschrieen  zu  werden,  wage  ich  es  weiterzugehen 
und  nach  Namen  von  Autoren  für  die  „sehr  wohl  greifbaren"  Geschichts- 
werke zu  suchen. 

Wie  schon  die  eindringende  Kritik  von  Schwartz^)  gezeigt  hat,  sind 
Meyers  Ausführungen  im  vierten  Abschnitt  (Plutareh  und  die  Römer) 
schwächer  als  in  den  früheren.  Hier,  wo  Schwartz  eingesetzt  hat,  soll 
auch  unsere  Untersuchung  beginnen.  Rücken  wir  einmal  die  lateinischen 
Quellen  in  den  Vordergrund,  indem  wir  zugleich  Plutareh  immer  im  Auge 
behalten.    Denn  davSs  jene  zusammengehören  und  dieser  stellenweise  sich 

1)  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  Gracchen^  in  der  Festschrift  zur  zweihundert- 
jährigen  Jubelfeier  der  Universität  Halle,  HaUe  a/S.  1894.  Ich  zitiere  nach  einem 
Separatabzug. 

2)  GötHngischc  gelehrte  Anzeigen  1896  S.  792—811. 
KornemAnn,  Zar  Gheachicht«  der  Oraochenseit.  1 


2  E.  Kortiemann, 

mit  ihnen  berülirt,  hat  Meyer,*)  ebenso  wie  vor  ihm  schon  Nitzsch,^) 
richtig  beobachtet.  Da  leider  Livius  selbst  für  diese  Zeit  nicht  erhalten 
ist,  müssen  wir  unter  den  Lateinern  Ve  1 1  e  i  u  s  zum  Ausgangspunkt  nehmen. 
Mit  ihm  ist  vor  allem  Cicero,  der  an  vielen  Stellen  seiner  Werke  auf 
die  Ereignisse  der  Gracchenzeit  zurückgreift,  zu  vergleichen.  Es  zeigen 
sich  sofort  einige  höchst  bedeutsame  Übereinstimmungen: 

1.  Bei  beiden  ist  das  Motiv,  das  Tiberius  zu  seiner  Ackergesetz- 
gebung getrieben  hat,  der  Unwille  über  die  Kassierung  des  Mancinus- 
Vertrags,  bei  dem  er  mitge^virkt  hatte,  d.  h.  aus  der  Sphäre  des  Persönlichen 
herausgehoben,  der  Gegensatz  in  der  spanischen  Politik  ^ :  Vell.  II 2  Anfang: 
Inmanem  dedüio  Mancini  civitatis  movit  cUssensionem.  qydppe  2'iberius  Oracchus 
....  quo  quaestore  et  auctore  id  foedus  ictum  erat^  nunc  gramter  ferens  aliquid 
a  86  pactum  infirmari  ....  deacivit  a  bonia^  Cic.  de  fiarusp.  resp.  43 :  Nam 
Tl.  Oraccho  invidia  Numiantini  foederis^  cui  feriendo  quaestor  C.  Mancini 
consulis  cum  esset  interfueratj  et  in  eo  foedere  improbando  senatus  severitas 
dolort  et  timon  fuit  eaque  res  illum  fortem  et  darum  virum  a  gravitate 
patrwm  desciscere  co'egtt,  ebenso  Brutus  103:  tribunatum^  ad  quem  ex  invidia 
foederis  Numantini  bonis  iratus  accesser at  und  Quintilian  VII  4.  13;  ZU 
civitatis  movit  dissensionem  bei  Vell.  vgl.  ausserdem  Cic.  de  rep,  I  31 : 
divisit  populum  etc.  und  Sallust  Jug.  41.  10:  moveri  civitas  et  dissensio  civilis 
quasi  permixtio  terrae  oriri  coepit.  Zu  dieser  Gruppe  gehört  ferner  die 
livianische  Überlieferung,  vertreten  durch  Orosius  (V  8.  3:  Gracchus 
tribunus  plebi  iratus  nobilitati,  cur  inter  auctores  Numantini  foederis  notaius 
esset),  und  Dio  Cassius  24  frgm.  83.  2,  Boissevain  1 327.  Endlich  hatte  auch 
die  Quelle  der  Schrift  de  viris  illustribus  dieselbe  Motivierung  gegeben.*) 
Dagegen  bei  Plutarch  (7V.  Or.  7)  ist  die  Aufhebung  des  Vertrags  nur 
der  Grund  zu  einem  Zerwürfnis,  und  zwar,  wie  ausdrücklich  betont  wird, 
keinem  unheilbaren  Bruch  zwischen  Tiberius  und  Scipio  Aemilianus. 
Die  Ursache  zum  Auftreten  des  Tiberius  als  Gesetzgeber  aber  liegt  auf 
einem  ganz  anderen  Felde.  Mit  der  Hervorhebung  der  agrarischen  Not 
und  der  Entvölkerung  Italiens  als  des  Grundmotivs  für  Tiberius  tritt 
Plutarch  (c.  8  erste  Hälfte)  scharf  auf  Seiten  des  Appian  (I  7).  Schwartz' 
Opposition  (S.  800)  gegen  Nieses  (Hermes  XXIII  413.  2)  und  Meyers  (14) 
Ansicht  ist  verfehlt.  Auch  Plutarch  hat  an  dieser  Stelle,  wenn  er  auch 
sonst  nicht  vom  Standpunkt  des  IraXixdv  yivoq  schreibt,  wie  Appian, 
ganz  Italien  im  Sinne,  das  beweisen  die  Worte  am  Schluss  der  ganzen 
Auseinandersetzung:    tSatt    xaxv    ti]v  'Irakiav   anaaav    bhyavdQiag 

1)  S.  21  ff. 

2)  Die  Gracchen  S.  448 :  „Im  Ganzen  steht  doch,  was  uns  von  ihnen  (Livhis  und 
Velleius)  Überkommen,  der  Darstellung  Plutarchs  viel  näher  als  der  Appians". 

3)  Über  Spaniens  Bedeutung  für  die  römische  Politik  jener  Zeit  lese  man  die 
trefflichen  Ausführungen  Meyers  S.  22. 

4)  c.  64  Anfang.  Das  geht  daraus  hervor,  dass  hier  im  ersten  Satz  des  Tiberius 
Teilnahme  am  Vertrag  noch  einmal  hervorgehoben  wird,  während  die  eigentliche 
Erzählung  des  Ereignisses  in  c.  59  steht. 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzeü.  3 

ilBv&iguip  aia&ia&ai.^)  Beide  genannten  Motive  sind  nebeneinandergestellt 
allein  bei  Florus  n  2.  2 — 3 :  aet  hie  sive  Manctnianae  deditumfa^  qaia  Sponsor 
foederis  fuerat,  contagium  timens  et  inde popularis  sive  aequo  et  bono  ductus^ 
qtua  depulsam  agris  suis  plebem  misercUus  est^  ne  poptdus  gentium  Victor 
orbisque  possessor  laribus  ac  focis  suis  exularet,^ 

Im  zweiten  Teil  des  Kapitels  8  nennt  dann  Plutarch  noch  eine  An- 
zahl Persönlichkeiten,  die  bei  Tiberius,  als  er  Volkstribun  geworden  war, 
den  letzten  Anstoss  zu  seinem  Auftreten  gegeben  haben  sollen :  nach  den 
einen  {oi  nkilaroi)  der  Rhetor  Diophanes  von  Mitylene  und  der  Philosoph 
Blossius  aus  Cumae,  nach  anderen  (i^vioi)  die  Mutter  Cornelia,  oder  end- 
lich (&kkoi)  Spurius  Postumius.  Dagegen  wird  eine  Schrift  des  Gaius 
Gracchus  zitiert,  worin  dieser  nachgewiesen  hatte,  dass  dem  Tiberius  schon 
der  Anblick  der  Verödung  Etruriens  bei  der  Reise  nach  Numantia  den 
Gedanken  zur  Reform  eingegeben  habe.  Die  an  erster  Stelle  stehende 
Version  (ol  nkelaToi)  lesen  w^ir,  was  den  C.  Blossius  angeht,  auch  bei 
Cicero  Laelhis  37  in  den  Worten:  non  enim  paruä  äle  (Blossius)  7V. 
Oracchi  temeritati  sed  praefuit  nee  se  comüem  tUius  furoris  sed  ducem 
praebmt^^)  und  Diophanes  von  Mitylene  wird  Brutus  104  als  Lehrer  des 
Tiberius  genannt.  Diese  Version  entstammt  also  vielleicht  derselben  Quelle, 
auf  die  die  übrigen  Übereinstimmungen  zwischen  den  Lateinern  und 
Plutarch  zurückgehen. 

2.  Bei  Velleius  TI  3.  1  wird  scharf  betont ,  dass  P.  Scipio  Nasica 
zum  Kampf  gegen  Tiberius  aufrief  als  privatus  et  togatus,  und  geradeso 
vergisst  Cicero,  der  die  That  ein  halbes  Dutzend  Mal  erwähnt  (in  Catil 
I  3,  pro  Plancio  88,  de  domo  91,  Brtttus  107.  212,  de  off.  I  76,  Tusc.  IV  51) 
niemals  den  Zusatz  privatus,  wenn  er  auch,  wie  in  Catil.  I  3  oder  Tusc. 
IV  51,  den  P.  Scipio  als  pontifex  maanmus  bezeichnet.  Hierin  hat  offen- 
bar Velleius  einen  Widerspruch  zu  entdecken  gemeint  und  den  Zusatz 
gemacht :  ob  eas  virtutes  primus  omnium  absens  pontifex  maximus  f actus  est. 
Damit  dokumentiert  er  nur  seine  Unkenntnis  im  republikanischen  Staats- 
recht; denn  der  pontifex  maximus  hat  keine  Beamtenqualität,  ist  vielmehr 
„dem  Beamten  gegenüber  jedem  anderen  Privaten  gleichgestellt".*)  Wie 
die  Zusätze  privatus  bezw.  privatus  et  togatus  aufzufassen  sind,  zeigen 
Cicero  an  der  erwähnten  Stelle  der  Tusculanen:  ipse  privatus,  ut  si 
consul  esset  und  Valerius  Maximus  in  2.  17,  wo  Nasica  bei  den  Senats- 


1)  AUerdiDga  scheint  Appian  oder  seine  unmittelbare  Vorlage  den  Grundgedanken 
der  Urquelle  einseitig  weiterverfolgt  zu  haben,  Schwartz  S.  802. 

2)  Die  letzten  Worte  stammen  aus  der  Rede  des  Tiberius,  die  Plutarch  c.  9  am 
Ende  zitiert. 

8)  Allerdings  hier  im  Anschluss  an  das  Verhör,  das  Laelius  nach  der  Er- 
schlagung des  Tiberius  mit  Blossius  anstellte;  dieses  Vorhör  auch  bei  Val.  Maximus 
IV  7.  1  und  Plut.  Tiberius  20;  an  letztcrem  Orte  stellt  aber  Scipio  Nasica  die  Fragen. 
Nitzsch  (Gracchen  829.  8)  hat  mit  Recht  betont,  dass  bei  Plutarch  die  jüngste  Version 
vorliegt. 

4)  Mommsen,  Staatsrecht  IP  S.  21. 

!♦ 


4  E.  Komemann, 

Verhandlungen  im  Fidestempel,  als  der  Konsul  Mucius  Scaevola  entgegen 
dem  Willen  der  Mehrheit  die  Anwendung  von  Waffengewalt  ablehnt,  sich 
so  ausspricht:  Qtwmam  consul  dum  iuris  ordmem  sequäur  id  offä  ut  cum 
Omnibus  legibus  Bomcmvm  imperium  corruat,  egomet  me  prtvatus  voluntaH 
vestrae  ducem  offero.  Darauf  wickelt  Nasica  den  Zipfel  der  Toga  um  den 
linken  Arm  (Velleius),  bezw.  die  linke  Hand  (Valerius  Maximus)  und 
bricht  mit  dem  Rufe :  qui  scdvam  vellent  rem  publicum  se  sequererUur  (VelL, 
Val.  Max.,  Cic.  7Wc.,  entsprechend  Appian  I  16  und  ähnlich  auch  Plutarch 
Ti,  19)  gegen  Gracchus  (in  Oracchum  stantem  in  area  cum  ccUervis  suis: 
Velleius)  los.  Nasica  befand  sich  also  in  dem  Augenblick,  da  er  seinen 
Alarmruf  erhob,  im  Tempelhof  (Velleius  sogar:  ex  superiore  parte  Capäolii 
summis  gradibus  insistens,  der  Auctor  ad  Herennium  IV  55.  9  sagt  fälsch- 
lich: evolat  e  templo  Jovis)^  und  die  Gracchaner  werden  vom  Jupiter- 
tempel hinweggedrängt.  Tiberius  flieht  und  wird  beim  Hinablaufen  vom 
Kapitol  auf  dem  clivus  Capitolinus  mit  einem  Stuhlbein  erschlagen 
(Velleius:   fugiens   decurrensque    clivo    Capitolino   fragmine   subsellii 

ictus  vitam finivä,   Orosius  V  9.  2  mit  mehr   Detail:    Gracchus  per 

graduSj  qui  sunt  super  Calpumium  fomicem,  deiracto  amiculo  fugiens 
ictus  fragmento  subsellii  conruü  rursusque  adsurgens  alio  ictu  clavae 
cerebro  inpactae  exanimatus  est),  Aucli  was  das  Togographische  angeht, 
rücken  alle  Lateiner,  wie  Hülsen  nachgewiesen  hat,*)  eng  zu  einander. 
Der  Kampf  entspinnt  sich  auf  der  area  des  Kapitols  und  endet  auf  dem 
clivus  Capitolinus;   es  ist  ein  Kampf  von  oben  nach  unten.^) 

Schärfer  als  irgendwo  anders  tritt  hier  die  Relation  des  Appian  und 
Plutarch  der  eben  behandelten  gegenüber.  Nach  der  Versammlung  im 
Fidestempel  geht  es  seitens  der  Senatoren  aufwärts  zum  Kapitol 
(App.  I  16:  kq  x6  KaTtirdliov  av^effav,  Plut.  19:  avkßaivov  im  rov 
TißiQiov),  an  der  Spitze  steht  P.  Scipio  Nasica  6  fiiyiarog  agxtBQBvg 
keyouBPog  (App.).'^)    Nach  dem  Alarmruf  (App.,  Plut.  s.  o.)  zieht  er  den 

1)  Festschrift  für  IL  Kiepert   S.  212. 

2)  Hülsen  hat  diese  QueUengruppe  zum  ersteu  Mal  zur  EnUcheidung  der  Kontro- 
verse über  die  Lage  des  Fidestempels  beigezogen  (a.  a.  0.  S.  212).  Richter  dagegen 
stützt  sich  einseitig  auf  Appians  Bericht  (Hermes  XVIII  S.  115 f.  und  Topographie^ 
S.  128.  4)  und  ignoriert  alle  übrigen  Quellen,  selbst  in  seiner  nach  Hülsen  erschienenen 
Arbeit:  Beiträge  zur  römischen  Topographie:  II.  Capitolium  und  Clivus  Capitolinus^ 
Beilage  zum  XIII.  Jahresher.  des  Kgl.  Prinz  HeinricIts-GymnasiumSj  Berlin  1903  S.  22  f. 
Ich  möchte  hier  nur  bemerken,  dass  ich  Mommsens  (Bull.  d'eU.  Institut.  1845  S.  124 f. 
vgl.  CIL.  III  Suppl.  p.  2035)  und  Hülsens  Ansicht,  wonach  der  Fidestempel  auf  der 
area  Capitolina  zu  suchen  ist,  für  hinlänglich  gesichert  halte.  Mein  unten  folgender 
Nachweis,  dass  ein  so  hervorragender  Zeitgenosse  wie  Fannius  in  den  uns  erhaltenen 
lateinischen  Quellen  zu  Grunde  liegt,  wird  hoffentlich  weiter  klärend  wirken. 

3)  Auch  nach  Plutarch  war,  wenn  es  auch  an  der  eben  in  Betracht  kommenden 
Stelle  nicht  ausdrücklich  gesagt  wird,  Nasica  schon  vor  dem  Weggang  aus  Italien 
pontifex  maximus:,  da«  beweist  Ti.  Gr.  21:  ovtco  iilv  vTrh^fild-s  rijg  'ItaXlag  6  Naaixäg, 
xalntQ  iv&s&tiitvog  Talg  fify/ffTaiff  ItgovQYlccig '  fjv  yuQ  ö  ybifiatog  naX  ngiatog  rvbv  Isg^onv. 
Darf   Ed.  Meyer   bei    dieser    Übereinstimmung   der   Quellen    behaupten   (S.  19  A.  1): 


Zur  Geschichte  der  Graccheneeit  5 

Saum  seiner  Toga  über  den  Kopf  (App.:  to  xgccamSov  rov 
ifiariov  ig  rr/v  xifpalr^v  nsgi^gvöaTo j  Plut.  fast  wörtlich  ebenso:  ro 
xgdaneSov  rov  Ifiarlov  &ifievog  ini  rijg  xa^paA^),  während  ihm 
die  Senatoren  folgen,  nach  Plutarch,  indem  sie  ihrerseits  die  Toga  um 
die  Hand  winden  (s.  o.  Velleius  und  Val.  Max.).  Als  man  oben  ankommt 
(App.  nochmals:  avBl&ovri  kg  t6  iigdv),  weichen  die  Gracchaner  vor 
Nasica  zurück  tl^  xar'  a^iwaiv  dvdgi  dgiatq).  Dasselbe  Faktum  kon- 
statiert Plutarch  mit  den  Worten:  ovSevog  kviaxapiivov  ngog  to  dl^iwfia 
Twv  avdgwv,  also  mit  dem  Unterschied,  dass  was  dort  von  Nasica  allein 
gesagt  ist,  hier  auf  die  (Gesamtheit  übertragen  wird  (vgl.  App.,  der  nach 
den  obigen  Worten  fortfährt  xal  rr)v  ßovXi^v  Sfia  ol  &eatgoi)vTeg  iniovoav). 
Man  sieht  deutlich,  hier  ist  die  ganze  Darstellung  auf  das  Faktum,  dass 
der  Oberpriester  führt,  komponiert.  Während  bei  den  Lateinern  das 
Priesteramt  des  Nasica  ganz  aus  dem  Spiel  gelassen  wird,  ist  es  bei  den 
Griechen  gerade  die  Würde  des  pontifex  maxtmiLs,  die  man  in  den  Vorder- 
grund schiebt.  Nur  so  kann  ich  mir  das  Hinaufziehen  der  Toga  über 
den  Kopf  erklären :  diese  Massnahme,  für  welche  Appian  sclion  vergeblich 
eine  Erklärung  gesucht  hat,  und  die  alle  Neueren  nicht  genügend  be- 
achten,^) ist  nichts  anderes  als  die  Herstellung  der  Priester- 
tracht.-) Unter  Führung  des  pontifex  mctximus  ein  Sturm  der  Senatoren 
auf  das  Kapitol  hinauf,  ein  Kampf  von  unten  nach  oben:  das  ist  in 
doppelter  Beziehung  eine  den  lateinischen  Berichten  durchaus  entgegen- 
gesetzte Darstellung.  Nun  aber  trennen  sich  die  Wege  von  Appian  und 
Plutarch.  Bei  Appian  werden  zwar  die  Anhänger  des  Tiberius  verfolgt 
(sie  fliehen  also)  und  werden  die  Abhänge  des  Kapitols  hinuntergestürzt, 
dagegen  Tiberius  selbst  fällt,  Blkovfuvog  negi  t6  Ugop,  an  der  Thür  des 
Jupitertempels  nagd  rovg  xwv  ßaaiXiiov  avögidvxag  (dazu  Vgl.  man  den 
Auetor  ad  IIei\  a.  a.  0.  20 :  neque  tarnen  locum^  in  quo  constiterat^  reUnquenti 
sc.  Graccho),  während  Plutarch  sich  den  lateinischen  Quellen  nähert,  ohne 
allerdings  in  allem  mit  ihnen  übereinzustimmen.  Wie  dort  flieht 
Tiberius,  und  zwar  wie  bei  Orosius  in  der  blossen  Tunika,  er  ^ird  von 
einem  Stuhlbein  getroffen  (s.  Vell.  und  Orosius),  und  es  bedarf  ooch  eines 
zweiten  Schlages,  um  ihn  zu  töten  (s.  Orosius).    Dagegen  lässt  Plut. 

„Appian  bezeichnet  ilin  fälschlich  bereits  als  pontifex  maximus,  was  er  erst  nach 
Crassus  Tode  wurde"?  • 

1)  Meyer  S.  19.2:  ,,Appian  zerbricht  sich  unnötig  den  Kopf,  um  diesen  sehr 
natürlichen  Vorgang  zu  erklären.  Um  das  Kapitol  hinaufstUrmen  zu  können,  muss 
man  die  Beine  frei  haben ;  zugleich  dient  die  um  den  Kopf  geschlagene  Toga  zum 
Schutz".  Wenn  es  nur  galt,  die  Beine  frei  zu  bekommen,  konnte  N.  die  Toga  wie 
seine  Begleiter  auch  um  den  Arm  wickeln:  das  ist  doch  viel  natürlicher  und  gab 
zugleich  die  Möglichkeit,  die  Toga  als  Schild  zu  gebrauchen.  Damit  ffUlt  auch  das 
»weite  Argument  Mejers. 

2)  Über  diese  Tracht  Marquardt-Wissowa,  Staatsverw.  III  S.  176  m.  A.  6, 
Wifisowa,  Religion  und  Kultus  der  Bömer  S.  838  A.  1,  S.  429,  MarquardtMau,  Privat- 
leben S.  562  (mit  Fig.  6  S.  661). 


6  E.  Korn/mann^ 

Tiberius  über  Leichen  stürzen  und  dann  beim  Aufstehen  zusammen- 
gehauen werden,  bei  Orosius  wird  er  durch  den  ersten  Schlag  mit  dem 
Stuhlbein  zu  Fall  gebracht.^)  Die  Angabe  der  Örtlichkeit,  wo  der  Tod 
erfolgte,  fehlt  bei  Plutarch;  die  Erwähnung  der  Flucht  des  Tiberius 
weist  aber  auf  die  Version  der  Lateiner  hin.  Dafür  hat  Plutarch  die 
Namen  der  Männer,  welche  die  beiden  Schläge  führten  (Publius  Satureius, 
ein  Kollege  des  Tiberius,  und  Lucius  Rufus).  Endlich  sagt  Plutarch,  dass 
über  300  bei  der  „Holzerei"  {^vloig  xai  Xi&oig  avyxonivTeg,  aidi]Q(p  Si 
ovSsig)  fielen,  während  Orosius  nur  200  Getötete  angiebt 

Hier  also  haben  wir  ein  typisches  Beispiel  der  Quellenverhältnisse: 
auf  der  einen  Seite  die  Lateiner,  auf  der  anderen  Appian,  dazwischen 
Plutarch,  bei  dem  die  Quellen  der  beiden  Berichte  kontaminiert,  dazu 
vielleicht  noch  andere  Quellen  mit  biographischem  Detail  verarbeitet  sind. 

3.  Den  bekannten  Ausspruch  des  Scipio  Aemilianus:  Tt\  Oracchum 
iure  caesum  esse  führen  ausser  Velleius  (U  4.  4  hier  mit  dem  Vordersatz: 
si  is  occupandae  rei  pviUcae  ammum  habuisset)  und  Cicero  (de  orcU.  II  106, 
pro  Mil  8)  auch  alle  übrigen  lateinischen  Quellen  an:  Livius  Epä  59, 
Val.  Max.  VI  2.  3,  Pseudo  -Victor  de  vir  Hl  58,  die  beiden  letzteren,  indem 
sie  wie  Velleius  daran  eine  zweite  Äusserung  des  Scipio  gegen  die  Massen : 
Taceant  quibus  Itaita  noverca  e3t,  anscliliessen.  Dieses  letztere  Dictum  allein 
berichten  Plutarch  Apopkteg,  Scip.  Min.  22.  23  und  Polyaen  VIII  16.  5. 
Livius  giebt  als  Anlass,  bei  welchem  das  Wort  iure  caesum  esse  gefallen 
sei,  eine  Kede  des  Scipio  gegen  die  Rogation  des  Volkstribunen  Papirius 
Carbo  auf  Einführung  der  Iteration  des  Volkstribunats  im  J.  623/131.*) 
Damit  lassen  sich  alle  übrigen  lateinischen  Quellen  vereinigen,  die  aller- 
dings den  Ausspruch  auf  eine  Frage  des  Carbo  gethan  sein  lassen.  Aber 
dieser  konnte  sehr  wohl  innerhalb  seiner  Rede  den  Scipio  apostrophiert 
haben.  ^)  Dagegen  Plutarch  verlegt  die  zweite  Äusserung  in  den  Streit 
über  die  Jurisdiction  der  Triumvim,  in  dem  Scipio  für  die  Interessen  der 
Bundesgenossen  eintrat  und  die  Rede  contra  legem  iudicidriam  Tiberii 
Oracchi  hielt  (Liv.  Epit.  59,  Cic.  Laelius  12,  de  rep,  VI  12,  Scliol  Bob.  in 
Cic.  pro  Mil  p.  283,  Macrobius  Sat  HI  14.  6,  dazu  Mommsen,  Rom.  Gesch. 
n » 99  Anm.),  also  unmittelbar  vor  seinen  Tod  (633/129).  Schwartz  (795)  ver- 
mutet, dass  der  Anspruch  taceant  etc.  ursprünglich  für  diesen  Zusammen- 
hang, in  dem  Scipio  der  Beschützer  der  §chten  Italiker  ist,  bestimmt  war, 
nicht  für  den  Streit  wegen  der  papirischen  Rogation,  die  Rom,  aber 
nicht  Italien  anging.  Diese  Vermutung,  die  im  ersten  Augenblick  besticht, 
ist  zurückzuweisen.  Plutarch  erzählt  nämlich  noch  an  einer  zweiten 
Stelle  (Ti.  Gr.  21  am  Ende)  den  Hergang  im  allgemeinen,  ohne  die  Dicta 
selbst   anzuführen,    indem    er    für    die   Einzelheiten    auf   die   verlorene 

1)  Schwartz  S.  808. 

2)  Meyer  verlegt  das  Ereignis  irrtOmlich  ins  Jahr  180  (19.  3  und  26.  2). 

3)  Anderer  Ansicht  ist  Schwarte  (S.  794),  welcher  drei  Versionen  annimmt. 


Zur  Geschichte  der  GraccJwnjgcit.  7 

Biographie  des  Scipio  verweist.  Hier  stellen  ol  n^gi  Fdiov  xal  ^ovXßiov 
in  der  Volksversammlung  die  Frage,  ri  q>Qovohi  mgl  tijg  Tißtgiov  x^Xivt^q^ 
worauf  Scipio  sein  Missfallen  über  dessen  politische  Thätigkeit  ausspricht. 
Als  dann  das  Volk,  was  es  sonst  nie  gethan  hatt^,  ihm  gegenüber  seine 
gegenteilige  Ansicht  kundgiebt,  lässt  jener  sich  zu  einer  beleidigenden 
Äussenmg  gegenüber  der  Ma^sse  liinreissen  {avrog  di  x6v  Sijfiop  bIubIp 
xaxwg  ngorixf^n)'  Hieraus  ergiebt  sich,  dass  auch  Plutarch  in  der  Lebens- 
beschreibung des  Scipio  die  beiden  Aussprüche  bei  e i n e r  und  derselben 
Gelegenheit  erzählt  hatte,  allerdings  bei  einer  anderen  als  die  Lateiner, 
nämlich  gelegentlich  einer  Volksversammlung,  in  der  Gaius  und  Fulvius 
die  Leitung  der  Gracchaner  hatten.  Eine  Trennung  der  Aussprüche  ist 
also  nicht  möglich ,  entweder  sind  sie  beide  im  Jahre  131  oder  beide  129 
gefallen.  Nun  ist  zu  beachten,  da^s  bei  den  Lateinern  sowohl  wie  bei 
Plutarch  auch  Gaius  (Tracchus  als  Gegner  des  Scipio  erscheint.  Von  einem 
Auftreten  des  Gaius  im  Jahre  129  wissen  wir  wenig,*)  dagegen  ist  es  bekannt, 
dass  er  im  Jahre  131  eine  Rede  gehalten  hat,  ut  lexPapiria  acdpiatur^  aus  der 
uns  mehrere  Fragmente  erhalten  sind:  Charisius  p.  116.  119.  132.  143  L. 
H.  Meyer,  Orot,  Rom.  fragm.-  p.  192  f.  Aber  noch  mehr  als  das:  in  einem 
dieser  Fragmente  ((.)har.  p.  143)  kommt  (^aius  auf  den  Tod  seines  Bruders  zu 
sprechen:  Peasimi  Ttberium,  fratrem  meum  Optimum,  mterfecerunt.  In  dem 
Kedekampf  um  die  papirLsche  Rogation  ist  also  der  Tod  des  Tiberius,  der 
ja  durch  den  Versuch  die  Wiederwald  zu  erzwingen  herbeigeführt  wurde, 
naturgemäss  erörtert  worden.  Hierher  passt  also  vorzüglich  das  Wort 
des  Scipio:  Tiberium  iure  caeaum  esse.  Weiter:  die  Rede  de^  Carbo  wird 
bei  Cicero  Laelius  96  mit  den  Worten  charakterisiert:  QtUbus  blanditiia 
C.  Papiriua  nuper  influebat  in  aurea  contionis !  die  des  Scipio  aber :  Quanta 
iUay  di  immortaleSy  fuit  yravitas,  quanta  in  oratione  maiestas!  ut  facüe 
dueem  populi  Romanik  non  comitem  diceres.  Bei  die^^er  Charakteristik  wird 
man  also  beruhigt  auch  das  stolze  Wort  von  der  noverca  Italift  lüerher- 
ziehen  dürfen,  ja  auch  die  von  Plutarch  weiter  hinzugefügten  noch 
stolzeren  Worte,  die  auf  den  Ruf  der  Gracchaner  xrelvai  rov  Tvgavvov 
erfolgten:  oi  tfi  natgidt  nokifiovvTBg  ifii  ßovXovxai  ngoavikelp,  ov  yag 
oXov  T€  xi]V  *P(iifii]v  maup  JSxinlwvog  iaxwxog^  ovSk  ^rjv  2!xini(ava  rrjg 
*Pvif4fjg  ni(Tovar^g,  vielleicht  für  authentisch  erklären.  Ich  behaupte  also, 
die  Aussprüche  des  Scipio,  die  die  lateinischen  Berichte  geben,  am  voll- 
ständigsten Velleius,  gehen  auf  m\e  gute  Quelle  zurück,  welche  di(»selben 
aus  einer  gegen  die  papirische  Rogation  gehaltem»n  Rede  des  Genannten 
voll  gravitaa  und  maiestas  entnahm.  Nicht  nur  die  Rede  des  Scipio 
{Ixielius  a.  a.  0.:  est  in  manibus  oratio) ,  sondeni  auch  diejenigen  des 
Carbo  (Cicero  Brutus  104:  Nam  et  Carhonis  et  (Tiberi)  Qracchi  habemus 
orationes  nondum  satis  splendidas  verbis ,    sed  acutas  prudentiaeque  j^l^^issi- 

1)  Meyer  (19.  3)  zieht  hierher  die  Worte  bei  C'ic.  Laelius  39:  At  vero  Ti. 
Gracchum  sequebantur  C.  Carba ^  C.  Cato  et  tninime  tum  quidem  Gaius  f rater,  nunc 
idem  acerrimua. 


8  E.  Kornemann, 

mas)  und  die  des  C.  Gracchus  (vgl.  die  oben  angeführten  Fragmente  aus 
der  Rede  des  Gaius)  waren  erhalten.  Cicero,  Livius  und  die  übrigen 
Lateiner  ergänzen  und  stützen  einander  gegenseitig;  wo  der  Bericht  des 
Plutarch  abweicht,  ist  er  zu  verwerfen.^)  Appian  übergeht  leider  die 
ganze  Sache.  Hier  taucht  C.  Gracchus  erst  auf  (121),  als  er  sich  um 
das  Volkstribunat  bewirbt,  und  es  wird  ausdrücklich  gesagt:  kg  noi^v 
fiiv  riovxctoag  knl  rp  rov  aSiXtpov  avfi(pog^j  womit  der  Anfang  der 
Gaius -Vita  des  Plutarch  vorzüglich  übereinstimmt:  Faiog  8i  Fgdyxog  kv 
&QX^  fiiv  jj  deSiofg  vovg  kx^Q^^S  ^  (p&ovov  avvayaiv  in  avtovg  vn$^iaTtj  re 
Ttjg  ayogag  xai  xa&'  iavrov  r^cvxiccv  tx^^  diiTQißev,  wg  £v  rig  iv  r« 
T(p  nagovTi  ranuvu  ngarriov  xal  t6  Xotnov  ovrwg  angayfiovtag  ßKaao- 
(levog,  wate  xal  Xoyov  rial  xa&^  avxov  nagaüx^lv^  «S  Svüx^gaivovxog  xai 
ngoßißXtifUvov  r^  tov  Tißtglov  noXndav,^)  Abgesehen  von  der  Er- 
wähnung einer  Rede  für  seinen  Freund  Vettius  weiss  Plutarch  an  dieser 
Stelle  nichts  von  seinem  Helden  vor  dessen  sardinischer  Quaestur  zu  be- 
richten und  er  bemerkt,  dass  Gaius  mit  der  Entfernung  aus  Italien  ganz 
zufrieden  gewesen  sei,  weil  es  ihm  vor  der  politischen  Laufbahn  und  der 
Rednerbühne  graute  (rijv  nokireiav  xal  t6  ß^fia  tpglTTwv).  Plutarch 
dehnt  also  die  Ruhepause  bis  zur  Quaestur  aus  und  betrachtet  auch  die 
Thätigkeit  in  Sardinien  zunächst  mehr  vom  militärischen  als  politischen 
Standpunkt  (am  yag  wv  nole/iixog  xal  x^^ov  oiSiv  ngog  axgaxtiag  tiaxti- 
fiivog  i}  dixag).  Das  steht  nicht  nur  seinen  eigenen  Ausführungen  im 
Tiberius  und  im  Scq)io  minor,  die  wir  eben  betrachteten,  sondern  auch 
Cicero  und  Livius,  also  den  Lateinern,  diametral  entgegen.  Wir  sahen, 
im  Jahre  131  hielt  Gaius  bereits  seine  politische  Jungfemrede  gelegent- 
lich der  papirischen  Rogation,  im  Jahre  129  lässt  Cicero')  den  Laelius 
von  ihm  sagen:  rnmc  idem  acerrimua,  im  Jahre  126  bekämpft  er  als 
Quaestor  das  Vorgehen  des  Pennus  gegen  die  Peregrinen  (Cicero  de  off. 
m  47,  Brutus  109,  Festus  p.  286,  H.  Meyer,  fragmerUa «  p.  229).  Wieder 
stehen  die  lateinischen  Quellen  den  griechischen  gegenüber,  aber  wir  können 
hier  zum  ersten  Male  bei  den  letzteren  liinter  die  Kulissen  schauen.  Plutarch 
beruft  sich  Garns  1  Ende  auf  Cicero  {de  div.  I  56),  welcher  nach  Coelius 
Antipater  von  einem  Traume  des  Gaius  berichtet,  worin  ihm  sein  Bruder 
Tiberius  erschienen  sei  und  ihn  zur  Bewerbung  um  die  Quaestur  auf- 
gefordert habe  unter  Hinweis  auf  seinen  Tod,  der  dem  Bruder  in  gleicher 
Weise  bevorstehe.  Dazu  fügt  Cicero  die  Bemerkung:  Hoc,  ante  quam 
tribunus  plebi  C.  Gracchus  factus  esset,  et  se  audisse  scribit  Coelius  et  illum 
dixisse  multis.  Aus  Cicero  schöpft  ebenso  wie  Plutarch  auch  Valerius 
Maximus  (I  7,  6)  diese  Erzählung.  Die  Ansicht,  dass  Gaius  mit  Wider- 
streben wenigstens  in  die  Ämterlaufbahn  eingetreten  sei,  reicht  also  in 

1)  Meyer  (26.  2)  behält  also  gegen  Scbwartz  (794f.)  Recht. 

2)  Dazu  auch  c.  1  Ende  unter  Berufung  auf  Cicero  (dt  div.  I  56);  über  die  Stelle 
vgl.  oben  im  Text. 

8)  Ladiua  89.     Dazu  oben  S.  7  Anm.  1. 


Zur  Geschichte  der  Gracchetufeit  9 

die  eigne  Zeit  desselben  hinauf.  Schwartz  (795)  macht  auch  auf  die 
Worte  in   der  Rede  de  legibus  promulgatis  (p.  234  Meyer)  aufmerksam : 

si  vellem  apvid  vos  verba  facere  et  a  vobis  postulare tU  pcUeremmi 

hoc  tempore  me  quiescere  ....  haud  scio  an  luberUäms  a  vobis 
impetrcissem ,  woraus  hervorgeht,  dass  Gaiiis  sein  Thätigsein  als  vom 
Wunsche  des  Volkes  bestimmt  hinstellt,  wenn  auch  dem  Agitator  ein- 
mal ein  Ruhebedürfnis  kommt.  Das  Schicksal  und  den  Willen  der  Massen 
hat  demnach  Gaius  gelegentlich  als  die  Faktoren  bezeichnet,  durch  die  er 
nicht  zur  Ruhe  gekommen  ist.  Daraus  ist  die  Legende  entstanden,  Gaius 
habe  wirklich  eine  Zeitlang  Ruhe  gehalten.')  Man  sieht  hier  deutlich, 
wie  die  Tradition  weitergebildet  worden  ist.  Cicero  hat  die  Erzählung 
vom  Traume  absolut  noch  nicht  mit  der  Angabe  von  der  Abstinenz  des 
Gaius  gegenüber  der  Politik  vereinigt,  er  gerade  bietet  vielmehr  an 
anderen  Stellen  die  Nachrichten  über  die  frühe  politische  Thätigkeit  des- 
selben. Bei  Plutarch  dagegen  dient  die  Erzählung  direkt  zum  Beweise 
des  langen  Ruhehalteus. 

4.  Bezüglich  des  Todes  des  Scipio  Aemilianus  führt  Velleius  zu- 
nächst (n  4.  5  u.  6)  drei  seiner  Ansicht  nach  offenbar  feststehende 
Thatsachen  an: 

a)  ut  quaedam  elisarum  faucium  in  cervice  reperirentur  notae 

b)  nulla  habita  est  quaestio 

c)  eixAsque  corpus  veUUo  capite  elcUum  est. 

Damit  zeigt  er,  dass  seine  Quelle  zur  Annahme  eines  gewaltsamen 
Todes  neigte.  Folgende  Schriftsteller  stimmen  mit  ihm  in  diesen  Punkten 
überein: 

ad  a)  Scfiol  Bob.  in  Mil  p.  283  Or. :  m  eiusque  faucibus  vestigia 
Uvoris  inventa  sunt,  Plutarch  C.  Gracchus  10  unter  Berufung  auf  die  vita 
des  Scipio  minor  und  Bomulus  27. 

ad  b)  Cic.  pro  Mil  16.  Liv.  J^.  59.  Plutarch  C.  Gr.  10.  Plinius 
K  H.  X  123. 

ad  c)  Pseudo -Victor  de  vir.  ill.  58:  obvoluto  capite  elatus  ^  ne  livor 
in  ore  appareret. 

Dagegen  haben  wir  die  entgegengesetzte  Überlieferung: 

ad  a)    Appian  120:   vixgog  &vbv  rgav/iarog  riVQi&rj. 

ad  b)  Ebda.,  insofern  wenigstens,  als  auf  Aussagen  von  Sklaven 
Bezug  genommen  wird. 

ad  c)  Plutarch  Äomu/i«  27 :  xairoi  JSxtjnlwv  ixBiro  vexgog  k fi(p a v rj g 
iSiiv  natfi,  X.  T.  i.;  bei  Appian  steht  nur  die  Bemerkung:  xai  ov8i 
drjfioalag  Tacpijg  ^|/otro. 

Auch  hier  wieder  das  alte  Verhältnis:  die  Römer  auf  der  einen, 
Appian  auf  der  anderen  Seite,  Plutarch  bald  hier  bald  dort. 


1)  Schwartz  bezeichnet  nur  die  Worte  aus  der  Rede  als  die  Wurzel  der  Tradition. 
Das  halte  ich  für  zu  weit  gegangen,  zumal  ich,  wie  sich  unten  zeigen  wird,  diese 
Rede  anders  datiere  als  Meyer  und  Schwartz. 


10  JS.  Kornemann, 

Die  Frage,  ob  ein  natürlicher  oder  gewaltsamer  Tod  vorlag,  ist  vom 
ersten  Moment  an  erörtert  worden.  Nach  Valerius  Maximus  (IV  1.  12) 
stürzte  Metellus  Macedonicus,  obwohl  er  mit  Scipio  verfeindet  war,  auf 
die  Kunde  von  dessen  Tod  auf  die  Strasse  mit  dem  Rufe:  Concurrüe, 
concurräe,  cives,  moenta  noatrae  urbia  everaa  sunt  Sc^ioni  enim  Africano 
intra  suos  penates  quiescenti  nefaria  vis  allata  est]  dazu  stimmen 
die  Worte  Ciceros  {pro  Mä.  16):  quantum  luctum  in  hoc  urbe  fuisse  a 
nostris  patribus  accepimuSy  cum  P,  Africano  datni  suae  quiescenti  illa 
nocturna  vis  esset  illata;  vgl.  de  fato  18:  sie  si  diceretur:  ^^morietwr 
noctu  in  cubiculo  suo  vi  oppressus  Scipio^ ^  vere  diceretur.  Die  Ansicht, 
dass  ein  Tod  infolge  von  Krankheit  vorliege,  vertrat  Ladius  in  der 
Leichenrede,  die  Q.  Fabius  Maximus  dem  Scipio  hielt:  Schol  Bob.  in 
Cic.  pro  Mil  p.  283  Or.^  Die  Urquelle  der  Lateiner  hat  also  offenbar 
schon  die  beiden  Ansichten  nebeneinander  gestellt  und  eine  definitive 
Entscheidung  darüber,  ob  natürlicher  oder  gewaltsamer  Tod  vorlag, 
nicht  gegeben,  sondern  nur  einige  Momente  hervorgehoben,  die  den  Ver- 
dacht eines  Mordes  hervorriefen:  daher  Velleius  a.  a.  0.:  seu  fatalem^  ut 
plures,  seu  confiatam  insidiis^  ut  aHqui  prodidere  memoriae,  mortem  obiä 
und  Plutarch  Romxdus  27  in  einer  schon  weitergebildeten  Version,  d.  h. 
mit  Hereinnahme  der  Bei  Appian  zu  Tage  tretenden  Quelle  (Selbstmord 
oder  Erstickungstod  infolge  nächtlichen  Überfalls  durch  Uvoi):  oi  fiiv 
avTOfiarwg  ovta  (fV6H  voaoJSrj  xafAÜv  Xiyovaiv,  oi  ö^  avtov  v(p'  iavrov 
(pagfidxoig  ano&avBiv  oi  Si  rovg  kx^Q^^  ^V^  ccvanvorjv  anokaßeiv  avrov 
vvxTuiQ  naQSurneaovras, 

Die  zweite  Frage  ist,  ob  die  Urquelle,  die  wir  zu  erkennen  glauben, 
für  den  möglichen  Mord  auch  schon  einen  Verdacht  über  den  oder  die 
Thäter  geäussert  hat.  Da  ist  nun  auffallend  eine  seltsame  Ein- 
stimmigkeit, vor  allem  bei  den  lateinischen  Quellen,  in  einer  Richtung, 
dass  nämlich  ein  Verwandtenmord  vorliege,  Qc.  de  rep.  VI  12:  si  im- 
pias  jn-opinquorum  manus  effugeris ,  dazu  Laelius  41  (s.  Anm.  1),  de  not, 
deor,  in  80,  jedesmal  ohne  Nennung  bestimmter  Namen.  Dagegen  wird  die 
Gattin  Sempronia,  die  Schwester  der  Gracchen,  als  die  Thäterin  geiiannt 
in  der  livianischen  Überlieferung,  Liv.  Epü.  59  und  Orosius  V  10.  10; 
dazu  tritt  C.  Gracchus  in  den  Sckol  Bob.  a.  a.  0.,*)  vgl.  auch  Plut. 
C.  Gr.  10  (darüber  unten),  und  Cornelia  als  Anstifterin  bei  Appian  I  20. 
Auch  hier  zeigen  sich  wieder  deutlich  die  verschiedenen  Schichten  der 

1)  Damit  vergleiche  man  aber,  waa  Cicero  ihn  sagen  lässt:  Laelius  12,  quo  de 
genere  mortis  difficile  dictu  estj  quid  homines  suspiceniur  videtis  und  ebda  41:  Hunc 
(i.  e.  Tiberium  Gracchum)  etiam  post  mortem  secuti  amici  et  propinqui  quid  in 
P.  Scipione  e/fecerint  sine  lacrimis  non  queo  dicere.  Wenn  diese  Stellen  auf  eine 
historische  QueUe  zurückgehen  (darüber  unten),  so  hat  Laelius  offenbar  auch  nicht  an 
einen  natürlichen  Tod  geglaubt,  sondern  dies  nur  als  offizieUe  Version  an  der  Leiche 
in  die  Welt  hinausgegeben,  um  beruhigend  zu  wirken. 

2)  Diese  Schollen  bedürfen  einmal  einer  eingehenden  Untersuchung  auf  ihre 
QueUeu.    Sie  zeigen  nahe  Berührung  mit  der  livianischen  ÜberUeferung. 


Zur  Geschichte  der  Gracchcnsdi.  11 


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Tradition.  Die  Urquelle  hat  wahrscheinlich  einen  Verdacht,  wenn  über- 
haupt, nur  in  der  vorsichtigen  Form,  die  Cicero  andeutet,  geäussert;  die 
Namen  haben  erst  die  Späteren  hinzugebracht.  Zwei  weitere  Ver- 
dächtigungen mit  Namennennung  bewegen  sich  in  ganz  anderer  Richtung, 
nämlich  gegen  politische  Gegner,  1)  gegen  Papirius  Carbo,  so  Ciassus  im 
J.  119  bei  Cic.  de  arcU.  H  70  nur:  P.  Africani  necia  socius,  Pompejus  bei 
Cic.  ad  QumL  fr.  IE  3.  3  bereits:  qtmm  C.  Carbo  irUei-emüsety  Cicero  selbst 
ad  fatn.  IX  21.  3  vorsichtiger:  Gaius  (Carbo)  .  .  .  P.  Africano  vim 
attuliaae  exiatimatua  eat,^)  2)  gegen  Fulvius  Flaccus  bei  Plutarch 
G.  Oracchua  10  aus  der  vita  Scipiania,  wobei  allerdings  auch  von  Verdacht 
gegen  Gaius  Gracchus  gesprochen  wird. 

Zu  der  nahen  Berührung  des  VeUeius  mit  Cicero  giebt  die  ab- 
schliessende Würdigung  des  Scipio  noch  einen  interessanten  Beitrag.  Mit 
den  Wollen  des  VeUeius:  poat  duoa  conaulatua  duoaque  triumphoa  et  hia 
exciaoa  terrorea  rei  puhlicae  Vgl.  man  Cic.  pro  Murena  58:  bia 
conatd  fuercU  P.  Africanua  et  duoa  terrorea  huiua  imperii  .  .  .  . 
deleverat  und  de  rep,  I  71:  duobua  huiua  urbia  terroribua 
depulaia. 

5.  Bei  der  Charakteristik  des  C.  (jracchus  hebt  VeUeius  (II 6. 1)  hervor, 
dass  derselbe  seinem  Bruder  an  ingenium  und  eloquentia  bei  weitem  über- 
legen gewesen  sei,  womit  Cic.  Brulua  125  u.  126  zu  vergleichen  ist: 
Quam  nie  facüe  tali  ingenio  diutiua  ai  vixiaaet^  vel  patemam  easet  vel 
avitam  glariam  consecutua.  Eloquentia  quiclem  neacio  an  habuiaaet  parem 
neminem  j  weiter  de  har,  reap.  41,  de  or,  1 154,  Äuctor  ad  Herennium  IV  1.  2. 
Bei  liivius  Epit,  60  heisst  es  kurz :  eloquentior  quam  frater.  Im  Gegensatz 
dazu  steht  die  Vergleichung  der  beiden  Brüder  bei  Plutarch  7V.  Gr.  2, 
wo  Gaius  nicht  sonderlich  höher  gestellt  wird.  Näher  kommt  Plutarch 
den  Römern  schon  C.  Gr.  3  mit  den  Worten  laxvwv  r«  r^  Xfyaiv  tlg  akkog 
ovdtlg  (s.  oben  Cicero). 

Über  die  Motive  des  Gaius  sagt  VeUeius  (II  6.  2):  vel  vindicandae 
fraternae  mortia  gratia  vel  praemuniendae  regalia  potentiae  etuadetn 
exempli  tribunatum  ingreaaua.  Das  erste  Motiv  giebt  auch  Cicero  BrtUua  126, 
de  haruap.  resj).  43,  ein  wenig  anders  Plut.  C.  Gr.  3  im  Änschluss  an  die 
eben  zitierten  Worte:  xai  rov  na&ovg  avx^  naggrjaiav  noXXrjv  SiSuvrog 
avaxlaiofiivq)  rov  adiX(f6v.  Was  das  zweite  Motiv  betrifft,  so  weise  ich 
hier  nur  darauf  hin,  dass  Vell.  6.  4  den  Fulvius  Flaccus,  conaularem  ac 
triumphalem  virum,  entsprechend  als  aociua  regalia  potentiae  bezeichnet, 
während  bei  Livius  Epit.  61  von  dem  conaularia  aociua  eiuadem  furoria 
geredet  wird.    Im  übrigen  komme  ich  später  auf  diese  Sache  zurück. 

6.  Über  die  Katastrophe  des  Gaius  hat  VeUeius  leider  einen  sehr 
kurzen  Bericht  (6,  5 — 7).  Es  fehlt  bei  ihm  sowohl  wie  bei  Cicero  Aiv 
ganze  Szene  auf  dem   Kapitol.     Von   den  Römern   stehen  nur   Orosius 


1)  Schwartz  794,  vgl.  auch  C.  NeumanD,  Gesch.  Borns  während  des  Verfalls  der 
Bep.  1  S.  219f. 


12 


E.  Kornemann^ 


(V  12.  5)  und  Pseudo -Victor  65  zur  Verführung,  die  aber  wiederum  mit 
Plutarch  (c.  13)  zusammen  eine  Gruppe  bilden,  welcher  Appian  und 
Diodor,  die  sich  sehr  nahe  kommen,  gegenüberstehen.^) 

Mit  dem  zweiten  Tage,  dem  eigentlichen  Tag  der  Katastrophe,  2)  setzt 
Cicero  wenigstens  ein.  Er  sowohl  (m  Catil  1 4,  Phil  Vm  14,  de  orat  11  132, 
de  domo  aua  102)  wie  Livius  (Ep.  61)  und  Plutarch  (c.  14)  erwähnen  das 
senatua  consuUum  uUtmum,  während  Appian  dieses  hochwichtige  Faktum 
übergeht.  Nach  Pseudo -Victor  (65)  wird  nur  C.  Gracchus  vor  den  Senat 
geladen,  bei  Appian  (126)  Gracchus  und  Flaccus.  Daraufhin  ruft  der 
Konsul  Opimius  die  Senatoren  und  Ritter  zu  den  Waffen.  Die  zuletzt 
genannten  werden  aufgefordert.  Mann  für  Mann  mit  zwei  bewaflftieten 
Sklaven  zu  erscheinen:  Plutarch  c.  14.  Zu  dieser  Thatsache  hat 
Meyer  (30)  sehr  glücklich  die  Wort^  des  Sallust  Jugurtha  42.  1  über 
die  römischen  Ritter :  quos  apes  aocieioMs  a  plebe  dtmoverat,  herangezogen, 
woraus  hervorgeht,  dass  inzwischen  die  Ritter  vom  Senat  gewonnen 
worden  waren.  Unterdessen  besetzen  die  Gracchaner  den  Aventin  (Vell., 
Cic,  Liv.,  Gros.  V  12.  5,  Plutarch  15,  Appian  I  26),  bei  Velleius,  Orosius 
und  Plutarch  geführt  von  Flaccus,  während  derselbe  bei  Appian  erst  an 
zweiter  Stelle  genannt  wird.  Zunächst  bleibt  dann  auch  femer  die  Über- 
einstimmung des  Orosius  mit  Plutarch,  welch'  letzterer  aber  viel  Aus- 
schmückung im  einzelnen  hat,  stellenweise  auch  mit  Appian: 


Orosius 
V12.  6 


Flaccus  duohus  fiUis 
armatis  cinctus comitante 
etiam  Graccho  iogato 
brevemque  gladium 
8uh  ainiatra  occul- 
tantCf 


quamvis  et  praeconem  frus- 
tra  praemisisset  qui  servos 
ad    Uhertatem  vocaret, 

Dianium  tamquam 
arcem   occupavit. 


Plutarch 
c.  15. 

Flaccus  bewaffnet 
sich  mit  seinen  Leuten 
(nach  wüst  durchschwärm- 
ter  Nacht!),  und  zwar  mit 
Waffen  aus  der  gallischen 
Beute. 

*0  dk  rdiog  ÖTtXicaö^ai 
Ithv  oi^x  ifi'iXricsVf  &XX* 
müTteff  eis  icyoqciv  iv  xr^- 

ßivVtp       TtQO^Sl       fllXQÖV 

vns^oaaiLivog       ^7%^^- 

fehlt  bei  Flut.,  ist  aber 
nach  Meyer  S.  32  nur  zu- 
fällig ausgefallen 

ixmgovv  xatccXrjfif>6iisvot.  tbv 
*AßsvTtvov  X6q>ov. 


Appian 
1  26. 


Sucd^iovt^g  re  xohg  d^egd- 
novtag  avvewiXovv  in' 
iXstfd'EQia.  xal  t&v&s  fi^v 
O'b&üg  {yni/jxovevj 
a'^Tol  dk,  ahv  oaoig  dxov 
ic^up*  a^ovg,  xb  'Aqxs- 
(tiaiov  xaxcelaßdvxtg  ixQu- 
irvyof  ro. 


1)  Busolt,   Fleckeis.   Jbb.  für  Phil   141,  1890,   S.  337,    Meyer  S.  10.  20.  33, 
Schwartz  S.  805  f. 

2)  Plutarch  hat  fälschlich  drei  statt  zweier  Tage,  Meyer  81,  A.  1. 


Zur  Geschichte  der  Gracchcnzeit  13 

Hyperkritik  ist  es,  wenn  Schwartz  (S.  800)  behauptet,  die  Worte 
des  Cicero,  Phil,  VTTT  14:  qui  cum  Opimiö  consiUe  armati  Oracchum  in 
Aventinum  persecuti  sunt  (in  Catil.  IV  13:  armatus  Oracchum  est 
persecutus)  setzten  eine  ganz  andere  Darstellung  voraus,  „in  der  auf 
das  senatus  consultum  unmittelbar  die  That  folgte,  in  der  Gracchus  den 
Aventin  nicht  vorher  besetzt  hatte,  sondern  dorthin  gejagt  wurde".  Er 
hat  übersehen,  dass  bei  Velleius  (6.  4)  fast  wörtlich  mit  Cicero  überein- 
stimmend steht:  Hunc  L,  Opimius  consul  ....  persecutus  armis. 
Weiter:  warum  soll  man  nicht  von  einer  Verfolgung  sprechen  können, 
wenn  auch  zuvor  eine  regelrechte  Besetzung  des  Berges  stattgefunden 
hatte?  Endlich  enthielten  dieselben  Berichte  (Cicero  an  den  beiden 
Stellen,')  Vell.  H  7.  2)  und  Orosius  (V  12.  9)  die  Erzählung  von  der 
Sendung  des  jüngeren  Sohnes  des  Flaccus,  die  doch  vor  dem  Sturm  auf 
den  Aventin  erfolgt  sein  muss.  Dass  es  sich  allerdings  um  zwei  Sendungen 
des  Flaccus  iunior  handelt,  erfahren  vnr  nur  aus  Plutarch  (16)  und 
Appian  (I  26).  Betreffs  des  Todes  dieses  Jünglings  sagt  Appian  (ebda 
Ende):  Kotvrtp  Si  rtß  ^I^Xccxxov  naiSl  avvsx^gtjaiv  dno&avHV  wg  &ikoi; 
Plutarch  (17)  und  Orosius  (12.  0)  berichten  nur  kurz  die  Tötung  nach 
der  Schlacht,  während  Velleius  (II  7.  2)  bei  der  Verbringung  desselben 
zum  Gefängnis  vom  Selbstmord  eines  ihm  befreundeten  Haruspex  spricht 
und  in  dieser  Hinsicht  mit  Valerius  Maximus  (IX  12.  6)  übereinstimmt. 
Dagegen  zeigen  Velleius  und  Plutarch  (16)  wieder  Berührungen  in  der 
Beschreibung  des  Jünglings  (iuvenü  speae  exellens,  r]V  Si  xceXkuSTog  6 
vBaviag  otpf^fjvai)  und  in  der  scharf  verurteilenden  Art,  wie  sie  die  Er- 
zählung seiner  Hinrichtung  einleiten  (Vell.:  huicatrocitati  adiectum  scelus 
unicum^  Plut.  (17):  wfioraxov  Se  ngoatiQyiaavTo  rov  ^>ovXßiov  xov 
vmvtgov  vlov).  Die  zu  (Jrunde  liegende  Quelle  hatte  also  ein  reiches 
Detail  und  nahm  hier  eine  Optimatenfeindliche  Haltung  ein.  Der  Reich- 
tum im  Detail  zeigt  sieh  auch  in  der  Nennung  der  Namen  von  Optimaten, 
welche  an  dem  Sturm  auf  den  Aventin  teilnahmen.  Aus  Orosius  (12.  7) 
erfahren  wir,  dass  der  C/Onsular  D.  Brutus  der  Anführer  war,  imd  dass 
der  Stum  a  divo  Publicio  stattfand.  Bei  Cicero  (PhilYIU  14,  Catil  IV  13) 
werden  der  alte  Q.  Metellus  Macedonicus  nebst  seinen  vier  Söhnen  und 
der  princeps  senatus  P.  Lentulus,  der  schwer  verwundet  wurde,  als  Mit- 
streiter, bei  Pseudo- Victor  (72)  M.  Aemilius  Scaurus  als  Parteigenosse  des 
Opimius  genannt.  Bei  Orosius  (12.  7)  erfolgt  seitens  des  Opimius  ein 
Nachschub  von  Bogenschützen,  der  die  endliche  Entscheidung  bringt, 
während  dieselben  bei  Plutarch  (16)  von  vornherein  mit  hinauf  geführt, 
aber  auch  hier  als  die  die  Entscheidung  bringenden  angesehen  werden. 
Alles  dies  macht  Appian  (I  26)  mit  den  paar  Worten :  tolg  Si  negi  rov 
rgccx^ov  rovg  dinkiafiivovg  ininifinev,  ab. 


1)  Dieser  allerdiugs  nur  insofern,  als  die  Tötung  der  beiden  Söhne  des  Flaccus 
hervorgehoben  wird. 


14  E,  Kornemann, 

Über  den  Tod  des  Flaccus  und  seines  ältesten  Solines  haben  wir 
unter  den  Lateinern  nur  die  Berichte  des  Velleius  (6.  6)  und  Orosius  (12.  8), 
womit  sich  der  des  Plutarch  (16),  abgesehen  von  der  Örtlichkeit  des 
Todes,  vereinigen  lässt.  Mehr  Abweichung  zeigt  die  appianische  Er- 
zählung (I  26).  1) 

Das  Verhalten  des  Gracchus  auf  dem  Aventin  wird  unter  den 
Lateinern  nur  von  Orosius  (12.  7)  geschildert:  ör.,  postquam  in  templum 
Miner vae  secesserat,  gladio  mcumbere  volens,  tnterventu  Laetorii  retentua 
est.  Der  Parallelbericht  des  Plutarch  (16)  ist  breiter  und  zeigt  kleine 
Abweichungen.  Gaius  hatte  Niemand  am  Kampfe  teilnehmen  sehen,^) 
verzweiflungsvoll  hatte  er  sich  in  den  Tempel  der  Diana  (ro  xrig 
'AgriiiiSog  UoovY)  zurückgezogen.  Dann  werden  als  diejenigen,  die 
ihn  am  Selbstmord  verhindern,  seine  treuesten  Gefährten  Pomponius 
und  Licinius  genannt.  Dieselben  kehren  dann  c.  17  unter  der  Be- 
zeiclinung  oi  fjih  dvo  (piXoi  als  diejenigen  wieder,  welche  die  Verfolger 
abhalten,  während  die  anderen  Quellen  auch  hier  wieder  Pomponius  und 
Laetorius  nennen.  Licinius  heisst  der  Sklave,  der  durch  ein  Musik- 
instrument auf  Gaius  beim  Reden  einwirkte.*)  Es  hat  allen  Anschein,  als 
ob  von  Plutarch  die  Namen  Licinius  und  Laetorius  verwechselt  worden 
sind.  Denn  abgesehen  von  den  anderen  Lokal-  und  Personennamen  sowie 
der  grösseren  Breite,  ist  der  Bericht  dem  des  Orosius  ähnlich.  Pseudo- 
Victor hat  nur  die  Notiz:  dum  a  temph  Lunae  desäit,  tdlum  tntarsä,  ein 
interessantes  Detail,  aber  wieder  mit  einer  anderen  Örtlichkeit.  Appian 
übergeht  das  Ganze. 

Die  Flucht  imd  das  schliessliche  Ende  des  Gaius  verläuft  nach 
unseren  Quellen  in  drei  Stadien.  Das  Verhältnis  der  verschiedenen  Be- 
richte wird  durch  die  Tabelle  auf  S.  15  illustriert. 

Diese  Übersicht  ist  äusserst  lehrreich.  Sie  zeigt  zunächst,  welch' 
reiche  Überlieferung  den  Lateinern  und  Plutarch  vorgelegen  hat,  sie  zeigt 
aber  zugleich  wiederum  auch,  wie  stark  die  Tradition  der  Urquelle 
weitergebildet  und  teilweise  verschlechtert  worden  ist.  In  der  Erwägung, 
dass  der  am  wenigsten  ausgeschmückte  Bericht  der  beste  sein  wird, 
dürfen  wir  annehmen,  dass  die  livianische  Überlieferung  die  Urquelle  am 
reinsten  wiedergiebt,  und  es  ist  daher  ausserordentlich  zu  bedauern,  dass 
Orosius  gerade  hier  so  stark  gekürzt  hat.  Aber  trotzdem  lässt  sich,  von 
ihm  ausgehend,  einiges  über  die  zu  suchende  Urquelle  und  die  abgeleiteten 
Berichte  sagen: 

1)  Meyer  32.  Irreführend  ist  es,  wenn  dieser  behauptet,  dass  nur  „VeHeius  zu 
Plutarch  stimmt".  Er  stimmt  geradeso  auch  zu  Orosius;  nur  hat  der  letztere  ein  Plus, 
welches  die  beiden  anderen  nicht  bieten. 

2)  Vgl.  auch  Comp.  Ag.  et  Cl  et  Gracch.  4;  Meyer  31.2. 

3)  Meyer  (31.  3)  hält  das  für  eine  Flüchtigkeit  des  Plutarch ,  will  also  dessen 
Bericht  mit  dem  des  Orosius  aus  derselben  Quelle  herleiten. 

4)  Cicero  de  orat.  III  225.   Plut.  TL  2,  dazu  Meyer  22.  1  und  31.4. 


Zur  Geschicke  der  GraccJtemeit. 


15 


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16  E,  Kornetnanny 

a)  Da  auch  Orosius  von  amici  spricht,  die  für  Gaius  gekämpft  und 
den  Tod  erlitten  hätten,  und  da  er  betont,  dass  Gaius  aegre  zum  pona 
sublidua  gelangte,  so  wird  die  Darstellung  des  Pseudo -Victor  und 
Valerius  Maximus,  dass  auch  schon  an  der  porta  Trigemina  ein  Opfer- 
tod stattfand,  auf  die  Urquelle  zurückgehen.  Velleius  und  Plutarch  er- 
wähnen allerdings  dieses  Faktum  nicht,  und  bei  ihnen  sind  die  Namen 
der  Helden  von  der  Brücke  gleich  denen  der  Kämpfer  am  Thor  bei 
Val.  Max.  und  Pseudo -Victor.  Daher  hatte  ich  ursprünglich  an  eine 
Art  sachlicher  Dittographie  in  der  weiter  gesponnenen  Tradition  ge- 
dacht, bin  aber  durch  Orosius  davon  abgebracht  worden.  Welche  Namen 
die  ursprüngliche  Überlieferung  bei  den  einzelnen  Thaten  genannt  hatte, 
ist  nicht  mehr  auszumachen. 

b)  Da  Orosius  (und  ebenso  Appian)  den  Namen  des  Sklaven,  der 
Gaius  den  Gnadenstoss  gab,  nicht  nennt,  die  übrigen  Quellen  bezüglich 
dieses  Namens  aber  auseinandergehen  {Eupoms:  Velleius  und  Pseudo- 
Victor, PhiloTcratea:  Plutarch,  beide  Namen:  Valerius  Maximus  und 
Macrobius),  so  ist  anzunehmen,  dass  in  der  ursprünglichen  Quelle  der 
Name  überhaupt  nicht  gestanden  hat,  und  dass  erst  in  den  biographischen 
Quellen,  die  die  Personen  in  den  Vordergrund  schieben,  die  Namen 
hereingekommen  sind. 

c)  Bezüglich  des  Kopfes  des  erschlagenen  Gracchus  liegen  vier 
Fakta  in  unseren  Quellen  vor:  1.  dass  er  dem  Konsul  gebracht,  und  2.  mit 
Gold  aufgewogen  wurde,  3.  der  Name  des  Überbringers,  4)  die  tihöhung 
des  Gewichtes  durch  Eingiessen  von  Blei.  Orosius  giebt  nur  die  erste 
Thatsache.  Es  fragt  sich,  ob  damit  die  Geschichte  schon  aufhört  und 
die  Legende  beginnt.  Ich  glaube  nein,  vermute  vielmehr,  dass  auch  die 
zweite  Angabe  auf  die  gemeinsame  ursprüngliche  Quelle  zurückgeht.  Denn 
ausser  Orosius  haben  alle  Quellen  übereinstimmend  noch  diese  Thatsache. 
Dazu  wird  sie  gesichert  durch  den  Hinweis  auf  die  Proklamation  des 
Opimius  vor  dem  Kampf,  die  Velleius,  Plutarch  und  Diodor  berichten. 
Zum  mindesten  also  diese  Proklamation  ist  historisch  und  aus  der  Ur- 
quelle geschöpft,  nicht  zum  wenigsten  auch  wegen  des  scharfen  Urteils 
bei  Velleius,  das  in  dem  Wort  nefarie  enthalten  ist.^)  Dann  aber  fängt 
die  Legende  an:  der  Überbringer  des  Kopfes  heisst  bei  Val.  Max.,  Pseudo- 
Victor und  Plutarch  Septtmuleius  —  bei  den  beiden  ersteren  ein  Freund 
des  Erschlagenen,  bei  Plutarch  ein  Freund  des  Opimius  —  bei  Diodor 
L.  Vttelh'us,  ein  Freund  des  Gracchus.  Das  Ausgiessen  mit  Blei  be- 
richtet Pseudo -Victor  nur  mit  einem  ferttir,  Val.  Max.  mit  sunt  qui  tradant. 
Am  meisten  ausgesponnen  ist  die  Sache  wieder  bei  Plutarch.  Eine  voll- 
kommen abweichende  Tradition  liegt  bei  Appian  vor.  Hier  bringen  nvig  die 
Köpfe  des  Gracchus  und  Flaccus  und  beide  werden  mit  Gold  aufgewogen. 

1)  Übor  die  Optimutenftundlicbe  Haltung  der  Quölle  siehe  oben  S.  13  und  ein- 
gehender S.  17  fr.  und  S.  20. 


Zur  Geschichte  der  Oracchenzcit.  17 

d)  Wie  bei  der  Katastrophe  des  Tiberius  (s.  o.  S.  6),  so  hat  auch  liier 
Orosius  wieder  die  beste  Zahlenangabe  bezüglich  der  Gefallenen  (250), 
wälirend  Plutarch  (17)  3000  Menschen  erschlagen  werden  lässt  (rgiaxi'' 
Xiwp  avaiQi&ivttav).  Diese  Zahl  3000  ist  eine  Verwechslung  mit  der 
Zahl  der  Hingerichteten. 

e)  Das  interessanteste  Faktum  aber  ist  das  Abrücken  des  Orosius 
von  VelleiiLs  sowohl  wie  von  Plutarch  bezüglich  der  Nachricht,  dass  der 
Leichnam  des  Gaius  seiner  Mutter  Cornelia  nach  Misenum  geschickt  wor- 
den sei,  während  er  nach  diesen,  wie  der  des  Tiberius,  in  den  Fluss 
geworfen  wurde.  Das  ist  eine  sehi-  bemerkenswerte  Divergenz  inner- 
halb unseier  Gruppe.  Nur  eines  von  beiden  kann  in  der  Urquelle 
gestanden  haben.  Stammt  die  Darstellung  des  Velleius  und  Plutarch 
von  dorther,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  Livius  neben  der  bis  jetzt 
gefundenen,  mit  den  übrigen  Römern  gemeinsamen  Quelle  noch  eine 
zweite  Vorlage  gehabt  hat,  der  er  diese  Nachricht  entnahm.  Oder  aber 
die  Erzählung  des  Orosius  ist  die  der  Urquelle  —  dann  ist  die  andere 
Version  bei  Vell.  und  Plut.  erst  durch  eine  Mittelquelle  an  Stelle  der 
richtigen  gesetzt  worden.  I(!h  wage  noch  keine  definitive  Entscheidung. 
Auf  der  einen  Seite  ist  festzuhalten,  dass  Orosius  -  Livius  sich  uns  in 
all(»n  anderen  Punkten  an  diestir  Stelle  ausserordentlich  zuverlässig  ge- 
zeigt hat,  und  dass  man,  da  auch  die  Leiche  des  Tiberius  in  den  Tiber 
geworfen  wurde,  eine  sachliche  Dittographie  anzunehmen  geneigt  sein 
könnte,  endlich  dass  Plutarch  insofern  von  Velleius  abweicht,  dass  er 
nicht  nur  die  Leiche  des  Gaius,  sondern  auch  diejenigen  des  Flaccus  xai 
TttJy  äXXtav  in  den  Fluss  gelangen  lässt.  Auf  der  anderen  Seite  mache 
ich  darauf  aufmerksam,  dass  auch  bei  dieser  Gelegenheit  Velleius  wieder 
tadelnd  sagt:  mira  crvdelUate  victorum,^) 

7.  Das  Wüten  der  Optimaten  gegen  die  (Traccheni)artei  nach  dem 
Tode  ihrer  Führer  erwähnt  Velleius  II  7.  3  in  dem  Satze:  crudelesquv 
mox  quaestionca  in  ainicos  clientesfjue  Grcuchorum  habitae  ifurU^  WOZU  ebenda 
0  die  veniichtende  Bemerkung  über  Opimius  hinzuzuziehen  ist:  factum 
OjHmüj  qxiod  inimicüiarum  quaesita  erat  ultiö ,  minor  secuta  amtoritas  et 
visa  ultio  j)rivato  odio  magts  quam  jmblicae  vind ictae 
data.  Entsprechend  schliesst  Orosius  (V  12.10)  seinen  BcTicht:  Opimius 
consul  sicut  in  hello  fortis  ita  in  quatstione  crudelis.  nam  arnji/lius  tria  milia 
hominuni  suppliciis  necavit,  ex  quibus  plurimi  ne  dicta  qiu'dem  causa  inno- 
centes  interfecti  sunt^  und  Plutarch  sagt  c.  18  Auf.:  Ourog  (xivroi  nQuJTo*^ 
i'^ovaic^  diXTciroQog  kv  inarticf  xQ^'t^^l^^^oq  xai  xaraxTeivag  dxQixovg  knl 
TQiax^Xiotg  nokiratg  rdiov  roayxov  xai  ^ovXßiov  0Xaxxov  x.  r.  A. 
Sallust  Jug.  42.  4:    Ljitur    ca   vicforia   nobilitas    ex    lubidine    sua    usa 

1)  Was  Plutarch  betrifft,  so  ist  sein  Zusammengehen  mit  VelleiuM  hier  und  seine 
Abweichung  von  Orosius  ein  Beweis,  dass  nicht  alle  seine  (Übereinstimmungen  mit  tler 
Rr»mergruppe  durch  direkte  Benutzung  des  Livius  entstanden  sind.    In  die8<'r  Beziehung 
ist  Schwartz  (808  f.)  auf  dem  richtigen  Weg. 
KorncmaDD,  Zur  Geschichte  der  Gracchenzeit. 


18  E,  Komcmann, 

multos  mortalis  ferro  aut  fuga  exstinxit  plusque  in  reltquum  terroris  quam 
potentiae  addidit,  ebenso  31.  7  in  der  Rede  des  Memmius,  und  16.  2  von 
Opimius  selbst:  L.  Opimius^  homo  clarua  et  tum  in  aenatu  potens^  quia 
conaul  C,  Graccho  et  JA  Fulvio  Flacco  tnter fectis  acerrume  victoriam 
nobüitatia  in  phbem  exerctierai.  Ganz  ohne  Stellungnahme  dagegen  be- 
richtet Appian  I  26:  xal  rovg  ^vfiCfgovr^tsavTag  b  ^Onifiiog  avXkaßofV  kg 
rrjv  q>vlaxj^v  ivißaXi  re  xai  dnonpiyijvat  ngoaera^Bv, 

Über  den  Ausgang  des  Opimius  heisst  es  bei  Velleius  11  7.  3  im 
Anschluss  an  den  oben  citierten  Satz  von  den  crudeles  quaeationes:  aed 
Opünium^  virum  alioqui  aanctum  et  gravem  (dazu  oben  Orosius),  damnatum 
poatea  iudicio  pxMico  memoria  iatiua  aacvitiae  nulla  civilia  proaecuta  eat 
miaericordia.  Damit  wird  auf  seine  Verurteilung  auf  Grund  der  rogatio 
Mamilia  von  644/110  angespielt  (Cic.  Brutua  127.  128,  Sallust  J%i(j.  40, 
Schol  Bob  p.  311  Or.  unter  Berufung  auf  Sallust,  Plut.  18),  wonach  er 
in  die  Verbannung  gehen  musste  (Cic.  in  Plaon,  95:  L.  0.  eiectua  eat  e 
patriaj  Plutarch  a.  a.  0.).^)  Sallust  schliesst  den  Bericht  über  diese 
Sache  mit  den  Worten  {Jug.  40.  5):  Sed  quaeatio  exercita  aapere  via- 
lenterque  ex  rumore  et  lubidine  plebia :  ut  aaepe  nobilitatem^  aic  ea 
tempeatate  plebem  ex  aecundia  reb%ia  inaolentia  ceperat.  Das  ist  das 
Gegenstück  zu  dem  Urteil  des  Velleius:  hüben  und  drüben  ist  in  jenen 
Zeiten  gesündigt  worden. 

Das  Schicksal  des  Opimius  war  also  in  der  Quellengi-uppe,  die  uns 
eben  beschäftigt,  eingehend  behandelt.  Auch  die  ei-ste  Anklage  gegen 
denselben,  unmittelbar  nach  der  Verwaltung  de.s  Konsulates,  seitens  des 
Volkstribunen  Q.  Decius  im  Jahre  634/120,  die  mit  Freisprechung  endete, 
war  hier  ausgiebig  erörtert.  Das  beweist  einmal  der  Satz  in  der  Epitome 
des  Livius  (61  Ende):  L.  Opimiua  accuaatua  apud  populum  a  Q,  Decio 
tribuno  plebia^  quod  indemnatoa  civea  in  carcerem  conieciaaet,  abaolutua  eat, 
ganz  besonders  aber  das  überaus  häufige  Zurückkommen  des  Cicero  auf 
dieses  Ereignis.  Der  Verteidiger  des  Opimius  war  bekanntlich  der  eine 
Konsul  des  Jahres  Papirius  Carbo,  der  einst  selbst  eifiiger  Gracchaner 
in  charakterloser  Weise  in  das  Lager  der  Gegner  übergegangen  war, 
nach  Ocero  (de  leg.  III  35)  ein  aedäioaua  atque  improbua  ciois,  cui  ne 
reditua  quidem  ad  bonoa  aalxUcm  a  bonia  j)otuit  adferre  (dazu  Cic.  ad  fam, 
IX  21.  3:  tribuntia  pl  aeditioaua^  BrtUxis  103:  alter  (Carbo)  propter  perpe- 
tuam  in  populari  rationc  levitatem).  In  seiner  Verteidigungsrede  für 
Opimius  hatte  Carbo  die  That  desselben  als  im  Interesse  de^  Staates 
gelegen  und  daher  für  gesetzmässig  erklärt,  Cic.  de  orat  II  106:  niliil  de 

1)  Hier  heisst  es:  Kai  dixriv  6(pX6}v  uiGilarr^v  dcoQodoxiag  iv  att^ia  xartyi^gaüt 
Hiöovnfvos  xal  TtQonriXuxi^o^svos  vnb  xov  drjfiov,  während  bei  Cieero  an  der  im  Text 
angeführten  Brutusstelle  (128)  gesagt  wird:  civcmquc  praestantissimum  L.  Opimiumy 
Ciracchi  tnierfectorem  a  popido  absolutumj  ctim  is  contra  popnli  Studium  stetisset  ("über 
diese  Freisprechung  wird  noch  gehandelt),  Gracchanl  iudtces  sustulerunt.  Cicero  hat, 
wie  so  oft,  die  Tendenz  seiner  Quelle  umgekehrt. 


Zur  GeschidUe  der  Graccheneeit  19 

C.  Graccht  nece  negabai  sed  id  iure  pro  salute  pairiae  factum  esse  dicebat, 
worauf  er  gleich  ad  absurdum  geführt  wird  durch  den  Zusatz:  ut  eidem 
Carboni  iribuno  plebis  alia  tum  mente  rem  publicam  capessenti  P,  Afrzcarms 
de  Ti.  Graccho  tnterroganti  responderat  iure  caesum  videri^  vgl.  weiter  de 
orat  il  165.  169.  Decius  bestritt  naturgemäss,  dass  ein  Bürger  einfach 
aus  Gründen  der  Staatsraison  auf  Grund  des  bekannten  senatus  consultum 
ultimum  getötet  werden  durfte:  de  erat  ebd.  11  132,  orcu,  pari.  104. 
106.  Der  Sieg  seiner  Gegner  war  ein  Sieg  der  politischen  Macht  über 
das  Recht :  so  musste  die  betreffende  Quelle  die  Sache  dargestellt  haben. 
Schon  im  folgenden  Jahre  (635/119)  erhielt  Garbo  seinen  Lohn.  Er  wurde 
von  dem  jungen  L.  Crassus  angeklagt  (Cic.  Brutus  159,  de  off.  II  47,  de  or. 
I  40 :  G.  Carbonem^  qxiem  tu  adulescerUulus  j^erculisti,  ignarumi  legum,  haesi- 
tantetn  in  maiorum  institutisj  rudern  in  iure  civiiiy  ebd.  121 ;  III  74  dagegen: 
annosque  natus  unum  et  vigmti  nobilissimum  hominem  et  eloquentissimum  in 
tudidum  vocarim:  cui  disciplina  fuerit  forum,  magister  usus  et  leges  et 
instituta  popuU  Romam  mostpie  maiorum  y^)  Tac.  Lhal  de  or,  34;  später 
bereute  Crassus  diese  Anklage  Cic.  m  Verr.  Ul  3)  und  vernichtet. 
Allerdings  gehen  dann  über  sein  Ende  die  Quellen  auseinander:  Cicero 
berichtet  von  Selbstmord:  Brutus  103:  morte  voluntaria  se  a  severitate  tu- 
dicum  vindicavitj  dazu  ad  fam,  IX  21.  3:  Gaius  (Carbo)  accusante  L,  Grosso 
cantharidas  sumpsisse  dicitur ,  während  Valerius  Maximus  (III  7.  6)  von 
Verbannung  spricht,  aber  dies  an  einer  Stelle,  die  auch  sonst  Unrich- 
tiges enthält  (s.  die  Ausg.  von  Kempf  p.  291). 

Halten  wir  hier  ein  und  blicken  einen  Augenblick  rückwärts.  Die 
gemeinsame  Quelle  der  Lateiner,  die  stellenweise  auch  bei  Plutarch  zu 
Tage  tritt,  zeigt  uns  bereits  eine  Menge  charakteristischer  Eigentümlich- 
keiten :  Ihr  Verfasser  sieht  den  ersten  Anstoss  zum  Auftreten  des  Tiberius 
Gracchus  in  Rom  in  seinem  Scheitern  in  der  spanischen  Politik  und  lässt 
daneben  Beeinflussung  durch  Lehrer  und  Freunde  zu.  Er  giebt  eine  — 
auch  inbezug  auf  die  Topographie  —  brauchbare  Scliilderung  vom  Unter- 
gang des  Tiberius  und  hält  sich  bei  beiden  Katastrophen  frei  von  über- 
treibenden Zahlenangaben  bezüglich  der  Gefallenen.  Er  lässt  uns  ge- 
legentlich der  papirischen  Rogation  über  die  Iteration  des  Volkstribunate^ 
einen  Blick  in  das  stüimische  Getriebe  einer  Volksversammlung  jener 
Zeit  thun  und  skizziert  uns  die  bei  dieser  (Telegenheit  gehaltenen  Reden. 
Zu  Scipio  Aemilianus  schaut  er  bewundernd  empor  und  neigt  bezüg- 
lich dessen  Tod  zu  der  Ansicht,  dass  derselbe  kein  natürlicher  war, 
sondern  dass  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  Verwandtenmord  vor- 
liegt.  Die  politische  Thätigkeit  des  (laius  Gracchus  verfolgt  unser 
Autor  von  ihrem  frühen  Anfang  an  durch  alle  Stadien  und  stellt  den- 
selben  an   inyenium  und  eloquentia   viel   höher   als   seinen   Bruder.    Als 

1)  Interessant  ist  wieder  die  direkte  Umkehrung  des  Inhaltes  bei  Cicero,  diesmal 
nicht  aus  politischen,  sondern  aus  rhetorischen  Rücksichten. 

2* 


20  E.  Korncmann, 

eines  der  Motive,  die  Gaius  zur  Wiederaufnahme  der  Refoimgesetzgebung 
treiben,  hebt  er  die  pietas  gegenüber  dem  Bruder  hervor.  In  der  Kata- 
strophe des  Gaius  wird  Flaccus  als  der  Führende  geschildert,  und  auch 
die  leitenden  Männer  bei  der  Gegenpartei  werden  mit  Namen  genannt. 
Über  die  rücksichtslose  Ausnutzung  des  Sieges  durch  Opimius  wird  ein 
vernichtendes  Urteil  gefällt,  überhaupt  die  zu  weit  gehende  optimatische 
Reaktion  tief  beklagt,  die  Charakterlosigkeit  eines  Carbo,  der  vom 
Parteigänger  des  Tiberius  zum  Verteidiger  des  Opimius  geworden  war, 
Tvird  aufs  schärfste  gebrandmarkt;  beider  Männer  unrühmliches  Ende, 
das  nicht  unverdient  war,  Tvird  besprochen.  Wir  erkennen  also  einen 
Autor  mit  eingehender  Kenntnis  der  Zeit  und  ihrer  leitenden  Persön- 
lichkeiten, der  den  Gracchen  absolut  nicht  persönlich  feindselig  gegen- 
über steht,  der  politisch  dem  Standpunkt  des  Scipio  Aemilianus  sich 
nähert,  also  auf  einer  mittleren  Linie  wandelt,  gleich  weit  entfernt  von 
den  gracchischen  Heissspomen  wie  von  den  optimatischen  Ultras. 

Das  gesuchte  Werk  hat  grosses  Ansehen  in  der  eignen  und  in  der 
folgenden  Zeit  besessen.  Wir  sehen,  dass  sowolil  ein  Optimat  -wie  Cicero 
seine  historische  Weisheit  daraus  geholt,  als  auch  dass  der  Demokrat 
Sallust  es  benutzt  hat,  femer  dass  es  Livius  in  erster  Linie  ausgeschrieben, 
endlich  dass  die  mehr  oder  weniger  vom  biographischen  Standpunkt 
schreibenden  Historiker  der  Kaiserzeit  direkt  oder  indirekt  es  ausge- 
beutet haben.    Wer  war  der  Verfasser? 

II.   Die  Annalen  des  Fanning  die  grcsnchte  Primftrqnelle. 

Die  Antwort  auf  die  Frage  nach  dem  Verfa.sser  des  Werkes  giebt 
uns  Cicero.  Während  nämlich  bei  Velleius  (H  7.  4)  auch  gegen  die 
Führer  der  optimatischen  Reaktion  nach  der  Erschlagimg  des  Tiberius, 
die  Konsuln  des  Jahres  622/132  P.  Eupilius  und  P.  PopilliiLs  Laenas, 
Stellmig  genommen  und  kurz  auf  deren  trauriges  Ende  angespielt  wird 
(eadem  Rupilium  Popiliximque^  qxu  consules  a8j)errime  in  Tiberii  Gracchi 
amicos  saevierant^postea  tucUctoj'um  publicorum  merito  oiyprcsait  invtdia), 
k\sen  wir  bei  Cicero  speziell  über  Rupilius  {Tusc.  IV  40):  aegre  tulisse 
P.  Rupilium  frairis  repulsam  consulatiut  scriptum  apud  Fanninm  est 
Laelius  73  steht  das  Nähere ,  ganz  augenscheinlich  aus  dei-selben  Quelle, 
wonach  Lucius  Rupilius  ebenfalls  ein  Günstling  des  Scipio  Aemilianus 
war,  den  die^^er  al)er  nicht  wie  den  Bruder  zum  Konsulat  zu  bringen 
vermochte.')     Dem   Famiius   begegnen   wir   aber   auch   sonst   noch   bei 

1)  Die  Geschichte  steht  drittens  auch  bei  Plinius  II.N.  Vll  122  (Hss.  HuUUus); 
es  handelt  sich  um  die  Konsulwahlen  für  624/130  oder  625/129,  Neumanu  I  215,  wohl 
eher  um  die  fiir  129.  Mau  beachte,  dass,  wie  diese  beiden  Uupilii  Konsuln  von  Seipios 
(luaden  wurden  bezw.  werden  sollten,  Fannius  selbst  in  gleicher  Weise  Tribun  war 
(Cic.  Brutus  100).  —  Popillius  wurde  631/123  von  C.  Gracchus  zur  Verbannung  ge- 
bracht, aber  dann  von  L.  Bestia  wieder  restituiert:  auch  hier  ist  Cicero  unsere  Haupt- 
quelle:  de  leg.  lU  26,  Brutus  128,  de  domo  87,  pro  Cluentio  95—98,  Plut.  C.  Gracch.  4, 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzeit,  21 

Cicero.^)  An  drei  verschiedenen  Stellen  wird  er  zitiert  zum  Beweis  für 
die  itgufvua  des  Scipio:  acad.  prior,  II  15  (Fannius),  Brutus  299  (m 
historia  sua  Fannius),  de  orat  II  270  (Fanm'us  in  annalibus).  Von 
Q.  Metellus  Macedonicus  heisst  es  im  Brutus  81:  cuim  et  aliae  sunt 
oratumes  et  contra  Ti.  Gracchum  exposita  est  in  G.  Fannii  annalibus. 
Es  ist  das  offenbar  die  Rede,  die  nach  Plutarch  {TL  14)  im  Senat  ge- 
halten wurde  bei  Gelegenheit  von  Tiberius'  Antrag  auf  Verteilung  der 
attalischen  Erbschaft.  Brutus  99  endlich  wird  eine  Rede  des  Fannius 
selbst  erwähnt,  die  er  als  Konsul  632/122  de  sociis  et  nomine  Latino  ge- 
halten hat;  ihr  Anfang  steht  de  orat.  ITL  183  zu  lesen:  a  quo  numero 
exorsus  est  Fafinius:  „Si  Quirites  minas  illius^  und  ein  Fragment  daraus 
bei  Julius  Victor  p.  224  ed.  Or.  (Meyer,  fragmenta-  p.  201,  Rhetores  latini 
min.  ed  Halm  p.  402) :  „ÄY  Latinis  civitatem  dederitis^  credo^  existimatis  vos 
ita  ut  nunc  constitistis  (Hss.  constitisse)  in  contione  habituros  locum  aut  ludis 
et  festis  diebus  interfuturos.  Nonne  illos  oinnia  occupaturos  putatis?^  (vgl. 
auch  Charisius,  Gram.  lat.  I  143.  13).  An  der  erwähnten  Brutusstelle  wiid 
die  Echtheit  der  Rede  von  Atticus  in  Zweifel  gezogen,  nach  den  einen 
sei  sie  von  einem  Gelehrten  namens  C.  Persius  verfasst,  nach  anderen 
hätten  viele  Leute  aus  der  Nobilität  zu  dei-selben  beigetragen,  sie  sei 
also  aus  vei-schiedenen  Bestandteilen  zusammengeschweisst.  Cicero  bekennt 
sich  darauf  als  ein  Gegner  dieser  Verdächtigungen.  Sie  seien  entstanden, 
quod  Fannius  in  mediocribiis  oratoribus  hahitus  esset^  oratio  antem  vel  optima 
esset  iUo  quidetn  tempore  orationum  omnium.  Die  Rede  zeige  einen  ein- 
heitlichen Ton  und  Stil,  und  wenn  an  der  Sache  mit  Pei-sius  etwas 
Wahres  wäre,  hätte  Gracchus  damit  nicht  zurückgehalten,  cum  ei  Fannius 
de  Menelao  Maratheno  et  de  ceteris  obiecisset^  also  ihm  gerade  derartige  Vor- 
würfe, offenbar  bezüglich  seiner  Lehrer,  gemacht  hatte.  P^annius  sei  auch 
niemals  für  unberedt  gehalten  worden.  Nävi  et  causas  defensitavit  et 
tribuncUus  eius  arbitrio  et  auctaritate  P.  Africani  gestus  non  obscurus  fuit. 
Neben  der  Vei-tddigung  der  Echtheit  der  Rede  ist  dies  die  wichtigste 
Notiz  der  Stelle,  dass  Fannius  auch  zu  den  (jünstlingen  des  Scipio 
gehörte. 

Eine  andere  Kontroverse,  die  sich  an  dieselbe  Bnitusstelle  knüpft, 
hat  Mommsen  gelöst.-)  (Jicero  untei-scheidet  nämlich  an  der  erwähnten 
Stelle  den  Redner  und  Konsul  C.  Fannius  Cf.  von  dem  Historiker 
C.  Fannius  3Lf.  Letzteren  bezeic^hnet  er  zugleich  hier  {Brutus  100)  als 
Schwiegersohn  des  Laelius,  während  Atticus  {ep.  ad  Att.  XII  5.  3)  dies 
letztere  glaubte  yiwfHTQixwg  widerlegt  zu  haben.  Cicero  lässt  aber  diesen 
angeblich  mathematischen  Beweis  nicht  gelten,  sondern  erinnert  daran, 

GeUius  XI  13  (Anfang  der  Rede  dos  C.  Gracchus  gegen  P.),  endlich  Diodor  34/5,  26 
(mit  Darstellung  vom  Optimatcustandpunkt). 

1)  H.  Peter,  Ilist.  Rmn.  rell.  I  p.  CCVI  und  139,  liRF.  88,  dazu  Soltau,  Fleckeis. 
Jhh.  für  klass.  Phil.  153,  1896,  S.  367. 

2)  Im  Kommentar  zu  CIL,  I  560  p.  158,  vgl.  H.  Peter  a.  a.  O.  p.  CCII. 


22  E,  Kornemann, 

dass  er  Brutus,  den  Verfasser  einer  Epitome  aus  Fannius,  also  indirekt 
Fannius  selbst,  und  ausserdem  Hortensius  auf  seiner  Seite  hat.  Wenn 
Hirschfeld»)  diese  Leute  für  geringwertige  Autoritäten  hält,  so  kann  ich 
ihm  darin  nicht  folgen.  Cicero  selbst  nennt  den  Hortensius  einen  bonus 
auctor.  Es  handelt  sich  um  Scliriftsteller,  welche  Fannius'  Werk  selbst 
in  Händen  gehabt  hatten*):  und  beide,  Brutus  und  Hortensius,  stimmten 
in  dem  streitigen  Punkt  tiberein.  Das  erschien  Cicero  so  beachtenswert, 
dass  er  darob  sogar  den  sonst  ihm  in  historischen  Fragen  als  Autorität 
geltenden  Atticus*)  nicht  anerkannte.  Wir  dürfen  daher  bei  dieser 
Sachlage  meiner  Ansicht  nach  nicht  dem  Atticus  den  Vorzug  geben. 
Dass  aber  dieser  Laeliusschwiegersohn  und  Historiker  auch  der  Konsul 
von  632/122  und  demnach  auch  der  Redner  ist,  ergiebt  sich  aus  der 
Thatsache,  dass  auch  der  Konsul  inschriftlich  als  M.  f.  bezeugt  ist. 
Damit  vei-flüchtigt  sich  Ciceros  C.  Fannius  C  f.,  und  die  Urteile,  die 
Cicero  über  die  beiden  Männer  hat,  sind  auf  einen  und  denselben  zu  be- 
ziehen. Wenn  nun  der  Historiker  et  moribus  et  ipso  genere  dicendi  durtoi- 
bezeichnet  wird,  so  ist  wohl  dieses  Urteil  aus  seinem  Geschichtswerk  ab- 
strahiert, und  es  beweist  das  nur,  dass  sich  Fannius  in  seinem  Werke 
sittenstrenger  gab  als  im  Leben,  und  dass  das  von  ihm  Geschriebene  nicht 
so  flüssig  war  wie  seine  Rede.  Aber  doch  kann  der  Unterschied  nicht 
gross  gewesen  sein:  denn  während  Cicero  ihn  unter  die  mittelmässigen 
Redner  rechnet  (vgl.  auch  Brutus  118),  dem  nur  einmal  ein  grosser  Wurf 
gelungen  ist,  charakterisiert  er  das  Annalenwerk  als  historia  noti  ineleganter 
scripta,  quae  neque  nimis  est  infans  neque  j^e^-fecte  diserta,  also  etwa  auch  als 
mittelmässig.  Natürlich  gilt  dies  Urteil  nur  nach  der  formalen  Seite, 
ebenso  wie  das  noch  schärfere  in  de  leg.  I  ß:  si  aut  ad  Fabium  aut  ad 
Catonem  aut  ad  Pisonem  aut  ad  Fannium  aut  ad  Vennanium  venias, 
quamquam  ex  his  alius  alio  plus  habet  virium ,  tarnen  quid  tarn  exile  quam 
isti  omnesf 

Für  die  Zeitgeschichte  wird  das  Werk  des  Fannius  nur  noch  zitieil 
bei  Plutarch  7V.  Gracchus  4,  wo  es  von  Tiberius  gelegentlich  der  Er- 
stürmung Karthagos  heisst:  xal  xov  ye  Tsi'xovg  knißi]  twv  noltfiiwv  ngtaroq, 
lüg  (pi^Gi  (l^dvviogj  Xkywv  xal  avrog  x^  Tißtglq)  avvenißfjvai 
xal  avfdfieraax^llv  ixeiptjg  rfjg  agiöTiiag*)  In  der  Biogiaphie  des  C.Gracchus 


1)  Die  Anncden  des  C.  FanniuSy  Wien.  Stud.  VI,  1884,  S.  128. 

2)  Dass  Hortensius  aus  Fannius  geschupft  hat,  werde  ich  unten  (S.  89)  wahr- 
scheinlich zu  machen  suchen. 

3)  Das  beweist  der  ganze  in  Frage  stehende  Brief  und  Brutus  72 — 74. 

4)  Meyer  (22.  1)  erklärt  von  voniherein,  dass  dieses  und  andere  Zitate  bei  Plutarch 
für  die  Quellenfrage  ohne  Wert  seien.  Weshalb?  Eine  solche  Behauptung  versucht 
plötzlich  einen  Bretterzaun  aufzurichten,  den  die  weitere  Forschung  aber  mit  Recht 
rücksichtslos  wieder  umwirft.  Schon  Soltau  (a.  a.  O.  367,  vgl.  auch  H.  Peter,  Queüen 
Plutarchs  in  den  Biogr.  d.  Römer  97)  hat  die  Stelle  verwertet;  allerdings  jagt  dieser 
sofort  dem  viel  zu  schwierigen,  dazu  noch  recht  nebensächlichen  Problem  der  Mittel- 
queUen  nach. 


Zur  Geschichte  der  Graccheneeit  23 

findet  sich  kein  Zitat  aus  seinem  Werk,  dagegen  wird  hier  seine  Persönlich- 
keit, die  durch  die  Bekleidung  des  Konsulates  im  Jahre  632/122  an  die 
Spitze  der  grossen  Politik  gebracht  worden  war,  entschieden  mehr 
als  in  den  Parallelberichten  in  den  Vordergrund  geschoben,  worauf 
Soltau*)  zuerst  aufmerksam  gemacht  hat.  Man  könnte  darauf  erwidern, 
dass  die  Dai-stellung  des  Plutarch  die  ausführlichste  sei  und  daher  die 
öftere  Erwähnung  des  Konsuls  sich  hinlänglich  erklären  lasse,  ohne  dass 
man  an  eine  Benutzung  seines  Werkeis  auch  hier  gleich  zu  denken  brauche. 
Es  kommt,  um  diesen  Ein^^iirf  zu  entkräften,  darauf  an,  festzustellen,  bei 
welchen  Gelegenheiten  Plutarch  den  Fannius  mit  Namen  einführt,  und  wie 
er  das  Betreffende  berichtet.  Gleich  bei  der  ersten  Erwähnung  in  c.  8, 
wo  ei-zählt  wird,  dass  Gaius  den  Fannius  auf  das  Marsfeld  begleitete 
imd  ihn  bei  seiner  Wahl  mit  Hilfe  seiner  Freunde  unterstützte,  ist  der 
detaillierte  Bericht  auffällig,  und  der  Schlusssatz:  tovto  gonrtv  tjviyxs 
x^  (liavvi(p  fitydXijVj  stellt  Fannius  ungebührlich  in  den  Vordergrund, 
dessen  Name  kurz  hintereinander  zweimal  genannt  wird.  Auch  der  ganze 
Zusammenhang,  in  dem  diese  Erzählung  bei  Plutarch  steht,  ist  höclist 
beachtenswert.  Gaius  habe  im  ersten  Tribunat,  in  einer  Zeit,  als  die 
Massen  alles  für  ihn  zu  thun  bereit  waren,  in  einer  Volksrede  einmal 
geäussert,  er  werde  sicli  selbst  gegebenen  Falls  eine  Gunst  ausbitten, 
deren  Gewähning  ihm  über  alles  gehe,  deren  Verweigerung  er  aber  auch 
nicht  übel  nehmen  werde.  Diese  Worte  habe  man  als  eine  Forderung 
des  Konsulates  gedeutet,  und  alle  Leute  hätten  erwartet,  dass  er  sich  zu- 
gleich um  das  Konsulat  und  das  Volkstribunat  bewerben  werde.-)  Das 
Erwartete  ge>;chah  nicht,  sondem  bei  den  Konsulwahlen  trat,  wie  eben 
er/ählt,  Gaius  für  Fannius  ein,  der  dadurch  seinen  Gegner  Opimius,  der 
schon  für  632/122  Kandidat  der  Optimatenpartei  war  (c.  11),  zu  schlagen 
im  Stande  war,  Gaius  selbst  aber  wurde  darnach  zum  zweitenmal  zum 
Volkstribunen  gewälilt,  ohne  dass  er  sich  dazu  gemeldet  oder  darum  be- 
worben hatte,  aiAa  rov  örifiov  anovdaaaprog.  Es  ist,  wie  Meyer  (29) 
erkannt  hat,  der  Höhepunkt  von  Gaius'  Macht.  Die  ganze  Erzählung 
darüber  ist  durchaus  einheitlich  und  durch  die  Berufung  auf  eine  Rede 
des  Gaius  sowohl  wie  durch  die  doppelte  Nennung  des  Fannius  der 
Herkunft  aus  dessen  Annalen  zum  mindesten  hochverdächtig. 

In  demselben  Kapitel  springt  dann  Plutarch  unmittelbar  nach  dem 
eben  behandelten  Teil  auf  einen  späteren  Zeitpunkt  über***)  und  berichtet, 
dass  Fannius  in  seiner  Freundschaft  zu  (^ains  lauer  wurcU»,  und  dass  das 
den  Tribunen  zu   neuen  Gesetzesanträgen  bewogen  habe,  um  die  Menge 

1)  a.  a.  0.  367. 

2)  An  diese  angebliche  VennutuDg  der  Leute  kann  ich  nicht  so  recht  glauben. 
Das  ist  die  Stellung,  wie  sie  später  eine  Zeitlang  Augustus  innegehabt  hat  (Meyer  S.  29). 
Sollte  diese  Deutung  nicht  erst  eine   ganz  späte  Tradition   sein?    Vgl.  unten  S.  42.  1. 

3)  Über  die  Chronologie  dieser  Ereignisse  vgl.  mau  den  zweiten  Teil  dieser 
Untersachuugen. 


24  E.  Komcmann, 

fester  an  sich  zu  ketten,  zum  Antrag  auf  Koloniegründungen  in  Tarent 
und  Capua  und  auf  BürgeiTeclitsverleihung  an  die  Latiner:  inti  Si  iwga 
T^v  fih  avyxXijTov  kx&Qccv  ävTiXQvg,  äfißkvv  dk  i^  ngog  avrov  Bvvoitf  rov 
(pdvviov,  av&ig  iregoig  vofioig  ant]QTr^aaTO  t6  nXr^&ogf  anotxiag  fiiv 
elg  Tagavta  xal  Kanvijv  nifinea&ai  ygdtpwv,  xakwv  8e  knl  xoivwvitf 
noXtrdccg  xovg  uiaxlvovg.  Auch  hier  wird  Fannius  mit  einer  höchst 
wichtigen  Etappe  in  der  Geschichte  des  Gaius  in  Verbindung  gebracht, 
nämlich  mit  der  Aufnahme  de^  Bundesgenossenproblems,  wodurch  bekannt- 
lich de.ssen  Katastrophe  herbeigeführt  \\nirde.  In  Kapitel  11  wird  dann 
gelegentlich  der  Erzählung  der  Konsulwahlen  für  633/121  das  früher 
Berichtete  ergänzt,  indem  erwähnt  wird,  dass  Opimius,  der  nun  gewählt 
wurde,  im  Jahre  zuvor  de^halb^  durchgefallen  wäre,  rov  Fatov  rov 
0dvvtov  ngoayayovTog ,  kxBlvov  8h  xaTagxciigBaidcavrog.  C.  12  fülirt 
uns  mitten  hinein  in  den  Kampf  um  das  Bundesgenossengesetz  mit  einer 
Lebendigkeit,  wie  es  nur  eine  zeitgenössische  Quelle  thun  kann.  Als  zur 
bevorstehenden  Abstimmung  eine  Masse  Menschen  in  Eom  zusammen- 
strömte, ineiaev  fj  ßovXtj  rov  vnaxov  Q>dvviov  ixßaknv  rovg 
äkkoug  nXrjv  *Pwfiaiu)v  änavrag.  Man  beachte  das  Verbum  innae^)  und 
die  Nennung  des  einen  Konsuls  nur,  und  zwar  mit  Namen,  wälirend 
Appian  (123)  sagt:  i]  ßovX})  SiavagaxO^fioa  rovg  vndrovg  ixikevae. 
Zu  imioiv  passt  dann  vorzüglich,  wenn  im  nächsten  Satz  das  Edikt,  das 
erlassen  wurde,  als  ungewöhnlich  (ccrj&t]g)  imd  befremdend  (dXXoxorog) 
charakterisiert  wird.  Durch  all  dies  ist  deutlich  gezeigt,  dass  der  Konsul, 
der  das  Edikt  e'rliess,  es  selbst  nicht  gebilligt  hat,  sondern  erst  durch 
Zureden  im  Senat  dazu  gebracht  wurde.  Gaius  veröffentlichte  dann  eine 
Gegenproklamation,  in  der  er  den  Konsul  angi'iff  und  den  Bundesgenossen, 
welche  in  der  Stadt  blieben,  seine  Unterstützung  in  Aussicht  stellte. 
Doch,  heisst  es  w^eiter:  ov  fii^v  ißofj&tiaev ,  dkXd  ogwv  %va  twv  ^ivtap 
avrov  xal  ffvvfj&üjv  ikxofnvov  ino  rHv  ifttjgBtcSv  rwv  rov  <Pavviov 
nagtjk&t  xal  ov  ngoar^fivvep  eh 8  Tf;v  ia^vv  hniXeinovaav  tjdt]  Sediufg  kXfyx^iv 
ehe  firi  ßovXo/uvog^  wg  iXiytv^  ätpifia^lag  avrog  xal  avfA7tXoxr;g  dg^dg 
C,YiTov6i  Totg  kx^ß^^S  nagaaxeiv.  Das  ist  ausgezeichnetes  Detail,  hier 
spricht  ein  wohlunterrichteter  Zeitgenosse  zu  uns,  der  das  von  Gaius  selbst 
angegebene  Motiv  füi'  sein  Auftreten  kennt,  aber  auch  den  waliren  Grund 
für  die  Zurückhaltung  des  Tribunen  nicht  vei-schweigt.  Hier  ist  „der 
entscheidende  Wendepunkt"  in  dem  Leben  des  Volkstribunen :  „als  Gaius 
es  trotz  seines  Edikts  nidit  mehr  wagen  kann ,  den  vom  Konsul  FanniiLs 
ausge>\iesenen  Bundesgenossen  den  tribunicischen  Schutz  zu  gewähren" 
(Meyer  29).  Wer  hatte  ein  solches  Interesse  daran,  die  Bedeutung  des  einen 
Konsuls  von  t)32  für  den  Höhe-  und  den  W^endepunkt  in  (jaius'  politischem 
Leben  in  dieser  Weise  zu  schildern   wie  Fannius  selbst? 


1)  Darauf  lenkt   Bchon,    wie  ich  Dachträglich  sehe,   H.  Peter,   Hist.  liom.  reJl,  I 
p.  CCVII  3,  die  Aufmerksamkeit. 


Zur  Geschickte  der  Gracchenzeit  25 

Zu  Cicero  und  Plutarch  tritt  nun  als  Dritter  noch  Sallust.  Auch 
von  ihm  hatten  wir  an  einzelnen  Äusserungen  zu  bemerken  geglaubt,  dass 
er  im  Jugurtha  den  Berichten  der  Gruppe  Lateiner-Plutarch  nahe  steht. 
Eine  ausgezeichnete  Stütze  für  diese  Ansicht  ist  der  Umstand,  dass  Sallust 
bekanntlich  im  ersten  Buch  seiner  Historien,  offenbar  im  Proömium,  an 
Fannius  die  veritaa  seiner  Darstellung  gerühmt  hat;  Victorin.  ad  Cic.  rhet. 
p.  57  Or.  {Rhet  lat  min,  ed.  Halm  p.  203,  Maurenbrecher,  Sali  Iltst.  rel. 
I  fragm.  4).  Man  hat  es  auffällig  gefunden,  dass  ein  Schriftsteller,  den 
C-icero  mehrfach  zitiert,  in  dem  man  also  einen  Schriftiiteller  optimatischer 
Tendenz  vermutet,  von  dem  Caesarianer  Sallust  gelobt  wird.  Schwartz 
(797)  hat  das  Lob  abzuschwächen  gesucht  durch  die  Bemerkung:  „Was 
heisst  denn  das  anders,  als  dass  Fannius  nach  dem  stehenden  Gebrauch 
der  historischen  Proömien  diese  Tugend  für  sich  in  Anspnich  genommen 
und  seine  Erzählung  technisch  so  eingerichtet  hatte,  dass  die  Partei- 
stellung nicht  so  krass  hervortrat  wie  in  den  rein  optimatischen  Dar. 
Stellungen  der  Gracchenzeit?  Denken  lässt  sich  auch,  dass  er  durch 
reiches  Detail  in  besondere  wichtigen  und  bestrittenen  Punkten  das  Urteil 
zu  berichtigen  strebte.  Aber  auch  hier  ist  die  Technik  der  Erzählung, 
die  Gruppierung  der  F.reignisse,  die  stilistische  Farbe  die  Hauptsache, 
durchaus  nicht  das,  woran  der  Moderne  immer  denkt,  die  vorbereitende 
Forschung  und  Untersuchung".  Schwartz  tritt  mit  diesen  Ausführungen 
(S.  795 — 797)  Eduard  Meyers  Ansichten  entgegen,  der  (S.  6  und  33)  die 
Annalisten  der  Gracchenzeit,  was  das  politische  und  historische  Verständnis 
angeht,  hoch  über  die  späteren  Rhetoren  wie  Livius  stellt.  Schwartz 
giebt  zu,  „dass  sie  das  republikanische  Staatsrecht  besser  kannten  und 
die  politischen  (Tegcnsätze  schärfer  fassten".  Damit  sei  aber  noch  nicht 
gesagt,  „dass  sie  gute  historische  Berichterstatter  waren".  Was  Fannius 
betrifft,  so  übersieht  er,  dass  Sallust  diesen  so  ho(!h  schätzt,  dass  er  ihn 
neben  Cato  stellt,  insofern  er  den  letzteren  in  der  brevüas,  jenen  in  der 
verüas  nachahmen  will,  mit  anderen  Worten:  in  formalcT  Hinsicht  will 
er  den  (Jato,  inbezug  auf  den  Inhalt  den  Fannius  sich  zum  Vorbild 
nehmen.  Denn,  sagt  der  erwähnte  Scholiast,  hütoria  et  brevts  esse  debet 
in  expositiane  et  aperta  et  probabHis,  ut  Sallust ius  sibi  ontmia  in  Catilina 
tribuü,  indem  er  die  Worte  {Catil  c.  4  Ende)  quam  verissume  j^otero 
2)  au  eis  absolvam  zitiert.  Dass  bei  dem  durchaus  rhetorisch  gebildeten 
und  gerichteten  Sallust,  dem  gelehrigen  Schüler  der  Griechen,  trotz 
seines  Strebens  etwas  ganz  anderes  zu  Tage  kam,  darf  das  Urteil  über 
die  Vorbilder  nicht  beeinflussen.  Meiner  Ansicht  nach  geht  Schwartz  zu 
weit  und  kommt  zu  einer  Überschätzung  der  Technik  für  diese  ältere 
Annalistik.  Wohl  beginnt  in  der  Gracchenzeit  „die  hellenistische  Rhetorik 
ihren  siegreichen  Einzug  in  Rom"  zu  halten  „und  mit  ihr  ihre  echte 
Tochter,  die  rhetorische,  mit  allen  Mitteln  auf  den  Effekt  liinarbeitende 
Historiographie".  Aber  gerade  die  Heraushebung  des  Coelius  Antipater 
aus  allen  Historikem  der  Zeit,  den  exiks  scripiores^  und  die  Bemerkung 


26  E,  Komemann, 

des  stets  den  stilistischen  Massstab  anlegenden  Cicero,  admonere  reliquos 
potuü  %U  adcuratius  scriberent  (Cic  de  hg.  I  6),  zeigt,  dass  die  anderen 
von  rhetorischer  Technik  noch  weit  entfernt  waren.  Schwartz  selbst 
macht  auch  auf  den  Einfluss  des  Polybios  aufmerksam,  der  doch  die 
Ehetorik  in  der  Geschichtsschreibung  scharf  bekämpfte.  „Das  kolossale 
Werk  des  Polybios  muss  einen  Eindruck  gemacht  haben,  den  man  sich 
nicht  leicht  gross  genug  vorstellen  kann"  (796).  Wie  die  Behauptung, 
die  Schw.  daran  anschliesst,  dass  die  römischen  jüngeren  zeitgenössischen 
Historiker  aber  nur  die  schlechten  Seiten  an  ihm  sich  zum  Muster  ge- 
nommen hätten,  angesichts  des  bekannten  Proömiums  des  Sempronius 
Asellio  und  der  Hervorhebung  der  verüas  bei  Fannius,  wirklich  hin- 
reichend begründet  werden  kann,  vermag  ich  nicht  zu  sehen.  Warum  soll 
nicht,  ehe  die  Rhetorik  auch  die  lateinische  Geschichtsschreibung  ver- 
seuchte, Polybios  für  kurze  Zeit  wenigstens  einen  heilvollen  Einfluss  auf  sie 
ausgeübt  haben  ?  Ich  will  auch  das  Schwartz  noch  zugeben,  dass  das  Lob 
der  verüas  bei  einem  antiken  Schriftsteller  vielleicht  in  erster  Linie  das 
Zurücktretenlassen  eines  einseitigen  Parteistandpunktes  bedeute,  dass,  wie 
der  Scholiast  sagt,  die  hiatoria  aperta  et  probabilia  sei;  aber,  frage  ich, 
war  die  Ausschliessung  der  Tendenz  bei  einem  zeitgenössischen  Schrift- 
steller nicht  schon  etwas  Grosses?  Es  bleibt  bei  der  Ansicht  Ed.  Meyers, 
und  Sallusts  Urteil  über  Fannius  ist  nicht  zu  verwässern  oder  liinweg 
zu  eskamotieren.  Das  unerreichbare  Ideal,  sine  ira  et  studio  zu  schreiben, 
ist  natürlich  auch  von  Fannius  nicht  verwirklicht  worden,  aber  das 
Streben  nach  Wahrheit  war  den  Menschen  jenes  naiveren  Zeitalters  noch 
keine  blosse  Phrase  wie  der  an  der  griechischen  Rhetorik  zu  Grunde  ge- 
gangenen späteren  Historiographie  der  Römer.  ^) 

Von  drei  Seiten  ist  uns  somit  wichtige  Kunde  über  Fannius  und 
sein  Werk  zugeflossen.  Nehmen  wir  dazu,  was  uns  sonst  noch  über  die 
Persönlichkeit  und  ihre  schriftstellerische  Bethätigung  bekannt  ist.-) 

Die  Persönlichkeit  begegnet  uns  zum  ersten  Male  im  Jahre 
608/146  bei  der  Eroberung  von  Karthago  (Plut.  Ti.  4),  zum  zweiten 
Male  612/142  in  Spanien  im  Krieg  gegen  Viriathus  (App.  Jb.  67),  beide 
Male  erwähnt  wegen  hervorragender  kriegerischer  Leistungen.  Wie  die 
erste  Erwähnung  bezeugtermassen,  so  ist  die  zweite  höchstwahrscheinlich 


1)  Der  Einfluss  des  Polybios  hat  nicht  lange  vorgehalten.  Von  der  sullanischen 
Zeit  ab  machte  sich  die  hellenistische  Historiographie  schlimmster  Sorte  in  Rom  immer 
mehr  breit;  Sisenna  nahm  sich  den  Alexanderhistoriker  Kleitarchos  zum  Vorbild,  Cic. 
de  leg.  T  7,  CaeliusRufus  studierte  ihn  aufs  eifrigste,  ebda,  ad  fam.  V  10,  vgl.  F.  Reuss, 
Mein.  Mus.  57,  1902,  S.  597,  Niese,  Hermes  35,  1900,  S.  301  mit  Anm.  4.  Dagegen 
bedeuti't  das  Auftreten  des  Sallust  mit  seinem  Zurückgehen  auf  Cato  und  Fannius 
(daneben  auf  die  besten  Griechen  wie  Thukydides)  bis  zu  einem  gewissen  Grade  eine 
Reaktion.  An  Sallust  aber  bilden  sich  Asinius  Pollio  und  Tacitus;  man  vgl.  dessen 
Klage  über  das  Schwinden  der  verüas:  Eist.  I  1. 

2)  Vgl.  zum  folgenden  Mommsen  CIL.  I  p.  158  und  H.  Peter,  IJist.  Born. 
reU.  I  p.  CCII. 


Zur  Geschichte  der  Gracchcnzcit  27 

aus  seinen  eignen  Annalen  entnommen.  Im  Jahre  612/142  wird  Fannius 
schon  bei  Appian  Schwiegersohn  des  Laelius  genannt.  Über  die  Zeit 
seines  Volkstribunates  war  man  im  Unklaren.  Cicero  schreibt  an  Atticus 
(XVI  13  C.  2) :  in  praesentia  mihi  velim  scribaa^  quibua  censoribtis  C,  Fannius 
M.  f,  tribunus  pl.  fuerit;  videor  mihi  audiase  P,  Africa/no  L.  Mummio:  das 
wäre  aber  gleichfalls  im  Jahre  612/142.  Man  sucht  heute  aus  dem 
Widerspruch  dadurch  herauszukommen,  dass  man  entweder  eine  Ver- 
wechselung mit  dem  Kriegstribunat  annimmt^)  oder  dass  man  mit  Rück- 
sicht auf  die  Thatsache,  dass  die  Censur  auch  noch  in  das  folgende  Jahr 
hinein  sich  erstreckt,  das  Volkstribunat  ins  Jahr  613/141  verlegt.-)  Ich 
halte  die  Sache  für  unlösbar,  da  Cicero  selbst  nur  eine  unsichere  Kunde 
giebt  und  Atticus'  Antwort  nicht  erhalten  ist.  Interessant  ist  es  zu 
beobachten,  wie  Cicero  allmählich  seine  dürftigen  Kenntnisse  über 
Fannius  erweitert.  Der  oben  behandelte  Brief  stammt  aus  d.  J.  710/44. 
In  dem  zwei  Jahre  vorher  erechienenen  Brutus  spricht  er  nui-  (c.  100) 
von  dem  tribunatua  {non  obscurus)  des  C.  Fannius  G.  /!  als  arbürio 
et  auctoritate  P,  Africani  gestus  ^  ohne  auf  die  Chronologie  einzugehen. 
In  de  republica  (begonnen  700/54)  werden  (I  18)  mit  Laelius  seine 
Schwiegersöhne  C.  Fannius  und  Q.  Scaevola  unter  d.  J.  625/129  ein- 
geführt als  doctos  adulescentes  iam  aetate  quaestorios.  Diese  Worte  stehen 
mit  allen  übrigen  Daten,  die  wir  haben,  in  Widerspruch.  Sie  sind  nur 
ein  Zeugnis  für  Ciceros  damalige  Ignoranz  auf  dem  hier  in  Betracht 
kommenden  historischen  Gebiet.  Beide  Pei-sönlichkeiten  standen  im 
J.  625/129  im  besten  Mannesalter.  Denn  auch  Q.  Scaevola,  der  jüngere 
von  beiden  (Brutus  101),  welcher  im  Jahre  637/117  Konsul  war,'*)  musste 
damals  schon  über  30  Jahre  alt  sein.  Genau  so  unsicher  wie  bezüglich 
des  Volkstribunates  ist  unsere  Kenntnis  inbezug  auf  das  Jahr  der  Prätur. 
Als  I^ätor  (argatfjyog)  wird  Fannius  nämlich  allein  bei  Josephos  (Ant, 
Jud.  XIII  9.  2.  260  u.  265  Niese)  genannt.  Die  Erwähnung  geschieht  aber 
in  einem  der  bei  diesem  Schriftsteller  eingelegten  Senatskonsuite  zu 
Gunsten  der  Juden,  deren  Datierung  bekanntlich  viel  umstritten  ist.  Für 
das  hier  in  Frage  kommende*)  lassen  sich  drei  Parteien  untei-scheiden. 
Die  erste  setzt  das  SC.  in  das  Jahr  621/133  oder  eines  der  folgenden 
Jahre,  die  zweite  in  das  Jahr  632/122,  die  dritte  unter  Antiochos 
Kyzikenos  etwa  ums  Jahr  649/105.'^)  Nur  wenn  die  (»rste  Datierung  das 
richtige  trifft,  ergiebt  sich  etwas  daraus  für  unser  lliema.     Innerhalb 

1)  Orelli,  Onomast.  Tüll  I  p.  251. 

2)  II.  PeUT  a.  a.  0.  p.  CCIV. 

3)  Fischer,  Zeittafeln  S.  153. 

4)  In  der  urkundlichen  Form  wiederhergestellt  von  Viereck,  Servio  graecus  p.  112. 

5)  Von  den  Vertretern  der  ersten  Ansicht  wird  im  folgenden  noch  genauer 
gehandelt.  Die  zweite  Ansicht  verficht  G.  Unger  in  den  S.-Ber,  der  Münch, 
Akad.  1895  S.  575  ff. ,  auch  schon  0.  Iloltzmanu  bei  Stade ,  Gesch,  des  Volkes 
Israel  II  S.  390,  letzterer  aber  mit  Gründen,   die  eine  vollkommene  Unkenntnis  des 


28  E.  Komemanfiy 

dieser  Gruppe  stehen  wieder  zwei  Ansichten  einander  gegenüber.  Die  von 
Mendelssohn^)  im  Anschluss  an  Ritschi  gegebene  Datierung  in  die  Zeit  des 
Krieges  zwischen  den  Juden  und  Antiochos  Sidetes,  das  Jahr  621/133,  teilt 
heute  nur  noch  Schürer.  *^)  Eine  grössere  Zahl  von  Forschem  steht  dagegen 
im  Anschluss  an  von  Gutschmid*)  auf  dem  Standpunkt,  dass  das  SC.  erst 
nach  dem  erwähnten  Kriege  anzusetzen  sei,  wobei  aber  zu  beachten  ist,  dass 
Zeit  und  Dauer  des  Krieges  recht  unbestimmt  sind.  Wir  haben  zwei  unver- 
einbare Zeitangaben  aus  dem  Altertum  (Niese,  Hermes  28  S.  225  und  Schürer, 
Gesch.  des  jüd.  Volkes  I »  S.  259.  5).  Schürer  setzt  den  Krieg  darnach 
in  die  Jahre  134—132,  Wilcken*)  135—134,  Niese*^)  130/29.  So  kommt 
es,  dass  auch  für  das  SC.  kein  bestimmtes  Jahr  von  hier  aus  gegeben 
werden  kann:  Viereck '^)  sagt:  ca.  622/132,  Mommsen'):  um  623/131, 
andere*)  verzichten  auf  die  Angabe  eines  bestimmten  Jahres  und  be- 
merken nur,  dass  das  Dokument  noch  in  die  Zeit  des  Antiochos  Sidetes 
(gestorben  Anfang  625/129)»)  gehöre.  Das  Jahr  624/130  kommt  aber 
deswegen  in  Wegfall,  weil  HjTkanos  damals  als  Verbündeter  des  Antiochos 
den  Partherzug  mitmachte.^^)  Mehrere  Forscher  wollen  sogar  in  die  Zeit 
nach  Antiochos  Sidetes'  Tod  heruntergehen,  weil  Hyrkanos  nach  dem  für 
ihn  unglücklichen  syrisch  -  jüdischen  Krieg  sofort  Freundschaft  und  ein 
Bündnis  mit  Antiochos  geschlossen  habe,  hier  also  kein  Eaum  mehr  für 
die  Beschwerde  an  die  Eömer  bleibe.  Dahin  neigte  schon  von  Gutschmid 
selbst;^*)  ausser  ihm  vei-treten  Schlatter^-)  und  Niese'**)  diese  Ansicht.  Dar- 
nach kämen  wir  etwa  in  die  Jahre  626/128,  627/127  oder  gar  628/126 
(Schlatter  [S.  7]  sagt:  kaum  vor  127).  So  haben  wir  also  für  die 
Prätur  des  Fannius  entweder  die  Jahre  133,  132,  131  oder  128,  127, 
126   in   Betracht    zu   ziehen.    Wenn   aber   das   Volkstribunat   wirklich 


römischcD  Staatsrechtes  verraten;  die  dritte  ist  diejenige  von  WeUhausen  (Israel, 
und  Jüd.  Gesch,^  S.  271.  3  und  S.  274.  1),  Th.  Reinach,  Rev.  des  Kt.  juives  38, 
1899,  S.  166  ff.  und  H.  Willrich,  Itidaica  S.  69  ff.  Über  diese  beiden  Ansichten  vgl. 
man  den  Anhang  S.  54  ff. 

1)  Acta  societatia  phil.  Lips.  V,  1875,  p.  123  ff. 

2)  Gesch.  des  jüd,  Volkes  !•  S.  260  ff. 

3)  Kleine  Schriften  II  S.  303  ff. 

4)  Bei  PaulyWissowa  I  2479. 

5)  Hermes  28  S.  225;  ebda.  35  S.  286  f. 

6)  Sermo  graecus  p.  93. 

7)  Mm.  St-R.  m  S.  923.  4. 

8)  Adolf  Kuhn,  Beilr.  zur  Gesch.  der  Seleukiden,  Erlangener  Diss.  1891  S.  11.  7, 
Wilcken  bei  Pauly-Wissowa  I  2479. 

9)  So  von  Gutschmid,  Gesch.  Irans  S.  77,  Wilcken  a.  a.  0.  2480,  Schürer  I* 
S.  173  Anm.;  anders  (Anfang  626/128)  von  Gutschmid,  Kleine  Schriften  II  313  und 
Niese,  Hermes  35,  1900,  S.  287  und  288.  6. 

10)  Von  Gutschmid.  Iran  S.  75. 

11)  Kleine  Schriften  II  S.  313. 

12)  Zur  Topographie  u.  Gesch.  Palaestinas  S.  5—10. 

13)  Hermes  35  S.  289.  1. 


Zur  Geschickte  der  Gracchenacit.  29 

schon  ins  Jahr  612/142  oder  613.141  gehört,  so  ist  man  eher  geneigt, 
die  Prätur  in  eines  der  drei  früheren  Jahre  zu  setzen.  Dazu  kommt, 
dass  nach  unserem  Dokument  das  Hauptanliegen  der  Juden  verschoben 
wird,  orav  ano  tuiv  Idiutv  tj  avyxkfjTog  iiaxoXi^at).^)  Auch  das  weist  auf 
^ie  ereignisreichen  Jahre  133,  132,  131  hin.  Bei  diesem  Resultat 
wird  man  sich  beruhigen  müssen,  wenn  man  nicht  überhaupt  eine 
Lösung  des  Problems  im  Sinne  der  Ungei-schen  Hj-pothese  vorzieht  (siehe 
darüber  den  Anhang  S.  54).  —  Wie  Fannius  dann  im  Jahre  632/122  mit 
Hilfe  des  C.  Gracchus  Konsul  wurde,  und  wie  er  in  demselben  allmählich  von 
dem  leitenden  Volkstribun  abrückte,  ist  genügend  behandelt.  Nach  dem 
Konsulat  hören  wir  nichts  mehr  von  ihm. 

Seinem  Beruf  nach  war  Fannius  Sacliwalter  (cattsas  defensitavit: 
Bruhis  100).  Mit  seinem  Schwiegervater  Laelius  stand  er  nicht  be- 
sonders gut  {non  admodum  däigebat\  weil  derselbe  nicht  ihn  ins  Augurn- 
koUegium  aufgenommen,  sondern  den  jüngeren  Schwiegersohn  Q.  Mucius 
Scaevola  vorgezogen  hatte.  Laelius  entschuldigte  sich  dem  Gekränkten 
gegenüber  damit,  dass  Mucius  seine  ältere  Tochter  zur  Frau  habe.  Auf 
Betreiben  des  Schwiegervaters  war  aber  Fannius  Schüler  des  Panaetios 
geworden  (ebda  101)  und  wie  die  meisten  Stoiker  ein  schwacher  oder 
nm-  mittelmässiger  Eedner  (ebda  100  u.  118),  dagegen  wohlgeschult  in 
wissenschaftlicher  Disputation  (117  u.  118). 

In  seinen  Annalen  war,  wie  aus  dem  bereits  Zusammengestellten 
sich  ergiebt,  die  eigne  Persönlichkeit,  wo  immer  sie  auf  dem  Schlachtfeld 
oder  im  politischen  Leben  hervorgetreten  war,  nach  echter  Kömerart 
stark  in  den  Vordergrund  gedrängt,  aber  so,  da«s  auch  minder  Rühm- 
liches nicht  übergangen  war.  Die  Notiz  des  Plutarch,  dass  er  wälirend 
seines  Konsulates  ein  Edikt  erlassen  musste,  mit  dessen  Inhalt  er  offen- 
bar nicht  einverstanden  war,  Hess  sicli  mit  grosser  Walii-scheinliclikeit 
aus  seinem  eignen  Werk  entnommen  dartliun.  Dass  darnach  auch  Cieeros 
Angaben  über  das  Volkstribunat  von  Scipios  Gnaden  und  die  Bevor- 
zugung des  Q.  Mucius  Scaevola  bei  der  Augurwahl  seitens  des  gemein- 
samen Schwiegervaters  Laelius  in  letzter  Linie  auf  dit^selbe  Quelle 
zurückgeführt  werden  müssen,  liegt  doch  sehr  nahe.  Ist  das  richtig,  so 
haben  wir  damit  schon  einige  Beweise  für  die  vcräas,  die  an  Fannius 
gerühmt  wurde.  Scipio  Africanus  war  eingeliend  in  dem  Werk  charak- 
terisiert (Ironie).  Keden  der  leitenden  Männer  im  Senat  und  beim  Volke 
waren  dem  Gang  und  Inhalt  nach  mitgeteilt,  wie  das  auch  Cato  in 
seinen  Origtnes  getlian  hatte  (Cic.  de  orat  I  227),  darunter  die  eigne  Rede 
vom  Jahre  632/122:  de  socüs  et  nomine  Latino  contra  Gracchum.  P]ndlich 
ist  hervorzuheb(»n ,  dass  das  Werk  wohl  von  stoischem  (leiste  gc^tragen 
war.  Der  Charakter  des  Verfassers  ei-schien  strtiiger  darin  als  im 
Leben,  seine  Diktion  war  imbeholfener  als  in  den  Reden. 

1)  265  Niese. 


30  E.  Komemann, 

Dieses  Bild  von  Fannius'  Persönlichkeit  und  Werk  passt  vorzüglich 
zu  dem,  was  sich  uns  über  die  gesuchte  Urquelle  der  Lateiner  und  des 
Plutarch  ergeben  hatte.  Die  Bewunderung  für  Africanus  erklärt  sich 
jetzt  leicht,  wenn  wir  nun  sehen,  dass  wirs  mit  einem  Günstling  des- 
selben zu  thun  haben.  Die  scharfe  Stellungnahme  gegenüber  Opimius' 
Wüten  wird  verständlich,  da  wir  wissen,  dass  Fannius  und  Opimius 
politische  Gegner  waren  und  einst  um  das  Konsulat  gestritten  hatten. 
Den  Hinweis  auf  Reden,  die  Einlage  von  Redeteilen  und  Aussprüchen 
der  leitenden  Persönlichkeiten  haben  wir  hier  wie  dort.  Die  brauchbaren 
Zahlenangaben  passen  sehr  gut  für  einen  Autor,  der  sogar,  wenn  die 
eigne  Persönlichkeit  in  Frage  kommt,  von  Übertreibung  und  Vertuschung 
sich  freihält.  Es  dürfte  somit  der  Satz,  dass  die  Annalen  des 
Fannius  der  Ausgangspunkt  derjenigen  Tradition  sind, 
welche  in  den  lateinischen  Quellen  und  stellenweise  auch 
bei  Plutarch  noch  zu  Tage  tritt,  bis  zu  dem  bei  Quellenunter- 
suchungen erreichbaren  Grad  von  Walirscheinlichkeit  gebracht  sein. 

Um  den  gefundenen  Satz  noch  weiter  zu  stützen,  schliessen  wir 
nunmehr  noc^h  einige  Übereinstimmungen  innerhalb  der  betrachteten 
Quellengi-uppe  an,  die  augenfällig  derselben  Vorlage  wie  die  finiher  be- 
sprochenen entstammen. 

Es  ist  nicht  unbemerkt  geblieben,  dass  in  der  von  uns  in  den 
Vordergrund  gerückten  Quellengi-uppe  eine  vorzügliche  Kenntnis  der 
persönlichen  und  Familien -Gegensätze  innerhalb  der  römischen  Aristo- 
kratie der  Revolutionszeit  zu  Tage  tritt.  „Der  Konflikt  ist,"  um  mit 
Ed.  Meyer  (22  f.)  zu  reden,  „wie  jeder  innere  Kampf  in  einer  Aristokratie, 
zugleich  ein  persönlicher  und  ein  politischer ;  die  alten  Familienfehden,  die 
durch  Verschwägerungen  wohl  einmal  überbrückt  werden,  aber  immer 
von  neuem  wieder  ausbrechen,  vei-schlingen  sich  mit  den  prinzipiellen 
Gegensätzen."  Wenn  wir  das  berücksichtigen,  begreifen  wir,  weshalb 
Fannius  den  Verhandlungen  über  das  foedua  Numantinum  solche  Be- 
deutung für  das  spätere  Auftreten  de^  Tiberius  in  Rom  beigelegt  hat. 
Seitdem  war  der  Bruch  zwischen  Tiberius  und  seinem  Schwager  Scipio 
„unheilbar"  (Meyer  23),  und  Tiberius  wandte  sich  von  der  jedem  Radi- 
kalismus in  der  inneren  Politik  abgeneigten  Politik  der  Scipionengruppe 
hinweg.  Wir  haben  ein  einzig  dastehendes  Zeugnis  bei  Plut.  ?V.  8.  3, 
das  ich  trotz  seiner  Singularität  für  Fannius  in  Beschlag  nehmen  zu 
dürfen  glaube, i)  über  den  Grad  von  Reformfreundlichkeit,  der  innerhalb 
der  Scipionenpartei  herrschte:  in^xtigriaB  fih  ovv  r/J  dioQ&iacu  Faioq 
AaiXiog  6  2^xri7ii(avog  iraJgog,  ävr iXQovaavrwv  Öi  rwv  övvaxwv 
fpoßfj&eig  Tov  ihoQvßov  xai  navaduepog  inexkri&tj  aotpog  f]  rpQOPifiog,') 

1)  DtT  Zusatz  ixccTfQOv  yuQ  idoxn  armaivtiv  6  aanirivs  weist  auf  eine  lateinische 
Quelle  genügend  hin. 

2)  Die  Hervorhebung  des  Laelius  (der  Schwiegervater  des  Autors!)  ist  auch  sonst 
zu  beobachten:  Cic.  de  orat.  II  341:  Q.  Tuberoni  Africanum  avunculum  laudanti  scripsit 


Zur  Geschickte  der  Chracchcnzeit  31 

Von  diesen  Leisetretern  war  nunmehr  Tiberius  ein  für  allemal  geschieden. 
Durch  seine  Heirat  rückt  er  auf  die  Seite  des  Appius  Claudius  und  tritt 
ausserdem  in  Verbindung  mit  dem  alten  einflussreichen  Senator  Metellus 
Macedonicus,  die  beide  erbitterte  inimici  Sc^ianü  waren  (betreffs  des 
Metellus  vgl.  Cic.  de  rep.  I  31,  Val.  Max.  IV  1.  12,  Meyer  23).  Be- 
deutender Einfluss  auf  das  gracchische  Agrargesetz  wird  den  beiden 
Brüdern  P.  Mucius  Scaevola  (cos.  133)  ^)  und  P.  Licinius  Crassus  Mucianus, 
dem  Schwiegervater  des  jüngeren  Gracchus  —  beide  waren  bedeutende 
Juristen  —  zugeschrieben  bei  Cic.  acai.  prior,  II 13,  Putarch  Ti.  9.  Dieser 
P.  Ci-assus  und  Tiberius*  Schwiegervater  waren  die  Führer  der  Gracchen- 
partei  im  Senat,  die  von  der  Scipionengruppe  sich  scharf  absonderte: 
Cic.  de  rep.  I  31. 

Das  Scheitern  des  Tiberius  wird  bei  Cic.  de  leg.  III  24  in  letzter 
Linie  auf  die  Absetzung  des  Octavius  zurückgeführt:  Quin  ipsum  7V. 
Gracchum  non  aolum  neglectus  aed  etiam  sublattis  intercessor  evertit\  quid 
enim  illum  aliud  perculit  nisi  quod  poteatatem  intercedenti  collegae  abrogavit  f 
Bei  Plutarch  77.  Gr,  11  heisst  diese  Massregel  ^gyov  ov  vofiifiov  ov8i 
inierxig:  das  ist  bei  der  apologetischen  Tendenz  der  plutarchischen  Bio- 
graphie doppelt  beachtenswert.  Cicero  spricht  aus  diesem  Anlass  von 
vexare  rempublicatn  {Laeliua  37)  und  berichtet,  dass  damals  bereits  manche 
Freunde,  wie  z.  B.  Q.  Tubero,*)  von  Tiberius  abgefallen  wären.  Orosius 
(V  8.  3)  bemerkt  nur  kurz :  his  cauaia  aenatam  ira  . .  .  inväait.  Das  erste 
Hervortreten  des  Scipio  Nasica  im  Senat  als  Gegner  des  Tiberius,  von 
dem  Plutarch  77.  13  erzählt,  stand  auch  in  der  livianischen  Darstellung 
(Orosius  V  8.  4:  obaiatente  Naaica,  Meyer  24.  1).  Aber  erst  nach  dem 
Antrag  des  Tiberius  auf  Verteilung  der  attalischen  Erbschaft  bricJit  der 
Sturm  im  Senat  los.  Reformfreunde  wie  Q.  Metellus  Macedonicus  und 
Reformfeinde  (Q.  Pompeius,  T.  Annius  Luscus)  wettern  in  gleicher  Weise 
gegen  Tiberius.  Den  eingehendsten  Bericht  über  die  stürmische  Senats- 
sitzung haben  wir  bei  Plut.  7Y.  14,  einzelnes  auch  bei  Livius  und  Cicero 
(Ijiv.  Ep,  58,  Orosius  V  8.  4,  Cic.  Brutua  79,  auch  ebda.  117,  dazu  Meyer 
24.  4).  Da  die  bei  Fannius  skizzierte  Rede  des  Metellus  Macedonicus 
wahrscheinlich  mit  der  in  dieser  Senatssitzung  gehaltenen  identisch  ist, 
dürfen  wr  wohl  den  Bericht  über  die  ganze  Sitzung  auf  Fannius  zurück- 
führen. Allerdings  finden  sich  auch  Diskrepanzen  zwischen  Plutarch  und 
Livius  (Schwartz  S.  808),  aber  sie  sind  nur  derart,  dass  sie  aus  einer 

C.  LaeliuSf  SchcH.  Bob.  zu  Cic.  ftro  Mtl.  p.  288  Or.:  super  eins  laudibus  ejctat  oratio 
C.  Laelii  Sapientis  u.  s.  w. 

1)  H.  Peter,  Hut.  ]{om.  rcll.  I  p.  CCVII  2  macht  diewn  P.  Scaovola  zum 
Schwiegersohn  des  Laelius;  das  ist  eine  Verwechselung  mit  Q.  Scaevola,  dem  Konsul 
von  637/117,  Mommsen  zu  CIL.  I  560,  Peter  selbst   a.  a.  O.  p.  CCIV. 

2)  Über  seine  Verwandtschaftsverhältnisse  Cic.  de  o rat.  II  341,  Neumann  I  S.  198: 
er  war  ein  Neffe  des  Aemilianus,  Sohn  seiner  leiblichen  Schwester  und  Freund  des 
Laelius,  gehörte  also  zur  Scipionengruppe. 


32  E.  Kornemann, 

Weiterbildung  der  Tradition  im  gracchenfreundliclien  Sinn  bis  zu  Plutarch 
sich  erklären  lassen.  Auch  nach  dem  Tode  des  Tiberius  bleibt  die  Ee- 
formpartei  im  Senat  bestehen  und  zwar  unter  Fülirung  des  Metellus  und 
P.  Mucius  Scaevola,  der,  wie  wir  oben  sahen,  bei  der  Katastrophe  des 
Tiberius  ein  gewaltsames  Einschreiten  hartnäckig  abgelehnt  hatte,  in 
scharfem  Gegensatz  gegen  die  Scipionengi'uppe :  Cic.  de  rep,  131.  Die 
Sache  des  Tiberius  hielt  man,  dagegen  seine  Person  liess  man  fallen. 
P.  Mucius  soll  nachträglich  erklärt  haben,  dass  Scipio  Nasica,  obwohl 
er  Privatmann  gewesen  war,  mit  Recht  die  Waffen  gegen  Tiberius  er- 
griffen habe  (Cic.  de  domo  91,  pro  Plancio  88,  vgl.  de  orcU.  II  285).  Das 
bedeutete  eine  Verurteilung  der  eignen  Haltung  an  jenem  bedeutungs- 
vollen Tage  auf  dem  Kapitol  und  ein  jämmerliches  Zukreuzekriechen  vor 
den  optimatischen  Heisssi)omen.  Als  die  eignen  Parteigenossen  so  den 
Tiberius  verleugneten,  konnte  Scipio  Africanus  mit  seinem  Ausspruch 
iure  caesum  esse  offen  Stellung  nehmen.  Alle  diese  Männer  thaten 
schliesslich  dasselbe  wie  früher  Laelius:  sie  wurden  der  Sache  der 
Gracchen  untreu,  weil  sie  die  Reform  nicht  durch  eine  Revolution  her- 
beigeführt Wissen  wollten.  Das  Interesse  an  diesen  Abtrünnigen  war 
offenbar  bei  Fannius  ein  ganz  besonders  grosses,  weil  er  selbst  später 
von  Gaius  aus  ähnlichen  Motiven  sich  abgewandt  hatte.  Wir  dürfen 
daher  in  den  zerstreuten  Angaben  in  besagter  Richtung,  zumal  sie  uns 
meist  durch  Cicero  erhalten  sind,  Reste  von  Fannius*  Annalen  erblicken. 
Die  Rede  des  Metellus  Macedonicus  gegen  Tiberius  und  die  des  Africanus, 
in  der  er  jenen  vernichtenden  Ausspruch  über  Tiberius  gethan  hatte, 
waren  so  gut  wie  seine  eigne  Rede  de  sodis  et  nomine  Latino  gegen 
Gaius  w^ohl  besonders  eingehend  in  dem  Gescliichtswerk  skizziert.  Über- 
haupt waren  hier  das  Koteriewesen  der  Zeit,  die  politischen  und  persön- 
lichen Gegensätze  der  einzelnen  und  der  Familien,  die  daraus  sich  er- 
gebenden Parteiverhältnisse,  die  Verschiebungen  in  die>ser  Richtung  sehr 
ins  Einzelne  gehend  dargestellt,  die  Verhandlungen  im  Senat  und  vor  dem 
Volke  waren  in  Rede  und  Gegenrede  vorgeführt.  Davon  haben  wir  bei 
Cicero  und  Plutarch  noch  einen  Niedei-schlag.^)  Gerade  für  Biographien- 
schreiber war  das  Werk  somit  eine  Fundgrube. 

Was  endlich  das  Verhältnis  unseres  Historikers  zu  den  beiden 
Gracchen  selbst  betrifft,  so  ergeben  die  Quellen  unserer  Gnippe  noch 
ein  paar  interessante  Fingerzeige.  Es  ist  bekannt,  dass  dem  Tiberius 
Gracchus  vorgeworfen  wurde,  er  habe  nach  der  Kimigsherrschaft  gestrebt. 
Der  Vorwurf  ist  alt,  und  zwar  ist  er  nach  der  Absetzung  des  Octavius 
innerhalb  der  Optimatenpartei  laut  geworden.  In  der  Senatssitzung,  die 
sich  mit  Tiberius'  Antrag  bezüglich  der  attalischen  Erbschaft  beschäftigte 
(riut.  Tl.  M),  hat  Q.  Pompejus  das  Märchen  aufgetischt,  er  als  Nachbar 

1)  Nitzsch,  Gracchen  S.  447:  In  beiden  LebcnsbeschrcibuDgeu  giebt  er  (Phitarch) 
über  die  Verhandlungen  in  der  Curie  ein  reicheres  Detail  als  Appian. 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzcit  S3 

des  Tiberius  wisse,  dass  der  Pergamener  Eudemos  diesem  Diadem  und 
Purpur  überbraclit  habe,  itg  fikllovri  ßaadniHv  iv  '-PnJ/ij;,  und  Metellus 
Macedonicus  macht  es  dem  Tribunen  wenigstens  zum  Vorwurf,  dass  er 
sich  mit  einer  Art  Leibwache  aus  den  schlechtesten  Elementen  der 
Bürgerschaft  umgebe.  Bei  der  Schlusskatastrophe  wird  ihm  ein  Zeichen, 
das  er  giebt,  indem  er  mit  der  Hand  nach  dem  Kopf  greift,  so  angelegt, 
als  fordere  er  das  Diadem.  Da*s  war  —  darin  hat  Meyer  (26.  1)  unstreitig 
recht  —  die  Optimaten -Version  von  dem  ersten  Moment  an.  Es  ist  die 
alte  Taktik  der  römischen  Aristokraten,  die  gegen  alle  Unbotmässige  aus 
ihren  Reihen  angewendet  wurde,  ^)  denselben  das  Streben  nach  dem  ver- 
fehmten  Titel  eines  rex  anzuheften,  um  sie  dann  mit  Fug  und  Eecht  aus 
der  Welt  zu  schaffen.  An  drei  Stellen  (bei  Pseudo- Victor  64,  Florus  II  2. 7, 
Plut.  Tl.  19)  ist  die  Sache  überliefert  und  zwar  jedesmal  in  der  Version, 
dass  das  Zeichen  in  Wirklichkeit  dazu  dienen  sollte,  seinen  Anhängern, 
die  er  nicht  mehr  mit  der  Stimme  erreichen  konnte,  anzudeuten,  dass  er 
sich  in  Gefahr  befinde  (nach  Appian  I  15  war  es  verabredet),  und  dass 
die  Gegner  ihm  erst  den  weitergehenden  Sinn  unterschoben.  Die  Über- 
einstimmung der  drei  späten  Schriftsteller 2)  deutet  darauf  hin,  dass 
beide  Erklärungen  schon  in  der  Urquelle  standen:  also  hat  Fannius 
wohl  die  Optimaten -Version  erwähnt,  sie  aber  als  das,  was  sie  war, 
charakterisiert.**)  Dazu  stimmt  es,  wenn  Sallust  Jtig.  31.  7  sagt:  occüo 
Tt,  Oraccho^  quem  regnum  parare  aiebant  (sc.  optimates),  während 
Cicero  den  Laelius  {Lael,  40)  ohne  Weiteres  den  Optimatenstandpunkt 
vertreten  lässt:  Ti.  Gracchus  regnum  occupaie  conatus  est  vel  regnavit  ü 
2)auf'os  menses.  Da  der  Ausspruch  des  Africanus  in  der  breiteren  Form, 
wie  ihn  Velleius  bietet,  si  ts  occupandae  re%p\d)livae  animum  habuisset,  iure 
caesum,  im  Vordersatz  ebenfalls  schon  auf  diese  Version  Bezug  nimmt, 
so  sieht  man,  wie  schnell  die  Darstellung  der  Optimaten  gesiegt  hat.*) 

1)  Später  auch  gcgeuüber  Caesar,  vgl.  meine  Arbeit  über  Asinius  PoUio,  Jbb.  f. 
dass,  Phil.  22.  Suppl.-Bd.  S.  607f. 

2)  Dit;  ÜbereinstiinmuDg  von  Pseudo -Victor  und  Florus  ist  schon  beobachtet 
wordi'u  von  Spengel,  S.-Ber.  d.  Münch.  Ahid,  1863  S.  317,  die  der  drei  Stellen  von 
H.  Haupt,  De  auctoris  de  tfiris  iü.  Ultra  quaest.  hist.  S.  23  f. 

3)  Ich  stimme  also  nicht  vollkommen  mit  Ed.  Meyer  (26.  1)  überein,  der  die  Geste 
für  eine  symbolische,  nicht  historische  Handlung  hält,  erfunden,  um  die  Beschuldigung, 
dass  Tiberius  nach  der  Krone  gestrebt  habe,  zu  verkörpern.  Mir  ist  entscheidend,  dass 
nicht  nur  die  auf  Fannius  zurückgehende  Gruppe,  sondern  auch  Appian  (I  15)  das 
Zeichen  erwähnt,  und  zwar  letzterer,  ohne  die  Optimaten -Version  beizufügen. 

4)  Inten^ssant  ist  der  Bericht  bei  Plutarch  (Apophth.  Scip.  22.  23),  wonach  die 
Gracchaner  den  Vorwurf  zurückgaben  und  den  Africanus  als  Tyrann  bezeichneten,  der 
getütet  werden  müsse  (Meyer  S.  26.  2).  Da  Fannius,  wie  früher  (S.  10 f.)  gezeigt  wurde, 
an  einen  gewaltsamen  Tod  des  Africanus,  und  zwar  wahrscheinlich  von  Seiten  der  Ver- 
wandten, glaubte,  so  scheint  er  die  Dinge  so  dargestellt  zu  haben,  dass  die  gracchische 
Familie  mit  der  nächtlichen  Beseitigung  des  „Tyrannen"  Africanus  die  Antwort  gegeben 
habe  auf  die  Mordszene  auf  dem  Kapitol,  die  die  Optimat<;n  als  die  Abwendung  der 
Königsherrschaft  feierten,  eine  Auffassung,  mit  der  sich  Scipio  Africanus  seit  jenem 
Ausspruch  zu  identifizieren  schien. 

£.  Kornemann,  Zar  Geschichte  der  Oracchenzeit.  3 


34  E.  Kornemannr 

Bei  Poseidonios  (Diodor  34/5  33. 6)  wird  Gracchus  beim  Versuch,  sich  der 
Tyrannis  zu  bemächtigen,  von  Nasica  persönlich  erschlagen.  Hier  sieht 
man  sehr  deutlich,  wie  gewaltig  die  Darstellung  des  Fannius  der  opti- 
matischen  Tendenzen  dienenden  Erzählung  des  griechischen  Stoikers  über- 
legen war.  Auffallend  ist,  dass  bei  Velleius  (IL  6.  2)  als  zweites  Motiv 
des  C.  Gracchus  für  die  Bewerbung  um  das  Tribunat  das  Streben  nach 
königlicher  Macht,  wie  der  Bruder  sie  gehabt  hatte,  genannt  und  dem- 
entsprechend ebda.  §  4  Fulvius  Flaccus  als  aocius  regalia  poterUiae  (Livius 
Ejj,  61  dagegen  nur  aocius  eiusdem  furoris)  bezeichnet  wird.  Die  übrigen 
Quellen  geben  dieses  Motiv  nicht,  nur  könnte  man  darauf  hinweisen, 
dass  der  Ausdruck  fiovagxi^xrj  ng  laxvs,  den  Plutarch  (G  Or.  6)  für  die 
Stellung  des  Gaius  auf  dem  Gipfel  seiner  Macht  gebraucht,  mit  regalü 
potentia  sich  vollkommen  deckt.  Aber  er  ist  bei  Plutarch  in  anderem 
Zusammenhang  gebraucht  (über  die  Fassung  vgl.  unten  S.  42  Anm.  1). 
Wenn  Fannius  hier  auch  die  Quelle  ist,  wird  man  sagen  können,  dass  das 
Streben  nach  königlicher  Macht  noch  nicht  Streben  nach  der  Königs- 
krone ist ;  man  wird  auch  weiter  in  Betracht  ziehen  müssen,  dass  offenbar 
Gaius,  so  hoch  er  auch  in  Bezug  auf  seine  Geistesgaben  in  der  Quelle 
über  den  Bruder  gestellt  worden  war,  als  Politiker  eine  härtere  Be- 
urteilung erfährt  als  Tiberius.  Während  Tiberius  ursprünglich  die  besten 
Absichten  hatte  (Vell.  II  2.  2:  propoaito  sancHsaimus  ^  dazu  Appian  I  17: 
ägiarov  ßovXii^avoq  Hvexa),  war  Gaius'  Streben  von  vornherein  auf  die 
Gewinnung  einer  monarchischen  Stellung  gerichtet.  Da  er  leidenschaft- 
licher war  als  der  Bruder,  zeigte  er  sich  auch  rücksichtsloser  gegen  die 
Menschen,  radikaler  in  seinen  Entwürfen.  Gleich  sein  erstes  Gesetz,  die 
lex  frumentaria^^)  hat  offenbar  eine  scharfe  Kritik  bei  unserem  Historiker 
erfahren,  die  an  die  Reden  der  Opposition  anknüpfte.  Sie  tritt  für  uns 
zu  Tage  bei  Cicero  {pro  Seatio  103  und  140,  dazu  Schol  Bob.  p.  300.  303, 
de  off,  n  72,  Tusc.  11148),  dessen  Bemerkungen  den  Stempel  fannia- 
nischen  Ursprungs  an  der  Stirn  tragen  durch  den  Hinweis  auf  die  Reden 
des  Gracchus  bei  dieser  Gelegenheit  (auch  pro  Fonteio  39)  und  das  inter- 
ressante  Detail  (vgl.  TWc.  HI  48  die  Szene  mit  dem  Konsular  Piso 
gelegentlich  der  ersten  Getreideverteilung  und  Ausspruch  desselben).  Vor 
allem  aber  das  Bundesgenossengesetz,  gegen  das  Fannius  selbt  als  Konsul 
aufgetreten  war,  muss  eine  ablehnende  Kritik  erfahren  haben.  In  den 
lateinischen  Quellen  und  bei  Plutarch  hören  wir  das  meiste  über  diese 
Sache.  Bei  Velleius  (II  2.  3)  hat  man  nichts  rechts  damit  anzufangen 
gewusst,  dass  schon  von  Tiberius  gesagt  wird:  j^olUcituaqtie  toti  Italiae 
civücUem,')  Nun  wissen  wir  aber,  dass  der  ältere  Gracchus  bereits  eine 
ganze  Anzahl  Gesetze  plante,  die  erst  sein  Bruder  durchführte  (Plut. 
Ti.  16,  Dio  fragm.  83.  7,   Boissevain  I  p.  328);   an  diese   glauben  die 

1)  Über  die  Chronologie  vgl.  den  2.  Abschnitt  S.  43. 

2)  Herzog  (Geschichte  und  System  I  449.  1)  nennt  das  eine  Phrase,  die  als  Zeugnis 
nicht  in  Betracht  kommen  könne. 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzeit.  35 

Neueren  zumeist.')  Es  ist  daher  eine  Inkonsequenz,  jene  velleianische 
Notiz  so  ohne  Weiteres  zu  verwerfen.-)  Sie  gewinnt  an  Wert,  wenn 
man  die  Beobachtung  dazu  nimmt,  dass  bei  Velleius  gelegentlich  der 
Darstellung  der  Gesetzgebung  des  Gaius  das  Bundesgenossengesetz  des- 
selben, das  bei  chronologischer  Beihenfolge  ans  Ende  gehört  hätte,  an 
erster  Stelle  genannt  wird  (II  6.  2).  Die  Umkehrung  ist  erklärlich  aus 
einer  starken  Vordrängung  dieser  Materie  in  der  Quelle,  aus  der  ein  die 
Vorlage  sehr  zusammenziehender  Excerptor  die  Gesetze  und  Gesetz- 
entwürfe nach  ihrer  Bedeutung  auszog  und  zusammenstellte.  Die  Reich- 
haltigkeit der  Quelle  in  dieser  Beziehung  erhellt  nun  auch  aus  Cicero. 
Bei  ihm  ist  die  Ermordung  des  Africanus  durch  sein  Eintreten  zu 
Gunsten  der  Latiner  und  Bundesgenossen  motiviert:  Laeliua  12,  de  rep, 
I  31,  III  41,  VI  12,  Schol  Bob,  in  Cic.  pro  Mil  p.  283  Or.  Über  die  lex 
Junta  de  peregrinis  des  Volkstribunen  Pennus  sind  wir  nur  durch  Cic. 
de  off.  in  47,  Brutus  109  unterrichtet  (dazu  noch  das  Fragment  aus  der  Rede 
des  Gaius  Gracchus  de  lege  Penni  et  peregrinis  bei  Festus  p.  286  M.  p.  402 
De  Ponor).  Den  besten  Bericht  über  den  Gesetzesvorschlag  des  Fulvius 
Flaccus  im  J.  629/125  haben  wir  bei  Valerius  Maximus  IX  5.  1  (geringer 
App.  I  21 :  Herzog,  Gesch.  u.  System  I  462. 1,  besser  App.  1 34).  Dass  es  sich 
um  zwei  Anträge  des  Gaius  in  der  Bundesgenossenfrage  handelt,'^)  erfahren 
wir  allein  aus  Plutarch.  Femer  haben  var  schon  gesehen,  dass  die  Mass- 
nahmen der  Optimaten,  wenn  sie  über  das  Ziel  hinausschiessen,  bei  Plutarch 
geradeso  rücksichtslos  verurteilt  werden,  wie  anderswo  die  gracchischen 
Anträge.  Ähnlich  wird  die  lex  Junia  von  628/126,  die  bekanntlich  ebenfalls 
die  Ausweisung  der  Peregiinen  aus  Rom  bezweckte,  bei  Cicero  kritisiert 
(de  off,  III  47):  Male  etiam,  qui  peregrinos  urbibus  uti  prokibent  cosque 
exierminant  ut  Pennus  apud  patres  nostros,  und  gleich  darnach :  usu  vero 
urbis  prohibere  peregrinos  sane  inhumanum  est.  Ungemein  schärfer 
aber  ist  die  Tonart  gegenüber  den  Gesetzen  der  Gegner.  Hei  Val. 
Max.  (IX  5.  1)  ist  von  pemiciosissimae  rei  publicae  leges  die  Rede, 
und  dazu  passt  die  eminent  abfällige  Art,  in  der  Fulvius  Flaccus  bei 
Plutarch  C,  Gracchus  10  kritisiert  wird:  ftv  öi  &ogvßviörjg  xai  fiiöoi* 
puvoq  iiiv  ino  rrj^  ßovXtj^  ävjixgvg,  vnonrog  öi  xai  rols  äkkoig^  wg 
rä  avfifiaxi'Xa  dtaxivwv  xai  nago^vvwv  xgvfpa  rovg'ItaXiW' 
rag  ngog  änoaraaiv.  Hier  wii'd  deutlich  gesagt,  dass  Flaccus  über 
den  Kreis  der  Senatspartei  hinaus  verdächtig  war  wegen  seiner  Stellung 
zum  Bundesgenossenproblem.  Wir  erkennen  einen  Autor  —  und  das 
passt  ganz  ausgezeichnet  zu  Fannius  — ,  welcher  in  der  Hereinziehung 
der  Latini  und  socii  in  die  Bewegung  den  aHergrössten  Schaden  für  die 
an  und  für  sich  lobenswerte  Reformthätigkeit  erblickte.    Und  zwar  hat 

1)  K.  Klimke,  Beiträge  zur  Gesch.  der  Gracchen^  Gymn.-Progr.  von  Sagan  1892 
S.  12,  Meyor  S.  18.  2. 

2)  A.  Kiene,  Der  röm,  Bundesgenossenkrieg  S.  123,  thut  da«  aUcin  nicht. 

3)  Darüber  Abschnitt  II  S.  45. 

8* 


36  E,  Korncmanny 

nach  diesem  Autor  die  Gracchenpartei  von  vornherein  die  Bundes- 
genossenfrage mit  dem  Agrarproblera  verquickt.  Der  erste  und  einzige, 
der  dagegen  den  Rechtsstandpunkt  der  sodi  konsequent  vertrat,  Scipio 
Africanus  (vgl.  Schol  Bob.  p.  283  Or.:  cum  Laimorum  causam  aocietatia 
iure  contra  G.  Gracchum  triumvirum  eiusque  collegaa  perseveranter 
defensurus  esset  etc.),  ist  darüber  zu  Grunde  gegangen.  Der  Tod  dieses 
seltenen  Mannes  hätte  davor  warnen  müssen,  auf  der  einmal  beschrittenen 
Bahn  weiterzugehen.  Aber  statt  dessen  wurde  die  Bewegung  noch 
radikaler  und  es  wurde  auf  beiden  Seiten  gesündigt:  die  Optimalen 
schössen  mit  der  lex  Junta  des  Pennus  weit  über  das  Ziel  hinaus,  aber 
noch  verderblicher  war  das  Bundesgenossengesetz  des  Flaccus  von  629/125. 
Es  wurde  noch  glücklich  zu  Fall  gebracht,  aber  dass  auch  die  zweite 
Gracchenbewegung  wieder  in  das  falsche  Fahrwasser  geriet,  daran  war 
dieser  Mann  schuld,  der  allgemein  im  Gerüche  geheimer  Konspiration  mit 
den  Italikem  stand.  Durch  ihn  kam  C.  Gracchus  in  einen  ähnlichen  Ver- 
dacht und  wurde  nach  der  Rückkehr  aus  Sardinien  angeklagt,  bei  der 
Verschwörung  von  Fregellae  beteiligt  gewesen  zu  sein  (Plut.  C.  Chr.  3  Auf.). 
Hiervon  befreite  sich  der  kommende  Mann  noch  glücklicherweise,  aber 
Flaccus  blieb  sein  böser  Geist,  der  die  meiste  Schuld  an  der  Katastrophe 
von  633/121  hatte, ^)  insofern  er  mit  Gracchus  zusammen  die  Sache  der 
Bundesgenossen  wieder  in  den  Vordergrund  rückte :  daran  ist  C.  Gracchus 
gescheitert. 

Während  also  in  der  bei  Appian  zu  Tage  tretenden  Quelle  die 
ganze  Entwickelung  vom  spezifisch-italischen  Standpunkt  be- 
trachtet wird  und  zwar  letzthin  formuliert  von  einem  Mann,  der  nach 
dem  Bundesgenossenkrieg  von  91 — 89  gelebt  hat,  haben  wir  bei  Fannius 
den  diametral  entgegengesetzten,  einen  durchaus  antiitalischen, 
nationalrömischen  Standpunkt.  In  diesem  Punkte  war  und 
blieb  Fannius  der  engherzigste  Aristokrat,  der  jenen  Gedanken  seiner 
Rede  de  sociis  et  nomine  Latino,  mit  dem  er  auf  die  niedrigsten  Triebe 
der  Massen,  vor  allem  den  Egoismus,  spekulierte  (s.  oben  S.  21),  auch  in 
seinem  Geschichtswerk  zum  Ausdruck  brachte.  Hier  allein  schauen  wir 
in  die  Denkweise  der  leitenden  Männer  vor  den  Ereignissen  von  91 — 89 
hinein. 

Und  was  Fannius  uns  giebt,  es  war  schliesslich  nichts  anderes  als 
die  Anschauung  der  Scipionengruppe.  Soviel  näher  er  auch  sonst  den 
Gracchen  stand,  in  diesem  einen  Punkt  befindet  er  sich  vollkommen  auf 
jener  Seite.   Der  vir  sapiens  Ijaelius  ist  in  letzter  Linie  doch  auch  das  Ideal 


1)  Das  ist  der  Standpunkt  dos  Flutarch  im  Leben  des  C.  Gracchus.  Man  miss- 
verstehe micli  aber  nicht:  ich  bin  weit  davon  entfernt,  alles,  was  hier  über  Flaccus 
steht,  der  Urquelle  zuzuschieben.  Es  liegt  hier  eine  lange  Entwickelung  der  bio- 
graphischen Litteratur  vor  (darüber  unten  S.  41),  durch  welche  unter  dem  Einfluss  der 
Schulrhetorik  die  in  der  Originalquelle  vorhandenen  Tendenzen  weitergesponnen  sind, 
vgl.  Schwartz  S.  810  f. 


Zur  Geschichte  der  Gracchemeit.  37 

dieses  den  Gracclieii  solange  treu  gebliebenen  Stoikers.  Aber  himmelweit 
ist  dieses  Werk  aus  den  Kreisen  der  römischen  Stoa  verschieden  von 
demjenigen  des  griechischen  Stoikers  Poseidonios.  Kd.  Meyer  behauptet: 
„es  ist  der  Standpunkt  des  Polybios,  den  wir  bei  Poseidonios  voraus- 
setzen müssen".  „Aber,"  fügt  Schwartz  (798)  mit  Recht  dazu,  „es  klafft 
ein  tiefer  Untei-schied  zwischen  der  mit  scharfen  Angriffen  auf  die  ent- 
artete Aristokratie  gepaarten  Verurteilung  der  Revolution  bei  Polybios 
und  Panaetios  und  den  Hymnen,  die  ihr  Nac.hfolger  Männern  wie  Popillius 
und  Nasica  singt".  „Infolge  der  politischen  Knt^vickelung  ist  die  Stoa, 
ich  kann  nicht  andei-s  sagen  als  degradiert  zur  Schleppenträgerin  einer 
unrettbar  verlorenen  Oligarchie."  Das  gilt  aber  nur  von  der  griechischen 
Stoa.  Wie  diese  über  ihre  Vorgänger  nach  der  oligarchischen  Seite 
hinaus  geht,  so  die  römische,  wie  sie  Fannius  vertritt,  nach  der  demo- 
kratischen. Beide  treffen  sich  in  der  Verehrung  des  Scipio  Aemilianus 
und  Laelius.  Eine  dritte  Richtung  endlich  vertritt,  nebenbei  bemerkt, 
der  cumäische  Stoiker  0.  Blossius,  der  Freund  des  Ti.  Gracchus:  er  steht 
als  Italiker  vollkommen  auf  dem  Boden  der  Reform.  Wir  sehen,  der  Unter- 
schied gegen  die  vorherige  Generation  beruht  darauf,  dass  das  stoische  Be- 
kenntnis nunmehr  mit  jeder  politischen  Überzeugung  vereinbar  ist.  Auch 
unter  diesem  Gesichtswinkel  sehen  wir  aber  den  Fannius,  der  auf  einer  mitt- 
leren Linie  wandelt,  unstreitig  den  Idealen  eines  Panaetios  und  Polybios 
näher  stehen  als  Poseidonis  oder  Blossius.  Und  von  hier  aus  wird  es  erst  voll 
und  ganz  begreiflich,  wie  Cicero  dazu  kam,  aus  diesem  Annalenwerk  sein 
historisches  Wissen  zu  schöpfen.  Ihn,  den  begeisterten  Verehrer  des 
Scipio  Aemilianus,  des  letzten  Vertreters  einer  grösseren  Zeit,  musste  die 
Wanne,  mit  der  dessen  Pers(*mlichkeit  in  dem  vorliegenden  Werk  ge- 
schildert war,  berücken,  wie  andererseits  die  Masse  urkundlichen  Ma- 
terials, namentlich  inbezug  auf  Reden  und  Aussprüche,  den  Rlietor 
anzog.  So  kommt  bei  Cicero  neben  seinem  eignen  strengen  Optimaten- 
standpunkt,^)  namentlich  da,  wo  er  historisch  spricht,  mehrfach  eine 
milde,  ja  eine  lobende  Auffassung  von  den  Grac^^hen  zum  Worte,  die  in 
merkwürdigem  Kontraste  zu  jener  anderen  steht  und,  soweit  nicht  die 
Rhetorik  oder  die  Rabulistik  mitgewirkt  haben,  auf  Kosten  der  Quelle 
zu  setzen  ist.')  Wenn  umgekehrt  Sallust  nicht  einseitig  die  (^racchen 
lobt,  sondern  Dinge  sagt  wie  etwa  Jug.  42.  2 :  et  sane  Gracchis  cupidine 
victoriae  haud  satis  moderatus  am'mus  fuä,  SO  kommt  auch  darin  deutlich 
noch  das  Streben  der  Urquelle  nach  vcritas  zum  Ausdruck. 

III.    Die  Frage  uach  den  Mittelqaelleii. 

Von  den  Mittelquellen  zu  reden,  habe  ich  bis  jetzt  absichtlich  ver- 
mieden. Nunmehr  behaupte  ich:  Keine  der  betrachteten  späteren 

V  Vgl.  Ncuinann  I  S.  195. 
•J")  Ncuinann,  ebda.  S.  196  f. 


38  E.  Korncmann, 

Quellen  hat  das  Werk  des  Fannius  direkt  benutzt,   nicht 
einmal  Cicero.    Die  Beweise  hierfür  sind: 

a)  die  Unkenntnis  Ciceros  bezüglich  der  Persönlichkeit  des  Autors; 

b)  die  Berufung  auf  die  Epitome  des  Brutus  in  einer  wichtigen 
Controverse,  bei  der  die  Heranziehung  des  Originals  entscheidend  sein 
konnte;^) 

c)  die  Urteile  über  die  Diktion  des  Fannius  (de  leg.  16,  Brutus 
101.  118),  die  sich  durch  ihre,  wenn  auch  geringe,  Abweichung  von  ein- 
ander als  von  anderswoher  übernommen  verraten.  Cicero  und  seine 
Zeitgenossen  lasen  als  Angehörige  einer  rhetorisierenden  Litteraturepoche 
nicht  mehr  die  schmucklosen  Annalen  der  älteren  Zeit:  diese  waren  — 
nicht  wegen  ihres  Inhialts,  sondern  wegen  ihrer  Form  —  unmodern  ge- 
Avorden.  Eine  Ausnahme  machte,  wie  es  scheint,  nur  Cato,  aber  selbst 
von  diesem  sagt  Cicero  {Brutus  65.  66):  Catonem  ve^-o  quis  nostrarum 
oratorum^  qui  quidem  nunc  sunt,  legit?  aut  quis  novä  omnino?  ....  Jam 
vero  Origines  eius  quem  florem  et  quod  lumen  ehquentiae  non  haient?  Ama- 
tores  huic  desunt,  sicuti  muüis  iam  ante  saeculis  et  Phüisto  Syracusto  et 
ipsi  Thucydidi.  Diese  und  ähnliche^)  Worte  zeigen  am  besten,  wie  die 
ciceronianische  Periode  eine  Zeit  der  „Moderne"  war,  wie  schnell  das 
Alte,  sogar  wenn  es  als  ersten  Ranges  galt,  vergessen  wurde.  Dasselbe 
wird  durch  die  Thatsache  bewiesen,  dass  M.  Junius  Brutus  nicht  nur  aus 
Fannius,  sondern  auch  aus  dem  stilistisch  diesem  überlegenen  Coelius 
Antipater,  endlich  gar  aus  Polybios  Auszüge  fertigte.^)  Ganz  anders 
war  das  noch  in  der  suUanischen  Zeit  gewesen:  da  las  man  noch  die 
Originalwerke  der  vorhergehenden  Generationen. 

Wenn  wir  nun  fragen,  wer  hat  dem  Cicero  die  Fanniuscitate  und 
wesentliche  Teile  aus  dessen  Werk  übermittelt,  so  ist  meiner  Ansicht 
nach  die  Brutusepitome  als  die  allgemeine  Grundlage  für  C-icero  aus  dem 
Spiel  zu  lassen.  Brutus  ist  erst  etwa  675/79  oder  676/78  geboren.*) 
Selbst  wenn  es  sich  daher  bei  der  Epitome  um  eine  Jugendarbeit  han- 
delt*) —  was  aber  immerhin  nur  eine  durch  nichts  gerechtfertigte  Ver- 
mutung ist  — ,  so  ist  es  doch  noch  unmöglich,  dass  Cicero  in  seinen 
früheren  Reden  aus  dieser  Quelle  schöpfen  konnte. 

Ebenso  liegt  es  bei  der  Annahme,  dass  der  Über  Annalis  seines 
Freundes  Atticus  die  Vermittelung  geboten  hätte,  da  dieses  Werk  erst 
durch  die  Schrift  de  repvblica  (begonnen  700/54)^)  angeregt  wurde  und 


1)  Dass  Hirschfeld  llecht  hat,  wenn  er  sagt  {Wien.  Stud.  VI  1884,  128):  „Brutus 
et  Fannius^^  (in  dem  Briefe  ad  AU.  XII  5.  3)  „ist  sicher  nur  scherzhaft  zu  verstehen 
für  Bruti  ej)itoma  Fannianorum^^j  zeigt  deutlich  die  Voranstellung  des  Brutus. 

2)  Z.  B.  Brutus  106  heisst  es  von  dein  Annalisten  Piso:  isque  et  orationes  reliquit, 
quae  iam  evanueruntf  et  annales  sane  exiliter  scriptos. 

3)  Schanz,  Mm.  Litt.-Gesch.  I«  S.  242. 

4)  Teuffel-Schwabe  I*  S.  429. 

5)  Ebda.  S.  430. 

6)  Schanz  1*  S.  309f. 


Zur  Geschichte  der  GraccJwnacif.  39 

zwischen  dieser  Zeit  und  dem  Jahre  708/46  erst  entstAnd.')  In  den 
jüngeren  Werken  liat  (Scero  nachweislich  dieses  Buch  seines  in  histo- 
rischen Fragen  offenbar  äusserst  versierten  Freundes  (vgl.  Brutus  72—74) 
benutzt.  Aber  dass  er  die  Annalen  des  Fannius  durch  ihn  erst  kennen 
lernte,  dagegen  spricht  schon  die  ganze  Anlage  des  Buches. 

Vielmehr  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  Cicero  in  dem  vielfach 
herangezogenen  Brief  (ad.  Ate,  XII  5.  3)  auch  den  Hortensius  zitiert-) 
und  ihn  ausdrücklich  einen  bonv^  auctor  nennt.  Es  handelt  sich  um  den 
bekannten  Redner  und  Ciceros  älteren  Zeitgenossen  Q.  Hortensius 
Hortalus  (640/114—704/50),  welcher  auch  Annalen  geschrieben  hatte 
(Vell.  n  16.  3).  Dieselben  umfassten  nachweislich  noch  den  Bundes- 
genossenkrieg (Vell.  a.  a.  0.),  sind  also  frühestens  in  der  Zeit  der  sulla- 
nischen  Herrschaft  verfasst.  Da  nun  Cicero  (oratar  132)  sagt:  dicebat 
melius  quam  scripsä  Hortensius,  und  er  hierbei  wohl  auch  das  Annalen- 
werk  im  Auge  hat,  so  vermute  ich  in  letzterem  eine  Arbeit  aus  den 
jüngeren  Jahren  des  Hortensius  und  möchte  etwa  nicht  viel  unter  Sullas 
Tod  mit  der  Abfassung  herunter  gehen.  Dann  haben  wir  wohl  hier  das 
Annalenwerk  der  sullanischen  Zeit  vor  uns,  das  den  Fannius  dem  Cicero 
und  seinen  Zeitgenossen  vermittelte. 

Es  ist  eben  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass  auch  Velleius 
einmal  für  eine  Thatsache  des  Bundesgenossenkrieges  den  Hortensius 
zitiert.  Ich  ziehe  daraus  nicht  gleich  den  Schluss,  dass  Hortensius 
die  gemeinsame  direkte  Quelle  des  Cicero  und  Velleius  sei.  Mir  ist  es 
vielmehr  ziemlich  sicher,  dass  bei  Velleius  eine  biographisch  gestaltete 
Quelle  die  unmittelbare  Vorlage  bildet,-^)  und  dass  Velleius  an  jener 
Stelle  nur  ausnahmsweise  aus  Interesse  für  die  Geschichte  seiner  Familie 
zu  der  Originalquelle  gegriffen  hat.  Es  bleibt  also  höchstens  die  An- 
nahme, dass  auch  hier  möglicherweise  Hortensius  der  Übennittler  des 
Fannius  war,  nur  nicht  direkt  wie  bei  Cicero,  sondern  durch  eine  Schrift 
de  vfris  älustribus  hindurch. 


1)  Schanz,  ebda.  I«  S.  201,  Unger,  Fleckeis.  Jbb,  1891  S.  644 f.:  707/47. 

2)  Dass  das  ein  Zitat  ist  und  keine  mündliche  Mitteilung  (ego  tarnen  de  bono 
anctore^  Jlortensio,  sie  acceperam)  beweisen  die  folgenden  Worte:  hunc  iffitur  locum 
expedtes.  Bei  Teuffei- Schwabe  I"^  303.3  werden  die  Stelleu  ad  Att.  XIII  32.  3  ex 
Jlortensio  au  di  er  am  und  XI II  33.  3  non  fernere  dixit  Hortensius  zum  Vergleich 
herangezogen.  Dazu  kommt  noch  XIII  30.  3:  videor  audisse  ex  Jlortensio  (alle  Briefe  sind 
aus  dem  Jahre  709/45).  Da  es  sieh  auch  hier  um  eine  geschichtliche  Thatsache  aus 
längst  vergangener  Zeit  (ob  nämlich  C.  Sempronius  Tuditanus  einer  der  10  mit 
Mummius  im  J.  608/146  in  Griechenland  thätig  gewesenen  Legaten  war)  handelt,  so 
vermute  ich  auch  hier  ein  Zitat,  welches  aber  Cicero  aus  dem  Gedächtnis  gekommen 
war.  Interessant  ist  auch  wieder  das  Lob  des  Hortensius  XIII  33.  3:  non  etiim  temere 
dixit  IL  Über  das  Jahrbuch  des  L.  Scribonius  Libo,  das  von  Cicero  hier  auch  zitiert 
wird,  vgl.  ünger,  Fleckeis.  Jbb.  f.  klass.  Phil.  1891  S.  644  ff. 

3)  Das  hat  meiner  Ansicht  nach  Burmeister,  De  fontibus  VeUei  Paterculi,  Halle 
1893  S.  21  ff.,  sehr  wahrscheinlich  gemacht. 


40  E.  Kormmann, 

Was  Plutarch  betrifft,  so  hat  ja  schon  Scliwartz  bezüglicli  desselben 
die  Auffassung  Meyers  erfolgreich  bekämpft  (S.  807  ff.).  Ich  glaube  aber 
nicht,  dass  Meyer  selbst  den  betreffenden  Abschnitt  heute  noch  so  schreiben 
würde,  seitdem  er  uns  nach  der  eingehenden  Analyse  der  Kimon- 
Biographie  die  ausgezeichnete  Erörterung  über  den  grundlegenden  Unter- 
schied zik\ischen  ßiog  und  htogiai.  der  Alten  beschert  hat  (Forschungen 
zur  alten  Geschichte  II  65 — 71).  Sätze  wie:  In  den  Biographien  „ist  nicht 
der  individuelle  Schriftsteller  die  Hauptsache,  durch  den  uns  zufällig  das 
Material  überliefert  ist,  sondern  die  biographische  Tradition,  aus  der  sie 
schöpfen,  und  die  sie  alle  nur  mehr  oder  weniger  selbständig  ausge- 
schrieben haben"  (S.  66),  oder:  ,,In  demselben  Sinne,  in  dem  wir  die  antike 
Chronographie  als  Einheit  betrachten  dürfen  und  müssen,  trotz  aller 
Diskrepanzen  zwischen  den  Forschern  im  einzelnen,  dürfen  imd  müssen 
wir  auch  von  der  antiken  Biographie  als  Einheit  reden"  (S.  67),  oder 
endlich:  „Biographie  ist  keine  Geschichte  und  darf  keine  Geschichte 
sein ;  die  grossen  historischen  Begebenheiten,  die  ihren  Helden  das  Recht 
geben,  eine  Biographie  zu  beanspruchen,  setzt  sie  vielmehr  voraus,  als 
dass  sie  sie  zu  erzählen  hätte"  (S.  70),  sind  von  hohem  methodischem 
Wert  und  dürfen  von  der  Quellenforschung  nicht  mehr  aus  dem  Auge  ge- 
lassen werden.  Zwischen  der  hellenistischen  und  der  römischen  Biogi-aphie 
besteht  in  dieser  Beziehung  kein  prinzipieller,  sondern  höchstens  ein 
gradueller  Unterschied.  Jene  ist  konzipiert  in  der  Blütezeit  der  alexan- 
drinischen  Gelehrsamkeit,  diese  erst  am  Ende  der  römisch-republikanischen 
oder  bei  den  jüngeren  Helden  sogar  erst  in  der  Kaiserzeit,  als  die  Wissen- 
schaft nicht  mehr  auf  der  Höhe  von  ehemals  stand.  So  ist  der  Gegen- 
satz von  Geschichte  und  Biographie  hier  nicht  ganz  so  scharf  mehr,  da 
einerseits  in  den  vitae  auch  stellenweise  Historiker  gi-össeren  Stils  ver- 
arbeitet sind,  und  andererseits  die  geschichtliche  Litteratur  der  Römer 
frühzeitig  einen  Stich  ins  Biographische  bekommt. 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  bedarf  es  keines  begründenden  Wortes 
weiter,  weshalb  ich  den  Nachweis  von  Schwartz  (S.  807),  dass  Plutarch 
in  den  beiden  eben  betrachteten  Biographien  keine  einzige  der  zitierten 
Primärquellen,  auch  nicht  die  Reden,  Pamphlete  etc.  eingesehen  habe,  un- 
bedingt zustimmen  muss.^)  Auch  bin  ich  mit  ihm  der  Ansicht,  dass  Livius 
von  Plutarch  direkt  nicht  in  grösserem  Umfange,  vielleicht  sogar  über- 
haupt nicht  benutzt  worden  ist. 

Erstrebenswert  ist  es,  den  Zeitpunkt  festzulegen,  wann  diese  Viten 
zum  ersten  Mal  konzipiert  wurden.  Dafür  erhalten  wir  einen  Fingerzeig 
in  der  Biographie  des  Tiberius  durch  das  Zitat  aiLs  Cornelius  Nepos  (c.  21). 
Im  Anschluss  daran  hat  Soltau'^)  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht,  dass 

1)  Auch  Gaius'  Schrift  ad  M.  Pomponium  ist  wohl  schon  von  Fannius  benutzt 
worden:  sie  begegnet  nur  bei  Cicero  (de  div,  I  36  und  II  62)  und  Plutarch  {Ti,  1  und  8). 

2)  Fkckeis.  Jbb.  für  Mass.  Phil  153,  1896,  S.  123  ff.  und  357  ff. 


Zur  Gcschkhie  der  Gracchcpiscit.  41 

dessen  LebenslK*schreniiiiigren  noch  nielirtaih  bei  Plutairh  benutzt  sind. 
Ich  \iill  darauf  nicht  näher  eingehen,  sondeni  nur  l)etonen,  dass,  wenn 
das  der  Fall  ist,  sicher  nicht  eine  direkte  Benutzung  seitens  des  Plutarch 
vorliegt.  Denn  Sciiwartz  hat  im  Gegensatz  zu  Meyer  mit  Recht  be- 
tont (810),  dass,  wenn  auch  manche  Vei-suche.  die  Gracchen  zu  ent- 
schuldigen, alt  sind  (wir  selbst  haben  solcht^  ol>en  S.  33  schon  für  Fannius 
statuiert),  doch  die  eigentlich  gi-obe  apohigetische  Tendenz,  wie  sie  bei 
Plutarch  zu  Tage  tritt,  das  Erzeugnis  der  Schulrhetorik  ist,  die  aus  den 
Gracchen  su  ziemlich  das  Gegenteil  von  dem  gemacht  hat,  was  sie  eigent- 
lich waren:  «Schwächlinge,  sentimentale,  von  ihivn  Fn^unden  gegängelte 
Jünglinge,  die  träumen  und,  wenn  der  Endkampf  herannaht,  zittenr.*) 
Schwartz  l>egeht  nur  den  Fehler,  dieses  rhetorische  Machwerk  nicht 
allzuweit  entfenit  von  der  Gracchenzeit  anzusetzen.  Ich  bin  im  (Gegen- 
satz zu  ihm  der  Ansicht,  dass  die  apologetischen  Farben  das  letzte 
sind,  was  auf  die  Zeichnung  aufgetragen  wunle.  Wenn  nun  diese  rhe- 
toris<*he  Vorlage  Plutarchs  schon  den  Cicero  (sielie  oben  S.  8>,  Cornelius 
Neiios,  und  ,in  geringem  Fnifange'  (Schwartz  ^>01>I  vielleicht  auch  den 
Livius  Ivenutzt  hat,  so  müssen  wir  sie  frühestens  in  die  spätaugustische 
Zeit  setzen,  wir  kommen  also  auf  alle  Fälle  mit  ihr  in  die  Kaiserzeit. 
Und  das  passt  zu  unserem  Nachweis,  dass  l>ei  Plutarch  meist  die  am 
weitesten  au.sgesi)onnene  Tradition  vorliegt.  Zwar  behaui»tet  Meyer  «S.  21), 
da,ss  in  der  Kaiserzeit  eine  Anschauung  geherrscht  habe,  welche  die 
Gracchen  als  die  Irlieber  des  hundertjährigen  Hürgerkriegs  un^l  des 
Untergangs  der  Republik  un])edingt  verdammt  habe.  Ich  halte  diese 
Behauptung  aber  für  falsch.  Man  lese  Seneca  ad  Hcln'am  XVI  G:  Si 
numergre  funera  Comeliae  velles,  amiserat  decem  (liberos) ;  st  nrstimarfy  ami- 
serat  Gracchos,  Flenfibus  tarnen  circa  sc  et  fatum  cius  e^rccrantt'/fus  inf<T' 
dCrit,  ne  fortunam  accusarcnt^  quae  sifn  fiUos  Gracchus  r/<//'m/Iv,v<'/.  Air  h<ic 
femina  delmit  nasci  qui  dicerct  in  concüme:  Tu  matri  tnaic  maltdicas  quae 
me  j>eper!t7  (dazu  Plut.  C.  Gracchus  A\  Wir  wis.<en  nun,  dass  Senecas 
Vater,  der  Rhetor,  ein  Gesehichtswerk:  histoiiae  ah  initio  Mhimm  ct'ciUum 
usque  ad  vwrtis  sune  diem  schrieb,  das  er  si»inem  Sohne  zur  Herausgabe 
überliess.-)  Wie  .so  viele  andere»  historische  Bemerkungen,**)  wird  also 
der  Sohn  auch  diese  aus  deui  Werk  des  Vaters  entnommen  haben,  das 
darnach  sicherlich  wohl  nicht  ein  ..unbedingt  verdammendes**  Urteil  üIkt 
die  Gracchen  fällte,  l'nter  der  juli.^ch-claudischen  l)yna.*itie  war  bekannt- 
lich eine  ungemein  lebhafte  stoisc]i-rei)ublikanische  Disposition  am  Werke, 
die  z.B.  den  Cato  Uticensis  geradezu  in  den  Himmel  erhob.«)  Sollen  in 
diesen  Kreisen   die  (Tracclien   verdammt   worden   sein?    Ich   glaube,  das 

Vi  So  auch  schon  H.  Petor,  (Quellen  Plutarchs  S.  9S. 

2)  Flonis  cd  0.  Kosübach  praef.  p.  LHI. 

3)  O.  Rossbach,  De  Setunw  phil.  librorum  rcccusioue  et  eme^Khitione  p.  171  >t|.. 
FloruB-Auspabe  pra»'f.  p.  LV. 

4)  Moinuisou,  liOm.  Gesch.  HI  "460. 


42  E,  Kornenianny 

gerade  Gegenteil  wird  das  Richtige  treffen.  Daraals,  vermute  ich,  ist  die 
direkte  Vorlage  des  Plutarch  entstanden,^)  wahrscheinlich  durch  einen 
griechisch  schreibenden  Rhetor,  der  noch  eine  griechische  Quelle,  diejenige, 
die  auch  Appian  benutzte,^)  in  die  ihm  vorliegenden  lateinischen  Bio- 
graphien verarbeitete. 

B. 
Zur  Chronologie. 

I.   Die  zeitliche  Folge  der  Gesetze  des  Gaius. 

In  allen  modernen  Darstellungen  der  Gracchenzeit  wird  es  wegen 
des  trümmerhaften  ZustAndes  der  Überlieferung  für  eine  Unmöglichkeit 
erklärt,  die  Reihenfolge  und  den  inneren  Zusammenhang  der  Gesetze  des 
Gaius,  bei  manchen  derselben  auch  den  Inhalt,  festzustellen.^)  Es  dürfte 
sich  daher  verlohnen, »auf  Grund  der  vorstehenden  Quellenunt^rsuchung 
das  Problem  von  neuem  anzufassen. 

Auch  in  dieser  Frage  steht  Appian  für  sich  auf  der  einen  Seite, 
auf  der  anderen  Livius,  Velleius  und  Plutarch,*)  aber  hier  mit  zahlreichen 
Diskrepanzen,  da  der  livianische  Bericht  durch  die  starke  Verkürzung 
gelitten  hat,  die  Biographie  dagegen  um  die  Chronologie  in  der  Regel 
sich  nicht  kümmert.    Ganz  allgemein  kann  man  den  Gegensatz  der  beiden 


1)  Hierher  passt  auch  die  C.  Gracchus  8  geäusserte  Vermutung  der  Leute,  dass 
Gaius  zugleich  um  das  Konsulat  und  das  Yolkstribunat  sich  zu  bewerben  gedenke. 
Das  ist  der  augustische  Principat  in  seiner  älteren  Form,  der  in  die  Vergangenheit 
projiziert  wird.  Auch  die  Fassung,  in  der  ebda.  c.  6  7on  der  monarchischen  Gewalt 
des  Gaius  gesprochen  wird,  erregt  Bedenken,  ob  hier  nicht  ein  Mann  der  Kaiserzeit 
rede  (iwvaQxiytri  tig  laxvs  iytydvti  ntQl  ai^br,  &ats  xai  triv  avy^tlrurov  &vi%iaQ'ai  aviL- 
ßovXfvovtog  ainov),  Soltau,  Fleckeis.  Jbb.  1896  S.  363  A.  18. 

2)  Ich  weiss  nicht,  wie  man  anders  die  wörtlichen  Übereinstimmungen  zwischen 
Plut.  und  Appian  (Meyer  S.  11.  1)  erklären  will.  Auf  das  Appian-Problem  gehe  ich 
diesmal  nicht  ein,  bemerke  aber,  dass  ich  an  der  wichtigen  lateinischen  Mittelquelle  aus 
der  augustischen  Zeit  (Asinius  PoUio?)  festhalte,  auf  die  die  im  Text  erwähnte  griechische 
Vorlage  des  Appian  zurückgeht.  Die  lateinische  Mittelquclle  hat  ihrerseits  offenbar 
mehrere  Primärquellcn  verarbeitet,  unter  anderen  den  Sempronius  Asellio  (fr.  7  = 
App.  I  14,  Meyer  26.  3,  Soltau,  Fleckeis.  Jahrb.  1896  S.  368)  und  wegen  der  nahen 
Berührung  mit  dem  Optimatcn-Bericht  bei  Diodor  in  manchen  Punkten  offenbar  auch 
die  Quelle  de^  Poseidonios.  So  ist  bei  Appian  eine  Darstellung  auf  uns  gekommen,  die 
zwischen  Diodor  (Poseidonios)  und  dem  Bericht  unserer  Gruppe  (Fannius)  in  der  Mitte 
steht,  die  dem  reinen  Aristokraten-Standpunkt  oft  nahe  kommt,  daneben  aber  auch 
ftir  die  Bestrebungen  der  Gracchen,  vor  allem  für  das  italische  Problem,  sehr  viel 
übrig  hat. 

3)  Nitzsch,  Gracchen  400  und  437 ff.,  Neumann  I  234,  Klimke  3,  Ihne  V  82, 
Mommsen,  Jiäm.  Gesch.  II*  114 f.,  Herzog,  Gesch.  u.  Syst.  I  445.  1,  463.2,  Niese, 
Grundriss  106.  3. 

4)  Das  hat  Nitzsch  richtig  erkannt,  vgl.  S.  448:  ,Im  Ganzen  steht  doch,  was  uns 
von  ihnen  (Livius  und  Velleius)  überkommen,  der  Darstellung  Plutarchs  viel  näher  als 
der  Appians.* 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzcit.  43 

Gruppen  so  fassen,  dass  bei  den  Lateinern  und  Plutarch  das  erste,  bei 
Appian  dagegen  das  zweite  Tribunal  das  an  Gesetzen  reichere  und  des- 
lialb  das  wichtigere  ist.^)  Wer  also  von  den  Modernen  den  Appian  be- 
vorzugt-, wie  z.  B.  Nitzsch  und  Herzog,-)  verlegt  den  Schwerpunkt  von 
Gaius'  politischer  Thätigkeit  ei-st  in  das  zweite  Tribunat. 

Als  gesichert  betrachten  darf  man  die  zeitliche  Stellung  von  vier 
Gesetzen,  über  die  ich  daher  ganz  schnell  hinweggehe. 

Begonnen  hat  Gaius  seine  politische  Thätigkeit  im  ersten  Tribunat 
mit  zwei  Gesetzen,  die  sich  gegen  bestimmte  Persönlichkeiten  richteten 
(Popillius  Laenas  und  Octavius)  und  für  die  Vergangenheit  Rache  üben 
sollten  (Übereinstimmung  von  Plut.  4  und  Diodor  34/5  25.  2.  26 ;  Meyer 
19.  4).  Unter  den  konstitutiven  Gesetzen  ist  anerkanntermassen  die 
lex  frumentaria  das  erste  Gesetz  des  ersten  Tribunats  (Übereinstinnnung 
von  App.  I  21  und  Livius  Ep,  60),  das  Bundesgenossengesetz  das  letzte 
des  zweiten  Tribunats,  Aveil  nachweislich  Gaius  an  diesem  Gesetz  seine 
Popularität  eingebüsst  hat. 

Das  sind  die  festen  Eckpunkte:  was  dazwischen  liegt,  ist  unsicher. 
Der  Schriftsteller,  von  dem  wir  ausgehen  müssen,  um  in  das  Chaos 
Ordnung  zu  bringen,  ist  Plutarch.  Dieser  Autor  hat  in  c.  5  eine  Auf- 
zählung der  hauptsächlichsten  Gesetze,  die  so  wenig  wie  diejenige  des 
Velleius  (II  6.  2  u.  3)  nach  chronologischen  Gesichtspunkten  geordnet  ist. 
Damit  ist  also  für  unseren  Zweck  nichts  anzufangen.  Dagegen  hat 
Plutarch,  wie  schon  Meyer  (19.  4)  bemerkt  hat,  für  das  zweite  Tribunat 
wenigstens  (von  c.  8  ab)  eine  zeitliche  Anordnung  der  Ereignisse.  Diese 
Darstellung  des  zweiten  Tribunates  nimmt  gar  keine  Rücksicht  auf  die  vor- 
hergehenden Kapitel,  die  nach  ganz  anderen,  nämlich  sachlichen,  GesichtiJ- 
punkten  angelegt  sind.  So  kommt  es,  dass  manche  (lesetze,  wie  das 
Kolonialgesetz  oder  das  Bundesgenossengesetz,  mehrmals  erwähnt  werden 
(Kolonien  c.  6  und  c.  8,  Bundesgenossengesetz  c.  5  und  c.  12).  Wir 
haben  den  Grund  für  diese  auffallende  Inkonzinnität  im  vorigen  Abschnitt 
aufgedeckt :  für  das  zweite  Tribunat  ist  in  die  Biographie  der  betreffende 
Abschnitt  der  Annalen  des  Fannius  vei-arbeitet.  Mit  Hilfe»,  der  auf 
Fannius  zurückgehenden  Kapitel  8 — 12  in  der  Gaiusvita  muss  demnach 
zunäclist  versuclit  werden,  die  Chronologie  der  Ereignisse  dt»s  zweiten 
Tribunates  festzulegen. 

Da  haben  wir  zunächst  eine  sehr  präzise  Zeitangäbe  in  c.  11,  dass 
nämlich  Gaius  70  Tage  lang  als  triumvir  colonme  deducendae  in  Karthago 
abwesend  war.  Die  Zeit  dieser  siebzigtägigen  Abwesenheit  lässt  sich 
einigermassen  genau  bestimmen.  Sie  lie^  nicht  nur  vor  den  Konsul- 
wahlen für  633/121  (Plut.  11  von  Opimius  während  der  Abwe^jenheit 
des  Gaius:    roxi  ök   noXXdv  ßofi&ovvroiv  iniäoiog   ?/v  vnaxiicuv),  d.  h. 


1)  Nitzsch  a.  a.  O.  S.  444  ff. 

2)  Nitzsch,  S.  400,  Herzog  I  S.  463.  2. 


44  E.  Kornemann, 

also  vor  dem  Spätherbst,*)  sondern  auch  vor  den  Tribunen walilen  (Plut. 
12),  d.  h.  vor  dem  Hochsommer,^)  und  zwar  einige  Zeit  voraus;  denn  es 
geschieht  noch  gar  manches  dazwischen,  vor  allem  der  Streit  um  das 
Bimdesgenossengesetz  entbrennt  (Plut.  a.  a.  0.).  Wir  dürfen  also  wohl  den 
Aufenthalt  des  Gaius  in  Karthago  etwa  in  die  Monate  März,  April  und 
Mai  632/122  setzen.  Nachher  fällt  nur  noch  die  Entscheidung  über  das 
bezw.  die  Bundesgenossengesetze  (siehe  unten  S.  45).  Das  Scheitern  dieser 
(lesetze  brachte  Gaius  nach  Plutarch  auch  um  das  dritte  Tribunat.  Seit 
dem  Durchfall  bei  den  Tribunen  wählen  für  G33/121  aber  war  der  Volks- 
tribun politisch  ein  toter  Mann.  Wichtiger  ist  jener  Aufenthalt  in  Afrika 
als  terminus  ante  quem. 

In  die  Zeit  vorher,  auf  alle  Fälle  aber  schon  in  das  zweite  Tribunat, 
gehören  zunächst  die  (jegenanträge  des  Livius  Drusus.  Darin  stimmen 
Plut.  (9  f.)  und  Appian  (123  Ende)  überein.    Die  Anträge  lauten: 

a)  Gründung  von  12  Kolonien  (App.  u.  Plut),  jede  mit  3000  Kolo- 
nisten aus  den  Reihen  der  Proletarier  (Plut.); 

b)  Al)gabenfreiheit  für  die  nach  der  lex  agraria  Angesiedelten  (Plut.); 

c)  Abschaltung  der  Prügelstrafe  für  die  Latiner  im  römischen  Heer 
(Plutarch). 

Die  drei  Anträge  gehen  eingestandenermassen  darauf  aus,  schon  vor- 
handene Gesetze  des  Gaius  durch  Volksfreundlichkeit  zu  übertrumpfen. 
Also  gehen  zeitlich  voraus  von  Gesetzen  des  Gaius: 

a)  das  Koloniegesetz; 

b)  die  lex  agraria; 

c)  ein  Gesetz,  die  Latiner  betreffend. 

Nun  wii-d  ausserdem  ganz  besondei-s  von  Drusus  hervorgehoben  (c.  10), 
dass  er  sich  von  der  Ausführung  der  von  ihm  beantragten  Gesetze  ge- 
flissentlich fernhielt,  z.  B.  von  der  Deduktion  der  neuen  Kolonien  oder 
von  der  Verwaltung  der  (lelder,  während  Gaius  die  meisten  und  wich- 
tigsten Geschäfte  dieser  Art  sich  selbst  hatte  übertragen  lassen.  Folglich 
muss  auch  schon  die  Ausführung  solcher  Gesetze  erfolgt  sein,  bei  denen 
Gaius  selbst  thätig  war,  z.  B.  die  Deduktion  von  Kolonien  und  solche 
Arbeiten,  bei  denen  es  Gelder  zu  verwalten  gab:  das  waren  aber  vor 
allem  der  Bau  der  Getreidemagazine  und  der  grossen  Verkehrsstrassen 
in  Italien,  für  die  gerade  die  praktische  Thätigkeit  des  Gaius  eingehend 
besprochen  wird  (Plut.  6  u.  7,  Appian  I  23  Anfang). 

Wir  kamen,  wie  gesagt,  mit  den  Gegenanträgen  des  Drusus  in  die 
ersten  Monate  des  zweiten  Tribunates.  Es  fragt  sich  nunmehr,  wie  sind 
alle  die  erwähnten  Gesetze  und  Arbeiten  des  Gaius,  die  finiher  anzu- 
setzen sind,  zu  ordnen. 

1)  Moininscn,  Staatsr.  P  S.  583  mit  Aiim.  2.  Nitzsch,  Gracchen  420,  behaupte?!, 
dass  in  diesem  Jahre  die  Wahlen  zum  Konsulat  ungewöhnlich  früh  stattfanden,  ohne 
aber  (S.  449)  ein«»  genügende  Begründung  für  diese  Behauptung  zu  geben. 

2)  App.  I  14,  Meyer  19.  4. 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzeit.  45 

Als  die  jüngsten  unter  den  genannten  bezeichnet  Plutareh  (c.  8) 
zwei  Gesetze:  den  Antrag  auf  Aussendung  zweier  Kolonien  nach  Tarent 
und  Capua  (dieselben  Örtlichkeiten  bei  Pseudo-Victor  65)  und  den  Antrag 
auf  Teilnahme  am  Bürgerrecht  seitens  der  Latiner:  änoixia^  (ihv  üq 
TagavTa  xal  Kanvtjv  niiAnia&ai  yQfitfwv,  xaXaJv  dk  knl  xoiviavi(f  noXix^iaq 
Tovg  Aaxivovg.  Genauer  werden  uns  diese  Gesetze  charakterisiert  in  c.  9 
gelegentlich  der  Aufzählung  der  entsprechenden  Gegenanträge  des  Drusus 
(oben  a  und  c).  Von  dem  Kolonialgesetz  heisst  es,  dass  Gaius  in  seine 
zwei  Kolonien  rovg  /apiccrrarov^  rHv  noXixüv  hinführe,  während 
Drusus  in  jede  seiner  zwölf  xQiaxt^iovq  twv  änogcov  zu  scliicken 
vorhabe.  Daraus  geht  hervor,  dass  es  sich  bei  dem  Plan  der  Wieder- 
belebung jener  alten  Handelsmetropolen  Süd-Italiens  durch  Gaius  nicht 
um  reine  Proletarierkolonien  handelte.^)  Das  Gesetz,  das  die  Latiner 
betraf,  bezweckte,  diesen  nur  gleiches  Stimmrecht  (iaoipfj(pia)  zu  ver- 
leihen.*-) Das  ist  sicher  nicht,  wie  alle  Neueren  annehmen,  der  vofiog 
avfifiaxixog,  der  in  c.  5  charakterisiert  wird  als:  laoifßtirpovg  notüv  xolg 
noXixmg  xovg  'Itakicirag.  Inc.  8  und  9  ist  ausschliesslich  die  Bede 
nur  von  den  Latinern  und,  was  das  Ausschlaggebende  ist,  der  entsprechende 
Gegenantrag  des  Drusus,  der  diesen  Antrag  des  Gracchus  zum  Scheitern 
brachte,  hat  ebenfalls  nur  die  Latiner  im  Auge.  Also  müssen  wir  ein 
Latinergesetz  und  ein  viel  weitergehendes  Bundesgenossengesetz,  bezw. 
Bundesgenossengesetze  des  Gracchus  annehmen  (das  eine  vor,  die 
anderen  nach  dem  karthagischen  Aufenthalt  beantragt)  und  fasthalten, 
dass  Appian  den  Thatbastand  dadurch  verwirrt  hat,  dass  er  die  Bundes- 
genossengesetze bereits  da  erzählt,  wo  das  Latinergesetz  zu  berichten 
war.'*) 

Wann  sind  nun  die  Aussendung  von  Kolonien  nach  Unteritalien  und 
das  Latinergesetz  beantragt  worden?  Ehe  wir  die  Frage  beantworten, 
noch  ein  Wort  über  die  lex  Ruiria,  durch  die  die  Kolonie  Karthago  be- 
schlossen wurde.  Auf  alle  Fälle  scheint  diese  lex  noch  später  zu  fallen, 
als  die  beiden   eben  zur  Erörterung  stehenden  Gesetze  des  Gaius.    Sie 

1)  Nitzsch  S.  403 ff.  und  414,  Neumann  I  S.  249  f.  So  erklärt  «ich  am  eboKtcn 
auch  der  Hcheinbare  Widerspruch,  eine  Kolonie  Capua  zu  gründen,  während  doch  der 
ager  Campanus  von  aller  Assignation  cximiert  war  (Cic.  de  leg.  agr.  II  Hl,  Nitzsch 
S.  407  f.). 

2)  Das  Stimmrecht,  das  die  Latincr  hesassen,  war  bekanntlich  wertlos  durch  dii? 
Beschränkung  auf  eine  Tribus  Herzog  I  1008,  Mommsen,  St.-li.  III  J^96  und 
643  f.  Es  handelt  sich  bei  dem  neuen  Gesetz  um  ein  mit  dem  der  Römer  gleichwertiges 
Stimmrecht. 

3)  Meyer  19.  4  kommt  der  richtigen  Erkenntnis  der  Sachlage  schon  ganz  nahe. 
Auf  alle  Fälle  haben  alle  Neueren  übc^rsehen,  dass  die  ßundesgenossenfrage  zwei- 
mal von  Gaius  angefasst  worden  ist.  Nitzsch  (419)  löst  das  Probleni  in  d«'r  Weise, 
dass  er  Gracchus  zweimal  mit  denselben  Anträg<'ii  her>ortreten  lässt.  Herzog  (I  475 
Anm.  2)  gerät  in  ein  eigentumliches  I)ih>nuna,  aus  dem  er  nur  dadurch  herauskommt, 
dass  er,  entgegen  s<Mnem  ursprünglich  aufgestellten  Grundsatz  (445.  1),  den  Bericht  des 
Plutareh  demj<'nigen  des  Appian  vorzieht. 


46  E.  Kornamann, 

wird  bei  Plutarch  erst  nach  den  Anträgen  des  Drusus  erwähnt  (c.  10), 
und  dementsprechend  wird  sowohl  bei  Plutarch  (vgl.  c.  6  und  c.  10) 
wie  bei  Livius  (Ep.  60)  auch  die  Deduktion  der  italischen  Kolonien 
vor  der  der  afrikanischen  erzählt.  A  priori  ist  es  auch  das  Wahr- 
scheinlichere, dass  man  zuerst  in  Italien  und  dann  in  der  Provinz 
kolonisierte. 

Wenn  wir  darnach  zur  genaueren  zeitlichen  Fixierung  der  drei  Ge- 
setze übergehen,  so  zeigt  sich  ein  Auseinandergehen  unserer  Quellen. 
Livius  (a.  a.  0.)  setzt  die  Begründung  der  italischen  Kolonien  sowohl  wie 
der  karthagischen  ausdrücklich  in  das  zweite  Tribunat.  Eutrop  (IV  21) 
und  Orosius  (V  12.  1)  dagegen  geben  als  das  Jahr,  in  dem  die  Gründung 
von  Karthago  beschlossen  wurde,  das  Konsulat  des  Q.  Caecilius  Metellus 
und  T.  Quinctius  Flamininus,  d.  i.  631/123,  an,  Velleius  nennt  in  seiner 
Übersicht  über  die  römischen  Kolonien  (I  15. 4)  dasselbe  Jahi'  für  die 
Gründung  von  Scolacium,  Tarentum  und  Karthago.  Schwartz  (809)  sagt, 
das  ist*  nur  ein  scheinbarer  Widerspruch,  da  die  Tribunen  ihr  Amt  früher 
antreten  als  die  Konsuln,  das  hiesse  also,  der  Beschluss  der  Gründung 
gehört  in  die  Zeit  vom  10.  bis  31.  Dezember  631/123,  während  die  Aus- 
führung in  das  Jahr  632/122  fiele;')  für  Karthago  wenigstens  ist  diese 
letztere  Thatsache  als  unbedingt  feststehend  zu  betrachten.  Plutarch 
hat  in  c.  8  folgende  Thatsachen  in  dieser  Reihenfolge: 

1.  Wahl  des  Fannius  zum  Konsul  für  632/122  mit  Unterstützung  des 
Gaius. 

2.  Wahl  des  Gaius  selbst  zum  tnbunus  pUbia  iterum, 

3.  Abkühlung  der  Freundschaft  des  Fannius  zu  dem  Tribunen. 

4.  Beantragung  neuer  Gesetze,  um   die  Massen  fester  an  sich   zu 
fesseln  (Kolonialgesetz  und  Latinergesetz). 

5.  Gewinnung  des  Livius  Drusus  seitens  der  Optimaten  zu  den  be- 
kannten Anträgen. 

In  diesem  Kapitel  ist  Plutarch  von  dem  ersten  zum  zweiten  Tribunat 
übergegangen.    In  das  erste  Tribunat  gehören  sicher  die  unter  1  und  2 


1)  Au  Vorlogung  von  Beschluss  und  Ausführung  in  zwei  verschiedene  Jahre 
denkt  auch  Klimke  a.  a.  0.  16.  Er  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  livianische 
Epitome  auch  an  anderen  SteUen  bei  Ansiedelungsgesetzen  nur  die  Ausführung,  nicht 
den  Zeitpunkt  des  Gesetzes  berücksichtigt:  so  ist  der  Senatsbeschluss ,  betreffend  die 
Ausführung  der  Kolonie  Aquileia  (Liv.  39.  55) ,  übergangen ,  erwähnt  dagegen  ist  die 
Deduktion  der  Kolonie  {Ep.  40  aus  Liv.  40.  34).  Die  Arbeit  von  Klimke  ist,  nebenbei 
bemerkt,  eine  sehr  nützliche,  insofern  darin  zunächst  die  Zuverlässigkeit  der  Epitome 
in  Bezug  auf  leges  an  den  erhaltenen  Büchern  d(»8  Livius  nachg(>prüft  wird.  Das  Resultat 
ist,  dass  die  Genauigkeit  der  Wiedergabe  des  Wesentlichen,  im  Verhältnis  zu  der  ein- 
getretenen starken  Verkürzung  ((;twa  der  50.  Teil  der  livian.  Überlieferung  liegt  in  der 
Epit.  nur  vor),  geradezu  erstaunlich  ist.  Dabei  fallt  manches  für  den  Sprachgi*brauch 
der  Epitome  ab.  Daraus  hätte  z.  B.  Schwartz  ersehen  können,  dass  die  Bezeichnung 
leges  agrariae  in  der  Epitome  nicht  nur  von  Ackergesetzen,  sondern  auch  von  Kolonial- 
gesetzen gebraucht  wird  (Klimke  S.  10);  darnach  ist  die  diesbezügliche  Bemerkung  bei 
Schwartz  S.  809  richtig  zu  stellen. 


Zur  GeschiciUe  der  Gracchemeit  47 

aufgeführten  Fakta,  in  das  zweite  No.  5  (siehe  oben  S.  44).  Die  Frage 
bleibt,  in  welches  Tribunat  gehören  3  und  4.  Meyer  (19.  4)  hat  bereite 
gesehen,  dass  die  Erwähnung  der  Wahl  des  Gaius  zum  tribunus  üerum  (2) 
nach  der  Wahl  des  Fannius  zum  Konsul  (1)  gegen  die  Chronologie  ver- 
stösst,  dass  Plutarch  die  Tribunenwahl  „an  der  Stelle  bringt,  wo  er 
richtig  den  Antritt  des  zweiten  Tribunats  hätte  erzählen  sollen".  Er 
stellt  sich  damit  auf  den  Standpunkt,  dass  das  unter  No.  3  und  4  Er- 
wähnte in  das  zweite  Tribunat  gehört,  ohne  sich  allerdings  die  Konse- 
quenzen klar  zu  machen.  Zur  Unterstützung  dieser  Ansicht  füge  ich 
noch  folgende  Erwägung  bei:  Wenn  das  unter  3  und  4  Erzählte  noch 
in  das  erste  Tribunat  oder  den  Anfang  des  zweiten,  ich  meine  vor  den 
1.  Januar  632/122,  gehören  würde,  so  ist  die  Folge,  dass  Fannius 
schon  vor  dem  Antritt  des  Konsulates,  bereits  als  designatus,  von  Gaius 
sich  zurückgezogen  haben  müsste.  Das  ist  möglich,  aber  wenig  wahr- 
scheinlich. Der  Satz  des  Plutarch :  inu  äi  ioiga  triv  fiiv  oiyxl^tov 
iX^QCcv  ävTiXQvg^  ocfMßXvv  ök  rp  n^fdg  avrov  Bvvoitf  xcv  ^äwiov^ 
av&ig  irigoig  vofioig  unriotfiöaro  x6  nkij&og  erhält  erst  seinen  vollen 
Sinn,  wenn  nach  dem  Senat  der  im  Amt  befindliche  Konsul 
Fannius  genannt  wii'd.  Somit  bin  ich  der  Ansicht,  dass  mit  Livius 
und  Plutarch,  die  beide,  in  letzter  Linie  auf  Fannius  zurückgehend, 
sich  in  voller  Übereinstimmung  befinden,  die  drei  in  Frage  stehenden 
Gesetze  und  die  Gründung  der  betreffenden  Kolonien  in  das  zweite 
Tribunat  und  zwar  in  den  Anfang  des  Konsulates  des  Fannius  zu  setzen 
sind,  und  dass  die  Nachricht  des  Eutrop,  Orosius  und  Velleius^)  als  un- 
vereinbar damit  zu  verwerfen  ist. 

Alles  übrige  gehört  in  das  erste  Tribunat:  zunächst  von  den  oben 
erwähnten  Massnahmen,  die  sich  aus  den  Gegenanträgen  des  Drusus  er- 
geben, die  lex  agraria,  der  Bau  der  durch  die  lex  frumentaria  notwendigen 
Getreidemagazine,  die  Anlage  der  Landstrassen. 

Bezüglich  der  lex  agraria  hat  die  Angabe  des  Livius  {Ep.  60)  die 
grösste  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dass  sie  das  zweite  der  grossen 
konstitutiven  Gesetze  sei.  Das  Getreidegesetz  und  das  Ackergesetz  er- 
gänzen einander:  sie  stehen  beide  im  Dienste  der  Massen.  Mit  ihnen 
begründete  Gaius  seine  Popularität,  vermöge  deren  er  dann  im  Hoch- 
sommer 631/123  bei  den  Tribunenwahlen  zum  zweiten  Male  das  Tribunat 
errang. 

Nun  ist  es  eine  sehr  ansprechende  Vennut  ung  von  Meyer  (19.  4), 
dass  Appian  diese  Wahl  zum  zweiten  Tribunat  mit  dem  Antritt  des- 
selben verwechselt  hat.  So  kommt  es,  dass  dieser  Autor  (I  22)  das 
Richtergesetz  in  das  zweite  Tribunat  verlegt,  während  es  na<jh 
Livius  als  drittes  Gesetz  ins  erste  Tribunat  gehört  und  zwar,  wenn  die 


1)  Man    beachte    wohl,    dass   es   sich    um    eine    SteUe   des   ersten   Buches   des 
VcUeius  handelt. 


48  E.  Kornemann, 

Vermutung  Meyers  richtig  ist,  nach  der  Wiederwahl. >)  Das  Richter- 
gesetz bedeutet  die  Gewinnung  der  Ritter  zu  derjenigen  der  Massen. 
Dieser  wichtige  Fortschritt  passt  sehr  wohl  in  die  Zeit  nach  der  Wieder- 
wahl :  da  fühlte  sich  Gaius  stark  genug,  diesen  grossen  Wurf  zu  wagen, 
der  ihn  seinem  hohen  Ziele,  das  bei  Diodor  (34/5  25.  1)  bezeichnet  wird 
als  xaraXvaai,  agiaroxocttiav,  Ö9]uoxgatlav  di  avarr^aai^  erheblich  näher 
brachte.  Alle  unsere  Quellen  haben  diesen  entscheidenden  Sieg  des 
Tribunen  in  einem  bezeichnenden  Ausspruch  des  Gaius  oder  einer 
charakteristischen  Anekdote  zum  Ausdruck  gebracht.^)  Nach  Plutarch 
(6)  hatte  Gaius  seit  der  Annahme  dieses  Gesetzes  und  dem  Auftrag, 
die  Richterauswahl  aus  den  Rittern  selbst  vorzunehmen,  eine  Art  von 
monarchischer  Gewalt  inne. 

Eine  Ergänzung  des  Richtergesetzes  ist  das  Gesetz  über  die  Ordnung 
der  Besteuerung  Asiens.^)  Beide  dienen  der  Gewinnung  der  ritterlichen 
Finanzaristokratie.  Also  gehören  sie  wohl  auch  zeitlich  zusammen.  Dass 
die  Andeutung  des  Velleius  (11  6.  3) :  nova  constüuebat  portoria  sich  auf 
dieses  Gesetz  bezieht,  hat  Mommsen  (R.  O.  II  111  A)  richtig  erkannt 
und  Herzog  (I  468)  bestätigt.  Der  Beweis  liegt  in  der  Rede  des  Gracchus 
gegen  die  lex  Aufeia  (Gellius  XI  10),  wo  die  Worte  vorkommen  (§  3): 
ego  ipse,  qui  aput  vos  verba  facto,  uti  vectigalia  vestra  augeatis  etc.  Somit 
ist  dieses  Gesetz  auch  eine  Ergänzung  zu  der  lex  frumentaria.  Denn  der 
Staateschatz  erhielt  dadurch  eine  Bereicherung,  die  er  notwendig  brauchte. 
Es  ist  daher  auch  möglich,  dass  dieses  Gesetz  schon  vor  das  Richterge- 
setz gestellt  werden  muss,  wie  Mommsen  thut. 

Erst  nach  der  Durchbringung  des  Richtergesetzes  sprechen  sowohl 
Appian  (1 13  Anfang)  wie  Plutarch  (6  u.  7)  von  dem  italischen  Strassen- 


1)  Appian  bemerkt  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  die  neuesten  Fälle  ungerechter 
Richtersprüche  des  Senatsgerichts  die  Annahme  des  Gesetzes  erleichtert  hätten :  er  ver- 
weist auf  die  Freisprechung  des  L.  Aurelius  Cotta  (cos.  610/144),  der  von  Scipio  Afri- 
canus  zwischen  622/132  und  625/129  angeklagt  worden  war  (Cic.  pro  Mur.  58,  div,  in 
Caec.  69,  Tac.  Ann.  III  66),  auf  diejenige  eines  Livius  Salinator  und  des  Manius 
Aquillius  (cos.  625/129,  Cicero  a.  a.  0.)  und  bemerkt  abschliessend:  oi  rt  ngtcßsig  ol 
xat  uvt&v  ^rt  TruQOvrtg  cvv  ffd^ova  ravra  ntQuovTtg  ixsTCQdyeaav.  Da  Aquillius  im 
Jahre  628/126  (11.  Nov.)  triumphierte  (Acta  triumphal.  CIL.  I«  p.  176),  so  fällt  die 
Anklage  gegen  ihn  gewiss  nach  diesem  Jahr,  aber  wohl  nicht  allzulange  nachher. 
Auch  von  hier  aus  erscheint  die  Verlegung  des  Gesetzes  des  Gracchus  ins  Jahr  631/123 
als  das  wahrschi.'inlichere. 

2)  Diodor  34/5  27:  rb  fiir  ^i(pog  iTtlxtirai  tolg  ix^QoTg,  Jttgl  dk  x&v  äXXtov  log  kv 
V  ^^'Z^  ßQccßsvarj  err^^lo/ifv  (Meyer  S.  10  gegen  Mommsen  und  Ihne),  Appian  I  22:  ort 
ic^QÖtag  ti}v  ßot^Xiiv  xa^i/^r/xot,  Ciceros  Zitat  (de  leg.  III  20)  von  den  sicae,  die  Gaius  sich 
rühmt,  aufs  Forum  geworfen  zu  haben,  gehört  wohl  auch  hierher  (Mommsen,  HG, 
II ®  117,  Meyer  a.  a.  0.),  Plutarch  5  bemr-rkt:  rovrov  tov  rcifiov  tlc(ptQ(oif  rd  xt  &XXa 
Xtytrai  aTtovduöai  ötafptQOvrag ^  woran  dann  die  Anekdote  geknüpft  wird,  dass  sich 
damals  Gaius  zum  ersten  Mal  beim  Sprechen  nach  dem  Forum  gewendet  habe,  woraus 
hervorgehe,   dass  seitdem  die  Aristokratie*   in  eine  Demokratie  verwandelt  worden  sei. 

3)  Mommsen  II «  111,  Ihne  V  95,  Herzog  1468. 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzeit,  49 

bau.  Die  Nachricht  hierüber  bildet  bei  beiden  die  Überleitung  zu  dem 
Antrag,  Kolonien  auszusenden,  und  dem  Latinergesetz  (Appian  fälschlich : 
Bundesgenossengesetz,  s.  o.  S.  45),  die,  wie  wir  sahen,  schon  in  den  Anfang 
des  zweiten  Tribunats  gehören. 

Die  zeitliche  Folge  der  bedeutendsten  gesetzgeberischen  Massnahmen 
des  Gaius,  die  wir  hiernach  zu  erkennen  glauben,  erhält  nun  nachträg- 
lich eine  ausgezeichnete  Stütze  durch  die  Beobachtung,  dass  bei  dieser 
Datierung  die  einzelnen  Akte  in  einen  inneren  Zusammenhang  treten. 
Nach  der  Gewinnung  der  Massen,  die  Gaius  durch  die  lex  frumentaria 
und  lex  agraria  gelang,  wandte  er  sich  an  die  Ritter,  die  er  durch  die 
Auslieferung  Asiens  und  das  Rittergesetz  an  sich  fesselte,  um  dann 
endlich  sein  Interesse  Italien  und  der  italischen  Frage  zuzuwenden, 
während  sein  Kollege  Rubrius  dazu  noch  die  erste  überseeische  Kolonie 
beantragte.  Mommsen  hat  Recht,  wenn  er  sagt,*)  dass  „Gaius  keines- 
wegs wie  sein  Bruder  durch  den  Strom  der  Ereignisse  weiter  und  weiter 
gedrängt  ward,  sondern  offenbar  einen  wohl  überlegten  um- 
fassenden Plan  in  einer  Reihe  von  Spezialgesetzen  im 
Wesentlichen  vollständig  realisierte".^)  Vor  allem  verdient 
die  dritte  Ktai)pe  seiner  Thätigkeit,  in  der  Italien  in  den  Vordergrund 
trat,  alle  Beachtung.  Was  er  in  dieser  Richtung  that,  hatte  zugleich 
auch  Wert  für  Rom  und  für  ihn  selbst:  der  Bau  der  Landstrassen  gab 
Arbeitsgelegenheit  und  Verdienst  für  Proletarier  und  Unternehmer,  das 
stärkte  seine  eigne  Position  (Plutarch  6 ,  App.  I  23).  Der  italischen 
Landwirtschaft  wurde  der  römische  Markt  zugänglicher  gemacht  und 
dadurch  zugleich  das  Getreideangebot  in  Rom  vermehrt.  Die  Koloni- 
sation Tarents  und  Capuas  aus  besseren  Elementen  der  Bürgerschaft 
scheint  eine  weitere  Begünstigung  des  Ritterstandes  zu  bedeuten.  Es 
macht  den  Eindruck,  wie  schon  gesagt,  als  wenn  es  sich  um  Neu- 
belebung dieser  alten  Handelsemporien  Süditaliens  handeln  sollte.  Und 
nimmt  man  dazu  noch  Karthago,  so  eröflnet  diese  Wiedererweckung 
der  drei  alten  Nebenbuhlerinnen  Roms,  die  einst  des  grausamen 
Siegers  Faust  in  aller  Schwere  hatten  fühlen  müssen,  Perepektiven, 
die  auf  ein  grosses  staatsmännisches  Talent  schliessen  lassen,  das 
neue  Bahnen  zu  gehen  beabsichtigte.  Was  das  eigentliche  Bundes- 
genossenproblem angeht,  so  war  der  erste  Antrag,  den  stammver- 
wandten Latinem  (vgl.  avyywiai  bei  Appian  I  23)  das  gleiche  aktive 
Stimmrecht  wie  den  Römern  zu  verleihen,  absolut  nicht  radikal  zu 
nennen,  sondern  es  war  nur  die  Erweiterung  eines  Rechtes,  das  sie  im 
Grund  schon  hatten.  Von  hoher  Wichtigkeit  wäre  es  für  uns,  zu  wissen, 
aus  welchen  Gründen  Gaius  von  diesem  äusserst  gemässigten  Antrag 
zu  dem  eigentlichen  Bundesgenossengesetz,  dessen  Inhalt  uns  am  besten 


1)  Ebda.  S.  115;  gegenteiliger  Ansicht  ist  Ihne  Vi 

2)  Von  mir  gesperrt. 
Kornemann,  Zur  Oesohiohto  der  Graochenseit 


50  E.  Komemann, 

bei  Appian  überliefert  ist  (Bürgerrecht  an  die  Latiner,  gleiches  Stimm- 
recht, wie  vorher  für  die  Latiner,  nunmehr  für  alle  Italiker^)  über- 
gegangen ist. 

Aber  leider  ist  auch  unsere  Kenntnis  des  Verlaufs  des  zweiten 
Tribunats,  vor  allem  von  der  Abwesenheit  des  Gaius  in  Karthago  an, 
äusserst  gering.  Wir  hören  nur  aus  der  Zeit,  da  Gaius  nicht  in  Rom 
weilte,  von  einer  äusserst  scharfen  Agitation  des  Drusus  gegen  Flaccus,-) 
dem  direkt  zum  Vorwurf  gemacht  wird,  dass  er  die  Bundesgenossenfrage 
nicht  zur  Ruhe  kommen  lasse  und  heimlich  die  Italiker  zum  Abfall 
reize.^)  Es  ist  also  .deutlich ,  dass  die  Quelle  offenbar  dem  Flaccus  die 
Schuld  gegeben  hatte,  dass  die  Dinge  einen  weiteren  Umfang  annahmen. 
Für  die  Zeit  nach  der  Rückkehr  hat  Appian  (I  24)  nur  noch  die  Notiz : 
inaveXd^ovtBg  t$  ig  'Fciuijv  (liier:  Gaius  und  Flaccus,  siehe  unten  Anm.  2) 
avvexdXovp  1$  okfjg  UtaXiag  rovg  i^axigxMovg  (das  ist  eine  grössere  Zahl, 
als  ursprünglich  durch  das  Gesetz  bestimmt  war),  wg  xai  tAöe  t6v  Sijfiov 
vna^o^svoi,  d.  h.  offenbar  als  Gegenmassregel  gegen  die  Agitation  des 
Drusus,  zugleich  aber  wohl  auch  mit  Berechnung  auf  die  Bundesgenossen, 
aus  denen  ebenfalls  die  Kolonisten  entnommen  wurden. 

Die  Stellung  des  heimgekehrten  Volkstribunen  war  aber  schwer  er- 
schüttert. Plutarch  (12  Anfang)  bringt  das  dadurch  zum  Ausdruck,  dass 
er  ihn  seine  Wohnung  vom  Palatin  ans  Forum  ins  Armeleuteviertel  ver- 
legen lässt,  um  dadurch  wieder  in  engeren  Konnex  mit  dem  Proletariat 
zu  kommen.  Im  Anschluss  daran  heisst  es  dann  bei  Plutarch:  i'nuta 
twv  vofiatp  k^id'ijxB  rovg  koinoifg  (ig  ind^wv  ri^v  tfjrjifov  avtotg.  Von 
diesen  „Gesetzen"  kennen  wir  nur  das  Bundesgenossengesetz.  Das  be- 
sagt aber  nichts.  Denn,  dass  es  sich  um  eine  Mehrzahl  von  Gesetzen 
noch  handelt,  beweisen  auch  Appian*)  und  die  Rede  de  legibus  promulgatis 


1)  Es  heisst  also  hier:  die  Chronologie  des  Gesetzes  nach  Plutarch,  der  Inhalt 
nach  Appian.  Plutarch  hat  den  Inhalt  des  Gesetzes  zusammengefasst  in  den  Worten 
(c.  b):  h  61  GviL\ui%iiib^  laotpritpovs  noi&v  rolg  TtoXlraig  rovg  'ItaXimtaSj  wobei  er 
die  beabsichtigte  Höherstellung  der  Latiner  übergeht,  wälirend  Velleius  (II  6.  2)  in  den 
Worten :  dahat  civitntem  omnibus  Italicis  umgekehrt  das,  was  nur  den  Latinern  zu  Teil 
wurde,  falschlich  auf  alle  Italiker  überträgt.  Man  sieht  deutlich,  hier  liegen  Fehler 
infolge  allzu  starker  Verkürzung  vor.  Für  Appians  Version  spricht  einmal  der  Titel 
der  Rede  des  Fannius  (Brutus  99) :  de  sociis  et  nomine  Latino  (Herzog  I  474  A.  2), 
noch  mehr  aber  das  erhaltene  Fragment  daraus,  in  dem  es  ausdrücklich  heisst:  si 
Latinis  civitatem  dederitis.  Nicht  ganz  richtig  ist  es,  wenn  die  Neueren  sagen,  für 
die  Bundesgenossen  sei  das  bisherige  Recht  der  Latiner  beantragt  worden.  Denn  dieses 
war,  wie  oben  (S.  45.  2)  angedeutet,  praktisch  wertlos. 

2)  Plut.  10.  6  ^QOvßog  ^cnovrog  avrov  rbv  öfffiov  vyrtXanißavs  xocl  »^offrJyfTo, 
lucXiata  raig  xutä  xov  ^ovXßiov  öiaßoXaTg.  c.  11:  inavfjXd'tv  tlg  'Pco^r^r  niij^kC^ai  rbv 
^ovXßiov  vnb  rov  Jqovgov  nvvd^uvofitvog.  Bei  Appian  I  24  geht  Flaccus  mit  nach 
Karthago.  Wenn  das  kein  Versehen  der  jüngeren  Quellen  ist ,  so  liegt  hier  also  eine 
ganz  andere  Tradition  zu  Grunde. 

3)  tag  Tcc  av^nuixtxä  dtuxivdtv  xal  nuQo^vviav  XQV(pa  rovg*lTaXto}Tag  jTQbg  anofftaaiv^ 

4)  I  23:  Ttagä  triv  iaofiivriv  irtffl  rtavdt  rdv  vo^iav  %tigozoviuv  und  xfoXvaai 
xovg  Vquxxov   voiiovg. 


Zur  Geschichte  der  Gracchenzeü,  51 

(H.  Meyer,  fragmmta  -  234  f.),  die  meiner  Ansicht  nach  unbedingt  liierher- 
zuziehen ist,^)  weil  das  Fragment  bei  Gellius  (X  3)  die  hervorstechendsten 
Beispiele  von  Bedrückungen  der  Bundesgenossen  vorführt.^)  Welches 
die  anderen  Gesetze  waren,  darüber  sind  nur  Vermutungen  zu  äussern,*) 
am  wahrscheinlichsten  ist  mir  die  Vermutung,  dass  es  sich  inbezug  auf 
die  Bundesgenossenfrage  schon  um  zwei  Gesetze  handelt,  1.  den  alten 
Antrag,  betreffend  die  Latiner,  der  jetzt  aufs  Bürgerrecht  gestellt  war, 
und  2.  den  neuen  Antrag  zu  Gunsten  der  übrigen  aocii,^)  Die  Gegen- 
massregel des  Senates,  das  Edikt  des  Fannius,  welches  allen  auswärtigen 
Nichtrömern  für  den  Tag  der  Abstimmung  den  Zutritt  nach  Rom  ver- 
sagte, steht,  wie  schon  erwähnt,  bei  Appian  (I  23)  und  Plutarch,  während 
der  erstere  allein  die  entscheidende  Nachricht  hat,  dass  die  Gesetze 
durch  die  Intercession  des  Drusus  verhindert  wurden.  Plutarch  bietet 
dagegen  noch  die  Geschichte  von  dem  Abreissen  der  Zuschauertribünen 
für  ein  Gladiatorenspiel  auf  dem  Forum,  wodurch  sich  Gaius  infolge 
eine^  zuweitgehenden  Eintretens  für  die  Proletarier  mit  seinen  Amts- 
genossen verfeindete,  und  schliesst  daran  die  Bemerkung:  hx  tovtov  xal  t^v 
rgiiriv  idoii  SrjjaaQx^"^  a(fygr^ö&ai ,  worüber  Gaius  tief  gekränkt  ist. 
Plutarch  hat  also  die  Geschichte  des  zweiten  Tribunatii  nur  bis  zu  den 
Neuwahlen  für  (333/121  erzählt.  Seitdem  war  offenbar  Gaius,  wie  schon 
gesagt,  ein  politisch  toter  Mann. 

Wie  Appian  (I  21  Ende),  geht  auch  Plutarch  (13)  dann  direkt  zu 
den  Ereignissen  unter  dem  Konsulat  des  Opimius,  d.  i.  633/121,  über,  in 
welchem  die  Katastrophe,  etwa  im  Juli,*)  erfolgte. 

Wenn  wir  sonach  aus  Plutarch  auch  in  den  allgemeinsten  l^mrissen 
die  Chronologie  des  zweiten  Tribunats  wiederji^ewonnen  haben,  auf  viele 
Fragen,  die  uns  noch  interessieren,  giebt  auch  er  keinti  Antwort. 

1)  So  richtig  Nitzsch  S.  J^OHf.  und  Ni'umaim  I  251.  Meyrr  dagegen  setzt  die 
Kcde  an  den  Anfang  von  Gracchu»'  Auftreten  als  die  groKHO  einleitende  Programinrede. 
llber  den  Inhalt  «lieser  Kede  vgl.  man  a})er  Plut.  c.  8,  dazu  Neumann  1  S.  233. 

2)  Auch  das  änderte  Fragment  (Schol.  Bob,  p.  305  Or.)  i)a8Kt  mit  seiniT  »ganz  ver- 
biBwneii  Heftigkeit*  sehr  wühl  hierher:  das  hat  Nitzsch  (S.  450)  gesehen. 

8)  Nitzsch  (408)  denkt  an  den  Antrag  auf  Einführung  des  Loses  fiir  die  Ab- 
stimmung der  (V'nturien  bei  den  Magistratswahlen,  von  dem  es  bei  Pseudo-Sallust  ep.  ad 
Cacs.H  heisst:  /cc  quam  C.  (»racchus  in  trihunatu  promulgavcrat y  ut  ex  confusin 
qninque  classibus  sorte  cenluriae  vocarentur. 

4)  Dafür  spricht  der  Tmstand,  dass  an  den  S.  50  Aiim.  4  zitierten  Sti'llen  de« 
Appian  auch  von  ro/iof-  die  Kede  ist,  während  vorher  nur  die  beiden  Gesetze,  betreffend 
die  LatintT  und  die  socii,  genannt  werden. 

5)  Livius  (Kp.  61)  sagt:  seditioso  trihunatu  acto.  Für  die  V«Tlegung  in  den 
Sommer  verwertet  M«'ver  (19.  0'  Appian  I  25,  wo  es  von  Opimius  heisst:  og  (nhdri\in  ribv 
vnccroyv.  Daraus  gehe  hrrvor.  dass  der  andere  Konsul  Q.  Fabius  Maximus  bereits  nach 
Gallien  abgegangen  war.  Dazu  passt,  weim  in  der  Anekdote  bei  Plutarch  13  die  an- 
geblich von  Conielia  dem  Sohne  nach  Rom  geschickten  Männer  Erntearbeiter 
waren.  Über  die  g<*g«'n  heute  etwas  später  anzusetzende  Erntezeit  des  Altertums  iu 
Rom  vgl.  Nissen.  Ital.  Landeskunde  I  S.  399  f. 

4* 


52  E,  Kornemann, 

II.    Die  Datierung  der  iex  Tliorla. 

Es  ist  heutzutage  so  gut  wie  allgemein  anerkannt,  dass  die  lex 
Thanoy  das  zweite  der  drei  Gesetze  aus  der  optimatischen  Restaurations- 
zeit, durch  die  die  gracchische  Reformbewegung  lahm  gelegt  wurde,  ins 
Jahr  635/119  oder  636/118  gehört.^)  Diese  Datierung  stammt  von 
Mommsen,*)  der  sich  auf  die  Schlussworte  von  Appian  I  27  (mvtexai' 
dexa  iiaXiara  heaiv  äno  rfjg  Fgdxxov  vofio&eaiag  knl  dlxaig  hv  ä^itf 
yByovoTsg)  stützt.  Diese  Worte 'bezieht  er  auf  die  gracchische  Landauf- 
teilungskommission und  interpretiert  sie  in  der  Weise,  dass  er  sagt,^) 
sie  habe  etwa  15  Jahre  nach  der  gracchischen  Gesetzgebung  über  die 
Arbeiten  der  Aufmessung  müssig  verstreichen  lassen.  Dann  fährt  er 
fort:  „Dass  bei  der  „„gracchischen  Gesetzgebung""  nur  an  das  Gesetz 
des  Tiberius  von  621,  nicht  mit  Rudorff  an  das  des  Gaius  von  631  ge- 
dacht werden  kann,  ist  von  Huschke  S.  584*)  unwiderleglich  dargethan 
worden.  Appian  setzt  also  die  völlige  Beseitigung  des  sempronischen 
Gesetzes  um  636".  Die  Aufhebung  der  Kommission  erfolgte  nach 
Momrasen  aber  durch  das  thorische  Gesetz,  „welches  also  hiemach  635 
oder  636  erlassen  worden  ist".*) 

Hiergegen  wird  man  sofort  einwenden,  dass  die  Aufteilungskommis- 
sion doch  nicht  von  Anfang  an  unthätig  gewesen  ist,  sondern  erst  seit 
der  Wegnahme  der  Jurisdiktion  durch  den  von  Scipio  Aemilianus  herbei- 
geführten Volksbeschluss  von  625/129.  Das  wird  bestätigt  durch  Appian 
I  19,  wo  es  im  Anschluss  an  die  Erzählung  dieses  Faktums  heisst:  ol 
Si  xfiv  yijv  diavifiovreg  ovx  änavrwvxog  ig  avxdvg  ovdivbg  kg  Sixtjv 
kn*  ccQyiag  ^<rav.  Dass  die  beiden  Appianstellen  in  Beziehung  zu 
einander  stehen,  hat  schon  Rudorff  erkannt,**)  doch  hat  er  nicht  die 
richtige  Konsequenz  aus  dieser  Beobachtung  gezogen.  Es  folgt  nämlich 
daraus,  dass  die  fünfzehn  Jahre  vom  Todesjahr  des  Scipio,  also  von 
625/129  ab  zu  zählen  sind,  wodurch  man  auf  das  Jahr  640/114 
kommt,  welches  einzig  und  allein  bei  C.  Neumann  zu  lesen  ist.^ 
Schwierigkeit  machen  bei  dieser  Interpretation  nur  die  Worte:  ano 
tijg  rgdxxov  vofio&Miag.  Entweder  darf  man  diese  nicht  wörtlich 
nehmen,  sondern  muss  allgemein  „von  den  Zeiten  der  gracchischen 
Gesetzgebung  her"  übersetzen  oder  man  muss  in  ihnen  eine  Interpolation 


1)  Mommsen,   Eöm.  Gesch.  IV  128:   635/119,    Ihne,   R.  G.  V  113:    118  v.Chr., 
Herzog,  Gesch.  «.  System  1477:  118,   Niese,  Grundriss  108:  um  118. 

2)  BerichU  der  säclis,  Gesellschaft  der  Wiss,  phil  Ol.  II  (1850)  S.  90  fF. 

3)  Ebda.  S.  91. 

4)  Gemeint  bt  die  Rezension  in  RicfUers  und  Schneiders  kritisclien  Jahrbüchern 
für  deutsche  Rechtswiss.  X  (1841)  S.  579  ff. 

5)  S.  94. 

6)  Zeitschrift  der  Savignystiftung  für  gesch.  RechtswissenscJuift  X  (1842)  S.  38. 

7)  I  285. 


Zur  GeschicJUc  der  GraccIienzcU.  53 

erblicken.^)  Zur  Unterstützung  der  Neumannschen  Datierung  möchte  ich  noch 
auf  folgendes  aufmerksam  machen.  Appian  (I  27)  bestimmt  den  Zeitpunkt 
des  ersten  wie  des  dritten  Gesetzes  annähernd  durch  die  Worte  ov  nolv 
vaTBQov,  während  der  Übergang  zu  dem  zweiten  Gesetz  hergestellt  wird 
durch  den  Satz:  xal  n$gir^v  kg  x^^Qov  (ri  roig  n^vijai^  P^^XQ^  JSnogiog  Oogiag 
öripiaQx^v  köfjy^aato  vofiov.  Man  setzt  das  erste  Gesetz,  welches  nur 
die  Unveräusserlichkeit  der  verteilten  Ländereien  aufhob,  selir  bald  nach 
der  Katastrophe  des  Gaius  an.^)  Wahrscheinlich  gehört  es  noch  in  das 
Jahr  633/121  selbst,  da  in  den  Jahren  634/120  und  635/119  wieder  ein 
gewisses  Erstarken  der  Demokratenpartei  zu  bemerken  ist.**)  Wenn 
dies  richtig  ist,  so  bedeutet  ov  noXv  votiqov  hier  einen  ganz  kleinen 
Zeitraum,  offenbar  einen  solchen  von  noch  nicht  einem  Jahr.  Beim 
dritten  Gesetz  aber,  das  ins  Jahr  643/111  gehört,  würde  derselbe  Aus- 
druck, vorausgesetzt,  dass  die  hx  Thoria  wirklich  ins  Jahr  636/118  ge- 
hörte, sieben  Jahre  umfassen.  Auch  von  hier  aus  empfiehlt  es  sich 
ungemein,  das  Gesetz  ins  Jahr  640/114  zu  datieren. 

Zum  Schluss  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  ein  Zeitraum  von 
fünfzehn  Jahren  zur  Bezeichnung  der  Restaurationsepoche  auch  in  der 
Hede  des  Memmius  von  643/111  bei  Sallust  (Jug.  31.  2)  erscheint:  nam 
illa  quidem  ptgei  dicere,  hia  annts  qutndecim  quam  ludtbrio  fueritia 
auperbiae  paucorum.  Hier  ist  also  vom  Jahre  628/126  ab  gerechnet, 
wenn  man  nicht  mit  Jacobs*)  quindecim  „als  runde  Durchschnittszahl 
der  Daten  vom  Tode  des  älteren  und  des  jüngeren  Gracchus"  erklären 
will.  Auf  keinen  Fall  scheint  es  möglich,  diese  Angabe  trotz  des  Auf- 
tretens der  gleichen  Zahl  mit  der  appianischen  in  Beziehung  zu  setzen. 

Es  bleibt  bei  dem  gewonnenen  Resultat,  dass  das  erste  der  drei 
Restaurationsgesetze  bald  nach  der  Katastroi)he  des  Gaius,  wahrscheinlich 
noch  im  Jahre  633/121,  das  zweite,  die  lex  Thoria,  nicht  allzu  lange  vor 
dem  dritten,  demjenigen  von  643/111,  wahrscheinlich  im  Jalire  640/114, 
erlassen  wurde. 

1)  Der  Satc  gicbt  auch  sonst  zu  kritischen  Bedenken  AnlasH;  man  vgl.  Schweig- 
häuser und  Mendelssohn  zu  der  SteUe,  ebenso  Rudorff  8.  38  und  Kiene,  Der  römische 
Bundesgenossenkrieg  S.  131. 

2)  Moinmsen,  Böm.  Gesch.  II  127,  Ihne  V  109. 

3)  Im  Jahre  634/120  wird  Opimiiis  von  P.  Decius  in  Anklagezustand  versetzt, 
und  ins  «Tahr  635/119  fallt  das  Tribunat  des  Marius;  vgl.  Neumann  I  260ff. 

4)  In  dem  Kommentar  zu  der  Stelle. 


54  E.  Kornemann, 


Anhang. 

(Zu  S.  27  Anm.  5.) 


Die  DatieraDg  des  Seuatsbe^cblasses  bei  Jonepho» 

Änt,  lud.  X11I9.  2,   260-265  Niese. 

Wellhausen,  Tli.  Reinach  und  Willrich  ignorieren  einfach  die  Er- 
wähnung des  ar()aTr}y6g  Fanniiis  Marci  fUius  in  dem  Senatsbeschluss. 
Solange  der  Gegenbeweis,  der  in  dieser  Thatsache  liegt,  nicht  aus  der 
Welt  geschafft  ist,  verdient  ihre  Hypothese  keine  Beachtung,  zumal  auch 
die  trefflichen  Bemerkungen  von  Gutschmids,  Kleine  ISchrifien  II  S.  313 
und  314,  mir  bis  jetzt  nicht  widerlegt  zu  sein  scheinen.  Zu  dem  hier 
von  diesem  Gelehrten  Vorgebrachten  kommt  noch  die  Thatsache,  dass  in 
unserem  Dokument  der  Name  de.s  Hohenpriesters  noch  gar  nicht  genannt 
wird,  während  das  jüngere  SC.  (XIV  10.  22,  247  ff.  Niese),  das  im  Gegen- 
satz zu  dem  unsrigen  auf  Antiochos,  den  Sohn  des  Antiochos,  d.  h. 
Antiochos  Kyzikenos  Bezug  nimmt,  nicht  nur  vom  Volk  der  Juden, 
sondeni  auch  von  dem  Hohenpriester  Hyrkanos  spricht.  Die  beiden 
Senatsbeschlüsse  gehören  also  auf  keinen  Fall  zeitlich  zusammen :  die 
zwischen  ihnen  liegende  Zeitspanne  wird  aber  dadurch  einigermassen 
begrenzt,  dass  einer  der  jüdischen  Gesandten,  Apollonios  der  Sohn  des 
Alexander,  bei  beiden  (lelegenheiten  ei*scheint. 

Unger  (S.  579)  nimmt  an,  dass  in  dem  zur  Diskussion  stehenden 
SC.  nach  aTQari^yog  das  Wort  vnarog  ausgefallen  sei,  wie  auch  der 
Vorname  des  Fannius  verloren  gegangen  ist.  Der  Tit^l  argarrjyog 
vnarog  (=  consut)  begegnet  nämlich  in  dem  (Teleitschreiben  an  die  Koer 
bei  Joseph.  XIV  10.  15,  233  N.,  dessen  Zugehörigkeit  zu  unserem  Senats- 
konsult  —  allerdings  abgesehen  gerade  von  der  Adresse  —  schon 
Mendelssohn  (Acta  soc.  plnlol.  Ups,  ed.  F.  Kitsclil  V,  1875,  p.  155)  be- 
hauptet hatte.  Unger  sucht  nun  zu  zeigen  (S.  580),  dass  in  der  Adresse 
wohl  der  Vatersname  (Fatov  viog)  auf  den  Statthalter  der  Provinz  Asien 
von  705,49  passt,  nicht  aber  jener  Titel  {aTQartjydg  vnavog).  Denn  der- 
selbe Mann  wird  an  einer  anderen  Stelle  des  Josephos  (XIV  10.  13, 
230  N.)  richtig  avTiargccTr^yog  (nach  p]rnestis  Konjektur;  die  Codices 
haben  uQxiciQdxijyog)  genannt.    So  kommt  l'uger  dazu,  trotz  des  falschen 


Zur  GcschiclUe  der  Gracchcnzeit,  55 

Vatei-snamens  auch  die  Adresse  des  Briefes  für  unseren  Fannius  in  An- 
spruch zu  nehmen.  Er  setzt  also  das  SC.  und  den  Brief  in  das  Konsulat 
des  Fannius,  das  Jahr  632/122,  und  bemüht  sich,  die  Möglichkeit  diaser 
Datierung  aus  den  damaligen  jüdLschen  und  römischen  Verhältnissen  zu 
erweisen.  Zugegeben  muss  ihm  werden,  dass  die  Verschiebung  des 
Hauptbescheides  durch  den  Senat  und  das  Versprechen  der  Behandlung, 
örav  dsio  tup  iSia)p  ?;  avyxlrjrog  Hcxohjarjj  unstreitig  vorzüglich  für  den 
Anfang  dieses  Jahres  passt.  Ich  muss  überhaupt  gestehen,  da,^s  die.se 
scharfsinnigen  Kombinationen  Ungei^H  etwas  Bestechendes  haben,  und  dass 
nur  die  Worte  Fatov  vius  in  der  Adresse  des  Geleitsbriefe^s  mich  ab- 
halten, sie  anzunehmen.  Auf  alle  Fälle  verdient  die.ser  Abschnitt  von 
Ungei-s  Ausführungen  nicht  die  scharfe  Ablehnung,  die  Willrich  (Judaica 
S.  02.  1)  der  ganzen  Abhandlung  hat  zu  Teil  werden  lassen. 

Sehr  zu  denken  giebt  immerhin,  auch  wenn  man  Ungers  Beweis- 
führung nicht  für  gelungen  hält,  die  gi-osse  Unsicherheit,  die  bei  Jose- 
phos,  namentlic^h  in  den  schlecht  überlieferten  Urkunden,  bezüglich  der 
römischen  Mjigisti-atstitel  herrscht,  worauf  auch  Viereck  (Sermo  ijraec 
p.  115,  dazu  p.  70  f.)  mit  l^echt  hingewie.sen  hat.  In  der  Urkunde 
Jos.  XIV  8.  5,  145  N.,  die  von  einigen  Fo]>ichern  ebenfalls  aus  der  Re- 
gierung Hyrkanos'  IT.  in  die  Zeit  Hyrkans  I.  oder  gar  Simons  vei-setzt 
wird  (ins  Jahr  015;  130  von  Ritschi  und  Mendelssohn,  vgl.  Schürer  P, 
S.  250  ff.,  unter  Hyrkan  I.  und  zwar  ins  J.  028/120  von  Viereck,  p.  103  ff., 
ins  J.  020/128  von  Unger,  S.  553  ff.),  ei-scheint  auch  wieder  ein  aTQaxviyo^ 
{ytivxiog  OvaUQtog  ^ivxiov  viog  aTQatfjyog)  als  Senats v()i*sitzend er.  Es 
muss  höchst  auffallend  genannt  w(»rden,  dass  innerhalb  so  kurzer  Zeit 
zwei  wichtige  Senatsbeschlüsse  untiT  der  L(»itung  von  Prätoren  ge- 
fasst  werden,  während  dies  doch  im  allgemeinen  nur  ausnahmsweise  ge- 
schah, Mommsen,  Staatsrecht  II  '\  S.  120  f.  und  232.  Ich  stelle  daher  die 
Frage  zur  Diskussion,  ob  nicht  unter  dem  axQaviiyog  in  den  beid(»n 
Urkunden  der  Kcmsul  zu  verstehen  ist,  was  l)ei  der  flüchtigen  Art,  in 
der  diese  Urkunden  abgeschrieben  sind,  nicht  aller  Wahrscheinlichkeit 
entbehrt.  Dann  ist  die  Urkunde  XIV  8.  5  die  älteste,  und  zwar  g(»hr>rt 
sie  in  das  Jahr  023/131,  in  welcheni  ein  L.  Valerius  Flaccus  (wohl  der 
Sohn  des  Mannes  gleichen  Namens,  der  im  Jahre  002,152  dius  Konsulat 
bekleidete)  Konsul  war.  Natürlich  muss  in  diesem  Fall  mit  Kitschi  und 
Äfendelssohn  die  Zugehörigkeit  der  nach  der  Urkunde  folgenden  ^^'orte 
bei  Josephos  (148N.):  ravra  kyivtxo  kni  '  Ygxavov  äo^iBgiwg  xai  i&vagxov 
txovg  ivdiov  fit]v6q  fJaviftov  geleugnet  werden,  was  schon  aus  dem  Grunde 
sich  empfiehlt,  weil  Hyrkanos  I.  auch  in  dieser  Urkunde  so  wenig  wi(^ 
in  der  des  Fannius  erwähnt  wird.  Es  wäre  dann  also  dies  das  Doku- 
ment, durch  das  die  eivte  Annäherung  Hyrkans  I.  an  Kom  nach  der 
Besiegung  durch  Antiochos  Sidetes  stattgefunden  hat.  Es  folgen  die 
Senatsbeschlüsse  Josephos  XIII  0.  2,  darnach  mit  Unger  ins  Jahr  032/122 
zu  setzen,  endlich  Jos(»phos  XIV  10.  22,  erst  aus  dem  Ende  von  Hyrkans 


56  E.  Komemann,  Zur  Geschichte  der  Crraccheneeit. 

Regierung.  Der  Inhalt  der  drei  Senatebeschlttsse  passt  vorzüglich  zu 
dieser  Reihenfolge.  Die  beiden  ersten  beschäftigen  sich,  wie  angedeutet, 
mit  dem  Volk  der  Juden,  nur  der  dritte  erwähnt  neben  dem  Volk  der 
Juden  den  Hohenpriester.  Der  zweite  nimmt  in  den  Worten  nagä  x6  tijg 
avyxXf^tov  86yua  (261  und  262  Niese)  Bezug  auf  die  Bestimmung  des  ersten 
in  Betreff  der  Häfen  (Unger,  S.  584).  Was  die  vorstehende  Datierung 
endlich  noch  empfiehlt,  ist  der  Umstand,  dass  jeder  Senatsbeschluss  von 
den  Juden,  bezw.  Hyrkanos,  gegen  einen  anderen  Seleukiden  erlangt  worden 
ist,  der  erste  gegen  Antiochos  Sidetes,  der  zweite  gegen  Ant.  Gryi)os, 
der  dritte  gegen  Ant.  Kyzlkenos;  im  übrigen  vgl.  man  Ungers  Aus- 
führungen a.  a.  0.,  S.  551  ff.  Wird  die  Lösung  des  Problems  in  dieser 
Richtung  erfolgen,  so  kommt  die  Josei)hosstelle  für  die  Datierung  von 
Fannius'  Prätur  in  Wegfall. 


Drnck  Ton  O.  Kreyting  in  Lelpsig. 


Die 


neue  Livius-Epitome 

aus  Oxyrhynchus 


Text  nnd  Untersachungen 


von 


Ernst  Komemann. 


Mit  einer  Tafel. 


^ 


^N^^raBcf^/? 


Leipzig 

Dieterich'schc  Verlagsbuchhandlung 

Theodor  Weicher 
1904. 


Theodor  Motntnseh 


zum 

Gedächtnis. 


Theodor  Mommsens  Bild  ziert  den  diesjährigen  Band  unserer 
Beiträge;  in  seinem  Namen  soll  auch  dieses  Beiheft  hinausgehen.  Hat 
er  doch  nach  einem  sechzigjährigen  Gelehrtenschaffen  sondergleichen, 
dessen  dauernde  Verdienste  nicht  zum  wenigsten  gerade  auf  der  Zuführung 
und  sofortigen  Verwertung  gewaltiger  Massen  neuen  Quellenmaterials 
beruhen,  noch  im  Angesicht  des  Todes  an  diesem  Fund  den  grössten 
Anteil  genommen.  So  seien  diese  Blätter  seinem  Genius  gewidmet, 
zugleich  ein  Scherflein  des  Dankes  von  der  Jüngsten  einem  unter  denen, 
die  sich  im  eigentlichen  Sinne  seine  Schüler  nennen  dürfen. 

Unter  den  Lebenden  gebührt  mein  Dank  natürlich  vor  allen  den 
Herren  B.  P.  G renfei  1  und  A.  S.  Hunt,  den  glücklichen  Findern  des 
Papyrus.  Die  Hallenser  Philologentage,  die  mir  die  Bekanntschaft  mit 
Herrn  Grenfell  und  dadurch  den  Anstoss  zu  dieser  Arbeit  brachten, 
werden  mir  dauernd  im  Gedächtnis  bleiben.  Die  Liebenswürdigkeit,  mit 
der  Herr  Grenfell  meine  Bemühungen,  eine  Separatausgabe  des  Papyrus 
zu  veranstalten,  begleitet  und  unterstützt  hat,  steht  einzig  da. 

Zu  ganz  besonderem  Danke  verpflichtet  bin  ich  auch  meinem  Tübinger 
Fachgenossen  Herrn  Professor  G.  Gundermann,  dessen  sachkundiger 
Rat  in  paläographischen  Fragen  und  dessen  stets  bereite,  fruchtbare 
Mitarbeit  bei  der  Textherstellung  mich  bedeutsam  gefördert  haben. 

Der  Unfertigkeit  meiner  Arbeit  bin  ich  mir  trotz  alledem  wohl 
bewusst.  Aber  noch  länger  mit  der  Veröffentlichung  zu  warten  schien 
mir  nicht  geraten.  Der  erste  Wurf  muss  frisch  gewagt  werden.  Auch 
in  dieser  Beziehung  habe  ich  von  meinen  englischen  Vorgängern  zu 
lernen  versucht. 

Tübingen,  den  28.  August  1904. 

Ernst  Kornemann. 


Inhalt 

Seite 

I.  BeschreibuDg  des  Papyrus 1 — 9 

II.  Die  Wiederherstellung  des  Papyrus                         9—12 

in.  Text  und  Kommentar 13—68 

a)  Text 13—34 

b)  Kommentar 35 — 68 

IV.  Das  Verhältnis  des  Papyrus  cum  Livius-Original  sowie  den  vorhandenen 

Livius-Epitomatoren  und  Livius-Bentitzern 68 — 87 

V.  Die    Geschichte    der    Jahre   604/150  —  617/137    auf  Grund    des    neuen 

Fundes 87—110 

1.  Die  äussere  Geschichte  .         87—104 

2.  Die  innere  Geschichte 104—110 

Nachträge 110 

Zeittafel  für  die  Jahre  604/150—617/137 111—121 

Register 122—131 

Beigabe:  Kol.  VIII  des  Papyrus. 


Die  Auffindung  eines  grösseren  lateinischen  literarischen  Papyrus 
in  Ägypten  muss  als  ein  Ereignis  bezeichnet  werden.  Was  uns  das  Nil- 
land in  dieser  Beziehung  seither  geliefert  hat,  beschränkt  sich  auf  ein 
kleines  Stück  aus  Vergil  (Oxyrh.  Pap.  I  S.  60  No.  XXXI)  sowie  einige 
geringfügige  Fragmente  aus  römischen  Historikern  und  Juristen.  Nun 
sind  wir  mit  einem  Schlag  entschädigt  worden  durch  den  umfangreichen 
Fund,  der  im  Nachfolgenden  uns  beschäftigen  soll. 

L 

Beschreibung  des  Papyrus. 

Der  Papyrus  No.  668  im  IV.  Bd.  der  Oocyrhynchus  Papyri  besteht 
aus  acht  doppelseitig  beschriebenen  grösseren  Stücken  und  vier  kleinen 
Fragmenten  einer  Handschrift  in  Rollenformat.  Er  wurde  bei  den  Aus- 
grabungen in  Oxyrhynchus  im  Jahre  1903  gefunden,  zusammen  mit 
Dokumenten  in  Kursivschrift  aus  dem  2.  bis  4.  Jahrb.,  hauptsächlich  aus 
dem  3.  Jahrh.  n.  Chr.  Die  lateinische  Livius-Epitome  steht  auf  dem  Recto, 
während  auf  dem  Verso  ein  griechischer  Text,  Teile  des  Briefes  an  die 
Hebräer  {Oxyrh,  Pap,  IV  No.  657),  niedergeschrieben  ist. 

Die  Höhe  des  Papyrus  beträgt  0,26  m.  Die  Breite  der  einzelnen 
Stücke  dagegen  ist  entsprechend  dem  verschiedenen  Zustand  der  Erhal- 
tung sehr  verschieden,  variierend  zwischen  0,05  und  0,20  m.  Von  den 
vier  erwähnten  kleineren  Fragmenten,  sind  nur  zwei  (a  und  b)  etwas 
umfangreicher  und  zwar  ist  a  (bei  GH.  ^)  =  b)  0,06  m  hoch  und  0,02  m 
breit,  und  b  (GH.  a)  0,05  m  hoch  und  0,03  m  breit.  Sie  waren  an  be- 
stimmten Stellen  des  Recto  aufgeklebt,  um  die  Rolle  zu  verstärken.  Die 
Länge  der  erhaltenen  Kolumnen  beträgt  0,175  bis  0,185  m,  im  Durch- 
schnitt also  0,18  m,  die  Kolumnenbreite  dagegen  ist  bei  der  sehr  ver- 
schiedenen Länge  der  einzelnen  Zeilen  sehr  schwer  anzugeben,  beträgt 
aber  im  Maximum  auch  ca.  0,18  bis  0,19  m.    Jede  Kolumne  besteht  aus 

27  Zeilen   mit   Ausnahme   von  Kol.  HI  (vielleicht  auch   Kol.  V)   mit 

28  Zeilen.    Was  die  einzelnen  Zeilen  betrifft,  so  sind  diejenigen,  auf 


1)  GH.  =  Grenfell  und  Hunt.    Damit  bezeichne  ich  die  editio  piinceps  in  den 
Oxyrhynchus-Pap,  IV  p.  90—116. 

Kornemann,  Die  nene  Liyins-Epitome.  1 


2  E.  Komemanny 

denen  die  Konsuln  erwähnt,  also  die  Jahre  angegeben  werden,  um  etwa 
drei  Buchstaben  über  den  linken  Rand  vorgerückt.  Ausnahmsweise  kommt 
dieses  Vorrücken  der  Zeilen  auch  an  drei  anderen  Stellen  vor,  nämlich 
auf  Kol.  VI  in  Z.  145  und  Kol.  Vm  Z.  210,  wahrscheinlich  auch  Kol.  Vn 
Z.  182,  doch  sind  es  auch  hier  Eigennamen  (L.  Mummius,  P.  Africanus  u, 
Q,  Caepio),  die  auf  diese  Weise  herausgeschoben  werden.  Umgekehrt  ist 
das  Ausrücken,  trotzdem  Konsuln  genannt  werden,  auf  Kol.  VI  in  Z.  137 
unterlassen.  Am  Ende  sind  die  Zeilen,  wie  schon  erwähnt,  sehr  ungleich 
lang.  Hier  kommt  es  selten  vor,  dass  zwei  oder  drei  Zeilen  hinterein- 
ander gleichmässig  endigen,  trotzdem  der  Schreiber  am  Zeilenschluss  mehr- 
fach von  der  Worttrennung  Gebrauch  gemacht  hat:  Z,  15/6:  admü-[ti], 
Z.  33/4:  GalUhgraeds,  Z.  40/1 :  [Ba\cchainyalia,  Z.  46/7 :  uoH-uos,  Z.  53/4 : 
deside-rante,  Z.  95/6:  [Aemiyiiani,  Z.  103/4:  [saeculayr^sl  Z.  119/20:  re- 
[gnum],  Z.  135/6:  Bomano<r>[fml  Z.  139/40:  [inflammayuisset,  Z.  153/4: 
[conysulatum ,  Z.  165/6:  [am]u»-[«]a€,  Z.  185/6:  (fo-[/]ormam,  Z.  207/8: 
[deysertores,  Z.  213/4:  [occ{\-dit  Bei  dieser  Sachlage  kann  eigentlich  nur 
die  Vermutung  helfen,  dass  der  Papyrus  dem  Schreiber  stellenweise  nicht 
glatt  genug  war,  und  dass  dieser  daher  ab  und  zu  früher  abbrach. 
Die  längsten  Zeilen  haben  40  und  noch  einige  Buchstaben  mehr,  so 
Z.  3  (40),  Z.  18  (41),  Z.  31  (41),  Z.  114  u.  115  (beide  ca.  40),  Z.  120 
(42,  wenn  die  Ergänzung  richtig  ist),  Z.  122  (40),  Z.  123  (45),  Z.  187 
(42),  Z.  212  (40,  falls  richtig  ergänzt  ist).  Doch  sind  das  Ausnahmen; 
die  grössere  Zahl  der  Zeilen  hält  sich  zwischen  30  und  40  Buchstaben, 
so  dass  man  für  diese  Hauptgruppe  im  Durchschnitt  etwa  35  Buch- 
staben annehmen  kann.  Diejenigen  Zeilen,  an  deren  Ende  der  Schreiber 
Worttrennung  hat  eintreten  lassen,  haben  mit  Ausnahme  von  zwei 
Zeilen  der  Kol.  II  (Z.  33 :  29 ,  Z.  40 :  26  Buchst.)  auch  über  30  Buch- 
staben, nämlich  32—37,  kommen  also  jenem  Durchschnitt  von  35  Buch- 
staben sehr  nahe.  Eine  dritte  Gruppe  bilden  die  Zeilen  mit  weniger  als 
30  Buchstaben,  wobei  natürlich  die  Zeilen,  mit  denen  ein  Buch  oder  ein 
Jahr  schliesst,  nicht  eingerechnet  sind.  Wenn  wir  von  diesen  absehen, 
bildet  die  in  Frage  stehende  Gruppe  eine  Minorität,  allerdings  etwas 
grösser  wie  diejenige  mit  über  40  Buchstaben.  Alles  in  allem  genommen 
wird  sich  aber  die  Buchstaben-Zahl  pro  Zeile  im  Durchschnitt  doch  etwas 
über  30  stellen. 

Die  Schrift  des  lateinischen  Textes  ist  eine  mittelgrosse,  aufrecht- 
stehende Unciale  bereits  mit  einigen  Halbuncialformen  (6,  d,  ä,  m,  j). 
Der  auf  der  Rückseite  stehende  Text  des  Hebräerbriefes  zeigt  eine 
Schrift  ähnlich  derjenigen  von  Oxyrhynchus  Pap,  HI  Tafel  IV.  Wenn 
diese  von  den  englischen  Herausgebern  mit  Recht  in  die  erste  Hälfte  des 
4.  Jahrhunderts  gesetzt  wird,  so  kommen  wir  auch  mit  der  Niederschrift 
unseres  Textes  spätestens  in  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts.  Für  einen 
früheren  Ansatz  (3.  Jahrh.?)  spricht  der  Umstand,  dass  der  grösste  Teil 
der  mit  dem  Papyrus  gefundenen  Urkunden,  wie  gesagt,  diesem  Jahr- 


Die  neue  Livius-Epitome.  3 

hundert  angehört.  Die  Schrift  ist  kalligraphisch  schön,  von  geschulter 
Schreiberhand  geschrieben,  und  giebt  den  Text  fortlaufend  ohne  Wort- 
trennung. Nur  ab  und  zu  lassen  sich  Unterbrechungen  am  Wortende  be- 
obachten, z.  B.  vor  oder  hinter  Eigennamen  (Z.  1:  Romani  caesi,  Z.  12: 
Ambracia  capto)  oder  da,  wo  Abkürzungen  vorliegen  (Z.  167 :  Metellus 
COS.  alusitaniSj  Z.  182:  Cacpio  cos.  indelegem,  Z.  186:  fecit  Q.  Occitis),  aus- 
nahmsweise aber  auch  an  anderen  Stellen  (Z.  51 :  homini  ccd,  Z.  85  nach 
dem  Wort  stuprauerat,  Z.  113:  [test]a  quondam,  Z.  186:  hosUbus  pacetn, 
Z.  196 :  ohiecerat  clauo).  Ja  es  kommen  Unterbrechungen  manchmal  auch 
da  vor,  wo  ein  Wortende  nicht  anzunehmen  ist,  der  Schreiber  aber  in 
der  Begel  falsch  gelesen  hat  (Z.  72:  ficti  egrimonibus,  Z.  123:  subselli 
socius,  Z.  182:  Ti.  C[l}audi  amassilium,  Z.  184:  lictore  strigmn). 

Abkürzungen  sind  regelmässig  nur  angewendet  bei  den  praenomina, 
den  Titeln  von  Beamten:  cos.  (=  consulj  consules,  consuUbus),  pr(aetor), 
trib(unu8)  pl{ebis\  endlich  den  Buchüberschriften:  Zi6(cr);  ausserdem  nur 
Z.  207 :  omnib{us\  während  Z.  \h:pass{d)  erat  und  Z.  122:  Masiniss(ae)  erat 
Verschleifungen  in  der  Aussprache  darstellen.  Nach  allen  Abkürzungen 
stand  offenbar  ein  Punkt,  an  vielen  Stellen  ist  derselbe  noch  nach- 
weisbar. 

Korrekturen  von  der  Hand  des  Schreibers  sind  selten:  Z.  187  war  ur- 
sprünglich geschrieben :  Lussitanorum^  doch  ist  das  erste  s  durch  einen  diago- 
nalen Strich  getilgt,  Z.  22  scheint  ursprünglich  Chartaginientium  geschrieben 
zu  sein  und  daraus  erst  von  zweiter  Hand:  Chartaginietmum  durch  Ver- 
änderung des  ^  in  ^.    Schwieriger  liegt  der  Fall  Z.  95.    Hier  lesen  GH. 

f 
/l^[o]]cfem.    Die  Photographie,  die  mir  vorliegt,  zeigt  wohl,  dass  etwas 

übergeschrieben  ist,  und  zwar  offenbar  ein  f,  darunter  aber  vermag  ich 
(ebenso  Gundermann)  nur  eine  verschmierte  Stelle  zu  statuieren  etwa 
von  der  Form  eines  dicken  wagrechten  Striches;  die  ausserdem  noch 
sichtbare  Rundung,  die  offenbar  als  o  angesprochen  wird,  entbehrt  durch- 
aus des  kräftigen  Duktus,  der  meist  diesen  Buchstaben  auszeichnet. 
Wenn  also  ein  o  hier  gestanden  hat,  war  es  nur  angedeutet^)    Z.  98  lesen 

h 
die  englischen  Herausgeber  Caridenmm,  das  h  ist  auf  der  Photographie 
nicht  zu  erkennen,  aber  deutlich  auf  dem  Original.^) 

Diesen  Versuchen  des  Schreibers,  das  Geschriebene  nachträglich  noch 
zu  bessern,  steht  eine  ganze  Masse  von  Stellen  gegenüber,  welche  korrupt 
geblieben  sind.  Denn  wir  haben  es  hier  geradeso  wie  bei  dem  von  Keil 
herausgegebenen  Anonymiis  Argentinensis'^  mit  der  Kopie  eines  flüchtigen, 
mit  geringem  Verständnis  für  den  Inhalt  begabten  Schreibers  zu  thun. 


1)  Hr.  GrenfeU  teilt  mir  auf  Aofrage  brieflich  mit,  dass  der  Buchstabe  eher  ein  o 
als  irgend  etwas  anderes  sei. 

2)  Nach  brieflicher  Mitteilung  von  Hm.  Grenfell. 
8)  Vgl.  Keil  S.  7. 

1* 


4  E,  Kornemann, 

Zahlreich  sind  die  Auslassungen  von  einzelnen  Buchstaben  oder  ganzen 

Wörtern.    Die  fehlenden  Buchstaben  bezw.  Wörter  setze  ich  in  <  >. 

Z.  7:  <Bmy>nia  de  Soli<^sy,  darüber  unten 

Z.  26:  LfY<c>r[n]MW  (falls  richtig  ergänzt  ist) 

Z.  36:  Postum<J^ 

Z.  40/1:  [J?a]ccÄa<n>aZwi 

Z.  60:  fune<fiyribus 

Z.  103:  Man<i>lio  et  Marc<i>o 

Z.  120:  <,Aeymüiaannum,  dazu  unten 

Z.  123:  vielleicht  (X^cycKsyus 

Z.  132:  <cyap[t]ifKoys 

Z.  134:  prodKsy 

Z.  135:  JBömano<r>[um] 

Z.  168 :  statu<ä>s 

Z.  183:  tr<i>b(unum) 

Z.  185:  Vir<i>atho  (es  steht  da:  Virathio) 

Z.  191:  Po<l»>K»[ö 

Z.  192:  <e>^ 

Z.  197:  <JDyitalco 

Z.  207:  ?MC^M>i. 

Von  Worten  fehlen  offenbar  folgende: 
Z.  14:  OrigiacatUis  <tucory 
Z.  76:  <Calpurmoy. 

Das  Gegenstück  zu  den  Auslassungen  von  Buchstaben  und  Worten 
sind  die  an  falscher  Stelle  zugesetzten  (ich  mache  sie  wie  in  der  eng- 
lischen Ausgabe  durch  {  }  kenntlich),  so  vor  allem  wieder  in  Eigen- 
namen: 

Z.  14:  Or{i}giacofUis 
Z.  21  u.  113:  Man{i}Uus 
Z.  38:  IUUil{i}us 
Z.  50:  Licin{i}o 

Z.  120:  <iAeymiU{a}an{n}ufn,  der  Schreiber  las  offenbar  milta  annum 
Z.  174:  Nu{a}fnantinis( 
Z.  185:  Vir<i}(jUh{i}o. 

Ein  überflüssiges  Wort  steht  Z.  3.  Hier  liest  man :  maximus  [pontif]ex 
maximusy  sodass  man  das  erste  mcmmus  als  eine  Dittographie  bezeichnen 
muss. 

Ganz  Singular  sind  Stellen  wie: 
Z.  7:  {Iihad)(Mia  {de  SolKs»  deducta  und 
Z.  176:  [C]  Laelio  {Salßsso}, 

Hier  liegen  schwerere  Verderbnisse  vor,  die  zum  Teil  nicht  der 
ungebildete  Schreiber,  sondern  derjenige  begangen  hat,  welcher  den  Text 
aus  einer  viel  umfangreicheren  Vorlage  zusammenzog.  Z.  7  sind  nämlich 
zwei  ganz  verschiedene  Ereignisse  ineinandergeschachtelt: 


Die  fieuc  Livius-Epitonie.  5 

1.  Rhodiiiy  de  SolKs)^  sc.  vgcrunt,  vgl.  Livius  XXXVII  56.  7. 

2.  <ßonyonia  deducta,  Liv.  ebda.  57.  7. 

Z.  176  dagegen  ist  an  Stelle  des  richtigen  Beinamens  des  C  Ladius 
Sapiens  das  Wort  Sdlassiis  eingedrungen.  Das  lässt  sich  doch  nur  da- 
durch erklären,  dass  in  Buch  Lin  des  Livius  —  allerdings  stammt  Z.  176 
aus  Buch  LIV  —  von  dem  Feldzug  des  Konsuls  Appius  Claudius  gegen 
die  Salasser  die  Rede  war. 

Durchaus  dem  Schreiber  aber  fallen  wieder  zur  Last  die  zahlreichen 
Verlesungen  einzelner  Buchstaben  oder  Buchstabengruppen,  wobei  natür- 
lich die  meisten  Fehler  wieder  in  den  Eigennamen  gemacht  sind.  Wenn 
wir  die  stärkeren  Verschreibungen  in  den  Eigennamen  einmal  bei  Seite 
lassen,  ergeben  sich  folgende  paläographisch  meist  nicht  gerade  schwer 
zu  erklärende  Fehler,  die  zum  grössten  Teil  auf  eine  Vorlage  in  alt- 
römischer Kursive  führen,  zum  Teil  aber  auch  aus  der  spätlateinischen 
Aussprache  (Diktat?)  resultieren.^) 

1.  a  statt  l: 

Z.  57:  uastaita  statt  uasilica  (graphisch  schwer  zu  erklären). 

a  statt  s: 
Z.  111:  entdsi  statt  [m{]flsi, 

2.  b  statt  r: 

Z.  184:  tcrbuit  statt  tcrruit. 

Umgekehrt  r  statt  h: 
Z.  17:  conurium  statt  conubium 
Z.  66:  Berio  statt  Bia^ibio, 

3.  c  statt  g: 

Z.  14:  Or{i}giacontis  statt  Orgiagontis 

Z.  193:  Cahinius  statt  Oabinius 

vielleicht  auch  Z.  84:    [Ceth]ecus\  doch  ist  die  Lesung  hier  unsicher:  es 

kann  auch  [Ccth]effiAs  dagestanden  haben. 

Umgekehrt  g  statt  c: 
Z.  27:  intergessit  statt  iniercessit 
Z.  72:  grimonibus  statt  crim[i]nibus 
dazu  Z.  214:  Suriajjfue  statt  Suriaque. 

c  statt  s: 
Z.  19:  Calinatore  statt  SaUnatore. 

c  statt  t: 
Z.  20:  Cra[eces  statt  T<hyra[eccs, 

4.  e  statt  s: 

Z.  72 :  fictie  statt  fictis. 

5.  i  statt  c  (Aussprache): 

Z.  114:  ligationem  statt  legatiancm 
Z.  182:  ^5rfK««i«  statt  ^55eZ[r|Mm. 

1)  Das  sind  Beobachtungen,  auf  die  mich  Gundermann  gelenkt  hat. 


6  E.  Kornemann, 

ii  statt  e: 
Z.  133:  ohsidontiis  statt  olsidcntes  (kursives  c  in  der  Vorlage). 

Umgekehrt  c  statt  i  (Aussprache): 
Z.  203:  Dccem  statt  Decim(um), 

i  statt  l: 
Z.  182:  Assilium  statt  AsseUum, 

6.  ?  statt  c: 

Z.  136:  subaUi  statt  subacti, 

l  statt  ^: 
Z.  9:  compellüoribus  statt  competitorihus 
Z,  192:  rt?  wohl  statt  <c>^  Ze[aZw»]. 

Umgekehrt  /  statt  l: 
Z.  37:  Hispata  statt  Hispala. 

7.  n  statt  «: 

Z.  62:  na^e5  statt  tiates. 

Umgekehrt  u  statt  w: 
Z.  40:  itidicium  statt  indicium, 

8.  o  statt  i: 

Z.  95:  /]^[o]]dcm  nach  der  Lesung  der  englischen  Herausgeber. 
Z.  72:  grimombus  statt  [c]rminīi5. 

9.  p  statt  6: 

Z.  74:  JPaebio  statt  Baehio, 

10.  r  statt  6: 
S.  oben  unter  2. 

11.  f  statt  c  bezw.  i: 

Ta.  57:  uastaita  statt  waÄi[Z]*ca 
Z.  111:  cw^m'  statt  [m]i[5]M'. 

t  statt  Z: 
S.  oben  unter  6. 

12.  u  statt  n: 
S.  oben  unter  7. 

Dazu  kommen  folgende  verlesene  Buchstabengrappen,  die  sich  alle 
leicht  aus  einer  Vorlage  in  Kursive  erklären  lassen: 

13.  Stellen,  an  denen  ein  fn  allein  oder  zusammen  mit  anderen  Buch- 
staben verlesen  ist: 

Z.  8 :  imnantes  statt  niinantcs ;  vgl.  dazu  die  nicht  ganz  klare  Schreibung 

von  admit  Z.  15  Ende. 
Z.  111:  entasi  statt  m[is]si 

Z.  145:  Mumanus  statt  Mumniias  (Z.  168  dagegen  richtig  [M}ummius) 
Z.  217:  planus  statt  primus 
Z.  178:  ülmiUus  statt  MatiUus. 

14.  Desgl.  ein  n: 

Z.  14:  captian  statt  captiua 


Die  neue  lAvitAS-Epitomc.  7 

Z.  26:  [lA\tratum  statt  [IÄ\Ke)^rnum, 

15.   Desgl.  ein  u: 
Z.  19:  Lulio  statt  lAtm. 

In  den  Eigennamen  stecken  noch  weitere,  z.  T.  sehr  schwere  Fehler, 
die  sich  teilweise  auf  andere  Weise  erklären  lassen,  teilweise  aber  jeder 
Erklärung  spotten.    Leicht  erklärlich  sind  Verschreibungen  wie: 
Z.  55:  hofium  statt  Baium  (vielleicht  in  der  Vorlage  boiium) 
Z.  78:  Liuius  statt  VilUf4S 
Z.  120:  müiaannutn  statt  <^Aeymilianum 

Z.  203 :  decemuiru[  Jstatt  Decim.  Bru[tufn],  weil  hier  dem  Schreiber  be- 
kanntere Wörter  in  die  Feder  geflossen  sind.    Anders  dagegen 
steht  die  Sache,  wenn  wir  lesen: 
Z.  25:  Metellis  für  Petiüis 
Z.  75 :  Ncrylli  für  PetiUi 

Z.  182:  Ti  C[l]audi  amassilium  für  Tt.  Claudium  Asellum 
oder  gar  Z.  3:  P.  Lepidinus  statt  P.  Licinius 

bezw.  Z.  56:  dianatone  für  a  Jf.  Catane.    Doch  beachte  man,  dass  der 
Schreiber  dagegen  Z.  114  ganz  richtig  M.  Cato  schreibt. 

Hinsichtlich   der  Orthographie  zeigt  der  Papyrus  folgende  Eigen- 
tümlichkeiten. 

1.  Einfaches  f,  wie  gewöhnlich,  haben  wir  in  folgenden  Fällen: 
Z.  26:  abä 

Z.  51:  uenefici 

Z.  59:  P.  Lictni 

Z.  100:  fiU,  Z.  120  u.  141:  ßis 

Z.  134:  proelKsy. 

2.  Mehrfach  kommen    infolge    der   Aussprache  Buchstabenverdop- 
pelungen  vor: 

Z.  9 :  compeUitoribus  =  compettüoribus  statt  competitoribus 
Z.  182:  Assüium  =  AsseUum  statt  AseUum 
Z.  188:  Ännio  statt  ^io 
Z.  174  u.  212:  anNumantinis 

Z.  187  vom  Schreiber  selbst  verbessert  Lu[[s]]8itanarum]  sonst  auch  überall 
Lusüani. 

3.  Schreibung  ohne  Assimilation: 
Z.  9:  conposito 

Z.  47:  conZato 
Z.  122:  adfinis. 

4.  Sonstige  Eigentümlichkeiten: 
Z.  22.  83.  90  u.  s.  w.:  Chartaginienses 

Z.  101 :  Phüippi  pÄfKu[m] ,  oflfenbar  in  Anlehnung  an  das  vorausgehende 
Phüippi^)]   denn  in  der  Zeile  vorher  (Z.  100)  steht  /W»,  ebenso 


1)  Bossbach  (Berl  phil  Wochenachr,  No.  31/32  vom  6.  Aug.  1904  Sp.  1020  Anm.) 


8  E.  Korncmann, 

Z.  120  u.  141  filis,  Z.  179  ßium.  Ähnlich  inkonsequent  ist  der 
Schreiber,  wenn  er  Z.  157  St^  und  Z.  214  Suria  oder  wenn 
er  Z.  66  Bebio  (eigentlich  Berio)  und  Z.  74  Pacbio  für  Bacbio 
schreibt. 

Z.  57 :  uasilica  (eigentlich  uastaüa)  =  hasüica 

Z.  39:  drcumscribserant. 

Mehr  noch  als  die  Orthographie  verdient  die  Sprache  des  Papyrus 

unsere  Aufmerksamkeit. 

Z.  51:  steht  homini  statt  homines  (oder  hominum) 

Z.  71:  in  marem  für  in  mare 

Z.  111:  Marco ^  während  wir  einen  Nom.  erwarten;   doch  ist  die  Lesung 
des  0  nicht  sicher. 
Syntaktisch  liegt  eine  Bevorzugung  des  Nominativ  und  Accusativ 

gegenüber  den  übrigen  Casus  vor. 

1.  Der  Nominativ  steht  statt  des  Ablativ: 
Z.  25 — 26:  dies  dicta  für  die  dicta. 

2.  Der  Accusativ  statt  anderer  Casus: 

a)  statt  des  Nominativ: 

Z.  4 — 5:  quod  flamen  Quirinaleni  erat 

Z.  133:  obsideni[e]s  Bomanos  wahrscheinlich  auch  Acc.  pro  Nom. 

b)  statt  des  Ablativ: 

Z.  8 — 9:  minantes  [a4^cu8d\tionem  compe\t']jitoribus 

Z.  125:  in  Äfiricam,  während  man  in  Africa  erwartet. 

3.  Unsicher  ist,  ob  Z.  125  dimicatus  est  als  Deponens  behandelt  ist 
Inhaltlich  zerfällt  der  Papyrus  in  zwei  Teile: 

1.  Kol.  I— in  mit  Auszügen  aus  den  erhaltenen  Büchern  37—40  des 
Livius  für  die  Jahre  564/190—575/179. 

2.  Kol.  IV — Vin  mit  Auszügen  aus  den  verlorenen  Büchern  48 — 55 
für  die  Zeit  604/150—617/137. 

Nach  Kol.  m  sind  also  einige  Kolumnen  verloren,  die  die  Auszüge 
der  Bücher  41—47  enthielten.  Vom  Hebräerbrief  auf  der  Rückseite 
fehlen  an  der  entsprechenden  Stelle  12  Kolumnen.  Da  aber  dort  auf 
derselben  Fläche  mehr  Kolumnen  niedergeschrieben  sind,  so  ist  der 
fehlende  Teil  bei  unserer  Epitome  auf  alle  Fälle  geringer  als  12  Kolumnen, 
etwa  9—10  Kolumnen.  Weiter  fehlt  innerhalb  des  zweiten  Teils  eine 
Kolumne,  nämlich  zwischen  VI  und  Vn  mit  einem  Teil  der  Auszüge  für 
die  Jahre  611/143  und  612/142,  was  ebenfalls  bewiesen  wird  durch  eine 
entsprechende  Lücke  im  Hebräerbrief,  hier  nach  Kol.  VIII. 

Der  Umfang  der  Auszüge  aus  den  einzelnen  Büchern  des  Livius  ist 
sehr  verschieden.    Verhältnismässig  gross  ist  der  Auszug  aus  Buch  39 


deckt  bei  philium,  wie  ich  ursprüngUch  auch  gethap  habe,  an  einen  griechischen 
Schreiber.  Aber  ob  der  Papyrus  auf  dem  Recto  in  Ägypten  und  nicht  in  Italien  be- 
schrieben wurde,  ist  immerhin  die  Frage.  Die  Schrift  spricht  nach  Gundermann  für 
die  zweite  Annahme. 


Die  neue  Livius-Epitonw.  9 

und  im  zweiten  Teil  aus  den  Büchern  50,  54  und  55.  Auch  Buch  53 
war  offenbar  sehr  ausführlich  ausgezogen,  ist  aber  infolge  des  erwähnten 
Verlustes  einer  Kolumne  nur  mit  Anfang  und  Schluss  erhalten.  Bei 
Buch  51  und  52  war  schon  der  Auszug  ein  sehr  dürftiger,  dazu  kommt 
dann  die  schlechte  Erhaltung  von  Kol.  VI. 

Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  im  allgemeinen  streng  chronologisch, 
d.  h.  jedesmal  mit  Voranstellung  der  Konsuln  des  betreffenden  Jahres, 
dessen  Ereignisse  verzeichnet  werden  sollen. 

Die  Stoffauswahl  ist  äusserst  wunderlich.  Besonders  wertvoll  wird 
aber  der  neue  Text  dadurch,  dass  er  nicht  nur  die  Ereignisse  der 
äusseren,  sondern  auch  solche  der  inneren  Geschichte  berücksichtigt. 
Neben  den  grossen  historischen  Ereignissen  der  äusseren  und  inneren 
Geschichte  sind  dann  dem  Zeitgeschmack  des  Verfassers  entsprechend, 
einzelne  Heldenthaten,  Anekdoten,  z.  T.  mit  pikantem  Inhalt,  stupra, 
Notizen  über  Spiele,  Giftmischerei,  Vertreibung  der  Chaldaeer  aus  Rom 
und  Italien,  Prodigien  etc.,  alles  in  buntem  Wechsel  mit  den  Haupt-  und 
Staatsaktionen,  aufgenommen. 

Dass  die  Vorlage  des  Papyrus  wahrscheinlich  viel  umfangreicher  war, 
habe  ich  oben  (S.  4)  schon  angedeutet. 

Welchem  Zweck  der  Auszug  diente,  ergiebt  sich  aus  dem  Inhalt. 
Derselbe  verbietet  an  ein  Schulbuch  zu  denken.  Vielmehr  haben  wir  es 
mit  einem  jener  kurzen  chronologischen  Arbeiten,  für  Erwachsene  ge- 
fertigt, zu  thun,  wie  sie  in  Ägypten  schon  mehrfach,  bis  jetzt  allerdings 
nur  in  griechischer  Sprache,  zu  Tage  gekommen  sind,  wie  z.  B.  die 
sechs  Kolumnen  eines  chronologischen  Werkes  Oxyrhynchus  Pap.  I  No.  XII 
oder  der  von  Keil  herausgegebene  Auszug  aus  einer  Geschichte  Athens 
{Anonymus  Argentinensis)  oder  endlich  der  neuerdings  zu  Tage  gekommene 
kleine  Rest  eines  solchen  Auszugs  aus  einer  Geschichte  Siziliens  (Oxy- 
rhynchus Pap.  rv  No.  665).  Dass  ein  gleichartiger  Auszug  aus  der 
römischen  Geschichte  in  letzter  Linie  auf  Livius  zurückgeht,  ist  nicht 
auffällig.  Denn  Livius  bezw.  eine  Liviusepitome  des  ersten  nachchrist- 
lichen Jahrhunderts  war  nicht  eines  von  vielen  historischen  Werken 
sondern  war  das  Geschichtsbuch,  aus  dem  man  die  Geschichte  der  Re- 
publik in  der  Kaiserzeit  studierte. 

n. 
Die  Wiederherstellung  des  Papyrus. 

Je  nachdem  die  Verluste  an  dem  Papyrus  im  Anfang,  in  der  Mitte 
oder  am  Ende  der  Zeilen  eingetreten  sind,  können  wir  die  Kolumnen  in 
drei  Gruppen  scheiden.  Am  leichtesten  ist  die  Arbeit  des  Ergänzers  im 
Falle  dass  die  Verderbnis  innerhalb  der  Zeilen  liegt,  wie  das  im  all- 
gemeinen bei  den  Kolumnen  n  und  Vn  (bei  letzterer  mit  Ausnahme  der 
drei  letzten  Zeilen,  deren  Anfang  fehlt)  der  Fall  ist  (a).    Damach  (b) 


10  E.  Kornemann, 

behandele  ich  die  Kolumnen  (I  und  V),  bei  denen  die  Anfänge  der  Zeilen 
fehlen.  Auch  hier  ist  die  Möglichkeit  der  wörtlichen  Ergänzung  gegeben, 
weil  die  Zeilen,  abgesehen  von  den  wenigen  ausgerückten  mit  den  Eonsul- 
namen,  gleichmässig  einsetzen.  Ungemein  schwieriger  ist  bei  der  oben 
beschriebenen  ungleichen  Länge  der  einzelnen  Zeilen  dagegen  die  Wieder- 
herstellung, sobald  Teile  der  Kolumnen  auf  der  rechten  Seite,  also  am 
Ende  der  Zeilen  fehlen.  Das  ist  der  Fall  bei  den  Kol.  m.  IV.  VI.  VIH, 
die  ich  daher  unter  c  besprechen  werde. 

a)  Die  Wiederherstellung  von  Kol.  n  und  Vn. 

Von  Kol.  n  sind  zwei  Stücke  vorhanden,  die  uns  den  Anfang  und 
das  Ende  sämtlicher  Zeilen  geben.  Die  innere  Bruchlinie  verläuft  bei 
beiden  Stücken  bis  Z.  44  ziemlich  geradlinig.  Erhalten  sind  auf  dem 
vorderen  Stück  8 — 11  Buchstaben,  im  Durchschnitt  also  etwa  9 — 10  und 
der  Ausfall  beträgt  bis  dahin,  wie  sich  aus  den  ganz  sicher  zu  ergänzen- 
den Zeilen  37.  38.  39.  40,  auch  42  und  43  ergiebt,  pro  Zeile  etwa 
12 — 13  Buchstaben.  Dagegen  in  Z.  45  ist  vom  vorderen  Stück  ein 
klein    wenig  mehr    verloren    gegangen    (erhalten  9   Buchstaben  gegen 

11  in  Z.  44),  so  dass  etwa  14  Buchstaben  hier  als  verloren  angenommen 
werden  können,  während  bei  Z.  46  und  47  (mit  9  [darunter  zwei  t] 
bezw.  7  erhaltenen  Buchstaben,  auf  dem  vorderen  Stück)  sogar  für  etwa 
15  verlorene  Buchstaben  Kaum  vorhanden  ist.  Von  Z.  49  verengert  sich 
durch  bessere  Erhaltung  des  vorderen  Stückes  wiederum  die  Lücke: 
Z.  49  selbst  mit  9  erhaltenen  Buchstaben  im  Anfang  verlangt  wieder 
etwa  12—14  Buchstaben  zur  Ausfüllung  der  Lücke,  Z.  51 — 54  dagegen 
mit  durchschnittlich  11  erhaltenen  am  Anfang  nur  etwa  11 — 12  Buch- 
staben. 

Von  Kol.  vn  fehlt  ein  viel  kleineres  Stück.  Das  Fehlende  lässt 
sich  aus  den  im  Innern  allerdings  etwas  lückenhaften  Zeilen  178.  179. 
180  und  den  dann  folgenden,  gerade  gegen  das  Ende  hin  vollständig 
erhaltenen  Zeilen  182 — 189  berechnen,  da  die  beiden  gradlinigen 
Bruchlinien  durch  den  ganzen  Papyrus  hindurchgehen.  In  Z.  178.  179 
und  180  stehen  auf  dem  Kaum,  der  der  Lücke  im  oberen  Teile  des 
Papyrus  entspricht  7  Buchstaben,  Z.  182  dagegen  8,  Z.  183  und  184 
(die  allerdings  die  zweite  Bruchlinie  nicht  erreichen):  6,  Z.  185  und 
186:  7V,,  Z.  187  und  189:  8,  Z.  188  wieder  nur  knapp  7  Buch- 
staben. Zur  Ausfüllung  der  ganzen  Lücke  sind  demnach  6  bis  8  Buch- 
staben erforderlich.  Die  Lücke  in  diesem  Umfang  nun  liegt  in  den 
Zeilen  164  und  165  vor.  Dagegen  von  Z.  167  ab  verengert  sich  die 
Lücke  etwas,  weil  das  hintere  Stück  mit  den  Zeilenenden  um  etwa  zwei 
Buchstaben  breiter  wird.  Von  dieser  Zeile  ab  dürfen  wir  nur  noch  5  bis 
6  Buchstaben  als  fehlend  annehmen,  bezw.  für  die  Zeilen,  die  nicht  bis 
auf  das  hintere  Stück  sich  erstrecken,  im  Maximum  5  Buchstaben. 
In  Z.  177  ist  die  Lücke  durch  geringes  Zurücktreten  des  hinteren  Stückes 
wieder  ein  wenig  grösser,  so  dass  man  auf  7  Buchstaben  von  neuem 


Die  fwue  Livius-Epitome.  11 

hinaufgehen  könnte.    Dagegen  in  Z.  178 — 180  schrumpft  sie  stark  zu- 
sammen, um  von  Z.  181  ab  ganz  zu  verschwinden. 

Bei  den  letzten  drei  Zeilen  (Z.  187—189)  der  Kolumne  haben  wir 
den  Fall,  der  uns  unter  b  beschäftigen  wird,  dass  nämlich  der  Anfang 
der  Zeilen  fehlt.  Die  Berechnung  der  fehlenden  Buchstaben  ist  sehr 
sicher.  Denn  die  Bruchlinie,  vor  der  der  beschriebene  Teil  des  Papyrus 
hier  abgesprungen  ist,  setzt  sich  nach  oben  durch  die  erhaltenen  Teile 
hin  bis  zur  Zeile  174  fort.  Die  Zahl  der  Buchstaben  auf  diesen  Zeilen 
bis  zur  Bruchlinie  beträgt  11 — 13.  Soviel  wären  also  am  Anfang  von 
Z.  189  zu  ergänzen,  während  auf  Z.  187  und  188  je  ein  Buchstabe 
weniger  fehlt. 

b)  Die  Wiederherstellung  von  Kol.  I  und  V. 

In  Kol.  I  haben  die  Anfänge  der  Zeilen  1 — 13  etwa  denselben  Ver- 
lust erlitten.  Derselbe  lässt  sich  berechnen  aus  den  Zeilen  4  und  5, 
sowie  7  und  8,  die  sich  leicht  und  sicher  ergänzen  lassen,  und  zwar  Z.  4 
und  5  mit  6%,  Z.  7  mit  7,  Z.  8  mit  6  Buchstaben.  Es  ergeben  sich 
also  6 — 7  Buchstaben  hier  als  verloren.  In  Z.  14  ist  der  Verlust  um  einen 
Buchstaben  geringer.  Dagegen  in  Z.  15  und  16  weicht  die  Bruchlinie 
etwas  zurück,  sodass  wir  wieder  7  oder  gar  8  Buchstaben  ergänzen 
dürfen.  Z.  17  ff.  wird  der  Ausfall  noch  grösser  und  zwar  um  weitere 
2 — 3  Buchstaben.  Wir  dürfen  jetzt,  wie  sich  auch  aus  der  sicher  zu  er- 
gänzenden Z.  18  ergiebt,  9 — 10  Buchstaben  als  verloren  ansehen  und 
zwar  anfangs  10,  später  (von  Z.  21  etwa  an)  ca.  9  Buchstaben. 

In  Kol.  V  beträgt  der  Verlust  im  Anfang  der  Zeilen  HO — 114,  wenn 
man  die  Ergänzungen  von  HO  und  112  zu  Grunde  legt,  etwa  8  Buch- 
staben. Von  Z.  115  ab  bis  zum  Schluss  ist  der  Verlust  um  ca.  2  Buch- 
staben grösser,  so  dass  man  jetzt  etwa  mit  10 — 11  ausgefallenen  Buch- 
staben rechnen  darf. 

c)  Die  Herstellung  von  Kol.  HI.  IV.  VI.  Vm. 

Bei  der  sehr  ungleichen  Länge  der  Zeilen  kann  es  sich  hier  nur 
darum  handeln  eine  Ergänzung  zu  finden,  die  der  Durchschnittslänge  der 
Zeilen  (34—35  Buchstaben)  nahekonmit,  eine  Ergänzung,  die  natürlich 
nur  den  Anspruch  erhebt,  den  Sinn  des  Berichteten  wiederzugeben. 

Voft  Kol.  ni  ist  bis  Z.  64  noch  nicht  die  Hälfte  der  Zeilen  erhalten, 
nämlich  11—15,  im  Durchschnitt  also  etwa  13  Buchstaben.  Die  Zeilen 
67 — 70  sind  am  meisten  verderbt,  da  hier  auch  die  Anfänge  der  Zeilen 
(ca.  6 — 7  Buchst.)  fehlen.  Z.  71  ist  wieder  wie  Z.  55 — 64  erhalten 
(13  Buchst),  dagegen  von  Z.  72  ab  bis  zum  Schluss  besitzen  wir  beinahe 
die  Hälfte  der  Kolumne  (15—17  Buchst). 

Besser  steht  die  Sache  im  oberen  Teil  von  Kol.  IV  bis  Z.  92.  Hier 
fehlen  im  Durchschnitt  nur  etwa  5  Buchstaben,  wie  sich  aus  den  sicheren 
Ergänzungen  von  83  (5  B.),  89  (ebenfalls  5  B.)  und  90  (4  B.)  ergiebt 
Dagegen  von  Z.  93  ab  bis  zum  Schluss  wird  die  Möglichkeit  einer  sicheren 
Ergänzung  immer  geringer.    Jetzt  sind  nur  14 — 16  Buchstaben  (Z.  101 : 


12  E.  Korfwmann. 

19  B.,  aber  darunter  7  t),  also  knapp  die  Hälfte  der  Zeilen  erhalten, 
Z.  107  sogar  nur  13,  108:  10,  während  109  abgesehen  von  den  ersten 
drei  Buchstaben  ganz  unsicher  ist. 

Bei  Kol.  Vm  ist  das  Umgekehrte  der  Fall  wie  bei  Kol.  IV,  d.  h. 
sie  ist  am  Ende  besser  erhalten  als  am  Anfang.  In  Z.  191—201  sind  im 
Durchschnitt  nur  etwa  15  B.  erhalten.  Von  Z.  202  ab  bekommen  wir 
zwar  ca.  4  Buchstaben  mehr,  dafür  sind  aber  die  Zeilen  202 — 204  im 
Innern  verdorben.  Z.  205  giebt  schon  21  erhaltene  Buchstaben,  206 :  20, 
207  ca.  24.  Erst  mit  Z.  208  kommen  wir  auf  festeren  Boden.  Hier  haben 
wir  26  erhaltene  Buchstaben  und  fast  die  gleiche  Zahl  ergiebt  sich  nach 
Ausfüllung  der  Lücke  im  Innern  für  die  Zeilen  211 — 213  (25  B.).  Am 
besten  erhalten  sind  endlich  die  Schlusszeilen  216  (mit  26)  und  217 
(mit  27  B.). 

Am  schlechtesten  ist  der  Erhaltungszustand  von  Kol.  VI,  daher  hier 
die  Möglichkeit  der  wörtlichen  Wiederherstellung  auf  ein  Minimum  redu- 
ziert wird.  In  den  Zeilen  137 — 145  sind  im  Durchschnitt  etwa  9  Buch- 
staben vorhanden,  Z.  146 — 162  sogar  nur  etwa  7,  in  der  letzten  Zeile 
(163)  dagegen  noch  einmal  9,  also  noch  nicht  einmal  ein  Drittel  des 
Ganzen. 


m. 
Text  und  Kommentar. 

a)  Text^) 


1)  Hinweise  auf  deo  Text  der  englischeii  Herausgeber  Grenfell  nnd  Hunt 
werde  ich  auch  im  Folgenden  mit  GH.  geben.  Mit  Reid  zitiere  ich  die  nachtrSglicb 
mir  bekannt  gewordene  Arbeit  dieses  Forschers  in  der  Ckuaical  Beview  XVHI  No.  6 
(Juli  1904)  S.  290—300,  mit  Rossbach  weise  ich  amf  Berl phil  Woehensehr.  No.  81/32 
vom  6.  Aog.  1904  Sp.  1020—22  hin. 


14 


Kol.  I. 

1  6 — 7  B.    niaromani  caesi 

2  „  cn.  manlio      cos 

3  „  paxiteromdataestp.  lepidinnsmaximas 

4  „  exmaxünus  q.  fabiom  pr.  qnodflamen 

5  „  alemeratproficisci  insardiniam 

6  „  ant  antiochoregipaxdatalusitani 

7  „  rhodonia  desoli  deductaacilius 

8  „  censuram  petens  inmantes 

9  „  tionemcompellitoribnsconposito 
10  ,  t 

11      „  üb.  xxxuni 

12  „         cia  capta 

13  „         raecisinpamphyliaprQ^lionastatis 

14  5—6  B.  aliberataorigiacontiscaptiaimobilis 

15  7 — 8  B.    nemcuiusuimpass.  erataurumadmit 

16  7  B.        poscentemocciditcaputqueeiusaduirum 

17  10  B.        campanisconuriumdatum  e/t 

18  „  osetlacedaemonioscrnenta  /  /  gelia 

19  „  ulio  calinatore      cos 


8  Vor  pax  ist  nocb  der  Rest  eines  s  zu  erkennen. 

4  e  am  Anfang  ist  nur  teilweise  erbalten. 

5  a  am  Anfang  ebenfalls  nur  teilweise  erbalten. 

6  §int  lesen  GH.  a  ist  auf  der  Pbotograpbie  kaum  zu  seben.  Von  dem  angeblicben  n 
sind  aueb  nur  teilweise  die  beiden  Längsstricbe  vorbanden.  Es  ist  meiner  Ansiebt 
nacb  nicbt  ausgescblossen,  dass  die  zweite  Hasta  ein  i  ist. 

7  acilius  feblt  bei  GH. 

8  ensuram  GH.    minantes  GH. 

9  composito  GH. 

12  c  am  Anfang  nur  teilweise  vorbanden. 

15  admit  oder  adimt. 

16  p  am  Anfang  nur  in  einem  letzten  Best  vorbanden. 

17  coniurium  GH.    Baum  für  ein  i  ist  nicbt  vorbanden.    Es  könnte  böcbstens  eine 
Ligatur  von  i  und  u  angenommen  werden. 

e[8]i  feblt  bei  GH. 


15 


Kol.  I. 

1  in  Hispa]üi&  Bomani  caesi. 

2  M.  Ikduio    ]CiL  ManUo      cos.  565/189 

3  Actolis]  pax  itemm  data  est.    P.  Lepidinns  {maximus} 

4  pantiflex  maximns  Q.  Fabinm  pr(aetorein),  qnod  flamen 

5  Qumnjalem  erat,  proficisci  in  Sardiniam 

6  .]ant    Antiocho  regi  pax  data.    Lusitani 

7  uastati,]  Rhodonia  de  Soli<5>  deducta.    Acilius 

8  Olabrio]  censuram  petens  minantes 

9  accusa]üonem  competitoribns  conposito 

10  destUtjt. 

11  lib(er)  XXXUm 

12  Ambra]ci9,  capta. 

13  GaZ%]raecis  in  PamphyUa  proelio  uastatis 

14  Phrygi]8L  liberata.    Or{i}giacontis  captitia  nobilis 

15  c€nturio][iem,  cnins  nim  pass(a)  erat,  aonun  admit- 

16  ti  node]  poscentem  occidit  capatqne  eins  ad  nimm 

17  repartauü.]    Campanis  conuMnm  datnm  e[5]t. 

18  inter  Achae]os  et  Lacedaemonios  cmenta  [prjoelia. 

19  M.  Messala  C.  Ljiuio  Salinatore      cos.  566/188 


3  Über  die  Zufiigung  einer  Negation  vgl.  den  Kommentar  S.  35. 
P.  Lepidinns  heisst  bei  Liy.  XXXVli  51 :  P.  Licinius.    Wenn  maximus  nicht  das 
Cognomen  dieses  Licinias  ist  (Livios  aUerdings  hat  keinen  Beinamen),  so  ist  es  als 
Dittographie  zu  tilgen,  s.  o.  S.  4. 
4 — 5  flamen  [^trtn]alem :  Acc.  pro  Nom.,  darüber  oben  S.  8. 

6  Hier  kann  ich,  &Us  ant  richtig  gelesen  ist,  keine  Elrgänsung  finden.  Verlangt  wird 
impedj^i  oder  prohib]ait 

7  Gandermann  fasst  Rhodonia  als  spSten  Namen  fUr  Rhodos.  Die  zwei  meiner  An- 
sicht nach  ineinandergeschachtelten  Sätze  (darttber  oben  S.  4)  lauten:  Rhod<tt>  de 
Soli<«-><^erun<.?>:  Liv. XXXVn 56.  7  und  <Äm>onia<cotonta> deducta:  ebda. 57. 7. 

8  minantes:  Acc.  pro  Abi.  s.  oben  S.  8. 

9  GH.  vermuten  statt  conposito  [projposito. 

15—16  Oder:    admit[feiulf<m] ? ;    Gundermann:    ad  mliltendam  se];    Rossbach:    ad<«e^ 
mit[tendum\. 


16 


E.  Kamemann, 


raedaexgallograeciapercra 

inuciusmyrtilusetlmaniliu 

oschartagini^nsiomqui 

t 

aminio      cos 

africanusa  quintismetellisdies 

tratumabitquinereuocaretur 

rib  pl  intergessit  1.  Cornelius 


20  Am  Ende  ist  Doch  der  Rest  einer  Längshasta  zu  sehen. 

22  UrsprüDglich  offenbar  Chartaginientiam ;    nachträglich  ist  dann   t  in  s  verbessert, 
vgl.  GH. 

23  Nach  dem  t  scheint  kein  Wort  mehr  gefolgt  zu  sein ;  doch  ist  die  Sache  nicht  ganz 
sicher. 

24  Vom  a  am  Anfang  ist  nur  wenig  noch  erhalten. 
26  Zwischen  tr  von  tratum  ist  ein  kleines  Spatium. 


20 

9—10  B. 

21 

W 

22 

>? 

23 

n 

24 

T) 

25 

V 

26 

n 

27 

» 

KoL  n. 


28 

scipiodam 

11- 

-12  B. 

^ni 

29 

mT 

30 

per  cflami 

12- 

-13  B. 

incos.ligures 

31 

perdomitia 

W 

taemiliamiinitaesniit. 

32 

latinoram 

» 

inamcoacta 

33 

abromare 

n 

mde/allo 

34 

graecisint. 

n 

9,T  1 1 1  j  cunia 

35 

qnaetrans 

n 

tisp  /  r  /  oluta 

36  sp, 

.  postamo 

s. 

37 

hispatafa 

12- 

-13  B. 

ceetpupillo 

38 

aebutioqu 

V 

rutilius 

39 

tntoretma 

V 

rcumscribserant 

40 

iudicinmr? 

n 

ccha 

41 

aliasubla 

n 

pan 

28  ^ni  sehr  unsicher. 

31  Nach  perdomiti  nur  der  Anfang  eines  u. 

31  Ende:  aemiliana  munita[e  GH. 

32  In  inum  ist  die  erste  Hasta  wahrscheinlich  ein  i. 

34  Ende:  an[ / pejcunia  GH. 

35  Von  dem  t  in  tis  ist  nur  der  Rest  des  Querstriches  erhalten. 
37  hispala  GH. 

41  Ende:  In  pan  ist  das  a  gesichert,  weniger  das  n. 


Die  neue  Livius-Epitomc.  17 

20  deportata  jp]raeda  ex  Gallograecia  per  Trs[eces 

21  direpta.  L.  Jfjinucius  Myrtilus  et  L.  Man{i}liu[5 

22  penes  lcgai\o^  Chartaginiensiiim,  qai 

23  ptdsati  eranjt 

24  M.  Lepido  0.  i^aminio      cos.  567/187 

25  P.  Scipio]  Africanus  a  Quintis  Pettllis  die{s} 

26  dicta  in  Lip^cymwoi  abit  qui  ne  reuocaretur 

27  Gracchus  t]nh.  pl.  intercessit.    L.  Cornelius 


20 — 21  Ergänzung  von  Gundermann  (ähnlich  Beid).    Ich  vermutete  im  Anschluss  an 

GH.:  permagna  j9]raeda  —  per  ThT9[eciam  tracta, 
22—23  penes  auf  Vorschlag  yon  Gii^dermann.    GH.:  per  legat](M  und  am  Ende  von 

23:  <au«ctt>. 
25  P.  Scipio]  sind  nur  7  Buchstaben,  während  ca.  9  wie  in  26  u.  27  erwartet  werden. 

Vielleicht  stand  P.  Cornelius  (=  10  B.)  da. 

dieSj  falls  die  Ergänzung  richtig  ist,  Nom.  pro  Abi.  s.  oben  S.  8. 
25—26  Gundermann:  dies  [longas  tmpejtratum. 

Kol.  IL 

28  Scipio  iBjn[natus jeni. 

29  [lib{cr)XXXÜ]im 

30  per  C.  Flami[ntt«m,  M.  Aemiliu]m  cos.  Ligures 

31  perdomiti.  u[iae  Flaminia  e]t  Aemilia  munitae  sunt. 

32  Latinorum  [XII  milia  Aom^um  coacta 

33  ab  Roma  re[dir6.    Manlius  cu^  de  [(rjallo- 

34  graecis  int[ triumph'\9,r{ct^  pcjcunia 

35  quae  transfZoto  erat,  %a]tis  p[c]r[5]oluta. 

36  Sp.  Postum<i>o  [Q.  Marcio  co]s.  568/186 

37  HispaZa  Yd\ecenia  nwrefrijce  et  pupillo 

38  Aebutio,  qu[cm  T.  Sempronius^  Rutil{i}us 

39  tutor  et  ma[<er  Duronia  ct]rcumscribserant, 

40  iwdicium  Te[ferentibus  5a]ccha<n>- 

41  alia  subla[^a  in  Italia.  His]pam 


80  Hier  setzen  GH.  zwischen  die  beiden  Konsuln  noch  ein  et    £•  sind  aber  schon 

ohne  et  12  ergänzte  Buchstaben,  darunter  zwei  m. 
82  Die  Ergänzung  nach  Rossbach.    muUüudo  ^m]inum:  Reid. 

34  ist  Yon  GH.  falsch  ergänzt;  triuniph]9j[et  ist  wohl  das  Richtige.    Unsicher  bleibt  die 

Ergänzung  yon  int[ Ich  habe  an  ini[eruallo  gedacht;  ygl.  Liy.  XXXIX  6.  8: 

extremo  anni  magisiratibus  iam  ereatis  ....   Cn,  Maniius  Vüiso  de  Oaüis 

triwnphauit ,  serius  ei  triun^Juindi  causa  fuit  etc.    Gundermann:  uk\[efUatus. 

35  Wenn  die  Lesung  Us  richtig  ist,  bleibt  wohl  nichts  anderes  übrig,  ab  (o^ajtis  zu 
ergänzen.  Über  iogaii  ^=  plehs  urhana  im  SpäUatein  ygl.  Isidor,  Orig.  XIX  24.  14, 
Spartian,  vita  Hadr,  3.  5,  dazu  0.  Hirschfeld,  Wien,  Stud.  III  115.  Gundermann: 
tribu]ÜB\  Rossbach:  8tipen]diB, 

37  SUtt  FB[ecenia]  bei  Liy.  XXXIX  9.  5  Fecenia, 

Kornemann,  Die  neoe  Liyiua-Epitome.  2 


18 

E.  Komematm, 

42 

sabactiat 

12 

—13  B. 

amina 

43 

primamafa 

n 

eedita 

44 

galliinital 

n 

rcelliim 

45 

persnasit 

14  B. 

nt  I.  Cornelias 

46 

scipiopos 

15  B. 

Indosuoti 

47 

uos  conl 

n 

t 

48 

app/o  claud 

n 

0      cos 

49 

liguresfa 

12 

-U  B. 

Uisaccepta 

50 

p.  claudiopulchr 

11 

-12  B. 

cinio      cos 

51 

bomini  ccdoc 

n 

eficidamnati 

52 

1.  qnintiusfla 

n 

gallia 

53 

quodphilippQ 

n 

suodeside 

54 

fantegladia 

n 

culum 

44  Id  rcellum  ist  das  r  kaum  noch  zu  sehen. 

45  von  dem  n  in  nt  ist  nur  die  zweite  Hasta  erhalten. 

47  am  Ende  ist  von  dem  t  nur  der  letzte  Teil  des  Querstrichs  vorhanden. 


Koi.  m. 


55 

soaipanubona 

56 

alanatonecen 

57 

uastaitaporcia 

58  m. 

clandiomarcello 

59 

p.  licinicrassipo 

60 

ludisfuneribus 

61 

tabemacnlispo 

62 

nate  /  /  eci  /  /  rat 

63 

inforofuturai 

64 

dim  /  /  /  /  /  mhan 

65 

1  //////  »l^e 

55  Das  m  yon  manu  ist  sehr  eigentümlich  geschrieben.  Die  erste  Hasta  ist  unter  die 
Zeile  heruntergezogen. 

62  ecin  6H.    Ich  vermag  kein  n  zu  sehen. 

63  Am  Ende  ist  nur  eine  Längs- Hasta  noch  zu  sehen.  Da  auch  nicht  feststeht,  ob 
dieselben  nicht  unter  die  Zeile  heruntergeführt  war,  so  ist  es  sehr  unsicher,  ob  ein 
i  vorliegt. 

65  Anfang:  f  1  .  .  .  GH.  Hier  ist  nur  der  oberste  Rand  der  Buchstaben  erhalten, 
f  scheint  mir  sicher,  dagegen  ist  die  Lesung  eines  1  sehr  unsicher. 


Die  netie  lAvius-Epitome.  19 

42  subacti.  dkHiJUetarum  c^Jamina 

43  primum  a  Fupwto  NobiUor\(^  edita. 

44  Galli  in  Ital[iam  ductL  per  Jlfajrcellam 

45  persuasit  [senatus  ut  redtr^Jnt.    L.  Cornelius 

46  Scipio  pos[^  heUum  Antiochi]  ludos  uoti- 

47  uos  conI[ato  pecunia  feci]t 

48  App[t]o  Claud[»o  M,  Sempron{\o      cos.  569/185 

49  Ligures  fx^gati  clade  ab  »Jlis  accepta. 

50  P.  Claudio  Pulchifo  L.  Parcio  L*]cin{i}o      cos.  570/184 

51  homini  ccdc^  oo  a  Naeuio  uenjefici  damnati. 

52  L.  Quintius  Fla[finninüs  cos,  in]  Gallia 

53  quod  Philipp[o  Poeno  scorto]  suo  deside- 

54  rante  gladia[^orn«m  spccta]c\ilnm 


44 — 45  Eine  zweite  mögliche  Ergänzung  (ähnlich  GH.):  lial[iam  trculucti.    3fa]rcelluin 

persuasit  [ut  domum  redire]nt,    3fa]rcellum  wäre  dann  wieder  Agc.  pro  Nom. 
45  GH.:  [ut  trana  Alpes  redire]ni  —  zu  lang! 
49  Die  Ergänzung  gebe  ich  mit  Vorbehalt;  vgl.  unten  S.  48. 

51  GH.:  hominum  c(tr)o(a)  d(iio)  (müia)?  Liy.  XXXIX  41.  6  steht:  ad  duo  milia 
Jwminum  damnauit.  Die  Auflösung  ist  aber  gegen  allen  Sprach-  und  Schreib- 
gebrauch.   Gundermann:  c(e)c({)d{ere)  cp  oo,  bezw.  wie  Reid:  od. 

52  [cos,  in]  Gallia  ergiebt,  wenn  richtig  ergänzt,  enklitische  Stellung  der  Konjunktion, 
die  nicht  selten  ist.  Dass  Flamininus  die  Unthat  als  Konsul  beging,  ergiebt  sich 
aus  Liv.  XXXY  20.  7  u.  22.  8  (etwas  anders  ebda.  40.  2.);  auch  Cic.  Cato  42. 


KoL  m. 

55  sua  manu  Botu[m  fwbüem  occiderat. 

56  a  M.  Catone  cen[sore  senatu  motus  est 

57  basilicsL  Porcia  [facta, 

58  M.  Claudio  Marcello  [Q.  Fabio  Laheone  cos,  571/183 

59  P.  liicini  Crassi  ^[ntifids  maximi 

60  ludis  fune<&>ribus  \fadis  epulum  datum. 

61  tabernaculis  ^[sitis  in  foro  id  quod 

62  t<ate[^  c]eci[ne]rat  [euenit  tabemacula 

63  in  foro  futura.i     17—20  B. 

64  dim m  .  Han[m&a2  ueneno  periit? 

65  f übe 


56  Die  Verderbnis  alanatone  für  a  M,  Catone  ist  bei  einem  so  bekannten  Namen  sehr 
auffällig,  zumal  Z.  114  ganz  richtig  M.  Cato  geschrieben  ist;  s.  oben  S.  7. 

57  SUtt  facta  Rossb«  aedifieata, 

59 — 68  Die  Ergänzung  lehnt  sich  an  diejenige  von  GH.  an,  sucht  aber  die  Yorhandenen 

Lücken  besser  auszufallen. 
64  Hier  war  der  Tod  des  Hannibal  berichtet,  in  dieser  oder  einer  anderen  Form. 


2» 


20 

E.  Komemann, 

66 

1 

67 

n  berig 

68 

bellnmp 

69 

^llitesin 

70 

theoxen 

71 

üunarem  /  ngien 

72 

flcti  egriqionibns 

73 

perpatreip  coactu 

74  p. 

lentulo  m  paebig 

75 

inagro  Ineryllisc 

76  a. 

p  ostumio      c. 

77 

cumliguribus  his 

78 

1.  liniustrib.  pL  quo4 

79 

magistratompete 

80 

est 

81  q. 

foluio  1.  manlio  c 

82 

mlepidietfuluiino 

67  1.  Si[emlu)  c]n,  berio  GH.    Die  mir  Torliegende  Photographie  bietet  1.  a  nicht 

68  Am  Ende  der  Zeile  ist  nur  eine  Yertical-Hasta  zu  sehen,  die  die  Zeile  nach  unten 
überschreitet.    Statt  p  könnte  abo  auch  r  gelesen  werden. 

77  Ende:  hisp  GR 

78  Der  letzte  Buchstabe  der  Zeile  ist  nur  mit  einem  winzigen  Teilchen  erhalten.    Es 
ist  nicht  ausgemacht,  dass  es  ein  d  ist 

81  m.  manlio  GH.,  offenbar  ein  Versehen.    1.  ist  sehr  deutlich  geschrieben. 


Kol.  IV. 

83  aduersuscha  /  /  aginienseslnsitaniua 

84  c.  Cornelia  /  /  /  /  /  eQusquod  p.  decimsu 

85  a  /  ictamingenij  /  mstuprauerat      dci 

86  damnatus 

87  IIb      XXXXÜ/m 


84  ecus  oder  egus. 

85  Lesung  im  Anfang  sehr  unsicher. 

Ende:  nach  stuprauerat  ein  grösseres  Spatium. 

d  cu  GH.    Meiner  Ansicht  nach  steckt  darin  eine  Zahl. 

86  Vor  damnatus  ein  Raum  für  8  Buchst,  der  aber  offenbar  unbeschrieben  war. 


Die  neue  lAviu^Epitomc.  21 

66  \[ib{er)  XXXZ]. 

67  L.  AemiUo  C\vl  B<a>ebio  [cos  572/182 

68  Hispani\  bellum  i^[arcMerunt? 

69  heUa  u]el  lites  in[^  -^m'oö  rögrc5  composita, 

70  6 — 7  B.]  Tlieoxeii[a  cum  uiro  liberisque 

71  in  mare{in}  |/Jugien[5  se  iectt.    Demetrius 

72  flctw  (Timinibus  [accusatus  a  fratre 

73  per  patrem  coactu[^  jpocu&im  haurire. 

74  P.  Lentulo  M.  -Baebio  [coä.  573/181 

75  in  agro  L.  Nerylli  Hc[ribae  libri  Numae  inuenti. 

76  A.  Postumio  C.  <Calpurmoy  [cos.  574/180 

77  cum  liiguribus  ffis[jpam  subacti. 

78  L.  Liuius  trib.  pl.  quo^  [annos  nati  qucmqiAe 

79  magistratum  fete[rent  rogauü.  Annälis  appeUatus 

80  est 

81  Q.  Fuluio  L.  Manlio      c[os.  575/179 

82  M.  Lepidi  et  Fuluii  No[Wto)m  censorum 
[inimicitiae  finüae]. 


75  Der  Name  NeryUi  lautet  nach  Liviu«  (XL  29.  8)  Petüii,  nach  der  Per,  PeHüi. 

76  Nach  C.  ist  noch  ein  Raum  von  2Vt  cm.  erhalten,  der  unbeschrieben  ist.  Nun  sind 
ja  allerdings  die  Namen  der  Konsuln  mit  grösseren  Spatien  gesehriebefiy  sodass  man 
anzunehmen  geneigt  sein  könnte,  Calpumio  habe  auf  dem  Yerlorenen  Teil  der  Kol. 
gestanden.  Aber  zwischen  praenomen  und  nomen  wäre  ein  so  grosser  Zwischen- 
raum höchst  auffäUig. 

78  L.  Liuius  ist  verschrieben  für  L,  Viüius. 

7g_79  GH.:  pete[ren^  rogoHo  lata]  est  Meine  Ergänzung  von  Z.  79  ist  etwas  lang 
(48  B.);  kürzer  Ännälia  uocatus. 

Hier  fehlen  ca.  9—10  Kolumnen. 
Kol.  IV. 

83  aduersus  Clia[r<]aginienses.    Luedtani  UB[staH. 

84  C.  C!onieliu[5  Ceth]effus  quod  P.  Decim(am)  8v[lpicio? 

85  a[cM]ictam  iiigenu[a]m  stuprauerat      DCI . . . 

86  damnatus. 

87  Hb(er)  XXXXV[i]m 


88  Die  beiden  ersten  Worte  sind  das  Binde  eines  Gedankens  der  vorhergehenden 
(verlorenen)  Kolumne;  vieUeicht  war  die  Rede  vom  btüum  Masinissae]  aduersus 
Carthaginienses;  vgl.  Per.  48  Ende. 

84_85  Hier  dachte  ich  Mher  zu  ergänzen  P.  Deci<tf>m  . . .  ingenu[tf]m  unter  An- 
lehnung an  die  seitlose  Geschichte  bei  Val.  Max.  VI  L  10;  vgl.  Oxyrh.  Pap,  IV 
S.  104.  Jetzt  glaube  ich,  das«  in  P.  Decim.  der  Name  der  geschändeten  Frau 
steckt.  Die  Abkürzung  Decim(us)  kehrt  Z.  203  wieder.  Über  den  Freien  an 
Sklavenstatt  infolge  von  addietio  vgl.  Mommsen  St,  R,  DI  S.  46  u.  47  Anm.  1; 
Strafrecht  S.  751,  946  und  1028. 

85    Ende:  Gundermann:  D(e)ci[mae? 


22  E.  Kornemann, 


88  1. 

inarciocensorino  m.  man  lio      cos. 

89 

bellnrnpimicumtertiiunexortumutic 

90 

/  enignelocant^uxiliatechartagin  /  ^ 

91 

/  n  /  edicionemo^nenmtiassiQmn  /  ^ 

92 

inaliumlocnmtr  ///////  emo 

93 

reäieruntroman  ///////§ 

94 

pepuleruntscipio 

95 

i 

aemilianif[[o]]deinp 

96 

lianiairtuteexer 

97 

^poeniseratliber 

h 
percaridemnmpoe 

98 

99 

tanisrensproduct 

100 

fili  quosflenscoip 

101 

tuisephilippiphilio 

102 

p^rarmaoccupata 

103 

manlioetmarcoc 

104 

re  /  factosquo  /  opo 

105 

carminibu^  /  /  /  en 

106 

1 

107 

persoc  /  ospop? 

108 

inultim  /  mc 

109 

lat  /  /  / 1  /  /  »t 

88  In  man  Ho  ist  zwischen  n  und  1  soviel  Raum,  dass  ein  i  dazwischen  gestanden 
haben  kann.    Dieser  Buchstabe  ist  daher  wohl  als  verloren  zu  ergänzen.    GH.  da- 
gegen Man<(t)>lio. 
90  Die  Lesung  locan^  ist  am  Ende  nicht  ganz  sicher. 
92  GH.  lesen  tr^  vor  der  Lücke. 

98  Das  8  am  Ende  nach  GH.    Ich  vermag  es  nicht  zu  sehen. 
95  Ob  ursprünglich  fodem  hier  stand,  ist  zweifelhaft.    Darüber  s.  o.  S.  3. 
98  Das  übergeschriebene  h  ist  auf  der  Photographie  kaum  zu  lesen. 
101  Anfang:  tji  GH.    Vielleicht  hat  qui  dagestanden. 
107  socios  GH.    Aber  schon  das  c  ist  kaum  zu  lesen. 

109  So  GH.    Die  Buchstaben  ausser  lat  am  Anfang  sind  aber  nur  in  Andeutungen 
vorhanden. 


Die  neue  Livius-Epitome.  23 

88  L.  Marcio  Censorino  M.  Man[i]lio      cos.  605/149 

89  bellum  Punicum  tertium  exortum.     \Jti(![enses 

90  [ftjenigne  locant  auxiliate  Chartagin[f]e[fWö* 

91  [i]n  [dfjedicionem  uenerunt .  iussi  omii[»]a  [saa 

92  in  alium  locum  tT[ansferr]e  mo[ta  ira  ad  arma 

93  redierunt.    Romaii[orttm  con]^[tdes  Poeni  obsessi 

94  pepulerunt.    Scipio  [trib.  mil.  fugiewtes  defendit, 

95  Aemiliani  fidem  ^oeni  admirati  8UfU(^).    Aemi- 

96  liani  uirtute  exeifciYti^,  qui  obsessus 

97  a  Poenis  erat,  liber[a^M^.    16  B.  ca. 

98  per  Charidemum  poe[ Ser.  Odtba  a  Lusi- 

99  tanis  reus  prodact[f<^.    quem  seruauerunt 

100  fili,  qnos  flens  cxim[mcndauü.    ab  Andriseo^ 

101  9]ui  se  Philipp!  /*iliü[m  ferebtU,  Macedonia 

102  per  arma  occapata.[ 

103  Man<i>lio  et  Marc<»>o  c[os,  quarti  ludi  saectda- 

104  Te[s]  factos  quof^J  opo[r^ö  Diu  ex  SibyUae 

105  carminibus  [Tar]eii[^'  facti  sunt. 

106  \[ib{cr)  L] 

107  per  soc[i]os  popu[!i  Bomani  PseudopMUppus 

108  in  ultim[.]m  c[ lex  de  pecuniis  repetundia 

109  lat[a  . .]  l . .  at[  Nicamedes  re- 


90  Die  YerderbnU  von  locaot  auxiliate  ist  schwer  zu  heilen.  GH.  denken  an  auxillat« 
(sunt)  und  eine  stärkere  Verderbnis  besUglich  locant.  Vielleicht  stand  da:  locant 
auxilium  oder  locant  auxilia  et.  Auffällig  ist  allerdings,  dass  das  Verbum  dann 
im  Praesens  und  vor  seinem  Objekt  steht;  zu  der  zweiten  Eigentümlichkeit  vgl. 
man  aber  Z.  111. 

92  Die  Ergänzung  am  Schluss  nach  Reid;  vgl.  Florus  I  81.  8. 

94  Hier  kann  trib.  mil.  auch  wegbleiben,  bezw.  durch  Äemilianus  ersetzt  werden. 
fugientes  defendit  stammt  aus  Orosius  IV  22.  7. 

97—98  Die  Ergänzung  ist  hier  aus  Mangel  eines  Parallelberichtes  unmöglich. 

100  com[mendauit]  oder  Qom[plexu8  est]  (so  GH.). 

101  steht  eine  sachliche  Unrichtigkeit.  Andriscus  nannte  sich  nicht  PhiUppi  filium, 
sondern  es  müsste  dastehen  Philippum  Persei  fUium,  vgl.  Per.  49  S.  54  Z.  15 — 6  (Jahn). 
Reid  will  daher  statt  tii  se  Philipp!:  [Per]8ei  se  Philippum  lesen. 

103—5  Die  Ergänzung  stammt  von  Wissowa;  vgl.  im  übrigen  unten  S.  50. 
109  ergänze  ich  nicht  Prtuiiis  wie  GH.  sondern  Nicomedes  mit  Rücksicht  auf  die  ersten 
Worte  von  Kol.  V.    Vor  Nicomedes  stand  vielleicht  p]at[r«  occiso. 


24  E.  Komcmann, 

Kol.  V. 

110  niaepo^itusestadattalomregeip 

111  inpagnamentasisantlegatiinarcQ 

112  ricus  a.  hostilinsmancinuscapite 

113  a  quondam  1.  maniliusuolsostolidus 

114  ligationemdixerunt  m.  catorespondit 

115  necpedesneccorhaberent  m.  sca/tius 

116  amtnlit  in  staprodepr^^ensi 
116a 

117  ne      cos 

118  imaesenectutis  liberos  IUI 

1 19  sreliqnitdecedenscuiusre 

1 20  imisfilispermiliaannumdistribntnm 

121  atusadmasinissaminissas 

122  sdrubal  quodadfinismasiniss^rat 

123  tasi]Lbselli  sociusestscipioaemilianas 

124  ^s 

125  inafricampr  /  /  peredimicatus  /  / 1 

126  thessaliaexercituscaesiis 

127  metellocaptussacrarium 

128  ossocimaximoincendio 


110  Für  das  erste  s  in  positus  scheint  ursprünglich  ein  anderer  Buchstabe  dagestanden 
zu  haben. 

111  Das  o  am  Ende  der  Zeile  ist  höchst  unsicher.    Es  ist  hier  wie  auch  am  Ende  der 
vorhergehenden  Zeile  eine  Verschmiernng  eingetreten. 

116  deprehensi  GH.    Das  i  ist  sehr  unsicher.    Es  scheint  die  erste  Hasta  eines  neuen 

Buchstaben  zu  sein. 
116a  Nach  Z.  116  ist  noch  Raum  für  eine  Zeile,  die  bei  GH.  nicht  in  die  Erscheinung 

tritt.    Ich  habe  sie  mit  116a  bezeichnet,  um  in  der  Zählung  der  Zeilen  mit  der 

englischen  Ausgabe  in  Übereinstimmung  zu  bleiben. 
118  ist  der  erste  Buchstabe  schwer  zu  lesen.    Es  kann  auch  ein  t  sein;  dann  wäre  das 

i  vergessen. 
123  Hier  ist  vom  ersten  Buchstaben  nur  der  Querstrich  vorhanden.    Darnach  liegt  der 

Schluss  auf  ein  t  am  nächsten. 
126  pr[o]8pere  GH. 

Ende:  dimicatus  [es]t  GH. 


Die  neue  Livius-Epüame.  25 

Kol.  V. 

110  gno  Bitihy]m2LQ  po^itus  est.    ad  Attalam  regem 

111  deductum]  in  pngnam  missi  sunt  legati  Marc[tt^]  (JAciniusy 

112  uir  iMM^a^Jricus  A.  Hostilius  Mancinus  capite 

113  idus  tes(\h  quondam  L.  Maii{i}Iins  Volso  stolidus. 

114  his  qui  eam]  legationem  dlxeront  M.  Cato  respondit 

115  cum  nee  capui\  nee  pedes  nee  cor  haberent    M.  Sca[n]titts 

116  qui  rcpttfojam  tulit  in  stupro  deprehens[tt5] 
116a  [se  occidü?] 

117  Sp.  Albino  L.  Pfoojne      cos.  606/148 

118  Miisinissa  uttj^mae  senectatis  liberos  mi 

119  ei  XL  nothd]p  reliquit  decedens.    cuius  re- 

120  gnum  legifpnis  Alis  per  <i4e>milia{an}num  distributum. 

121  Claudius  2^^]atas  ad  Masinissam  missns 

122  interiit.    i7a]sdrubal,  quod  adfinis  Masiniss(ae)  erat, 

123  per  fragmen]tA  subselli  {s)o<c>ci<5>us  est    Scipio  Aemilianns 

124  cansui  creat]as, 

125  M.  Manilius]  in  Africa{m}  pr[o«]pere  dimicatus  [^]t 

126  luuenti  pr.  in]  Thessalia  exercitus  caesus. 

127  Andriscus  a]  Metello  captus.    sacrarium 

128  Opis  ei  laur]as  soei  maximo  incendio 


111  Die  Ergänzung  von  Gnndennann;  ich  wollte  schreiben:  [a  Romanü]  iu  Perg&mum 
statt  in  Pergamtfno« (?)  GH.;  [et  Prusia]m  FergtLsnum:  Reid;  [Pergami]  et  Prugiam: 
Rossb.  Aufföllig  ist,  dass  der  Vorname  Marcus  allein  ausgeschrieben  ist.  GH. 
vermuten,  dass  in  der  Vorlage  gestanden  habe  M.  und  dann  ein  Cognomen 
Arc[Äww^ 

114  Vielleicht  auch  [quoa  esse], 

115  Anfang  genügen  nee  caput  nicht  sur  Ausfüllung  der  Lücke.  Etwa  zwei  Buch- 
staben fehlen  noch;  neben  cum  könnte  man  auch  an  qui  denken^ 

115  Ende:  M.  Sca[nK«i>iu8  GH. 

116  Warde  Fowler  vermutet,  dass  hier  die  lex  Scantinia  (Mommsen,  Böm.  Str(ifr, 
S.  708)  erwähnt  sei  und  ergänzt  daher:  (^dey  in  stupro  deprehensi<«^. 

118  Ma8ini8(8a)  t42t]imae  GH.  Es  ist,  da  ein  Eigenname  an  der  Spitze  steht,  auch  die 
Möglichkeit  in  Betracht  zu  ziehen,  dass  die  Zeile  etwas  ausgerttckt  war. 

120  Ergänzung  im  Anschluss  an  Reid.    natu  tiuu;]imis  GH.  (zu  lang). 

121  MarceUus  leg]9,tm  GH.    12  Buchstaben! 

122  obrutus  J7a]sdrubal  GH.:  nur  9  Buchst.!  Ausser  interiü  könnte  man  etwa  noch 
absumptus  vermuten. 

123  Da  das  t  am  Anfang  wenig  sicher  ist,  könnte  wohl  auch  ergänzt  werden:  a  suis 
in  curjia  subsellis  oc<^e^i^«)>us.  Auf  diese  Weise  flinde  das  s  von  socius  auch  Ver- 
wendung. 

125  Der  richtige  Vorname  des  Mannes  ist  M.*;  s.  aber  o.  Z.  88. 

126  ist  aufzulösen:  [luuentü  pr(aetari8)  in]  Thessalia. 

127  [Phüippus  a]  GH. 

128  Mit  soci  weiss  ich  nichts  anzufangen.  Rotsbach:  /bei.  Gundermann:  loei  oder 
[2at4r]us  soci  =  ,die  beiden  Lorbeerbäume*?  (vgl.  aber  Obsequens  19). 


26  K  Kamemann, 


129 

130 

131 

cos 

132 

gineinappinscrudelissime 

133 

reobsidentiisromanosnon 

134 

inemcrebrisproeli 

135 

um  pr.  corinthilegatiromano 

136 

^itanisabalti 

129 — 180  Nach  128  nehmen  GH.  zwei  unbeschriebene  Zeilen  an,  weil  hier  auch  die 
Angabe  des  neuen  Buches  (51)  gestanden  haben  müsse.  Der  Raum  ist  allerdings 
für  zwei  Zeilen  etwas  knapp.  Aber  man  beachte,  dass  129  wahrscheinlich  nur 
aus  einem  Wort  bestand,  und  dass  in  diesem  Falle  die  Buchangabe  so  hoch  hinauf- 
gerückt sein  konnte,  dass  die  Buchstaben  von  130  noch  auf  den  Raum  von  129 
hinaufttigten.    Diesen  Fall  können  wir  in  Z.  172  und  178  auch  beobachten. 

o 

182  Appius  GH.  Ich  glaubte  auf  der  Photographie  appius  lesen  zu  können.  Hr.  Gren- 
feil  belehrt  mich  aber  auf  briefliche  Anfrage  hin,  dass  das  Original  diese  Lesung 
nicht  bestätige. 

188  Anfang:  ne  GH.     Das  r  ist  aber  sehr  deutlich. 


Kap.  VI. 


137  cn.  corne 

138  /  erscipion 

139  /  ireptaqu 

140  ^issetoxo 

141  dnobusfil 

142  potestate 

143  aemiliaq\i 
144 

145  1.  mnmanusc 

146  uxoreo 

147  peruriam 

148  accepta 

149  q.  fabiomax 

150  m.  petron 

151  aduersn 

152  ser.  galba  I. 


187  Zu  beachten  ist,  dass  die  Zeile,  obwohl  sie  die  Konsuln  des  Jahres  enthält,  nicht 

ausgerückt  ist. 
140  u  am  Anfang  ist  unsicher. 
148  Ende:   qu  GH.    Vom  u  ist  kaum  noch  etwas  erhalten  und  auch  das  q  ist  nicht 

über  allen  Zweifel  erhaben. 
147  Der  letzte  Buchstabe  ist  wahrscheinlich  ein  m. 
150  n  am  Ende  unsicher. 


Die  neue  lAvius-Epücme. 

129  [inuiolata]. 

130  \lib{er)  LT] 

131  P.  ComeUo  C,  Liuio]      cos. 

132        Car^AaJgine  in  <c>apäu<o>s  crudelissime 

133  saeuitum.  guajre  obsidentes  Bomanos  non 

134        Carthag\m!&m  crebris  proeli<«>. 

135  per  Ackaeor^ijim  pr(aetorem)  Corinthi  legati  Romano<r>- 

136  tim  uiolati.  Irujsitani  subactL 


27 


607/147 


132  <c>aptin<o>  yerdanke  ich  GuDdermann. 

183  obsidentes  RomaDos  wahrscheinlich  Acc.  pro  Nom. 

133/4  DOD  ist  meiner  Ansicht  nach  verderbt;  daher  ist  die  Ergänzung  von  134  Anf.  so 

schwierig,    con-dunt  oder  con-<«runt(?). 
136  pv^aii  l4i]sitani  GH.    Nur  9  Buchst.!   pulsati  ist  genommen  aus  Per.  51  Ende; 

uiokUi  haben  Per,  52  Z.  8  und  Florus  I  32.  2  (Rossb.). 


Kol.  VL 

137  Cn.  Com^Uo  L,  Mummio  cos. 

138  jp]er  Scipion[cm  Carthago  ea^pugnata  et 

139  djirepta.  qü[am  cum  AemiUanus  inftamnui' 

140  aisset,  uxo[r  Hasdrubalis  pracceps  cum 

141  duobus  fil[f^  in  medium  incendium  iada 

142  potestate[m  uictoris  euasit.  Scipio  exemplo 

143  Aemili,  a  q\i[o  Perseus  uictus  est,  ludos  fecU. 

144  [Kft(er)  LII] 

145  L.  Mammtus  Q^oritUhum  diripuU.    Diaeus 

146  uxore  o[cci8a  perOt.  a  Viriatho  Bomanarum 

147  per<t>uria  m[emoria  tenente  graues  clades 

148  accepta[e. 

149  Q.  Fabio  Max[tmo  L.  Hostüio      cos. 

150  M.  Petron[»i« 

151  adaersu[^  Virialhum  Fabius  cos.  missf$s  est. 

152  Ser.  Galba  L.  [Cotta      cos. 


608/146 


609/145 
610/144 


142—143  Falls  qu  am  Ende  von  143  richtig  gelesen  ist,  ist  die  ErgSniung  der  Stelle 
gegeben.  Man  erwartet  hier  eine  Erwähnung  der  Spiele  des  AemllianuB  (vgl. 
Per.  51  gegen  Ende). 

145  C\orinthum  diruü  GH.    Ich  siehe  diripuü  vor  mit  Rücksicht  anf  Z.  189. 

147  Die  Ergänzung  nach  Appian  Jb.  61. 


28  E.  Komemann, 


153 

1.  meteil 

154 

sulatum 

155 

quiinuis 

156 

Petitum 

157 

syrian^ 

158 

c  /  /  tent 

159 

160  q 

metello 

161  ■ 

rethog 

162 

liberos  i 

163 

proposito^ 

160  Der  erste  Buchstabe  darf  nicht  ohne  weiteres  als  q  bezeichnet  werden  (so  GH.). 
Die  Photographie  wenigstens  zeigt  am  äussersten  Rand  nur  eine  Längs-Hasta,  die 
nicht  nur  unter,  sondern  auch  über  die  Zeile  ragt  Aus  letzterem  Umstände  könnte 
man  auch  auf  ein  1  schliessen. 

161  Das  g  am  Ende  ist  nicht  deutlich. 

162  Am  Ende  ist  nur  eine  Yertical-Hasta  sichtbar.  Dass  ein  t  dagestanden  hat  (GH.), 
möchte  ich  nicht  behaupten. 

168  am  Ende:  a  GH.    Dieses  a  aber  kaum  sichtbar. 


Koi.  vn. 

164  occiditatyresioquemdeuici  ///////  m 

165  donoaccepitsaguloquerem  ///////  ici 

166  /  /  aedextramdedit. 

167  /  /  ^tellus  COS.  alusitanisuex 

168  /  igna  statustabulascorintli  /  /  /  /  /  ummius 

169  distribuitcircaoppidaetrom  //////  uit 

170  n  caepione  q.  pompeio      cos 

171  q.  fabiusmaximuslusitanisca 

172  uiriathumfugauit 


173 


Üb.  Lim 


174  pompeiuscos  annuamantinisd  //////  sin 

175  scordiscisciadesaccep  ta 

176  pione     laelio     salasso    c 

177  appiusclaudiuseuicitneduos  ///////  annus 

178  haberettu  /  miliustorquatus  d.  §  /  /  /  num 

179  filiumsuu  /  /  /  emacedoniad  /  mn  /  /  /  /  /  uneri 

180  nonint^rfuiteademquedieindo  /  /  /  sua 


172  und  173  sind  etwas  ineinandergeschoben;  vgl.  das  oben  zu  129  und  130  Gesagte. 
178  haberet  Uemilius  GH.    Nach  haberet  glaube  ich  noch  ein  zweites  t  zu  erblicken. 


Die  neue  Livius-Epitome.  29 

153  a  Metell[o  Macedonico,  cui  populas  con- 

154  snlatum  [iam  bis  negauercU 

155  qai  inuisfu^  erat  ob  nimiam  seueritcUeni, 

156  petitur  v^ehemefUissime  constdatus. 

157  Syria  \is[stata,  quod  inter  reges 

158  c[on]tent[um  est, 

159  [lib(er)  LHI] 

160  Q  Metello  [Appio  Claudio      cos.  611/143 

161  Bethog[ene^  a  Centobrigensibus  obsessis 

162  liberos  t[ occidi  passurus  erat.    MetcUus 

163  proposito  ^[bstitü. 


153  Die  Zeile  beginnt  mit  einem  1.  Aber  die  Geschichte,  die  enählt  wird,  geht  auf 
Q.  MetelluB  Macedonicus.  Paläographisch  am  einfachsten  löst  sich  die  Sache,  wenn 
wir  eine  Verschreibung  von  {  and  a  annehmen. 

161  Bei  Val.  Max.  V  1.  5  ist  der  Name  Bhetogenes  geschriehen. 

161—168  Die  Ergftnzung  soll  nur  eine  Andeutung  des  Inhaltes  sein;  vgl.  auch  Reid 
S.  297.    Bei  Florus  I  38.  10  heisst  die  Stadt  Nertohriga, 

Hier  fehlt  eine  Kolumne. 


Kol.  VII. 

164  occidit.  a  Tyresio,  quem  deuicip,  gladiu\m 

165  dono  accepit  saguloque  rem[isso  am]ici- 

166  [^t'Jae  dextram  dedit. 

167  [Jlfjetellas  cos.  a  Lusitanis  nex[a^tt^. 

168  [^]igna  stata<a>s  tabolas  Corinthfie»  L,  üfjummius 

169  distribuit  circa  oppida  et  Rom[am  ornajuit. 

170  C]n.  Caepione  Q.  Pompeio      cos.  613/141 

171  Q.  Fabius  Maximus  Lusitanis  ca[m5 

172  Viriathum  fugauit. 

173  Ub(er)  Lim. 

174  Pompeius  cos.  a{ii}  Nu{a}mantinis  iL{euidu^.  in 

175  Scordiscis  clades  accepta. 

176  Q.  C7ac]pione  [C]  Laelio  Salasso      q{os\  614/140 

177  Appius  Claudius  euicit,  ne  duos  \ddectusl']  annus 

178  haberet  T.  Jlfanlius  Torquatus  D.  S[»te]num 

179  fllium  suu[m  d]e  Macedonia  d[a]mn[at«iYy  /]uneri 

180  non  interfuit  eademque  die  in  do[mo]  sua 


164  occidit  gehört  noch  zu  dem  letzten  Satz  der  verlorenen  Kol. 

164—166  Die  Ergänzung  dieser  Stelle  wird  Reid  und  Wissowa  verdankt. 

177  duos   [deledus]:    Warde  Fowler,   duo  t[t%pendia]i    Greenidgc.    Beide   Vorschläge 

setzen  8  Buchstaben  in  die  Lücke  ein,  während  höchstens  7  gefordert  werden ;  im 

übrigen  vgl.  im  Kommentar  3.  61  f. 


30  E.  Karnemanny 

181  consoltantibasrespoiidit 

182  aepio  cos.  m4elegem  ti  c  /  aadi  amassiliam 

183  ti'b.  pL  interpeUantemprofectioiiem 

184  /  uaipl  /  /  tore  strigemreddeterbuit 

185  /f ablas  maxirnnsauirathiodeoictusde 

186  /  ormemcomhostibas  pacemfecit  q  occios 

187  insidiislu[[s]]sitÄnorumfortissime 

188  Inaedeaotaestaqaaannioaqaa 

189  toliumcontrasibyllaecannina 
190 


182  Ti.  Claudiam  ÄBsiliam  GH.    Bian  beachte  aber  das  Spatium  vor  amafwilium. 
188  trb.  statt  trib. 

184  l[t|ctores  trigem  GH. 

185  yiriath{i}o  GH.    Meine  Lesung  ist  sicher. 
187  t]n  insidiis  GH. 


Koi.  vm. 


191  cn.  pisone       cpolli 

192  chaldaeinrbetil 

193  acabininsuema 

194  soffragiumperta 

195  seruilius  caepio  a 

196  obiecerat  clauo 

197  audaxminurus  ita 

198  niriathuiniugula 

199  üb 

200  /  §c  /  pione      d.  iunio 

201  interfectoresuiri 


194.  195  sind  am  Schlüsse  nur  die  äossersten  Enden  der  sehr  spitz  zulaufenden  a  zu 

sehen. 
197  ist  auch  nur  eine  Andeutung  des  a  zu  konstatieren. 
200  P.  Sc[tlpione  GH. 


Die  neue  Livius^Epitome,  31 

181  consultantibas  respondit. 

182  C]aepio  cos.  inde  legem  Ti.  C[r|audiwm  AssdZum 

183  tr<t>b.  pl.  interpellantem  profectionem 

184  s]uam  „l[ic]tor{e}  stragem  redde"  terruit. 

185  [Q]  Fabius  Maximus  a  Vir<i>ath{i}o  detdctus  de- 

186  [/]ormem  cum  hostibus  pacem  fecit    Q.  Occius 

187  [ifUerceptus]  insidiis  Lusitanorum  fortissime 

188  [pagnauit,  Joui]  in  aede<m>  uota  est  aqua  A{n}nio.  aqua 

189  Mar  da  in  Cajpijtolium  contra  Sibyllae  carmina 

190  [perducta.] 


182  Die  Zeile  war  wohl  ausgerückt;  es  ist  daher  möglich,  dass  Q,  Cjaepio  dagestanden 
hat.  Entsprechende  Zeilenanfange  haben  wir  auch  Z.  167  und  174.  Hier 
scheinen  die  Vornamen  (vgl.  174)  gefehlt  zu  haben:  daher  ist  offenbar  auch  die 
VorrUckung  unterblieben.    Über  inde  legem  vgl.  zu  Z.  184. 

182  Ende:  AsselZum;  die  gewöhnliche  Schreibweise  ist  Asellum. 

184  stragem  redde  ist  eine  Konjektur  von  Gundermann.  Das  überflüssige  e  nach 
l[ic]tor  glaubte  ich  im  Anschluss  daran  in  t  ändern  zu  sollen;  aber  die  Stellung 
müsste  sein:  t,  lictor^  stragem  redde.  Von  hier  ausgehend  hat  Gundermann 
die  Vermutung  weiter  ausgesprochen,  dass  vielleicht  auch  Z.  182  ein  Imperativ 
(inde  legem)  vorliege  und  dass  hier  die  Worte  des  interpellierenden  Volkstribunen 
erhalten  seien,  wie  184  die  Antwort  des  Konsuls. 

188  GH.  glauben,  dass  statt  deuota  etwa  renouata  oder  refeeta  dagestanden  habe. 
Sicher  ist,  dass  in  aede  uota  est  abgeteilt  werden  muss.  Die  weitere  Ergänzung 
verdanke  ich  Gundermann. 

KoL  vm. 

191  Cn.  Pisone  C.  Po<l>i>Ui[ö      cos.  615/139 

192  Chaldaei  urbe  <c>t  lt[alia  intra  X  dies  eoapulsi. 

193  A.  6^abinius  uerna[e  nepos  rogationem  tulit 

194  suffragium  per  ta[6cKam  ferri.  in  Hispania 

195  Seruilius  Caepio  a[6  equitilmSf  quos  pericuh 

196  obiecerat,  clauo  [         ca.  20  B. 

197  Audax  Minurus  <D>ita[fco  cansiUo  Caepionis 

198  Viriathum  i\xgula[uerunt. 

199  lib(er)  [LV]. 

200  P.  Sa]pione  D.  Junio  [cos.  616/138 

201  interfectores  Yin[atht  praemium  petunt.  quod 


191  Der  zweite  Konsul  heisst  in  Wirklichkeit  M.  Popillius. 

192  urbe  <«>t  lt[alia  GH.  p.  102  u.  113  nach  Val.  Max.  I  3  (Par.). 

193  uerua[6  nepos  ist  besser  als  uema[6  filiw  vgl.  GH.  p.  113  und  unten  S.  64. 

196  Warde  Fowler  und  Beid  (bei  GH.  p.  114)  ergänzen  clauo  [ictus  und  vermuten  statt 
clauo  claua.  Das  entspricht  aber  nicht  dem  Sachverhalt  bei  Cass.  Dio  XXII  78. 
Reid  daher  jetzt:  claut[«  cinctus  paene  ttsttis  est].  Ich  dachte  an  c]auo[2w  paene 
inflammatus  e8t\. 

201  interfectores  (Nom.  oder  Acc.  pro  Dat.)  . . .  jfraemium  negatum  GH. 


32  E.  Komemann^ 

202  negatumc  I  j  j  j  I  j  j  j  Qn 

203  decemuiru  /  /  /  /  §licm 

204  trib.  pl.  incar^  /  /  em  /  oll 

205  precibuspopolimal  /  are 

206  trib.  pl.  procommodispop 

207  jmnib  lucti  expiranit  co/un 

208  sertoresincomitiomrgiscae 

209  singolisaenierunt 

210  p.  africanus  cum  1.  cottaip  /  /  /  /  sar 

211  magnitudinemnom  /  /  /  /  /  ca^ 

212  lositaiiiuastatiann  /  /  /  /  tin 

213  diodotustryphonan  /  /  /  /  huip 

214  ditsurigguepotituse 

215  m.  aemilio     chostilio  m  /  /  cino 

216  decimusbrutusinhispaniareb 

217  obliuionisflumenplaimstrans 


202  9n  am  Ende  ist  sehr  ondeatlich. 

208  slicini:  s  und  das  erste  i  von  licini  sind  kaum  zu  sehen. 

205  precibus:  vom  ersten  Buchstaben  ist  nur  die  Längshasta  deutlich. 

207  6mnib(uB)  GH.    Das  o  sehe  ich  kaum.    Ende:  un,  nicht  ganz  sicher. 

211  Ob  e  am  Ende  steht,  ist  durchaus  unbestimmt. 


Die  neue  Livius-Epitome.  33 

202  negatum.  c[um  P.  Scipi\oii[em  Nasicam  et 

203  Dec»m(um)  Brv\tum  cos\  §.  Licini[u5  et  C.  Curatius 

204  trib(uiii)  pl(ebis)  in  carc[er]em  [c]oll[ocar^,  .... 

205  precibus  populi  mul[^]a  re[mma 

206  trib(unus)  pl(ebis)  pro  commodis  pof[fdi  agens,  qui 

207  ommb(us)  luct<w>i  expirauit,  co[6]un[^  jptefce  elatus  .  de- 

208  sertores  in  comitio  uirgis  cae[5»  sestertiis 

209  singulis  venienmt. 

210  P.  Africanus  cum  L.  Cottam  [accu^j\et,  propter 

211  magnitudinem  nom[inis  sui]  ca^ 

212  Lusitani  uastati.a{n}  N[u»min]tin[i^  cUxdes  accepta. 

213  Diodotus  Tryphon  An[tioc]tmm  [regem  ocd- 

214  dit  Suria^ue  potitus  ^[8t\ 

215  M.  Aemilio  C.  Hostüio  M[a]ncino  [cos.  617/137 

216  Decimus  Brutus  in  Hispania  re  h[ene  gesta 

217  Obliuionis  flumen  pnmus  tr2^)&[iuü. 

204  Ende:  totiua  oder  uniuersii  Beid. 

205  Ende  fehlt  der  Name  des  volkstümlichen  Tribunen. 

207  [ah]  omiiib(u8)  lact[tt«] :  GH.  Es  ist  aber  meiner  Ansicht  nach  einfacher  den  Auh- 
fall  eines  Buchstaben  anssunehmen,  zumal  das  auf  dieser  Kolumne  öfters  vorkommt ; 
vgl.  Z.  191.  192.  197. 

211  Die  fehlende  Ergänzung  am  Ende  muss  den  Gedanken  zum  Ausdruck  bringen, 
dass  der  Prozess  für  Africanus  einen  ungünstigen  Ausgang  nahm,  etwa  cad[tY  in 
iudicio].    Bossbach:  [itkdicea  oh]  magnitudinem  uom[tni9  eum]  ca[d6r6  n6i%terufU\. 

212  Die  Ergänzung  ist  etwas  lang;    aber  immerhin  mehr  als  40  Buchst,  sind  es  nicht. 


KornemanD,  Die  neue  Livius-Epitome. 


34  E.  Komemann, 


Fragmente. 

b.  c.  d. 

237     ]uir[ 


218 

/]amili[ 

226 

]sullanis[ 

234 

]H 

219 

]          [ 

227 

Jnenm 

235 

]     [ 

220 

]          [ 

228 

]6nonre[ 

236 

]     [ 

221 

]n[iom[ 

229 

]           [ 

222 

]  ü     c[os. 

653/101? 

230 

C0]8. 

223 

]isme .  [ 

231 

] .  samin[ 

224 

(?u]stodia[ 

232 

]   auitp[ 

225 

]    ■[ 

233 

]•[■ 

a.  b.  bei  GH.  in  umgekehrter  Beiheufolge.  Ich  glaube  aber,  dass  a.  zeitlich  b. 
vorausgeht.  Z.  222  scheint  sich  nämlich  auf  das  5.  Konsulat  des  Marius  (653/101)  zu 
beziehen.  Das  wird  bestätigt  durch  das  Wort  [cu]stodia  in  Z.  224,  wodurch  wir  auf 
die  Geschichte  geführt  werden,  die  Val.  Max.  1X7.  1  erzählt:  X.  Equüium,  gut  se 
Ti.  Gracchi  ßium  simulabat  tribunatumque  aduersus  leges  cum  L.  Satumino  petebat, 
a  C.  Mario  quintum  consulatutn  gerente  in  publicam  custodiam  ductum  poptUus 
claustris  carceris  conuulsis  raptum  humeris  suis  per  summam  animorutn  alacritatem 
portauit.  Wir  haben  demnach  hier  ein  Fragment  aus  Bch.  68  oder  noch  wahrschein- 
licher aus  dem  Anfang  von  69  (cf.  Periochae)  vor  uns.  b  dagegen  wird  durch  das 
Wort  Sullanis  in  eine  Zeit  verwiesen,  da  es  eine  Partei  des  Sulla  gab,  vgl.  z.  B. 
Per.  88:  a  Lucretio  Ofella^  SyUanarum  partium  uiro.  Wir  kommen  demnach  hiermit 
in  die  livianischen  Bücher  77 — 90. 


Die  neue  Livius-Epitome.  35 

b)  Kommentar. 

I.   Zu  Kol.  I— m. 
Aus  Buch  37. 

Z.  1:  Liv-O  4:6.  7—8  zum  Jahre  564/190:  huius  triumphi  minuü 
laetitiam  nurUius  ex  Hispanta  tristis,  adversa  pugna  in  Bastetanis  ductu 
L.  Aemilii  proconsulis  apud  oppidum  Lyconem  cum  Lusitanis  sex  mOia  de 
Bomano  exercitu  cecidisse  etc.  Orosius^)  IV  20.  23:  in  Hispania  ul- 
teriare  L.  Aemilius  proconsule  a  Lusitanis  cum  universo  exercitu  caesus 
interiit.    Die  gesperrten  Worte  kehren  auf  dem  Papyrus  wieder. 

Z.  2.  Die  Konsulwahl  für  565/189:  Liv.  47.  7.  Die  neuen  Konsuln 
ebda.  48.  1:  M.  Fulvio  Nobiliore  et  Cn,  Manlio  Vidsone  consuUbus;  in 
derselben  Reihenfolge  auch  bei  Cassiodor  {M.  Fulvius  et  Cn,  Mardius). 
Dagegen  in  den  Fasten  in  umgekehrter  Reihenfolge:  CIL.  I*  p.  142, 
ebenso  bei  Velleius  I  15.  2  (Halm). 

Z.  3.  Da  das  in  Z.  4 — 6  Berichtete  aus  Liv.  51.  1 — 6  stammt,  so 
muss  Z.  3  auf  die  Aetoler  bezogen  werden,  von  denen  die  Kapitel  48  und 
49  handeln.  Auch  das  Wort  Herum  stimmt  dazu;  denn  XXXVII  1.  1—6 
wird  schon  ein  gleiches  Faktum  bezüglich  der  Aetoler  berichtet.  Die 
Schwierigkeit  liegt  nun  darin,  dass  an  den  beiden  Liviusstellen  von  einer 
Verweigerung  des  Friedens  gegenüber  den  Aetolem  gesprochen  wird,  in- 
dem jedesmal  ein  Senatsbeschluss  gefasst  wird,  welcher  bestimmt,  dass 
die  aetolischen  Gesandten  noch  am  selben  Tag  Rom  und  innerhalb 
15  Tagen  Italien  verlassen  sollten  (Liv.  1.  6  und  49.  7).  Ich  glaubte 
daher  keinen  anderen  Ausweg  zu  finden,  als  in  unserem  Text  mit  GH. 
und  Reid  {Class.  Eev.  XVIII  6  S.  291)  den  Ausfall  von  non  anzunehmen. 
Gundermann  dagegen  findet  alles  in  Ordnung,  sobald  man  nur  pax  im 
Sinne  von  „Friedensverhandlung" ,  „Friedensmöglichkeit"  fasst  Der 
definitive  Friedensschluss  wird  erst  bei  Liv.  XXXVIII  11  berichtet 

Z.  4 — 6:  Liv.  51.  1 — 3:  priusquam  in  provincias  practores  irent, 
ccrtaincn  inter  P.  Licinium  pontißccm  maximum  fuit  et  Q.  Fabium  Pictorem 
flamincm  Quirinalcm^  quäle  patrum  memoria  inter  L.  Metcllum  et  Postu- 
mium  Älbinum  fuerat.  consulem  illum  cum  C.  Lutatio  collega  in  Siciliam 
ad  classcm  proficiscentem  ad  sacra  retinuerat  Metellus,  pontifex  maximus; 
praetorcm  hunc,  nc  in  Sardiniam  proficisceretur,  P.  Licinius  tenuit, 

Z.  6:  Der  Friedenschluss  mit  Antiochos  steht  Liv.  55.  1—3:  Anti- 

ochi  Icgati  ....  obtestati  sunt  patres  conscriptos  ut postrcmo  pacem 

da  tarn  a  L.  Scipione  impcratore,  quHms  legibus  dedisset,  conßrmarent 
auctoritate  sua:  et  scnatus  eam  pacem  servandam  ccnsuit  et  paucos  post 
dies  populus  nissit.    Per,^)  37   S.  40   Z.  4 — 6:    vicio  dcinde  Aniiocho  ab 


1)  Editio  maior  von  A.  Ziogerle. 

2)  Ed.  Zaugemebter  im  corpus  Script,  eccl.  latin.  V. 

3)  AUe  Zitate  aus  den  Periochae  geschehen  nacli  der  Ausgabe  von  O.  Jahn  unter 
Zuziehung  der  Kollation  von  0.  Kossbach  im  Rhein.  Mus.  N.  F.  44,  1889,  S.  65—103. 

3« 


36  E.  Kornemcmn^ 

L.  Cornelio  Scipione  .  ,  .  .  pax  data  est  ea  condicione  etc.  Eutrop. 
IV  4.  3  (Eühl):  tum  rex  pacein  petit.  isdcm  condidombus  data  est  a 
senatu,  quamquam  victo,  quibus  ante  offerebatur. 

Z.  6 — 7:  Die  Besiegung  der  Lusitaner  wird  erwähnt  bei  Liv.  57. 
5 — 6 :  in  qua  provincia  (i.e.  in  ulteriore  Hispania)  prius  aliquanto,  quam 
successor  veniret,  L.  AemiUus  Paulus,  qui  postea  regem  Persea  magna 
gloria  vicit  ....  tumuUuario  exercüu  collecto  signis  coUatis  cum  Lusitanis 
pugnavit;  fusi  fugatique  hostes,  caesa  decem  octo  milia  armatorum;  duo 
milia  trecenti  capti  et  castra  cxpugnata.  Hier  ist,  wenn  die  Ergänzung 
vastaii  richtig  ist,  —  vgl.  Z.  13,  83,  212,  dagegen  Z.  136  Lusitani 
subacti,  was  auch  möglich  wäre  —  keine  Übereinstimmung  im  Ausdruck 
zu  konstatieren,  vastare  mit  den  Leuten  anstatt  mit  dem  Lande  ver- 
bunden gehört  der  silbernen  Latinität  an,  vgl.  Nipperdey  zu  Tac,  Ann. 
XIV  23. 

Z.  7 :  Über  den  missglückten  Versuch  der  Rhodier  gelegentlich  des 
Friedensschlusses  zwischen  den  Römern  und  Antiochos  auch  der  Stadt  Soli 
in  Kilikien  die  Befreiung  vom  Seleukidenjoch  zu  erwirken  handelt  Liv. 
56.  7 — 10:  Bhodii  de  Solis  urbe,  quae  in  Cilicia  est^  egcrunt.  Per. 
(S.  40  Z.  10—11)  und  Eutrop.  (IV  4.  3)  erwähnen  dieses  Faktum  nicht 
sondern  sprechen  nur  (fast  mit  denselben  Worten)  von  der  erfolgten 
sonstigen  Gebietsabtretung  an  den  rhodischen  Staat  {Per.:  Bhodiis  quo- 
que,  qui  etipsi  iuverant^  quaedam  civitates  concessae;  Eutrop.:  et 
Bhodiis,  qui  auxilium  Bomanis  contra  regem  Antiochum  tulerant,  multae 
urbes  concessae  sunt).  In  unserem  Text  steht  das  erwähnte  Faktum 
insofern  an  falscher  Stelle,  als  es  bei  Livius  vor  der  Besiegung  der 
Lusitaner  erzählt  wird;  doch  beachte  man  andererseits  oben  in  dem 
Tiiviustext  (57.  5 — 6)  die  Worte  prius  aliquanto. 

Die  Gründung  der  Kolonie  Bononia  folgt  auch  bei  Liv.  der  Nieder- 
werfung der  Lusitaner:  57.  7 — 8:  eodem  anno  ante  diem  tertium  Kai. 
Januarias  Bononiam  Latinam  coloniam  ex  senatum  consulto  L  Valerius 
Fhccus  M.  Atilius  Serranus  L.  Valerius  Tappo  triumviri  deduxerunt. 
Per.  (S.  40  Z.  11—12;  gehört  aber  in  Z.  9  nach  appellatus:  Rossbach, 
Bhein.  Mus.  44.  S.  83  f.)  colonia  dcducta  est  Bononia.  Velleius  I  15.  2: 
Cn.  autem  Manlio  Volsone  et  Fulvio  Nobiliore  constdibus  Bononia  deducta 
colonia. 

Z.  8 — 10;  vgl.  Liv.  57.  9 — 58.  2:  eodem  anno  censuram  multi  et 
clari  viri  pcticrutU,  darunter  M.'  Aciliu^  Glahrio,  der  Sieger  über  Antiochos 
und  die  Aetoler.  Dieser  wurde  aber  von  zwei  Volkstribunen  angeklagt 
wegen  Unterschlagung  von  Beute.  M  Cato  (einer  der  Mitbewerber  um 
die  Censur)  ante  alios  tcstes  conspiciebatur  ....  postremo  in  huius  maxime 
invidiam  des  ist  er  e  se  petitionc  Glabrio  dixit,  quando,  quod  taciti  indi- 
gnarentur  nobiles  homines,  id  aeque  novus  competitor  intestabili  periurio 
incesscrct.  Unser  Text  ist  also  in  zweierlei  Beziehung  ungenau:  er 
spricht  1.  nicht  von  einem  competitor,  sondern  von  melireren  und  2.  nur 


Die  netie  lAvius-Epitome.  37 

von  einer  Androhung  der  Klage,  während  sie  wirklich  erfolgte,  allerdings 
dann  wegen  des  Rücktritts  des  Glabrio  von  der  Kandidatur  nieder- 
geschlagen wurde. 

Aus  Buch  38. 

Z.  12.  Die  Belagerung  von  Ambracia  durch  Fulvius  Nobilior  wird 
von  Liv.  c.  8,  9 — c.  9  Ende  geschildert;  vgl.  9.  7:  (Amynander)  posfremo 
consulis  pcrmissu  ingressus  urbem  partim  consilio  partim  precHms  evicit^  ut 
permittereYit  sc  Romanis.  Per.  38  (S.  40  Z.  17 — 19):  M.  Fulvitis  cos.  in 
Epiro  Ambracienses  obsessos  in  deditioncm  accepit^  Ccphaleniam  subegit, 
Aetolis  perdomitis  pacem  dedit.  Orosius  und  Eutrop.  erwähnen  das  Er- 
eignis gar  nicht.  Die  Periocha  ist  weit  ausführlicher  als  unser  Text  und 
nennt  auch  den  Namen  des  siegreichen  römischen  Konsuls. 

Z.  18—14;  Livius  c.  12—27.  Per.  38  S.  40  Z.  19—22:  Cn.  Mantius 
cos.  collega  eins  Gallograecos  ....  vicü ,  also  wieder  mit  Namennennung. 
Orosius  IV  20.  25  nennt  fälschlich  statt  MardiiAS  den  anderen  Konsul 
Fulvius.  Unser  Text  ist  eine  ungeschickte  Zusammenziehung:  die  Be- 
siegung der  Gallier  geschah  nicht  in  Pamphylien,  sondern  in  Galatien, 
vgl.  Mommsen,  R  G.  T^  S.  743,  Staehelin,  Geschichte  der  kleinasiat. 
Gallier  S.  66. 

Z.  14 — 17.  Liv.  c.  24.  Hier  heisst  der  Gallierhäuptling  (regulus) 
schon  Orgiago,  während  die  richtige  Form  des  Namens  (Ortiago)  ebenda 
c.  19.  2  erscheint.  Dieselbe  Form  haben  wir  bei  Polybios  XXI  38 
(Hultsch)  nach  Plutarch,  de  virt.  mulierum  c.  43  p.  258  und  bei  Suidas. 
Die  gesamte  von  Livius  abhängige  Literatur  der  Kaiserzeit  dagegen 
(Val.  Max.  6.  1  ext.  2,  Per.  38  S.  40  Z.  28—26,  Florus  I  27.  6  ed.  ßoss- 
bach,  Pseudo-Victor  de  vir.  ill  55  ed.  Wijga)  nennt  den  Mann  Orgiago. 
Der  Name  der  Frau  (Chiomara)  steht  nur  bei  Polybios-Plutarch.  (Gunder- 
mann vermutet,  dass  der  Verfasser  der  Vorlage  des  Papyrus  Orgiacontis 
wohl  als  Name  der  Frau  im  Nominativ  gefasst  habe.  Das  Adjektivum 
mbiU.'i  hat  auch  das  Livius-Original ,  aber  nicht  von  der  Chiomara, 
sondern  von  der  Stadt  Ancyra,  bei  der  die  That  im  römischen  Lager 
sich  ereignete,  vgl.  Liv.  24.  1 :  supererat  bellum  integrum  cum  Tectosagis. 
ad  cos  profectus  consul  tcrtiis  castris  Atwyram^  nobilem  in  Ulis  locis 
urbem  ^  pervenit.  Die  Bezeichnung  captiva  nobilis  wird  auch  von  der 
Mutter  des  Servius  Tullius  gebraucht  in  der  Per.  Ib,  Jahn  S.  4  Z.  15 
und  bei  Hieronymus-Eusebius  1432,  Schoene  II  p.  95.  Um  den  Grad 
der  Abhängigkeit  der  Liviusbenützer  vom  Original  darzuthun,  stelle  ich 
die  Parallelberichte  (S.  88)  nebeneinander. 

Dem  Original  am  nächsten  kommt  Valerius  Maximus  durch  die  Be- 
zeichnung reguli  uxor,  die  Erwähnung  der  grossen  Schönheit  der  Frau 
(aber  mit  anderen  AN'orten),  den  Hinweis,  dass  die  Tötung  des  Centurio 
!)eim  Wiegen  des  Goldes  geschah  (wieder  allerdings  nicht  wörtlich),  die 
Erwähnung  des  Befehls  der  Gallierin  und  zwar  in  keltischer  Sprache 
(wörtliche  Übereinstimmung)  und  endlich  den  Schluss  der  Geschichte,  wo 


E.  Korncmann^ 


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Die  neue  Livius-Epitamc.  39 

allerdings  captU  involutum  veste  ferens  und  mambus  retinens  eine  kleine 
Divergenz  darstellen.  Kleine  Abweichungen  zeigen  sich  abgesehen  von 
den  erwähnten  noch  auf  stilistischem  Gebiete:  vim  fecit:  siuprum  pati; 
iugukui  praecisum  caput:  intcrfecti  caput  abscisum;  ad  virum:  ad  eoniagem; 
pervenit:  venu.  Trotzdem  darf  man  behaupten,  dass  beide  enger  zu- 
einandergehören ,  als  die  übrigen.  Diese  bilden  nämlich  deutlich  eine 
zweite  Gruppe,  wie  sich  aus  folgendem  ergiebt:  Florus,  Pseudo-Victor  und 
die  Per^  haben  statt  reguli  uqdot,  regis  uxar^  Per,  und  der  Papyrus 
occiditf  Florus  und  der  Papyrus  (vgl.  Val.  Max.)  stuprum  oder  vim  paesa 
erat  Innerhalb  der  Gruppe  stehen  die  Per.  und  der  Pap.  stilistisch  dem 
Original  am  nächsten:  beide  haben  wie  das  Original  vim  statt  stuprum 
(vgl.  de  vir.  ill:  vi  stupratä),  Per.  sogar  vim  intulerat  (Orig.:  vim  fecü), 
beide  occidü,  der  Papjrrus  endlich  wie  das  Orig.  ad  virum,  während 
Florus  und  Pseudo-Victor  hier  vom  maritus  reden.  Auch  sachlich  endlich 
gehören  Per.  und  Papjrrus  zusammen,  indem  sie  sagen,  dass  die  Frau 
selbst  den  Centurio  erschlug  (anders  Pseudo-Victor). 

Z.  17.  Von  den  Campani  wird  bei  Liv.  28.  4  unter  diesem  Jahre 
berichtet:  dccretum,  uti  Bomae  censeretUur,  und  erst  36.  5  heisst  es  zum 
folgenden  Jahre  (566/188):  Campani  cum  eos  ex  senatus  consutto^  quod 
priore  anno  factum  erat,  eensores  Bomae  coegissent  censeri  ....  petierunt^ 
ut  sibi  cives  Bomanas  ducere  uxores  licet  et  et  si  qui  prius  duxissent,  tU 
habere  eas  et  nati  ante  eam  diem  uti  iusti  sibi  liberi  heredesque  essent. 
utraque  res  impetrata.  Da  die  im  Papyrus  Z.  18  folgenden  Ereignisse 
aus  Livius  30—34  stammen,  so  steht  die  Thatsache  an  falscher  Stelle. 
Offenbar  hat  in  der  Vorlage  eine  Zusammenziehung  stattgefunden,  inso- 
fern alle  auf  die  Campaner  bezüglichen  Fakta  aus  der  Censur  des 
T.  Quinctius  Flamininus  und  M.  Claudius  Marcellus  unter  dem  Jahre 
565/189  berichtet  waren. 

Z.  18  aus  Liv.  30—34;  für  den  Ausdruck  vgl.  32.  7:  controversias 
inter  Achacos  ac  Lacedaemonios,  auch  35.  1. 

Z.  19.  Die  Wahl  der  Konsuln  für  566/188  steht  bei  Liv.  35.  1,  der 
Amtsantritt  ebenda  §  7 :  Jlf.  Valerius  Messala  et  C.  Livius  Salinator  consu- 
latum  idibus  Martiis  cum  inissent  etc.  Obsequens  2  (56)  M.  Messala  C.  Livio 
coss.    Cassiodor:  M.  Messala  et  C.  Livius  Salinator. 

Z.  20—21.  Es  ist  die  Rede  von  der  Rückkehr  des  Cn.  Manlius  aus 
Galatien.  Nach  Liv.  40.  4  ist  es  ein  grave  pracda  omnis  generis  agmen, 
weshalb  der  Marsch  nur  sehr  langsam  von  statten  geht.  Über  den 
Überfall  der  Thraker  und  die  Plünderung  der  Bagage  vgl.  ebda.  40.  7  ff. 

Z.  21 — 23:  Liv.  42.  7:  co  anno  L  Minucius  Myrtilus  et  L.  Manlius, 
quod  legatos  Carthaginienses  ptdsassc  dicebantur,  iussu  M.  Claudii  praetoris 
urbani  per  fetiales  traditi  sunt  legatis  et  Carthaginem  avecti.  Val.  Max. 
vre.  3  M.  enim  Aemilio  Lepido  L.  (statt  C.)  Flaminio  consulibus  (Kon- 
suln von  567/1871)  L.  Minucium  et  L.  Matdium  Karthaginicnsium  legatis, 
quia  manus  his  attülerant,  per  fetiales  a  M.  Claudio  praetore  dedendos 


40  E.  Komemann, 

curaverunt.  Die  falsche  Eonsulnangabe  ist  wohl  daher  entstanden,  dass 
bei  Liv.  42.  2  bereits  die  Konsulwahl  für  567/187  mit  Angabe  der  neu- 
gewählten berichtet  wird. 

Z.  24:  Konsulwahl  Liv.  42.  2:  crmti  M.  Aemüius  Lepidus  C.  Fla- 
minius.    Cassiodor:  M,  Lepidus  et  C.  Flaminitis  (567/187). 

Z.  25—27:  Liv.  50—53,  vgl.  50.  5:  P.  Scipioni  Africano,  ut  Vakrius 
Anitas  auctor  est,  duo  Q.  PetiUii  diem  dixerunt  (vgl.  56.  2:  alii  M,  Nac- 
vium,  äUi  PetilUos  diem  dixisse  scribunt),  52.  1:  die  hngiore  prodicta  in 
Liteminum  (Hss.  auch:  Liternum)  concessit,  52.  9:  trihunus  plebis  eo 
tempore  Ti,  Sempronius  Qracchus  erat  ....  is,  cum  vetuisset  nomen  suum 
decreto  collegarum  adscrihi^  tristioremque  omnes  sententiam  expectarent^ 
ita  decremt:  cum  L.  Scipio  excusasset  morbum  causae  esse  fratri,  satis  id 
sihi  videri;  se  P.  Scipionem,  priusquam  Bomam  redisset,  accusari  non  pas- 
surum  (vgl.  GelUus  K  Ä.  TV  18.  3  ff.).  Per.  38  S.  41  Z.  5—17:  Scipio 
Africanus  die  ei  dicta^  ut  quidam  tradunt,  a  Q.  Petillio  (P.  Petilio 
NP;  vgl.  Rossbach,  Eh.  Mus.  44  S.  84)  tr.  pl,  ut  quidam,  a  Naevio,  quod 
praeda  ex  Antiocho  capta  aerarium  fraudasset,  postquam  is  dies  venit, 
evocatus  in  rostra:  „hac  die^\  inquit,  j,Qmrites,  Carthagincm  vici^^  et  prose- 
quente  populo  CapitoUum  escendit  (N^,  ascendit  N*P).  inde  ne  amplius 
tribuniciis  iniuriis  vexaretur,  in  voluntarium  exilium  {Liternum  [fehlt  in 
NP])  concessit.  incertum  ibi  an  Bomac  defunctus  sit;  nam  monumentum 
eius  utrobique  fuit.  L.  Scipio  Asiaticus  frater  Africani  eodem  crimine  pe- 
culatus  accusatus  damnatusque  cum  in  vincula  et  carcerem  duceretur,  Tib. 
Sempronius  Gracchus  tr.  pl.^  qui  antea  Scipionibus  inimicus  erat^  inter- 
cessit  et  ob  id  beneßcium  Africani  ßiam  duxit  (vgl.  hierzu  Gellius 
VI  19  und  Mommsen,  Böm.  Forsch.  11  469  A.  103,  Münzer  bei  Pauly- 
Wissowa  IV  Sp.  1475ff.),  Val.  Max.  IH  7.  le,  V  3.  2b,  Pseudo- Victor,  de  vir. 
ill.  49.  16 — 18:  a  Petilio  Ateio  tribuno  plebis  repetundarum  accusatus  .  .  . 
in  voluntarium  exilium  concessit,  ubi  reliquam  egit  actatem.  Die 
Per.  stimmt  mit  unserem  Text  in  den  Worten  die  dicta  und  intercessit 
überein,  dagegen  hat  sie  aus  dem  Original  concessit  (unser  Text  abit)  er- 
halten. Auffallend  ist  die  starke  Übereinstimmung  von  Per.  und  Pseudo- 
Victor, vor  allem  in  den  Worten:  in  voluntarium  exilium  concessit. 

Z.  27—28:  Liv.  55.  4,  56.  8.  10,  57.  3,  58-60,  Per.  S.  41  Z.  12 
bis  22.  Unser  Papyrus  giebt  füi-  die  beiden  Scipionenprozesse  die  livi- 
anische,  aus  Valerius  Antias  genommene  Hauptversion,  vgl.  Gellius  VI  19 
und  Mommsen  a.  a.  0.  S.  427 — 430,  wo  auch  die  übrigen  Parallelstellen 
angeführt  sind. 

Aus  Buch  39. 
Z.  30 — 31:  Liv.  c.  1  u.  2;  vgl.  1.  1:  consules  ambo  in  Liguribus 
gerebant  bellum:  2.  6:  his  quoque  perdomitis^  2.  9:  subactis  eis  Ap- 
penninum  omnibus  tum  transmontanos  adortus  .  .  .  omnes  AemiUus  subegit. 
Per.  39  S.  41  Z.  24:  M.  AemiUus  (Aemulius  N)  cos.  Liguribus  sub- 
actis etc.    Beide  Epitomatoren  lehnen  sich  also  Im  Ausdruck  (Per.:  sub- 


Die  neue  Livius-Epitome.  41 

actis,  Papyrus:  perdomüi)  an  das  Original  an.  Sachlich  ist  der  neue 
Text  genauer,  weil  er  die  Unterwerfung  durch  beide  Konsuln  ge- 
schehen lässt. 

Z.  31.  Über  den  Strassenbau  vgl.'Liv.  2.  10  (Aemilius)  paccUis 
lAguribus  excrcitum  in  a^rum  Gallicum  duxit  viamque  ab  Placentia,  ut 
Flaminiac  committeret^  Ariminum  perduxit.  Per,  S.  41  Z.  24—25: 
M.  Aemilius  cos.  Liguribus  subactis  viam  Placentia  usque  Ariminum  per- 
du  dam  (productam  NP)  Flaminiac  iunxit.  Hier  schliesst  sich  die  Per. 
sachlich  und  sprachlich  viel  enger  an  Livius  an.  Der  Papyrus  behauptet, 
falls  die  Ergänzung  richtig  ist,  sogar  etwas,  was  im  Original  gar  nicht 
steht,  insofern  er  nicht  nur  den  Bau  der  Acmilia  sondern  auch  der 
Flaminia  berichtet. 

Z.  32 — 33:  Liv.  3,  4 — 6:  Q.  Terentio  Culleoni  praetori  negotium 
datum  est,  ut  eos  (i.  e.  Latinos  Romae  censos)  conquireret  et  quem  G.  Claudio, 
M.  Livio  censoribus  postvc  eos  censores  ipsum  parentemve  eius  apud  se 
censum  esse  probassent  socii,  ut  redire  eo  cogeret,  ubi  eensi  esscnt. 
hac  conquisitionc  duodecim  milia  Latinorum  domos  redierunt. 

Z.  33 — 35:  Liv.  6 — 7;  vgl.  6.  3:  extreme  anni^  magistratibus  tarn 
creatis,  ante  diem  tertium  nonas  Martias,  Cn.  ManliusVulso  de  Gallis, 
qui  Asiam  incolunt^  triumphavit;  7.  1:  in  triumpho  tulit  Cn.  Marüius 
Coronas  aureas  etc. ;  7.  5 :  senatus  consultum  factum  est  tU  ex  pecunia, 
quae  in  triumpho  trän  s  lata  esset,  Stipendium  cotdatum  apopulo  in  publi- 
cum, quod  eius  solutum  antea  non  esset,  solveretur.  Die  Per.  hat  an  dieser 
Stelle  (S.  41  Z.  25 — 26)  nur  die  Notiz:  initia  luxuriae  in  urbem  intro- 
ducta  ab  exercitu  Asiatico  referuntur  nach  Liv.  6.  7:  luxuriae  enim  pere- 
grinae  origo  ab  exercitu  Asiatico  invecta  in  urbem  est,  vgl.  aber  Plin., 
H.  N.  XXXm  148. 

Z.  36 :  Liv.  8.  1 :  inscquens  annus  Sp.  Postumium  Albinum  et  Q.  Mar- 

dum  Philippum  consules  (568/186) avertit.    Eutrop.  IV  5.  1 :  Sp.  Pos- 

tumio  Albino  Q.  Marcio  Phüippo  consulibus.  Cassiodor:  Sp.  Postumius  et 
Q.  Marcius. 

Z.  37 — 41:  Liv.  8 — 19;  vgl.  8.  3:  consulibus  ambobus  quaestio  de 
clandestinis  coniurationibus  decrcta  est.  9.  1:  tandem  in  die  tum  Imc 
maximc  modo  ad  Postumium  consulem  pervenit.  P.  Aebutius  ...  pu- 
pillus  relictus  mortuis  deinde  tutoribus  sub  ttUela  Duroniae  matris 
et  vitrici  T.  Sempronii  Rutili  educatus  fuerat.  (Butilus)  tutelam  ita 
gesserat,  ut  rationem  reddere  non  passet;  9.  5:  scortum  nobile ,  libertina 
Hispala  Fecenia,  non  digna  quaestu,  cui  andllula  adsuerat  etc.; 
11 — 13:  die  Anzeige  des  Aebutius  und  das  Geständnis  der  Hispala;  18.  7: 
(latum  deinde  consulibus  negotium,  ut  omnia  BaccJuinalia  Romae  primum, 
deinde  per  totam  Italiam  diruerent.  Val.  Max.  1  3.  1  {ep.  Par.):  Baccha- 
fuilium  safrorum  mos  novus  institutus,  cum  ad  perniciosam  vesaninm  iret, 
sublatus  est;  (ep.  Nepot):  Bacrhanalium  mysteria  fuere  Romae.  sed  cum 
temporibus  nocturnis  viri  ac  feminae  pariter  essent  furerentque,  multo  colen- 


42  E.  Kornemann, 

tium  sanguine  +fe  et  peregrina  sacra  abolita  sunt.  Per.  39  S.  41  Z.  27 — 
S.  42  Z.  3:  Bacchanalia^  sacrum  Graecum  et  nocturnutn,  omnium  scelerum 
seminarium^  cum  ad  ingentis  (iungenti^  N)  turbae  coniurationem  pervenisset^ 
investigatum  et  multorum  poena  &ublatum  est.  Unser  Text  bietet  also  das 
meiste  Detail,  ist  aber  sprachlich  relativ  selbständig  {mcrctrix  statt 
scortum,  circumscribserant).  Interessant  ist  die  Beobachtung,  dass  das 
Verbum  subla[td\  unseres  Textes  auch  in  der  Periocha  und  bei  Paris 
(anders  Nepotianus)  wiederkehrt. 

Z.  41 — 42  zu  [His]pan[i]  subacti  vgl.  Liv.  21.  Hier  wird  sowohl  ein 
Sieg  der  Römer  im  jenseitigen  Spanien  über  die  Lusitaner  durch 
C.  Atinius  erwähnt  (vgl.  21.  2:  ad  sex  milia  hostium  sunt  eaesa,  ceteri 
fusi  et  fugati  castrisque  eocuti;  auf  ihn  beziehen  GH.  die  Worte  des  Pap.), 
als  auch  ein  solcher  im  diesseitigen  über  die  Celtiberer  durch  L.  Man- 
lius  Acidinus  vgl.  21.  9 — 10:  superati  proelio  sunt;  ad  duodccim  milia 
hominum  caesa,  plus  duo  capta  et  castris  Bomanus  potitur.  et  nisi  suc- 
cessor  adventu  suo  inhibuisset  impetum  victoris^  subacti  Celtiberi  forcnt. 
Ich  glaube,  dass  die  Epitome  auf  diesen  Sieg  anspielt;  sonst  hätte  sie 
nicht  Hispani  sondern  Lusitani  gesagt.  Ausserdem  ist  der  Sieg  über 
die  Celtiberer  viel  bedeutender  gewesen.  Aber  trotzdem  macht  sich  unser 
Exzerpt  einer  Übertreibung  schuldig.  Was  Livius  nur  hypothetisch  aus- 
drückt, erhebt  der  Epitomator  zur  Thatsache. 

Z.  42—43:  Liv.  22.  1—2:  deinde  .  .  ludos  M.  Fulvius  .  .  .  fecit 

athletarum  quoque  certamen  tum  primo  Romanis  spectaculo  fuit. 
Cassiodor  CÄr.  z.  d.  Jahre :  his  conss.  athletarum  certamina  primum 
a  Fulvio  edita.  Der  Papjrrus  giebt  noch  das  cognomen  des  Fulvius, 
im  übrigen  stimmt  er  also  mit  Cassiodor  wörtlich  überein. 

Z.  44—45:  Liv.  22.  6 — 7:  eodcm  anno  Galli  Transalpini  transgressi 
in  Venetiam  sine  populatione  aut  bello  haud  procul  inde^  ubi  nunc  Aquileia 
est^  hcum  oppido  condendo  ceperunt.  legatis  Bomanis  de  ea  re  trans  Alpes 
missis  responsum  est  neque  profectos  ex  auctoritate  gentis  cos  nec^  quid  in 
Italia  facerent^  sese  scire.  Die  Rückkehr  der  Gallier  in  die  Heimat  er- 
folgte aber  erst  im  Jahre  571/183  wie  sich  aus  Liv.  XXXIX  54  ergiebt. 
Es  liegt  also  hier  wie  oben  (S.  39)  bei  der  Erzählung  von  den  Campanem 
eine  Zusammenziehung  von  Ereignissen  zweier  verschiedener  Jahre  vor. 
Hier  wie  dort  ist  die  gesamte  Darstellung  der  Sache  unter  dem  Jahre 
gegeben,  in  das  der  Anfang  des  Berichtes  gehört.  Dieselbe  Zusammen- 
ziehung haben  wir  bei  Obsequens  3,  wo  es  auch  unter  dem  Jahre  568/186 
heisst :  Galli  qui  Alpes  transierunt  in  Italiam  sine  proelio  eiecti.  Ungenau 
ist  die  Behauptung  unseres  Epitomators,  dass  die  Gallier  durch  Über- 
redung seitens  des  Senates  und  des  Marcellus  zur  Rückkehr  bewogen 
worden  seien.  Der  Senat  hat  eine  friedliche  Lösung  angestrebt,  vgl. 
Liv.  45.  7,  weniger  Marcellus  (54. 2 — 4),  über  den  sich  die  Gallier  daher  beim 
Senat  beschwerten.  Im  Effekt  war  das  Ganze  eine  Vertreibung,  vgl.  Liv. 
55.  4:  Gallis  ex provimia  exactis  und  darnach  Obsequens  richtiger:  eiecti. 


Die  neue  Livius-Epitomc.  43 

Z.  46  —  47:  Liv.  22.  8:  L.  Scipio  ludos  eo  tempore,  quos  hello 
Antiochi  vovisse  sese  dicebat,  ex  conlata  adid  pecunia  ab  regibus 
civüatihusque  per  dies  decem  fecit.  Unser  Text  nennt  L.  Cornelius 
Scipio,  hat  also  wie  Z.  43  den  vollen  Namen,  während  das  Original  den 
abgekürzten  bietet. 

Z.  48:  Die  Wahl  der  neuen  Konsuln  (für  569/185)  Liv.  23.  2:  creati 
consules  sunt  Ap.  Claudius  Pulcher,  M,  Scmpronius  Tuditanus.  Cassiodor : 
Appius  Claudius  et  M.  Sempronius, 

Z.  49:  Liv.  32.  1 — 4:  consules  dilectibus  aliisque,  quae  Bomae  agen- 
dae  erantf  peractis  rebus  in  Ligurcs  provinciam  exercitum  duxerunt. 
Beide  haben  grosse  Erfolge.  Wenn  die  Ergänzung  unseres  Textes  richtig 
ist,  so  wird  damit  die  Niederlage  des  Konsuls  Q.  Marcius  durch  die 
Ligures  Apuani  im  vorhergehenden  Jahre  nachgetragen  (Liv.  XXXIX  20. 
5 — 10).  Wir  hätten  dann  einen  dritten  Fall  von  Zusammenziehung  zweier 
Ereignisse  (vgl.  oben  zu  Z.  17  und  44/5),  nur  mit  dem  Unterschied,  dass 
diesmal  das  Ganze  unter  dem  zweiten  Jahre  gegeben  wird.  Die  PeriocJia 
giebt  nach  der  Erwähnung  des  vom  asiatischen  Heere  eingeführten  Luxus 
(aus  Liv.  6.  7  s.  oben  zu  Z.  33/5)  und  vor  der  Beseitigung  der  Bacchanalia 
(aus  Liv.  8  ff.  s.  zu  Z.  37/41)  die  Bemerkung  (S.  41  Z.  26—27):  Ligures 
quicumque  citra  Apenninum  erant,  subacti  (sublaii  N)  sunt.  Das  Livius- 
Original  berichtet  aber  zwischen  6.  7  und  8.  1  keine  Besiegung  der  Ligurer, 
sondern  erst  nach  der  Beseitigung  der  Bacchanalia  c.  20  5—10  die  er- 
wähnte Niederlage  des  Konsuls  Q.  Marcius  und  c.  32  1—4  die  Siege 
über  die  Apuani  und  die  Ligauni  d.  h.  über  Ligurcs  citra  Apenninum. 
Die  Per.  hat  also  den  Ligurersieg  an  falscher  Stelle,  d.  h.  zu  früh,  während 
er  in  unserem  Text  an  der  richtigen  Stelle  steht. 

Z.  50.    Das  Resultat  der  Konsulwahl  für  570/184  steht  Liv.  32.  13: 

creatus  P  Claudius  Pulcher locum  suum  tenuit  L.  Porcius  Licinus, 

dazu  33.  1 :  principio  insequeniis  anni  P,  Claudius^  L,  Porcius  consules  etc. 
Cassiodor:  P.  Claudius  et  L  Porcius  Licinius,  wie  der  Papyrus. 

Z.  51:  Liv.  41.  5:  (Q.  Naevius)  quem  quattuor  non  minus  mcnscSy 
priusquam  in  Sardiniam  irct,  quaestiones  veneficii  .  .  .  tenuerunt  si 
Antiati  Valerie  crederc  libet,  ad  duo  milia  hominum  damnavit. 

Z.  52—56:  ein  Ereignis  aus  der  Censur  des  M.  Porcius  Cato  und 
L.  Valerius  Flaccus:  Liv.  42.  5 — 12:  Septem  moverunt  senatu,  ex  quibus 
unum  insignem  et  nobilitate  et  honoribuSf  L,  Quinctium  Flamininum  consu- 

larem iti/cr  cetera  obiedt  ei,   Philippum  Poenum,   carum   ac 

nobile  scortum,  ab  Borna  in  Galliam  provinciam  spe  ingentium  donorum 
perductum  ....  forte  epulantibus  iis,  cum  iam  vino  incaluissent,  nuntiaium 
in  convivio  esse,  nobilem  Boium  cum  liberis  transfugam  venisse  .... 
Quinctius  scorto :  ^vis  tu*",  inquit,  ^quoniam  gladiatorium  spectaculum 
reliquisti,  iam  hunc  Gaüum  morientem  vidcre?^  et  cum  is  vixdum  serio 
adnuisset,  ad  nutum  scorti  constdem  stricto  gladio,  qui  super  caput  pendebat, 
loquenti  Gallo  caput  primum  pcrcussisse,  deinde  fugienti  fidemque  populi 


44 


E.  Korncnmnn, 


r 


Romani  atque  eorum,  qui  aderani,  imploranii  latus  iramföäisse.  In  c.  43 
folgt  dann  eine  zweite  Veraion  nach  Valerius  Antias.  Danach  hatte 
Flainininus  zu  Placenfia  auf  Anstiften  einer  fanwsa  mulier,  cuius  amore 
(Icperirot^  einen  znni  Tod  Venir teilten  vor  deren  Augen  beim  Malile 
mit  dem  Beile  hinrichten  lassen.  Per.  S.  42  Z.  5 — ^10:  motus  est  senatu 
L.  Qiiintiii^^  Flamininus,  T,  (fehlt  in  NI^)  fratöTj  eo  qtiod^  cum  (fehlt 'in  N) 
Gallium  provinciam  eomul  ohtmerei^  rogatu.9  in  convivio  (so  NP)  n  Poeno 
(Poenio  NP)  Philip po  qucni  aniabaf,  scorto  nobili^  GaUum  quenihim 
sua  manu  occiderat  sive,  ut  quidam  tradidcrimt^  unum  ex  damtuitis  securt 
pcmtsscrai  rogafus  a  mcretrice  Plaeenfimi,  cuius  amore  d ep e r i h a t. 
Der  Aiischloss  der  Per.  an  das  Original  ist  also  enger:  sie  hat,  wie  oben  heim 
Scipinnenprozess  beide  Versioneo,  während  unser  Text  nur  die  ei^te  bietet. 
Per,  und  Papjinis  haben  aber  die  AVorte  sua  nmnn  ebenso  Plutarch  (Caio 
waior  17,  Flmninin.  18:  löia  iBtgt),  die  im  Original  fehlen.  Die  Per. 
(auch  Seneca  li.  A,)  nennt  weiter  das  placentinische  Weili  eine  mereirix, 
wie  in  unserem  Papyrus  Z.  37  die  Hispalu  Fecenia  tituliert  war,  während 
beidemal  das  Original  von  dieser  Bezeichnung  keinen  Gebrauch  macht 
Die  zweite  Vemon  steht  auch  noch  bei  Cicero^  Cato  maior  42  (aber: 
exoratus  in  contrmo  a  scorto),  Pseudo- Victor  47.4  (auch  ad  citnmlam 
scorti  spectamdum)  j  Val.  Max,  EI.  iK  3  (ad  arbitrium  et  spcctaculum 
mulierculaej  cuius  amore  tenebafur,  vgl.  Liv,-Original)y  endlich 
Seneca,  Controv.  1X2  (25)  ed.  H.  J.  Muller  («  mcretrice  rogaim)^  umi 
ähnlich  Hieronym,,  Comm.  ad  Mattk  II  14. 

Z.  57:  Liv.  44.  7:  basilicamque  ibi  feciij  quae  Poreia  appcllata 
est.     Pseudo-Victor  47.  5:  basilieam  stio  nomine  primt^s  feeit 

Z.  58:  Konsulwahl  Liv.  45.  1:  in  insequetitem  annum  (571/183)  crea- 
verunt  consules  M.  Claudium  Marcellum,  Q,  Fahium  Labeonmu.  Cornelius 
NepoSj  Hann.  l^.  1  nnd  Orosius  IV  20.  27:  M.  Claudio  MarecUo  Q.  Fabio 
Lahiionc  consuUbm\  Ohsequens  4  (59):  M.  Claudio  Q,  Fabio  Labcone  coss. 
Uassiodor:  M.  Cluudius  et  Q.  Fabius  Labeon. 

Z,  59 — 63:  Liv.  46. 1 — 4:  huius $irincipio  anm  P.  Ltcinius  Crassus 
pontifex  mau^imus  morluus  est.  P.  Licinii  fimeris  causa  ,  .  .  .  ludi 
funehr  es  per  tridumn  facti,  post  JimIos  epulum.  in  quo  cum  toto  foro 
trielinia  strata  essent,  tempestas  atm  magnis  procellis  coorta  coegit  plerosquc 
tabernacula  statuere  in  foro  .  .  ,  ,  dcfunctosque  mägo  ferebatd,  qnod 
iiUcr  fatalia  vafe s  c e c i n issentf  fwcesse  e^sse  tabernacula  in  foro  stat u i. 
Unser  Text  unterscheidet  sich  vom  Original  dadurch,  dass  vates  im  Singular 
steht  ^  und  dass  statt  statuere,  sfatui  po[fi-itis]  und  ßdura  gebraucht  sind. 

Z.  63—65.  Ausser  dem  Tod  des  Hannibal  (Liv,  51  Per.  S.  4:!  Z.  KJ— 16, 
Eutrop.  IV  5.  2,  Orosius  IV  20.  29,  Ohsequens  4  [59]  Cassiodor)  st^ht  im 
Original  noch  der  Tod  des  Philopoimen  imd  Scipio  und  zwar  in  folgender 
lleihenfolge:  1)  Philopoimen  49.  5—50,  2)  Hannibal  51,  :l)  S<*i[iin  52,  1 — 6, 
darauf  Schlusswort  (52.  7 — 9)  mit  einem  Vergldcli  des  Endes  der  drei 
berühmten  Männer.    Die  Periodm  (S.  42  Z.  11— 18)  und  Orosius  IV  20.  29 


Die  neue  Livius-Epüame.  45 

dagegen  erzählen  übereinstimmend  zuerst  Scipios,  dann  Hannibals,  endlich 
Philopoimens  Tod. 

Aus  Buch  40. 

Z.  67.  Konsulwahl  für  572/182:  Liv.  XXXIX  56.  4:  creavit  cansules 
Cn.  Bachium  Tamphilum  et  L.  Äetnilium  Paulum.  Dagegen  CJomelius 
Nepos,  Hann.  13.  1  und  Obsequens  5  (60):  L.  Aemüio  Paulo  Cn.  Baebio 
Tamphilo  coss.  Cassiodor:  L.  Paulus  et  Cn.  Baebius.  Das  ist  auch  die 
Reihenfolge  in  unserem  Texte. 

Z.  68.  Wenn  die  Ergänzung  richtig  ist,  so  ist  Liv.  XL  1.  4  aus- 
geschrieben. 

Z.  69  geht  vielleicht  auf  das,  was  Liv.  c.  2  6—8  erzählt  wird. 

Z.  70 — 71:  Liv.  4.  2 ff.;  vgl.  §  Ib:  et  hostes  aderant  et  auctor  mortis 
instabat.  alii  alio  leto  absumpti  semianimes  a  nave  praecipitantur.  ipsa 
deinde  virum  comitem  mortis  complexa  in  mare  sese  deiedt.  Per.  40 
S.  42  Z.  27 — S.  43  Z.  4 :  Theoxena^  verita  pro  liberis  suis  admodum  pucris 
regis  libidinem^  prolatis  in  medium  gladiis  et  pocuio  in  quo  venenum  erat 
suasit  his,  ut  imminens  ludibrium  morte  effugerent  et  cum  persuasisset ,  et 
ipsa  sc  interemit.  Die  Per.  hat  also  die  Todesart  der  Th.  nicht  an- 
gegeben; in  diesem  Punkte  ist  die  Erzählung  farbloser  als  die  des 
Papyrus  (vgl.  oben  S.  37  die  Geschichte  von  der  Chiomara). 

Z.  71—73:  Liv.  5—16.  3  und  20.  5—24;  vgl.  bes.  5.  2;  Perseus  enim 
cum  in  dies  magis  cemeret  favorem  et  dignitatem  Demctrii  fratris  apud 
multitudinem  Macedonum  crescere  et  gratiam  apud  Bomanos,  sUn  spem 
mdlam  regni  superesse  nisi  in  scelere  ratus,  ad  id  unum  omnes  cogitationes 
intendit.  5.  5  wird  Demetrius  ein  incauius  a  fraude  fraterna  iuvenis 
genannt,  5.  8  heisst  es:  suspectum  se  patri  et  opportunum  criminibus 
facicbat,  vgl.  5.  14:  (Philippus)  crimina  accipiebat,  6.  7:  eamque  rem 
ipsam  dicere  praebituram  causam  criminandi  iuvenis  und  vor  allem  die 
Worte  des  Vaters  8.  7 :  „sedeo  miserrimus  pater,  iudex  inter  duos  fUios, 
accusatorein  parricidii  et  reum,  aut  conficti  aut  admissi  criminis 
labern  apud  meos  inventurus^,  11.  4  in  der  Rede  des  Perseus:  cupidi- 
tatis  regni  crimen ,  12.  7  in  der  Rede  des  Demetrius:  illam  vanam 
criminationem  .  .  .  hoc  ficto  et  composito  argumento  fulciret.  12.  10: 
vana  accusatio,  13.  1:  conficti  ordinem  criminis^  15.3:  haec  regnum 
tuum  criminibus  et  suspicionibus  replent.  24.  1  (zum  Jahre  573/181): 
Demetrium  iterum  ad  patrem  accusavit  Perseus,  24.  Q:  in  ea  cena 
dicitur  venenum  datum.  pocuio  epoto  extemplo  sensit,  et  möx  ....  crude- 
litatem  patri s  conquerens,  parricidium  fratris  ac  Didae  scelus  incusans 
torquebatur  ....  ita  innoxius  adulescens  .  .  .  interßcitur.  In  der  Per.  40 
sind  diese  Ereignisse  seltsamerweise  zweimal  berichtet  1)  S.  43  Z.  4 — 10 
und  noch  einmal  am  Ende  2)  Z.  18 — 23.  An  der  ersten  Stelle  heisst  es: 
ccrtamina  inter  fUios  Phüippi  Macedoniae  regis  Persen  et  Demetrium  re- 
feruntur;   et   ut  fraude   fratris   sui  Demetrius  fictis   criminibus 


46  E.  Komemann, 

(Z.  19/20  statt  dessen:  falsis  aUerius  filii  in  eundem  delaUonibus),  inter 
quae  accusatione  parriddii  et  adfectatione  (so  NP)  regni,  primum 
petüus  ad  ultimum^  quoniam  populi  Bomani  amicus  erat,  veneno  necatus 
est,  regnumquc  Macedcmiae  morttu)  Philippo  ad  Fersen  devenit  Es  hat  also 
sowohl  in  der  Per.  wie  in  unserem  Texte  wieder  eine  Zusammenziehung 
der  Ereignisse  zweier  Jahre  (572/182  und  573/181)  stattgefunden,  ja  in 
der  Per.  sind  auch  noch  die  Ereignisse  von  575/179  (aus  Liv.  XL  54 : 
Tod  des  Philipp  und  Thronbesteigung  des  Perseus,  wiederholt  am  Ende 
der  Per,)  dazugenommen.  Sehr  beachtenswert  ist  ausserdem  die  nahe  Be- 
rührung der  Per.  und  unserer  Epitome  in  den  Worten  fictis  criminibm. 
Livius  gebraucht  das  Simplex  fictus  nur  12.  7,  an  zwei  Stellen  dagegen 
das  Compositum  confictus  (8.  7;  13.  1). 

Z.  74:  Wahl  der  Konsuln  für  573/181:  Liv.  18.  1:  creati  P.  Cornelius 
Lentulus,  M.  Baebiu^  Tamphüus.  Bei  Obsequens  6  sind  die  Eonsul- 
namen  ausgefallen.  Val.  Max  115.  1:  P.  Comelio  Lentulo  M.  Baebio 
Tamphilo  consüHbus  (kürzer  11.12,  ebenso  ohne  Beinamen  Plut.,  Numa  22), 
Cassiodor:  P.  Lentulus  et  M.  Baehius,  Dagegen  die  fasti  Capitolini, 
Cornelius  Nepos,  Hann.  13.  1  und  Plinius,  H.  N.  XIII.  85  nennen  den 
einen  Konsul  P  CornelitAS  Cethegus. 

Z.  75:  Liv.  29.  3:  eodem  anno  in  agro  L.  Petilii  scribae  sub 
laniculo  ....  dtme  lapideae  arcae  .  .  .  .  inventac  sunt,  litteris  Latinis 
Graecisque  utraque  arca  inscripta  erat,  in  altera  Numam  Pompilium  .... 
sepültum  esse,  in  altera  Ubros  Numac  Pompilii  inesse.  Val.  Max.  I  1.  12 
mit  engem  Anschluss  an  Liv.;  Per.  S.  43  Z.  12 — 18:  Ubri  Numae  Pompiii 
in  agro  L.  Petilii  scribae  sub  laniculo  a  cuUoribus  agri  arca  lapidea 
clusi  inventi  sunt  et  Graeci  et  Latini.  in  quibus  cum  pleraque  dissolvendarum 
reUgionum  (wörtlich  aus  Liv.  29.  11)  praetor,  ad  quem  delati  erant,  legissct, 
iuravit  senatui,  contra  rempublicam  esse  ut  legerentur  servarenturque.  ex 
Sc.  in  comitio  exusti  sunt;  ebenso  Plut.,  Numa  22  und  Lactantius,  Inst. 
I  22.  5.  Eine  andere,  von  dieser  livianischen  abweichende  Version  bietet 
bekanntlich  Cassius  Hemina  bei  Plin.,  H.  N.  XIII  84  (vgl.  Varro  bei 
Augustin.,  de  civ.  dei  VII  34,  Festus  p.  173  M.  p.  182  de  Ponor,  Pseudo- 
Victor 3.  3),  wonach  der  Schreiber  Cn.  Terentius  heisst  und  nur  eine 
arca  gefunden  wurde. 

Z.  76:  Liv.  35.  1:  Konsul  wähl  für  574/180:  creavit  A.  Postumium 
ÄUnnum  Luscum  et  C.  Calpumium  Pisonem.  35.  3:  principio  eius  anni, 
quo  A.  Postumius  Älbinus  et  C.  Calpumius  Piso  consules  fuerunt  etc. 
Cassiodor:  A.  Postumius  et  C.  Tarpumius  (sie!). 

Z.  77 :  Liv.  37.  8 — 9 ;  38.  1 :  veris  principio  huius,  dum  consules  novos 
düectus  Bomae  tenet,  mors  dcinde  alterius  et  creandi  comitia  consulis  in 
locum  eius  omnia  tardiora  fecerunt,  interim  P.  Cornelius  et  M.  Baebius, 
qui  in  consulatu  nihil  memorabile  gesserant,  in  Apuanos  Ligures  exercitum 
induxerunt.  Ligures  .  .  .  inproviso  oppressi  ad  duodecim  milia  hominum 
dediderunt  se.    Die  Kämpfe  in  Spanien   gegen   die  Celtiheri  berichtet 


Die  neue  Liviiis-Epitome.  47 

Liv.  39  und  40;  neue  Kämpfe  gegen  die  Ligurer  seitens  der  beiden 
Konsuln  folgen  c.  41. 

Z.  78 — 80:  Liv.  44.  1:  eo  anno  rogatio  primum  lata  est  ab  L.  ViUio 
tribuno  plebis,  quot  annos  nati  quemque  magistratum  peterent  ca- 
perentque,    inde  cognomen  familiae  inditum^  ut  Annales  appellarentnr. 

Z.  81:  Liv.  44.  3:  Q.  Fulvio  et  L.  Manlio  consulibus]  bei  Obsequens 
7  (61)  steht  in  der  Aldina  fälschlich  G.  Manlio.  Cassiodor:  Q.  Ftdvius 
et  L,  Manlius. 

Z.  82:  Liv.  45.  6:  censorum  inde  comitia  Jiabita;  creati  Jf.  Aemüius 
Lepidus  pontifex  maximtfrS  et  M.  Fulvius  Nobilior.  . .  .  inter  hos  viros  nobiles 
inimicitiae  erant.  Über  die  Beilegung  dieser  Feindschaft  vgl.  c.  46.  Dazu 
Valerius  Max.  IV  2.  1,  Cic,  de  prov,  cons.  21,  Gellius  XII  8.  5—6. 

n.  Zu  Kol.  IV— vin. 
Aus  Buch  48. 

Z.  83:  Die  beiden  ersten  Worte  beziehen  GH.  auf  den  Krieg  des 
Masinissa  mit  Carthago;   vgl.  Per.  48  gegen  Ende  S.  51  Z.  26  u.  27. 

Lusitani  vastati  geht  auf  die  römischen  Erfolge  von  604/150,  da 
der  Prokonsul  Lucullus  und  der  Praetor  Galba  gemeinschaftlich 
operierten,  vor  allem  auf  den  verräterischen  Überfall  des  Galba:  Orosius 
IV  21.  10:  igitur  in  Hispania  Sergius  Galba  praetor  Lusitanos  citra 
Tagum  flumen  habitantes  cum  voluntarios  in  deditioncm  recepisset^  per 
scelus  interfecit  etc.  Val.  Max.  IX  6.  2 ,  Sueton ,  Galba  3 ,  eingehender 
Appian,  Jb.  59.  60.  Per.  48  S.  51  Z.  13—16  hat  nur  die  kurze  Be- 
merkuDg:  Servius  Sulpicius  Galba  praetor  male  adver sus  Lusitanos  pugnavitj 
womit  sie  auf  die  Niederlage  des  Galba  im  Jahre  603/151  anspielt: 
Oros.  IV  21.  3  u.  App.,  Jb.  58;  vgl.  gegen  meine  AusführuDgen  bei  GH. 
S.  104  Reid,  Class.  Rev.  XVÜI  6  S.  293. 

Z.  84—86.  Die  Geschichte  steht  in  keinem  Parallelbericht.  Comelii 
Cctivegi  kommen  in  dieser  Zeit  vor.  GH.  weisen  auf  L.  Cornelius  Cethegus 
hin,  einen  der  Ankläger  des  Galba,  vgl.  Per.  49  S.  54  Z.  11,  weiter 
M.  Cornelius  Cethegus,  den  Konsul  von  594/160. 

Aus  Buch  49. 

Z.  88.  Die  Konsulnangabe  für  605/149:  L.  Marcio  Censorino  M. 
(statt  Manio)  Manilio  haben  auch  die  Handschriften  der  Per.  49  S.  53 
Z.  5 — 6,  Censorinus,  de  die  nat.  17.  11  unter  Berufung  auf  Antias,  Varro 
und  Li  vi  US,  Velleius  I  13. 1,  Orosius  IV  22. 1,  Eutrop.  IV  10. 1  (iirtümlich 
L.  Manlio  Censorino),  Zosimus  11  4.  2  (der  2.  Konsul  Mdgxov  MaXXiov 
[llovrikiov]),  Appian,  Lib.  75,  Zonaras  I  26.  4,  Boiss.  I  S.  306,  Cassiodor, 
Chron.  Dagegen  richtig  L.  Marcius  Censorinus  M!  ManiUus  geben  die 
Fast.  Capit,  Cic,  Brutus  61  und  Aead.  pr.  II  102. 

Z.  89 :  Wörtlich  tibereinstimmend  Orosius  IV  22.  1 :  tertium  Punicum 
bellum  exortum  est.     Per.  49  Anfang   S.  52  Z.  4 — 5:   tertii  Punici  belli 


48  E.  Komemann^ 

initium  altero  et  sescentesimo  ab  urbe  condita  anno  (dieselbe  Zahlenangabe 
bei  Orosius  und  Eutrop.),  Eutrop.  IV  10.  1 :  tertium  deinde  beUum  contra 
Carthaginem  susdpitur^  Florus  I  31.  1  (Rossb.):  tertium  cum  Africa  bellum 
et  tempore  exiguum  .  ,  ,  et  in  conparationem  priorum  minimum  labore. 
Zonaras  IX  26.  1,  Boiss.  I  S.  306. 

Z.  89—90:  Per.  S.  52  Z.  16—18:  üticenses  legati  Romam  venerunt 
se  suaquc  otnnia  dedentes.  ea  legatio  vehit  omen  grata  patribu^^  acerba 
Carthaginicnsibus  fuit    App.,  Lib.  75. 

Z.  90—93:  Ter.  S.  52  Z.  21— S.  53  Z.  5:  legati  XXX  Romam  venerunt, 
per  quos  se  Carthaginienses  dedebant.  Catonis  sententia  devidt,  ut  in  decreto 
pcrstaretur  et  ut  consüles  quam  primum  ad  bellum  proficiscereniur.  gut 
ubi  in  Africam  transierunt,  acceptis  quos  imperaverant  (impetraverant  NP) 
ccc  obsidibus  et  armis  omnibus  instrumentisque  belli^  si  qua  Carthagine  erant, 
cum  (tum  N)  ex  auctoritate  patrum  iuberent  ut  in  alium  locum,  dum  a 
mari  X  (NP  ohne  Strich  über  X)  ne  minus  remotunij  oppidum  facerent 
indignitate  rei  ad  bellandum  Cartlhaginienses  compuhrunt,  Orosius  IV  22.  3 : 
sed  Carthaginienses  postquam  arma  tradiderunt  et  relicta  urbe  recedere  procul 
a  mari  decem  miltbus  passuum  iussi  sunt,  dolorem  ad  desperationem  contu- 
lerunt  etc.  Florus  I  31.  8:  tum  evocatis  principibus  (dazu  Oros.  IV  22.  2: 
Carthaginiensibus  evocatis  iussisque),  si  salvi  esse  vellent,  ut  migrarent 
finibus  imperavit.  quod  pro  rei  atrocitate  adeo  movit  iras,  ut  extrema  mallent, 
Zonaras  IX  26.  6,  Boiss.  I  S.  307  und  eingehender  App.,  Lib.  76—93. 

Z.  93—94:  Erste  That  des  Aemilianus:  Per.  S.  53  Z.  5—9:  obsideri 
obpugnarique  coepta  est  Carthago  a  L.  Marcio  M.  Manilio  cos.  in  qua 
obpugnatione  cum  neglecios  ab  una  parte  muros  duo  tribuni  temere  cum 
cohortibus  suis  inrupissent  et  ab  oppidanis  graviter  caederentur^  a  Scipione 
Africano  (so  P^  Orßtiano  P^)  expliciti  sunt.  Orosius  IV  22.  7:  consüles 
igitur  quamvis  aliquantam  muri  partem  quassatam  machinis  diruissent,  tamen 
a  Carth<iginiensibus  victi  ac  repulsi  sunt:  quos  fugientes  Scipio  repulso 
intra  muros  hoste  defendit.  Appian,  Lib.  98  (abschliessend:  xal  tovro 
ngwTov  avxov  hnl  So^rjs  knoiriaBV,  evßovkoteQov  xov  otQaxtiyoi  (favivia). 
Eine  zweite  That  desselben  Mannes,  offenbar  nach  der  Rückkehr  des 
Censorinus  nach  Rom  {Per.  S.  53  Z.  14 — 15,  Oros.  IV  22.  7  und  App., 
Lib.  99),  berichten  Per.  S.  53  Z.  9 — 13  und  Appian,  Lib.  99  gegen  Ende. 
Diese  That  scheint  in  unserem  Texte  übergangen  zu  sein. 

Z.  95  bezieht  sich  wohl  auf  das,  was  Appian,  Lib.  100—101  ge- 
legentlich eines  Zuges  des  Manilius  ins  Binnenland  hinein  erzählt;  vgl. 
bes.  C.  101:  ^ißvwv  3i  roig  kg  nvgyovg  xal  q,Q0VQia^  ä  nokkd  ijv  iv  xf 
X^Q(ft  xaTatpvyovaiv  oi  fiiv  äXXoc  x^^^^QX^''  onBvdoftBPoi  xal  fted-iipreg 
knsTi&BPTO  amovaiVf  6  di  JSximtav  lg  xä  otxoi  nagin^iini,  xal  ccno  xovSe 
ov  ngiv  ?}  ^xmiaiva  d(fixia&ai  övperi&exo  oiäeig.  roaavtf]  So^a  aixov 
dpdgeiag  re  nigi  xal  nlarewg  xal  nagä  xoig  iöioig  Si  oXiyov  iyByipt]to 
xal  nagä  rolg  nokeftioig ;  dazu  Diodor  XXXII  fr.  7  und  Cassius  Dio  XXI 
fr.  70  Boiss.  I  S.  309 f.:  xal  t?}v  niaxoTtixa  oix  onojg  ngog  rovg  noXizag 


Die  fieue  Livius-Epitome.  49 

Tovg   T€  xQ^H^^^^S   ^'^1   ^^^   ^«'   ^Qog   ro   b&vüov   ro   re  nole/iiwraTov 
axgißrj  kxixTtiTO. 

Z.  95—97:  Per.  S.  53  Z.  13—23,  bes.  Z.  19 ff.:  cum,  ^ict^  (Scipio) 
praedixerat,  fust^s  fugatusque  esset  Bomanus  exercitus  et  duae  cohortes  ah 
Ihoste  obsiderentur,  cum  paucis  equitum  turmis  in  saUum  reversus  liberavit 
exis  et  incolumes  reduxit,  Pseudo- Victor,  de  vir.  ill,  58.  4 :  (Scipio)  tribunus 
in  Africa  sub  T.  Manilio  imperatore  octo  cohortes  obsidione  vallatas  consüio 
et  vir  tute  servavit,  a  quibus  Corona  obsidionaU  aurea  donatus^  Piinius, 
H.  K  XXn  13.  Das  Genauere  wieder  bei  Appian,  Lib.  102 — 104  Anfang, 
woraus  wir  ersehen,  dass  die  erwähnten  Vorgänge  bei  Nepheris  sich  ab- 
spielten. Nach  c.  103  wurden  vier  Cohorten  der  Römer  (Per.:  zwei, 
Piinius:  drei,  Pseudo- Victor:  acht)  von  Hasdrubal  eingeschlossen  und 
von  Scipio  befreit.  Eine  allgemeiner  gehaltene  Anspielung  auf  die  Helden- 
thaten  des  Kriegstribunen  Scipio  hat  auch  Eutrop.  IV  10.  3. 

Z.  98—100:  Per.  S.  53  Z.  28— S.  54  Z.  14;  vgl.  namentlich  Z.  6ff.: 
complexus  duos  filios  praetextatos  et  Sulpp^ci}  Galli  fiUum,  cuius  tutor 
erat,  ita  miscrabüiter  pro  se  locutus  est  ut  rogatio  antiquaretur.  Cic, 
Brutto  89 — 90:  tum  igitur  <j%ihit}  recusans  Galba  pro  sese  et  populi 
Bomani  fidem  implorans,  cum  stws  pueros,  tum  C.  GalU  etiam  ßium  flens 
commendabat,  de  orat.  1 227 — 228  (pro  Murena  59),  darnach  oder  nach  der 
Quelle  Ciceros  Val.  Max.  Vin  1.  Absol,  2:  reus pro  se  iam  nihil  recusans 
parvulos  liberos  suos  et  Galli  sanguine  sibi  coniunctum  fiUum  flens  com- 
mendare  coepit  eoque  facto  mitigata  contione  qui  omnium  consensu periturus 
erat  paene  nullum  triste  suffragium  habuit  (auch  VIII  7.  1);  vgl.  Gellius 
1  12.  17  (Stelle  aus  Catos  Rede  gegen  Galba),  Liv.  XXXIX  40.  12. 
Pseudo-Victor  47.  7.    Tac,  Ann.  III  66,  Appian,  Jb,  60  Ende. 

Z.  100—102:  Per.  S.  54  Z.  14— S.  55  Z.  11:  Andriscus  quidam 
ultimae  sortis  Iwmo  Persei  regis  se  filium  fcrens  et  mutato  nomine 
Philippus  vocatus  ....  contracto  exercitu  totam  Macedoniam  aut 
voluntate  incoleniium  aut  armis  occupavit,  Velleius  I  11.  1:  Pseudo- 
philippus  a  mendacio  simulatae  originis  appellatus,  qui  se  PhiUppum  re- 
giaeque  stirpis  fercbat,  cum  esset  ultimae,  armis  occupata  Mace- 
donia  etc.  Eutrop.  IV  13,  Appian,  Lib.  111;  zur  Sache:  Polyb.  XXX VII 
2.  4,  Diodor  XXXI  40  a,  XXXH  15,  Zonaras  IX  28.  2—3,  Boiss  I  S.  312: 
Tt]v  di  MaxeSoviap  'Avdgiöxoq  tig  i^  'AxQafAVtxiov  (pvg,  T<p  TlBgoBl  J*  ku- 
(fBQTjS  ro  BiSog  yeroftevog  xul  naig  elvai  ixeivov  nkarrofiBvog  xai 
^biXinnov  iavxov  ovoftäCwv  knl  nkelatov  aniarrjaB  x.  t.  X. 

Z.  103—105:  Per.  49  S.  52  Z.  18—21:  ludi  Diti  patri  ad  Tarefitum 
ex  praeeepto  Ubrorum  facti,  qui  ante  (fehlt  in  NP)  annum  ccntesimum 
primo  Punico  belle,  quingetesimo  et  altero  anno  ab  urbe  condita  facti  erant, 
Censorin.,  de  die  nat.  17.  11:  de  quartorum  ludorum  anno  triplex  opinio 
est.  Anttas  enim  et  Varro  et  Livius  reUxtos  esse  prodiderunt  L.  Marcio 
Censorino  M.  Manilio  coss.  post  Bomam  conditam  anno  DCV.  Nach  einer 
zweiten  (der  richtigen)  Ansicht  (der  des  Piso,  Gellius  und  Oassius  Hemina, 

KornemaDD,  Die  neue  LiviusEpitome.  4 


50  E.  Kornemanny 

also  der  Annalisten  der  Gracchenzeit)  fanden  die  Spiele  statt  im  Jahre 
608/146,  nach  einer  dritten  (den  cammentarii  der  XV  virt)  erst  628/126, 
vgl.  ausserdem  Zosimus  II  4.  2,  Wissowa,  Religion  u.  Kultus  der 
Römer  S.  256  u.  S.  364.  Sehr  auffallend  ist  die  Nachstellung  dieses  Be- 
richtes über  die  Saecularspiele  in  unserem  Texte  und  zwar  unter  noch- 
maliger Nennung  der  Konsuln  von  605/149  (in  der  umgekehrten  Reihen- 
folge wie  Z.  88 !) :  das  ist  eine  Singularität  des  Papyrus.  Die  Per,  schliesst 
den  Auszug  aus  Buch  49  mit  der  Erzählung  des  Aufstandes  des  Pseudo- 
philippus  in  Makedonien.  Die  entsprechende  Anspielung  auf  die  Saecular- 
spiele dagegen  steht  im  Anfang  von  Buch  49  nach  der  Gesandtschaft  der 
Uticenser  nach  Rom  (s.  in  unserem  Text  Z.  89/90)  und  vor  derjenigen 
der  Carthager,  die  die  Unterwerfung  ihrer  Stadt  anbot  (Papyrus  Z.  90/91), 
also  mitten  drinnen  in  den  Vorgängen,  die  sich  vor  dem  Beginn  des 
3.  punischen  Krieges,  d.  i.  im  Anfang  von  605/149  abspielen.  Es  ist 
sofort  deutlich,  hier  hat  die  chronologisch  sonst  ungenauere  Per.  die  Stelle 
bewahrt,  an  der  im  Original  die  Saecularspiele  geschildert  waren.  Denn  es 
kommt  wohl  vor,  dass  in  den  Pcriochac  Ereignisse  des  betreffenden  Livius- 
buches  am  Schlüsse  nachgetragen  werden,  aber  das  umgekehrte,  dass 
Ereignisse,  die  an  den  Schluss  gehören,  in  den  Text  hineingeschoben 
werden,  ist  undenkbar.  Es  fragt  sich  nun,  was  war  der  Grund  für 
unseren  Epitomator  die  Saecularspiele  sozusagen  in  einem  Postscriptum 
zu  geben.  Es  bleibt  nichts  anderas  übrig,  als  den  Schlüssel  in  der  An- 
gabe Censorins  zu  suchen,  dass  das  Jahr  der  Spiele  kontrovers  war. 
Unter  diesem  Gesichtspunkt  habe  ich  ursprünglich  auch  an  eine  Ergänzung 
gedacht,  die  dem  Rechnung  trug,  etwa:  Man<f>lio  et  Marc<»>o  c[os. 
dicunt  ludos  saeculd\v^s\  f  actos  quos  o^o\rtuit  fieri  ex  Sibyllae]  carminibus 
[Cn.  L]en[/Mto  L.  Mummio  cos.];  im  übrigen  vgl.  unten  S.  74. 

Aus  Buch  50. 

Z.  107—8:  Per.  50  Anfang  S.  55  Z.  13—15:  Thessalia,  cum  et  iUam 
invadere  armis  atque  occupare  Pseudophilippus  vellet,  per  legatos  Roma- 
iiorum  auxiliis  Achaeorum  defensa  est;  vgl.  Polyb.  XXXVII  2.  5: 
xai  OezTaXiZv  ygafif^ara  xai  TtgeaßevTag  nefixpccvTiav  ngog  Tovg  'j4^aioig 
xal  nagaxakovvTCJV  3of]&eiv,  wg  xai  negi  avtovg  ynag^ovrog  xivSvvov, 
Zonaras  IX  28.  4,  Boiss.  I  S.  312. 

Z.  109-110:  Per.  S.  55  Z.  15 — 17:  Prusias  rex  Bithyniae,  omnium 
humilUmorumque  vitiorum,  a  Nicomede  fUio  adiuvante  Attalo  rege  Pergami 
occisus.  Strabo  XIII  p.  624  C:  (Attalos  11)  avcUe  Si  xal  ügovaiav  hm- 
avöTTjöag  avT^  ISixo^tdf]  xov  viov.  Appian,  Mithr.  5:  xai  Bid-vvoi  vov 
ftiv  anoargiifovTaij  top  Öi  aigoivxai^  Zonaras  IX  28.  1,  Boiss.  I  S.  311f.: 
Bi&vvoi  ....  tov  ftev  yigovta  htfovivaaVj  ßaaiXia  ä'  ixHvov  [xov  Nixofifßrj) 
äniSsi^av ;  zur  Sache  auch  Justinus  XXXIV  4. 

Z.  110—115;  Per.  S.  55  Z.  19—23:  cum  III  legati  {legatos  Hss.)  ad 
pacem  intcr  Nicomeden  et  Prusiam  faciendam  ad  Romanos  (so  die  Hss.  auch 


Die  neue  Livius-Epitome.  51 

N;  wohl:  ab  Romanis)  missi  essent  (so  NP),  cum  unus  ex  his  muUis 
cicatricibus  sartum  (sarsum  NP)  caput  haberet,  alter  pedibus  aeger  esset, 
tertius  ingenio  socors  haberetur^  M.  Cato  dixit  eam  in  legationem  (in  fehlt 
in  P)  nee  caput  nee  pedes  nee  cor  habere;  dazu  A.  Otto,  Sprichwörter  der 
Bömer  S.  74 f.  Die  Namen  der  drei  Gesandten  haben  Polybios  und  Diodor; 
Pol.  XXXVn6:  oTi  'Pcüfiaioi  Hneftxfjav  ngsafievrag  xovg  inikfitpofiivovg 
rijg  OQfir^  rr^g  rov  Nixoftrjdovg  xal  xwkvaovvag  rov  "AtxaXov  noXBfAtiv  r^ 
rigovaia^  xal  xarBöta&fiaav  Mdgxog  Aixlviog  äv&gwnog  noSayQixog 
xal  TsXBl(ag  advvarog  rolg  noai^  xal  fierä  tovrov  AvXog  Mayxivog^  6g 
XBQafiiSog  üg  rfjfv  XBtpaXijv  ifiTiBaovofjg  ovrib  rfjXtxavrag  xal  xocavxag 
ovXag  bI^b  8iä  trjg  xBtpaXijg,  wotb  &avfiaaT6v  Bivai  nüg  iaa&rj,  xal  Abv- 
xiog  MaXXioXiwv,  og  nuvxfav  kd6xu*Pa)fAaia}v  ävcua&rixoTatog  indg^^Biv. 
Sio  xal  (paöi  Mdgxov  flogxiov   xov  Kaxtava   ngoaayoQBVOfiBvov   bIubiv   kv 

üvyxXrjxtp ni!)g   Si  xaxara^rpaaav  ävvöaa&ai  xi  xf^v  ngBößBiaVy 

fjLtjxB  noöag  ftijxB  xBtfaXrjv  fiijXB  xagSiav  ^;^oi;(Tay,  Durch  unseren 
Text  erhält  nun  die  Verderbnis  MaXXtoXitav  ihre  Heilung  =  MdXXtcx^gy 
<iOv6yX[a]fav.  Diodor,  der  mit  Polybios  im  übrigen  übereinstimmt  (XXXII 20), 
giebt  die  Namen  nur  abgekürzt  wieder  (Licinius,  Mancinus,  Lucius).  Ohne 
Namennennung  ist  die  Sache  noch  erwähnt  bei  Plutarch,  Cato  maior  c.  9  An- 
fang und  Appian,  Mithr.  6  am  Ende.  Auffällig  an  unserem  Texte  ist  auf 
den  ersten  Blick,  dass  gesagt  wird,  die  Gesandtschaft  sei  ad  Attalum  regem 
geschickt  worden.  Das  Hauptziel  der  Gesandten  war  unstreitig  Bithynien 
und  die  Beilegung  des  Streites  zwischen  Prusias  und  seinem  Sohne  Nico- 
medes  (vgl.  Polyb.,  Per.,  Diodor).  Plutarch  (a.  a.  0.)  spricht  direkt  von 
Gesandten  Big  Bt&vviav^  und  Appian  (a.  a.  0.  c.  7)  erzählt  von  der  An- 
kunft derselben  in  Bithynien  und  ihren  Versuchen  den  Streit  zwischen 
Nicomedes  und  Attalos  einer-  und  Prusias  andererseits  beizulegen.  Die 
Gesandtschaft  war  also  auch  an  Attalos  gerichtet  (vgl.  Polyb.,  a.  a.  0.: 
xal  xtaXiaovxag  xov  'AxxaXov  nolBfiBiv  xtp  ITgovoiq),  der  der  eigentliche 
Urheber  des  Zwistes  war.  Niese,  Gesch.  der  griech.  und  mak.  Staaten  ITI 
S.  329. 

Z.  115— 116a:  Wie  schon  angedeutet,  kann  ich  den  von  Warde 
Fowler  eingeschlagenen  Weg,  um  diese  Stelle  zu  verstehen,  nicht  betreten. 
An  M.  Sca[n]tius  ist  nichts  zu  ändern;  eine  Scantia  begegnet  bei  Oic. 
pro  Mil  75.    Parallelberichte  fehlen. 

Z.  117:  Obsequens  19:  Spurio  Postumio  L.  Pisom  coss.,  Cassiodor: 
Sp.  Postumius  et  L.  Piso  (606/148). 

Z.  118—120:  Über  den  Tod  und  die  Kinderzahl  des  Massinissa: 
Per,  S.  56  Z.  4 — 8:  Masinissa  Numidiae  rcx  maior  XC  annis  decessit, 
vir  insignis.  inter  cetera  iuvenalia  opera,  quae  ad  ultimum  cdidit,  adeo 
etiam  .  .  .  .  m  scnecta  viguit  ut  post  sextum  et  octogcsimum  annwn  filium 
genuerit,  Val.  Max.  V  2  Ext.  4 :  (Masinissa)  longa  .  .  a  dis  immortalibus 
scneetute  donatus  ....  illc,  cum  iam  actate  deßciente  magnas  regni  opes 
quaftuor  et  quinquaginta  fUiorwn  numero  relinquens  in  l^xtulo  Inheretur 

4» 


62  E.  Komemann, 

Eutrop.  IV  11:  per  idem  tempus  Masinissa  rex  Numidarum^  per  annos 
sexagifUa  fere  amictcs  populi  Bomani,  anno  vitae  nonagesimo  septimo  mortuuSy 
quadraginta  qtMttttor  ßiis  relictis  Scipionem  divisorem  regni  inter 
füios  suos  esse  iassit  Über  die  Teilung  des  Reiches  vgl.  auch  Per.  S.  56 
Z.  8 — 12 :  inter  tres  liberos  eins  ....  P.  Scipio  Aemüianus^  cum  commune 
his  regnum  pater  reliquisset  et  dividere  cos  arbitro  Scipione  iussisset, 
partes  administrandi  regni  divisit,  Val.  Max.  a.  a.  0.:  eum  dividendi 
arbitrum  habercnt,  Orosius  IV  22.  8 :  Scipio  Masinissa  nioriuo  inter  Masi- 
nissae  filios  tres  Numidiae  regnum  divistt.  Man  beachte  in  allen  diesen 
von  Livius  abhängigen  Quellen  die  Verwendung  des  Verbum  dividere, 
während  in  unserem  Texte  distributum  steht.  Über  die  Reichsteilung 
vgl.  ausserdem  noch  App.,  Lib.  106  Ende,  Zonaras  IX  27.  5,  Boiss.  I  S.  310. 
Controvers  ist  das  Alter  des  Masinissa  beim  Tode  und  die  Zahl  seiner 
Kinder.  Was  das  Alter  betrifft,  so  hat  unser  Papyrus  nur  die  allgemeine 
Angabe  [ult]imae  senectutis  (denselben  Ausdruck  gebraucht  Val.  Max. 
Vn  1.  1  von  Q.  Metellus  Macedonicus  und  VIII  1.  2  vom  alten  Cato). 
Per.  48  gegen  Ende  S.  52  Z.  1  giebt  dem  König  unter  dem  Jahre  604/150 
92  Jahre  und  Per.  50  S.  56  Z.  5  lässt  ihn  älter  als  90  Jahre  sterben. 
Da  wir  hier  aber  im  Jahre  606/148  stehen,  so  bekämen  wir  94  Jahre 
beim  Tode.  Dazu  stimmt  aber  nicht  Liv.  XXIV  49.  1,  wo  Masinissa  zum 
Jahre  541/213  als  siebzehnjährig  bezeichnet  wird.  Auch  wenn  wir  hier, 
wie  die  Liviusherausgeber  z.  T.  vorschlagen  (vgl.  Fischer,  Zeittafeln  S.  125), 
statt  XVII  XXVII  schreiben,  ist  die  Sache  noch  nicht  in  Ordnung;  denn 
wir  erhalten  als  Alter  beim  Tode  (also  148  v.  Chr.)  dann  92  Jahre.  Eutrop. 
dagegen  lässt  Mas.  sogar  erst  im  97.  Jahre  sterben.  Ich  glaube  aber, 
dass  bei  ihm  eine  Zahlen  Verderbnis  anzunehmen  ist,  XCVII  statt  XCII. 
Die  bei  Livius  zu  Grunde  liegende  Tradition  scheint  das  Alter  des  Mannes 
demnach  auf  92  Jahre  angegeben  zu  haben:  Per.  48  hatte  also  wohl 
schon  unter  dem  Jahre  150  das  beim  Tod  erreichte  Alter  verwendet. 
Dieser  annalistisch-livianischen  Tradition  steht  Polybios  (XXXVII 10.  2 
und  11)  gegenüber,  der  von  einem  Alter  von  90  Jahren  (offenbar  nicht 
runde  Zahl)  spricht.  Ihm  folgen  Diodor  XXXII  16,  Appian,  Lib.  106, 
Lucian,  Macrob.  17  und  Plutarch,  Mor.  p.  791  F.  Da  er  nach  diesen 
Stellen  bei  seinem  Tode  einen  vierjährigen  Sohn  hinterliess,  so  müsste  er 
denselben  86  Jahre  alt  gezeugt  haben;  die  Per.  50  S.  56  Z.  7  sagt  aber 
ihrem  Ansatz  entsprechend  richtig  post  sextum  et  octogesimum  annum. 
Unstreitig  ist  diese  Bezeichnungsweise,  nach  dem  86.  Lebensjahre,  auf- 
fallend ;  sie  ist  nur  verständlich  als  Polemik  gegen  die  Ansicht,  dass  das 
Ereignis  i  m  86.  Lebensjahr  erfolgte.  Die  polybianische  Angabe  hat  durch 
einen  Annalisten  offenbar  eine  Korrektur  erfahren  und  dieser  Schlimm- 
besserung ist  also  Livius  gefolgt. 

Bezüglich  der  Kinderzahl  des  Numidier-Königs  steht  fest,  dass  das 
Reich  unter  drei  Söhne  verteilt  wurde:  so  Orosius,  Zonaras;  vgl.  auch 
Sallust.,  Jug.  5.  6:  Micipsa,  Mastanabai  und  Gulussa.    Das  sind  die  drei 


Die  neue  lAmus-Epitotne.  53 

yvi^aioi,  von  denen  Appian,  Lib.  105  spricht.  Dazu  kam  dann  im  hohen 
Alter  noch  ein  vierter  Sohn  {Ter.  s.  o.):  so  kommen  wir  auf  die  4,  die 
unser  Text  bietet.  Dieselbe  Zahl  haben  wohl  Valerius  Maximus  und 
Eutrop.  vor  Augen  gehabt,  wenn  sie  die  Gesamtzahl  der  Kinder  auf  54 
bezw.  44  angeben  (4  +  50  bezw.  4  +  40).  Mit  50  bezw.  40  ist  meiner 
Ansicht  nach  nämlich  die  Zahl  der  v6&oi  gemeint,  die  auch  in  den  übrigen 
Quellen  als  sehr  gross  angegeben  wird:  App.,  Ldh.  105:  naiSag  ix^v 
vo&ovg  fih  nXnlovctg  .  .  .  yvtjaiovg  Si  rgeig.,  106:  noXkduv  ydg  avrcß 
nalSwv  yiyvofiivoiv ;  Zonaras  IX  27.  4:  Siii  tb  t6  twv  vUcov  nXrj&og. 
Die  annalistisch -livianische  Tradition  gab  also  4  (3  +  1)  eheliche  und 
viele,  bezw.  genauer  40  oder  50  (richtiger  wohl  40)  uneheliche  Söhne. 
Anders  wieder  Polybios.  Nach  XXXVII  10.  5  hatte  Masinissa  ausser 
dem  Spätgeborenen  (vgl.  auch  §  11),  der  hier  (§  5)  mit  seinem  Namen 
(Sthembanos)  genannt  wird,  noch  vier  Söhne  (4  -f- 1).  Diodor  (XXXII  16) 
liinwiederum  giebt  10  Söhne  an.  Diese  Angabe  findet  ihre  Erklärung 
durch  App.,  Lib.  106:  noXkwv  yag  mrq>  naiSav  yiyvofAivwv  re  xat  ccno- 
&v7jax6vttav  ovnoTB  fiiv  ijaav  airtp  fielovg  toJv  dixa.  Zehn  ist 
also  die  Mindestzahl  der  jeweils  am  Leben  befindlichen,  wobei  natürlich 
eheliche  und  uneheliche  zusammengerechnet  sind.  Es  war  daher  eine 
Übertreibung  der  annalistisch-livianischen  Tradition,  wenn  sie  von  44 — 54 
hinterlassen en  Söhnen  sprach.  Das  hatte  offenbar  Polybios  nicht 
gethan ;  denn  auf  ihn  gehen  wohl  in  letzter  Linie  die  Angaben  des  Diodor 
und  Appian  (wenigstens  in  c.  106)  zurück.  Es  bleibt  ausserdem  noch 
die  Divergenz  von  fünf  resp.  vier  ehelichen  Söhnen  zwischen  Polybios 
und  Livius. 

Z.  121—122:  Per.  S.  56  Z.  15—17:  ex  tribus  legatis,  gut  ad  Mast- 
nissam  missi  erant,  M.  Cl{audius)  Marcellus  coorta  tempestaie  fluctibus 
obruttis  est.     Von  der  Gesandtschaft  ist  auch  die  Rede  bei  App.,  Lib.  105. 

Z.  122—23:  Per.  S.  56  Z.  17—21:  Carthaginienses  Hasdrubalan, 
Masinissac  nepotem^  quefn  praetor em  habebanty  honiinem  proditionis 
mspcctum  in  curia  occidcrunt  (so  NP);  quae  suspicio  inde  fnatmtnt, 
quod  propinquus  esset  Grulussae,  Romanorum  auxilia  iuvantis;  Orosius 
IV  22.  8:  Hasdrubal  Poenorum  imperator^  Masinissac  nepos^  subsellio- 
rum  fragmcntis  in  curia  a  suis  propter  suspicionem  proditionis 
occisus  est  Appian,  Lib.  111  Ende:  'Atidgoißav  rov  agxovra  avxrjg 
(rijff  nokBbDg)^  aSiXtpiSoifV  Svra  roXooaoVy  dUflakke  xy  flovXy  rd 
Kagxv^oviwp  FoXocay  ngoSiSovai,  xal  rov  Xoyov  nQOiB&ivtog  hg  fiiaov, 
o  fjiiv  ijnoQBiTo  wg  kn'  ädoxtjrtp^  ot  Si  Tvntovng  avtov  Toig  ino- 
ßdd'Qoig  xaxißaXov.  Die  Darstellungen  berühren  sich  sachlich  und 
sprachlich  sehr  nahe,  vor  allem  Per.  und  Orosius  {Masinissae  nepos,  su- 
spicio proditionis y  Tod  in  der  Curie,  Verbum  occidere,  abweichend  nur: 
Per.:  praetorem,  Orosius:  Poenorum  imperator),  dann  aber  auch  Orosius, 
Appian  und  der  Papyrus,  welche  die  eigentümliche  Art  der  Er- 
schlagung   (ähnlich   derjenigen    des   TL  Gracchus:    Oros.  V  9.  2,   Vell. 


54  E.  Kornemann^ 

n  3.  2)  berichten.  Endlich  berühren  sich  auch  Per.  und  Appian  in  der 
Bemerkung,  dass  Hasdrubal  ein  Neffe  des  Gulussa  war.  Unser  Text  da- 
gegen steht  einzig  da  bezüglich  der  Verwendung  des  Wortes  adfinis  (s.  oben 
distributum) 

Z.  123—124:  Per.  S.  56  Z.  21—25:  P.  Sdpio  Aemüianus  cum  aedi- 
litatem  peteret,  consul  a  populo  dictt^s,  quoniam  per  annos  canstiU  fieri 
non  licebat^  cum  magno  certamine  suffragcmtibus  plebeis  {suffragantis  legis 
NP)  et  repugnantibus  ei  dliquandiu  patribus^  legibus  solutus  et  consul  creatus, 
Eutrop.  IV  12.  1:  iuvenis  adhuc  consul  est  factus  et  contra  Carthaginem 
missus,  de  vir.  ill.  58.  5:  cum  aedüitatem  peteret^  consui  ante  annos  üUro 
factus  \  genauer  Appian,  Lib.  112,  Cassius  Dio  XXI  fr.  70.  2 — 3,  Zonaras 
1X29.2;  Boiss.  I  S.  313f. 

Z.  125:  Per.  S.  56  Z.  25— S.  57  Z.  1  hat  hier  die  Bemerkung: 
M.  Aemilius  (so  NP;  M:  ManiUus  Sigonius)  aliquot  {aÜquod  N)  urbes 
drcumpositas  Carthagini  expugnavit.  Orosius  IV  22.  8  (allerdings  vor  der 
Ermordung  des  Hasdrubal) :  quo  (i.  e.  Scipione)  drca  Carthaginem  reverso 
ManUus  Tezagam  urbem  expugnavit  atque  diripuit;  duodecim  miUa  ibi 
Afrorum  caeso,  sex  miUa  capta  sunt.  Dagegen  an  den  entsprechenden 
Stellen  bei  Diodor  (XXXTT  18),  Appian  {Lib.  110  u.  113)  und  Zonaras 
(IX  29.  1  Boiss.  I  S.  313)  wird  L.  Calpumius  Piso,  der  Konsul  von  606/148, 
als  der  Eroberer  einiger  Städte  um  Carthago  (und  zwar  durch  Vertrags- 
bruch) genannt;  vgl.  darüber  unten  S.  89 if. 

Z.  126—127:  Per.  S.  57  Z.  1—3:  PseudophiUppus  in  Macedonia, 
caeso  cum  exercitu  P.  Juventio  (exercitus  M.  Juventio  N)  praetor e,  ab 
Q.  Caecilio  victus  captusque  est  et  recepta  {relicta  NP)  Macedonia.  Orosius 
IV  22.  9 :  Juventius  praetor  in  Macedonia  adversus  PseudophiUppum  con- 
gressus  cum  maxima  clade  totius  Romani  exercitus  interfectus  est;  Eutrop. 
IV  13:  interim  in  Macedonia  quidam  Pseudophilippus  arma  movit  et  Ro- 
manum  praetorem  P.  Juventium  contra  se  missum  ad  internicionem  vidi. 
Post  eum  Q.  CaedUus  Metellus  dux  a  Romanis  contra  Pseudophilippum 
missus  est  et  XXV  müibus  dus  ocdsis  Macedoniam  recepit,  ipsum  etiam 
Pseudophilippum  in  potestatem  suam  redegit.  Obsequens  19  (78):  Pseudo- 
philippus devietus.  Florus  I  30.  4 — 5,  de  vir.  ill.  61.  1 ;  genauer:  Zonaras 
IX  28.  4—7,  Boiss.  I  S.  312 f.;  vgl.  endlich  Pausan.  VH  13  1,  Diodor 
XXXII  9  b,  auch  Polyb.  XXXVH  9.  13—14. 

Z.  127 — 129:  Obsequens  19(78):  vasto  incendio  Romae,  cum  regia 
quoque  ureretur,  sacrarium  et  ex  duabus  altera  laurus  ex  mediis  ignibus 
inviolata  steterunt  (überliefert:  est  et  erut,  Verbesserung  von  ßossbach,  Rhdn. 
Mus,  52,  1897,  S.  12).  Über  das  sacrarium  der  Ops  in  der  Regia  vgl. 
Varro,  de  ling.  lat.YI21,  Wissowa,  Religion  S.  481  Anm.  5;  über  den 
Brand  Richter,  Topographie"  S.  91. 


Die  neue  Livius-Epitonie.  56 

Aus  Buch  51. 

Z.  131:  Obsequens  20  (79):  P.  Afrieano  et  <(?.>  Laelio  (Limo  Scaliger) 
coss,  Cassiodor:  P.  Africanus  et  C.  Livius  (a.  607/147).  Vgl.  Appian 
Lib.  112:  Scipio  und  Drusus. 

Z.  132 — 133:  Obsequens  20  (79):  cum  Carthago  ohsideretur,  in  cap- 
tivos  JRomanorum  per  Hasdrubalem  barbaro  more  saevitum.  Zonaras 
1X29.  9,  Boiss.  I  S.  315:  dra  6  'AaSgovßag  navrag  rovg  tüv  *Pw- 
ftaiwv  alxM-ccXturas  anixreiviv,  omag  anoyvwaiv  avyyvwfirjg  axovjeg 
oi  KaQxtiSovioi  ngo&vfioTBQov  avTi.xa(iTiQr^ab)ai\  genaueres  bei  Appian 
Lib,  118. 

Z.  133 — 134.  Das  hier  Berichtete  bezieht  sicli  auf  die  Einschliessung 
von  Carthago  und  die  Kämpfe  dabei  im  Sommer  607/147.  Scipio  bewerk- 
stelligte zunächst  die  Abschliessung  auf  der  Landseite  (Appian,  Lib,  119 
bis  120),  dann  auch  nach  der  See  hin,  wogegen  sich  die  Carthager  durch 
den  Bau  eines  neuen  Hafenausganges  wehrten  (ebda.  121,  Per,  S.  57  Z.  8 
bis  10,  Florus  I  31.  14,  Zonaras  IX  29.  9—10,  Boiss.  I  S.  315  f.).  Zu 
crcbris  proelis  vgl.  man  Zonaras  a.  a.  0.  10 ,  Boiss.  I  S.  316  Z.  7 :  xal 
noXXal  ftäxcci  tv  TovT<p  tyivovto,  auch  Appian  a.  a.  0.  119:  ot  di 
(die  Carthager)  inixBivro,  xal  rjv  ctiziß  (Scipioni)  (gyov  ini  aradiovg 
Tov  fUTwnov  nivTB  xal  elxoöiv  kgya^ofiiv<p  tb  ofioi  xal  fia^ofiivip^ 
Vgl.  Münzer  bei  Pauly-Wissowa  IV  Sp.  1446  ff. 

Z.  135—136:  Per.  S.  57  Z.  21—24;  belli  AcJ^ici  semina  referuntur 
haec,  quod  legati  Romani  ab  Achaicis  pulsati  sint  Corinthi,  missi  tU 
eas  civitiUeSy  quae  sub  dicione  PhiUppi  fuerant,  ab  Achaico  consilio  secer- 
nerent;  vgl.  Per.  52  S.  58  Z.  8:  qtiia  ibi  legati  Bomani  violati  erant. 
In  der  Per.  51  ist  die  chronologische  Ordnung  verlassen  und,  wie  das 
öfter  vorkommt,  ein  Nachtrag  am  Ende  des  Auszuges  gegeben.  Florus 
I  32.  2 :  Critolaus  causa  belli  qui  libertate  a  Bomanis  data  adversus  ipsos 
usus  est  legatosque  Bomanos  dubium  an  et  manu  certe  oraiione  violavit. 
Eutrop.  IV  14.  1 :  propter  iniuriam  legatorum  Romanorum,  Cassius  Dio 
XXI  fr.  72.  1,  Zon.  IX  31.  2  Boiss.  1  S.  318.  Vjs  handelt  sich  um  die 
erste  Gesandtschaft  der  Römer  zu  dem  achäischen  Bund,  welche  geführt 
wurde  von  L.  Aurelius  Orestes,  dem  Konsul  von  597/157 ;  zur  Sache  vgl. 
noch  Polyb.  XXXVIII  7.  2,  Strabo  Vm  p.  381 C,  Justinus  XXXIV  1.  8, 
Vell.  112.  1  {cum  gravibus  etiam  in  Romanos  contumeliis),  Pausan.  VII  14. 
2 — 3,  Niese,  Gesch,  der  griech.  und  mak  Stachen  DI  S.  3421  und  unten 
S.  92. 

Z.  136:  Für  die  hier  erwähnte  Unterwerfung  der  Lusitaner  ver- 
lassen uns  alle  Parallelberichte  bis  auf  Appian,  aus  dem  wohl  Jb,  61 
hierherzuziehen  ist.  Dort  heisst  es,  dass  die  Lusitaner  von  dem  Praetor 
C.  Vetilius  {Per,  52  S.  58  Z.  17  M,  Vetilius)  in  eine  so  bedrängte  Lage 
gebracht  wurden,  dass  sie  ngiaßeig  ig  tov  OUtlXiov  intfinov  avv  ixertj- 
giatg^  yr^v  kg  cwo$x$afi6v  aivovPTBg  wg  and  tov 8b  ka6fuvo$*P»iialwv  ig 


56  E.  Kornemann, 

ndvxa  xarr^xooi.  Das  Abkommen  war  bereits  dem  Abschluss  nahe, 
als  durch  Viriathus'  Dazwischentreten  die  Sache  sich  zerschlug ;  im  übrigen 
vgl.  unten  S.  96  t 

Z.  137 :  Oros.  IV  23.  1,  V  3.  1 :  Cn.  ComeUo  Lentülo  L.  Mumtnio  cos. 
(=  608/146).  Vell.  112.  5,  Censorin.,  de  die  not.  17.  11,  Cassiodor: 
Cn.  Cornelius  et  L.  Mummius;  vgl.  auch  Cic.  ad  AU.  XITI  33.  3. 

Z.  138—139:  Per.  S.  57  Z.  12—14:  a  Scipione,  gui  tandem  urbem 
(fehlt  in  NP.)  cxpugnavit  septingentesimo  anno  quam  erat  condita.  Ob- 
sequens  20  (79),  allerdings  noch  unter  dem  Jahre  607/147:  mox  Carthago 
per  Aemilianum  diruta.  Eutrop.  IV  12.  2:  is  (Scipio)  eam  cepit  et 
diruit.  §  S:  ita  Carthago  septingentesimo  anno,  quam  condita  erat^  deleta 
est.  Orosius  IV  23.  1:  P.  Scipio,  superioris  anni  consul^  delere  Cartha- 
ginem  ....  ingreditur,  §  6:  diruta  est  autem  Carthago  omni  murali 
lapide  in  pulverem  conminuto  septingentesimo  post  anno  quam  condita  erat. 
Florus  I  31.  18:  quanta  urbs  deleta  sit  etc.,  Pseudo- Victor,  de  vir.  Hl- 
58.  6:  (Scipio)  intra  sex  menses  delevit,  Zonaras  IX  30.  4 — 6,  Boiss.  I. 
«  S.  316 f.;  man  vgl.  auch  Polyb.  XXXIX  3—6  und  darnach  Diodor  XXXII 
23.  24,  Appian,  Üb.  127—132,  endlich  Vell.  I  12.  5:  Carthago  diruta 
est,  cum  stetisset  annis  sexcentis  septuaginta  duöbus  {DCLXVII  P, 
DCLXVI A).  Die  livianische  Tradition  dagegen  setzt  das  Ereignis  in  das 
700.  Jahr  von  Carthago.  Die  Per.  hat  wieder  nach  sachlichen  Gesichts- 
punkten den  Stoff  zusammengezogen.  Wir  lernen  aus  dem  Papyrus,  dass 
die  Einnahme  Carthagos  am  Ende  von  Buch  51  dargestellt  war.  Interes- 
sant ist  endlich,  dass  alle  livianischen  Parallelberichte  sich  der  Verba  deleo 
(Oros.,  Eutrop.,  Pseudo- Victor,  Florus)  oder  diruo  (Oros.,  Eutrop.,  Obsequens) 
bedienen,  nur  unser  Papyrus  wieder  eines  anderen  Wortes  (direpta). 

Z.  139—142:  Per.  S.  57  Z.  16—19:  uxor  eius  (Hasdrubalis) ,  quae 
paucis  ante  diebus  de  marito  impetrare  non  potuerat  ut  ad  victorem  trans- 
fugerent,  in  medium  se  flagrantis  urbis  incendium  cum  duobus 
liberis  ex  arce  praedpitavit.  Florus  I  31.  17:  quanto  fortius  femina  et 
uxor  ducisJ  quae  conprehensis  duobus  liberis  a  culmine  se  domus  in 
medium  misit  incendium  imitata  reginam,  quae  Carthaginem  condidit. 
Oros.  IV  23.  4:  uxor  Hasdrubalis  se  duosque  filios  secum  viriU  dolore  et 
furore  femineo  in  medium  iedt  incendium^  cundem  nunc  mortis  exitum 
facien^  novissima  regina  Carthaginis,  quem  quondam  prima  fecisset.  Val. 
Max.  in  2  Eo^r.  8 :  Karthagine  capta  uxor  Hasdrubalis  exprobrata  ei 
impietate^  quod  a  Scipione  soli  sibi  impetrare  vitam  contcntus  fuisset^  dextra 
laevaque  communes  filios  mortem  non  recusantis  trahens  incendio  se  fla- 
grantis patriae  obiecit;  vgl.  ausserdem  Appian,  lAb.  131,  Zonaras  IX  30.  6, 
Boiss.  I  S.  317.  Die  livianischen  Epitomatoren  berühren  sich  sehr  nahe: 
die  Übereinstimmung  ist  teilweise  eine  wörtliche;  am  nächsten  scheint 
unserem  Texte  Orosius  zu  kommen  (vgl.  se  duosque  filios). 

Z.  142 — 143 :  Falls  die  Ergänzung  richtig  ist,  so  kommt  aus  der  Per. 
in  Betracht:    S.  57  Z.  19 — 21:    Scipio  exemph  patris  sui  Aemili  Pauli, 


Die  neue  lAvius-Epitome.  bl 

qui  Macedomam  vtcerat^  ludos  fecit  transfugnsque  ac  fwßtivos  hestiis 
ohiecii,  vgl.  App.,  lAb,  135. 

Aus  Buch  52. 

Z.  145:  Per.  52  S.  58  Z.  7 — 8:  qui  (L.  Mummius)  omni  Achaia  in 
dedüione<ßny  accepta  Corinthon  ex  SC.  diruit,  quia  ibi  legati  Romani 
violati  erant.  Florus  132.  5:  tum  ah  incolis  deserta  civitas  direpta 
primum^  deinde  tüba  praecinente  deleta  est.  Orosius  V  3.  5:  qui  (Mum- 
mius) ....  Carinthum  sine  mora  expugnavit;  §  6:  urbe  incensa  muri 
funditus  diruti  sunt.  Eutrop.  IV  14.  1:  hanc  (Corinthum)  Mummif4S 
consul  cepit  et  diruit;  vgl.  de  vir.  ill.  60,  Pausan.  VIT  16.  5,  Zonaras 
IX  31.  5—7. 

Z.  145 — 146:  Pseudo -Victor ,  de  vir.  ill.  60.  2:  duce  Diaeo,  qui 
domum  refugit  eamquc  incendit,  coniugem  interfecit  et  in  ignem  praeci- 
pitavity  ipse  veneno  periit.  Pausan.  VII  16.  4:  Jiaiog  ....  änoxteivas 
öi  avTOX^i'Qi  TViV  yvvalxa^  i'va  St]  fifj  yivoito  alxfidXofTOS  f  reliVT^  nmv 
(faQfiaxov,  Zonaras  IX  31.  5,  Boiss.  I  S.  319:  ^x  Si  rovxov  /iiaiog  fikv 
icnoyvov^  lavvöv  anixtuvB.  An  allen  drei  Stellen  geht  allerdings  diese 
Nachricht  derjenigen  von  der  Zerstörung  von  Corinth  voraus.  Doch  ist 
auch  die  umgekehrte  Reihenfolge  bei  der  Darstellung  möglich,  da  die 
Ereignisse  zeitlich  sich  etwa  decken.  Denn  TDiaios  floh  erst  in  seine 
Heimat  Megalopolis  und  fand  hier  mit  der  Gattin  sein  Ende;  Niese, 
Gesch.  der  griech.  u.  mak.  Staaten  III  S.  350 ;  doch  vgl.  auch  unten  S.  83 
und  S.  92  f. 

Z.  146—148.  Die  Stelle  knüpft  an  das  an,  was  in  Z.  136  zum 
vorhergehenden  Jahre  angedeutet  war.  Der  Bericht,  der  mir  den  Sinn 
der  Stelle  im  allgemeinen  zu  erfassen  ermöglicht  hat,  ist  derjenige  des 
Appian,  Jh.  61:  Ovgiat&OQ  S*  6  ix  rtjg  FdXßa  nagavofiiag  kxifvywVf 
tOTB  avvwv  cevtoJs,  vnBfilfiyfjaxe  r^g  'Pwßiaiiav  aniariag^  ocaxig  re 
avTOlg  ofioeavTBg  kni&olvro  xal  wg  oSi  nag  6  argarog  kx  TO$wvdt 
imogxioiv  Fdkßa  xal  jitvxoXkov  dia(pvyoifiiv.  In  der  Zeile  148  lese 
ich  accepta[ej  weil  ich  glaube  (siehe  unten  S.  98),  dass  mehrere 
Niederlagen  der  Römer  in  dieses  Jahr  gehören,  die  des  Praetors  Vetilius, 
der  selbst  in  der  Schlacht  gefangen  genommen  und  getötet  wurde  (App., 
Jh.  63),  und  mindestens  zwei  des  C.  Plautius  (ebda.  64) ;  dazu  Per.  S.  58 

Z.  14 — 18:    Viriatus totam  Lusitaniam  occupavit,  M.  Vetilium 

(so  NP)  praetorem  fuso  eius  exercitu  cepit ^  post  quem  C.  Plautius  praetor 
nihilo  felicius  rem  gessit\  Oros.  V  4.  2—3  (ausdrücklich  unter  Berufung 
auf  die  Konsuln  des  Jahres  708/146,  vgl.  V4.  1:  isdem  consulibus): 
siquidem  Hiberum  et  Tagum  ....  l(Ue  transgredienti  et  pervaganti  C.  Ve- 
cilius  {Vetilius  fh)  occurrit:  qui  continuo  caeso  usque  ad  internecionem 
paene  omni  exercitu  suo  vix  ipse  praetor  cum  paucis  fuga  lapsus  evasit. 
deinde  C.  Plautium  praetorem  idem  Viriatus  multis  proeliis  fractum 
fugavit]    vgl.  auch  Diodor  XXXTTT  1.  3:    (Viriathus)  nokkalg  ixgcirfice 


58  E.  Kornemann, 

fiäxccig,  dtg  xal  öTgartjydv  'Pwfialwv  OviriXXiov  (siel)  avTtß  xaranoXe- 
fiilaai  arganp  xal  a\xi*'OiXfutov  Xaßelv  xai  ^iqu  aveXilv  xai  noXXa  higä 
cvtjfiBQtjaai  xata  noXifiov  twg  0äßiog  x.  r.  A.;  über  C,  PUmtius  vgl. 
ebda.  XXXm  2. 

Z.  149:    Cassiodor:    Q.  Fahius  Maximus  et  L,  Hostilius  (609/145). 
VgL  Cic,  Laelius  96:    Q.  Maxime,  fratre  Scipienis,   et  L.  Maneino  con- 


Z.  150:  Was  hier  von  M-  Petreti^ius  erzählt  ist,  habe  ich  so  wenig 
wie  GBL  ermitteln  können.  Diese  verweisen  auf  die  Thatsache,  dass  ein 
G.  Petronius  Mitglied  der  römischen  Gesandtschaft  war,  die  im  Jahre 
598/156  an  Attalos  U.  und  Prusias  11.  von  Bithynien  geschickt  wurde, 
cf.  Polyb.  XXXII  28  (26)  Hultsch. 

Z.  151:  Per.  S.  58  Z.  19 — 20.  tatUumque  terroris  his  hostis  impulit 
(Jahn:  intülit),  ut  adver sus  eum  consulari  opus  esset  et  duee  et  exwcitu; 
Diodor  XXXIIT  1.  3;  App.,  Jh.  65  Anfang:  wv  ol  kv  aöTU*P<afiaJo$  nvv^ 
&av6/iivoi^  Q^dßiov  Md^tfiov  AliuXiavov  ^  AlfuXlov  IlavXov  to€  neQCia 
TOP  Maxedovojv  ßaaiXia  ävaXovrog  vlov^  inefinov  ig  *Ißtjglav  xai  argariäv 
iavjqt  xaraygdifHv  hnixgtnov. 

Z.  152:  Val.  Max.  VI  4.  2:  S&r.  Sulpicius  Galba  et  Aurelim  <(Jotta\ 
Frontin.,  de  aquae  ductu  7.  1:  S<er.y  Sulpicio  Galba  [cum]  Lucio  Aurelio 
Cotta  consulibusy  Cassiodoi^:  Scr.  Galba  et  L.  Aurelius  (610/144). 

Z.  153—156:  Val.  Max.  VII  5.  4:  eine  (Q.  CaedUo  MeteUo)  ergo 
populus  consulatum  negare  potuit,  cui  rnox  duas  clarissimas  provincias  aut 
daturus  erat  aut  debiturus,  Achaiam  et  Macedoniam?  und  Pseudo- Victor, 
de  vir.  ill.  61.  3:  (Q.  Caecilius  Metellus)  invisus  plebi  ob  nimiam  severi- 
tatefn  et  idco  post  duas  repulsas  consul  aegre  (actus. 

Z.  157—158:  Per.  S.  58  Z.  20— S.  59  Z.  6:  praeterea  motus  Syriae 
et  bella  inter  reges  gesta  referuntur.  Schon  diese  Einführungsworte  lehren, 
dass  hier  die  Per.  am  Schlüsse  alles,  was  von  Syrien  in  dem  Buche  er- 
zählt war,  zusammen  gefasst  hat.  Berichtet  wird  der  Kampf  zwischen 
dem  Usurpator  Alexander  I.  Balas  und  Demetrios  II.  Nikator,  der  im 
Bunde  mit  Ptolemaios  VI.,  Philometor  stand,  die  Verwundung  des  letzteren 
in  der  Schlacht  am  Flusse  Oinoparas  und  dessen  Tod,  die  grausame 
Regierung  des  Demetrios  11.,  der  Aufstand  des  Diodotos  genannt  Tryphon 
gegen  den  König  zu  Gunsten  des  kleinen  Sohnes  Alexanders  Balas',  der 
als  Antiochos  VI.  Epiphanes  Dionysos  zum  König  proklamiert  wird,  die 
Besiegung  des  Demetrios  und  seine  Flucht  nach  Seleukeia:  Ereignisse, 
welche  in  die  Zeit  146 — 144  gehören  (Niese,  Gesch.  der  griech.  u. 
mak.  Staaten  III  S.  263—265  und  S.  276—278).  Unser  Text  spielt 
natürlich  an  dieser  Stelle  nur  auf  den  Bürgerkrieg  zwischen  Demetrios 
und  Diodotos  bezw.  dem  jungen  Antiochos  VI.  an,  der  darnach  ins  Jahr 
610/144  zu  datieren  ist;  zur  Sache  vgl.  Diodor  XXXni4a,  Justinus 
XXXVI  1.  7,  Tragus,  prol.  35,  1.  MaJck.  11,  56,  Josephus,  Antiqu.  Xm  144, 
App.,  Syr.  68  Anf.,  Niese  a.  a.  0.  S.  278. 


Die  netic  Livius-Epüomc.  59 

Aus  Buch  53. 

Z.  160:  Frontin.,  de  aquae  d.  7.  4:  Appio  Claudio  Q.  Caecilio  con- 
sulibus,  Obsequ.  21  (80):  Äppio  Claudio  P.  (so  die  Aldina)  Metello  coss. 
Orosius  V  4.  7 :  Appio  Claudio  Q.  Caecilio  Metello  consulüms ,  Cassiod. : 
App.  Claudius  et  Q.  Metellus,  ebenso  die  Fasten;  vgl.  auch  Cassius  Dio 
XXn  fr.  74,  Boiss.  1322:  6  Kkavdiog  6  avvägxf^y  MtriXkov  (611/143). 
Es  ist  zu  beachten,  dass  allein  unser  Papyrus  eine  andere  Reihenfolge 
der  Konsuln  hat. 

Z.  161—163:  Val.  Max.  V  1.  5:  Q.  vero  Metellus  Celtibericum  in 
Hispania  gerens  bellum,  cum  urbem  Centobrigam  obsideret  et  iam  admota 
machina  partem  muri,  quae  sola  convelli  poterat,  disiecturus  videretur,  hu- 
manitatem  propinquae  victoriae  praetulit:  nam  cum  Bhetogenis  (so  LA) 
filios,  qui  ad  cum  transierat,  Ceniobrigenscs  machinae  ictibus  obiecissent, 
ne  pueri  in  conspectu  patris  crudeli  genere  mortis  consumerentur  ^  quam- 
quam  ipse  Bhetogenes  negabat  esse  impedimento^  quominus  etiam  per  exitium 
sanguinis  sui  expugnationem  perageret^  ab  obsidione  discessit;  vgl.  Florus 
133.  10:  Metellus  iUe,  qui  ex  Macedonia  cognomen  meruerat  et  CeUi- 
bericus  ficri  meruit,  cum  et  Contrebiam  memorabili  cepissct  exemplo  et 
Nertobrigae  {nectobricae  B ,  neros.  brigis  N ,  nersobrigis  L)  maiore  gloria 
pepercisset. 

Zwischen  Z.  163  und  164  fehlt  eine  Kolumne,  auf  der  die  Konsuln 
von  612/142  verzeichnet  waren;  Obsequ.  22  (81):  L.  Metello,  Q.  Fabio 
Maxime  coss. ;  genauer  Oros.  V  4.  8. :  L.  Caecilio  Metello  Q.  Fabio  Maxime 
Serviliano  consulibus.  In  diesem  Jahre  612/142  befinden  wir  uns  Z.  164  ff. 
(Kol.  VII).    Ein  Buchwechsel  hat  unterdessen  nicht  stattgefunden. 

Z.  164—166 :  Val.  Max.  HI  2.  21 :  quorum  virtuti  nihil  cedit  Q.  Occius, 
qui  propter  fortitudinem  Achilles  cognominatus  est:  nam  ut  reliqua  eius 
opera  non  exequar,  abunde  tarnen  duobus  f actis,  quae  relaturus  sum,  quantus 
bellator  fuerit ,  cognoscetur.  Q,  Metello  consuli  legatus  in  Hispaniam  pro- 
fectus,  Celtibericum  svh  eo  bellum  gerens,  postquam  cognovit  a  quodam  gentis 

huius  iuvene  sc  ad  dimieandum  provocari arma  sua   extra  vallum 

defcrri  equumque  educi  dam  iussit,  ne  a  Metello  inpediretur  et  illum  Celti- 

berum  ....  interemit idem  Pyresum  (so  L)  nobiliiate  ae  virtute 

omnes  Celtiberos  praestantem,  cum  ab  eo  in  certamen  pugnae  devocatus 
esset,  succumbcre  sibi  coegit.  nee  erubuit  flagrantissimi  pectoris 
iuvcnis  gladium  ei  suum  et  sagulum  utroque  exercitu  spectante  tr ädere, 
nie  vero  etiam  petiit,  ut  hospitii  iure  inter  sc  iundi  essent,  quando  inter 
Romanos  et  Celtiberos  pax  foret  restituta.  Unser  Text  hat  offenbar  die- 
selben beiden  Heldenthaten  erzählt.  GH.  (S.  108)  konstatieren  einen  Gegen- 
satz zwischen  Val.  Max.  und  unserem  Text,  insofern  bei  ersterem  Q.  Occius 
als  Legat  des  Konsuls  Q.  Metellus  bezeichnet  werde,  während  wir 
seine  Heldenthaten  nach  unserem  Text  ins  Jahr  612/142,  also  unter  das 
Prokonsulat  jenes  Mannes,  setzen  müssen.  Der  Widerspruch  besteht 
aber  in  Wirklichkeit  gar  nicht;  denn  Val.  Max.  sagt  Jiur,  dass  Q.  Occius 


60  E,  Kornemann^ 

mit  dem  Konsul  Q.  Metellus  nach  Spanien  ausgezogen  sei  (profectus). 
Dann  blieb  er  dort  noch  länger  als  Q.  Metellus;  denn  wir  finden  ihn 
nach  Z.  186  unseres  Textes  unter  dem  Jahre  140  immer  noch  dort.  Der 
Name  seines  zweiten  celtiberischen  Gegners  ist  offenbar  in  den  Hand- 
schriften des  Val.  Max.  verderbt  überliefert.  Denn  auch  Orosius  V  8.  1 
nennt  (worauf  Greenidge  bei  GH.  S.  108  aufmerksam  macht)  nach  dem 
Fall  von  Numantia  einen  Thyresum  quendam^  Cclticum  principem.  An  dem  T 
im  Anfang  werden  wir  nach  dem  neuen  Fund  also  festhalten;  es  fragt  sich 
nur,  ob  nicht  im  Papyrus  Tpresio  für  Tyreso  verschrieben  ist,  was  bei  den 
vielen  Fehlern  gerade  in  den  Eigennamen  nicht  auffällig  wäre.  Endlich 
liegt  insofern  eine  Divergenz  zwischen  den  beiden  Parallelberichten  vor, 
als  Occius  nach  dem  Papyrus  nur  den  Mantel  des  Gegners  iurückgiebt, 
von  dem  anderen  aber  das  Schwert  zum  Geschenk  erhält,  während  nach 
Val.  Max.  Schwert  und  Mantel  dem  Besiegten  vom  Sieger  zurückgegeben 
werden.  Es  liegt  wahrscheinlich  hier  eine  der  vielen  Flüchtigkeiten  oder 
rhetorischen  Übertreibungen  des  Val.  Max.  vor. 

Z.  167:  Obsequens  22  (81):  in  Macedonia  exercitiis  Bomanus  proelio 
vexcUus;  adver sus  Viriatum  dubie  dimicavit  (dimicatum:  Scaliger). 
Der  in  unserem  Texte  erwähnte  Konsul  Metellus  kann  nur  L.  Metellus, 
der  Konsul  von  612/142,  sein.  Dass  er  in  Spanien  gegen  die  Lusitaner 
gekämpft  hat  und  besiegt  worden  ist,  ist  eine  neue  Thatsache,  die  wir 
durch  den  Papyrus  erst  erfahren,  s.  darüber  unten  S.  99  f. 

Z.  168—169:  Die  Per.  hat  am  Ende  des  vorhergehenden  Buches  (52) 
S.  59  Z.  6 — 7  nur  die  Notiz:  L.  Mummius  de  Achaeis  triumphavä,  Signa 
aerea  marmoreaque  et  tabulas  pic<tasy  in  triumpho  tulit;  ebenso  Eutrop. 
IV  14.  2.  Hier  ist  über  die  Verteilung  der  Kunstschätze  des  Mummius 
nichts  gesagt.  Von  derselben  wussten  wir  seither  sowohl  durch  literarische 
Quellen  (Cic,  in  Verr.  act.  II.  I  55,  Orator  232,  de  off.  U  76,  Strabo 
Vin  p.  381,  Pseudo-Frontin.,  strateg,  IV  3.  15:  L.  Mummius  qui  Carintho 
capta  non  ItaUam  solum  sed  etiam  provincias  tabuiis  statuisque  exornaoit, 
adeo  nihil  ex  tantis  manubiis  in  suum  convertit,  ut  etc.,  Florus  I  32.  6, 
de  vir.  iU.  60.  3,  PHnius,  K  K  XXXIII  149)  als  auch  durch  die  In- 
schriften (Dessau,  Inscr.  lat.  sei  I  n.  20 — 21  d^  Mommsen,  CIL  I  p.  150). 
Aber  die  Zeit  der  Verteilung  war  durch  alle  diese  Quellen  nicht  fest- 
gelegt: man  nahm  allgemein  an,  sie  sei  unmittelbar  im  Anschluss  an 
den  Triumph  (dieser  fand  im  Jahre  609/145  statt,  Fischer,  Zeittafeln 
S.  130)  erfolgt.  Nach  unserem  Texte  gehört  die  Verteilung  aber  in  die 
Censur  des  L.  Mummius.  Eine  Andeutung  in  dieser  Hinsicht  bietet  auch 
schon  Cic,  de  off.  II  76:  quid?  qui  eins  (Aemiliani)  collega  fuit  in  cen- 
sur a,  L.  Mummius,  num  qui  copiosior,  cum  copiosissimam  urbem  funditus 
sustulisset?  Italiam  ornare  quam  domum  suam  maluit;  qumnquam 
Italia  ornata  domus  ipsa  mihi  videtur  ornatior.  Über  die  Volksfreundlich- 
keit und  Freigebigkeit  des  Mummius  während  dieser  Amtszeit  vgl.  auch 
Cass.  Dio  XXn  fr.  76  Boiss.  I  &  322  f. 


Die  neue  Ltvius-Epitome,  61 

Z.  170:  Cassiodor:  Cn.  Cepio  et  Q.  Potnpeius;  vgl.  Vell.  11  21.  5  u. 
ac.  ad  AU.  XII  5.  8:  Caepione  et  Pompcio  (613/141). 

Z.  171—172:  Per.  S.  59  Z.  12—13:  a  Q.  Fabio  procos.  magna  pars 
Lusitanicu^  expugnatis  aliquot  urhibus  recepta  est,  vgl.  Per.  54  S.  60 
Z.  1:  rebus  in  Hispania  prospere  gestis,  Orosius  V  4.  12:  igitur  Fabius 
consul  contra  Lusitanos  et  Viriatum  dimicans  Bucciam  oppidum,  quod 
Viriatus  obsidebat,  depulsis  hostibus  liberavit  et  in  deditionem  cum  plurimis 
aliis  castellis  recepit  Orosius  setzt  das  Ereignis  fälschlich  ins  Jahr 
612/142,  wie  die  Bezeiclinung  consul  und  die  Worte  in  §  13:  Pompeius 
sequentis  anni  consul  beweisen.  Florus  I  33.  17:  tandem  cum  (Viria- 
tum) iam  Fabius  Maximus  consul  oppresscrat.  Hier  ist  offenbar  Fabius 
Maximus  Servilianus  und  nicht  Fabius  Maximus  Aemilianus  gemeint  (vgl. 
die  dann  folgenden  Worte:  sed  a  successore  Popüio  etc.);  in  diesem 
Falle  liegt  bei  ihm  dieselbe  falsche  Datierung  des  Ereignisses  vor  wie 
bei  Orosius;  vgl.  auch  App.,  Jh.  68. 

Aus  Buch  54. 

Z.  174:  Per.  54  S.  59  Z.  16—17:  Q.  Pompeius  cos.  in  Hispania  Ter- 
mestinos  subegit.  cum  isdem  et  Numantinis  pacem  ab  infirmitate  fecif. 
Orosius  V  4.  13:  Pompeius  sequentis  anni  consul  fines  Numantinorum 
ingressus  accepta  maxima  clade  discessit^  non  solum  excrcitu  paene 
omni  profligato  verum  etiam  2>i^^^is  nobilium,  qui  ei  militiae  adcrant, 
interemptis.  Erwähnung  des  infame  foedus  ebda  V  4.  21.  Eutrop.  IV  16.  2 
nur:  suecessit  ei  (Q.  Caecilio  Metello)  Q.  Pompeius,  dagegen  17.  1:  Q.  Pom- 
peius deinde  consul  a  Numantinis super atus pacem  ignobilem  fecit. 

Vell.  II  1.  4:  (Numantia)  tum  Pompeium  magni  nominis  virum  ad  turpissima 
deduxü  foedera;  vgl.  Diodor  XXXIII  fr.  16  und  17,  Cassius  Dio  XXII 
fr.  77  Boiss.  I  S.  323,  App.,  Jb,  76  Ende.  Der  schimpfliche  Friedensschluss 
(dazu  App.,  Jb.  79)  gehört  erst  ins  Jahr  614/140  (s.  unten  S.  103).  Die 
Per.  hat  also  wieder  die  Ereignisse  zweier  Jahre  zusammengezogen, 
während  unser  Text  nur  das  giebt,  was  ins  Jahr  613/141  gehört. 

Z.  174 — 175:  Für  diese  Niederlage  der  Römer  im  Scordiscerland  fehlt 
jeglicher  Parallelbericht.  Erst  Buch  56  der  Per.  hat  eine  Erwähnung 
der  Scordisci,  vgl.  S.  61  Z.  18 — 19:  M.  Cosconius  (cossonius  NP)  praetor 
in  Thracia  cum  Scordiscis  prospere  pugnavit  zum  Jahre  619/135,  Fischer, 
Zeittafeln  S.  135,  Mommsen,  R.  G.  ir  S.  169. 

Z.  176:  Obsequens  23  (82):  Gn.  (so  die  Aldina)  Caepione  C  Laelio 
coss.  C'assiodor:  Q.  Ccfno  et  C.  LaeUus;  vgl.  Cic,  Brutus  161:  Q.  Cae- 
pione consule  .  .  .  et  C  Laelio;  dagegen  in  umgekehrter  Reihenfolge  bei 
Frontin.,  de  aquaed.  7.  4:  C.  Laelio  Q.  Servilio  consulibus  und  in  den 
capitol.  Fasten,  vgl.  CIL.  V  p.  148  (a.  614/140). 

Z.  177 — 178:  Wiederum  mangelt  es  an  Parallelberichten.  Für  die 
Ergänzung  der  englischen  Forscher  spricht  die  Thatsache,  dass  in  jener 
Zeit  die  Frage  des  Heoresersatzes,  namentlich  infolge  der  langen  Dauer 


62  E.  Kornemann, 

des  spanischen  Krieges,  eine  brennende  geworden  war ;  vgl.  Per.  48  S.  50 
Z.  21—25  zum  Jahre  603/151,  dann  wieder  zum  Jahre  616/138  Per.  55 
S.  60  Z.  14—16  und  unser  Pap.  unten  Z.  202—205;  siehe  daselbst  und 
zu  Z.  182 — 184.  Appius  Claudius,  der  den  Antrag  durchbrachte,  war 
wohl  der  Konsul  von  611/143. 

Z.  178 — 181:  Per.  S.  59  Z.  19 — 26:  cum  Macedonum  legati  questum 
de  D.  Junta  Silano  praetore  venissent,  quod  acceptis  pecuniis  provinciam 
spoliasset^  et  senatus  de  querellis  eorum  vellet  cognoscere,  T.  (fehlt  in  N) 
Manlius  Torquatus,  pater  Süani,  petit  impetravitque,  ut  sibi  cognitio  man- 
daretur:  et  dornt  causa  cognita  füium  condemnavit  ahdicavitquc,  ac  ne 
funeri  quidem  eius,  cum  stispendio  vitam  finisset,  interfuit  sedensque 
dornt  potestatem  consultantibus  ex  instituto  fecit.    Val.  Max.  V  8.  3: 

T.  autem  Manlius  Torquatus cum  ad  senatum  Macedonia  de 

filio  eius  D,  Stlano,  qui  eam  provinciam  optinucrat,  querellas  per  legatos 
detulisset,  a  2)citribus  conscriptis  2)etiit,  ne  quid  ante  de  ea  re  statuerent, 
quam  ipse  Macedonum  fUiique  sui  causam  inspexisset.  summo  deinde  cum 
amplissimi  ordinis  tum  etiam  eorum,  qui  questum  venerant,  consensu  cogni- 
tione  suscepta  domi  consedit  solusque  utrique  partiper  totum  hiduum  vacavit 
ac  tertio  plenissimc  die  diligentissimeque  auditis  testibus  ita  pronuntiavit:  — 
folgt  das  Urteil  —  tarn  tristi  patris  sententia  perculsus  Silanus  lucein 
ulterius  intueri  non  sustinuit  suspendioque  se  proxima  nocte  consumpsit.  .... 
at  illc  neque  exequiis  adulescentis  interfuit  et,  cum  maxime  funus 
eius  duceretur,  eonsulcre  se  volentihus  vacuas  aures  accommodavit. 
Die  drei  Berichte  stehen  einander  sehr  nahe,  derjenige  der  Per.  steht 
wie  im  Umfange  so  auch  in  sonstiger  Beziehung  zwischen  dem  des  Pap. 
und  des  Val.  Max.  Für  das  Wort  funeri  des  Pap.  und  der  Per.  hat  Val. 
Max.  exequiis,  für  consultantibus,  eonsulcre  se  volentihus ;  dagegen  begegnen 
sowohl  in  der  Per,  wie  bei  Val.  Max.  die  Worte  petiit  und  cognitio,  die 
der  Pap.  nicht  hat.  Pap.  und  Per.  endlich  unterscheiden  sich  sprachlich 
in  folgendem:  Pap.:  damnavit,  Per.:  condemnavit \  Pap.  in  domo  sua,  Per. 
domi.  Im  übrigen  steht  die  Geschichte  auch  schon  bei  Cic,  de  fin.  I  24, 
abgesehen  von  der  Erwähnung  des  Fembleibens  beim  Begräbnis.  Doch 
erfahren  Avir  aus  dieser  Stelle,  dass  Torquatus  der  Konsul  von  589/165  war. 

Z.  182 — 184:  Wieder  ein  bisher  unbekanntes  Faktum.  Es  handelt 
sich  um  den  Abgang  des  Konsuls  Caepio  nach  Hispania  ulterior.  Derselbe 
muss  nicht  gleich  im  Beginn  des  Amtsjahres  erfolgt  sein,  sondern  erst 
später  (darüber  unten  S.  101  f.).  Die  Persönlichkeit  des  interzedierenden 
Volkstribunen  Ti.  Claudius  Asellus  war  uns  schon  bekannt  (über  ihn  am 
besten  Münzer  bei  Pauly-Wissowa  HI  Sp.  2676  Nr.  63).  Er  war  ein 
Gegner  des  Scipio  Aemilianus,  den  er  anklagte,  postquam  de  Poems 
triumphaverat  censorque  fuerat  und  zwar,  weil  der  Censor  ihm  das  Eitter- 
pferd  genommen  hatte  (Gellius,  N.  A.  DI  4,  dazu  ebda.  VI  11.  9,  II  20.  6, 
IV  17.  1  aus  Lucilius,  Cic,  de  erat.  II  258  und  268,  Festus  p.  286  M.  [aber 
mit   selir   unsicherer  Ergänzung]).     Ein  Claudius  Asellus  wird   auch  bei 


Die  neue  Livius-Epitome.  63 

Val.  Max.  VI  3.  8  als  von  seiner  Gattin  Licinia  vergiftet  genannt.  Das 
dürfte  gleichfalls  dieselbe  Persönlichkeit  sein,  da  an  derselben  Stelle  des 
Val.  Max.  die  Vergiftung  des  Postumius  Albinus,  des  Konsuls  von  603/151, 
ebenfalls  durch  die  eigene  Frau,  berichtet  wird.  Als  Grund  für  das  Da- 
zwischentreten des  Volkstribunen  vermutet  Greenidge  bei  GH.  S.  112 
wiederum  den  Versuch,  den  Konsul  an  der  Hinausführung  neuer  Truppen 
zu  verhindern,  und  er  verweist  auf  einen  ähnlichen  Fall  im  jugurthinischen 
Krieg:  Sali.,  Jug.  39.  4:  consul  (Sp.  Postumius  Albinus,  cos.  von  644/110) 
impeditus  a  tribunis  plebis,  ne  quas  paraverat  copias  secum  poriaret,  paucis 
diebus  in  Africam  profidscitur. 

Z.  185—186:  Per.  S.  59  Z.  26— S.  60  Z.  2:  Q.  Fahius  procos.  rebus 
in  Hispania  prospere  gestis  labern  imposuit  pace  cum  Viriato  ctequis  condi- 
cionibus  facta.  Obsequens  23  (82)  dagegen  hat  zu  demselben  Jahr  die 
Notiz :  annus  pacatus  fuit  Viriato  victo.  Einen  Sieg  des  Viriathus  berichtet 
Appian,  Jb.  69,  wo  wir  zugleich  den  Inhalt  des  Friedensvertrages  auf 
Grund  des  Status  quo  haben:  OvQiax&ov  uvai  -Pwfjialuiv  fflXov  xal  vovg 
in*  avT^  nivras  hi  ^x^vöi  yng  &QZ^^\  Vgl.  auch  Diodor  XXXIII  1.  4:  ilg 
övv&rixag  avxov  iX&tiv  aval^iovg  'Pwfialatv  tjvdyyaöev. 

Z.  186 — 188:  Diese  Heldenthat  des  Q.  Occius  kennen  wir  aus  anderen 
Quellen  nicht.  Es  ist  wohl  eine  der  reliqua  eius  opera,  auf  die  Val.  Max. 
in  2.  21  hinweist,  ohne  sie  zu  erzählen. 

Z.  188 — 190:  Frontin.,  de  aquaed.  7.  1—4  bes.  §  4:  co  tempore  de- 
cemviri,  dum  aliis  ex  causis  libros  Sibyllinos  inspiciunt,  invenisse  (invenit 
cod.)  dicuniur  non  esse,  aquam  Marciam  seu  potius  Anionem  —  de  hoc 
enim  constantitis  traditur  —  in  Capitolium  pcrduci:  deque  ea  re  in  senatu 
M.  Lepido  pro  coUega  verba  facientc  actum  Appio  Claudio  Q.  CaeeiUo 
consuUbus  eandemque  post  annum  tertium  a  Lucio  Lentulo  retractatam 
C.  Laelio  Q.  ServUio  consulibus,  sed  utroque  tempore  vieisse  gratiam  Marcii 
Regis  atque  ita  in  Capitolium  esse  aquam  perductam;  Plinius,  H.  N. 
XXXVI  121:  Q.  Marcius  Bex  iussus  a  senatu  aquarum  Appiae,  Animsis 
[Tepulae]  ductus  reficere,  novam  a  nomine  suo  appellatam  cuniculis  per 
montem  actis  intra  praeturae  stme  tempus  adduxit.  Zu  diesen  Stellen  er- 
halten wir  hier  eine  wichtige  Ergänzung.  Es  war  darnach  wohl  ur- 
sprünglich beabsichtigt,  die  aqtm  Anio  auf  das  Capitol  zu  leiten.  Statt 
dessen  wurde  die  neue  aqua  Marcia  dorthin  geführt.  Erbaut  wurde  die 
Marcia  nach  Frontin.,  a.  a.  0.  7.  2  u.  3  von  dem  Praetor  Q.  Marcius  Rex 
in  den  Jahren  610/144  und  611/143,  nach  unserem  Texte  geschah  die 
Fortführung  bis  auf  das  Capitol  aber  erst  im  Jahre  614/140. 

Z.  191 :  Cassiodor:  Cn.  Piso  et  M.  Popilius  (PompHius  P).  Die  um- 
gekehrte Reihenfolge  dagegen  bei  Val.  Max.  I  3.  3  (Par.):  M.  Popilio 
Laenate  L.  (statt  Cn.)  Calpumio  coss.  M.  Popilius  Laenas  auch  bei  App., 
Jb.  79  (a.  615/139).  C,  Po<jn)ilius  hat  allein  der  Papyrus.  Marcus  ist 
offenbar  der  richtige  Vorname.  Über  Cn.  Piso  (Pap.  u.  Cassiodor)  statt 
L.  Piso  8.  u.  S.  73  mit  Anm.  3. 


64  E.  Kornemann, 

Z.  192:  Val.  Max.  I  3.  3,  Par.:  Cn.  Cornelius  HispaltAS  praetor  pere- 
grinus  M.  Poptito  Laenate  L.  Calpurnio  coss.  edicto  ChalcUzeos  citra  decimum 
diem  abire  e^  urbe  atque  Italia  itissity  Nep.:  Chaldaeos  igitur  Cornelius 
Hispalus  urbe  expulit  et  intra  decem  dies  Italia  abire  it^sit ;  vgl.  Servius, 
ad  Aen.  Vm  187. 

Z.  193—194:  Einen  Parallelbericht  aus  der  livianischen  Tradition 
haben  wir  hier  nicht;  vgl.  aber  Cic,  de  leg.  III  35  (Vahlen):  sunt  enim 
quattuor  leges  tabellariae,  quarum  prima  de  nmgistratibus  mandandis:  ea 
est  Gabinia,  lata  ab  homine  ignoto  et  sordido.  secuta  biennio  post  Cassia 
est,  ähnlich  Laelius  41.  Das  Jahr  der  lex  Gabinia  ergab  sich  schon  aus 
Cic,  Brutus  106,  wo  die  lex  Cassia  in  das  Jahr  617/137  datiert  wird. 
Unser  Text  bestätigt  dies.  Ich  vermute,  dass  Gabinius  nicht  Frei- 
gelassenensohn sondern  -Enkel  war;  vgl.  Mommsen,  St.  JB.  I^  S.  488. 
Ein  Volkstribun,  dessen  Vater  ein  Freigelassener  war,  begegnet  uns  zum 
ersten  Mal  unter  dem  Jahre  654/100,  vgl.  App.,  b.  c.  I  33. 

Z.  195 — 196:  Warde  Fowler  hat  zuerst  erkannt,  dass  der  einzige 
Parallelbericht  bei  Cassius  Dio  XXn  fr.  78,  Boiss.  I  S.  323 f.  erhalten  ist: 
oTi  Katniwv  tovq  fiiv  nolBfiiovg  ovSh  o  n  xai  äl^iov  tiniiv^  rovg  Si 
olxeiovg  nolld  xai  Sei^vd  üdgaaev^  äavB  xai  xivSvvevaai  vn' 
avTwv  ocnolia&ai.  ^aXenaig  rc  ydg  avxov  xai  rga^itog  roJg  tb  dXXotg 
xai  fidkiora  zolg  l n 7t evai  xQ^f^^^^^i  noXXoi  noXXu  xai  axona  talg  vvl^iv 
OTi  (iccXiaxa  diiaxatnxov  xai  Su&goovv  xai  htf  öaov  ye  kxelvog  8id  rot/r' 
^yavdxxBiy  kni  TtXüov  izdO-a^ov,  öniag  k^ogyiCfino.  iLg  ovv  x6  ngaxxofuvov 
tvStjlov  7Jv,  vnev&vvog  Sk  oiSeig  aigiffxexoy  inoxonriactg  vno  xwv  inniiav 
avTO  yiyvBö&ai,  xai  kg  oiSiva  xgirfjai^  Svvfj&eig  x^v  alxiav^  ndaiv  avxoig 
XTjV  ogyr^v  ^(pegev,  xai  kxikBvaev  avxovg  i^axoaiovg  ovxag  xcv  noxafiöv, 
nag*  oo  iaxgaxontStiovro^  uBxd  fiovwv  innoxofiatv  Siaßijvat,  xai  ix  xov 
ogovg  k(f'  (p  6  Oligia&og  fjvki^Bxo  ^ukiaaa&ai.  Als  Vorstellungen  der 
Offiziere  gegen  diesen  Befehl  wirkungslos  blieben,  führte  ihn  die 
Truppe  unterstützt  von  der  Auxiliarreiterei  und  anderen  Freiwilligen  aus. 
Nach  der  glücklichen  Kückkehr  aber  häufte  man  das  mitgebrachte  Holz 
um  das  Feldhermzelt  herum  auf,  um  den  Caepio  zu  verbrennen.  Nur 
durch  eilige  Flucht  entging  er  seinem  Schicksal. 

Z.  197—198:  Per.  S.  60  Z.  2—6:  Viriatus  a  proditoribus  cofisilio 
Servili  Caepionis  interfectus  est  et  ab  exercitu  suo  multum  comploratus 
ac  nobiliter  sejmltus;  vir  duxque  magnus  et  per  XI III  annos,  quibus  cum 
Romanis  bellum  gessit^  frequentius  superior.  Eutrop.  IV  16.  2:  quo  motu 
Viriathus  a  suis  interfectus  est,  cum  quattuordecim  annis  Hispanias 
ndversus  Romanos  movissct.  Orosius  V  4.  14:  Viriatus  autem  cum  per 
quattuordecim  annos  Romanos  duces  atque  exercitus  protrivisset  ^  insidiis 
suorum  interfectus  est;  dazu  noch  Florus  I  33.  17  {per  fraudem  et 
insidias  et  domesticos  percussores),  Vell.  11  1.  3:  {interempto  Viriatho 
fraude  magis  quam  virtute  Servilii  Caepionis),  Val.  Max.  IX  6.  4  {in  amicis. 
quod  corum  manibus  interemptus  est).    Frappant  ist  liier  die  Ähnlich- 


Die  neue  Livius-Epitome.  65 

keit  der  Berichte  der  Per.,  des  Orosius  und  Eutrop.  bis  auf  die  Worte 
ifUerfcctus  est  (dagegen  Vell.  und  Val.  Max.  interemptu^  est)  und  die  An- 
gabe der  14  Jahre  der  Feldhermzeit  des  Viriathus.  Um  so  abweichender 
in  Form  {iugulaverufd)  und  Inhalt  (die  drei  Namen  der  Mörder)  ist  unser 
Text.  Dieselben  Namen  wie  der  Pap.  hat  (wenn  auch  in  anderer  Reihen- 
folge) App.,  Jh.  71:  Ovgiar&og  dk  Kamiwvi  mgi  aufißdöewv  rovg  niöxo- 
rdtovg  airtp  (pilovg  knintfin^v^  Avöaxa  xal  JirdXxuva  xal  Mi- 
vovQOV,  ot  Siatfd-agivTBg  vno  xov  Kainitovog  Scigoig  re  fiaydlotg  xal 
vnaaxiiSMi  noXXaig  vniarriöav  airtß  xtsvbiv  top  Ovgiar&ov,  xal  ^xreivav 
6üSb.  Diodor  (XXXTTI  21)  dagegen  giebt  zwar  dieselbe  Folge  der  Namen, 
aber  diese  z.T.  in  anderer  Form:  JvSag  xal  Jirdkxrig  xal  Nixo- 
govTtjg,  so  dass  bei  ihm  eine  andere  Vorlage  (Polybios)  angenommen 
werden  muss,  während  Appian  hier  der  annalistischen  Überlieferung  gefolgt 
ist.  Ganz  allein  steht  Pseudo- Victor  mit  der  Nachricht  von  nur  zwei 
Mördern,  vgl.  71.  3:  Cacpio^  cum  vincere  aliter  non  posset^  duos  Satellit  es 
2»ecunia  corrujntj  qui  Viriathum  humo  depositum  peremerunt 

Aus  Buch  55. 

Z.  200:  Per.  55  Anfang:  P.  Cornelia  Nasica  ,  .  .  et  Dec.  Junio  Bruto 
coss.\  Pseudo-Frontin.  IV  1.20:  P.  Cornelio  Nasica  Decimo  Junio  consulibus ; 
Cassiodor:  P.  Scijno  et  D.  Brutus.  Vgl.  Cic,  Brutus  85:  P.  Scijno  et 
D.  Brutus  .  .  .  consules,  de  leg.  III  20 :  Decimum  Brutum  et  P.  Sdinonem 
consules  (a.  616/138). 

Z.  201 — 202:  Eutrop.  IV  16.  3:  et  cum  interfectorcs  eius  prae- 
mium  a  Caejnone  consulc  peterent^  responsum  est  numquam  Romanis  ph- 
cuisse  impercUores  a  suis  militibus  inierfici;  darnach  Joann.  Antioch.  fr.  60  M; 
Suidas  s.  v.  Bogiav&og ,  kmßovXrj ,  fälschlich  =  Cass.  Dio  fr.  80  B.  D.  (so 
GH.  S.  114;  vgl.  dagegen  Boissevain,  Dio- Ausg.  I  S.  CXII  und  CXXI, 
sowie  S.  325);  Orosius  V  4.  14:  in  hoc  solo  Romanis  circa  cum  fortiier 
agetitibus,  quod  percussores  (derselbe  Ausdruck  bei  Florus  s.  o.  S.  64) 
eius  indignos  praemio  iudicarunt,  Pseudo- Victor,  de  vir.  ül.  71.  4:  qtiae 
.  Victoria^  quia  empta  erat  (Val.  Max.  IX  6.  4 :  victoriam  non  meruit^  scd  emit), 
a  senatu  non  probata.  Bei  Appian,  Jb.  71  ist  die  Rede  von  grossen  Ge- 
schenken und  vielen  Versprechungen,  wodurch  Caepio  die  drei  Männer 
bestach,  von  der  Verweigerung  eines  praemium  ist  hier  nichts  zu  lesen. 
GH.  haben  daher  ganz  Recht,  wenn  sie  sagen  (S.  114),  dass  die  bei  Eutrop. 
erhaltene  Antwort  und  die  Verweigerung  einer  Belohnung,  die  erst  in 
dem  auf  den  Mord  folgenden  Jahre  stattfand,  nicht  von  Caepio,  sondern 
vom  Senate  ausging.  Das  beweist  vor  allem  die  Stelle  des  Pseudo- Victor, 
die  GH.  übersehen  haben.  Die  livianische  Tradition  hat  also  darüber 
keinen  Zweifel  gelassen,  dass  die  Ermordung  des  Viriathus  von  Caepio 
ausging  (abgesehen  von  den  citierten  Stellen  vgl.  auch  noch  Per.  S.  60 
Z.  3:  consilio  Servilii  Caejnonis),  aber  sie  hat  auch  erwähnt,  dass  der 
Senat  nachträglich  die  That  missbilligt^ 

Korn ema DD,  Die  neue  LiTioi-Epitome.  ^ 


66  E.  Kornemann, 

Z.  202—205:  Per.  S.  60  Z.  14—16:  tribuni  plebis  quia  non 
inpetrareni ,  ut  sibi  denos  quos  vellent  milites  eximere  Uceretj  consules  in 
carccrem  duci  iusserunt.  Dieser  Bericht  steht  in  der  Per,  hinter  dem- 
jenigen über  die  Bestrafung  der  desertores  resp.  eines  derselben 
(C.  Matienus),  während  in  unserem  Pap.  die  umgekehrte  Reihenfolge 
eingehalten  (vgl.  über  die  desertores  Z.  207 — 209),  ja  sogar  noch  ein 
weiteres  Faktum  dazwischengeschoben  ist  (Z.  205 — 207).  Diese  Ereig- 
nisse spielten  sich  allerdings  alle  bei  derselben  Gelegenheit  ab,  vgl. 
Per.  S.  60  Z.  10 — 11:  consulibus  dilectutn  habentibus  in  conspectu  tironum 
res  saluberrimi  exempU  facta  est,  worauf  dann  das  Vorgehen  gegen 
G.  Matienus  geschildert  wird.  Trotzdem  kann  das  Livius-Original  nur 
die  eine  oder  die  andere  Reihenfolge  in  der  Erzählung  eingehalten  haben, 
und  ich  glaube,  dass  wieder  der  Papyrus,  welcher  mehr  bietet,  auch  die 
Folge  der  Dinge  treuer  bewahrt  hat.  Der  rhetorischer  gehaltenen  Per. 
kam  es  vor  allem  darauf  an,  das  exemplum,  das  die  Geschichte  des 
0.  Matienus  bietet,  herauszustellen.  Die  vorlivianische  Überlieferung  über 
das  Vorgehen  der  Volkstribunen  gegenüber  den  Konsuln  haben  wir  bei 
Cic,  de  leg.  III  20 :  etsi  quinquennio  ante  Dedmutn  Brutum  et  P.  Scipionem 
con&ules,  quos  et  quantos  vires y  homo  omnium  infinms  et  sordidissimus,  tri- 
bunus  pl.  C.  Curiatius,  in  vincula  coniecit,  qaod  ante  factum  non  erat 
(das  letztere  falsch,  vgl.  Per.  48  zum  Jahre  603/151).  Während  also 
Cicero  einen  Volkstribunen,  nämlich  C.  Curiatius,  als  Thäter  nannte,  spricht 
die  Per.  von  Volkstribunen,  und  dass  das  keine  rhetorische  Übertreibung 
des  Epitomators  ist,  beweist  jetzt  unser  Text,  der  die  Namen  der  zwei 
Tribunen  aufführt.  Weiter  lernen  wir  aus  dem  Papyrus,  dass  sich  das 
Volk  einmischte  und  daraufhin  den  Konsuln  die  Strafe  erlassen  wurde 
{multa  im  allgemeinen  Sinn  von  Strafe  auch  bei  Liv.  XXIV  16.  13,  vgl. 
GH.  S.  114).  Der  Volkstribun  C.  Curiatius  erscheint  auch  sonst  als 
Gegner  des  Konsuls  Scipio  Nasica,  vgl.  Per.  S.  60  Z.  8 — 9,  Val.  Max. 
III  7.  3,  Plin.,  H.  N.  VII  54. 

Z.  205—207:  Hier  war  der  Tod  eines  sehr  populären  Volkstribunen 
geschildert.  Leider  ist  der  Name  desselben,  der  wohl  am  Ende  von 
Z.  205  gestanden  hat,  verloren.  Warde  Fowler  und  Reid  suchen  diese 
unsere  Stelle  mit  Plin.  XXI  10  in  Verbindung  zu  bringen,  wo  auch  von 
dem  Tode  eines  sehr  volkstümlichen  Tribunen  (die  codd.  haben  in  tribu- 
mtu,  während  in  consulatu  Konjektur  ist)  und  zwar  eines  solchen  mit 
dem  Beinamen  Serapio  die  Rede  ist:  obierat  in  tribunatu  plebei  admodum 
gratus  dignusque  Africanorum  familia,  nee  erat  in  bonis  funeris  inpensa. 
asses  ergo  contulit  populus  ac  fimus  elocavit  quaque  prasterferebatur  flores 
e  prospectu  omni  sparsit.  Warde  Fowler  spricht  die  Vermutung  aus,  dass 
hier  vielleicht  ein  Bruder  oder  Sohn  des  Konsuls  Scipio  Nasica  gemeint 
sei,  und  dass  daher  vielleicht  am  Eiide  von  Z.  205:  Nasicae  frater  oder 
filius  einzusetzen  sei.  Gegenüber  diesen  Ausführungen  verweise  ich  auf 
Münzer  im  Hermes  32,  1897,  S.  471  und  bei  Pauly-Wissowa  IV  Sp.  1504 


Die  neue  Livius-Epitome.  67 

Nr.  355,  der  die  Pliniusstelle ,  die  aus  Valerius  Antias  stammt,  richtig 
auf  den  Konsul  von  643/111  bezieht,  der  bekanntlich  während  seines 
Amtsjahres  starb;  über  ihn,  bes.  seine  Popularität  Cic,  Brutus  128,  Diodor 
XXXIV/XXXV  33.  1  und  8. 

Z.  207—209:  Per.  S.  60  Z.  11— 14:  nam  C.  Matienus  (maiienius  NP) 
accusatus  est  apud  tr{ibunos)  pl{ebis),  quod  exercitum  ex  Hispama  deseruisset, 
damnatusque  stA  furca  diu  virgis  caesus  est  et  (fehlt  inN)  sestertio 
nummo  veniit  (vemYNP);  Pseudo-Frontin.  IV  1.  20:  P.  Cornelio  Nasica 
Decimo  Junio  consulibus,  qui  exercitum  deseruerant,  damnati  virgis  caesi 
publice  venierunt.  Hier  hat  also  wieder  nicht  die  Per.  den  unserem 
Pap.  zunächststehenden  Text. 

Z.  210—211:  Val.  Max.  Vm  1.  Absol  11:  P.  Scipio  Aemilianus 
Cottam  apud  populum  accusavit.  cuius  causa,  quamquam  gravissimis  crimi- 
nibus  erat  confossa,  septies  ampliata  et  ad  ultimum  octavo  iudicio  absoluta 
est,  quia  honiines  verebantur  ne  praecipuae  accusatoris  amplitudini 
damnatio  eius  donata  existimaretur,  dazu  Tac,  Ann.  IIl  66 ;  Appian,  b.  c. 
I  22,  wo  aber  eine  ganz  andere  Begründung  der  Freisprechung  (nämlich 
durch  Bestechung  der  Richter)  gegeben  ist.  Die  vorlivianische  Überlieferung 
haben  wir  bei  Cicero,  pro  Mur.  58,  div.  in  Caec.  69  und  Pseudo-Asconius 
zu  der  Stelle  p.  124  Or.,  Brutto  81  (hiernach  war  Q.  Metellus  Macedonicus 
der  Verteidiger  des  Cotta).  Cicero  datiert  das  Ereignis  ganz  anders  als 
der  Pap.,  nämlich  nach  620/134  resp.  621/133;  hierüber  vgl.  unten  S.  104ff. 

Z.  212:  Was  die  Lusitaner  betrifft,  so  weiss  die  Per,  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  (S.  60  Z.  16 — 18)  nur  die  Ansiedlung  der  Soldaten  des 
Viriathus  in  Valentia  in  Spanien  zu  berichten,  und  erst  Z.  27— S.  61  Z.  2 
folgt  die  Bemerkung :  Decimus  Juniu^s  Lusitaniam  expugnationibus  urbium 
usque  ad  oceanum  perdomnit,  so  dass  auch  hier  wieder  eine  Abweichung 
von  der  Anordnung  des  Stoffes  im  Original  zu  konstatieren  ist.  Zur  Sache 
vgl.  App.,  Jb.  73  (71):  kg  dh  rag  nolug  avrüiv  higantro,  Sixrjv  tb  ki^ipea&ai 
n(}oadoxüiv^  xai  rfj  ötgariä  nokv  xigdog  nigUatad-aiy  xai  xovg  Xif^tsväg  kg 
ixdavfiv  dg  narglStt  xivdwevovaav  dialv&riatad-ai,  6  fihv  dfi  xüvx  iv^ 
^vfiovfiivog  kSyov  xä  kv  noaiv  unavxa  av/iuaxovfiipiav  xoig  ixvdQWSi, 
xwv  ywaixcüv  xai  avvavaigovfiivwv  xai  ov  xtva  (fwv^p  oiÖ'  kv  xalg  aq>ayalg 

CUfUlÖWV, 

Zu  der  Niederlage  durch  die  Numantiner  vgl.  Per.  S.  60  Z.  18—20: 
M.  Popilius  a  Numantinis,  cum  quibus  pacem  factam  inritam  ficri  senatus 
censuerat,  cum  exercitu  fusus  fugatusque  est ;  anders  Appian,  Jb.  79  Ende : 
xy  ßovXy  J*  Uojc  noXi^üv  jNofiavxivoig,  xai  6  TloniXiog  kvißaXev  kg  xovg 
ydrovag  avxüv  Aovöovag^  ovdiv  d'  kgyaaafAtvog  (ijx€  ydo  avx^  dia- 
do^og  knl  xfiv  argaxrjyiav  *OaxlXiog  Mayxlvog)  av^ev^Bv  kg  'Pwfir]v, 

Z.  213—214:  Per  S.  61  Z.  4—8:  Alexandri  ßius,  rex  Syriae,  X  annos 
admodum  habens,  a  Diodoto  qui  Tryphon  cognaminabatur,  tutorc  suo, 
per  fraudem  occisus  est,  corruptis  medicis,  qui  illum  calculi  dolore  con- 
sumi  ad  populum  mentiti^  dum  secant,   occiderunt.     Orosius  V  4.  18; 

5* 


B8  E.  Komemann, 

qui  (Diodotus)  postea  ipsum  Älexandrum  fUium,  quem  participeni  pericuU 
in  pervadendo  regno  halmerat,  ne  in  obtinendo  consortem  haberet,  occidit 
(über  die  Stelle  s.  unten  S.  95).  Die  Per.  hat  wiederum  die  Reihenfolge 
des  Originals  verändert,  indem  der  Übergang  des  Decimus  Brutus  über 
den  Oblivio,  der  erst  ins  Jahr  617/137  gehört,  vor  diesen  Ereignissen 
erzählt  wird  (S.  61  Z.  2 — 4);  Orosius  dagegen  giebt  die  citierten  Worte 
an  der  richtigen  Stelle:  denn  §  19  beginnt  mit  den  Konsuln  für  617/137; 
zur  Sache  vgl.  ausserdem  Diodor  XXXin25,  App.,  Syr.  68,  Justinus 
XXXVI  1.  7  (XXXVm  9.  3),  Joseph.,  Ant.  Jud,  XHI  218,  Niese,  Gesch. 
der  griech.  u.  mak,  Staaten  III  S.  283.  Über  das  chronologische  Problem, 
das  hier  vorliegt,  vgl.  unten  S.  94  ff. 

Z.  215:  Obsequens  24  (83):  M,  Aemilio  {Aemylio  a)  C.  Hostilio  Man- 
cino  coss.  Orosius  V  4.  19:  M.  Aemilio  Lepido  C.  Hostilio  Mancino  con- 
sulibus,  Cassiodor:  M.  Aemilius  et  G.  Hostilius  Mancinus-,  vgl.  auch  Cic, 
BruttAS  106:  Lejndo  et  Mancino  consulibt^  (a.  617/137). 

Z.  216—217:  Per.  S.  61  Z.  2—4:  Decimus  Junius  .  .  .  cum  flumen 
Oblivionem  transire  nollent,  raptum  signifero  Signum  ipse  transtulit 
et  sie  ut  transgrederentur  persuasit.  Florus  I  33.  12:  Decimus  Brutus 
(diquanto  latius  Celticos  Lusitanosque  et  omnis  Ccdlaeciae  j^ojndos  formida- 
tumque  militibus  flumen  Oblivionis  x)eragratoque  vietor  Oceani  litore 
non  prius  signa  convertit  quam  etc.,  vgl.  auch  Vell.  11  5.  1  und  Appian, 
Jh.  74  (72):  (Brutus)  xai  xov  Jogiov  negdaag  noU,d  fiiv  noXifitp  xari- 
ögafAB,  nokkd  öh  nagä  xiuv  avxovg  kväiSoPTwv  Sfifiga  alrijactg  ^ni  Ar^ß-tpf 
fiBTfiu,  ngdJTog  oSe'Pdüfiaicüv  kntvodiv  tov  norafiov  rovSe  Sia- 
ßr^vai.  mgdaagSk  xal  tovSb,  xai  fiixQ''  ^if^og  irigov  noxdfjLOV  ngoik&wvy 
.  .  .  hargdrtviv  inl  xovg  Bgaxdgovg.  Wahrscheinlich  war  der  Auszug  aus 
Buch  55  mit  dieser  Notiz  beendigt. 

Zu  den  Fragmenten  ist  oben  S.  34  alles  Nötige  gesagt. 

IV. 

Das  Verhältnis  des  Papyrus  zum  Livius-Original 
sowie  den  vorhandenen  Livius-Epitomatoren  und 

Livius-Benützem. 

A.  Für  die  Feststellung  des  Verhältnisses  unseres  Textes  zum  Livius- 
original  sind  die  drei  ersten  Kolumnen  mit  den  Auszügen  aus  den  er- 
haltenen Bücheni  37—40  von  entscheidender  Bedeutung.  Von  ihnen 
gehen  wir  aus: 

I.  Dass  der  Inhalt  des  Papyrus  in  letzter  Linie  auf  Livius  zurück- 
geht, bedarf  eigentlich  keines  Beweises  mehr.  Ich  stelle  aber  zum  Über- 
fluss  die  Indicien  noch  einmal  zusammen,  die  das  unwiderleglich  darthun : 

1.  Livius  selbst  hat  XXXVIH  24.  2  Orgiago  statt  Ortiago  (19.  2); 
der  Papyrus  (Z.  14)  giebt  Avie  alle  von  Livius  abhängigen  Schriftsteller 
diese   falsche  Namensform,   vgl.   darüber  Mommsen,  Böm.  Forschgen.  II 


Die  neue  Livius-Epitome.  69 

S.  541  A.  38.    Ebenso  fehlt  wie  im  Original  und  bei  allen  Li  vianern  der 
Name  der  Frau,  Chioniara  (oben  S.  37). 

2.  Der  Name  des  einen  Konsuls  für  573/181  heisst  (Z.  74)  mit  Livius 
XL  18.  1  und  den  von  diesem  abhängigen  Quellen  P.  Cornelius  Lentulus, 
während  die  nichtlivianische  Überlieferung  denselben  Mann  P.  Cornelius 
Cethegus  nennt  (oben  S.  46). 

3.  Bei  der  Erzählung  von  der  Auffindung  der  libri  Numae  hat  der 
Pap.  (Z.  75)  die  Version  des  Livius  XL  29.  3  und  der  Livianer  (L.  Petilius 
heisst  der  Schreiber,  auf  dessen  Grundstück  die  gefälschten  Bücher  ge- 
funden werden,  und  es  sind  zwei  Steinsarkophage,  die  den  Fund  bergen,) 
im  Gegensatz  zu  der  antiquarischen  Tradition,  die  den  Schreiber  Cn.  Te- 
rentius  nennt  und  nur  von  einem  Sarkophag  redet  (oben  S.  46). 

n.  Der  Inhalt  des  Papyrus  ist  aber  nicht  direkt  aus  Livius  aus- 
gezogen, sondern  auch  hier  schiebt  sich  die  umfangreiche,  mit  Zusätzen 
aus  anderen  Quellen  (nach  WölflFlin  z.  B.  aus  Valerius  Antias)  versehene 
Epitome  dazwischen,  welche  im  ersten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
hergestellt  worden  ist.*)  Die  Beweise  für  diese  Behauptung  sind  zum 
grössten  Teil  sprachlicher  Art: 

1.  Pap.  Z.  1  und  bei  Orosius  IV  20.  23  lesen  wir  caesi  bezw.  caesus^ 
während  dieses  Wort  im  Livius-Original  nicht  gebraucht  wird  (oben  S.  35). 

2.  In  der  Geschichte  der  Chiomara  wird  die  Vergewaltigung  der 
Frau  durch  den  römischen  Centurio  im  Original  mit  den  Worten  mm 
fecii  angedeutet;  dagegen  in  unserem  Texte  heisst  es  von  der  Frau: 
vim  passa  erat  und  das  Verbum  pati  (mit  vim  oder  stuprum)  kehrt 
wieder  bei  Val.  Max.  und  Florus.  Dazu  kommt,  dass  Florus,  Per.  und 
Pseudo- Victor,  statt  reguli  uxor  des  Originals  und  bei  Val.  Max.,  regis 
uxor  sagen.  Im  übrigen  stehen  aber  hier,  wie  oben  S.  39  ausgeführt  ist, 
die  Per.  und  der  Papyrus  dem  Original  stilistisch  noch  am  nächsten. 

3.  In  der  Erzählung  von  der  Beseitigung  der  Bacchanalia  bedienen 
sich  der  Pap.  Z.  41  und  die  Per.  (auch  die  Epit.  des  Par.  aus  Val.  Max., 
anders  Nep.)  in  gleicher  Weise  der  Worte  sublata  bezw.  sublatum  est, 
vgl.  F.  Drescher,  a.  a.  0.  S.  45  f.  (oben  S.  42). 

4.  Sowohl  in  unserem  Text  Z.  55  wie  in  der  Per.  (auch  bei  Plutarch, 
CcUo  maior  17  und  Flaminin.  18)  heisst  es  gelegentlich  der  Unthat  des 
L.  Quinctius  Flamininus,  dass  derselbe  den  vornehmen  Gallier  stui  maftu 

1)  Über  diese  LIt.  Epitome  vgl.  Th.  Mommsen,  Die  Chronik  des  Cassiodorua 
Senator  in  Abhandlungen  der  sächs.  Geseüsch.  der  Wiss.  III,  1861,  S.  551  fF.,  auch  Cliron. 
minora  II  {Mon.  Germ.  Auct.  antiqu.  XI)  S.  112,  C.  Zangemeister ,  Die  Periochae  des 
Livius  in  d.  Festschrift  sur  Begrüssung  der  36.  Philol.  Vers,  in  Karlsruhe  1882  S.  87, 
G.  Ay,  De  Livii  epitoma  deperdita,  Leipzig  1894,  H.  A.  Sanders,  Die  Queüenconta- 
mination  im  21.  u.  22.  Buch  des  Livius  I  S.  18-  51 ,  Berlin  1897 ,  G.  Reinhold ,  Das 
Geschichtswerk  des  Livius  als  (^eüe  späterer  Historiker^  Progr.  de«  Luisenstädtischen 
Gymnasium,  Berlin  1898,  Wölfflin,  Archiv  für  lat.  Lexikogr.  u.  Gramm.  XI  (1900) 
S.  1—8,  79,  212  u.  278,  XII  S.  836,  F.  Drescher,  Beiträge  zur  Livius-EpiUme,  ErUuiger 
Diss.  von  1900,  Schanz,  Gesch.  d.  röm.  LiU.  II*  S.  258. 


70  E.  Kornemann, 

tütete:  diese  Worte  aber  fehlen  im  Liviusoriginal.  Dem  entspricht  es, 
wenn  die  Per.  (ebenso  Seneca  und  Hieronymus,  comm,  in  Matth.  II  14 
nach  der  „historia  Bomana^)  in  der  zweiten  Version  der  Geschichte  das 
placentinische  Weib  (bei  Liv.  famosa  muUer,  Val.  Max.  muUerculä)  eine 
mcretrix  (Hieronym.;  meretricula)  nennt,  wie  in  unserem  Pap.  Z.  37  die 
Hispala  Feccnia  tituliert  wird.  Über  diesen  Fall  vgl.  man  im  übrigen 
H.  A.  Sanders,  a.  a.  0.  S.  50  und  Wölfflin,  Archiv  XI,  1900,  S.  5  f. 

5.  In  der  Notiz  über  den  Bruderzwist  im  makedonischen  Hause 
zwischen  Perseus  und  Demetrius  haben  der  Papyrus  Z.  72  und  die  Per. 
die  Worte  fidis  criminibus.  Livius  dagegen  bevorzugt  das  Compositum 
des  Verbums  (confingere)  neben  crimen  (vgl.  XL  8.  7  u.  13.  1)  oder  er 
gebraucht  Ausdrücke  wie  vana  criminatio  (12.  7),  vana  accusatio  12.  10). 
Das  Simplex  fingere  steht  in  dem  ganzen  Abschnitt  nur  einmal  bei  Livius 
und  zwar  12.  7  in  der  Phrase:  ficto  et  composito  argumenta. 

6.  Während  Liv.  XXXIX  22.  1 — 2  sagt:  athletarum  certamen  tum 
primo  Romanis  spectaculo  fuit,  heisst  es  sowohl  in  unserem  Text  wie  bei 
Cassiodor,  Chr.  z.  d.  Jahre :  athletarum  certamina  primum  a  Fulvio  (Papyrus : 
dazu  noch  NobiUore)  edita, 

7.  Bei  Liv.  XXXIX  32.  13  heisst  der  eine  Konsul  richtig  L.  Porcius 
Licinus  (ebenso  in  den  fast.  Capitol.  und  beim  Chronogr,  v.  354,  CIL.  V^ 
p.  144),  auf  dem  Pap.  dagegen  und  bei  Cassiodor  (ebenso  in  den  fast. 
Hydat.  u.  im  Chron.  Paschal.)  L.  Porcius  Licinius;  s.  o.  S.  43. 

8.  Bei  Livius  XXXIX  56.  4  werden  die  Konsuln  des  Jahres  572/182 
in  der  Reihenfolge  Cn.  Baebius  Tamphilus,  M.  Aeniilius  Paulus  genannt; 
dagegen  in  unserem  Text  Z.  67,  bei  Obsequens  5  und  Cassiodor  (ebenso 
bei  Cornelius  Nepos,  Rann,  13.  1  und  in  den  capitol.  Fasten,  CIL.  I* 
S.  144)  in  der  umgekehrten  Reihenfolge. 

9.  In  einem  weiteren  Punkte  von  grösster  Wichtigkeit  für  diese 
Frage  versagt  leider  unser  Text  wegen  der  zu  starken  Verderbnis  des 
Papyrus  (Z.  63—65).  Schon  Zangemeister  S.  99  hat  gesehen,  dass  sowohl 
die  Per.  wie  Orosius  den  Tod  des  Scipio,  Hannibal  und  Philopoimen  in 
eben  dieser  Reihenfolge  erzählen,  während  das  Original  eine  andere  An- 
ordnung (Philopoimen,  Hannibal,  Scipio)  befolgt.  Wir  dürfen  nach  dem 
Zusammengestellten  die  erstere  Reihenfolge  auch  für  den  Papyrus  ver- 
muten, was,  nebenbei  bemerkt,  auch  bei  den  Versuchen,  den  Text  zu  er- 
gänzen, im  Auge  zu  behalten  ist. 

10.  Daran  füge  ich  noch  einige  Fälle,  die  auf  eine  andere  Vorlage 
als  das  Original  hindeuten.  Wir  haben  nämlich  im  Pap.  Stellen,  wo  der 
Auszug  breiter  ist  als  das  Original :  Liv.  XXXIX  22.  2  ist  von  M.  Fulvius 
die  Rede,  dagegen  in  unserem  Texte  Z.  43  stand,  wie  eben  angedeutet, 
wohl  a  Fu[lvio  Nobilior\e,  ebenso  heisst  es  bei  Liv.  ebda  22.  8  nur 
L.  Scipio  ludos  .  .  .  fecit,  dagegen  im  Pap.  Z.  45/6  L.  Cornelius  Scipio. 

11.  Deuteten  diese  Stellen  auf  eine  ziemlich  umfangreiche,  dabei  mit 
dem  Original  sich  nicht  aufs  Wort  deckende  Vorlage  hin,  so  haben  wir 


Die  nctic  LiviuS'Epitonw.  71 

andererseits  in  den  ersten  drei  Kolumnen  zwei  Stellen,  die  gerade  das 
Gegenteil  beweisen.  Z.  44  und  45  sind  zwei  Ereignisse,  von  denen  das 
eine,  der  Übergang  der  Gallier  nach  Italien,  ins  Jahr  568/186  (Liv. 
XXXIX  22.  6—7),  das  andere,  die  Rückkehr  derselben,  ins  Jahr  571/183 
(Liv.  ebda.  54)  gehört,  zusammengezogen  und  beide  unter  dem  zuerst  ge- 
nannten Jahr  berichtet.  Da  nun  genau  dieselbe  Zusammenrückung  der 
Ereignisse  bei  Obsequens  3  begegnet,  so  ist  dieselbe  der  beiden  gemein- 
samen Vorlage  zur  Last  zu  legen.  Ein  gleicher  Fall  liegt  vor  in  Z.  71 — 73 
und  der  entsprechenden  Stelle  der  Per.  40  (s.  oben  S.  46)  bei  der  Dar- 
stellung der  Wirren  im  makedonischen  Königshaus.  Hier  sind  auch  die 
Ereignisse  zweier  Jahre  (572/182  und  573/181),  in  der  Per.  sogar  noch 
diejenigen  von  575/179  (allerdings  wiederholt  am  Ende  der  Per.),  unter 
dem  Jahre  572/182  zusammengezogen.  Bemerkt  muss  werden,  dass  aber 
alle  diese  Zusammenziehungen  als  solche  von  Ereignissen  eines  und  des- 
selben Liviusbuches  sich  darstellen,  und  dass  sie  also  niemals  über  mehrere 
Bücher  hinausgreifen,  und  das  Gleiche  ist  zu  sagen  von  den  Fällen,  wo 
uns  im  Papyrus  Ähnliches  begegnete  wie  Z.  17  (darüber  oben  S.  39)  oder 
Z.  49  (oben  S.  43) ,  ohne  dass  wir  Parallelen  dafür  aufweisen  können. 
Die  Vorlage  hat  offenbar  in  den  Fällen,  in  denen  Livius  Ereignisse  des 
nämlichen  Schauplatzes  dem  annalistischen  Prinzip  seiner  Geschichts- 
schreibung zu  liebe  an  verschiedenen  Stellen  desselben  Buches  unter  den 
betreffenden  Jahren  behandelt  hat,  stellenweise  eine  Verkürzung  dadurch 
erreicht,  dass  sie  den  Stoff  eines  Buches  nach  sachlichen  Gesichtspunkten 
ohne  Rücksicht  auf  die  verschiedenen  Jahre  der  Ereignisse  gruppiert  hat. 
Das  deutet  auf  eine  Quelle,  die  das  sachliche  Interesse  über  das  chro- 
nologische gestellt  hat,  ein  Verfahren,  das  dann  in  den  Periochae,  die 
nach  der  chronologischen  Seite  bekanntlich  am  wenigsten  ausgiebig  sind, 
eine  weitere  Ausgestaltung  erfahren  hat.  Diese  so  eingerichtete  Vorlage 
war  aber  offenbar  jene  Epitome  des  ersten  Jahrhunderts,  von  der  wir 
ausgingen,  der  es,  wie  auch  von  anderer  Seite  schon  bemerkt  worden  ist, 
„weniger  darauf  ankam,  jedes  Jahr  und  alle  Konsuln  zu  berücksichtigen, 
als  vielmehr  den  Inhalt  der  einzelnen  Bücher  des  Livius  zusammen- 
zuziehen".*) 

ni.  Mit  diesem  Prinzip  kreuzt  sich  aber  ein  anderes,  welches  schon 
bei  Eutrop.,  Obsequens,  Cassiodor  und  anderen  beobachtet  worden  ist,^)  viel- 
leicht am  reinsten  aber  in  unserem  Texte  zum  Ausdruck  kommt,  nämlich 
das  chronologische.  Für  einen  Autor,  der  ein  Chronikon,  wie  wir  es  in 
dem  Papyrus  unstreitig  besitzen,  herstellen  wollte,  war  jenes  eben  berührte 
Verfahren  der  Epitome  das  denkbar  ungünstigste,  weil  es  die  annalistische 
Grundlage  des  Livius  zerstörte.  Ein  solcher  Chronikenschreiber  wäre, 
um  seinen  Zweck  möglichst  zu  erreichen,  am  besten  auf  das  Liviusoriginal 

1)  Vgl.  (I.  Reinhold  a.  a.  a  S.  13. 

2)  Mommsen,  Ahh.  d.  säclis.  Ges.  III  S.  552  u.  Keinbold  a.  a.  O. 


72  E.  Kornemann, 

statt  auf  die  das  annalistische  Prinzip  weniger  berücksichtigende  Livius- 
epitome  zurückgegangen.  Er  hat  aber,  offenbar  mit  Rücksicht  auf  den 
zu  grossen  Umfang  des  Originals,  den  letzten  Weg  gewählt  und  dadurch 
sind  jene  beobachteten  Zusammenziehungen  des  livianischen  Originaltextes 
in  unseren  nach  den  gerade  entgegengesetzten  Prinzipien  bearbeiteten 
Papyrus  gekommen.  Es  fragt  sich  nun,  ob  alle  chronikartigen  angelegten 
Auszüge,  von  denen  unser  Text  ein  hervorragender  Typus  ist,  selbständig 
auf  die  Liviusepitome  zurückgehen,  oder  ob  ein  weiteres  Mitglied  zwischen 
der  Epitome  und  den  uns  erhaltenen  Chroniken  anzunehmen  ist.  Schon 
Mommsen^)  hatte  beobachtet,  „dass  die  Cassiodor  vorliegende  Liste  die 
Konsulnamen  ebenso  im  Ablativ  aufführte,  wie  dies  bei  Obsequens  ge- 
schieht", weiter  „dass  bei  Obsequens  nicht  bloss  die  Prodigien  verzeichnet 
sind,  sondern  öfters  auch  andere  historische  Notizen  gleichsam  verloren 
sich  vorfinden",  endlich  dass  die  historischen  „Notizen  bei  Obsequens  und 
Cassiodor  in  der  Auswahl  und  Fassung"  sehr  nahe  sich  berühren.  Im 
Anschluss  daran  hatte  er  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  bei  Cassiodor 
und  ebenso  bei  Eutrop.  11  3,  Festus,  brev.  2,  den  Fasten  des  Pseudo-Idatius, 
endlich  in  der  Hist.  Aug.  (Vopiscus,  v.  Tac.  1)  und  bei  Zonaras  VII  24.  9, 
Boiss.  I  S.  85  (von  Mommsen  übersehen)  die  Zahl  der  Anarchiejahre  nach 
378/376  V.  Chr.  auf  vier  angegeben  werde,  während  Livius  selbst  (VI  35), 
die  Per.  6  S.  12  Z.  12  (fehlt  wiederum  bei  Mommsen),  der  Chronograph 
von  354  und  Lydus,  de  mag,  I  38  ein  magistratsloses  quinquennium  an 
derselben  Stelle  annahmen.'-)  Mommsen  hat  aber  aus  diesen  Beobachtungen 
nui'  Schlüsse  auf  die  Liviusepitome  gezogen,  auf  die  er  alle  diese  Er- 
scheinungen in  den  späteren  Quellen  zurückführte,  zumal  er,  wie  gesagt, 
die  Stelle  in  der  Per.  6  übersah.  Ihm  folgend  hat  Zangemeister  und 
weiter  fast  alle,  die  von  dessen  grundlegender  Arbeit  ausgehen,  stets  nur 
die  Livius-Epitome  als  Mittelglied  zu  finden  geglaubt,  die  darnach  zwar 
noch  einen  grossen  Umfang,  aber  zugleich  einen  streng  chronikartigen 
Aufbau  mit  dem  Namen  der  Konsuln  jedes  Jahres  voran  gezeigt  haben 
müsste.  Dieser  Auffassung  von  der  Anlage  der  Epitome  widersprechen 
die  Zusammenziehungen  der  Ereignisse  mehrerer  Jahre  aus  sachlichen 
Rücksichten,  die  wir  oben  mit  Hülfe  unseres  Papyrus  dargelegt  haben. 
Bei  dieser  Sachlage  ist  es  nun  von  grossem  Interesse,  dass  G.  Reinhold 
vor  kurzem  schon  sehr  wahrscheinlich  gemacht  hat,  dass  wir  ohne  An- 
nahme einer  weiteren  Mittelquelle,  und  zwar  eines  Chronikons,  zwischen 
der  Livius-Epitome  und  den  Breviarien  der  späteren  Zeit,  wie  Eutrop., 
Festus,  Obsequens  und  Cassiodor,  nicht  auskommen.  Er  geht  aus 
(S.  8)  von  der  erwähnten  auf  die  Anarchiejahre  bezüglichen  Stelle  und 
weist  auf  die  Übereinstimmung  der  Per.  mit  dem  Original,  zugleich 
aber  auf  die  bei   Eutrop.,  Festus  und  Cassiodor  in  gleicher  Weise  zu 


1)  A.  tt.  0.  s.  552. 

2)  Genaueres  darüber  bei  Mommsen,  Uüm.  Chronolog.-  S.  204  Aum.  398. 


Die  neue  Livius-Epitomc  73 

Tage  tretende  Abweichung  gerade  in  einer  chronologischen  Frage  liin. 
Sein  Schluss,  dass  das  Zwischenglied  zwischen  Livius  und  den  Periocluiej 
eben  die  Mommsen-Zangemeister'sche  Epitome,  noch  frei  war  von  dem 
Irrtum  jener  drei  anderen  Autoren,  ist  durchaus  zwingend.  Andere  Ab- 
weichungen, darunter  weitere  chronologischer  Art,  hat  Keinhold  z.  T.  im 
Anschluss  an  W.  Pirogoff,  de  Eutropii  breviarii  indole  ac  fotUibus  p.  27  ff., 
danebengestellt:  das  Liviusoriginal  und  Per.  3  lassen  das  Dezemvirat 
bis  ins  dritte  Jahr  dauern,  Eutrop.  (1 18)  und  Festus  (3)  dagegen  nur 
zwei  Jahre  lang,  bei  Eutrop.  und  Cassiodor  fehlen  in  der  Zeit  von 
316 — 362  a.  u.  c.  alle  tribuni  miUtum  consulari  potestate,  u.  s.  w.^)  Das 
auf  diese  Weise  von  Reinhold  erschlossene  Chroniken,  das  auf  Grund  der 
verlorenen  Livius-Epitome  gefertigt  worden  ist  ,2)  scheint  mir  auch  die 
Grundlage  unseres  Textes  gebildet  zu  haben. 

1.  Die  Reihenfolge  der  Konsuln,  die  wir  oben  (S.  70)  unter  8.  als 
dem  Obsequens,  Cassiodor  und  unserem  Text  gemeinsam,  aber  von  Livius 
abweichend  gefunden  haben,  dürfte  am  ehesten  diesem  Chronikenschreiber, 
der  die  Fasten  des  Livius  überarbeitet  hat,  zur  Last  gelegt  werden. 

2.  Die  ebenda  unter  6.  und  7.  konstatierte  wörtliche  Übereinstimmung 
des  Papyrus  mit  Cassiodor  legt  dieselbe  Vermutung  nahe. 

B.  Wenn  wir  nunmehr  Kol.  IV — VIII,  also  denjenigen  Teil,  für  den 
das  Liviusoriginal  nicht  mehr  vorhanden  ist,  in  Betracht  ziehen,  so  lässt 
sich  auch  daraus  einiges  beobachten,  was  die  vorgetragene  Ansicht  zu 
unterstützen  geeignet  sein  dürfte. 

Was  die  Konsulfasten  betrifft,  so  ist  allerdings  der  Irrtum,  dass  in 
unserem  Text  wie  in  allen  Quellen  der  livianischen  Tradition  der  eine 
Konsul  des  Jahres  605/149  Marcus  Manüius  statt  Manius  Manüius 
genannt  wird,  wenn  nicht  Livius  selbst,  so  doch  schon  der  Epitome  aufs 
Konto  zu  schreiben. 

Dagegen  haben  wir  bei  den  Konsuln  des  Jahres  614/140  den  Fall, 
dass  der  Papyrus,  Obsequens  und  Cassiodor  übereinstimmen,  während 
Frontin.  (de  aquaed,  7.  4)  eine  andere  Reihenfolge  hat,  nämlich  die  auch 
in  den  capitolin.  Fasten  zu  Tage  tretende,  ebenso  bei  den  Konsuln  von 
615/139,  wo  der  Papyrus  und  Cassiodor,  abgesehen  von  dem  Vornamen 
des  PojnlUus,  wieder  zusammengehören,  Val.  Max.  (Par.)  aber  divergiert  =*) 
(s.  oben  S.  63),  während  bei  denjenigen  für  606/148,  607/147  und  617/137 
der  Papyrus  mit  Obsequens  und  Cassiodor  (für  617/137  auch  mit  Orosius), 
an  anderen  Stellen  wenigstens  mit  Cassiodor  übereinstimmt,  ohne  dass 


1)  Vgl.  Reinhold  S.  8ff.,  dazu  meine  Ausfuhrungen  u.  S.  84  u.  86 f. 

2)  Dass  die  Livius-Epitome  die  sämtUchen  Prodigien  enthielt,  welche  Obsequens 
bietet,  beweist  Orosius,  der  dieselben  Prodigien,  und  zwar  häufig  noch  ausführlicher 
berichtet,  vgl.  Reinhold  S.  18. 

3)  Kitschi  (Opusc.  V  11 7  f.)  hat  L.  Calpumius  als  den  richtigen  Namen  zu  er- 
weisen gesucht  durch  Vergleich  mit  Makkab.  I  15.  16;  so  auch  Mommsen,  Hermes 
IX  281  f.,  Münzer  bei  Paulj-Wissowa  UI  Sp.  1382. 


T«  E.  Kornemann, 

Ayj^*fV'Msa^tu  iimerhalb  der  livianischen  Tradition  überiiefm  wlnn. 
±IiL  «shunüÄrer  Fall  liegt  dagegen  bei  den  Konsuln  des  Jahres  611  143  tot: 
iiit?  ^1^Leo  Obsequens  und  Cassiodor  auf  der  Seite  tod  FnwtiiL  md 
'>r'.ȣiis.  und  unser  Text  einzig  und  allein  hat  die  nmgekeliite  \ 
•L.  .l*en  S. -^ö.:  da  hilft  nur  die  Annahme  einer  ümstdliiiig' 
i*^  V*rffTtiger  des  auf  dem  Papyrus  vorliegenden  AossngB. 
Uilr^-wo  in  der  Angabe  der  Konsuln  vom  Jahre  615,139  im  Z.  191i 
fiiK  Abweichung:    C  F(/pi/lUu8  statt  M.  PopiKus  zur  Last  gdeft 

Von  ganz  besonderem  Interesse  aber  ist  die  nachteagtidie  Notiz  iber 
Qj^  Sibecular&piele  am  Ende  des  Auszugs  aus  Buch  49  in  Z.  103 — liiS. 
L*}«:  ii'-ehmalige  Angabe  der  Konsuln  geschieht  in  umgdLdirta' 
- >i?r  wie  Z.  %%,  wo  die  Ordnung,  wie  wir  oben  sahen,  mit 
ül>jr  übrigen  Ii\ianischen  Quellen  übereinstimmt  Dieser  Umstand  sowohl 
wie  die  Thatsache  der  Nachstellung  —  dass  die  Per.  die  m^vinglidie 
.'M^lle  der  Notiz  im  Liviustext  uns  anzeigt,  haben  wir  oboi  (S.  50)  wahr- 
-!^:heinlich  zu  machen  gesucht  —  sind  von  der  aUergrOssten  Bedeatimg: 
Dass  nämlich  die  Ldvius-Epitome  noch  dieselbe  Ordnung  der  Ereigniase 
wie  das  Original  hatte,  zeigt  die  Per.  Daraus  folgt,  dass  die  UmsteUimg 
erst  einem  späteren  Bearbeiter  zuzuschreiben  ist :  entweder  dem  YerEasBer 
des  CTironikons  oder  dem,  der  den  Auszug  des  Papyms  verfatigt  bat 
Nach  allem  früher  gesagten  liegt  es  am  nächsten  den  Hedaktor  des 
rlironikons  für  diese  Umstellung  verantwortlieh  zu  machen,  znmal  wenn« 
^ie  ich  vermute .  die  Ergänzung  doch  in  der  oben  S.  50  angegebenen 
Richtung  zu  erfolgen  hat. 

Kehren  wir  zu  den  Ül>ereinstimmungen  mit  Obsequens  znrftck  (Caasiodor 
hat  leider  für  die  Zeit  von  (HU  150— 017  187  keine  historischen  Notisen), 
.v>  müssen  diese,  auch  abgesehen  von  den  Konsularf asten,  anfallend  grosse 
srenannt  werden.  Wenn  man  in  Hechnung  zieht,  wie  wenige  historiscbe 
Kreignisse  Obse^iuens  neben  den  Prodigien  vermerkt  hat  mnss  die  That- 
^^che.  »lasÄ  derselbe  an  drei  Stellen  allein  von  allen  lateinischen  aus 
IJvia-  ?!iammenden  QueUen  den  I^ararallelbericht  zu  den  Notizen  nns^-es 
Papyro-s  bietet.  r»ehr  h^Krh  eingeschätzt  werden.  Es  sind  das  die  Be- 
ri':ht^  über: 

1.  »lie  Erhaltunir  de<  sacrarium  Opis  beim  Brand  von  Bom  vom 
^^hT^.  riMf,  ue.  Pap.  Z.  127—121*  und  Obseq.  19  (78); 

2.  die  Grausanjk^iten   des  Ha><lrubal   gegenüber  den  römischen  Ge-. 
:<>r-?-ri-r..  Z.  l:'/2-l;iL  Ob>.  2«»    7t*  ; 

. .  •::-  Ni'-deria'/H  t\^<  L.  M»'tellu>  im  Jahre  012142  durch  die  Lnsi- 
•iLrr.  Z.  \hl.  Ob?.  22    •'l.. 

A-l-r-ürj^^  i.-t  «lie  ^[»ra'lili^h»*  Cbeivintimmung  keine  so  vollständige, 

>.-  w.r  <r  ■  hvij  <>.  7;'.}  für  den  Papyrus  und  Caasiodor  beobachtet  haben: 

^'j..  l*<\'.  Z.  12-:  t/'Ojiimo  incrutUo  mit  Obseij.  a.  a.  O.  raste  ineemdio; 

•  ••.^.  Pa]..  Z.  l27:    PhiliiipHs  caj»tu!^.  Obscii.:  PsenilojthilippHS  devictuS] 


Die  neue  Limus-Epitome.  75 

Z.  132:  cmdelissime,  Obseq.:  barbaro  more;  Z.  139:  direpta^  Obseq.  20  Ende: 
diruta  (wie  Orosius  und  Eutrop.)  oder  die  viel  stärker  abweichende  Notiz 
über  die  Niederlage  von  6 12/1 42  (Z.  167:  a  Lusitanis  vexatus,  Obseq.: 
dubie  dimicavit). 

Auch  sachliche  Abweichungen  kommen  vor,  aber  sie  lassen  sich  leicht 
aus  der  Arbeitsweise  des  Obsequens  erklären.  Die  mit  dem  Pap.  Z.  127 — 
129  nicht  übereinstimmende  Reihenfolge  der  Ereignisse  bei  Obsequ.  19  (78) 
erklärt  sich  aus  dem  Umstand,  dass  Obsequens  die  Erhaltung  des  saerarium 
bei  dem  grossen  Brande  von  608/148  als  Prodigium  aufführt,  und  dass 
er  stets  die  Prodigien  voranstellt.  Die  Abweichung,  die  darin  erblickt 
werden  könnte,  dass  Obseq.  20  (79)  am  Ende  die  Zerstörung  von  Carthago 
noch  unter  dem  Jahre  607/147  berichtet,  während  sie  der  Pap.  Z.  138/9 
als  ei-stes  Ereignis  von  608/146  bietet,  ist  nur  eine  scheinbare,  wie  das 
Wörtchen  mox  zeigt.  Obsequens  hängt  hier  das  wichtigste  Ereignis  von 
608/146  noch  an  den  Bericht  von  607/147  an,  zumal  es  in  den  Anfang 
des  neuen  Jahres  fällt.  Grösser  ist  der  Gegensatz  von  Pap.  Z.  185/6 
und  Obsequens  23  (82),  da  der  eine  Berichterstatter  einen  Sieg,  der 
andere  eine  Niederlage  des  Viriathus  zum  Jahre  614/140  giebt.  Der 
Sieg  des  Viriathus  ist  das  Richtige,  wie  die  Parallelberichte  der  Per, 
und  des  Appian  beweisen  (s.  oben  S.  63).  Eine  einleuchtende  Erklärung 
für  die  falsche  Notiz  des  Obsequens  hat  hier  0.  Rossbach  *)  geliefert.  Er 
bemerkt,  dass  Obsequens  den  Eindruck  hat  hervorrufen  wollen,  „als  ob 
die  Prodigien  in  einem  engen  Zusammenhange  mit  den  historischen  That- 
sachen  ständen".  Zum  Beweis  verwendet  Rossbach  u.  A.  gerade  unsere 
Stelle,  „die  in  deutlichem  Gegensatz  zu  dem  vorhergehenden  Abschnitt^ 
steht,  „wo  in  Luna  die  Leichname  der  an  der  Pest  Gestorbenen  unbe- 
erdigt  bleiben  und  darauf  die  römischen  Heere  in  Macedonien  und  gegen- 
über Viriathus  unglücklich  kämpfen.".  Dagegen  an  unserer  Stelle  wird 
gesagt :  prodigium  maiaribus  Ihosfiis  quadraginia  expiatum.  annt$8  pacatus 
fuit  Viriato  meto:-)  Wir  lernen  jetzt  noch  dazu,  dass  Obsequens  zu  Gunsten 
seines  Systems  den  Thatsachen  nötigenfalls  Gewalt  angethan  hat.  Doch 
ist  die  Umbiegun^  nicht  so  schlimm,  da  der  Hauptgedanke  (antms  pacatus) 
durchaus  der  Wahrheit  entspricht.  Der  Friede  mit  Viriathus  wird  von 
allen  Parallelquellen  ebenfalls  hervorgehoben  (s.  oben  S.  63).  Allerdings 
bezeichnet  ihn  unser  Papyrus  als  deformem  pacem,  die  Per,  dagegen  als 
einen  solchen  aequis  condicionibus :  es  ist  aber  überhaupt  eine  Eigentüm- 
lichkeit des  neuen  Textes,  dass  er  sich  von  jeglicher  Beschönigung  oder 
gar  Verschweigung  römischer  Misserfolge  fernhält,  während  die  Per.  ab 
und  zu  in   diesen  Fehler   verfällt. ^^)     Möglicherweise  liegt  auch  hier  ein 

1)  Vgl.  lihein,  Mus.  N.  F.  52,  isy",  S.  3. 

2;  Vgl.  aber  89  ^99) ,  wo  allerdings  nach  den  Worten  hostiisqut  expiaimn  maiari- 
bus der  Ausbruch  des  jugurthinisehen  Krieges  notiert  wird. 

3^  Vgl.  II.  roter,  Die  ycsch.  Litt,  über  die  röm.  Kaisers,  II  S.  Mb. 


76  J5.  Komemann^ 

Gegensatz  des  jüngeren  Chronikons  zu  der  älteren  den  Zeiten  der  Republik 
noch  näher  stehenden  Epitome  zu  Grunde. 

Schwerer  als  die  betrachteten  sachlichen  Abweichungen  unseres  Textes 
gegenüber  Obsequens  wiegt  meinerseits  die  sprachliche  Übereinstimmung 
beider,  und  zwar  nicht  diejenige  an  bestimmten  Punkten,  sondern  der 
ganze  sprachliche  Habitus  beider  Texte.  Sie  zeigen  beide  in  gleicher 
Weise  oft  ganz  kurze  Sätze,  vielfach  ohne  verba  finita,  gewissermassen 
eine  Berichterstattung  im  Lapidarstil.  Weiter  fällt  eine  gewisse  inopia 
verborum  sofort  in  die  Augen  und  eine  Vorliebe  für  bestimmte  Participia, 
meist  solche  von  Verba,  die,  ich  möchte  sagen,  etwas  dick  auftragen, 
wie  devictus  (Pap.  Z.  164,  174  und  185,  Obseq.  c.  11,  19,  24,  32,  44,  47, 
61,  62),^)  caesus  (Pap.  Z.  1,  126,  171,  Obseq.  25,  42,  59),  subadus  (Pap. 
Z.  42  und  136,  Obseq.  4,  43,  46,  48),  vexatus  (Pap.  Z.  167,  Obseq.  17, 
22,  71:  gravitcr  vexati).  Ein  sehr  beliebtes  Verbum  des  Papyrus  ist 
vastare  und  zwar  nicht  nur  in  Verbindung  mit  Ländernamen,  sondern 
auch  im  Stile  der  silbernen  Latinität  mit  Ethnika  (Z.  13,  83,  157,  212, 
vielleicht  auch  Z.  7);  dieses  kommt  allerdings  so  häufig  nicht  bei  Obsequens 
vor,  aber  immerhin  wir  treffen  es  doch  an:  vgl.  43,  53,  54  (jedoch  nicht 
mit  Ethnika).  Unter  den  Verba  des  Tötens  bemerken  wir  dagegen  wieder 
in  beiden  Texten  eine  grosse  Vorliebe  für  ocddore:  Pap.  Z.  16,  123,  146, 
164,  213/4,  vielleicht  auch  Z.  55,  Obseq.  9,  15,  27,  28  (zweimal),  33,  49 
(zweimal),  51,  55,  56  (zweimal),  58,  65,  66.  Auffallend  ist  auch  der 
starke  Gebrauch  so  allgemeiner  Redensarten  wie  prospere  oder  dubie 
(varie)  dimicatum  (pugnatum)  est  (Pap.  Z.  125,  216:  re  hene  gesta,  dazu 
Obsequ.  40  und  26,  weiter  2,  8,  18,  22,  46,  52  u.  s.  w.)  oder  clades 
accepta  (Pap.  Z.  49,  147/8, 175,  vielleicht  auch  Z.  212,  Obsequ.  55).  Unser 
Text  sagt  Z.  102  per  artna  occupcUa,  während  die  Per.  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  armis  occupavit  bietet.  Die  Formel  per  artna  be- 
gegnet aber,  wenn  auch  in  anderem  Zusammenhang,  bei  Obsequens  (17 
am  Ende).*)  Ebenso  ist  eine  Eigentümlichkeit  beider  Texte  die  Ver- 
wendung von  Participia  Praes.  im  Nom.:  Pap.  Z.  100  flens,  119  deccdens, 
vgl.  Obsequ.  9  (zweimal),  11,  17,  28  u.  s.  w. 

Dazu  kommt  dann  der  streng  chronologische  Aufbau  beider  Auszüge 
und  das  Streben,  in  aller  Kürze  möglichst  viel  Fakta  zu  bringen.  Gerade 
in  dieser  Beziehung  sind  die  Periochae  das  gerade  Gegenteil  des  Obsequens 
und  des  Papyrus.  Dort  ist  die  zeitliche  Folge  der  Ereignisse  durch  eine 
solche  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  ersetzt,  auch  sind  weniger  Ereignisse 
aus  dem  Original  herübergenommen ;  dafür  aber  wird  das,  was  aufgenommen 

1)  Allerdings  findet  sich  devinco  statt  vinco  auch  schon  bei  Livius  XXXVIl  49.  7, 
XXXVIII  58.  9,  60.  5,  XXXIX  2.  9  u.  s.  w.  Aber  die  Häufigkeit  der  Anwendung 
steigert  sich  doch  später  immens.  Über  den  geringen  Gebrauch  von  devinco  in  der 
Per.  im  allgemeinen  vgl.  Wölflflin,  Comm,  in  hon.  Montms.  S.  838,  anders  dagegen  in 
der  Per.  1 »,  darüber  u.  S.  79. 

2)  Vgl.  Thesaurus  l  l.  I  597/8  und  599. 


Die  neue  Livius^Eintome.  11 

ist,  oftmals  viel  ausführlicher  behandelt.  Daher  glaube  ich  mit  Reinhold/) 
dass  die  Periochae  der  verlorenen  Liviusepitome  näher  stehen  als  Obsequens 
und  unser  Text.  Offenbar  ist  ihr  Verfasser  in  Bezug  auf  die  Gruppierung 
nach  sachlichen  Rubriken  noch  über  die  Epitome  hinausgegangen.  Das 
beweist  ein  Vergleich  des  Endes  von  Per.  55  mit  Oros.  V  4.  17/8  und 
5.  12.  Die  Per,  erwähnt  zunächst  den  Übergang  des  Brutus  über  den 
Oblivio  und  darnach  die  Ermordung  des  jungen  Antiochos  VI  von  Syrien, 
während  die  umgekehrte  und  zwar  richtige  Reihenfolge  der  Dinge  bei 
Orosius  vorliegt.  Dass  es  so  aber  in  der  Vorlage  stand,  beweist  jetzt 
unser  Text  (Z.  213—217),  der  mit  Orosius  sich  deckt.  Den  umgekehrten 
Fall,  dass  die  Periochae  die  richtige  Chronologie  bieten,  haben  wir  Per.  53, 
wo  der  Sieg  des  Q.  Fabius  Maximus  ServUianus  durch  den  Zusatz  jyrocos. 
ins  Jahr  613/141  datiert  wird  (ebenso  im  Pap.  Z.  171/2),  während  Orosius 
V  4.  12  (und  wahrscheinlich  auch  schon  Florus,  s.  oben  S.  61)  das  Er- 
eignis ins  vorhergehende  Jahr  setzt.  Für  Orosius  nimmt  Reinhold  (S.  13) 
auch  direkte  Benutzung  der  Livius-Epitome  an.  Zu  dieser  Ansicht  passt 
sehr  gut  dieses  Schwanken  in  chronologischer  Hinsicht  bei  Orosius  und  der 
Per.,  während  ein  gleiches  in  den  auf  das  Chronikon  zurückgehenden 
Breviarien  der  späteren  Zeit  nicht  vorkommt. 

IV.  Auf  dem  bis  jetzt  begangenen  Wege  lässt  sich  allerdings  nicht 
alles  erklären,  was  unser  Papyrus  bietet.  Derselbe  zeigt  eine  Anzahl 
singulärer  Erscheinungen,  die  ihn  auch  von  den  im  Vorhergehenden 
als  ihm  sehr  nahestehend  erkannten  Texten  unterscheidet.  Auf  einen 
solchen  Fall  in  den  Fasten  ist  oben  schon  hingewiesen  (S.  74).  Dazu 
kommt  die  eigentümliche  Vorliebe  für  Thatsachen  der  inneren  Geschichte 
und  Anekdoten,  während  die  übrigen  Auszüge  die  Ereignisse  der  äusseren 
Politik  bevorzugen.  Dreimal  überrascht  uns  der  Papyrus  durch  Nennung 
von  Namen  an  Stellen,  wo  die  übrigen  lateinischen  Epitomatoren  wohl 
die  Thatsachen,  aber  nicht  die  Personen  anführen:  Z.  111 — 113  bei  der 
Dreimännergesandtschaft  nach  Bithynien  im  Jahre  605/149,  Z.  197  bei 
der  Erwähnung  der  Mörder  des  Viriathus,  endlich  Z.  203  durch  die  Namen 
der  beiden  Volkstribunen,  die  die  Konsuln  des  Jahres  616/138  ins  Ge- 
fängnis warfen,  während  bisher  nur  der  eine  der  beiden  aus  Cicero  be- 
kannt war  (s.  oben  S.  66).  Wie  in  sachlicher  ist  es  in  sprachlicher  Be- 
ziehung. Bei  der  Erzählung  von  Viriathus  Ennordung  bedient  sich  der 
neue  Text  allein  des  Verbums  iagtUare,  während  der  Verfasser  der  Per, 
Orosius  und  Eutrop.  wörtlich  übereinstimmend  an  dieser  Stelle  interfectus 
est  bieten  (vgl.  aber  Pap.  Z.  201:  interfedares  Viriathi,  ebenso  Eutrop. 
IV  16.  3,  dagegen  Florus  und  Orosius  an  der  entsprechenden  Stelle  per- 
cussores),  Velleius  und  Valerius  Maximus  interemj^us  est  (s.  oben  S.  65). 
Ähnliches  zeigt  sich  an  anderen  Stellen.  Z.  120  bei  der  Schilderung  der 
Teilung  von  Masinissas  Reich   gebraucht  der  Pap.  allein  das  Verbum 

1)  A.  a.  O.  S.  13. 


78  E.  Kornemann, 

disiribuere  (vgl.  auch  Z.  169:  distribuit,  das  Wort  auch  bei  Florus  1 1.  6.  3 
gelegentlich  der  Darstellung  der  servianischen  Verfassung),  während  alle 
Parallelberichte  (Per,,  Orosius,  Eutrop.)  dividere  resp.  divisor  haben.  Z.  122 
wird  Hasdrubal  adfinis  Masinissae  genannt,  in  der  Per.  und  bei  Orosius 
dagegen  Masinissae  nepos,  in  der  Per.  ausserdem  lyropinquus  Gidussac, 
bei  Appian  äSeX(pidoig  FoXoccov  (s.  oben  S.  53).  Z.  185/6  hat  der  Friede 
des  Servilianus  das  auffällige  Attribut  deformis.  Z.  139  wird  bei  der 
Notiz  über  die  Zerstörung  Carthagos  der  Ausdruck  direpta  gebraucht, 
während  alle  übrigen  Quellen  (diesmal  sogar  Obsequens  mit  einge- 
schlossen) die  Verba  diruo  oder  •  deleo  anwenden  (oben  S.  56).  Ich  be- 
trachte aus  diesen  Gründen  die  Annahme  zweier  Zwischenglieder  zwischen 
dem  Livius-Original  und  unserem  Text  nur  als  das  Minimum  dessen,  was 
nötig  ist:  die  Möglichkeit,  dass  noch  ein  weiteres  Mittelglied  vorhanden 
war,  ist  meiner  Ansicht  nach  nicht  ausgeschlossen.  ^ 

Dahin  führt  mich  noch  eine  Beobachtung.  Wenn  ich  recht  sehe, 
besitzen  vnv  bereits  einen  sehr  nahen  Verwandten  des  neuen  Textes  in 
der  von  Wölfflin  sogenannten  Per.  1*,  d.  h.  jener  am  Anfang  des  ver- 
stümmelten Textes  der  Periochae  in  den  Handschriften  (auch  N) 
stehenden  kurzen  Epitome  aus  dem  I.  Buche  des  Livius  (Jahn,  S.  3 
Z.  1—23).  2) 

Die  Eigentümlichkeiten  dieser  Per.  1*  gegenüber  dem  erhaltenen 
Rest  von  1^  hat  schon  Wölfflin^)  zusammengestellt.  Ihr  Satzbau  be- 
schränkt sich  in  der  Hauptsache  auf  drei  Formen: 

1.  Verbalsubstantiva  (adventus  Aeneae,  Superbi  expulsio); 

2.  Participia  Perf.  Pass.   ohne   Copula  (Amulius  obtruncatuSy   Gahii 
direpti) ; 

3.  Verba  finita  im  Perf.  Act.,  und  zwar  nur  in  Hauptsätzen  {Numa 
Pomjnlius  ritus  sacrorum  tradidit,  Lucretia  se  occidit). 

Daraus,  sowohl  wie  aus  dem  Sprachgebrauch  schloss  dieser  Gelehrte, 
dass  1  ^ ,  welche  im  Gegensatz  zu  1  *  Periodologie  und  andere  Wendungen 
aufweist,  zu  Per.  2 ff.  gehört,  während  1*  vollkommen  unabhängig  ist. 
Dass  nun  Per,  1  *  sehr  stark  dem  neuen  Text  ähnelt,  ergiebt  schon  ein 
flüchtiger  Vergleich.  Der  Text  des  Papyrus  ist  allerdings  noch  nicht 
zu  solcher  Vereinfachung  vorgeschritten  wie  1*.  Von  den  drei  für  1' 
charakteristischen  Formen  des  Satzbaues  begegnet  1.  noch  nicht  auf  dem 

1)  Ähnlich  schon  Wölfflin,  Archiv  XI,  1900  S.  2. 

2)  Über  diesen  Auszug  vgl.  Zangemeister  a.  a.  0.  S.  90  f.  —  Die  im  Folgenden 
vermerkten  Beobachtungen  über  die  Verwandtschaft  von  1 »  mit  dem  neuen  Text 
waren  längst  niedergeschrieben,  auch  gegenüber  Fachgenossen  ausgesprochen,  als  die 
Bemerkungen  von  O.  Rossbach  in  dieser  Beziehung  in  der  Berl.  Phil,  Wochenschr. 
No.  31/2  (6.  August  1904)  Sp.  1022  erschienen.  Rossbach  ninmit  für  1»  und  den 
Papyrus  einen  und  denselben  Verfasser  an,  worin  ich  ihm  nicht  zu  folgen  vormag,  vgl. 
meine  Notiz  in  der  Berl.  Phil.  Wochenschr.  1904,  N<>.  37  Sp.  1182  f. 

3)  Cotnmentationes  in  hon.  Monims.  S.  338. 


Die  neue  Livius-Epitome,  79 

Papyrus,  und  was  unter  3.  oben  erwähnt  ist,  findet  sich  noch  nicht  so 
rein  wieder:  vielmehr  hat  der  Papyrus  noch  Periodologie,  wenn  auch  in 
sehr  beschränkter  Form.  Mit  anderen  Worten:  der  Papyrus  steht  im 
Satzbau  etwa  zwischen  1*  und  1^.  Und  die  gleiche  Beobachtung  lässt 
sich  bei  einem  Vergleich  der  Sprache  der  drei  Auszüge  machen.  1  ■  sagt 
zwar  in  Z.  7:  Fidenates  Vcientes  victi,  dagegen  dreimal  kurz  hinter- 
einander devincere;  Z.  13:  Latinos  devioit  (Per,  1  *»  an  der  ent- 
sprechenden Stelle,  Jahn  S.  4  Z.  1:  Latinis  victis  so  auch  das  Livius- 
Original  I  33.  5:  vincit)-,  Z.  15:  finitimos  devicit  (in  1**  nicht  erwähnt, 
bei  Eutrop.  I  6  steht:  vicit  idem  etiam  Sabitws);  Z.  16/7:  Veientes 
devicit  (fehlt  in  1*»  wiederum,  bei  Livius  I  42.  2 — 3  steht  ein  anderes 
Verbum);  über  dcvinco  im  Pap.  s.  oben  S.  76.  Für  „töten"  gebraucht 
1  ^  S.  4  Z.  13/4  occidere:  (Tarqiünius  Priscus)  occisus  est  ab  And  ßiis  etc., 
Z.  20/1  und  S.  6  Z.  4  aber  interßcere:  (Servius  TuUius)  interfectus  est  a 
Lucio  Tarquinio;  (Lucretia)  cultro  se  interfecit,  1»  dagegen  Z.  4/5  ob- 
truncare  im  übrigen  aber  nur  occidere,  und  zwar  gerade  an  den  Stellen, 
wo  1  ^  interficere  anwendet.  Z.  18:  occiso  Tullio,  Z.  22:  Lucretia  se  occidit; 
über  die  Vorliebe  des  Papyrus  und  des  Obsequens  für  occidere  s.  oben 
8.  76.*)  Dazu  kommt  dann  endlich  noch  der  Gebrauch  von  diripio  in 
1  *  an  Stellen,  wo  die  anderen  Quellen  Verba  des  Zerstörens  oder  Eroberns 
haben.  Z.  11:  Tullt^  Hostilius  Albanos  diripuit  (man  beachte  auch  das 
Ethnikon;  ähnlich  Eutrop.  I  4:  Albanos  vicit \  dagegen  Florus  II.  3.  8 
und  Pseudo -Victor,  de  vir.  Hl  4.  2:  Älbam  diruit:  aus  Liv.  I  22.  3), 
Z.  20/1 :  Gabii  direpti,^)  dagegen  1  ^  und  Pseudo- Victor,  de  vir.  Hl  8.  2 : 
(Tarquinius  Superbus)  Oabios  in  potestatem  suam  (suam  nur  in  der  Per.) 
redeffit;  Eutrop.  1 8.  1 :  Gabios  civitatem  ....  subegit;  dagegen  Liv.  1 55.  1 : 
Gabiis  receptis. 

Unter  diesen  Umständen  dürfte  es  sich  empfehlen  auch  einmal  das 
Verhältnis  von  1*  zu  dem  Livius-Original,  Per.  Pund  den  übrigen  Epito- 
matoren  genauer  zu  untersuchen. 

I.  Dass  sowohl  1  ■  wie  1  ^  nicht  auf  das  Livius-Original  direkt  zurück- 
gehen, sondern  ebenfalls  auf  die  verlorene  Epitome,  ist  schon  längst  ge- 
sehen worden.**)    Die  Hauptbeweise  sind  folgende: 

1.  Die  Sage  von  der  Gründung  Roms  (Liv.  I  4 — 7)  ist  in  1  *  Z.  5 
in  den  Worten:  urbs  a  Bomulo  condita  zusammengef asst ,  ebenso  bei 
Eutrop.  I  2.  1:  condita  civitate,  Orosius  11  4.  1:  urbs  Roma  .  .  .  a  Ro- 

1)  Vgl.  auch  Wölfflin,  Archiv  XI  S.  80. 

2)  Die  handschriftliche  ÜberlieferuDg  ist  allerdings  verderbt:  directuP  direetüii 
(der  Strich  über  u  von  2.  H.).  Es  könnte  hier  also  immerhin  auch  diruti  gestanden 
haben.  Eine  handschriftliche  Verwechslung  von  direptum  und  dirutum  haben  wir  auch 
bei  Florus  I  1,  1.  11,  vgl.  den  Apparat  z.  d.  SteUe  bei  Rossbach. 

3)  Am  ausführlichsten  darüber  neuerdings  F.  Drescher,  Beiträge  zur  Livius- 
Kpitome,  1900  S.  3—20. 


80  E.  Kornemann, 

mtdo  et  Remo  ...  condita  est.    Pseudo- Victor,  de  vir.  ill,  1.  4,  Cassio- 
dor:  o  quo  Roma  condita  est. 

2.  Liv.  I  8.  7  sagt  von  Roinulus:  centum  creat  senatores.  Per.  1* 
Z.  5  dagegen:  senatus  lectus  und  damit  übereinstimmend  Eutrop.  I  2.  1: 
centum  ex  senioribus  legit,  quorum  consilio  omnia  ageret,  Lac- 
tantius,  instit.  div.  11  6.  13:  legit  in  senatum  eos,  qui  aetate  anteibant  et 
paires  appell^ivit^  quorum  consilio  gereret  omnia,  Eusebius,  vers. 
Arm.j  Schoene  II  S.  82:  senes  nobiles  C  senatores  constituit,  Euseb.- 
Hieronym.  ebda.  S.  83,  darnach  Cassiodor:  hie primum  centum  eonstituit 
senatores.^) 

3.  Die  Erhebung  des  Romulus  unter  die  Götter  (1 16)  wird  in  1* 
(Z.  7  8)  angedeutet  mit  den  zwei  Worten:  Romulus  eonsecratus. 
Florus  1 1.  1.  17  hat  die  Worte  consecrationis  speciem,  Eutrop.  12.  2: 
ad  deos  transisse  ereditus  est  et  eonsecratus  (Ausg.  von  Rühl),  Augustin, 
de  civ.  dei  II  17:  Romani  in  hoc  erraverunt  ut  .  .  .  Romulum  consecra- 
rent,  Pseudo- Victor  2.  14:  ipse  (Romulus)  2^ro  deo  cultus  et  Quiritms 
est  appellatus;  dagegen  3.  1:  post  consecrationem  Romuli ^  Euseb.- 
Hieronym.,  Schoene  n  p.  83.  conseerare  bezw.  consecratio  kommen  im 
Liviusoriginal  nicht  vor.  Dagegen  gebraucht  Obsequens  08  dasselbe 
Verbum  gelegentlich  der  Apotheose  Caesars. 

4.  Liv.  I  19.  2:  Janum  .  .  .  indicem  pacis  bellique  fecit^  apertus  ut 
in  armis  esse  civitatem,  clausus  pacatos  circa  omnes  populos  significaret. 
Per.  1*  Z.  9/10  dagegen:  porta  Jani  clausa  und  entsprechend  Pseudo- 
Victor, de  vir.  ill.  3.  1:  portas  Jano  gemino  aedißcavit;  Florus  I  1.  2. 
3  aber:  Janumque  geminum  etc.  Von  2)orta  bezw.  portae  ist  also  im 
Original  nicht  die  Rede. 

5.  Die  Thronbesteigung  des  Tarquinius  Superbus  ist  bei  Liv.  I  49.  1 
mit  den  Worten  geschildert:  inde  L.  Tarquinius  regnare  occepit,  da- 
gegen in  den  beiden  Periochae  (1*  Z.  18  und  1**  S.  4  Z.  24)  steht  reg- 
num  invasity  in  1*  genauer:  occiso  Tullio  regnum  invasit  (reg- 
num  invadere  aucli  bei  Florus  I  2.  8.  2  von  Romulus,  gubernacula  invadere 
ebda.  I  1.  6.  1  von  Servius  Tullius),  Pseudo- Victor  8.  2:  occiso  Servio 
Tullio  (vgl.  1*)  regnum  sceleste  occupavit,  Orosius  114.  12:  Tarquinii 
Superbi  regnum  oeeisi  soceri  scelere  adsumptum,  Euseb.-Hieronym. 
1478,  Schoene  II  p.  99:  socero  Servio  occiso  arripuit  imperium. 

6.  Der  Krieg  gegen  die  Volscer  wird  bei  Liv.  I  53.  2  folgender- 
massen  erwähnt:  is  primus  Volscis  bellum  .  .  .  movit.  In  der  Per.  1* 
Z.  20  steht:  bellum  cum  Vulscis,  in  P  S.  4  Z.  25:  bellum  cum 
Vulscis  gessity  bei  Eutrop.  18.  1:  L.  Tarquinius  Superbus  .... 
Vulscos  (so  haben  auch  hier  die  Hss.  GC;  vgl.  Ausgabe  von  Droysen, 
ebenso  Euseb.-Hieronym.  a.  a.  0.,  Schoene  II  p.  99) vicit 


1)  Für  die  Königszeit  ist  Cassiodor  abhängig  von  Eusebius-Hierouymus,  auf  den 
er  sich  am  Ende  seiner  Chronik  auch  beruft,  vgl.  Mommsen,  Ahh,  der  sächs.  Ges.  d. 
Miss.  lU,  1861,  S.  550. 


Die  neue  lAvius-JEpitome.  81 

7.  Liv.  I  55.  4  erzählt,  dass  bei  dem  Bau  des  Juppitertempels  auf 
dem  Capitol  allein  das  fanum  des  Terminus  an  Ort  und  Stelle  ver- 
blieben sei.  Dagegen  !•  Z.  21/22  weiss  zu  berichten:  Termini  (Cre- 
mofuie  N)  et  luventae  aras  moveri  non  potuerunt  und  entsprechend 
schon  Florus  II.  7.  8 :  quod  (templum  Jovis)  cum  inauguraretur  cedentibus 
ceteris  diis  —  mira  res  dictu  —  restüere  luventas  et  Terminus. 
Der  Verfasser  der  gemeinsamen  Vorlage  hatte  also  Livius  aus  Livius 
verbessert:  V  54.  7  nämlich  lesen  wir:  hie  cum  augurato  liberaretur 
Capitolium,  luventas  Terminusque  maximo  gaudio  patrum  vestrorum 
moveri  se  non  passi.  Nur  von  Terminus  hat  offenbar  auch  Cato  ge- 
sprochen, vgl.  Festus  p.  162  M.,  fr.  24  bei  Peter,  HRF.  S.  47 f.,  dar- 
nach  Ovid  fast,  U  667 ff.,  Gellius  XH  6.  2,  Serv.  Aen.  IX  446,  Lact. 
Inst  1  20.  38 ,  dagegen  die  andere  Version  steht  auch  bei  Dionys.  Hai. 
11169  und  Plinius,  H,  N.  XXXV  108;  ausser  Terminus  und  luventas 
wird  noch  Mars  genannt  bei  Augustin ,  de  civ,  dei  IV  23.  3  (dagegen 
V  21  Ende).  Vgl.  Richter,  Topogr.^  S.  124,  Wissowa,  Rdigum  und  KuUus 
der  Römer  S.  125,  Wölfflin,  Archiv  XHI  S.  90. 

8.  Zu  Per.  1*  Z.  22/3:  SuperU  expulsio  vgl.  P  S.  6  Z.  4/5: 
Bruti  opera  maxime  expulsus  est,  Eutrop.  I  9.  2  afc  expulsis  regihus 
consules  L.  Junius  Brutus,  qui  maodme  egercU,  ut  Tarquinius  peller etur, 
auch  19.  5:  Tarquinius,  qui  fuerat  expulsus j  aber  11.  2  u.  3,  12.  1,  13: 
post  reges  exactos  (ebenso   Euseb.-Hieronym.   1505  u.   1507,   Schoene 

II  p.  101),  Pseudo- Victor  8.6:  pulsus  Cumas  eoncessit,  Orosius  11  4.  13: 
unius  regis  expulsio y  14:  expelliy  15:  igitur  regibu^  urbe  propulsis, 
Festus,  hrev.   2:    Tarquinius  Superbus  regno  expulsus  est,   Augustin 

III  15  Ende:  usque  ad  expulsionem  Tarquinii.  Im  Livius-Original 
I  59 — 60  ist  weder  pellere  oder  expellere  noch  überhaupt  ein  Compositum 
dieses  Verbums  angewendet  (159.  1:  exacturum,  60.  2:  exactique 
indc  liberi  regis,  n  1.  3:  Sujwrbo  exacto  rege,  erst  11  2.  3:  pulso  Su- 
perbo)',  vgl.  dazu  Censorin.,  d,  d,  n,  17.  12:  ad  reges  exactos,  Eusebius, 
Chron.,  Schoene  I  p.  295;  ab  exactis  regibus,  Hieronym.-Ettsebius  1507, 
Schoene  II  p.  101;  post  exactos  reges  (s.  o.  Eutrop.). 

n.  Diesen  Stellen,  die  die  Abhängigkeit  der  Per.  1»  und  1**  von 
derselben  Mittelquelle,  der  Livius-Epitome ,  dokumentieren,  stehen  auch 
hier  andere  gegenüber,  welche  so  starke  Abweichungen  zeigen,  dass  1» 
weiter  von  1**  abrückt  und  näher  zu  anderen  Epitomatoren  sich  stellen  lässt. 

1.  Wie  schon  Wölfflin  betont  hat,*)  ist  V"  viel  umfangreicher.  „Die 
vollständige  (1*)  füllt  22,  die  unvollständige  von  Ancus  Martins  an  er- 
haltene (1*»)  nach  Ausscheidung  der  Interpolation  über  Attus  Navius  35, 
Per.  2  gegen  60  Zeilen  nach  Jahns  Text."  Trotzdem  bietet  aber  !•  eine 
ganze  Anzahl  Fakta,  die  P  übergeht.  1»  ist  also  im  Verhältnis  viel 
stoffreicher,  während  1**  bei  den  einzelnen  Ereignissen,  die  sie  heraushebt, 

1)  Comm.  in  hon.  Momms.  S.  338. 
Kornomann,  Die  noao  Liyias-Epitome.  6 


82  E.  Kornemanny 

mehr  Worte  macht.*)    Es  ist  etwa  dasselbe  Verhältnis,  welches  zwischen 
den  späteren  Pcriochae  und  unserem  Papyrus  obwaltet. 

2.  Liv.  I  31.  8  berichtet:  tradunt  ....  (Tullum  Hostilium)  fulmine 
ictum  cum  domo  conflagrasse  und  fast  wörtlich  ebenso  Val.  Max. 
IX  12.  1,  Pseudo- Victor  4.  4,  Eusebius-Hieronym.  1339,  Schoene  11  p.  87, 
vgl.  vcrs.  Arm.  p.  88.  Eutrop.  (14)  dagegen  hat  statt  conflagravit 
arsit.^)  Per.  1*  Z.  12  aber  sagt:  Tullus  fulmine  consumptus  und  ähn- 
lich Augustin,  de  civ  d.  UI  Ib  qui  (Tullus)  et  ipse  fulmine  absumptus 
est  (unter  Berufung  auf  Cicero)  und  gleich  darauf:  cum  tota  domo  sua 
fulmine  concrematus  est 

3.  Die  Gründung  der  Kolonie  Ostia  durch  Ancus  Marcius  berichtet  !• 
(Z.  13)  mit  den  Worten:  Ostiam  condidit,  V"  (S.  4  Z.  2)  dagegen: 
Hostiam  coloniam  deduxit.  Bei  Livius  133.  9  steht:  in  ore  Tiberis 
Ostia  urhs  condita.  Zu  1'  gesellen  sich  Eutrop.  (15):  apud  <ßstium 
Tiberisy  Hostiam  civitatem  supra  ynare  sexto  decimo  miliario  ab  urbe  Bomea 
condidit  und  darnach  Eusebius  Hieronym.  1397,  Schoene  II  p.  91  sowie 
Cassiodor:  qui  (Ancus  Marcius)  sexto  decimo  miliario  ab  urbe  Roma  Ostiam 
condidit,  zu  1^  dagegen  Pseudo- Victor  5.  3:  Ostiam  coloniam  maritimis 
commeatibus  oppartunam  in  ostio  Tiberis  deduxit  Florus  (II.  4.  2) 
allein  sagt:  Ostiamque  in  ipso  maris  fluminisque  confinio  coloniam 
posuit, 

4.  In  1'  Z.  14  heisst  es  von  Tarquinius  Priscus:  Latinos  supera- 
Vit,  an  der  entsprechenden  Stelle  in  1**  (S.  4  Z.  12):  Latinos  subegit, 
bei  Pseudo- Victor  6.  8:  Latinos  hello  domuit.  Es  handelt  sich  um 
den  Auszug  aus  Livius  1  33.  7:  bellum  primum  cum  Latinis  gessit  et 
op2)idum  ibi  Ajriolas  vi  cepit. 

5.  1»  Z.  14  fährt  dann  fort:  circum  fecit,  ebenso  Pseudo-Victor 
6.  8:  circum  maximum  aedificavit  unter  Hinzufügung  von  ludos 
magnos  instituit,  mit  ihm  stimmt  fast  wörtlich  Eutrop.  (16):  cir- 
cum Romae  aedificavit,  ludos  Romanos  instituit,  genau  so 
Euseb.-Hieronym.  1419,  Schoene  II  p.  93.  Im  Gegensatz  hierzu  sagt  1** 
nur:  ludos  in  circo  edidit;  vgl.  Livius  I  35.  8:  tum  primum  circo, 
qui  nunc  maximus  dicitur,  designatus  locus  est.  loca  divisa  p^atribus  equiti- 
busque,  uhi  spectacula  sibi  quisque  facerent;  fori  appeUati  ....  §  9:  sol- 
lemnes  dcinde  annui  mansere  ludi,  Romani  magnique  varie  appellati. 

6.  1*  vermerkt  die  Verdienste  des  Tarquinius  Priscus  um  die  Um- 
mauerung  und  Kanalisierung  Roms  mit  den  Worten  (Z.  15):  muros  et 
cloacas  feeit  und  wiederum  stimmt  Eutrop.  (16)   mit  ihr  überein: 


1)  Wölfflin  a.  a.  O.  S.  338—839:  ,Die  Hälfte  der  Angaben  von  1*  fehh  in  Ib, 
80  von  Tarquinius  Priscus :  circum  fecity  finitimos  devicit,  von  Servius  TuUius:  Veientea 
devicit,  von  Tarquinius  Superbus:  TuUiae  scelus  in  imtrem.  Turnus  Herdonius  per 
Tarquiniutn  occisus.  Capitolium  inchoatum.  Termini  et  luventae  arae  moveri  non  jHh 
tuerunt.  regnatum  est  CCLV." 

2)  Über  arsit  vgl.  Wölfflin,  Archiv  XI  S.  6. 


Die  neue  lAvius-Epitome.  83 

muros  fecit  et  cloacas,  Euseb.-Hieronym.  1419,  Schoene  n  p.  93. 
1^  (S.  4  Z.  13)  aber  ist  ein  wenig  breiter  und  kommt  dem  Original 
näher:  urbetn  muro  circumdedity  cloacas  fecit.  Bei  Liv.  138.  6 
steht  nämlich:  muro  lapideo  .  .  .  urbem  .  .  .  cingerc  parat  et  infima 
urbis  loca  ...  cloacis  fastigio  in  Tiberim  du  et  i  8  siceat 

7.  1'  Z.  17  hat:  (Servius  Tullius)  aedem  Dianae  dedicavit;  1^ 
S.  4  Z.  20  dagegen:  templum  Dianae  cum  Latinis  in  Aventino  fecit. 
Pseudo -Victor  7.  8 — 9:  Latinorum  populis  persuasit  uti  ....  aedem 
Dianae  in  Aventino  aedificarent.  Liv.  I  45.  2:  saepe  iterando 
eadem  perpulit  tandem,  ut  Romae  fanum  Dianae  populi  Laiini  cum  po- 
pulo  Romano  facerent.  P  und  Pseudo- Victor  stehen  dem  Original  näher 
wie  1*,  ohne  sich  mit  ihm  vollkommen  zu  decken,  vor  aUem  beachte  man 
in  Aventino  gegenüber  Roniae  bei  Liv.     Zu  der  Fassung  in  1*  vgl.  Festus 

p.  343  M qtwd  eo  die  Ser.  Tullius  .  .  .  aedem  Dianae  dedieaverit 

in  Aventino. 

8.  1*  erzählt  Z.  18/9  zunächst  von  der  Thronbesteigung  des  Tar- 
quinius  Superbus  und  fügt  daran  die  Worte:  Tulliae  scclus  in  patrem, 
1^  (Z.  20 — 24)  hat  die  umgekehrte  Reihenfolge,  die  derjenigen  des  Ori- 
ginals entspricht  (vgl.  Liv.  I  48.  7  und  I  49.  1).  Florus  (11.7.  2—3) 
stimmt  mit  1',  Pseudo- Victor  (7.  18  und  8.  1)  mit  P  überein.  Es  ist 
offenbar  eine  Eigentümlichkeit  von  1'  oder  der  Vorlage,  das  Hauptereig- 
nis vorwegzunehmen  und  dann  speziellere  Vorkommnisse,  die  zu  dem  be- 
treffenden Ereignis  in  Beziehung  stehen,  folgen  zu  lassen,  vgl.  Z.  11 — 12: 
Tullus  Hostilius  Älbanos  diripuit.  trigeminorum  pugna.  Metti  Fufeti  sup- 
plicium: dazu  Liv.  I  24 — 26  (Kampf  der  trigemint),  I  28  (Mettius  Fufetius' 
Tod) ,  I  29  (Zerstörung  von  Alba ,  doch  vgl.  auch  I  22.  3).  Es  ist  das 
dieselbe  Technik,  wie  sie  auch  auf  dem  Papyrus  uns  entgegentritt,  vgl. 
Z.  13 — 17:  zunächst  Notiz  über  die  Besiegung  der  Gallier  und  die  Be- 
freiung von  Phrygien,  dann  die  Anekdote  von  der  Chiomara,  oder  Z.  llOff. : 
Erhebung  des  Nicomedes  zum  König  von  Bithynien,  dann  der  Ausspruch 
des  Cato  über  die  Gesandtschaft  nach  Bithynien,  vgl.  auch  Z.  145—147 
und  Z.  185 — 188.  Also  nur  in  solchen  Fällen  sehen  wir  1'  ebenso  wie 
den  Papyrus  von  der  Folge  der  Ereignisse  im  Originale  abweichen.  Im 
übrigen  sind  Umstellungen  der  livianischen  Nachrichten  in  P  viel 
häufiger.  1*  Z.  20  u.  21  spricht  zuerst  von  Gabii,  darnach  vom  Capi- 
tolium,  1**  (S.  4  Z.  26)  hat  die  umgekehrte  Reihenfolge.  Diejenige  von 
1'  ist  aber  diesmal  die  des  Originals:  Liv.  I  54  (Eroberung  von  Gabii), 
I  55 — 56  (Bau  des  capitolinischen  Tempels),  und  mit  1*  stimmt  auch  in 
dieser  Beziehung  Eutrop.  I  8.  1  überein ;  über  die  Abweichung  im  Inhalt 
s.  u.  S.  85.  Ausserdem  steht  in  1**  an  falscher  Stelle  die  Bemerkung 
über  Ancus  Marcius  S.  4  Z.  2 — 3:  caerimonias  a  Numa  institutas  reno- 
vavit  aus  Liv.  I  32  (das  in  1^  Vorhergehende  dagegen  aus  I  33).  Die  Ge- 
schieh t«  von  Aftus  Navius  Z.  4 — 7  (Liv.  I  36.  3  ff.)  gehört  hinter  ampli" 
avit  Z.  13.     Der  Satz  successit  ei  —   traditum  erat:    Z.  15 — 17    ist  zu- 

6* 


84  E.  Komefnann, 

sammengestellt  aus  Liv.  141,  39.  5  und  39.  1.  Die  Worte  Z.  18/9: 
pomerium  protulü,  colles  urbi  adiccit^)  etc.  erweisen  sich  als  eine  Um- 
stellung gegenüber  Liv.  I  44.  3.  Z.  23—24  steht:  neque  patrum  neque 
populi  iussuy  im  Original  I  49.  3  heisst  es  umgekehrt:  neque  poptdi  iussu 
neque  auctoribus  patribus. 

9.  Über  die  Eroberung  von  Gabii  durch  Tarquinius  Superbus  lesen 
wir  in  1*  (Z.  20 — 21):  fraude  Sexti  Tarquinn  Gabii  direpti,^)  in  1** 
(S.  4  Z.  2G/27):  Gabios  dolo  in  potestate<^my  sua<(my  redegit. 
Pseudo- Victor  8.  1:  Gabios  per  Sextum  filium  simulato  transfugio  in 
potestatem  redegit.  Florus  I  1.  7.  5:  sie  valida  oppida  Lotio  capta 
suntj  Ardea  Ocricolum  Gabi  Suessa  Pometia.  Orosius  114.  12:  oppida 
valida  in  Latio  per  cum  capta  Ardeam  Ocricolum  Suessam  Pometiamque 
et  quidquid  in  Gabios  vel  fraude  propria  vel  poena  fdii  vel  Romanis 
viribus  j)erpetravit.  Eutrop.  I  8.  1 :  Gabios  civitatem  et  Suessam  Pömetiam 
subegit,  vgl.  Livius  153.  4 — 54  Ende:  Gabios  ...  fraude  ac  dolo 
adgressus  est  etc.  Die  Eroberung  von  Suessa  Pometia  geht  im  Original 
voraus ,  weil  sie  in  den  Volskerkrieg  gehört ,  vgl.  I  53.  2 ,  im  übrigen 
Drescher  a.  a.  0.  S.  19. 

Im  allgemeinen  kann  man  also  sagen,  dass  Per.  1»  dem  Eutrop.  und 
Hieronymus-Cassiodor  näher  steht  als  der  Per.  P  (auch  stellenweise  dem 
Pseudo- Victor) ,  wie  die  unter  16,  113,  5,  6,  8  behandelten  Fälle  be- 
weisen, woraus  ich  auch  hier  schliesse,  dass  die  drei  zuerst  genannten 
nur  indirekt  von  der  Epitome  abhängig  sind.  P  hat,  wie  die  Periochae 
überhaupt,  den  Livius  öfter  stilistisch  in  eine  andere  Form  gebracht. 
Abgesehen  von  dem  früher  Gesagten  ist  da  noch  von  Interesse  S.  4 
Z.  16:  puero  adhuc  in  cunis  posito,  während  Livius  an  der  betreffenden 
Stelle  (I  39.  1)  nur  ptiero  dormienti  sagt.  Gegenüber  den  Interessen  von 
1**  in  formaler  Richtung  liegen  diejenigen  von  1'  durchaus  auf  der  stoff- 
lichen Seite,  was  wiederum  zu  unserem  Papyrus  passt.  Endlich  ist  die 
strengere  chronologische  Anordnung  schon  hervorgehoben,^)  wodurch  wir 
auch  hier  auf  ein  Chronikon  hingewiesen  werden. 

III.  Aber  die  Übereinstimmung  zwischen  1»  und  den  ihm  am  nächsten 
stehenden  Epitomatoren  (Eutrop.,  Hieronymus-Cassiodor)  ist  auch  keine 
vollständige,  wie  schon  aus  den  oben  unter  I  2  (S.  80),  II  2  (S.  82)  und 
II  9  besprochenen  Fällen  hervorgeht.  1*  zeigt  weiter  Singularitäten,  z.  T. 
eigentümlichster  Art. 

1.  Z.  17  steht  bezüglich  des  servianischen  Census  nur  die  Notiz: 
poptUum  in  classes  divisit  (ähnlich  Pseudo- Victor  7,  7 — 8).  Dagegen  haben 
alle  übrigen  eine  allgemeine  Bemerkung  über  diesen  Census:  P  (Z.  17): 

1)  Die  Worte  colles . . .  fecit  bIdcI  aUerdings  in  P  von  zweiter  Hand  am  Rande  zu- 
gefügt, vgl.  Rossbach,  mein.  Mus.  44  S.  75. 

2)  Die  genaue  Lesung  der  Hss.  s.  oben  S.  79  Anm.  2. 

3)  Eine  Abweichung  in  dieser  Hinsicht  ist  oben  S.  83  aus  der  Technik  der  Dar- 
stellung erklärt  worden. 


Die  neue  lAvius-Epitome.  85 

is  censumprimum  egity  Eutrop.  I  7:  primus  omnium  censum  ordinavit, 
Hieronyin.-Euseb.  1432,  Schoene  II  p.  95,  darnach  Cassiodor  Chr.:  gut 
primus  censum  instituit  civium  Romanorum.  Das  Livius- Original 
(I  42.  5)  hat  nur  die  Worte:  censum  enim  instituit  Über  diesen  Fall 
vgl.  G.  Ay,  De  Livii  epitoma  deperdita  S.  65  No.  4  und  F.  Drescher 
a.  a.  0.  S.  17  No.  29.  Das  Auffällige  ist  hier,  dass  Eutrop.  und  Hieronym.- 
Cassiodor  auf  der  anderen  Seite  stehen  und  dass  die  beiden  letzteren 
allein  das  Verbum  des  Originals  (instituit)  bieten.  Wenn  man  hiermit 
das  oben  S.  82  unter  II  3  Zusammengestellte  vergleicht,  so  könnte  man 
auf  die  Vermutung  kommen,  dass  die  Vorlage  von  !•  Eutrop.  und 
Hieronymus-Cassiodor  neben  der  Epitome  das  Original  selbst  vor  sich 
gehabt  habe.  Doch  genügen  diese  Anzeichen  für  eine  solche  Behauptung 
noch  nicht. 

2.  In  1*  Z.  21  steht  in  dem  Bericht  über  die  Regierung  des  Tar- 
quinius  Superbus:  CapitoUum  inehoatum  (einigermassen  ähnlich  wieder- 
um nur  bei  Pseudo- Victor  8.  4:  cum  CapitoUum  inciperet),  an  derselben 
Stelle  von  1^  aber  (S.  4  Z.  25/6):  ex  spoliis  eorum  (Vulscorum)  temp- 
lum  in  Capitolio  Jovi  fecit,  ebenso  Florus  I  1.  7.  7:  de  manubiis  cap- 
tarum  urbium  templum  erexit^  Eutrop.  I  8.  1:  templum  Jovi  in 
Capitolio  aedificavit,  Augustin,  de  civ.  d.  UI  15:  CapitoUum  fahri- 
cantem  ...  neque  enim  adJiuc  innocens  CapitoUum  struxit.  Dazu 
vgl.  man  das  Original  I  55.  1:  inde  ad  negotia  urbana  animum  convertit; 
quorum  erat  primum^  ut  Jovis  templum  in  monte  Tarpeio  monumefitum 
regni  sui  nominisque  relinqueret:  Tarquinios  reges  ambos,  patrem  vovisse 
(dazu  38.  7),  fiUum  perfecisse^  vgl.  56.  1:  intentus  perficiendo 
templo.  Die  Herkunft  aller  dieser  Berichte  aus  einer  vom  Original  ab- 
weichenden Quelle  ergiebt  sich  aus  der  Ersetzung  des  mens  Tarpeius 
durch  CajntoUum.  Eine  Sonderstellung  aber  nimmt  1»  ein  gegenüber  allen 
Epitomatoren,  am  meisten  gerade  Eutrop.  gegenüber,  der  in  voller  Über- 
einstimmung mit  Liv.  I  38.  7  von  Tarquinius  Priscus  sagt:  CapitoUum 
inchoavit,  wohl  also  in  formaler,  nicht  aber  in  sachlicher  Beziehung 
mit  1*  zusammenzustellen  ist 

3.  1»  schliesst  mit  den  Worten:  regnatum  est  annis  CCLV,  Diese 
Zahl  steht  ganz  einzig  da  in  der  Überlieferung.  Bekanntlich  hat  Liv. 
(I  60.  3)  an  Stelle  der  älteren  Ansetzung  der  Königszeit  auf  240  Jahre 0 
die  Zahl  244:  regnatum  Romae  ab  condita  urbe  ad  liberatam  annos  du- 
centos  qundraginta  quattuor.  Statt  244  erscheint  aber  bei  den 
Epitomatoren  die  Zahl  243,  nämlich  bei  Eutrop.  I  8.  3,  Festus,  brev,  2 
(zweimal)  und  3  Anfang,  Orosius  114.  13,  Augustin,  de  civ,  dei  III 15 
Ende,  Lydus,  de  mag.  I  29,  während  bei  Hieronymus-Eusebius  1505, 
Schoene  II  S.  101  die  beiden  Ansätze  240  und  243  nebeneinandergestellt 


1)  Vgl.  zum  folgenden  Mommsen,  Eöm.  Chron.^  S.  l^ff.  und  Mommsen,  Solinus^ 

p.  xn. 


86  E,  Kornemann, 

sind  (ann.  CCXL  sive  ut  quibusdam  x)lacct  CCXLIII).  Mommsen  hat 
diese  Abweichung  der  genannten  Epitomatoren  vom  Livius-Original  als 
eine  „zufällige  oder  absichtliche  Vernachlässigung  des  Interregnenjahres'*  ^) 
erklärt.  Er  hat  übersehen ,  dass  sowohl  Eutrop.  (I  2.  3)  wie  Festus 
(brev.  2)  dieses  Jahr  ausdrücklich  erwähnen.  Die  Divergenz  entsteht 
vielmehr  dadurch,  dass  Eutrop.^)  und  ganz  entsprechend  auch  Festus^) 
dem  Tarquinius  Superbus  ein  Jahr  weniger ,  statt  25  (so  Liv.  I  60.  3) 
nur  24  Jahre,  geben.  Mit  dem  Original  aber  stimmt  die  Per.  1^ 
S.  6  Z.  5  (auch  Dio-Zonaras  VII 12.  1)  überein,  die  ebenfalls  25  Ee- 
gierungsjahre  für  Superbus  hat,  sodass  als  die  hier  fehlende  Gesamt- 
summe ebenfalls  244  angenommen  werden  muss,  wie  auch  Censorinus, 
de  die  nat.  17.  12  angiebt.  Daraus  geht  hervor,  wie  schon  Reinhold 
(S.  9)  betont  hat,  dass  die  verlorene  Epitome  des  Livius  die  Abänderung 
noch  nicht  vorgenommen  hat,  sondern  erst  die  dann  folgende  Mittelquelle, 
d.  h.  das  Chronikon.  Um  so  auffälliger  ist  die  Angabe  der  Per.  1* 
(255  Jahre),  von  der  wir  ausgingen,  für  die  auch  Cassiodor  nicht  zum 
Vergleich  herangezogen  werden  kann,  da  derselbe  auch  hier  wiederum 
aufs  engste  an  Eusebius-Hieronymus  sich  anschliesst,  d.  h.  für  die  beiden 
letzten  Regierungen  34  u.  35  (statt  44  u.  25)*)  und  als  Gesamtzahl 
240  Jahre  giebt.^)  Die  Zahl  in  1'  muss  also  entweder  verderbt  sein 
—  erwarten  müssen  wir  nach  allem  Gesagten  CCXLIII  —  oder  es  liegt 
eine  weitere  und  zwar  sehr  starke  Abweichung  von  den  am  nächsten 
stehenden  Chroniken  vor,  für  die  ich  keine  Erklärung  weiss.  Da  wir 
den  Auszug  nicht  frei  von  Singularitäten  sahen,  ist  keine  volle  Sicher- 
heit zu  erzielen. 

Das  Resultat  dieses  Kapitels  ist  somit  folgendes :  Der  neue  Text  hat 
einen  sehr  nahen  Verwandten  in  der  sogenannten  Per.  1*.  Er  berührt 
sich  ausserdem  mit  Obsequens,  Eusebius-Hieronymus  und  Cassiodor,  weiter 
mit  Eutrop.  und  Festus,  dagegen  steht  er,  wie  alle  diese  Schrift- 
steller (eingeschlossen  Per.  1*),  etwas  ferner  den  Periochae,  stellenweise 
auch  dem  Orosius  und  Pseudo- Victor ,  de  vir.  ill.  Ich  bin  mit  Reinhold 
der  Ansicht,  dass  diese  Gruppierung  der  Epitomatoren  sich  nur  aus  der 
Thatsache  erklären  lässt,  dass  ein  Chronikon  aus  der  Liviusepitome  des 
1.  Jahrh.  gefertigt  worden  ist,  welches  ebenso  wie  die  Epitome  selbst 
sich  nicht  ganz  sklavisch  an  seine  Vorlage  gehalten,  sondern  ein  anti- 
quarisch-chronologisches Handbuch  als  Nebenquelle  zu  Rate  gezogen  und 
mit  Livius  kontaminiert  hat.^)  Während  die  Epitome  gleichmässig  stilistisch 

1)  Rom.  Chron.*  S.  144  Aom.  270. 

2)  Vgl.  W.  Pirogoff,  De  Eutropii  hreviarii  ab  u.  c.  indole  ac  fontihus  I  S.  12  ff. 

3)  So  richtig  G.  Ay,  De  Livii  epüoma  deperdita  1894,  S.  49 ff.,  Reinhold 
a.  a.  0.  S.  9. 

4)  Mommsen,  Rom.  Chrono  S.  189  Anm.  257. 

5)  Mommsen,  Abh.  der  Sachs.  Ges.  der  IViss.  111,  1861,  S.  550. 

6)  Vgl.  die  guten   Bemerkungen    über  die  Arbeitsweise  in    den   Breviarien   des 


Die  turne  Livius-Epitome.  87 

und  inhaltlich  ab  und  zu  Änderungen  vorgenommen  hat,  waltet  bei  dem 
Verfasser  des  Chronikons  unstreitig  das  stoffliche  und  chronologische  Inter- 
esse vor.  Der  neue  Fund  giebt  uns  erst  die  Möglichkeit  eine  klarere  Vor- 
stellung von  diesem  Chronikon  zu  gewinnen,  das  wir  mit  Rücksicht  auf 
die  getroffene  Stoffauswahl  (Prodigien,  Spiele,  stupra,  Anekdoten  aller  Art 
neben  den  grossen  Ereignissen  der  Geschichte)  frühestens  etwa  dem 
zweiten  nachchristlichen  Jahrhundert  zuschreiben  dürfen.  Auf  ihm  be- 
ruhen direkt  oder  indirekt  —  im  einzelnen  bleibt  noch  vieles  unklar: 
wir  gewinnen  nur  das  Grundschema  —  die  Breviarien  und  Chronika  der 
spätesten  Zeit/)  wie  das  Stemma  auf  S.  88  zeigt. 

V. 

Die  Geschichte  der  Jahre  604|150— 617|137  auf 
Grund  des  neuen  Fundes. 

1.   Die  ftnssere  Geschichte. 

Die  in  dem  Papyrus  vermerkten  Ereignisse  der  äusseren  Geschichte 
Roms  beziehen  sich  auf: 

a)  den  dritten  punischen  Krieg  von  605/149— 608/14G. 

b)  die  Kriege   auf  der  Balkanhalbinsel   zwischen   605/149 
und  613/141. 

c)  die  Vorgänge  in  den  hellenistischen  Reichen  des  Ostens  in 
dem  Zeitraum  von  605/149  bis  616/138. 

d)  die  Ereignisse  in  den  spanischen  Kriegen  der   Römer  von 
604/150  bis  617/137. 

a)  Der  dritte  punische  Krieg. 
Die  Ereignisse  des  Ersten  Kriegsjahres  (605/149):  Beginn  des  Krieges, 
Übertritt  der  Uticenser  auf  die  Seite  der  Römer,  Ultimatum  an  die  Car- 
thager,  ihre  Stadt  zehn  Meilen  vom  Meer  zu  verlegen,  die  Ablehnung 
dieses  Ansinnens,  die  ersten  Kämpfe  um  Carthago,  wobei  der  Kriegs- 
tribun Scipio  Aemilianus  sich  mehrfach  auszeichnete,  haben  sich  schon 
aus  der  seitherigen  Überlieferung  ergeben.  Dagegen  gehört  der  Tod  des 
greisen  Masinissa,  den  die  Modernen  im  Anschluss  an  Appian*)  zum  Teil 
noch  ins  Jahr  605/149  setzten,-*)  nach  dem  Papyrus  in  den  Anfang  von 

4.  Jahrh.  bei  II.  Peter,  l>ie  gesch.  Litt,  über  die  röm.  Kaiserzeit  II  S.  341  fF.  und  bes. 
bei  Wölfflin,  Archiv  XII  S    833-344,  352f.,  XIII  S.  69-97  u.  173-180. 

1)  Rossbachs  Ansicht  {Der  prodigiorum  liber  des  Julius  Obsequens,  Rhein,  Mus, 
N.  F.  52,  1897,  S.  2—7),  dass  Obsequens  etwa  in  die  Zeit  Hadrians  oder  der  ersten 
Antonine  gehöre,  vermag  ich  nicht  zuzustimoien.  Dafür  fehlt  jeglicher  Beweis.  Dass 
der  Mann  ein  Heide  war,  ist  auch  mir  das  Wahrscheinlichste. 

2)  Vgl.  Schwartz  bei  Pauly-Wissowa,  E.  E.  II  S.  220. 

3)  Fischer,  Zeittafeln  S  125,  Mommsen,  Rom.  Gesch.  11*  S.  31,  Niese,  Grundriss* 

5.  100;  unbestimmt  Ihne,  Röm.  Gesch.  III  S.  296.    Das  Richtige  hat  bereits  F.  Münzer 


88 


E.  Kornemann, 


12: 

o 


g 


Die  neue  Ldvius-Epitome. 


89 


606/148.  Auch  in  diesem  Jahre  steht  Scipio  (Teilung  des  numidischen 
Reiches  durch  ihn  und  seine  Wahl  zum  Konsul)  im  Vordergrund  des 
Interesses.  Der  Papyrus  beweist  so  aufs  Neue,  dass  Ldvius,  offenbar  hier 
dem  Polybios  folgend,  die  Darstellung  des  Bjtieges  durchaus  im  Sinne 
Scipios  gegeben  hat,  allerdings  unter  gleichzeitiger  Ausbeutung  der 
römisch-annalistischen  Tradition,  wie  sich  uns  oben  (S.  52  f.)  in  der  Unter- 
suchung über  Masinissas  Alter  und  die  Zahl  seiner  Kinder  gezeigt  hatte. 
Der  Verlauf  der  Ereignisse  im  Kriegsjahre  606/148  ist  aus  unseren 
stark  verkürzten  Quellen  nicht  ganz  klar  ersichtlich.  Die  livianische 
Tradition  wird  aus  folgender  Nebeneinanderstellung  am  schnellsten 
kenntlich : 

Papyrus.  Per,  Oros.  Eutrop. 


1.  Tod  des  Masinissa  1.  ebenso, 
und     Teilung     des 
Reiches  durch  Scipio. 

2.  Tod  eines  der  anMas. 
geschickten  röm.  Ge- 
sandten. 


1.  ebenso 


Übergang  des  Pha- 
meas  zu  denßömem. 


3.  Tod  des  Hasdrubal.  3. 


Eroberung 
von  Tezaga 
durch  Mani- 
lius     (Man- 
lius  codd.) 


1.  ebenso. 


2.  — 


4.  Wahl  des  Scipio 
zum  Konsul  für 
607/147. 

5.  Glücklicher  Kampf  5.  =  4. 
der  Römer  in  Afrika. 

6. 


Tod  des  Gesandten 

M.    Claudius    Mar- 

cellus. 

=  3  des  Papyrus. 


3.  — 


4. 


=  3  des 
Papyrus. 


5.  — 


6.  s.  0.  No.  2. 


3.  — 


4.  — 


5.  Konsul- 
wahl. 

6.  — 


Eroberung    einiger 

Städte  um  Garthago 

durch  M.  Aemilius 

(so  die  Hss. ;  dagegen 

Sigonius:  M'.  Mani- 

lius). 
Der  Papyrus  und  die  Per.  stehen  sich  hier  am  nächsten :  der  einzige 
Unterschied  ist,  dass  die  letztere  ein  Ereignis  mehr  bietet  und  auch  bei 
den  übrigen  etwas  eingehender  berichtet.  Aus  der  Per.  sowohl  wie  aus 
Orosius  ersehen  wir  aber,  dass  es  der  Konsul  vom  vorigen  Jahre 
M.'  Manilius  war,  dem  in  der  livianischen  Tradition  für  den  Anfang  des 
Jahres  606/148  (vgl.  dazu  auch  Val.  Max.  V2  Ext.  4,  besonders  die 
Worte:  gut  pro  consule  Africam  obtinehat)  noch  einige  Erfolge  gegen- 


gesehen  bei  Pauly- Wissowa ,  B.  E.  IV  Sp.  1445  unter  Berufung  auf  Val.  Max.  V  2 
Ext.  4,  wo  BianiliuB  bereits  als  Prokonsul  bezeichnet  wird. 


90  E.  Kornemanfiy 

über  den  Karthagern  beigelegt  werden.  Eine  andere  Überlieferung  hat 
Appian  {lAb,  105 — 113),  aus  der  wir  das  Wichtigste  herausheben  (Über- 
einstimmungen mit  Livius  in  Sperrdruck): 

1 .  Gesandtschaft  des  römischen  Senates  an  Masinissa  (s.  o.  unter  No.  2 
bezw.  3):  105. 

2.  Tod  des  Masinissa  und  Teilung  seines  Reiches:  105 
bis  106. 

3.  Unterredung  des  Scipio  mit  Phameas:  107. 

4.  Zweiter  Zug  des  Manilius  gegen  Nepheris,  dabei  Übergang  des 
Phameas  zu  den  Römern:  108. 

5.  Rückzug  des  Manilius  und  Beutezug  des  Scipio  nach  Magnum 
Barathrum:  109. 

(}.  Kunde  von  der  Ankunft  des  Nachfolgers  Calpumius  Piso;  darauf- 
hin Voraussendung  des  Scipio  und  Phameas  nach  Rom:  109. 

7.  Im  Frühjahr  Ankunft  des  Konsuls  Calpurnius  Piso  nebst  dem 
Praetor  L.  Mancinus:  110. 

8.  Angriff  des  Piso  auf  die  Küstenstädte,  erfolgreich  nur  gegenüber 
einer  Stadt,  dagegen  ohne  Erfolg  gegenüber  Clupea  und  Hippo 
Diarrhytos:  110. 

9.  Tod  des  Hasdrubal:  111. 

10.  Wahl  des  Scipio  zum  Konsul:  112. 

11.  Belagerung  der  carthagischen  Binnenstädte  durch  Piso:  113. 
Hier  ist  einmal  von  Erfolgen  des  Manilius  gar  keine  Rede:    alles 

was  unter  seinem  Oberkommando  erreicht  wurde,  wird  dem  Scipio  zu 
Gute  geschrieben.  Andererseits  datiert  Appians  Quelle  die  Thätigkeit  des 
Manilius  schon  in  den  Vorfrühling  606/148  vor  den  Tod  Hasdrubals 
(s.  0.  Orosius).  An  der  Stelle  dagegen,  wo  der  Pap.  und  die  Per.  von 
Erfolgen  der  Römer  in  Afrika  sprechen  (nach  der  Konsulwahl  für 
607/147)  ist  bei  Appian  Calpumius  Piso  der  Höchstkommandierende  und 
gerade  von  ihm  wird  die  Eroberung  einiger  feindlicher  Städte  berichtet: 
man  vgl.  mit  dem  Bericht  des  Appian  in  c.  110  auch  Diodor  XXXTT  18: 
oji  6  xdiv  *Pwfiaia)V  vnarog  Kalnoigviog  dt^^  ofioloylag  tiv dg  twv 
TtoXtoiv  tllfjcpwg  xaTiaxaxfJiv  ovSiv  rijg  nictitag  (fQOVtiaag.  Hier  wird 
man  doch  direkt  an  die  aliquot  urbes  der  Per.  erinnert.  Wenn  also  in 
der  Per.  die  Konjektur  des  Sigonius  richtig  ist,  so  hat  Livius  oder  viel- 
leicht erst  die  Epitome  (bei  der  Zusammenziehung)  die  Erfolge  des  Mani- 
lius vergrössert.  Denn  die  Berichte  des  Diodor  und  Appian  gehen  offen- 
bar in  letzter  Linie,  wie  vor  allem  die  starke  Hervorhebung  von  Scipios 
Verdiensten  beweist,  auf  Polybios  zurück.  Ein  klein  wenig  näher  dem 
Livius,  steht  der  im  übrigen  auch  auf  Polybios  zurückgehende  dionische 
Bericht  bei  Zonaras  (IX  27.  4—7,  Boiss.  I  S.  310/1  u.  29.  1—4  S.  313/5). 
Derselbe  hat  folgendes  zu  melden: 

1.  Tod  des  Masinissa  und  Teilung  seines  Reiches:  27. 
4—5. 


Die  fwue  Livius-Epitome,  91 

2.  Zu  Frühlingsanfang  Feldzug  des  Manilius  gegen  die  Bundesgenossen 
der  Carthager:  27.  6:  xai  noXXovg  fiiv  avxiv  ßlq,  noXXoifg  8i 
oiAoXoyitf^  xai  fidXiora  6  JExmlitiV^  naQ^avTqcavro. 

3.  Unterredung  des  Scipio  mit  Phameas:  ebda. 
4.-  Übergang  desselben  zu  den  Römern:  27.  7. 

5.  Rückzug  des  Manilius  nach  Utika:  xavtiid-^  Mavlkiog  fih  eiy 
Tfjv  Ovrixijfif  kX&atv  i,ffvxct^€:  ebda. 

6.  Scipio  und  Phameas  nach  Rom:  ebda. 

7.  Aussendung  des  Konsuls  Piso  gegen  Carthago:  29.  1. 

8.  Angriff  auf  die  Küstenstädte,  erfolgreich  nur  gegen  Neapolis. 

9.  Konsulwahl:  29.  2. 

10.    Piso  operiert  im  Binnenlande:  29.  4. 
Dieser  Parallelbericht  zu  Appian  ergänzt  dessen  Angaben  noch  in 
zwei  Punkten: 

1.  der  Rückzug  des  Manilius  erfolgte  nach  Utika,  wo  er  unthätig 
wurde, 

2.  die  von  Piso  eroberte  Kästenstadt  war  Neapolis. 

Die  Hinneigung  zu  Livius  aber  erblicke  ich  darin,  dass  der  Zug  des 
Manilius  erst  in  den  Frühlingsanfang  gesetzt  wird,  während  Appian  um 
diese  Zeit  schon  den  Piso  in  Afrika  ankommen  lässt,  und  dass  auch  bei 
Zonaras  die  Erfolge  des  Manilius  als  bedeutende  geschildert  werden  (s.  o. 
unter  2.). 

Der  Konsul  Calpurnius  Piso  ist  sicher  erst  im  Laufe  des  Sommers, 
allerdings  noch  vor  den  Konsulwahlen  für  607/147,  nach  Afrika  über- 
gesetzt. Nur  auf  diese  Weise  erhalten  wir  genügend  Raum  für  die  Er- 
eignisse im  Anfang  des  Jahres  und  den  Feldzug  des  Manilius  von  606/148. 
In  chronologischer  Hinsicht  ist  also  der  Bericht  des  Appian  zu  verwerfen, 
dagegen  hat  er  wahrscheinlich  insofern  Recht,  als  sowohl  die  Erfolge  des 
Manilius  wie  diejenigen  des  Calpurnius  Piso  im  Jahre  606/148  recht  ge- 
ring waren.  Hier  hat  die  annalistische  Überlieferung,  wie  sie  vor  allem 
Livius  repräsentiert,  die  Misserfolge  zu  verschleiern  gesucht,  und  davon 
haben  wir  auch  auf  dem  Papyrus  noch  einen  Niederschlag. 

Für  das  Ende  des  Krieges,  die  Jahre  607/147  und  608/146,  lernen 
wir  aus  dem  Papyrus  nichts  Neues. 

b)  Die  Kriege  auf  der  Balkanhalbinsel. 
Was  zunächst  die  Erhebung  des  Andriskos  (Pseudophilipp.) 
in  Makedonien  betrifft,  so  sind  wir  nunmehr  in  der  Lage  die  Haupt- 
ereignisse dieses  Kampfes  auf  die  zwei  Jahre  605/149  und  606/148  richtig 
zu  verteilen.  Ins  erste  Jahr  gehört  die  Eroberung  Makedoniens  durch 
den  Abenteurer,  sein  Vordringen  nach  Thessalien  sowie  dessen  Vertei- 
digung durch  die  griechischen  Bundesgenossen  der  Römer  unter  P.  Scipio 
Nasica  (Pap.  Z.  100 — 102  und  107 — 108),  ins  zweite  dagegen  die  Nieder- 
lage des  Praetors  luventius  in  Thessalien  und  der  Sieg  des  Praetors 


92  E.  Komemann^ 

Q.  Caecilius  Metellus,  dem  die  Gefangennahme  des  Praetendenten  und 
damit  die  Beendigung  des  Krieges  folgte  (Pap.  Z.  126 — 127).  Darnach 
sind  die  neueren  Darstellungen  zu  berichtigen,  welche  in  der  Regel  den 
Untergang  des  luventius  noch  ins  Jahr  605/149  datieren.*) 

Der  Kampf  in  Griechenland,  der  mit  der  Zerstörung  Corinths 
endete,  nahm  seinen  Ausgang  im  Jahre  607/147  von  der  Beleidigung  der 
römischen  Gesandtschaft,  welche  von  L.  Aurelius  Orestes  geführt  wurde: 
Pap.  Z.  135 — 136.  Leider  fehlt  in  dem  neuen  Text  das  Verbum,  welches 
die  Art  des  Vergehens  gegenüber  den  Gesandten  angedeutet  hat.  An 
der  entsprechenden  Stelle  in  Per,  51  steht,  wie  wir  oben  (S.  55)  sahen, 
pulsati,  in  Per,  52  aber  violati.  Niese  (Gesch.  der  grteeh,  und  mak. 
Staaten  III  S.  343  Anm.  1)  macht  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dass  es 
sicher  ist,  „dass  eine  körperliche  Verletzung  der  Gesandten  nicht  statt- 
gefunden hat."  Es  liegt  offenbar  eine  Übertreibung  der  annalistischen 
Überlieferung  vor.  Unsicher  aber  bleibt,  wie  Livius  selbst  die  Sache 
dargestellt  hat,  ob  er  nur  von  der  körperlichen  Verletzung  der  (Gesandten 
gesprochen,  oder  ob  er  die  zwei  Überlieferungen  gegeben  hat.  Wenn  es 
feststünde ,  dass  Florus  I  32.  2  Qegatosque  Bomanos  dubium  an  et  manu 
certe  oraiione  violavit)  ganz  auf  Livius  zurückginge,  so  wäre  die  Frage 
im  letzteren  Sinne  entschieden.  Aber  Florus  stellt  mehrfach  zwei 
Versionen  nebeneinander,^)  und  zwar  so,  dass  man  öfter  eine  Kontami- 
nation mehrerer  Quellen  bei  ihm  anzunehmen  geneigt  ist.^)  Die  Nennung 
des  Kritolaos  an  jener  Stelle  —  er  wui'de  erst  im  Herbst  607/147  Strateg, 
während  wir  uns  eben  noch  im  Sommer  dieses  Jahres  befinden*)  —  ist 
vielleicht  auch  der  nichtlivianischen  Quelle  aufs  Konto  zu  schreiben. 
Bei  Cassius  Dio  XXI  72.  1  (Boiss.  I  S.  318)  wird  richtig  Diaeos  in  diesem 
Zusammenhang  genannt.  Andererseits  ist  die  Anwendung  von  pulsare 
und  violare  in  der  Per.  im  Auge  zu  behalten,  aber  zu  beachten,  dass  von 
hier  aus  nicht  der  Beweis  geführt  werden  kann,  dass  Livius  auch  die 
mildere  Form  der  Kränkung  der  Gesandten  verzeichnet  hat. 

Was  die  Ereignisse  des  Jahres  608/146  betrifft,  so  ist  schon  oben 
(S.  57)  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  der  Papyrus  abweichend  von 
allen  anderen  Berichten  (Pseudo- Victor  60.  2,  Pausan.  VII 16.  4,  Zonaras 
IX  31.  5)  erst  die  Zerstörung  von  Corinth  und  dann  den  Tod  des  Diaeos 
erzählt,  und  es  ist  an  derselben  Stelle  schon  hervorgehoben,  dass  beide 
Anordnungen  möglich  sind.  Im  vorigen  Kapitel  (s.  S.  83)  ist  dann  wahr- 
scheinlich zu  machen  gesucht,  dass  hier  das  zu  Grunde  liegende  Chroniken 

1)  Vgl.  Mommsen,  Köm.  Gesch.  11^  S.  40,  Ihne,  R.  G.  III  S  248,  Hertzberg, 
Gesch.  Griechenlands  unter  den  Römern  I  S.  249,  Niese,  Grundrüs^  S.  101,  Gesch.  der 
gr.  u.  mak.  Staaten  III  S.  333,  Wilcken  bei  Pauly-Wissowa  I  2  Sp   2142. 

2)  Vgl.  II  2.  2—3,  dazu  meine  Arbeit  Zur  Gesch.  der  Graccheneeit^  Erstes  Beiheft 
der  Beiträge  S.  3. 

3)  Vgl.  Wölfflin,  Archiv  XIII,  1902,  S.  81  ff. 

4)  Niese  a.  a.  0.  S.  342. 


Die  neue  Livius-Epitome,  93 

eine  bestimmte  Technik  der  Darstellung  befolgt  hat,  nämlich  immer  das 
Hauptereignis  vorwegzunehmen:  einer  dieser  Fälle  scheint  hier  vor- 
zuliegen. 

Die  Zerstörung  Corinths  hatte  die  Verschleppung  einer  Masse  von 
griechischen  Kunstwerken  nach  Italien  zur  Folge.  Die  Verteilung  dieser 
Gegenstände  durch  Mummius  an  Rom  und  andere  Städte  Italiens  sowie 
des  Westens,  von  der  wir  seither  schon  durch  literarische  wie  inschrift- 
liche Quellen  wussten  (Belege  s.  o.  S.  60),  und  die  man  im  Anschluss  an 
den  Triumph  des  Mummius  (609/145)  erfolgt  sich  dachte,  geschah  nach 
dem  neuen  Text  erst  im  Jahre  612/142,  d.  h.  also  während  der  Censur 
des  Zerstörers  von  C!orinth:  Pap.  Z.  168 — 169. 

Eine  Folge  der  Einverleibung  Makedoniens  als  Provinz  in  das  Römer- 
reich war  offenbar  der  Kampf  gegen  die  keltischen  Skordisker')  im 
Jahre  613/141,  der  mit  einer  Niederlage  der  Römer  endete:  Pap.  Z.  174 
bis  175.  Seit  608/146  hatte  die  römische  Regierung  den  Schutz  der 
Nordgrenze  auch  auf  der  Balkanhalbinsel  zu  übernehmen.*)  Vorher  waren 
die  Kämpfe  der  Römer  nach  dieser  Richtung  von  Dlyrien  und  Oberitalien 
aus  geführt  worden.'^)  So  berichtet  Obsequens  16(75)  zum  Jahre  598/156: 
Dalmatae  Scordis<,ci}  superati,  wobei  es  sich  nur  um  einen  Vorstoss  im 
Anschluss  an  die  Besiegung  der  Delmaten  {Per.  47  S.  48  Z.  25 — 26) 
handeln  kann.*)  Wenn  aber  dann  in  der  Per.  56  S.  61  Z.  18/9  u.  d. 
Jahr  619/135  von  einem  Sieg  des  Praetors  M.  Cosconius  über  die  Skor- 
disker  in  Thracia  die  Rede  ist,^)  so  erkennen  wir  daraus  die  vorgegangene 
Veränderung.  Damit  sind  zu  kombinieren  die  Worte  des  Strabo  VII 
p.  318:  kni  roaoirov  Ö*  tji^tjä-riaav  (San  xai  fi^XQ''  ^^^  'llkvgunluv  xai 
Twv  Ilaiovixdiv  xai  Ogtjfxiwv  fiQoijk&ov  dgwv.  Unter  Berück- 
sichtigung dieser  Stellen  wird  die  Vermutung  nicht  zu  gewagt  sein,  dass 
es  sich  bei  dem  römischen  Feldzug  gegen  die  Skordisker  von  613/141 
um  einen  solchen  zur  Sicherung  der  makedonischen  Nordgrenze  handelte, 
und  dass  der  Einfall  der  Skordisker  in  Thrakien  i.  J.  619  nur  eine  Folge 
der  Niederlage  von  613  war. 

c)  Die  Vorgänge  in  den  hellenistischen  Reichen  des  Ostens. 

Dass  die  Ermordung  des  Königs  Prusias  IL  von  Bithynien  und 
die  Thronbesteigung  seines  Sohnes  Nicomedes  II.  im  Jahre  605/149  er- 
folgte, wussten  wir  schon.**)    Neu  dagegen  entnehmen  wir  dieser  Stelle 

1)  Über  die  Wohnsitze  der  Skordisker  im  Gebiete  der  Drau  und  8aa  sowie  im 
heutigen  Serbien  vgl.  Strabo  VII  5.  12  p.  318. 

2)  Vgl.  Mommsen,  R.  G.  II»  S.  169 

3)  U.  Zippel,  Die  römische  Herrschaft  in  Ulyrien  S.  133. 

4)  Zippel  S.  182. 

5)  Zippel  S.  139. 

6)  Niese,  Gesch.  der  griech.  u.  mak.  Staaten  III  S.  380. 


94  E.  Kornemanfiy 

des  Pap.  (Z.  109—115)  die  vollen  Namen  der  drei  Gesandten,  die  damals 
nach  Bithynien  und  an  Attalos  II.  von  Pergamon  abgeschickt  wurden: 
M.  Licinius,  A.  Hostilius  Mancinus,  L.  Manlius  Volso,  wodurch  eine  Ver- 
derbnis im  Texte  des  Polybios  sich  heilen  liess;  s.  oben  S.  51. 

Wichtiger  als  diese  Stelle  sind  die  Andeutungen  des  Pap.  bezüglich 
der  inneren  Kämpfe  imSeleukidenreich.  InZ.  157 — 158  wird  zum 
Jahre  610/144  von  einer  Verwüstung  Syriens  durch  einen  inneren  Kri^ 
berichtet.  Wie  wir  oben  (S.  58)  sahen,  handelt  es  sich  um  den  Kampf 
zwischen  Demetrios  II.  und  Diodotos  Tryphon,  der  den  kleinen  Sohn 
Alexanders  I.  Balas',  seinen  Mündel,  unter  dem  Namen  Antiochos  VI. 
Epiphanes  Dionysos  auf  den  Thron  erhoben  hatte.  ^)  In  Z.  213 — 214 
wird  dann  zum  Jahre  616/138  von  der  Ermordung  des  jungen  Königs 
durch  Diodotos  und  der  Eroberung  Syriens  durch  denselben  erzählt.  Be- 
kanntlich giebt  es  zwei  Ansätze  in  unserer  Überlieferung  für  das  letztere 
Ereignis:  nach  den  Münzen  und  1.  Makk.  13.  31  fällt  es  ins  Jahr  143/2, 
nach  der  übrigen  literarischen  Überlieferung  (vor  allem  Diodor  XXXTTT  28, 
Joseph.,  Antiqu.  Xin  218,  vgl.  auch  Justin.  XXXVI  1.  7,  XXXVIH  9.  3, 
Appian,  Syr.  68)  nach  der  Gefangennahme  des  Demetrios  durch  die 
Parther  (140/39,  bezw.  139/8  nach  der  livianischen  Tradition,  wie  sich 
aus  Oros.  V  4.  16  ergiebt).-)  Durch  den  Papyrus  wird  endgültig  er- 
wiesen, dass  auch  Livius  die  Überlieferung  dieser  zweiten  Gruppe  ge- 
boten hat.  Allerdings  war  dies  schon  seither  wahrscheinlich  durch  den 
Umstand,  dass  das  Ereignis  in  Per.  55  berichtet  war  und  weiter  durch 
die  Angabe  an  dieser  Stelle,  dass  Antiochos  VI.  etwa  zehnjährig  getötet 
worden  sei,  während  er  nach  Per.  52  bei  seiner  Schilderhebung  als  etwa 
zweijährig  bezeichnet  wird.  Die  livianische  Tradition  hat  ihm  also  eine 
etwa  achtjährige  Regierung  gegeben,  d.  h.  146/5 — 138  und  das  stinmit, 
was  den  Anfang  betrifft,  vorzüglich  zu  dem  Resultat,  das  aus  der  Be- 
trachtung der  Münzen  gewonnen  wird.'*)  So  richtig  dieser  Ansatz  also 
ist,  so  falsch  ist  nach  Ansicht  der  meisten  neueren  Forscher  der  zweite, 
das  Ende  der  Regierung  betreffende.  Josephos,  der,  wie  erwähnt,  an  der 
angeführten  Stelle  im  übrigen  mit  der  livianischen  Tradition  im  Einklang 
sich  befindet,  giebt  jedoch  an  derselben  Stelle  die  Regierungszeit  des 
Antiochos  VI.  auf  vier,  XIII  224  aber  die  des  Tryphon  auf  drei  Jahre 
an,  wodurch  er  mit  sich  selbst  in  Widerspruch  kommt,  dagegen  mit  den 
Münzen  übereinstimmt.  Ebenso  geben  Porphyrios  und  Eusebios  (Schoene  I 
p.  257  und  263)  dem  Demetrios  II.  eine  dreijährige  Regierungszeit,  womit 

1)  Niese  lU  S.  278. 

2)  Über  die  Kontroverse  am  besten:  Wilcken  bei  Pauly-Wissowa,  B.  E,  I  Sp.  2478, 
E.  Schürer,  Gesch.  des  jüdischen  Volkes  I'  S.  172  f.,  Niese  III  S.  283  Anra.  2  u.  S.  290, 
ganz  kurz  £.  K.  Bevan,  The  house  of  Seleucus  II  S.  230  Anm.  4. 

3)  Niese  III  S.  278  Anm.  3:  ,Die  ersten  Münzen  des  Antiochos  VI.  stammen 
schou  aus  dem  Jahre  167  Sei.  (146/5  v.  Chr.),  sind  also  vor  dem  Herbst  145  v.  Chr. 
geprägt.'* 


Die  neue  lAvius-Epitome,  95 

sie  wohl  die  Zeit  von  der  Beseitigung  des  Antiochos  VI.  bis  ziu*  Gefangen- 
nahme des  Demetrios  durch  die  Parther  meinen.*)  Daraus  folgt,  dass  es 
eine  Überlieferung  gegeben  hat ,  welche  Tryphon ,  zumal  dieser  seinen 
Gegner  bis  zu  dessen  Gefangennahme  zu  keiner  Zeit  vollständig  aus  dem 
Bereich  des  Seleukidenreichs  verdrängt  hatte,  nicht  in  der  Königsliste 
mitzählte,  sondern  entweder  die  Regierungszeit  des  Antiochos  VI.  bis  auf 
616/138  heruntererstreckte  (so  Livius  und  die  Anderen),  oder  von  dem 
wirklichen  Jahr  der  Beseitigung  des  Antiochos  ab  (143/2)  nach  Jahren 
des  Demetrios  zählte  (Porph.  und  Euseb.).  Dazu  passt,  „dass  Tryphon 
auf  seinen  Münzen  nicht  seleukidisch  zählt,  sondern  nach  seinen  eignen 
Regierungsjahren".-)  Endlich  ist  beachtenswert,  dass  der  römische  Senat 
gegenüber  Tryphon  sehr  zurückhaltend  war  und  eine  goldene  Nike,  die 
der  Usurpator  nach  Rom  sandte,  nur  im  Namen  des  ermordeten  Anti- 
ochos VI.  annahm.^)  Wie  der  römische  Senat  hat  also  auch  die  Über- 
lieferung, die  uns  bei  Livius  u.  A.  vorliegt,  dem  Tryphon  den  angemassten 
Namen  eines  Königs  bis  zur  Gefangennahme  des  rechtmässigen  Königs 
Demetrios  II.  nicht  zugestanden :  das  ergiebt  sich  aus  Orosius  V  4.  17 
und  18,  wo  es  heisst:  quo  (i.  e.  Demetrio  a  Parthis)  capto  Diodotus  qui- 
dam  cum  Alcxandro  filio  regnum  eius  et  regium  nomen  usurpavit.  qui 
postca  ipsum  Alexandrum  ßtum^  quem  participem  in  pervadcndo  regno 
habuerat,  nc  in  obtinendo  consortem  haberet,  occidit.  Niese  bemerkt  zu 
dieser  Stelle:*)  „Orosius  berichtet,  dass  Tryphon  nunmehr  seinen  Sohn 
Alexander  zum  König  gemacht,  ihn  aber  bald  beseitigt  habe.  Dies  ist 
vielleicht  eine  Verwechselung  mit  Antiochos  VI.,  der  Sohn  Alexanders 
war."  Meiner  Ansicht  nach  handelt  es  sich  hier  unbedingt  um  den 
letzteren,  und  es  ist  in  der  Vorlage  des  Orosius  von  ÄlexandH  ßius  die 
Rede  gewesen.  Livius  hat  demnach  die  Sache  so  dargestellt,  dass  Dio- 
dotos  erst  nach  der  Gefangennahme  des  Demetrios  für  sich  und  seinen 
Mündel  ausser  dem  Königreich  auch  den  Königsnamen  usurpiert,^)  dann 
aber  den  Mitherrscher  bei  einer  Operation  durch  Ärzte  beseitigt  habe. 
Darauf  ist  jedoch  Tryphon  bald  dem  Antiochos  VIL  Sidetes,  Demetrios' 
Bruder,  der  schon  seit  139/8,  d.  h.  seit  der  Gefangennahme  seines  Bruders, 
sich  König  von  Syrien  nennt,  erlegen,  ein  Ereignis,  das  Livius  wohl  erst 
unter  dem  Jahre  617/137   berichtet  hat.^    Diese  ganze  gefälschte  Tra- 


1)  Vgl.  Schürer  a.  a.  0   S.  172. 

2)  Niese  III  S.  283  Anm.  2. 

8)  Diodor  XXXUI  28  a,  Niese  a.  a.  O.  S.  283. 

4)  A.  a.  O.  S.  292  Anm.  8. 

6)  Vgl  mit  Orosius  Per,  52  S.  59  Z.  5:  regnum  adserebat,  und  Per,  55  S.  61 
Z.  4:  Alexandri  filittSj  rex  Syriae, 

6)  Es  scheint  in  Buch  55  nicht  davon  die  Rede  gewesen  zu  sein,  wie  der  Pap., 
der  offenbar  das  ganze  Exzerpt  aus  demselben  noch  bietet,  bestätigt;  vgl.  auch  Niese 
a.  a.  O.  S.  298  Anm.  5. 


96  E.  Komemann^ 

dition,  wie  sie  auch  Livins  geboten  hat,  stammt  offenbar  aus  einer  dem 
Tryphon  feindlichen  Quelle. 


d)  Der  spanische  Krieg  der  Römer  zwischen  604/150 — 617/137. 

Alle  die  im  Vorhergehenden  erwähnten  Kämpfe  und  Katastrophen 
bedeuten  wenig  für  die  römische  Geschichte.  Der  Schwerpunkt  der 
äusseren  Politik  Roms  während  dieser  Zeit  ruht  durchaus  in  Westen  und 
zwar  seit  der  Zerstörung  Carthagos  in  Spanien.  Den  grössten  Ein- 
schnitt in  der  Geschichte  des  spanischen  Krieges  aber  bedeutet  das  Jahr 
609/145.  Bis  dahin  waren  in  den  beiden  spanischen  Provinzen  (Citerior 
und  Ulterior)  Praetoren  verwendet  worden,  nunmehr  fand,  zunächst  in 
der  jenseitigen  Provinz,  der  Übergang  zum  konsularischen  Heer  und  zur 
konsularischen  Heeresleitung  statt:  Per.  52  S.  58  Z.  19—20,  Pap.  Z.  151. 

1.  Aus  der  Zeit  vor  609/145  hat  der  Pap.  auf  Spanien  bezügliche 
Notizen  nur  zu  den  Jahren  604/150  (Z.  83),  607/147  (Z.  136)  und  608/146 
(Z.  146 — 148),  und  zwar  zu  den  beiden  zuerst  genannten  Jahren  Be- 
merkungen über  Erfolge  der  Römer  gegenüber  den  Lusitanem,  an  der 
dritten  Stelle  über  das  Gegenteil.  Z.  83  geht,  wie  oben  (S.  47)  aus- 
geführt, auf  den  verräterischen  Überfall  des  Praetors  Servius  Galba,  wo- 
für er  im  Jahre  darauf  in  Rom  angeklagt  wurde:  Pap.  Z.  98 — 100. 
Schwieriger  ist  die  Frage,  auf  welchen  Erfolg  in  Lusitanien  im  Buch  51 
Z.  136  unter  dem  Jahre  607/147  angespielt  wird.  Die  Mögliclikeit,  die 
Chronologie  hier  festzustellen,  gewinnen  wir  durch  Vergleichung  der 
lateinischen  Epitomatoren  mit  Appians  Iherica.  Orosius  V  4.  2  berichtet 
unter  dem  Jahre  608/146  von  der  Niederlage  des  Praetors  C.  Vecilius 
oder,  wie  er  in  der  Per.  52  heisst,  M.  Vetilius.  Dazu  stimmt  es,  wenn 
in  der  Per.  52  diese  Niederlage  nach  der  Zerstörung  von  Corinth  er- 
wähnt wird  und  weiter,  wenn  an  beiden  Stellen  unmittelbar  vorher 
(Gros.  V  4.  1  und  Per.  S.  58  Z.  14—16,  ebenso  bei  Florus  I  32.  15,  an 
anderer  Stelle  dagegen  bei  Eutrop.  IV  16.  2)  die  Entwicklung  des  Viri- 
athus  vom  Hirten  zum  Jäger,  vom  Jäger  zum  Räuber,  endlich  vom 
Räuber  zum  Oberfeldherm  seines  Volkes  gezeichnet  wird,  ähnlich  wie 
bei  Diodor  XXXin  1.  1 — 8  (hier  Vitellius  statt  Vetilius)  und  Cassius  Dio 
XXn  73,  vgl.  auch  Frontin.,  Strat.  II  5.  7  und  Pseudo- Victor  71.  1.  Es 
ist  klar,  dass  dieser  Lebenslauf  des  Viriathus  im  Livius-Original  an  einer 
Stelle  eingelegt  war,  wo  das  Auftreten  des  kühnen  Lusitaners  entscheidend 
für  den  Fortgang  des  Krieges  wurde.  Den  Zeitpunkt  dieses  Auftretens 
vermögen  wir  genauer  aus  Appian  festzulegen.  Derselbe  erzählt  Jh.  63 
die  Niederlage  des  genannten  Praetors,  die  wir  eben  nach  den  lateinischen 
Epitomatoren  des  Livius  und  ebenso  nach  Diodor  als  ins  Jahr  608/146  ge- 
liörig  erkannt  haben.  Das  vorhergehende  Kapitel  (62)  aber  beginnt 
Appian  mit  den  Worten:  kgi&ia&ivTwv  S*  avxwv  {xwv  jlvairavHv)  xal  iv 
iXniai   yEvofiivwv,   ijQi&fj  te  öiQarrjyog.     Diese  Wahl  des   Viriathus 


Die  neue  Livius-Epitome.  97 

zum  Oberfeldherrn,  die  Livius  bezw.  dessen  Vorlage  zur  Einlage  seiner 
früheren  Lebensgeschichte  bewogen  hatte,  war  aber  die  Folge  eines  ent- 
scheidenden Sieges  des  Vetilius,  der  Jb,  61  erzählt  wird  (vgl.  Frontin., 
Strat.  n  13.  4).  Das  ist  wohl  derjenige,  auf  den  unser  Pap.  unter  dem 
Jahre  607/147  anspielt,  den  Livius  im  51.  Buch  erzählt  hatte.  Das  Auf- 
treten des  Viriathus  als  Führer  seines  Volkes  ist  also  nach  der  liviani- 
schen  wie  der  appianischen  Überlieferung  in  das  Ende  von  607/147  oder 
den  Anfang  des  Jahres  608/146  zu  setzen.  Trotzdem  berechnet  Livius 
an  einer  späteren  Stelle,  nämlich  nach  der  Erzählung  von  Viriathus'  Tod 
(615/139),  dessen  Feldherrnzeit  gegenüber  den  Römern  auf  vierzehn 
Jahre  (Per.  54  S.  60  Z.  5,  Florus  I  33.  15,  Oros.  V  4.  14,  Eutrop. 
IV  16.  2,  Joh.  Ant.  fr.  60,  Müller,  FHG.  IV  S.  559):  hierbei  ist  offen- 
bar seine  Thätigkeit  als  Unterfeldherr  einbegriffen  und  einfach  vom  Be- 
ginn des  spanischen  Krieges  601/153  ab  gezählt.  Innerhalb  dieser  vier- 
zehn Jahre  bedeutet  aber  nach  Livius  das  Jahr  608/146  einen  tiefen 
Einschnitt,  weil  von  da  ab  Viriathus  an  die  Spitze  seines  Volkes  trat. 
Hier  beginnen  die  acht  Jahre,  auf  die  Appian,  Jb.  72  (75),  auch  62  Ende 
(Hs.  allerdings  hier  rpia,  aber  Schweighäuser  schon  richtig  oxtd)  an- 
spielt. Wenn  im  Gegensatz  dazu  Diodor  (XXXIII  21a)  von  elf  Jahren 
der  Führerschaft  bei  Viriathus  spricht,  so  folgt  derselbe  einer  anderen 
Quelle,  welche  bereits  von  605/149  ab,  also  unmittelbar  nach  der  Ver- 
räterei des  Galba,  rechnete.^)  Hier  hat  aber  Appian  (Jb.  60)  die  Be- 
merkung :  okiyoi'  S'  airwv  di(^(fvyov^  wv  fjv  Ovgiar&os,  69  fiBT  ov  noXv 
r^yi^ffaro  AvaixavCiv  xai  (xttivt  nokkovg  *Pwfial(av  xal  ^gya  fiiyiara  im- 
diHiaro^  und  daran  schliesst  er  die  Worte:  alkd  räSi  fiev  vangov 
yivofiBva  iategov  JläSw.  Dementsprechend  beginnt  c.  61  auch  wieder 
mit  den  Worten  ov  noXv  Ök  iangov.  Deutlicher  konnte  es  der 
Schriftsteller  nicht  zum  Ausdruck  bringen,  dass  hier  ein  zeitlicher 
Zwischenraum  vorliegt,  und  dass  er  selbst  im  Anfang  von  c.  61  einen 
Sprung  macht,  nämlich  von  605/149  ins  Jahr  607/147  (s.  0.  S.  55).  Diese 
bei  Appian  übergangenen  Jahre  sind  aber  die  nämlichen,  aus  denen  auch 
der  Papyrus  aus  Spanien  nichts  zu  berichten  hat.  Die  Quelle  des  Appian 
steht  also  dem  Livius  hier  sehr  nahe. 

Treffen  die  vorstehenden  Ausführungen  das  Richtige,  so  umfasste  die 
Statthalterschaft  des  Praetors  Vetilius  im  jenseitigen  Spanien  mehr  als 
ein  Jahr,  nämlich  607/147  und  mindestens  den  Anfang  von  608/146: 
denn  erst  in  diesem  Jahr  erlitt  er,  wie  wir  sahen,  die  Niederlage  von 
Seiten  des  Viriathus,  bei  der  er  gefangen  genommen  und  getötet  wurde.-) 
Sein  Nachfolger  war  der  Praetor  C.  Plautius,  wie  übereinstimmend  Per.  52 

1)  Eine  Abrundung  dieser  Angabe  ist  es  wohl  nur,  Wenn  Justin.  XLIV  2.  7  von 
zehn  Jahren  spricht.  Bei  Vell.  II  90.  3  dagegen  hat  die  handschriftliche  Überlieferung 
zwanzig  Jahre,  womit  nichts  anzufangen  ist.     Vgl.  Mommsen,  R.  G,  II*  S.  9  Anm. 

2)  Der  Bericht  des  Orosius  (V  4.  2)  ist  falsch;  vgl.  Per.  52  S.  58  Z.  17,  Diodor 
XXXIII  1.  3,  Appian,  Jh.  63. 

Koroomann,  Di«  D«oe  Liviai-Epitome.  7 


98  E.  Kornemann, 

S.  58  Z.  18,  Orosius  V  4.  3,  Appian,  Jb.  64  berichtcH  (vgl.  auch  Diodor 
XXXin  2).  Dieser  wurde  mehrmals  geschlagen :  Appian  hat  zwei  Treffen, 
eines  diesseits,  ein  anderes  jenseits  des  Tagus,  Orosius  nennt  ihn  mültis 
proeliis  fractum  (dazu  Diodor  XXXIII  1.  3:  nollais  . .  fiaxaig),  ja  nach 
Appian  ging  der  Geschlagene  schon  infolgedessen  „mitten  im  Sommer"  in 
die  Winterquartiere. 

Es  fragt  sich  nun,  in  welchem  Jahr  wir  uns  mit  C.  Plautius  befinden. 
Appian  (Jb.  63)  berichtet,  dass  der  Quaestor  des  Vetilius  zunächst 
interimistisch  den  Oberbefehl  führte  und  dass  auch  dieser  noch  eine 
Schlappe  erlitt,  bevor  Plautius  ankam.  Trotzdem  glaube  ich,  dass  wir 
die  Niederlagen  des  Plautius  mit  Mommsen^)  auch  noch  in  den  Sommer 
608/146  setzen  können,  wobei  wir  allerdings  annehmen  müssen,  dass  die 
Niederlage  und  der  Tod  des  Vetilius  schon  zu  Beginn  des  Frühjahres 
eintrat  und  die  Schlappen,  die  Plautius  erlitt.  Schlag  auf  Schlag  folgten. 
Ich  komme  zu  dieser  Aufstellung  aus  folgender  Erwägung:  Während 
nämlich  Per.  52  und  Appian  (Jb.  65)  nach  der  Erwähnung  des  Plautius 
keinen  praetorischen  Statthalter  für  Spanien  mehr  nennen,  sondern  sofort 
von  der  Hinsendung  eines  konsularischen  Heeres  unter  Q.  Fabius  Maxi- 
mus Aemilianus  reden ,  fährt  Orosius  (V  4.  3)  nach  den  Niederlagen  des 
Plautius  folgendermassen  fort :  post  ctiam  Claudius  Unimammus  cum  magno 
instructu  belli  contra  Viriatum  missus  quasi  pro  abolenda  superiore  macula 
turpiorem  ipse  auxit  infamiam.  nam  congressus  cum,  Viriato  universas  quas 
secum  deduxerat  copias  maximasque  vires  Romani  amisit  exerciius.  Und 
dazu  stimmt  Florus  133.  16,  wo  der  Bambergemsis  denselben  Namen 
Claudius  Unimammus  (Rossbach :  Unimanus)  bietet,  und  von  der  Vernich- 
tung des  römischen  Heeres  2>(^^^  ^  intemecionem  berichtet  wird,  endlich 
auch  Pseudo- Victor  71.  1.  Florus  und  Orosius  enden  ihre  Darstellung 
fast  wörtlich  übereinstimmend  mit  dem  Hinweis  auf  die  Tropaea,  die 
Viriathus  in  montibus  suis  errichtete,  und  man  hat  den  Eindruck,  dass  er 
jetzt  erst  auf  den  Höhepunkt  seiner  Erfolge  und  die  Sache  der  Römer 
auf  den  Tiefstand  gekommen  war,  so  dass  die  Aussendung  eines  Konsuls 
für  notwendig  erachtet  wurde.  Dies  war,  wie  gesagt,  der  eine  Konsul 
von  609/145,  Fabius  Maximus  Aemilianus,  der  aber  nach  Appian  65 
erst  im  Jahre  610/144  den  Hauptschlag  fühi^te.  Es  würde  also  möglich 
sein,  den  Claudius  Unimanus  ebenfalls  noch  im  Jahre  609/145  anzusetzen 
als  den  unmittelbaren  Vorgänger  des  Konsuls  Fabius,  ja  vielleicht  war 
er  derjenige,  auf  den  die  malitiöse  Bemerkung  bei  Appian  von  den  Winter- 
(luartieren  im  Sommer  sich  ursprünglich  bezog.  Ganz  besonders  kompli- 
ziert wird  die  Sache  aber  dadurch,  dass  Pseudo- Victor  71.  1  nach  Claudius 
Unimanus  noch  den  C.  Nigidius  als  von  Viriathus  geschlagen  bezeichnet. 
Wenn  hier  nicht  ein  Versehen  dieses  Autors  oder  seiner  Quelle  vorliegt, 
so  könnte  man  dabei  an  den  Unterfeldherrn  des  Fabius  denken,  von  dem 

1}  Ji.  o.  n^  s.  10. 


Die  neue  Livius-Epitome.  99 

es  bei  App.  65  heisst,  dass  er  im  Jahre  609/145  eine  Schlappe  seitens 
des  Viriathns  erlitt.  Oder  aber  man  muss  den  Ausweg  einschlagen,  den 
Mommsen  vorgezogen  hat,^)  dass  man  nämlich  einen  oder  den  anderen 
der  genannten  Praetoren  für  die  diesseitige  Provinz  in  Anspruch  nimmt, 
wohin  Viriathns  olme  Zweifel  auch  übergegriffen  hat.-)  Dieser  Ausweg 
wird  um  so  weniger  zu  umgehen  sein,  da  auch  von  C.  Laelius  Sapiens 
berichtet  wird,  dass  er  als  Praetor  im  Jahre  609/145  mit  Viriathns  ge- 
kämpft und  diesen  geschlagen  habe  (Cic. ,  de  off.  II  40 ,  vgl.  Brutus  84, 
zur  Datierung  Lael  96).  Die  Sache  steht  also  so,  dass  wir  nur  die  Jahre 
607/147—609/145  zur  Verfügung  haben  und  im  Ganzen  fünf  Praetoren 
unterzubringen  sind.  Da  für  Vetilius  und  Plautius  die  Jahre  607/147 
und  608/146  in  Anspruch  genommen  werden  müssen,  so  bleiben  für 
609/145  drei  Persönlichkeiten:  Claudius,  Nigidius,  Laelius.  Wenn  man 
nun  auch  in  Nigidius  jenen  von  Appian  erwähnten  geschlagenen  Unter- 
feldherrn des  Fabius  Maximus  Aemilianus  sieht,  so  muss  man  doch  zum 
allermindesten  annehmen,  dass  Laelius  im  Jahre  609/145  in  der  dies- 
seitigen Provinz  kommandiert  hat.  Mommsen  geht  noch  weiter  und  ver- 
setzt auch  den  Claudius  Unimaniis  in  die  Citerior,  so  dass  er  der  Vor- 
gänger des  Laelius  dortselbst  608/146  gewesen  wäre.  Auch  das  ist 
möglich,  mir  aber  weniger  wahrscheinlich.  Auf  alle  Fälle  hat  Mommsen 
allein  von  allen  Modernen  das  hier  vorliegende  Problem  erkannt  und  zu 
lösen  versucht,'*) 

2.  Für  die  Zeit  von  609/145  ab  häufen  sich  die  Nachrichten  des 
Papyrus  über  die  spanischen  Kämpfe  ungemein.  Aber  durch  den  Verlust 
einer  Kolumne  in  diesem  Abschnitt  bleibt  eine  Hauptschwierigkeit,  die 
schon  in  der  seitherigen  Überlieferung  vorlag,  leider  ungelöst.  Wir 
sahen,  dass  Fabius  Maximus  Aemilianus  schon  als  Konsul  im  Jahre 
609/145  nach  Spanien  gegangen  ist,  dass  aber  die  Hauptthätigkeit  des- 
selben erst  ins  Jahr  610/144  fiel  (App.  65,  vgl.  Mendelssohn  I  S.  114 
Z.  16 — 17:  fiitd  x^ifAiüva).  Hierzu  passt  sehr  wohl  die  Nachricht  bei 
Val.  Max.  (VI  4.  2),  wonach  auf  Betreiben  Scipios,  der  offenbar  seinem 
Bruder  das  Kommando  erhalten  wollte,  keiner  der  Konsuln  von  610/144 
mit  dem  Krieg  gegen  Viriathns  betraut  wurde.  So  klar  die  Sachlage 
für  dieses  Jahr  ist,  so  dunkel  wird  sie  für  611/143.  Für  612/142  war 
uns  durch  Obsequens  22  (81)  schon  bekannt,  dass  das  römische  Heer 
wieder  Misserfolge  erlitten  hatte.    Jetzt  lernen  wir  aus  dem  neuen  Text 

1)  R,  G.  II»  S  9f. 

2)  Sowohl  nach  Florus  (I  83.  15)  wie  nach  Orosius  (V  4.  2)  hat  Viriathns  auch 
Einfälle  ins  Ebrogebiet  gemacht 

3)  M.  Hoffmann,  De  Viriathi  Numantinorumque  belle  S.  27—38,  Ihne,  R.  G,  III 
S.  333 f.,  P.  Wehrmann,  fasii  praeiorit  S  7—9,  D.  Wilsdorf,  fasti  Htspaniarum  pro- 
vinciantmy  Leipz.  Studien  I,  1878,  S.  97—101  haben  einfach  die  erwähnten  Praetoren 
auf  die  Jahre  605/149-609/145  als  Statthalter  der  Ulterior  verteilt.  Da«  ist  wohl  recht 
bequem,  aber  sicher  falsch. 

1* 


100  E.  Kornemann, 

Z.  167,  dass  der  Konsul  dieses  Jahres,  L?  Metellus,  es  war,  der  von  den 
Lusitanern  geschlagen  wurde.  Sein  Nachfolger  wurde  sein  Kollege  im 
Konsulat  Q.  Fabius  Maximus  Servilianus.  Appian  nun  berichtet  über  die 
Zeit  zwischen  dem  Abgang  des  Fabius  Maximus  Aemilianus  Ende  610/144 
und  der  Ankunft  des  Fabius  Maximus  Servilianus  Anfang  613/141  nur  in 
dem  einen  Kapitel  66.  Hier  erzählt  er  von  der  Niederlage  eines 
römischen  öxgatriyoq  mit  Namen  Kotvriog,  die  so  durchschlagend  war, 
dass  der  feige  und  kriegsunerfahrene  Führer  sich  auch  wieder  mitten  im 
Herbst  nach  Corduba  ins  Winterlager  zurückzog.  Appian  hat  also  hier 
wiederum  ein  Jahr  übersprungen,  und  es  fragt  sich  nur,  ob  die  Nieder- 
lage des  Praetors  Quinctius^)  in  das  Jahr  611/143  oder  612/142  gehört, 
ob  also  im  letzteren  Fall  die  Niederlage  des  L.  Metellus  gemeint,  d.  h. 
Kotvriog,  wie  soviele  andere  Eigennamen,  in  der  einzigen  Handschrift 
(Vat.  141),  auf  der  der  Appiantext  hier  beruht,  verderbt  ist.  Hierfür 
entscheiden  sich  GH.  S.  110/1.  Da  in  den  Jahren  611/143  und  612/142 
Quintus  Metellus  Macedonicus,  der  Bruder  des  Lucius,  Statthalter  im  dies- 
seitigen Spanien  war,  so  sei  eine  Verwechselung  der  beiden  Brüder  nicht 
ausgeschlossen.  Darnach  wäre  bei  Appian  das  Jahr  611/143  ausgefallen, 
und  die  englischen  Herausgeber  suchen  nun  den  Statthalter  für  Süd- 
spanien in  diesem  Jahr  zu  ermitteln.  Die  Worte  am  Ende  von  c.  65: 
dsvTSQov  —  AvXov  (Mendelssohn  I  S.  114  Z.  21 — 25),  welche  Schweig- 
häuser aus  dem  Ende  von  c.  68  hierher  versetzte,  haben  hier  gar  nichts 
zu  thun  und  sind  zur  Lösung  des  Problems  nicht  verwendbar.  Statt 
dessen  greifen  GH.  auf  Val.  Max.  IX  3.  7  zurück,  wonach  Q.  Metellus 
Macedonicus  utramq^uc  Hispaniam  im  Jahre  611/143  innegehabt  haben 
soll.  Aber  man  beachte,  dass  Val.  Max.  den  Macedonicus  nicht  nur  als 
Konsul  (d.  h.  611/143)  sondern  auch  als  Prokonsul  (also  612/142)  im  Be- 
sitz der  beiden  Spanien  sein  lässt.  Das  widerstreitet  der  Nachricht  des 
Papyrus  Z.  167,  dass  L.  Metellus  612/142  als  Konsul  im  jenseitigen 
Spanien  kommandierte.  Wenn  aber  der  zweite  Teil  der  Angabe  des 
Val.  Max.  falsch  ist,  so  wird  auch  der  erste  verdächtig.  Dazu  kommt, 
dass  alles,  was  wir  von  der  Thätigkeit  des  Macedonicus  in  Spanien  hören, 
auf  den  Krieg  gegen  die  Celtiberer  in  der  Citerior  sich  bezieht.-) 
Diesen  Weg  halte  ich  daher  nicht  für  gangbar.  Soviel  steht  auch  fest, 
dass  bei  Appian  im  Anfang  von  c.  66  vom  Jahre  611/143  die  Rede  ist. 
Denn  es  heisst  da,  Viriathus  habe  die  Arevaker,  Beller  und  Titter  — 
das  sind  celtiberische  Stämme  in  der  diesseitigen  Provinz  —  zum  Auf- 
stand gereizt,  woraus  sich  dann  der  numantinische  Krieg  entwickelt  habe. 
An  diese  Bemerkung  knüpft  Appian  c.  76  Anf.  direkt  an,  um  von  der  Ent- 
sendung des  Q.  Metellus  Macedonicus  gegen  diese  (611/143)  zu  sprechen. 

1)  So  Mommsen,  R.  G.  II»  S.  11. 

2)  Florus  I  33.  10.    Per,  53     Val.  Max.  II  7.  10,  III  2.  21  (dazu  Pap  Z.  164—166), 
V  1.  5.    Appian,  Jh.  76,  Psendo- Victor  61.  3—4. 


Die  neue  lAvius-Epitome.  101 

Wenn  wir  also  nicht  eine  Lücke  in  der  Mitte  von  c.  66  annehmen  wollen, 
sind  wir  gezwungen,  das  ganze  Kapitel  auf  das  Jahr  611/143  zu  be- 
ziehen und  den  Ausfall  des  Jahres  612/142  bei  Appian  zu  statuieren. 
Dann  erhält  allerdings  das  Problem,  wie  der  Statthalter  der  jenseitigen 
Provinz  im  Jahre  611/143  geheissen  habe,  keine  Förderung. 

Um  so  erfreulicher  ist  es',  dass  wir  durch  Auffindung  des  neuen 
Textes  für  die  Datierung  der  Ereignisse  in  Südspanien  seit  612/142 
wenigstens  festeren  Boden  als  seither  gewinnen.  Wir  wissen  jetzt  durch 
Z.  171—172  und  185—186,  dass  L.  Metellus'  Kollege  im  Konsulat  Fabius 
Maximus  Servilianus  erst  als  Prokonsul  in  der  Ulterior  thätig  war  und 
zwar  in  den  Jahren  613/141  und  614/140,  während  man  seither  diese 
zweijährige  Statthalterschaft  ein  Jahr  früher  ansetzte,*)  gestützt  auf 
Orosius  V  4.  12  (vgl.  Florus  133.  17),  dessen  Datierung  aber  schon  durch 
die  Per,  widerlegt  wird.-)  In  die  Jahre  613/141  und  614/140  gehört 
demnach,  was  Appian  67 — 69  erzählt,  und  zwar  bezieht  sich  c.  69  auf 
das  Jahr  614/140,  die  Niederlage  und  den  unrühmlichen  Friedensschluss 
des  Servilianus  (Pap.  Z.  185—186),  während  noch  c.  68  auf  613/141 
geht  wegen  der  hier  erwähnten  Eroberung  einiger  lusitanischer  Städte, 
worauf  in  Per.  53  mit  eocpugnatis  aliquot  urbibt^s  angespielt  wird.  Wie 
aber  der  Pap.  zeigt,  ist  bei  Livius  der  Übergang  ins  Jahr  614/140  erst 
in  Buch  54  erfolgt.  Aus  den  Kämpfen  in  der  Ulterior  im  Jahre  614/140 
erfahren  wir  jetzt  durch  den  Papyrus  (Z.  186—188)  noch  ein  neues 
Faktum  in  Gestalt  der  Heldenthat  des  Q.  Occius,  der  sich  schon  in  Nord- 
spanien unter  Metellus  Macedonicus  hervorgethan  hatte  (Pap.  Z.  164 — 166), 
gelegentlich  eines  Hinterhaltes,  den  die  Lusitaner  gelegt  hatten.  Appian 
nennt  statt  dessen  in  c.  67  aus  dem  Feldzug  von  613/141  mit  Auszeich- 
nung den  Schwiegersohn  des  Laelius,  C.  Fannius,  den  späteren  Geschichts- 
schreiber. 3)  An  Mut  der  Unterführer  scheint  es  also  in  diesem  Krieg  in 
Spanien  nicht  gefehlt  zu  haben;  woran  es  mangelte,  das  war  eine  tüch- 
tige Oberleitung. 

Der  Nachfolger  des  Servilianus  war,  wie  schon  bekannt,  sein  leib- 
licher Bruder,  der  Konsul  vom  Jahre  614/140  Q.  Servilius  Caepio.  Der 
Pap.  Z.  182 — 184  belehrt  uns  nun,  dass  derselbe  schon  während  seines 
Konsulates  nach  Spanien  abging;  denn  bei  der  profedio  (Z.  183)  kann, 
wie  oben  (S.  62)  schon  ausgeführt  worden  ist,  doch  wohl  nur  an  die  Aus- 
reise des  Konsuls  nach  Spanien  gedacht  werden.  Da  aber  Servilianus 
noch  im  Sommer  desselben  Jahres  das  Kommando  in  Südspanien  führte 
und  damals  jenen  mehrfach  erwähnten  schimpflichen  Frieden  schloss,  so 
kann  der  Beginn   von  Caepios   Statthalterschaft   erst   ins   Ende   seines 


1)  Vgl.  MommscD,  B.  G.  II  •»  S.  11,  Ihne  III  S.  334  f.,  Niese,  GrundrJ  S.  97. 

2)  S.  o.  S.  61. 

3)  Ich   habe  Zur  Gesch.  der  Gracchemeit,  erstes  Beiheft  dieser  Beiträge  S.  27 
das  ElreigDis  noch  ins  Jahr  612/142  gesetit. 


102  E.  Kornemann, 

Konsulatsjahres  fallen,  wobei  die  Interpellation  des  Volkstribunen  Ti.  Clau- 
dius Asellus  verzögernd  mitgewirkt  haben  mag.  Die  Hauptthätigkeit 
des  Caepio  in  Südspanien  fällt  somit  ins  Jahr  615/139:  Pap.  Z.  195—196, 
Cassius  Dio  XXH  78  (Boiss.  I  S.  323  f.),  Appian  70— 72.  In  diesem  Jahr 
erfolgte  auf  sein  Betreiben  die  Ermordung  des  Viriathus:  Pap.  Z.  197 
und  198.0 

Das  Nachspiel  der  Ermordung,  die  Forderung  einer  Belohnung  durch 
die  Mörder  und  die  Verweigerung  derselben,  gehört  nach  dem  Pap. 
(Z.  201—202)  sogar  ins  Jahr  616/138.  Daraus  geht  hervor,  wie  schon 
GH.  betonen  (S.  114)  und  wie  oben  (S.  65)  näher  begründet  ist,  dass 
die  Ablehnung  der  Forderung  durch  den  römischen  Senat  erfolgte, 
der  auch  die  stolze  Antwort  erteilte,  die  uns  bei  Eutrop.  IV  16.  3  er- 
halten ist. 

In  den  Jahren  616/138  und  617/137  war  der  Konsul  von  616/138, 
Decimus  Junius  Brutus,  Statthalter  in  Südspanien.  Mit  Hülfe  des  Papyrus 
können  wir  wiederum  den  appianischen  Bericht  über  seine  Thaten  auf 
die  beiden  Jahre  verteilen.  Die  Unterwerfung  Lusitaniens  bis  zum  Duero 
(App.  73  Mendelss.)  gehört  ins  erste,  die  Überschreitung  des  Oblivio  und 
der  Feldzug  gegen  die  Bracarer  und  Callaeker  (App.  74.  75  M.)  ins 
zweite  Jahr. 

Es  erübrigt  nun  noch  die  Ereignisse  in  der  diesseitigen  Provinz 
seit  609/145  zu  verfolgen.  Hier  liegen  die  Dinge  einfacher.  Wer  aller- 
dings der  Nachfolger  des  Laelius  (über  ihn  s.  o.  S.  99)  war,  ist  mir  nicht 
so  ohne  weiteres  klar.  GH.  (S.  110)  nehmen  an,  dass  Q.  Fabius  Maximus 
Aemilianus  die  beiden  Spanien  gleichzeitig  verwaltet  habe.  Aber  so  wenig 
ich  die  nämliche  Annahme  für  Q.  Metellus  Macedonicus  oben  (S.  100)  zu- 
gelassen habe,  so  wenig  ist  sie  mir  für  Aemilianus  einleuchtend.  Derselbe 
brachte  nur  zwei  Rekrutenlegionen  mit  (App.  65) :  sollten  diese  (mitsamt 
den  Hülfsvölkern  im  ganzen  15  000  Mann  zu  Fuss  und  2000  zu  Pferd) 
in  jenem  Augenblick'^)  für  ganz  Spanien  als  ausreichend  erachtet  worden 
sein?  Zudem  hören  wir  nur  vom  Aufenthalt  des  konsularischen  Statt- 
halters wie  des  Heeres  in  der  Ulterior  (erstes  Lager  in  Urso,  Fahrt  nach 
Gades,  um  dem  Herakles  zu  opfern,  Winterlager  in  Corduba:  App.  65). 
Münzer  (bei  Pauly-Wissowa  IV  Sp.  1448)  nimmt  an,  dass  dem  Laelius 
in  der  Citerior,  wie  dem  Fabius  Max.  Aemilianus  in  der  Ulterior,  das 
Kommando  auf  ein  weiteres  Jahr  verlängert  wurde.  Aber  möglich  ist 
auch,  dass  C.  Nigidius  (über  ihn  o.  S.  98)  praetorischer  Statthalter  der 
Citmor  610/144  war.  Im  Jahre  611/143  wurde  dann,  wie  wir  sahen, 
von  Viriathus  durch  Aufreizung  mehrerer  celtiberischer  Stämme  der  Krieg 
auch  im  diesseitigen  Spanien  wieder  entfacht  (App.  66  und  76).    Dahin 

1)  Fälschlich  bei  Fischer,  Zeittafeln  S.  133  unter  dem  Jahre  6U/U0.  Das  Rich- 
tige schon  bei  Mommsen,  Ji.  G.  II*  S.  9  Aum.  u.  S.  12  und  hei  Anderen. 

2)  Über  die  Situation  bei  seiner  Ankunft  s   o.  S.  100. 


Die  neue  lAvius-Epitome.  103 

ging  in  diesem  Jahre  der  Konsul  Q.  Metellus  Macedonicus  und  blieb  im 
darauffolgenden  Jahr  (612/142)  als  Prokonsul  daselbst  {Per.  53,  Val.  Max. 
IX  3.  7).  Der  Papjrrus  ermöglicht  uns  wieder  die  Ereignisse ,  die  wir 
aus  der  Zeit  seines  Oberkommandos  kennen,  auf  die  zwei  Jahre  zu  ver- 
teilen. Ins  Jahr  611/143  gehört  die  Geschichte  von  Rethogenes  (Pap. 
Z.  161 — 163)  und  der  Schonung  von  Centobriga  (so  Val.  Max.  V  1.  5) 
bezw.  Nertobriga  (Florus  I  33.  10).  Vorher  erfolgte  nach  Florus  (a.  a.  0. 
auch  Velleins  II  5.  2)  die  Eroberung  von  Contrebia.  Im  Jahre  612/142 
vollbrachte  Q.  Occius  seine  Heldenthaten  im  Heere  des  Macedonicus  (Pap. 
Z.  164—6,  Val.  Max.  III  2.  21).  Von  alledem  hat  Appian  nichts,  der  die 
zweijährige  Thätigkeit  des  Mannes  in  c.  76  so  zusammenzieht,  dass  es 
den  Eindruck  macht,  als  berichte  er  über  ein  Jahr.  Auch  bemerkt 
Appian,  dass  er  seinem  Nachfolger  ein  aufs  beste  geübtes  Heer  übergeben 
habe,  während  Val.  Max.  (IX  3.  7)  gerade  das  Gegenteil  zu  berichten 
weiss :  er  sei  mit  seinem  Nachfolger  Q.  Pompeius  verfeindet  gewesen  und 
habe,  um  diesem  Schwierigkeiten  zu  bereiten,  die  Armee  durch  Beur- 
laubungen und  andere  Massnahmen  geschwächt.  Wenn  dies  die  livianische 
Tradition  ist,  so  haben  wir  an  jener  Stelle  bei  Appian  eine  Vorlage  an- 
zunehmen, die  direkt  gegen  Livius  polemisiert.  Auch  der  Nachfolger 
Q.  Pompeius  blieb  wieder  zwei  Jahre  in  Nordspanien.  Im  Jahre  613/141 
erlitt  er  eine  schwere  Niederlage  seitens  der  Numantiner:  Pap.  Z.  174 
und  die  Parallelstellen  oben  S.  61 ;  aus  Appian  gehört  offenbar  c.  76  Ende 
hierher.  Dann  wandte  er  sich  gegen  Termentia.  Nach  App.  77  (ebenso 
Diodor  XXXIII  16)  blieb  der  Erfolg  aber  aus,  während  Per.  54  Anf. 
meldet:  Tcrmestinos  subcgit.  Ganz  offenbar  hat  der  Pompeins-freundliche 
Livius  diesen  Vorfahr  des  Pompeius  Magnus  wenigstens  mit  einem  Erfolg 
auszustatten  gesucht.  Ins  Jahr  614  140  gehört  der  Friedensschluss  des 
Pompeius  mit  den  Numantinem.  Zuvor  weiss  Appian,  der  offenbar  mit 
c.  78  in  den  Bericht  über  das  zweite  Jahr  eintritt,  von  einem  erneuten  erfolg- 
losen Vorgehen  gegen  Numantia  zu  erzählen.  Dann  kam  eine  senatorische 
Kommission  von  Rom,  und  es  erfolgten  Truppennachschübe  aus  der  Heimat, 
um  die  alten  schon  sechs  Jahre  im  Felde  stehenden  Soldaten  zu  ersetzen. 
Pompeius  hielt  sich  nun,  da  auch  der  Winter  hereinbrach,  vor  Numantia 
möglichst  im  Lager,  wurde  aber  schliesslich  von  seinen  Gegnern  so  be- 
drängt, dass  er  sich  ig  rag  noUig  in  die  Winterquartiere  zurückzog 
(App.  79).  Von  hier  trat  er  heimlich  in  Friedensunterhandlungen  mit 
den  Numantinem  ein,  und  es  kam  ein  wenig  ehrenvoller  Friede  zu  Stande. 
Von  diesem  Frieden  sagt  die  Per.  54  wieder  nur:  pacem  ab  infirmitate 
fccit,  Eutrop.  (IV  17.  11)  nennt  ihn  j^oc^*^  ignohilem,  Orosius  (V  4.  21) 
infame  foedtis.  Dagegen  bei  Velleius  II  1.  4  ist  die  Rede  von  turjnssima 
focdcra,  wozu  man  die  Wort«  bei  App.  79  vergleichen  möge:  rag  Si  aw- 
\>rixag  ilStug  alaxQag^  woraus  hervorgehen  dürfte,  dass  auch  hier  die 
Quelle  vorliegt,  die  eine  schärfere  Tonart  gegen  Pompeius  anschlug  als  Livius. 
Der  Nachfolger  des  Pompeius,  der  Konsul  M.  Popillius  Laenas,  blieb  wieder- 


104  E.  Komemann^ 

um  zwei  Jahre  in  der  Provinz:  615/139  und  616/138.  Auffallenderweise 
wird  Appian  im  Gegensatz  zum  Vorhergehenden  wieder  ganz  kurz  in 
seiner  Darstellung,  indem  er  in  einem  halben  Kapitel  (79  Schluss)  diese 
zwei  Kriegsjahre  erledigt.  Wegen  der  Doppelzüngigkeit  des  Pompeius, 
der  die  mit  den  Numantinem  gepflogenen  Unterhandlungen  ableugnete, 
kam  die  Sache  in  Eom  vor  den  Senat,  und  infolgedessen  ruhte  615/139 
der  Krieg  gegen  Numantia.  Popillius  wandte  sich  daher  in  diesem  Jahr 
gegen  Viriathus:  Diodor  XXXTTT  19,  Florus  1 33.  17,  Pseudo- Victor  71.  2. 
Nachdem  dann  die  Sache  des  Pompeius  mit  den  Numantinem  zu  Gunsten 
des  ersteren  entschieden  war,  wurde  im  Jahre  616/138  der  Kampf  gegen 
Numantia  wieder  aufgenommen,  endete  aber  mit  einer  Niederlage  des 
Popillius:  Pap.  Z.  212,  Per.  55.  Appian  dagegen  hat  nur  einen  Einfall 
in  das  Gebiet  der  Lusoner,  der  Nachbarn  von  Numantia,  zu  berichten  und 
lässt  den  Popillius  oiSh  ky^aadfievog  nach  Rom  zurückkehren:  wieder 
also  wie  bei  Metellus  Macedonicus  die  Tendenz,  den  Feldherm  zu  ent- 
lasten. Popillius'  Nachfolger  wurde  der  Konsul  von  617/137  C.  Hostilius 
Mancinus,  der  bekanntlich  das  Mass  der  Schmach  für  die  Römer  voll 
machte.    Von  ihm  berichtet  der  Pap.  nichts  mehr. 

2.  Die  innere  Geschichte. 

Auf  dem  Gebiet  der  inneren  Geschichte  ist  vor  allem  von  grossem 
Wert  die  genaue  zeitliche  Festlegung  einiger  Ereignisse,  bezw.  die  Be- 
stätigung schon  bekannter  Datierungen:  so  der  Brand  von  Rom  vom 
Jahre  606/148 :  Z.  127—129,  die  Verteilung  der  Kunstschätze  des  Mummius 
erst  während  dessen  Censur  612/142:  Z.  168—169,  dazu  oben  S.  60  u. 
S.  93,  das  strenge  Vorgehen  des  T.  Manlius  Torquatus  gegen  seinen 
Adoptivsohn  D.  Silanus  im  Jahre  614/140:  Z.  178—181  (bei  Fischer, 
Zeittafeln  S.  133  unter  dem  Jahre  613/141),  das  Volkstribunat  von  Scipios 
Gegner  Ti.  Claudius  Asellus  ebenfalls  im  Jahre  614/140:  Z.  182—184 
(bei  Fischer  a.  a.  0.  S.  135:  615/139,  Münzer  bei  Pauly  - Wissowa  IV 
Sp.  1453:  um  617/137),  der  Bau  der  aqua  Marcia  bis  zum  Capitol  hinauf 
in  eben  diesem  Jahr:  Z.  188 — 190,  die  Vertreibung  der  Chaldaei  aus 
Rom  und  Italien  im  Jahre  615/139:  Z.  192,  die  lex  Gabinia  tabellaria  im 
gleichen  Jahr:  Z.  193 — 194,  die  Einkerkerung  der  Konsuln  von  616/138 
durch  die  Volkstribunen:  Z.  202 — 205,  der  Tod  eines  sehr  populären 
Volkstribunen,  die  Bestrafung  von  Deserteuren  aus  dem  spanischen 
Krieg,  endlich  die  Anklage  Scipios  gegen  L.  Aurelius  Cotta  im  gleichen 
Jahr:  Z.  205—211. 

Mit  der  zuletzt  erwähnten  Datierung  stellt  sich  der  Papyrus  in 
direkten  Widerspruch  zu  Ciceros  Angaben.  Dieser  setzt  die  Anklage 
(Div.  in  Caec,  69)  nach  dem  zweiten  Konsulate  Scipios  (620/134),  pro 
Mur.  58  sogar  nach  der  Zerstörung  von  Numantia,  so  dass  nur,  da  Scipio 
bekanntlich  im  J.  625/129  gestorben  ist,  die  Jahre  622/132,  623/131, 


Die  neue  lAvius-Epitomc.  105 

624/130  in  Betracht  kämen. ^)  Handeln  kann  es  sich  bei  dem  Angeklagten 
nur  um  den  Konsul  von  610/144,*)  nicht,  wie  Jahn  zu  CSc,  Brutus  81 
meinte,  den  Konsul  von  635/119.  Dafür  spricht  so  ziemlich  alles,  be- 
sonders der  Umstand,  dass  Scipio  schon  im  Jahre  610/144  während  des 
Konsulates  des  Cotta  sich  als  dessen  Gegner  erweist,  wie  aus  Val.  Max. 
VI  4.  2  hervorgeht.  Man  möchte  daher  a  priori  die  Anklage  nicht  all- 
zuweit vom  Konsulat  des  Cotta  wegrücken,  zumal  es  sich,  wie  aus 
Appian  (6.  c.  I  22)  hervorgeht,  um  eine  Anklage  wegen  Erpressungen 
handelt.  Andererseits  benutzt  aber  Appian  (a.  a.  0.)  diese  Freisprechung 
des  Cotta,  die  nach  seiner  Quelle,  ebenso  wie  diejenige  eines  Livius 
Salinator  und  des  M.'  Aquillius  (cos.  625/129),  durch  Bestechung  der  Richter 
erfolgte,  um  dadurch  den  C.  Gracchus  das  Kichtergesetz  von  631/123«) 
motivieren  zu  lassen.  Von  hier  aus  betrachtet  möchte  man  die  Datierung 
bei  Cicero  für  die  wahrscheinlichere  halten.  Eine  andere  Beobachtung 
führt  uns  aber  auf  die  Ansetzung  des  Papyrus.  Es  ist  bekannt,  dass 
Scipio  im  Jahre  617/137  aufs  energischste  für  die  lex  Cassia  tabeUaria 
eintrat,  die  die  Einführung  der  geheimen  Abstimmung  vermittelst  Stimm- 
täfelchen auch  auf  die  Volksgerichte  ausdehnte.  Bei  Cicero  {de  leg,  lH  37) 
wird  Scipio  von  Q.  Cicero  direkt  als  der  Urheber  der  lex  Cassia  be- 
zeichnet, und  im  Brutus  (97)  tadelt  Cicero  selbst  den  von  ihm  sonst  in 
den  Himmel  erhobenen  Scipio  wegen  dieses  Eintretens  für  das  Gesetz. 
Hier  wird  erzählt,  dass  der  Volkstribun  M.  Antius  Briso  gegen  das  Gesetz 
Einspruch  erhoben  habe,  gestützt  auf  den  Konsul  M.  Aemilius  Lepidus, 
dass  er  aber  von  seinem  Widerspruch  durch  Scipio  abgebracht  worden 
sei.  Von  einem  Eintreten  des  Scipio  zu  Gunsten  der  lex  Gabinia  vom 
Jahre  615/139  wird  dagegen  nichts  berichtet.  Was  hat  den  führenden 
Mann  der  Republik  so  plötzlich  zum  warmen  Anhänger  der  geheimen  Ab- 
stimmung gemacht?  Ich  meine  alles  wird  mit  einem  Schlage  klar,  wenn 
die  Freisprechung  des  Cotta  trotz  der  schwersten  Anklagemomente  (Val. 
Max.:  quamquam  gravissimis  criminibus  erat  confossa)  im  Jahre  616/138, 
wie  der  Papyrus  will,  erfolgte.  Denn  dass  gegenüber  der  Beschönigung 
der  Sache  bei  Cic.  und  Liv.  (offenbar  aus  oligarchisch-annalistischer  Quelle) 
nur  „die  nüchterne  Angabe  Appians,  dass  Cotta  die  Richter  bestochen 
habe",*)  Glauben  verdient,  bedarf  wohl  keines  weiteren  Wortes.  Die 
üble  Erfahrung  in  eigener  Sache  hat  den  Scipio  zum  eifrigen  Vorkämpfer 
der  den  Optimaten  aus  der  Seele  verhassten  geheimen  Abstimmung  (Cic, 
de  kg.  III  33  ff.)  gemacht.  Zu  erklären  bleibt  nur  noch ,  wie  Cicero  zu 
seiner  irrtümlichen  Ansetzung  gekommen  ist.    Dass  es  derselbe,  besonders 


1)  Darnach   Klebe  bei  Pauly-Wissowa  II  Sp.  2484  f.  No.  98,  MUnzer  ebda.  IV 
Sp.  1456;  vgl.  Zur  Gesch,  der  Gracchenzeit  S.  48  Anm.  1. 

2)  So  auch  Klebs  a.  a.  0. 

3)  Über  die  Datierung  vgl.  Zur  Gesch,  der  Gracchemeü  S.  47  f. 

4)  Worte  von  Klebs  bei  Pauly-Wissowa  II  Sp.  2485. 


106  E  Kornemann^ 

in  den  Reden,  mit  der  Chronologie  nicht  genau  nimmt,  ist  allbekannt 
In  unserem  Falle  war  offenbar  die  Pointe  der  ganzen  Geschichte,  dass 
nämlich  die  Freisprechung  wegen  des  grossen  Namens  des  Anklägers  er- 
folgte, die  Ursache  der  falschen  Datierung.  So  entstand  die  rhetorische 
Ausmalung  von  dem  zweimaligem  Konsul  und  dem  gewesenen  Censor  oder 
an  der  zweiten  Stelle  (pro  Mur.  58)  noch  dazu  von  dem  Manne,  der  duos 
terrorcs  huius  imperii,  Karthaginem  Numantiamque,  deleverat.  Schon  diese 
Verschiedenheit  in  der  Angabe  muss  uns  stutzig  machen.  Zudem  habe 
ich  früher^)  die  eben  zitierten  Worte,  die  geradeso  in  de  rep.  171  wieder- 
kehren, als  eine  Lesefrucht  Ciceros  aus  einem  Nekrolog  auf  Scipio  in  seiner 
Quelle  (vgl.  Vell.  11  4.  5)  erwiesen.  Wir  dürfen  also  meiner  Ansicht  nach 
getrost  die  bestimmte  Angabe  des  Papyrus  den  unbestimmten  Redens- 
arten Ciceros  vorziehen. 

Überblicken  wir  zum  Schluss  die  Notizen  des  Papyrus  zur  inneren 
Geschichte  im  Ganzen,  so  können  wir  zusammenfassend  sagen:  Der  Papyrus 
bestätigt  vollauf,  was  Eduard  Meyer  vor  zehn  Jahren  in  den  Worten 
ausgesprochen  hat:^)  „Die  Sonderung  der  äusseren  und  inneren  Geschichte 
und  die  Zusammenfassung  grösserer  Abschnitte  zu  einer  Einheit,  wie  sie 
Mommsen  in  seiner  römischen  Geschichte  durchgeführt  hat,  ist  gewiss 
berechtigt.  Nur  ist  dabei  die  Gefahr  vorhanden,  dass  die  Wechselwirkung 
der  äusseren  und  inneren  Politik  nicht  immer  klar  hervortritt  und  manche 
Zusammenhänge  verschoben  werden;  und  diese  Gefahr  hat  auch  Mommsen 
nicht  immer  vermieden.  In  Wirklichkeit  ist  jeder  neue  Fortschritt  der 
inneren  Krisen  in  der  Revolutionszeit  durch  eine  äussere  Krisis  hervor- 
gerufen worden.  Vom  universalhistorischen  Standpunkt  aus  kann  man 
die  Kriege  nach  der  Schlacht  bei  Pydna  wohl  als  untergeordnete  Kämpfe 
betrachten;  aber  der  Satz,  mit  dem  Mommsen  die  Darstellung  der 
Gracchenzeit  beginnt:  „„Ein  volles  Menschenalter  nach  der  Schlacht  bei 
Pydna  erfreute  der  römische  Staat  sich  der  tiefsten  kaum  hie  und  da 
an  der  Oberfläche  bewegten  Ruhe""  ist  nicht  richtig.  Die  Kämpfe 
der  Jahre  154 — 133  haben  dem  römischen  Staat  viel  mehr 
Noth  gemacht  und  sind  für  ihn  viel  verhängnisvoller  ge- 
wesen, als  die  der  Jahre  200—168."^  Gerade  der  Papyrus  lehrt 
uns,  wie  keine  der  vorhandenen  Quellen,  welch'  üble  Bedeutung  der  lang- 
wierige spanische  Krieg  für  Rom  gehabt  hat,  und  wie  er  der  Angelpunkt 
ist  für  das  Verständnis  der  weiteren  inneren  Geschichte  der  Republik. 
Mit  den  niedergehenden  Staatswesen  des  hellenistischen  Ostens  ist  Rom 
viel  leichter  und  schneller  fertig  geworden  als  mit  den  jugendfrischen 
Völkern  des  Westens.  Die  erste  Krisis,  die  man  bei  der  Entwicklung 
vom  italischen  zum  Mittelmeerstaat  hatte  durchmachen  müssen,  war  der 


1)  Zur  Gesch.  der  Gracchenzeit  S.  11. 

2)  TIntersuchgn.  zur  Gesch.  der  Gracchen  S.  22  Anm.  2. 

3)  Von  mir  gesperrt. 


Die  neue  lAvius-EpUome.  107 

hannibalisclie  Krieg  gewesen,  der  dem  heimischen  Bauernstand,  auf  dem 
Italiens  Blüte  beruhte,  die  ersten  tiefen  Wunden  geschlagen  hatte.  Der 
Siegespreis,  den  dieser  furchtbare  Krieg  für  Rom  brachte,  war  Spanien, 
ein  Danaergeschenk  schlimmster  Sorte,  da  von  hier  aus  die  zweite  Erisis 
heraufbeschworen  wurde,  die  den  Bürgerkrieg  ofCen  entfachte.  Die  Iberer 
sind  für  die  Republik  bis  zu  einem  gewissen  Grade  das,  was  für  die 
Monarchie  die  Germanen  wurden,  ihre  Vemichter  und  Erben.  Soviel 
auch  im  Osten  von  der  Republik  sowohl  wie  von  den  Kaisem  später  ge- 
kämpft worden  ist,  die  grossen  Gefahren  für  das  römische  Staatswesen 
lagen,  seitdem  die  Griechen  und  Karthager  niedergerungen  waren,  bei 
den  Barbaren  Völkern  in  Europa:  „An  den  Opfern,  welche  die  spanischen 
Kriege  fortwährend  forderten,  an  der  Notwendigkeit  hier  ein  stehendes 
Heer  zu  halten,  ist  die  römische  Republik  verblutet."*)  Der  durch  den 
hannibalischen  Krieg  stark  dezimierte,  dazu  durch  die  einseitig  pluto- 
kratische  Entwicklung  der  römischen  Oligarchie  proletarisierte  Bauern- 
stand vermochte  die  Lasten  der  fortgesetzten  auswärtigen  Kriege  nicht 
mehr  zu  tragen. 

So  ist  das  Charakteristikum  dieser  Zeit  der  Kampf  um  die 
militärischen  Aushebungen.  Schon  für  das  Jahr  603/151  wird 
der  erste  Fall  eines  scharfen  Vorgehens  der  Volkstribunen  gegen  die  aus- 
hebenden Konsuln  berichtet:  Per,  48  S.  50  Z.  21—25:  L,  Licinius  Lu- 
culUis  A.  Postumtus  Alhinus  coss.  cum  dilectum  severe  agerent  nee  quem- 
quam  gratia  dimitterent^  ah  tribunis  picbis,  qui  pro  amicis  suis  vacationem 
impetrarc  non  poterant ,  in  carccrem  coniecti  sunt.  Die  Konsuln  mussten 
schliesslich  zur  Losung  an  Stelle  der  Aushebung  schreiten  (App.  Jb.  49). 
Im  Jahre  616/138  wiederholt  sich  dann  dasselbe  Schauspiel,  dass  die 
obersten  Beamten  der  Republik,  die  im  Dienst  der  Vaterlandsverteidigung 
und  der  Staatsehre  ihre  Pflicht  thun  wollen,  durch  die  Volkstribunen  in 
das  Gefängnis  wandern  müssen  und  erst,  wie  uns  der  Pap.  jetzt  lehrt, 
auf  die  Fürsprache  des  Volkes  hin  die  Freiheit  wieder  erlangen:  ein  be- 
redtes Zeugnis  von  der  Ohnmacht  der  obersten  republikanischen  Magis- 
tratur und  der  Allmacht  des  Volkstribunats  schon  damals.  In  dem  Kampf 
der  Inhaber  dieser  beiden  Ämter  beginnt  der  Gegensatz  „der  altrömischen 
italischen  und  der  Reichspolitik"*)  oder  modern  gesprochen  einer  Heimat- 
und  W'eltpolitik  zum  Ausdruck  zu  kommen.  F^  mag  wohl  eine  grosse 
Seltenheit  gewesen  sein,  dass  ein  Konsul  auf  die  Interpellation  eines 
Volkstribunen  so  brutal  reagierte,  wie  Q.  Caepio  gegenüber  Ti.  Claudius 
Asellus,   der  ihn  614  140  am  Ausmarsch  nach  Spanien  hindern  wollt^>.'*) 


1)  Ed.  Meyer  a.  a,  0.  S.  22. 

2)  Ed.  Meyer  a.  a.  O.  S.  22. 

3)  Wesentlich  anders  liegt  doch  der  Fall  im  Jahre  618/136,  da  nach  Val  Max. 
(Ill  7.  5,  vgl.  Camius  Dio  X)ilU  82,  lioiss.  I  S.  326)  die  beiden  Konsalare  Q.  Me- 
tellus  Macedonicas  und  Q.  Pompeias  dem  Aosmarsch  des  Kpnsuls  L.  Furius  Philas 


108  E,  Kamemann^ 

Wie  ein  Blitzstrahl  erhellt  diese  Nachricht  des  Papyrus  (Z.  182 — 184) 
das  Dunkel,  das  bisher  hier  für  uns  herrschte,  ebenso  wie  jene  Notiz  über 
den  Antrag  des  Appius  Claudius  aus  demselben  Jahr,  der  eine  zweimalige 
Aushebung  in  demselben  Jahre  verbot:  Z.  177 — 178.  Wenn  wir  damit 
noch  die  Mitteilung  bei  Appian,  Jb,  78  kombinieren,  wonach  dem  Q.  Pom- 
peius,  ebenfalls  im  Jahr  614/140,  neue  Truppen  nach  Spanien  geschickt 
wurden,  weil  die  alten  schon  sechs  Jahre  unter  den  Fahnen  standen,  so 
ist  es  klar,  dass  die  Frage  des  Truppenersatzes  in  jenen  Jahren  akut 
geworden  war,  und  dass  wir  uns  gewöhnen  müssen,  die  gracchische 
Reform  mit  vom  Standpunkt  der  wieder  zu  gewinnenden  Wehrfähig- 
keit Italiens  zu  betrachten,  wie  das  im  Altertum  schon  Appians  Quelle 
gethan  hat.^) 

Soviel  ist  sicher,  der  Krieg  in  Spanien  war  höchst  unpopulär  in 
Italien.  Die  Qualität  des  Heeres  muss  eine  sehr  minderwertige  gewesen 
sein,  wie  die  öffentliche  Auspeitschung  und  der  Verkauf  von  Deserteuren 
aus  dem  spanischen  Krieg  im  Jahre  616/138:  Pap.  Z.  207 — 209,^)  ebenso 
wie  die  Säuberung  des  Heeres,  die  Scipio  bei  seiner  Ankunft  vor  Numantia 
vornehmen  musste,  beweisen  (Per.  57  Anfang,  App.,  Jb.  85).  Das  war 
aber  kein  Wunder,  da  die  herrschende  Nobilität  ausserhalb  Italiens 
gerade  damals  jegliche  Moral  mit  Füssen  zu  treten  begann.  Die  Folge 
war  zwar  eine  Anzahl  Anklagen  nach  der  Heimkehr,  aber  der  Ausgang 
aller  politischen  Prozesse  der  Zeit  scheint  ein  negativer  gewesen  zu  sein : 
so  bei  der  Anklage  des  greisen  Cato  gegen  Ser.  Galba  im  J.  605/149 
wegen  seines  schmählichen  Verrates  an  den  Lusitanern :  Pap.  Z.  98 — 100 
oder  bei  derjenigen  gegen  L.  Aurelius  Cotta  im  Jalire  616/138,  obwohl 
diese  von  Scipio  Africanus  ausging  (Z.  210 — 211).  Ein  weisser  Rabe 
war  in  jenen  Zeiten  ein  Mann  wie  T.  Manlius  Torquatus,  der  seinen 
Sohn  wegen  Erpressungen  in  Makedonien  selbst  verurteilte  und,  als  er 
durch  Selbstmord  endete,  ihm  nicht  einmal  die  letzte  Ehre  erwies:  Z.  178 
bis  181. 

In  weiten  Kreisen  war  man  des  ewigen  Kriegführens  müde,  da  man 
sah,  dass  Italien  dabei  ruiniert  wurde.  Trotz  alledem  gab  es  für  die 
leitenden  Männer  der  Nobilität  in  dieser  Beziehung  kein  Zurück  mehr; 
vor  allem  war  Scipio  Africanus,  der  führende  Mann  dieser  Epoche  seit 
608/146,  „der  geborene  Vertreter  der  Eeichspolitik"  ,'^)  so  tief  er  auch 
die  Schäden  dieser  Politik  durchschaut  hat.    Zugleich  wurde  er  seit  seiner 

Wideretand  entgegensetzen.  Hier  ist,  abgesehen  von  der  SteUung  der  dazwischen- 
tretenden Personen,  die  Ureache  und  die  Lösung  der  Sache  eine  andere.  E^  spielt 
nämlich  hier  persönliche  Feindschaft  herein,  und  der  Konsul  überwindet  den  Wider- 
stand seiner  Gegner  durch  die  schlaue  Massregel,  dass  er  die  beiden  zu  seinen  Legaten 
ernennt  und  sie  mitzugehen  zwingt. 

1)  Vgl   die  vortreffliche  Analyse  dereelben  bei  Ed.  Meyer  a.  a.  0.  S.  ISflf. 

2)  Vgl.  dazu  Polybios  XXXV  4  zum  Jahre  603/15L 

3)  Ed.  Meyer  a.  a.  0.  S.  22. 


Die  neue  Livius-Epitotne.  109 

Censur  von  612/142,  die  er  mit  grosser  Strenge  verwaltete,^)  in  die  prin- 
zipiellen und  persönlichen  Gegensätze  der  inneren  Politik  verwickelt. 
Hass  und  Neid  hefteten  sich  an  die  Sohlen  dieses  für  eine  oligarchische 
Gesellschaft  zu  schnell  emporgekommenen  Mannes.^)  Die  Strenge  während 
seiner  Censur  brachte  ihm  im  Jahre  614/140  eine  Anklage  des  Volks- 
tribunen Ti.  Claudius  Asellus  ein,  dem  er  das  Ritterpferd  genommen  hatte. 
Während  er  hier  Sieger  blieb,  scheiterte  er  zwei  Jahre  darauf  als  An- 
kläger gegen  Cotta.  Infolgedessen  ist  er,  wie  wir  schon  sahen,  durch 
Unterstützung  der  lex  Cassia  der  Reformpartei  in  der  inneren  Politik 
näher  getreten.  Aber  in  der  äusseren  trennte  ihn  so  gut  wie  alles  von 
dieser  Partei.  Das  zeigte  sich  im  Jahre  618/136  bei  den  Verhandlungen 
über  das  foedus  Mancinum,  Hier  tritt  zum  ersten  Mal  Ti.  Gracchus 
politisch  hervor  als  Führer  der  Demokratie  aber  zugleich  einer  einsei- 
tigen Heimatpolitik:  er  plädiert  für  Mancinus  und  seinen  traurigen  Ver- 
trag, bei  dessen  Abschluss  er  selbst  mitgewirkt  hatte.  Diese  Politik 
konnte  Scipio,  schon  mit  Rücksicht  auf  die  Traditionen  seines  Hauses  und 
seine  eigne  Vergangenheit,«)  nicht  mitmachen,  und  da  er  den  Senat  liinter 
sich  hatte,  siegte  er.  620/134  wird  er  zum  zweiten  Mal  Konsul  und  ist 
ausser  Karthagos  auch  noch  Numantias  Henker  geworden.*) 

Aber  schon  lag  der  Schwerpunkt  nicht  mehr  auf  der  äusseren,  sondern 
auf  der  daraus  entstandenen  verwickelten  Situation  der  inneren  Politik. 
In  demselben  Jahr,  da  Numantia  fiel,  schnitt  Ti.  Gracchus  das  schwierige 
Problem  der  italischen  Agrarpolitik  an.  Der  zwiefach  lorbeergeschmückte 
Sieger  von  Karthago  und  Numantia  konnte,  so  sehr  er  der  extrem- 
oligarchischen  Partei  Feind  war,  den  Anschluss  an  die  immer  radi- 
kaler werdende  Demokratie  nun  erst  recht  nicht  mehr  gewinnen.  Er  ist 
als  Vertreter  einer  mittleren  Richtung,  wie  das  in  Revolutionen  zu  ge- 
schehen pflegt,  zwischen  den  Extremen  zerrieben  worden.  Sein  Tod  im 
Jahre  625/129,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  gewaltsamer,^)  hat 
die  vorhandenen  Gegensätze  nur  noch  verschärft.  Die  innere  Reform- 
bewegung, die  der  spanische  Krieg  zum  offenen  Ausbruch  gebracht  hat,  ist 
nicht  wieder  zur  Ruhe  gekommen,  bis  eine  andere  Verfassung  dem  Staate 
wurde,  die  zu  seinem  neuen  Wesen  besser  passte.  Aber  sowohl  die  Demo- 
kratie wie  die  aus  ihrem  Schoosse  geborene  demokratische  Monan^hie 
liaben  schliesslich  Scipios  Erbschaft,  die  energische  Durchführung  der 
Reichspolitik,  übernehmen  müssen.  Der  Mann  jedoch,  der  nach  aussen 
in  schwerer  Zeit  Rom  gelenkt  und  seinem  grösseren  Reichsbau  im  Westen 

1)  Caaeiiis  üio  XXII  76,  Boiss.  1  S.  322. 

2)  Cic,  de  rep.  I  31. 

3)  Sehr  richtig  sagt  Ed.  Meyer  a.  a.  0.  S.  22:  »Der  Conflikt  ist,  wie  jeder  innere 
Kampf  in  einer  Aristokratie,  zugleich  ein  persönlicher  und  ein  politischer.* 

4)  Die  Worte  im  Anschluss  an  Ed.  Meyer  S.  22  Anm,  3. 

5)  Zur  Gesch,  der  Gracchemeit  S.  9  ff. 


110  E,  Komemann, 

die  stärksten  Pfeiler  eingesetzt  hat,  ist  von  der  inneren  Krisis,  die  daraus 
hervorging,  verschlungen  worden,  genau  so  wie  später  Julius  Caesar,  sein 
grösster  Nachfolger  in  der  äusseren,  aber  sein  Antipode  in  der  inneren 
Politik.  Denn  während  jener  seinen  Zeitgenossen  im  Innern  zu  weit 
zurückgeblieben  war,  eilte  Caesar  zu  weit  voraus.  Und  doch  sind  beide 
zusammenzustellen  als  die  grössten  Märtyrer  dieses  aristokratischen 
Staatswesens,  das  Jahrhunderte  lang  das  Emporkommen  Einzelner  zu 
verhindern  gewusst  hat,  das,  wie  kaum  ein  zweites  auf  Erden,  zwar 
nicht  Massen-,  aber  Geschlechtergeschichte  in  schärfster  Ausprägung 
bietet. 

Nachträge: 

Zu  dem  Text  macht  K.  Fuhr  in  der  Berl  Phil  Wochenschr,  No.  37 
(10.  Sept.  1904)  Sp.  1183  einige  Vorschläge,  die  z.  T.  sich  mit  den 
meinigen  decken,  z.  T.  ihnen  nahekommen.  Von  den  übrigen  er- 
wähne ich: 

Z.  93 f.:  Roman[o5  muro]s  [transgressos]  pepulerunt. 
Z.  108:  Pseudophilippus]  in  ultim[a]m  c[alaniitatem  deductus. 
Z.  122 f.:  Zfajsdrubal,  quod  adfinis  Masiniss(ae)  erat,  [suspicionc  or]ta 
subsellis  o<c>ci<Ä>us  est. 

Zu  S.  34:  Die  Beziehung  von  fr.  a  auf  das  5.  Konsulat  des  Marius  hat 
auch  Fuhr  erkannt,  ohne  allerdings  die  Stelle  aus  Val.  Max.  heran- 
zuziehen. 

Zu  S.  36  u.  76:  Über  vastarc  mit  Völkernamen  in  der  silbernen  Latinität 
vgl.  auch  WölfQin,  Archiv  XIH  S.  178. 

Zu  S.  76  per  arma :  Der  Pap.  zeigt  überhaupt  eine  starke  Vorliebe  für 
per-,  vgl.  das  Wortregister  s.  v. 

Zu  S.  88  (auch  S.  69) :  Über  die  in  der  Livius-Epitome  des  ersten  Jahr- 
hunderts verarbeitete  Nebenquelle  spricht  sich  Wölfflin  jetzt  im 
Archiv  XII  S.  146  u.  336  f.  etwas  vorsichtiger  aus.  Er  hebt  nur 
hervor:  „Das  Programm  dieser  Zusätze  lautete:  in  maiorem  populi 
Eomani  gloriam."  Seine  instruktiven  Aufsätze  Epitomc  im  Archiv 
XII  S.  333—344  und  über  das  breviarium  des  Festus,  ebda,  XIII 
S.  69—97  u.  S.  173—180  sind  bei  der  Betrachtung  des  Stemmas 
0.  S.  88  zu  berücksichtigen. 


Zeittafel 

rar  die  Jahre  «04/150— »17/137  »uf  Grund  des  neuen  Chronlkons.') 


1)  Die  leither  anbekannten  oder  fiftiach  datierten  Ereignime  sind  in  Sperrdrack 
gegeben. 


112 


E.  Komemann, 


1 

Äntsere 

Jahr 

KanBulit 

1 

1 

j3_ 

Afrika          1  BalkanhalbjiiBel  |           Asiet» 

1 

604/150 

T.  Qttinctius 

Flauüninus 

M/  Acilius 

Baibus, 

48 

Ende  des  Krie* 

ges  des  Masi- 

nissa  gegen 

Carthago. 

Z,  88. 

605/149 

L.  Marcius 

,  49  i  Beginn  des  3. 

Erhebung  des 

Censorinus 

punischen 

Andriskos 

M/  Maniliua, 

Kriegs.   Über- 

(Pseudophilip- 

Z.  88, 

gang  der  Uti- 
censer  zu  den 
Kömern.     Ab- 
lehnung des 
rdm,  Ultima- 
tums durch  die 

pus)  in  Make- 
donien. 
Z.  100-102. 

Carthagen 
Thaten   des 

jungen   Scipio 

• 

Aemüianus. 

Z.  80-97, 1 

- 

Tod  des  Prii- 

SO 

Vertreibung 

des  Pseudo- 

sias    von  Bi- 

! 

philipp.  aus 
Thessalien  mit 

Hülfe  der 
grieeh,Bundes- 

genossen. 

Z,  107-108 

thynien     und 
Erhebung  des 

Ni(!omede.s.    ' 

z.  109-no 
Biim.Gesandt- ; 

Schaft  nach 
Bithynien  und  1 

Perganion*    | 

Z.  110-118.     1 

600  MS 

S]K  PoKtuuiius  1^     1 

Tod  des  Ma-    Niederlage 

Älbinus 

1 

sini^sa    und 

deiä    Praetor 

L,  Calpumius 

Teilung  sei- 

Juventius in 

Piso, 

nes   Reiches 

Thessalien. 

1 

Z.  117. 

1 

durchScipio. 

Z.  118-120. 
Tod  des  Mar- 
cellnSyeiBesder 

Z.  12Ö, 

Besiegung  und 
Gefangen- 
nahme des    ; 

1 

Die  neu«  Liviua-Epitome. 


113 


(beschichte 

Spanien 

Imsare  Oeftchiehte 

Citerior 

Ulterior 

VeiTätischer  Über- 
fall des  Sei\  Sul- 
picius  Galba    und 
Niedermetzelung 
der  LTisitaner. 

$iuprum  des  C,  Cornelius 
Cethegtis. 

ABgeblich :  Feier  dar  Saeknlar- 
spiele  zum  4.  Mal 

Z.  103—105. 

Anklage  des  Galba  wegen  seines 

Verrates  an  den  Lusitanern   und 

Freisprechung  desselben. 

Z.  97-100, 

'I  Ausspruch  dej5  Cato  über  die  fte- 
I,      sandtschaft  nach  Bithynien. 

Z.  114-115. 

stujfrum  des  M.  Scantius. 
z.  li5-iir>. 


Wahl  des  Scipio  Aemilianus  zum 
Konsul. 

Z.  123-124. 

Brand  in  Rom,  wobei  die  Regia 

eingeäschert,   aber  das  sacrarinm 

Opis  gerettet  wird. 

Z.  127—129. 


KorseniftOD,  Die  neoe  Livios-EpHone. 


114 

E.  Komtimann. 

I 

AuBsere 

Jahr 

Konsul  u 

5 

9 

Lii 

Afrika          i  Balkanhalbinsel 

Asien 

'!     l!  Gesandten   an 

Pseudophilip- 

■ 

Masinissa. 

pus  durch 

li 

Z.  121-122. 

Q.  Metellus 

! 

Erschlagung 

(darnach  ge- 

1 

des  carthag. 

nannt  Mace- 

'1 

Feldherrn 

donicus). 

1 

i 

Hasdrubal. 

Z.  127. 

li 

ij 
i'' 

Z.  122-123. 

1, 

1 

1 

Angeblich:  Er-; 

1 

folge  der  Rö- 

1 

mer  in  Afrika. 

1 

1 

1 

Z.  125. 

607/147 

P.  Cornelius 

51  j    Grausames 

Beleidigung 

il 

Scipio  Aemili- 

Wüten    gegen 

der  römischen 

i| 

anus 

die   römischen 

Gesandten  in 

C.  Livius 

Gefangenen 

Korinth. 

j 

Drusus. 

seitens  des 

Z.  135—136. 

Z.  131. 

Punier. 

Z.  182-133 

EinSchliessung 

1 

1 

Carthagos 

II 

durch  Scipio;  | 

häufige  Ge-                             i 

1 

fechte. 

1 

1 

1 

1 

1      1 

Z.  133     134. 

1 

1' 

G08/14G ' 

Cn.  Cornelius  '      i     Zerstörung                             ' 

Lentulus             von  Carthago. 
L.  Mummius.             2:.  138-139 

Z.  137.                 Flammentod                            ' 
i         von  Hasdru- 

bals  Gemahlin. 

Z.  139—142. 

1 

1  52                           Zerstörungvon ' 

Korinth  durch 

Mummius.     i 

1 

, 

Z.  145.          ! 

It                                Tod  des  Diaeos' 

'                                   und  seiner 

Frau. 

1 

Z.  145-146. 

Di«  neue  Liviuit-Epitome. 


115 


CreiQliielite 

Bpaniett 

lüDere  Getehichte 

Citerior 

■ —- ^- T 

UHerior 

Niederwerfung 
der  Lusitaner 
durch  den  Prae- 
tor C.  Vetilius. 
Z.  136  (App.,  Jö.  61). 

Wahl  des  Viri-: 
athus  zum  Ober- 
feldherrn der 
Lusitaner. 

App,,  JL  62. 

,,     8piele  des  Hcipio  Aemilianun, 


MehrereNieder- , 
lagen  der  Römer . 
durchViriathusJ; 
sicher  die  desll 
Praetor  0.  Veti-;! 
lins,  wahr-  , 
scheinlich  auch 


ii6 


E.  Kornemann, 


Jahr 


Kansnln 


I 

3 


Ü09  145'     Q.  Fabius 

Maximiis 

'    Äemilianus 

L.  Hostüius 

Mancinim. 

z.  149, 


CIC»  144    Sen  Siilpidus 
Galba 
L»  Äurelius 
I        Cotta, 
55.  152. 


Äa»«ere 


Afrik:!  '  B^lkanhaibiDiel 


Gl  1/143     Q,  Caeciliiis     53 

MeteUus 

I  Macedonicus  i 

I  Appius  Clau-  ' 

dius 

Pulcher.      j 

Z.  160.  I 


Äiioii 


ImSeleukiden- 
mch  Kämpfe 
zwischen  De- 

1  Diodotos  Try- 

phon(fiirAnti* 

I    ochos  VI.),    ] 

'     Z.  157     158, 


! 


I 


Gl 2/142     L.  Caecilius 

Metellus 

Q.  Fabius 

Maximus 

Servilianus 

(fehlen  auf  d. 

Pap.). 


Die  funic  lAvias-Ejntome. 


117 


Geschichte 


SpaDien 


Innere  beschichte 


Citerior 


Ulterior 


des    Praetor 
Plautius. 

Z.  147—148. 


c. 


Sieg    des    Praetor 
C.  Laelius  über  Vi- 

riathus. 
Cic,    de    off,     II  40, 
Brutus  84,  Lael  96. 


Niederlage    des 
Praetor  Clau- 
dius    Unimanus 
durch  Viriathus. 

Oros.  V  4.  3,  vgl.  Flor. 

133. 16,  Pseudo- Victor 

71.  1. 

Sendung  des  Kon- 
suls Fabius  Aemili- 
anus  nach  Spanien. 
Z.  151. 


Niederlage    des 
Praetor  C.  Nigi- 

dius? 
Pseudo- Victor  71.  1 


Statthalter:  Q. Fa- 
bius Max.  Aemili- 
anus  als  Prokonsul 


'  Wahl  des  Q.  Metellus  Macedonicus 
i|zum  Konsul  nach  zwei  Wahlnieder- 
'  lagen, 

i  Z.  153-156. 


Statthalter:  Der 
Konsul  Q.  Metellus 
Macedonicus.  Er- 
oberung von  Con- 
trebia. 

VclLII5.2.Flor.I38.10. 

Schonung  von  Gen- 
tobriga mit  Rück- 
sicht auf  Retho- 
genes. 

Z.  161—163. 


Statthalter:  Nach! 
App.,  Jb.  66  ein.. 
Praetor  Quinctius.'! 


Q.  Metellus  Mace-jDer  Konsul  L. 
donicus  als  Pro-  Metellus:  Nie- 
konsul:   Helden-      derlage  des- 


thaten     des 
Occius. 
Z.  164-166 


Q. 


selben  durch  die 

Lusitaner. 

z.  167. 


Censur  des  Scipio  Aemilianus  und 
L.  Mumnuus.  Während  der- 
selben Verteilung  der  korinth. 
Beute  durch  Mummius  in  Rom 
und  Italien. 

Z.  168—169. 


118 


£.  Korfusttiann^ 


Konsul  D 

1 

AusAcre 

Jahr 

Afrika            Balkaohalbbiel 

Alien 

j 

613/141 

Cn.  Servüius 

Caepio 
Q.  Pompeiüs. 

Z.  170. 

54 

Niederlage 
derRömerim 

Skordisker- 
land. 

2.  174/5 

(314/140     Q,  Servüius 

Caepio 

C,  Laelius 

Sapiens, 

Z.  17§. 

, 

Die  neue  Liviu^EßUome, 


119 


Geschichte 


SpADiea 


latitire  Geicfaichte 


CiteHor 


Ulterior 


Der  Konsul  Q.  i^om- 
peios. 


y.  i«  abius  Maxi- 
mus Serviliaiius 
als  Prokonsul: 
Sieg  desselben  über 
die  Lusitaner  und 
Viriathus. 
Z.  171—172 

Heldenthat   des 

C.  Fannius. 

App.  67. 


Niederlage  des 

Konsuls   Pompeius 

durch  die  Numan- 

üner. 

X   174 

Zug  d^selbeii 

gegen  Termentia, 

Per.  54>    App>  77. 


Q. 


als 


Pompeius 
l^rokonM: 
Schimpflicher  Frie- 
de   desselben    mit 
den    Numanünem. 
Per.  54. 


Zunächst  Q.  Fa- 
bius  Max,  Servi- 

'  Hanns   als   Pro- 
konsul:    Nieder- 
lage desgelben 

!   durch  Viriathus 

\   und  ungünstiger 

i  Friede. 

I         Z.  185-186. 
Heldenthat    des 
Q.  Occius. 

Z.  186-188. 

In  der    zweiten 

Hälfte  des 
Jahres  der  Kon- 
sul Q.  Servilius 
Gaepio. 
V^i.  z.  183. 


Antrag   des   Äppius  Claudius 

gegen  zweimalige  Aushebung 

in  einem  Jahre. 

Z.  177-178. 

Verurteilung  des  J>.  Silanus  durch 

seinen  Vater  T.  Manlius  Torquatos. 

%.  178-18L 

Interpellation   des   Volkstri- 
bunen   Ti.    Claudius    Asellus 
beim  Ausmarsch  des  Konsuls 
Caepio  (nach  Spanien). 
Z.  181—184. 
Bau  der  aqua  Marcia  aufs 
Capitol  hinauf. 
Z.  188—190. 


120 


E.  Kommmnn^ 


J&W 


Kansüln 


£3 


Auitere 


Afrika  ßalk&filia.tbm9el  i  Ail«t 


615  139    Cii,  (oder  L) 
Olpnmias 

H.  PopUlitB 
Laenas. 
z.  IdL 


616/138 


P.  Coineliiis 
Bcipio  Nagica 

Serapio 
D«  Junius 

BrutTxa 


55 


Diodotos  Trj"- 

pbon  tötet 

fieineuMfiiidel; 

AßticHrhos  VI 

und    bemä4!h- 

t%t  sich 

^riens. 

(Falsche   Da* 

tiemng;  aber 

so  schoE   bell 

livius). 


617  137     M.  Aemiliiis 
Lepidiis 
C.  HostiUuB 
Maöcinas. 

Z.  215. 


Die  twue  lAvit^s-Epitomc. 


121 


Geschichte 


Spanien 


Citerior 


ülterior 


Innere  Geschichte 


Der  Konsul  M.  Po- 
pillios  Laenas:    | 
Sein  Kampf  gegen  | 
Viriathus. 

Diodor  XXXm  19 

Flor  183. 17.   Pwudo- 

Victor  71.  2. 


Q.  Servilius  Caepio 
als  Prokonsul: 

Revolte 
seiner  Reiter. 

Z.  195—196. 

Ermordung    des 

Viriathus. 

Z    197—198. 


Vertreibung  der  Chaldaeer  aus  Rom 

und  Italien. 

z.  192. 

Ux  Gabinia  tabeUaria. 

Z.  193—194. 


M.  Popillius  Laenas 
als  Prokonsul:  Nie- 
derlage desselben 
seitens  der  Numan- 

tiner. 

z.  212. 


Ablehnung 

einerBelohnung 

an    die    Mörder 

des  Viriathus. 

Z.  201-202. 

Durch  den  Konsul 

Decimus  Brutus 

Unterwerfung  Lu- 

sitaniens. 

z.  212. 


I  Einkerkerung  der  Konsuln  durch 
'|die  Volkstribunen  S.  Licinius 

und  C.  Curiatus. 
jl  Z.  202—205. 

II  Tod  eines  sehr  populären 
!•  .  Volkstribunen. 

Z.  205—207. 

Bestrafung  der  Deserteure  aus  dem 

spanischen  Krieg. 

Z.  207-209. 
AnklageScipios  gegenL.Cotta. 

Z.  210—211. 


Statthalter:      Der 

Konsul  C.  Hostilius 

Mancinus. 

App.  80. 


Der  Prokonsul  D. 
Brutus  überschrei- 
tet zum  ersten  Mal 
den  Fluss  Oblivio. 

Z.  216-217. 

Feldzug  desselben 
gegen  die  Bracarer 

u.  Callaeker. 

App.  74.  75.  M. 


122 


Register. 


I.   Wortregister. 

Die  Zahlen  Yenreisen  aaf  die  Zeilen  des  Pspyrns. 


a  25,  43,  56,  97,  164,  167,  185,  a{n}  174, 

212. 
ab  33,  a[6]  195. 
abire  26. 

abdstere,  »[bstitit]  168. 
accipere  49,  148,  165,  175.    cladem  acci- 

pere  49,  148,  175. 
accusare,  [accu]ukT[et]  210. 
accasatio  9. 
ad  16,  110,  121. 
addicere,  B[ddt]ctAm  85. 
adfinis  122.  I 

admittere  15/6. 
aduenuB  83,  151. 
aedes  188. 
ager  75. 
alius  92. 
amicitia  165/6. 
annus  177. 
aqua  188. 
anna  102. 
athleta  42. 
aurum  15. 
auxiliate  (?)  90. 

basilica  (uasilica)  57. 
beilum  68,  89. 
h[ene]  216. 
benigne  90. 

caedere  1,  126,  171,  208. 
canere  62. 
capere  12,  127. 
captiuus  14,  132. 
Caput  16,  112. 
carcer  204. 


Carmen  105,  189. 

ccd  (?)  51. 

censor  56. 

censura  8. 

centurio  15. 

certamen  42. 

circa  169. 

circumacribere  39. 

clades  175. 

clano  .  . .  196. 

cogere  32,  73. 

coire,  co[e]vLu[te  207. 

coUocare  204. 

comitium  208. 

com[mendare]  oder  coiD[plecii]  100. 

commodum  206. 

competitor  9. 

con^lecti]  y.  eom[mendare], 

conferre,  conl[ata]  47. 

conpositum  9. 

consul  (CO«.)  19,  24,  30,  36,  52,  74,  81,  93, 

103,  117,  131,  167,  170,  174,  176,  182, 

222,  230. 
consulatuB  153/4. 
conftultare  181. 
contendere  158. 
contra  189. 
conubium  17. 
cor  115. 

creare,  [creaf  jus  124. 
creber  134. 
crimen  72. 
crudelissime  132. 
cruentuB  18. 

cum  (Coni.)  33,  202,  210. 
cum  (Praep.)  77,  186. 
cttjstodia  224. 


Beyistcr. 


123 


d(?)  51. 

damnare  28,  51,  86,  179. 

dare  8,  6,  17,  166. 

de  88,  179. 

decedere  119. 

dedicio  91. 

deducere  7. 

defoimis  185. 

deprehecidere  116. 

deiertör  207/8. 

di^iderare  53. 

detutere,  [de8tü{\i  10. 

deoincere  164,  174,  185. 

dextra  166. 

dicere  114. 

dies  25,  180. 

dim  . . . .  64. 

dimicare  (dimicari?)  125. 

diripere  139. 

distribuere  120,  169. 

domuB  180. 

donam  165. 

duo  141,  177. 

edere  43. 

ewe  3,  5,  17,  68,  80,  97,  110,  111,  122. 

123,  125,  188,  214. 
et  18,  21,  31,  87,  39,  82,  103,  169,  192. 
euincere  177. 
ex  20. 

exerdtm  96,  126. 
exoriri  89. 
expirare  207. 

facere  47,  104,  186. 

faimlia(?)  218. 

fem  109(?),  116. 

fides  95. 

filins  100,  101  (phUium),  120,  141,  179. 

fingere  72. 

flamen  4. 

flem  100. 

flumen  217. 

fbrÜBsime  187. 

forum  68. 

fraffmen]iaL  123. 

fugare  49,  172. 

fogieni  71. 

fonebrif  60. 

fojias  179. 

fatunu  68. 

gladiatorius  54. 
gladios  164. 


habere  115,  178. 

homo  (homini,  Nom.  Plur.?)  51. 

hostiM  186. 

idem  180. 

in  5,  13,  44,  63,  71,  75,  91,  92,  108,  111, 

116,  125  (in  Africa{m}),  132,  174,  180, 

188,  204,  208,  216. 
inde  (inde  legem?)  182. 
incendium  128. 
mdicimn  40. 

i»fijuanimre(?),  [fn//aiitinalui8w.'t  139/40. 
irigeiiuai  85. 
inndiae  187. 

int 34. 

in[ter]  69. 
intercedere  27. 
interease  180. 
interfector  201. 
interpellare  183. 
inuisaa  155. 
is  16. 
iterum  8. 
iubere  91. 

iudicium  v.  iudicium. 
iugulare  198. 

laur]uB  128. 

legatio  114. 
:  legatm  111,  121,  185. 

legitimai(?),  [legü]lmu  120. 

lex  (inde  legem?)  182. 
I  Über  11,  66,  87,  178,  199. 

liberare  14,  97. 

üben  118,  162. 

lictor(?)  184. 

looani(?)  90. 
iocuf  92. 
luetn«  207. 
ludof  46,  60. 

magistratni  79. 
magnitndo  211. 
manm  55. 
mare  71. 
mater  89. 

maximuB  8,  4,  128. 
va[emoria]  147. 
meretrix,  \wieretri\ee  87. 
minari  8. 
nüttere  121. 
mo[^'(?)  92. 


124 


Register. 


multa  205. 
munire  31. 

ne  26,  177. 
nee  —  nee  115. 
negare  202. 
nobilu  14. 
nomen  211. 
non  133,  ISO,  228. 

obieere  196. 

obsidere  j83. 

oecidere  16,  123  ({8}o<c>ei<«>u8),  146,  164, 

213/4. 
oceupare  102. 
omnis  91,  207. 
oportet  104. 

ornare,  [omajuit  169. 

pater  73. 

pati  15. 

pax  3,  6,  186. 

peeunia  47. 

pellere  94. 

per  20,  30,  73,  98,  102,  107,  120,  138,  194. 

perdomare  81. 

per<f>urium  147. 

persoluere  35. 

persuadere  45. 

pes  115. 

petere  8,  79,  156. 

planus  y.  primus. 

plebs  27,  78,  183,  204,  206. 

podagricus  112. 

ponere  61,  110(?). 

pontifex  maximuB  4,  59. 

populus  107,  205,  206. 

poseere  16. 

post  46. 

potestas  142. 

potiri  110?  (v.  ponere),  214. 

prae^a  20. 

pr(aetor)  4,  135. 

prex  205. 

primum  43. 

primus  (v.  planus)  217. 

pro  206. 

produeere  99. 

proelium  13,  18,  134. 

profeetio  183. 

proficisei  5. 

propositum  163. 

prospere  125. 


pugna  111. 
pupillus  37. 

qua\Te  133. 

-que  16,  165,  180,  214. 

qui  15,  22,  26,  35,  38,  100,  101,  104,  119, 

189,  143,  155,  164. 
quod  4,  53,  84,  122. 
quondam  113. 
quot  78. 

reddere  184.  • 

redire  33,  45,  93. 

referre  40. 

refifDiim  U9/2D. 

relinquere  119. 

remittere  165,  205. 

repul8a(?),  [repuls]fim  116. 

res  216. 

respondere  114,  181. 

reuoeare  26. 

reus  99. 

rex  6,  110. 

sacrarium  127. 

8aecula]res  (ludi)  103. 

sagulum  165. 

seriba  75. 

se  101. 

seneetus  118. 

Signum  168. 

singuli  209. 

8oei(?)  128. 

soeius  107. 

{8}o<c>ci<«>U8  123,  V.  oceidere. 

speetaeulum  54. 

statua  168. 

stolidus  113. 

strages(?)  (strigem)  184. 

stuprare  85. 

stuprum  116. 

subigere  42,  136. 

subsellium  123. 

8u£fragium  194. 

8UU8  58,  55,  179,  180,  184. 

tabella  194. 
tabemaeulum  61. 
tabula  168. 
terrere  184. 
tertius  89. 
test]a  118. 

togatus(?),  [eo^ajtis  35. 
tollere  41. 


Register. 


125 


transferre  35,  92(?). 

trannre  217. 

tribonus  plebis  27,  78,  183,  204,  206. 

triumphare  34. 

tutor  39. 

uasilica  (=  basilica)  57. 
aastare  13,  83,  157,  212. 
oates  62. 
uel(?)  69. 
ueneficiom  51. 
ucnire  (ueneo)  209. 


uenire  (uenio)  91. 
uerna  193. 
uexare  167. 
uir  16. 
uirga  208. 
uirtus  96. 
uis  15. 

ultimuB  108,  118 
uotiuuB  46/7. 
uoaere  188. 
urbs  192. 
uxor  140,  146. 


Eigennamen: 


Achaei  18,  135. 

AciliuB  [Glabrio]  7. 

Aebutios  38. 

Aemilia  (via)  31. 

Aemilianus  95,  120,  «^e>milia{an}num), 

123. 
Aemilius  143,  L.  Aemilius  67,  M.  Aemi- 

liu8  215. 
Africa  125. 
Africanus,   P.  Cornelius  Scipio  A.  (xnaior) 

25,  (minor)  210. 
Ambracia  12. 
A{n}nio  188. 

Antiochus  (III.)  6,  (VI.)  213. 
Appiti8(?)  132  V.  captiuus. 
Appiofl  Claudius  48,  177. 
A«eUu8,  Ti.  Claudius  A.  182. 
Attalus  110. 
Audaz  197. 
A(ulu8)  76,  112,  193. 

Baccha<n>alia  40/1. 

Baebius,  Cd.  Baebius  67,  M.  Baebiu«  74. 

Bithjnia  110., 

BoiuB  5^. 

<Äm>onia  7. 

Brutus  203,  216. 

C.  (=  Gaius)  30,  76,  84,  191,  216. 
Caepio,  Cn.  Caepio   170,   Q.  Caepio  176, 

182,  Q.  Seruilius  Caepio  195. 
Campani  17. 
Capitolium  189. 

CarthagiDien8es(Chartaginionte8)  22, 83,  90; 
Carthago  132,  134. 
Cato,  M.  Cato  56,  114. 
Ccnsorinus  88. 
CVÄJegus  84. 
Chaldaei  192. 


I  Charidemus  98. 

Claudius,  Appius  Claudius  48,  177,  M.  Clau- 
dius Marcellus  58,  P.  Claudius  Pulcher 
50,  TL  Claudius  AseUus  182. 

Cn.  (=  Gnaeus)  2,  67,  137,  170,  191. 

Corintbius  168. 

Corintbus  185,  145. 

Cornelius,  C.  Cornelius  Cetbegns  84,  Cn. 
Cornelius  187,  L.  Cornelius  Scipio  27, 
45,  P.  Cornelius  Scipio  v.  Scipio. 

Cotta,  L.  (AureliuB)  Cotia  210. 

Crassus,  P.  Licinius  Crassus  59. 

D(ecimu8),  D.  Silanus  178,  D.  Junius  (Bru- 
tus) 200,  Decim(us)  Brutus  203,  Decimus 
Brutus  216,  P.  Decim(a)?  84. 

Diodotus  218 

Ditalco  197. 

Fabius,  Q.  Fabius  4,  Q.  Fabius  Maximus 
(Aemilianus)  149,  (Seroilianus)  171,  185. 

Fafecenta]  87. 

FltL[mininus]  52. 

Flanunius,  C.  Flaminlus  24,  30. 

Fuluius,  Q.  Fuluius  81,  Fuluius  Nobilior 
43,  82. 

Gabinius,  A.  Gabinius  198. 
Galba,  Ser.  (Sulpicins)  Galba  152. 
Galli  44. 
GalUa  52. 
Gallograeci  13,  33. 
Gallograecia  20. 

HAn[nihaI\  64. 
Hasdrubal  122. 
Hispala  Faecenia  37. 
Hispani  41,  77. 
Hispania  1,  216. 


126 


Begister. 


Hostilius,  A.  Hostilius  Maocinos  112,  C.  Hob- 
tilins  Mancinus  215. 

Itaita  44,  192. 

JunioB,  D.  JuniuB  (Brutus)  200,  y.  203,  216. 

Lacedaemonii  18. 

Laelius,  C.  Laelius  Salassus  (statt  Sapiens) 
176. 

Latin!  32. 

Lentulns,  P.  ((Cornelius)  Lentnlus  74. 

Lepidinus,  P.  Lepidinus  (statt  Licinins)  3. 

Lepidus,  M.  Lepidus  82. 

Lidnius,  P.  Licinius  Crassus  59,  y.  Lepi- 
dinus, S.  Licinius  203. 

Licinus,  L.  Porcius  Licin{i}us  50. 

Ligures  80,  49,  77. 

Iiijt<«>rnum(?)  26. 

Liuius,  C.  Liuius  19,  L.  Liuius  (statt  Vil- 
Uus)  78. 

L(uciu8)  21,  27,  45,  52,  75,  78,  88,  113, 
145,  152,  158,  210. 

Lnaitani  6,  83,  98, 136, 167,  171,  187,  212. 

Macedönia  179. 

Mancinus  112,  215,  y.  Hostilius. 

Manillns,  M.  (statt  M.')  Manilius  88,  103, 

y.  Manlius. 
Manlius,  Cn.  Manlius  2,  L.  Man{i}lius  21, 

L.  ManUus  81,  L.  Manfijlius  Yolso  113, 

T.  Manlius  Torquatus  178. 
Marcellus  44,  M.  Claudius  Marcellus  58. 
Marcius  103,  L.  Marcius  Censorinus  88. 
M(arcu8)  58,  74,  82,  111  (Marc[i«s]),  114, 

115,  150,  215. 
Masinissa  121,  122. 
Maximus  149,  171,  185,  y.  Fabius. 
Metellus  127,  167,  L.  (statt  Q.)  Metellns 

153,  Q.  MeteUus  160. 
Minucius,  L.  Minucins  Myrtilus  21. 
Minurus  197. 

Mummins,  L.  Mummius  145,  168. 
Mjrtilus  21,  Y.  Minucius. 

Neryllius  statt  Petilius  (Petiilius)  75. 
Nobiiior  43,  82,  y.  Fulnius. 
Numantini  174,  212. 

ObUuio  217. 

Occius,  Q.  Occius  186. 

Or{i}giaco  (=  Ortiago)  14. 

Pamphjlia  18. 

Petjlliu«,  Quinti  Petilli  25,  r.  Neryllius. 


Petronius   M.  Petronins  150. 

PbUippus  101,  PhiUppus  [Poenus]  97. 

Phrpgi\K(?)  14. 

Piso,  Cn.  Piso  191,  L.  Piso  117. 

Poeni  95,  97. 

Pompeius  174,  Q.  Pompeius  170. 

Popillius,  C.  Po<iH>mus  191. 

Porcia  (basilica)  57. 

Poetumius,  A.  Postumiua  76,  Sp.  Postu- 

m<t>ns  86. 
P(ublius)  8,  50,  59,  74,  84,  200,  210. 
Pulcher  50. 
Punicum  (bellum)  89. 

Quintius,  L.  Quintius  Flamininus  52. 
QuCmtus)  4,  25  (Quinti),  81,  149,  160,  170, 

171,  186. 
Qnirinalis  (flamen)  5. 

Rethogenes  161. 

Rhodonia  7. 

Roma  33,  169. 

Roman!  1,  93,  138,  185/6. 

Rutilus,  [T,  Sempronius]  Rutil{i}us  88. 

Salassus  statt  Sapiens  176. 

Salinator  19. 

Sapiens  y.  Salassus  u.  Laelius. 

Sardinia  5. 

Scantius,  M.  Scantius  115. 

Scipio,  L.  Cornelius  Scipio  27/8,  45/6, 
[P.  Scipio]  Africanus  25,  P.  Cornelius 
Scipio  Aemilianus  94,  95,  96,  120,  123, 
138,  210,  P.  Cornelius  Scipio  Nasica 
200,  202. 

Scordisci  175 

Sempronius,  M.  Sempronius  48. 

Seruilius  Caepio  195,  Ygl.  176,  182  und 
Caepio. 

Ser(uius)  152 

Sibjlla  189. 

Silanus,  D.  Silanus  178. 

Soli  7. 

Sullani  226. 

Syria  157,  214  (Suria). 

Tarentum  105. 

Ti(berius)  182. 

T(itus)  178. 

Theoxena  70. 

Thessalia  126. 

Torquatus,  T.  Manlius  Torquatus  178. 


Register. 


127 


Tryphon  218. 
Tyresius  164. 

UticeDBes  89. 


Villiiw,  L.  Villiu»  (Pap.  L.  Liuiu»)  78. 
Viriathui  172,  185  (Vir<f>th{i}u») ,   198, 

201. 
VoIbo,  L.  Mao{i}liu8  VoUo  113. 


n.  Sachregister. 

Die  Zahlen  ▼enreieen  aof  die  Seiten  der  Abhandlnng. 


Achaeer,  Streit  mit  den  Lacedaemoniern  89, 
gegen  PBeudophilipp.  50,  Beleidigung  der 
rom.  Gesandten  55. 

M.  Adlios  Glabrio  36  f. 

F.  Aebutius  41. 

Aemilia,  via  41. 

AemilianuB  s.  Cornelius  Scipio  Africanus 
(minor). 

M.  Aemilios  Lepidus,  cos.  567/187  40. 

M.  Aemilios  Lepidos,  cos.  617/187  68,  105. 

L.  Aemilius  Paulus,  cos.  572/182  45,  70 

Aetoler  35. 

Africanus  s.  Cornelius  Scipio. 

Alexander  I.  Balas  58. 

Ambracia,  Belagerung  und  Eroberung 
565/189  87. 

Andriskos,  Erhebung  49, 91 ,  Sieg  und  Nieder- 
lage 54,  74,  91  f. 

Anio,  aqua  68. 

Antiochos  III.,  Friede  mit  ihm  85. 

Antiochos  VI.  Epiphanes  Dionysos  58,  Er- 
mordung 67  f.,  Datierung  94  fr. 

Antiochos  VII.  Sidetes  95. 

M.  Antius  Briso,  Volkstribun  617/187  105. 

Apuani,  ligur.  Völkerschaft  48. 

aqua  Anio,  aqua  Marcia  68,  104. 

M.*  Aquillius,  cos.  625/129  lOTy. 

Arcvaker,  celtiber.  Völkerschaft  100. 

Atbleteokämpfe ,  Ihre  Einführung  in  Rom 
42,  70. 

Attalos  II.  Ton  Pergamon  94. 

Audax,  einer  der  Mörder  des  Viriathus  65. 

L.  Anrelins  Cotta,  cos.  610/144  58,  Anklage 
durch  Scipio  67,  108,  Datierung  104  ff. 

L.  Aurelius  Orestes,  cos.  597/157  hb,  92. 

Aushebungen,  Kampf  um  dieselben  in  Rom 
107  ff. 

Bacchanalia,  Verbot  derselben  41,  69. 

Cn.  Baebius  Tamphilus,  cos.  572/182  45,  70. 

M.  Baebius  Tamphilus,  cos.  578/181  46. 

Barathrum,  Magnum  90. 

basilica  Porcia  44. 

Boller,  celtiber.  Völkerschaft  100. 


Bithjnien,  Gesandtschaft  der  Römer  dahin 

77,  94. 
Boier,  Ermordung  eines  B.  48  f. 
Bononia,  latin.  Kolonie  86. 
Bracarer,  Feldzng  des  Dec.  Brutus  gegen 

dieselben  68,  102. 
Brand  von  Rom  608/148  54,  74,  104. 

L.  Caecilios  Metellus,  cos.  612/142  59, 
Niederlage  in  Sudspanien  60,  74,  100. 

Q.  Caecilins  Metellas  Macedonicos,  Sieger 
über  Andriskos  54,  92,  cos.  611/148  58, 
Statthalter  von  Nordspanien  611/148  und 
612/142  100,  108,  Konsular  107  Anm.  8. 

Callaeeia,  Feldxug  des  Dec.  Brutus  dahin 
68,  102. 

C.  Calpomius  Piso,  cos.  574/180  46. 

L.  Calpumius  Piso,  cos.  606/148  51 ,  Er- 
folge in  Afrika  90f. 

L.  0.  Cn.  Calpumius  Piso,  cos.  615/139  68, 
78  Anm.  8. 

Campaner,  Aufnahme  in  den  röm.  Census  89. 

Carthager,  Beleidigung  ihrer  Gesandten 
566/188  89,  Krieg  mit  Masinis^  47,  Ge- 
sandtschaft nach  Rom  605/149  48,  Ein- 
Schliessung  der  Stadt  und  Kämpfe  im 
Sommer  607/147  55,  Eroberung  und  Zer- 
störung der  Stadt  56,  75,  78. 

lex  Cassia  Ubellaria  617/187  105. 

Celtiberer  100,  102. 

Centobriga,  im  diesseitigen  Spanien  (s. 
Nertobriga)  108. 

Chaldaeer,  ihre  Vertreibung  aus  Rom  und 
Italien  64,  104. 

Chiomara,  Gattin  des  Galaterhftnptlings 
Ortiago  87—89,  45,  69. 

Chroniken  (des  2.  Jahrh.'s?)  nach  der  Livius- 
Epitome  des  1.  Jahrh.*s  72  f.,  74,  Tendenz 
76,  Technik  der  Darrtellung  88,  92 f., 
Per.  !•>  und  Pap.  abhängig  von  diesem 
Chr.  84,  86,  88,  Stoffauswabl  und  Zeit 
87. 

Ti.  Claudius  Asellus,  Volkstribun  614/140 
62f.,  102,  104,  107. 


128 


Begister, 


M.  Claudius  Marcellus,  sein  Tod  als  Ge- 
sandter an  Masinissa  58,  89. 

Ap.  Claudius  Pulcher,  cos.  569/185  43. 

Ap.  Claudius  Pulcher,  cos.  611/143  59,  62, 
108. 

P.  Claudius  Pulcber,  cos.  570/184  43. 

Claudius  Unimanus,  Praetor  in  Spanien 
ca.  609/145  98  f. 

Clupea,  Belagerung  606/148  90. 

Contrebia  im  diesseitigen  Spanien,  Er- 
oberung 611/143  103. 

Corduba  100,  102. 

Corinth,  Zerstörung  57,  92  f.,  96. 

C.  Cornelius  Cethegus  47. 

P.  Cornelius  Cethegus,  cos.  573/181  (bei 
Livius  Lentulus  s.  d.)  69. 

Cn.  Cornelius  Lentulus  608/146  56. 

P.  Cornelius  Lentulus  (statt  Cethegus  s.  d.) 
46,  69. 

L.  Cornelius  Scipio  40,  43,  70. 

P.  Cornelius  Scipio  Africanus  (maior),  Tod 
44  f.,  70. 

P.  Cornelius  Scipio  Aemilianus  Africanus 
(minor),  Thaten  als  Rriegstribun  vor 
Carthago  48 f.,  87,  Teilung  von  Masi- 
nissas  Reich  52,  89,  Unterfeldherr  des 
Manllius,  Wahl  zum  Konsul  52,  89  ff., 
erstes  Konsulat  55,  Eroberung  von  Car- 
thago 56,  Spiele  56 f.,  Censur  109,  sein 
Gegner  Ti.  Claudius  Asellus  62,  104,  109, 
Anklage  gegen  L  Cotta  67,  108,  Da- 
tierung  dieses  Prozesses  104  ff..  Eintreten 
für  die  lex  Cassia  tabellaria  105,  109, 
zweites* Konsulat,  Tod  109,  Würdigung 
d.  Persönlichkeit  109  f. 

P.  Cornelius  Scipio  Nasica,  cos.  616/138  | 
65,  Einkerkerung  66,  104,  107.  i 

C.  Curiatius,  Volkstribun  616/138  66,  104, 
107. 

Demetrios,  makedonischer  Prinz,  Zwist  mit  1 
seinem  Bruder  Perseus  45,  70,  71,  Er- 
mordung 46.  I 

Demetrios  II.  Nikator  von  Syrien,  Kampf 
mit   Diodotos   Tryphon   58,    Datierung  ! 
94  ff.  1 

Deserteure,  Bestrafung  solcher  in  Rom 
616,138  66  f.,  104,  108. 

Diaeos  92,  Tötung  seiner  Frau  und  Selbst-  { 
mord  57,  92.  | 

Diodotos  gen.  Tryphon,  Krieg  mit  De-  ; 
metrios  II.  58,  94,  Ermordung  des  Anti-  | 
ochos  VI.  67 f.,  Dauer  seiner  Regierung  j 
94ff. 


Ditalco,  einer  der  Mörder  des  Viriathus  65. 
Duronia  41. 

Epitome  aus  Livius  (1.  Jahrh.)  69,  Literatur 
69  Anm.  1,  Anlage  d.  Epit.  71,  73  Anm.  2, 
77,  86  f.,  Tendenz  76,  Ansschreiber  dieser 
Epit.  79 ff.,  vgl.  Stemma  88,  indirekte 
Abhängigkeit  der  Per,  1*  und  des  Pap. 
von  d.  E.  84,  86. 

Q.  FabiuB  Labeo,  cos.  571/188  44. 

Q.  Fabius  Maximns  Aemilianus,  cos.  609/145, 
nach  Südspanien  58,  98 f.,  102,  Abgang 
von  Spanien  100. 

Q.  Fabius  Mazimus  Servilianus,  cos.  612/142 
59,  Ankunft  in  Südspanien  100,  Sieg 
über  Viriathus  618/141  61,  77,  101, 
Niederiage  und  Friede  614/140  63,  78, 
lOL 

Faecenia  s.  Fecenia. 

C.  Fannius,  Heldenthat  in  Spanien  613/141 
101. 

Fecenia,  Hispala  41. 

Flaminia,  via  41. 

C.  Flaminius,  cos.  567/187  40. 

Q.  Fulvius  Flaccus,  cos.  575/179  47. 

M.  Fulvius  NobiHor,  cos.  565/189  35,  70, 
Belagerung  und  Eroberung  von  Am- 
bracia 37,  Einführung  der  Athleten- 
kämpfe 42. 

L.  Furius  Philus,  cos.  618/136  107  Anm.  3. 

A.  Gabinius  64,  lex  Grabinia  tabellaria  64, 

104,  105 
Gades  102. 

Galater  s.  Gallograeci. 
Gallier,    transalpinische,    ihr    Einfall    in 

Italien  568/186,    Rückkehr  571/183  42, 

71. 
Gallograeci,  Besiegung  565/189  37. 
Giftmischer  in  Rom,  ihre  Vertreibung  43. 
Gracchische  Reform  (s.  auch  Sempronius) 

108,  109. 

Hannibal,  Tod  44,  70,  hannibalischer 
Krieg  106  f. 

Hasdrubal,  Masiniame  nepos,  Ermordung 
durch  d.  Carthager  606  148  58,  78, 
89  f. 

Hasdrubal,  Wüten  gegen  die  röm.  Ge- 
fangenen 55,  74,  Tod  seiner  Frau  56. 

Hippo  Diarrhytos,  Belagerung  606/148  90. 

Hispala  Fecenia  41. 


Begister, 


129 


Hispani,  Sieg  über  dieselben  568/186  42, 
desgl.  574/180  46 f.,  Kämpfe  der  Römer 
in  Spanien  (zusammenfassend)  96  ff.,  Be- 
deutung dieser  Kämpfe  für  Rom  106 f. 

A.  Hostilius  Mancinus,  einer  der  röm.  Ge- 
sandten  nach  Bitbynien  605/149  51,  94. 

C.  Hostilius  Mancinus,  cos.  617/137  68, 
104,  foedns  Mancinum  109. 

L.  Hostilius  Mancinus,  als  Praetor  606/148 
mit  Piso  nach  Afrika  90,  cos.  609/145  58. 

Ingauni,  ligur.  Völkerschaft  48. 

C.  Julius  Caesar  110. 

D.  Junius  Brutus,  cos.  616/138  65,  Ein- 
kerkerung  66,  104,  107,  Sieg  über  die 
Lusitaner  616/138  67,  77,  102,  Über- 
schreitung des  Oblivio  und  Feldzug  nach 
Callaecia  617/137  68,  77,  102. 

D.  Junius  Silanus,  Verurteilung  und  Selbst- 
mord 62.  104,  108. 

P.  Juventius,  Praetor,  seine  Niederlage 
H06.148  in  Thessalien  54,.  91  f. 

Karthager  s.  Carthager. 
Korinth,  Zerstörung  57,  92  f.,  96. 
Kritolaos,  Stratcg  der  Achaeer  92. 

Lacedaemonier,  Streit  mit  den  Achaecrn  39. 

('.  Laelius  Sapiens,  als  Praetor  in  Spanien 
99,  102,  COS.  614/140  61. 

Latiner,  Vertreibung  aus  Rom  41. 

M.  Licinius,  einer  der  röm.  Gesandten  nach 
Bithynien  605,149  50,  94. 

S.  Licinius,  Volkstribun  616;  138  60, 104, 107. 

P.  Licinius  Crassus,  pontifex  max.,  565/189 
an  der  Abreise  nach  Sardinien  verhindert 
85,  soinTod  und  Leichenspiele  571/183  44 

Ligurer,  Sieg  über  dieselben  567/187  40f., 
desgl.  569/185  43,  desgl.  574/180  46  f. 

C.  Livius  Drusus,  cos.  607/147  55. 

C.  Livius  Salinator,  cos.  566/188  39. 

Livius  Salinator  105. 

ludi  8.  Spiele. 

Lusitaner,  Niederlage  derselben  565/189  36, 
ihr  Sieg  über  Galba  603/151,  Verrat  des- 
selben 604/150  47, 96, 108,  vorübergehende 
Unterwerfung  607-147  55,  96,  Wahl  des 
Viriathus  zum  Oberfeldherm  96  f.,  Siege 
desselben    über   die    Praetoren    Vetilius 
und  C.  Plautius  57,  96,  desgl.  über  Clau- 
dius Unimanus  und  C.  Nigidius  98,  Nie- 
derlage des  Viriathus  durch  den  Praetor  | 
C.  Laelius  Sapiens  609/145  99,  Absendung  > 
eines  konsularischen  Heeres  gegen   die  | 
RornemanD,  Die  neue  Livins-Epitome. 


Lusitaner  609/145  58,  98,  Sieg  derselben 
über  den  Praetor  Quinctius  611/143  100, 
desgl.  über  den  Konsul  L.  Metellus  612/142 
I       60,  74,  99 f.,  ihre  Niederlage  durch  Q. 
j       Fabius  Max.  Servilianus  613/141  61,  101, 
I      Besiegung  desselben  und  Friedensschluss 
I      614/140  63,  75,  101,  Kampf  des  M.  Po- 
j       pillius  Laenas  gegen  Viriathus  615/139 
I       104,  desgl.  des  Q.  Servilius  Caepio  101  f., 
Unterwerfung  Lusitaniens  durch  D.  Bru- 
tus 616/138  67,  77,  102. 
Lusoner,  Nachbarn  der  Numantiner  104. 

Magnum  Barathrum  s.  Barathrum. 

Makedonien,  Zwist  im  Königshaus  45  f.,  70  f. 

M.'  Manilius,  cos.  605/149  47,  in  der  livian. 
Tradition  Vorname  Marcus  73,  Thätig- 
keit  gegenüber  den  Carthagern,  Zug  ins 
Binnenland  48,  Eroberung  einiger  Städte 
606/148  (livian.  Tradition)  54,  89  ff. 

L.  Manlius  Acidinus,  cos.  575,179  47. 

T.  Manlius  Torquatus,  verurteilt  seinen 
Adoptivsohn  62,  104,  108. 

Cn.  Manlius  Vulso,  cos.  565/189  35,   Sieg 
über  die  Galater  37,  Überfall  durch  die 
j      Thraker  39,  Triumph  41. 
I  L.  Manlius  Vulso,  einer  der  rÖm.  Gesandten 
'       nach  Bithynien  605/149  51,  94. 

Marcia,  aqua  63,  104. 

L.  Marcius  Censorinus,  cos.  605/149  47. 

Q.  Marcius  Philippus,  cos.  568/186  41, 
Niederlage  durch  die  Ligurer  43. 

Q.  Marcius  Rex,  Praetor  610/144  63. 

Marius,  Ereignis  aus  seinem  5.  Konsulat  34, 
110. 

Masinissa,  Krieg  gegen  Carthago  47,  Tod, 
Alter,  Kinderzahl,  Teilung  des  Reiches 
51—53,  77  f.,  Datierung  87  Anm.  3,  89ff. 

C.  Matienus  66  f. 

Minurus,  einer  der  Mörder  des  Viriathus  65. 

L.  Mummius,  cos.  608/146  56,  Zerstörung 
von  Korinth  57,  92 f.,  96,  Censur,  Ver- 
teilung  der  korinthischen  Beute  60. 98  104. 

Neapolis  in  Afrika,  Eroberung  durch  d. 
Römer  606/148  91. 

Nertobriga,  im  diesseitigen  Spanien,  s. 
Centobriga  103. 

Nicomedes  IL  von  Bithynien,  Erhebung 
zum  König  50,  93. 

Nicorontes,  nach  Diodor  Name  eines  der 
Mörder  des  Viriathus  65. 

C.  Nigidius,  als  Praetor  in  Spanien  von  Viri- 
athus geschlagen,  ca.  609/145  98 f.,  102. 
9 


130 


Register. 


Numantiner,  Sieg  über  Q.  Pompeios  613/141, 
Friede  614/140  61,  103 f.,  Sieg  über  M. 
Popillius  Laenas  616/138  67,  104,  Scipio 
Aemilianus  vor  Numantia  108. 

Oblivio,  angeblich  Name  eines  Flusses  in 

Spanien  68^  102. 
Obsequens,   Übereinstimmangen  mit  dem 

Papyrus  74  f.,  76,  Abweichungen  75,  Da- 
tierung des  0.  87  Anm.  1. 
occidere,   vorherrschend    als   Verbum   des 

Tötens  im  Spätlatein  76. 
Q.  Oecius,   Heldenthaten   in   Nordspanien 

612/142  59 f.,  103,  desgl.  in  Südspanien 

614/140  63,  101. 
Ops,  Erhaltung  des  sacrarium  beim  Brand 

von  606/148  54,  74  f. 
Ortiago  (in  der  livian.  Tradition  Orgiago), 

Galaterhäuptling  37—39,  68. 

Papyrus,  Beschreibung  desselben  1  ff.,  Über- 
sicht über  den  Inhalt  8 f.,  Stoffauswahl 
9,  Wiederherstellung  des  P.  9 ff.,  Ver- 
hältnis zum  Livius  -  Original  und  den 
Livius-Epitomatoren  68  ff.,  Singularitäten 
77ff. ,  indirekte  Abhängigkeit  von  der 
Livius-Epitome  des  1.  Jahrh.'s  86,  direkte 
Vorlage  ein  Chronikon  86,  88. 

Periochae,  allzu  Römer-freundliche  Ten- 
denz 75,  Gruppierung  der  Ereignisse  nach 
sachlichen  Gesichtspunkten,  Verhältnis 
zur  Liviusepitome  des  1.  Jahrh.'s  88. 

Periocha  1»,  Satzbau  78,  Ähnlichkeit  mit 
dem  Pap.  78 f.,  Verhältnis  von  1»  zum 
Li  vi  US- Original,  Fer.  1^  und  den  übrigen 
Epitomatoren  79ff. ,  1»  nur  indirekt  ab- 
hängig von  der  Livius-Epitome  des 
1.  Jahrh.'s  84,  88,  Singularitäten  84  ff. 

Perseus  von  Makedonien,  Zwist  mit  seinem 
Bruder  Demetrios  45  f.,  70  f. 

L.  Petilius  (Petillius),  Schreiber  46,  69. 

M.  Petronius  58. 

Phameas,  Übergang  zu  den  Römern  606/148 
89  ff. 

Philipp.  III.  von  Makedonien  45 f. 

Philippus  Poenus  43. 

Philopoimen,  Tod  44 f.,  70. 

C.  Plautius,  608/146  als  Praetor  in  Süd- 
Spanien  geschlagen  57,  97  f. 

Q.  Pompeius,  cos.  613/141  61,  Niederlage 
durch  die  Numantiner,  Friede  61,  103, 
Truppennachschübe  108,  Konsular  107 
Anm.  3. 


Numa  Pompilius,  Auffindung  der  ge* 
fälschten  libri  46,  69. 

M.  Popillius  Laenas,  cos.  615/139  63,  73, 
Vorname  auf  dem  Pap.  falsch  74,  Thätig- 
keit  in  Nordspanien  103  f. 

M.  Porcius  Cato,  Auftreten  gegen  Acilius 
Glabrio  565/189  36,  Censur  43,  Aus- 
stossung  des  L.  Quinctius  Flamininus 
aus  d.  Senat  43  f.,  Bau  der  basilica  Porcia 
44,  Vorgehen  gegen  Ser.  Galba  605/149 
49,  108,  Ausspruch  über  die  Gesandt- 
schaft nach  Bithynien  51. 

L.  Porcius  Licinus,  cos.  570/184  43,  Cog- 
nomen  fälschlich  Licinius  70. 

A.  Postumius  Albinus,  cos.  574/180  46. 

Sp.  Postumius  Albin  US,  cos.  568/186  41. 

Sp.  Postumius  Albinus,  cos.  606/148  51. 

Prusias  II.  von  Bithynien,  Absetzung  und 
Tod  605/149  50,  93. 

Pseudophilipp.  s.  Andriskos. 

Ptolemaios  VI.  Philometor  von  Ägypten  58. 

Punischer  Krieg,  zweiter  106 f.,  dritter, 
Beginn  desselben  47  f.,  Verlauf  87  ff.,  das 
Kriegsjahr  606/148  89  f. 

Quinctius  (?),  nach  Appian  Praetor  in  Süd- 
spanien 611/143  100. 

L.  Quinctius  Flamininus,  Tötung  eines  vor- 
nehmen Boiers  43,  69  f.,  Ausstossung  aus 
dem  Senat  43 f. 

Rethogenes,  Celtiberer  59,  103. 
Rhodier  36. 

sacrarium  der  Ops,  beim  Brand  von  606/148 

erhalten  54,  74  f. 
Säkularspiele,   zum   vierten  Mal,  Kontro- 
verse über  die  Zeit  49 f.,  Notiz  darüber 

auf  dem  Pap.  74. 
M.  Scantius  51. 
Scipionenprozesse  40. 
Scordisci,  Sieg  derselben   über  die  Römer 

613/141,  Niederlage  619/135  61, 93,  Wohn- 

sitze  93  Anm.  1. 
Seleukidenreich,  Bürgerkrieg  in  demselben 

58,  94  ff. 
C.  Sempronius  Gracchus,  Richtergesetz  105. 
TL  Sempronius  Gracchus  109. 
T.  Sempronius  Rutilus  41. 
M.  Sempronius  Tuditanus,  cos.  569/185  43. 
Cn.  Servilius  Caepio,  cos.  613/141  61. 
Q.  Servilius  Caepio,  cos.  614/140  61,  sein 

Auftreten  gegenüber  dem  Volkstribuncn 


Register. 


131 


Ti.  Claudius  Asellus  62,  107.  Abgang 
Dach  Südspanien  finde  614/140  101  f., 
Revolte  der  Reiterei  615/139  64,  Er- 
mordung des  Viriathus  64 f.,  102,  Bitte 
um  Belohnung  seitens  der  Mörder  65, 102. 

Skordisker  s.  Scordisci. 

Spanier  s.  Hispani. 

Spiele  des  L.  Cornelius  Scipio  568/186  43, 
Leichenspiele  nach  dem  Tod  des  P.  Li- 
cinius  Crassus  44,  Säkularspiele  s.  d. 

Sullani  34. 

Ser.  Sulpicius  Galba,  sein  Verrat  an  den 
Lusitanern  604/150  47,  96,  Anklage  und 
Freisprechung  605/149  49,  96,  108,  cos. 
610/144  58. 

Syrien,  Bürgerkrieg  daselbst  58,  94flf. 

Cn.  Terentius,  Schreiber  46,  69. 
Termentia,   im  diesseitigen  Spanien,   Zug 

des  Q.  Pompeius  gegen  T.  103. 
Theoxena,  Tod  45. 
Thraker,  überfallen  den  Cn.  Manlius  566/188 

39. 
Titter,  celtiber.  Stamm  100. 
Triumph  des  Cn.  Manlius  über  die  Galater  41 . 
Tryphon  s.  Diodotos. 
Tyresius  (Tyresus),  Gegner  des  Q.  Occius 

612  142  60. 

Urso,  Stadt  in  SUdspanien  102. 
Utica,  Übertritt  zu  den  Römern  48,  Rück- 
zug des  M.'  Manilius  dahin   606/148  91. 


Valerius  Antias  40,  43,  44,  67,  69. 

M.  Valerius  Messala,  cos.  566/188  39. 

vastare  mit  Völkernamen  36,  76,  110. 

C.  (oder  M.)  VetUius,  607/147  als  Praetor 
in  Südspanien,  Sieg,  Niederlage  und  Tod 
daselbst  55,  57,  96,  97  f.,  Dauer  der  Statt- 
halterschaft 97. 

L.  Villius,  lex  Villia  Annalis  47. 

Viriathus,  Lebenslauf  96  f.,  Aufreizung  der 
Lusitaner  durch  ihn,  Wahl  zum  Ober- 
feldherrn 608/146  57,  96 f.,  Siege  über 
die  Praetoren  Vetilius  und  C  Plautius 
57,  96,  desgl.  über  Claudius  Unimanus 
und  C.  Nigidius  98,  Übergreifen  in  die 
diesseitige  Provinz  99,  Niederlage  durch 
den  Praetor  C.  Laelius  Sapiens  99,  kon- 
sularisches Heer  gegen  ihn  58,  98,  Sieg 
über  den  Praetor  Quinctius  611/143  100, 
desgl.  über  den  Konsul  L  Metellus 
612/142  60,  74,  99f.,  Niederlage  durch 
Q.  Fabius  Mazimus  Servilianus  613/141 
61,  101,  Sieg  über  denselben  und  Frie- 
densschluss  614/140  63,  75,  101 ,  Kampf 
mit  M.  Popillius  Laenas  615  139  104, 
Ermordung  auf  Betreiben  des  Q.  Servi- 
lius  Caepio  64  f.,  77,  102,  Verweigerung 
einer  Belohnung  an  seine  Mörder  65, 
102,  Ansiedlung  seiner  Soldaten  in 
Valentia  67. 

Wasserleitungen,  stadtrömische  63,  104. 


Druck  Ton  O.  Kreyaing  iu  Leipsig. 


Kol.  VIII  des  Papyrus. 


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Kömische  Bleitesserae 


Ein  Beitrag  znr  Sozial- 
nnd  Wirtschaftsgeschichte  der  römischen  Kaiserzeit 


M.  Bostowzew. 


Mit  zwei  Tafeln. 


Leipzig 

Dietcrich 'sehe  Verlagsbuchhandlung 

Theodor  Weicher 
1905. 


Den  römischen  Freunden 

W.  fimelung;  H.  Qraeven,  E.  Komemann,  F.  Muenzer,  M.  Siebourg, 
J.  Sieveking,  R.  Wuensch. 


Vorrede. 


Aaf  mehrfache  Anfforderang  deutscher  Freunde  und  Kollegen  hin 
habe  ich  mich  nach  langem  und  leicht  verständlichem  Zögern  entschlossen, 
das  vorliegende,  schon  in  russischer  Sprache  publizierte  und  nicht  ver- 
griffene Buch  in  neuer  Auflage  in  deutscher  Sprache  nochmals  heraus- 
zugeben. Ausser  dem  Wunsche,  die  Resultate  langjähriger  Arbeit  weiteren 
gelehrten  Kreisen  zugänglich  zu  machen,  bewogen  mich  dazu  noch 
folgende  Erwägungen.  Erstens  kamen  in  den  zwei  Jahren,  die  seit  der 
Herausgabe  des  russischen  Buches  verflossen  sind,  viele  wichtige  neue 
Monumente  der  mich  beschäftigenden  Gattung  in  meine  Hände.  Diese 
sowohl,  wie  auch  eine  neue  Durcharbeitung  des  schon  behandelten  Stoffes, 
endlich  Unterredungen  mit  Fachgenossen,  liessen  mich  in  manchen  und 
nicht  unwichtigen  Punkten  meine  Ansichten  teilweise  ändern,  teilweise, 
was  noch  wichtiger  ist,  ergänzen.  Andererseits  veranlasste  mich  der 
Umstand,  dass  die  Arbeit  als  Beiheft  der  Beiträge  erscheint,  auch  den 
Charakter  der  Untersuchung  etwas  zu  modifizieren.  Der  Schwerpunkt 
der  deutschen  Bearbeitung  liegt  in  der  Verwertung  der  historischen  Er- 
gebnisse des  von  mir  zuerst  in  systematischer  Weise  bearbeiteten 
Materials,  in  der  Einfflgung  der  Tesseren  in  die  Reihe  der  sonst  be- 
kannten und  benutzten  Oeschichts-Quellen,  wobei  manche  Detailunter- 
snchnng  über  die  Tesseren  als  solche  in  die  deutsche  Auflage  aus  der 
russischen  nicht  herübergenommen  worden  ist.  Anderes  wurde  im  Vor- 
übergehen gestreift:  so  wurde  die  Untersuchung  über  die  Typen  der 
Gottheiten  auf  den  Tesseren  und  überhaupt  über  den  Charakter  der 
bildlichen  Darstellungen  auf  den  Bleien  in  einige  knappe  Sätze  zusammen- 
gedrängt: in  der  russischen  Auflage  füllt  diese  Untersuchung  mehrere 
Bogen.  Daher  habe  ich  auch  von  einer  Betrachtung  der  reichhaltigen 
Tesserenserien  aus  Italien  und  den  westlichen  und  östlichen  Provinzen 


Vin  Vorrede. 

abgesehen.  Die  Monumente  selbst,  in  Abbildungen  und  lateinischer  Be- 
schreibung, sowie  die  historische  Verwertung  derselben  findet  man  im 
dritten  Teile  der  russischen  Auflage  auf  den  S.  240 — 302  und  den 
Tafeln  I — lH;  ohne  die  Tafeln  und  das  Material  selbst  wären  meine 
Ausfährungen  schwer  verständlich  geblieben. 

Nach  dem  Gesagten  behält  die  russische  Auflage  meines  Buches 
auch  neben  der  deutschen  ihren  Wert.  Eine  Detailuntersuchung  über  die 
Tesseren  als  solche  darf  man  in  der  deutschen  Bearbeitung  nicht  suchen. 

Die  deutsche  Bearbeitung,  wie  die  russische  Originalpublikation, 
bilden  ein  Ganzes  mit  der  Tesserarum  urbis  Ramae  et  8t$burbi  plumbea- 
rum  Sylloge  (Petersburg  1903  und  ein  Atlas  von  XIT  Tafeln),  in  der  das 
Material  systematisch  geordnet  und  genau  beschrieben  ist,  mit  Angabe 
der  Zahl  der  Exemplare  und  der  Aufbewahrungsorte  der  einzelnen 
Tesseren.  Eine  Ergänzung  dazu  bildet  das  erste  Supplementum  unter 
demselben  Titel  (mit  in  Tafeln),  herausgegeben  von  der  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Petersburg  (Petersburg  1905).  Vollen  Nutzen  von 
dem  vorliegenden  Buch  wird  nur  der  haben,  der  die  genannten  Publi- 
kationen, vor  allem  die  Sylloge^  daneben  zur  Hand  nimmt.  Als  Mittel 
zur  ersten  Orientierung  und  der  Anschaulichkeit  wegen  sind  auch  der 
deutschen  Publikation  zwei  Tafeln  mit  den  historisch  wichtigsten  Stücken, 
Repräsentanten  grösserer  Gattungen,  darunter  einigen  unedierten,  bei- 
gegeben. Die  am  Schluss  beigefügte  Aufzählung  der  Tesserensammlungen 
und  Publikationen  mag  bei  der  weiteren  Erforschung  des  noch  lange 
nicht  erschöpften  Materials  zur  Orientierung  dienen. 

Über  die  Methode  und  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  zu  handeln, 
liegt  keine  Veranlassung  vor.  Jedem  Leser  meiner  Arbeit  werden  die- 
selben auch  ohne  weitere  Erörterungen  klar  sein.  Meinen  rein  histori- 
schen Standpunkt  in  der  Verwertung  archäologischen  Materials  brauche 
ich  nicht  ausdrücklich  hervorzuheben. 

Das  Buch  erscheint  also  in  deutschem  Gewände  und  als  Beiheft  zu 
den  Beiträgen:  das  Eine  wie  das  Andere  verdanke  ich  meinem  lieben 
Freunde  E.  Kornemann,  der  wieder,  wie  bei  der  Herausgabe  meiner 
Geschichte  der  Staatspacht,  jetzt  als  Redakteur,  die  undankbare  Arbeit 
der  Revision  des  Manuskriptes  und  der  vielen  Korrekturen  auf  sich  ge- 
nommen hat.  Ich  brauche  nicht  hinzuzufügen,  dass  auch  sachlich  diese 
Revision  dem  Buche  mehrfach  zu  Gute  gekommen  ist.  Ich  bitte  ihn, 
meinen  innigsten  und  aufrichtigen  Dank  auch  an  dieser  Stelle  entgegen- 
nehmen zu  wollen. 


Vorrede.  IX 

Viele  wichtige  Bemerkungen  und  Anregungen  verdanke  ich  Herrn 
Prof.  0.  Hirschfeld.  Eine  längere  Unterredung  mit  ihm  und  seine 
liebenswürdige  Zusage,  die  Korrekturen  meiner  Arbeit  durchzulesen,  haben 
meine  Untersuchung  in  manchen  wichtigen  Punkten  gefördert.  Auch  ihm 
erlaube  ich  mir  meinen  aufrichtigen  Dank  an  dieser  Stelle  auszusprechen. 

Bestens  danke  ich  auch  meinem  alten  Freunde  E.  Pridik,  der  mir 
bei  der  Korrektur  vielfach  geholfen  hat. 

Gewidmet  ist  dieses  Buch  meinen  lieben  römischen  Freunden: 
W.  Amelung,  H.  Graeven,  E.  Kornemann,  F.  Muenzer, 
M.  Siebourg,  J.  Sieveking,  R.  Wuensch:  ohne  sie  hätte  ich 
vieles  in  dem  römischen  alten  und  modernen  Leben  nicht  verstehen  und, 
was  noch  wichtiger  ist,  nicht  nachempfinden  können. 

Vade  felix  libelle! 

Petersburg,  d.  26.  Febr./ll.  März  1905. 

M.  Rostowzew. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Einleitung 1—9 

T.  Begriff  der  tessera 1—5 

II.  Herstellung  der  Bleimarken  und  Skizze  der  Greschichte  des  Sammeln« 

und  Studiums  derselben 5 — 9 

Kap.      I.     Verteilungsmarkon  bei  Korn-  und  Geldspenden 10—42 

Kap.    11.     Tesserae  als  Eintrittskarten  zu  den  Schauspielen 43—58 

Kap.  III.     Ttsserae  der  städtischen  und  munizipalen  iuventta 5U— 98 

Kap.  IV.    Tesseren  der  privaten  Collegien  und  Unternehmungen    ....  94»— 103 

Kap.    V.    Tesseren  in  den  Priratwirtschaften 104—116 

Kap.  VI.     Ttsserae  als  Material  für  die  Geschichte  der  römischen  Kunst   .  117—121 

Anhang.     Sammlungen  der  Bleitesserae  und  Publikationen  derselben  .     .     .  122—126 

Sach-  und  Namenregister 127—129 

Tesserenregister      ...         180—181 


Einleitung. 


L 
Begriff  der  tessera. 

Das  Wort  tessera^)  ohne  nähere  Bezeichnung  wird  in  Rom  und  den 
lateinisch  sprechenden  römischen  Provinzen  für  die  Benennung  ver- 
schiedenster kubikförmiger  grösserer  und  kleinerer  Gegenstände  gebraucht 
—  griech.  xvftog.^) 

Die  spezielle  Bestimmung  wird  regelmässig  durch  ein  Epitheton  prä- 
zisiert.') Die  ältesten  näher  bezeichneten  tesserae  sind  die  tesserae  hospi- 
tales  —  halbierte  Täf eichen,  welche  dazu  dienten,  einem  hospes  die 
Möglichkeit  zu  geben,  den  anderen  mit  Sicherheit  zu  erkennen,  grie- 
chisch avfüßoXa  von  avfißdkluv,  lateinisch  conferre  (Plaut.,  Poen.,  1047).*) 
Mehrere  solcher  tesserae  besitzen  wir  noch.*) 

Der  Austausch  der  tesserae  konnte  durch  Au&tellung  besonderer  Ver- 
träge bekräftigt  werden.  Solche  Urkunden  wurden  auch  tesserae  benannt, 
wohl  deshalb,  weil  sie  fttr  dieselben  als  Ersatz  dienten  oder  dieselben 
bekräftigten.  Derartige  tabulae,  auf  denen  öfters  die  Herstellung  einer  tessera 
hospitalis  nur  erwähnt  wird  (z.  B.  CIL.  U  5763),  waren  wohl  auch  zur 
ewigen  Erinnerung  an  das  Hospitium  da.    Ähnliche  Erinnerungstesserae 


1)  Diese  Fonn  des  Wortes  ist  die  allgemein  gebräuchlicliey  daher  tesserula^  itsse- 
rariuSy  tesseratuSj  s.  die  Lexica.  Es  kommt  auch  tesera  mit  einem  8  vor  (s.  z  B.  CIL. 
II  4693, 1).  Daneben  erscheint  das  Deminutirum  iesseUa ,  tessala  und  ähnl.,  auch  mit 
einem  8  (e.  z.  B.  CIL.  III  9532;  Rec.  de  la  soc.  arch.  de  Const.,  1895,  154). 

2)  S.  die  Lexica. 

3)  Über  die  tesserae  im  allgemeinen,  s.  Moebius  et  Steinbrecher,  De  variis  tesse- 
rarum  generibus^  Lipsiae,  1688;  Casali,  De  urhe  et  Romano  imperio,  283 ff.;  Tomasini, 
De  tesseris  hospitalibuSy  Utini,  1687;  Labus,  Deüe  tessere  degli  spettacoU  rotnanif 
dissertazione  inedita  delPabbate  Morcelli,  Milano,  1827;  Rieh,  Dict.  d.  antiquit^  s.  v.; 
Pauly,  Realencycl.j  s.  v.;  die  münzförmigen  tesserae  bespricht  Babelon  in  seinem  Traiti 
des  monnaies  grecques  et  romaines  I,  1,  Paris  1901,  S.  696  ff.;  Cagnat,  Cours  d'ipigraphie, 
3  ^d.,  1898,  334  ff. 

4)  Darüber  s.  Mommsen,  Rom.  Forsch. ^  1  338 ff.;  Marquardt-Mau ,  Privat- 
leben, 197  f. 

5)  Zusammengestellt  zuletzt  von  Lecrivun  bei  Daremberg  et  Saglio,  Dict.  d.  ant, 
II  294  ff.,  vgl.  Ihm,  Rh.  Mus.,  1896,  478  ff. 

Roitowsew,  Römisohe  BleitoMera«.  1 


2  M.  Rostowjsew, 

sind  die  tesserae  pagi,  paganae  oder  paganicae  —  Bronzetafeln  von  be- 
sonders verdienstvollen  Magistri  und  Patroni  dem  Pagus  gestiftet.  Ihr 
Inhalt  beschränkt  sich  hauptsächlich  auf  die  Nennung  der  Namen  der 
Stifter  wohl  zum  Zwecke  einer  ewigen  Erinnerung  an  dieselben.^)  Er- 
innerungstesseren  sind  wohl  auch  CIL.  Vn  1262 ;  II  4963, 1  =  6246,  1, 
vgl.  auch  XI  1195.2) 

An  die  genannten  Monumente  in  der  Form  eines  Täfelchens  oder 
Stäbchens  schliessen  sich  aufs  engste  der  Form  und  dem  Inhalte  nach  an 
die  sog.  tesserae  gladiatoriae  oder  constUares.^)  Ihre  Form  ist  wie  bekannt 
die  eines  zum  Aufhängen  bestimmten  Stäbchens,  ihr  Inhalt  die  Erwäh- 
nung eines  Namens  —  es  sind  meist  Sklaven,  öfters  aber  auch  Freie*) 
—  und  eines  Datums  in  Verbindung  mit  dem  Wort,  welches  viermal 
ausgeschrieben,  fast  immer  aber  abgekürzt  ist,  und  spectat  oder  spec- 
tavit  lautet.^)  Weihungen  oder  Geschenke  sind  unsere  Tesseren  nicht, 
da  das  Charakteristische  dedit,  donavit^  dedicavit  und  der  Name  der  Gott- 
heit fehlen,  vielmehr  sind  es  Erinnerungstafeln  und  zwar  an  einen  ein- 
mal vorgekommenen  Akt  —  der  Betreffende  spedavit  —  darüber  stimmen 
alle  Forscher  überein.  Nun  aber  was  ist  dieser  Akt?  Man  war  und 
ist  wohl  noch  jetzt  einig,  dass  unsere  Tesseren  sich  auf  Gladiatoren  be- 
ziehen: dahin  führten  die  Worte  des  Horaz  spectatum  satis^)  von  einem 
Gladiator  und  die  Abkürzung  sp,  in  Gladiatoren  Verzeichnissen.^)  Nun  ist 
aber  speetatus  bei  Horaz  ein  ganz  allgemeiner  Ausdruck.  Horaz  sagt 
nur,  man  hätte  den  Gladiator  genug  geschaut  und  ihm  schon  die  rudis 
gegeben:  das  Beifügen  von  satis  ist  gerade  charakteristisch.  Die  Siglen 
si).  bei  Gladiatorennamen  werden  wohl  bis  auf  bessere  Parallelen  als  die 
auf  den  Tesseren  unerklärt  bleiben.  Denn  die  Tesseren  deuten  mit 
keinem  Wort  auf  Gladiatoren  oder  Gladiatorenkämpfe.  Der  beste  Beweis 
dafür  ist,  dass  man  bis  jetzt  das  rätselhafte  spectat  oder  s^)ectavit 
nicht  erklärt  hat,  besonders  da  die  Daten  der  Gladiatorenspiele  zu  den 
Daten  der   Tesseren   gar  nicht  passen.®)    Mehrere  haben  das  gesehen. 


1)  S.  H^ron  de  ViUefosse,  C.  r.  de  VAcadimie  d.  inscr.,  1893,  319ff.;  Schulten, 
Philologus,  1894,  648  ff.;  De«8au,  Inscr,  lat,  ad.  II  6118— 6120.  Dass,  wie  Schulten  ver- 
mutet, die  tesserae  an  einem  geschenkten  Gegenstand  angebracht  wurden,  ist  nicht 
notwendig;  Geschenke  werden  in  den  bekannten  Dokumenten  nicht  erwähnt,  was  mit 
Sicherheit  zu  erwarten  wäre.  Den  tesserae  zu  gründe  liegt  wohl  ein  Beschluss  des 
pagus,  welcher  gewitise  Magistri  und  Patroni  zur  Aufstellung  einer  tessera  ermächtigte. 

2)  Schulten  a.  a.  0. 

3)  Das  Wichtigste  darüber  und  eine  Bibliographie  findet  man  bei  Lafaye, 
Daremberg  et  Saglio,  Dict.  d.  ant.,  II  1591  ff.  (s.  v.  gladiator\  vgl.  Dessau  5161a— 5161»^. 

4)  CIL.  I  745,  747,  749,  756,  776. 

5)  S.  CIL.  I  776  a;  X  8070,  1  und  5;  XII  5695,  1  und  Kph.  ep.,  III,  p.  203,  vgl. 
Dessau,  5161a-«. 

6)  Horat.,  Epist,  I  1,  2. 

7)  CIL.  VI  631. 

8)  Mommsen,  Hermes,  XXI,  270;  Hülsen,  Komische  Mut.,  1888,91;  Fröhner, 
Coli.  Ihiiuit,  11,  Paris,  1901,  p.  162  ,  211-218. 


Römische  Bleitesserae.  3 

keiner  aber  sich  von  dem  Gedanken  an  Gladiatoren  ganz  losmachen 
können.  Es  ist  deshalb  ein  grosses  Verdienst  Fröhners,^)  dass  er  vor 
kurzem  auf  die  Unmöglichkeit  der  alten  Auffassung  hingewiesen  und  eine 
neue  viel  ansprechendere  Erklärung  vorgeschlagen  hat.   Von  der  Tessere 

von  Arles*)  ausgehend ,  auf  der  spectat  num steht,  was  er  spectat 

num(en)  liest,  meint  er,  dass  die  Tesseren  sich  auf  die  incubatio  beziehen 
und  zwar  auf  die  Incubation  im  Asklepiosheiligtume  auf  der  Tiberinsel,  wo 
die  Sklaven  nach  Suet,  Claud,j  25  mehrfach  zur  Heilung  ausgesetzt  wurden.«) 

Näher  ist  Fröhner  auf  seine  Hypothese  nicht  eingegangen.  Ich  kann 
es  hier  auch  kaum  thun,  weise  aber  auf  Folgendes  hin. 

Die  Incubation  bestand,  wie  man  weiss,  hauptsächlich  aus  dem 
Schauen  des  Gottes  beim  Schlafe,  was  für  einen  Gläubigen  natürlich  ein 
grosses  Ereignis  war.«)  Sie  war  in  Rom  ziemlich  stark  verbreitet;  es 
nahmen  daran  meistens  niederen  Klassen  —  Sklaven,  Freigelassene,  un- 
gebildete Freie  —  teil.*)  Die  Incubation  beschränkte  sich  auf  die  Tiber- 
insel nicht  —  sicher  ist  sie  auf  dem  Eapitol  *)  und  vielleicht  auch  am 
lutuma-  und  Dioskurenheiligtum 7)  geübt  worden.  Damit  steht  es. im 
besten  Einklänge,  dass  die  Tesseren  öfters  verschiedene  Göttersymbole 
neben  der  Inschrift  tragen.^)  Ist  die  Fröhnersche  Meinung  richtig  — 
und  die  oben  angeführten  Parallelen  scheinen  sie  aufs  Beste  zu  be- 
stätigen ^)  —  so  sind  wohl  unsere  Stäbchen  Erinnerungen  an  das  wichtige 
Vorkommnis  im  Leben  der  Heilsuchenden.  Nach  dem  Schauen  Hessen  sie 
ihren  Namen,  das  Datum  und  das  bedeutsame  Wort  auf  Tesseren 
eingravieren  und  hängten  sie  entweder  zu  Hause,  oder  im  Heiligtume 
selbst  oder  als  Talisman  um  den  Hals  zur  Erinnerung  auf.  Deshalb 
findet  man  wohl  die  Tesseren  überall,  hauptsächlich  in  Privatwohnungen, 
deshalb  sind  sie  am  häufigsten  in  den  Zeiten  der  Blüte  der  Incubation 
unter  den  kleinen  Leuten  Roms.  Einen  Zusammenhang  mit  der  Mass- 
regel des  Claudius  dürfte  man  auch  nicht  voreilig  leugnen.*®) 

1)  Fröhner,  1.  1.,  p.  162  f. 

2)  CIL,  XII  5695,  1,  wo  die  früheren  Erklärungen. 

3)  Darüber  zuletzt  M.  Besnier,  L'ile  TibMne  dans  Vantiquiti,  Paris  1902  (Bibl. 
des  ^c,  87),  207  ff.,  vgl.  Shebelew,  Die  religiöse  Heilung  im  alten  Chriechenland^  Peters- 
burg 1893,  28,  37,  44  (russisch)  und  Philologische  Bundschau  (russische),  IX  159  f. 

4)  S.  z.  B.  Besnier,  1.  1.,  226.  Zu  spectat  nuvien  vgl.  CIL.,  VI  14;  8  und  das 
auch  sonst  tausendfach  vorkommende  ex  viso  oder  visu, 

5)  Belege  bei  Besnier,  l.  1. 

6)  Plaut.,  Cure,  266 ff.;  Serv.,  Verg.  Aen.,  VII  88;  Deubner,  de  incubatianCy 
33  Anm. 

7)  Deubner,  Neue  Jahrbücher,  1902,  384  ff. 

8)  Fröhner,  1.  1.  weist  auf  Blitz,  Caduceus  und  Dreizack  hin,  s.  Dessau,  5161^, 
5161d;  CIL.  XI  6728,  4. 

9)  Dagegen  spricht  nur  das  Wort  spectat;  für  das  Schauen  des  Gottes  gebraucht 
man  gewöhnlich  visere. 

10)  Interessant  ist  der  Hinweis  Fröhners  (S.  163),  dass  das  häufigste  Datum  der 
Tesseren  der  1.  Januar  das  Datum  des  Jahresfestes  des  Aesculapius  auf  der  Tiber- 
iusel  ist. 

1* 


4  M.  Bostowßew, 

Wie  dem  auch  sei,  sicher  ist  es,  dass  wir  auch  hier  wieder  Er- 
innerungsmonumente vor  uns  haben,  welche  mit  vollem  Rechte  den  Namen 
tesserae  von  modernen  Gelehrten  bekommen  haben. 

Erkennungszeichen  in  der  Art  der  tesserae  hospüaUs  waren  die  in 
der  Literatur  oft  genannten  tesserae  müüares  (griech.  cvfißoXov  oder 
avv&fifia\  wohl  Holzstäbchen  oder  Holztäfelchen  mit  angeschriebenen 
Worten  zur  Unterscheidung  der  Freunde  von  den  Feinden.^) 

Alle  die  aufgezählten  Arten  der  tesserae  kennen  die  Glossarien.  Sie 
übersetzen  das  Wort  tessera  entweder  durch  xvßos  (Corp,  ghss,,  n  198,  4; 
ni  76,  45  und  V  581,  9,  vgl.  395,  47)  oder  durch  avfißoXov  ohne  nähere 
Bezeichnung  (IE  181,  1  und  4),  oder  aber  civ&rjfAa  —  Parole  (IE  198, 1; 
V  581,7;  559,6).  Daneben  auch  avvrofAov,  avvröfi^a,  xdkafiog  (wohl 
auch  x^Q^^^'^  =  X^Q^^^{9)'^\  ^^  ^^  Sicherheit  auf  die  späteren  tesserae 
frumentariae  zu  beziehen  ist  {Corp.  gl,  U.  198,  1  und  4 ;  498,  12 ;  448,  27 
verglichen  mit  Malal.,  Xu  289  ed.  Bonn,  und  Themist.,  Orot.,  XXTTT 
2900—291^).«) 

Wir  hatten  es  bis  jetzt  ausschliesslich  mit  Erkennungszeichen  in  der 
Form  eines  Stäbchens  oder  Täfelchens  zu  thun.  Die  Bestimmung  aller 
Arten  dieser  Zeichen  wird  nicht  durch  das  Wort  tessera  selbst ,  sondern 
durch  ein  Epitheton  gegeben.  Dies  erlaubt  wohl  die  etymologische  Er- 
klärung des  Wortes,  welche  tessera  mit  rkaaag^g  zusammenbringt  und 
schon  von  den  alten  Grammatikern  stammt,  sachlich  als  sehr  ansprechend 
zu  betrachten,  ob  auch  sprachlich,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.*)  Wie 
erklärt  es  sich  aber,  dass  das  Wort  tessera  sicherlich  auch  als  Bezeich- 
nung runder  wohl  münzförmiger  Gegenstände  gebraucht  wurde?  Dass 
es  der  Fall  war,  lehrt  die  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Nach- 
richten, welche  wir  über  die  sog.  missiUa  haben.  Seit  Augustus 
wurde  es  üblich,  bei  allerlei  Vorstellungen  tesserae  (Suet,  Dom.,  4 ;  Mar- 
tial.  Vm  78«)  oder  auf  griechisch  aviißoXa  (Dio,  49,  43,  4;  59,  9,  6—7, 
vgl.  Suet.,  CaUg.,  18  und  öfters)  unter  die  Anwesenden  auszustreuen  oder 
zu  verteilen;  dieselben  gaben  den  Inhabern  das  Recht  auf  verschiedene 
mehr  oder  weniger  wertvolle  (Gegenstände.    Diese  tesserae  oder  avfißoka 

1)  Domont,  De  plumbeis  apud  Graecoa  teaaerie^  44 f.,  vgl.  die  tesserarii  im  römi- 
sehen  Heere,  auch  die  naves  tesserariae  (darüber  zuletzt  0.  Hirschfeld,  Jahresh.  d.  Ö8t. 
Inst,  y  150),  vgl.  das  Schiffsmosaik  aus  Althiburus  in  Afrika,  wo  diese  Art  der  Schiffe 
abgebildet  ist,  s.  Daremberg  et  Saglio,  Dict.  d.  ant.  UV*  2116  Fig.  5251,  vgl.  Buecheler, 
Eh,  Mus.  1904,  823.    S.  auch  CIL.,  VI  9915. 

2)  Man  würde  geneigt  sein,  auch  Corp.  gloss.^  V  541,  11:  tesserae  sunt  quibus 
frumentorum  numerus  designatur  auf  die  tesserae  frumentariae  zu  beziehen.  Dagegen 
spricht   aber  Isid.,   XX  14,  12,   vgl.   Corp.  gloss.^  II  595,  15. 

3)  Eine  abweichende  Etymologie  Prof.  Cholodniaks,  welche  tessera  mit  testa 
zusammenbringt,  wurde  auf  meine  Bitte  von  Prof.  Cholodniak  in  der  russischen  Auf- 
lage meines  Buches  S.  7  näher  begründet,  s.  dagegen  Netusil  in  Berl.  phil.  IVoch. 
1904,  112.  Bei  NetuSil  findet  man  auch  einen  schönen  Hinweis  auf  die  Allgemeinheit 
des  Gebrauches  der  Tessercn  im  heutigen  Russland. 

4)  Vgl.  auch  CIL.,  IX  1655. 


Bömische  Bleitesserae.  5 

beschreibt  des  näheren  Dio  (66,  25),  indem  er  von  atpaigia  ^vliva  fuxga 

avfißokov  ixovra  rö  fiiv  kStaSlfiov  uvog  etc.  spricht,  vgl.  67,4, 3  (Parallelbericht 
Suet.  Dom.  4,  wo  diese  atfaigla  tesserae  genannt  werden).*)  Aus  diesen 
Nachrichten  ersehen  wir  zuerst,  dass  auch  runde  Gegenstände  tesserae 
genannt  werden  konnten,  andererseits  dass  tessera  und  üvfißoXov  in  Rom 
seit  dem  I.  Jahrh.  n.  Chr.  vollständig  gleichbedeutende  Worte  waren. 

In  Griechenland  aber  bezeichnete  man  durch  das  Wort  avfißoXov 
Marken  verschiedenster  Art,  die  als  Erkennungszeichen  gebraucht  wurden. 
Abdrücke  privater  und  öffentlicher  Siegel  auf  Wachs,  Thon,  am  häufigsten 
Blei  dienten  hauptsächlich  als  solche  Erkennungsmittel.  Wo  es  darauf 
ankam,  mehrere  Leute  mit  diesen  Zeichen  zu  versehen,  wie  bei  Theater- 
marken in  Athen  und  ähnl.,  wurden  die  Abdrücke  in  grosseren  Massen 
hergestellt,  sogar  geprägt.  Mehrere  Tausende  solcher  Marken  aus  Blei 
sind  in  Athen  gefunden  worden,  auf  einer  solchen  Marke  mit  Gepräge 
auf  beiden  Seiten  (wohl  aus  Ägypten)  steht  ausdrücklich  das  Wort 
övfißolov  (zuletzt  publiziert  in  der  russischen  Auflage  meines  Buches, 
S.  296,  Taf.  V,  31).^)  Auch  ausserhalb  Athens  sind  die  Massenprägungen 
der  Marken  ganz  üblich  gewesen.«) 

Nun  aber  finden  sich  ganz  ähnliche  aCfißoXa  in  grösseren  Massen 
auch  in  Rom  und  der  westlichen  Hälfte  des  römischen  Reiches.  Es  ist 
von  vornherein  wahrscheinlich,  dass  dieselben  auch  als  Erkennungsmittel 
dienten  und  erstens  als  solche,  zweitens  als  nach  Rom  übertragene 
griechische  avfißoXa  mit  dem  Namen  tesserae  bezeichnet  wurden. 

Dass  die  Bleimarken  nicht  in  Italien  erfunden  worden  sind,  sondern 
als  Nachahmung  griechischer  Sitte  entstanden,  werde  ich  im  Folgenden 
darzuthun  suchen.  Dafür  spricht  vor  allem  die  später  zu  erweisende 
Thatsache,  dass  die  römischen  Bleimarken  ausschliesslich  der  römischen 
Kaiserzeit  angehören. 

Nach  dem  Gesagten  können  wir  getrost  die  römischen  münzförmigen 
Bleimarken  als  tesserae  benennen,  obwohl  dieser  Name  nirgends  aus- 
drücklich literarisch  oder  inschriftlich  für  dieselben  bezeugt  ist 

n. 

Herstellung  der  Bleimarken  und  Skizze  der  (Jesohiohte 
des  Sammeins  und  Studiums  derselben. 

Es  wurde  schon  angedeutet,  dass  Bleimarken  sowohl  im  Osten  wie 
im  Westen  in  grösseren  Massen  gefunden  werden.  Äusserlich  unter- 
scheiden sich  die  östlichen,  hauptsächlich  athenischen,  von  den  westlichen, 

1)  Solche  Us8er(u  missües  «lud  wohl  von  Martial  als  nomismata  bezeichnet,  was 
ihre  Münzähnlichkeit  ohne  weiteres  beweist,  s.  Mart.,  Vm  78,  9;  Xu  62,  9—12  und 
Friedländer  zu  beiden  SteUen. 

2)  Dumont,  de  plumbeis  apud  graecos  tesseris,  Lut.  Paris.,  1870;  Benodorf,  Zeit- 
sehr,  f,  Osten,  Gj/mn.j  1875  (XXVI),  579 ff.;  Svoronos,  nsgltoiv  BleitrinUav  tdv  &QxaUov 
yjgog  A—J,  Joum,  internation,  de  numismatique,  1899.  1900,  bes.  1900,  319—349. 

3)  S.  die  russische  Ausgabe  dieses  Buches  T.  m  263  ff. 


6  M.  BostowgeWy 

vornehmlich  römischen,  dadurch,  dass  die  ersteren  geprägt,  nicht  gegossen 
sind,  und  zwar  erscheint  das  Gepräge  nur  auf  einer  Seite  der  Marke. 
In  späteren  Zeiten  kommen  auch  im  Osten  gegossene  Bleie  mit  Typen 
auf  beiden  Seiten  vor,  aber  sie  bleiben  auch  in  römischer  Zeit  Aus- 
nahmen. Nur  in  Ägypten  überwiegen  in  römischer  Zeit  die  zweiseitigen 
gegossenen. 

Dieselben  herrschen  im  Westen.  Die  Art  ihrer  Herstellung  kennen 
wir  genügend,  da  eine  ganze  Eeihe  steinerner  Formen,  die  zur  Her- 
stellung der  Bleimarken  dienten,  noch  vorhanden  ist.  Es  sind  ziemlich 
kleine  (15 — 20  cm.),  rechteckige  Steine  mit  unbearbeiteter  Rückseite; 
sie  bilden  je  zu  zweien  eine  Form.  Die  vordere  Fläche  jeder  Platte  wird 
sorgfältig  geglättet,  und  in  ihr  werden  Negative  für  die  herzustellenden 
tesserac  eingeschnitten.  Es  wird  zuerst  eine  Vertiefung  runder,  quadra- 
tischer oder  dreieckiger  Form  mittels  eines  Instrumentes  mit  spitzem 
Ende  hergestellt,  später  die  nötige  Figur  oder  Buchstaben  eingemeisselt. 
Dadurch  entsteht  immer  in  jedem  Negativ  eine  Vertiefung  in  der  Mitte, 
welche  auf  den  Tesseren  als  Punkt  erscheint  und  mit  der  Darstellung 
oder  Legende  nichts  zu  thun  hat.  Es  erscheinen  auf  jeder  Form 
Negative  für  mehrere  Tesseren,  immer  in  ungerader  Zahl,  indem  ein 
Negativ  unten  in  der  Mitte  angebracht  wird,  die  anderen  sich  in  zwei 
parallelen  Reihen  auf  beiden  Seiten  gruppieren.  In  der  Mitte  der  Form 
läuft  ein  Kanal,  welcher  sich  von  oben  nach  unten  stark  verjüngt  Von 
dieser  mittleren  Rinne  gehen  Seitenrinnen  zu  jeder  Tessere.  Diese  Seiten- 
kanäle bringt  man  gewöhnlich  nur  an  einem  der  zwei  Teile  der  Form 
an.  Beim  Giessen  werden  die  beiden  Teile  der  Form  zusammengelegt,  durch 
zwei  in  zwei  Ecken  der  Form  eingelassene  Stifte  zusammengehalten  und 
heisses  Blei  oben  in  die  mittlere  Rinne  eingegossen.^) 

Die  grosse  Zahl  der  vorhandenen  Formen  zeugt  von  einer  Massen- 
produktion, dafür  spricht  auch  die  Masse  der  erhaltenen  Bleie  und  noch 
mehr  der  Umstand,  dass  es  sehr  viele  Typen  giebt,  die  nur  in  einem 
oder  zwei  Exemplaren  bekannt  sind. 

Es  sind  hauptsächlich  die  grossen  Arbeiten  des  XVin.  und  XIX.  Jahrh. 
in  Rom,  die  uns  die  meisten  vorhandenen  Bleie  gebracht  haben.  Im 
XVn.  Jahrh.  begegnen  wir  nur  einzelnen  Stücken.  Das  Interesse  für 
die  Bleimarken  entstand  zu  gleicher  Zeit  bei  Numismatikem  einerseits 
und  Philologen  andererseits.  Die  ersteren  erkannten,  dass  unter  den 
römischen  Münzen  aus  Gold,  Silber  und  Bronze  auch  münzähnliche  Bleie 
vorkamen  und  suchten  nach  einer  Erklärung  für  diese  Thatsache,  die 
zweiten  bemühten  sich  die  bei  Plautus  und  Martial  vorkommenden  plumhci 


1)  Eine  AufisähluDg  der  mir  bekannten  Formen  gab  ich  in  der  Syüoge,  n.  3572 
—3599,  vgl.  Dressel,  CIL.  XV  2,  S.  996.  Seitdem  publizierte  deren  acht  Cesano  in 
den  Not.  d.  Sc,  1904,  11  ff.  Über  die  Technik  s.  Thödenat  bei  Daremberg  et  Saglio, 
Dict,  d.  ant,,  s.  v.  forma  IIB  g.  1236  f.  Gewöhnlich  werden  die  Formen  aus  dem  fein- 
körnigen palombino  gemacht,  es  kommen  aber  auch  andere  Steinarten  vor. 


Römische  Bleüesserae.  7 

zu  bestimmen  und  zu  erklären.  Die  Deutung,  welche  die  Philologen 
den  plumbei  gaben  —  phimbeus  sei  gleichbedeutend  mit  vüis^)  bei 
Martial  und  mit  Falschmünze  bei  Plautus  — «)  fand  keine  Zustimmung  bei 
den  Antiquaren,  welchen  die  Existenz  münzähnlicher  Bleie  bekannt  war. 
Gegen  Salmasius  erhob  sich  der  bekannte  französische  Numismatiker 
Savot,«)  welcher  selbst  Bleie  besass,  sie  bei  anderen  gesehen  hatte  und 
wohl  auch  die  Publikation  des  Pignorius*)  benutzen  konnte.  Auf  die 
Seite  Savots  traten  französische  Numismatiker,  wie  Seguin,  Patin,  Baudelot 
de  Dairval,*)  welche  Bleie  im  Besitz  hatten  und  publizierten.  Der 
archäologische  Protest  verfehlte  seine  Wirkung  auf  die  Philologen  nicht 
Man  begann  an  der  älteren  Erklärung  zu  zweifeln.^)  Auf  die  Seite 
Seguins  trat  selbst  der  grosse  Lipsius. 

Der  Streit  entbrannte  von  neuem,  diesmal  auf  Grund  zweier  Stücke : 
einer  gefälschten  korinthischen  Münze  aus  Blei,  die  Molan  erworben  hatte 
(das  Original  bei  Head,  Eist.  num.  (griech.  Ausgabe)  I  528)  und  einer 
echten  Münze  oder  Abgusses  einer  Münze  aus  Blei,  welche  man  in  einem 
ägyptischen  Grabe  fand.')  Der  Streit  verlief  in  nichts.  Es  war  zu 
wenig  Material  da,  und  man  warf  zu  verschiedene  Dinge  zusammen,  um 
irgend  was  Positives  erschliessen  zu  können. 

Eine  grössere  Masse  (707  St.)  gab  zuert  Ficoroni  heraus,  leider  in 
schlechten  Stichen.^)  Dun  gehört  auch  die  zum  Teil  richtige  Erklärung  der 
Bleie  als  Eintrittsmarken  für  allerlei  Schauspiele.  Nach  Ficoroni  wuchs  die 
Zahl  der  Bleie  fortwährend.  In  Rom  entstand  die  grosse  Sammlung  des 
barone  Recupero   (2700  St.),   die  leider  verschwunden  ist;®)   es  bildeten 

1)  S.  DomitiuB  Calderinos  zu  Mart.,  I  100  (99)  und  X  74;  dasselbe  Gronovius  zu 
I  100  (99),  etwas  anders  Salmasius  ad  Scr.  h,  Aug,,  Tac,  9. 

2)  Lambinos  ad  Mostellariam  (J.  1577);  Casaobonus  denkt  an  xaXxoig  %a\  xoUv- 
ßovff,  vgl.  Taubmann  ad  MoBteU.  (J.  1621). 

3)  Savot,  Discours  sur  les  midaiUes  antiques,  Paris,  1627,  S.  44  (F. 

4)  Laur.  Pignorii  Patavini,  De  servis  etc.,  Aug.  Vind.,  1613  (2  Aufl.  Padua  1656, 
3.  Amsterdam,  1674),  S.  129  (2.  AuB.  122,  8—247). 

5)  P.  Seguinus,  Selecta  numismata  antiq%uif  Lut.  P.,  1684,  S.  2,  4,  14,  21  und 
bes.  195  ff. ;  Patin,  Iniroductio  ad  histariam  numismatum^  Amstelad.,  1688,  87,  cf.  Haver- 
camp,  Thesaurus  MoreUianuSf  815»  und  473»;  Baudelot  de  Dairval ,  De  Vutilite  des 
voyages,  Paris  1686,  II  485  und  629  ff. 

6)  So  spricht  z.  B.  Scbrevel  von  der  plumhea  fnoneta  als  MUnxe  fär  Ankauf 
biUiger  Sachen.  Die  Numismatiker  andererseits  Hessen  sich  durch  die  Philologen  nicht 
beeinflussen,  s.  z.  B.  Wagenseil,  De  re  monetali  veterum  Ji.^  Altdorfi  Nor.,  1691,27,28; 
Lingen,  De  origine  et  inventoribus  pecuniae  et  numismatumj  Jenae,  1715,  90;  Euch, 
(i.  Kinck,  De  veteris  numismatis  potentia  et  qualitate,  Lips.  et  Francof.,  1701;  Jobert, 
Science  des  midaiUeSy  Paris,  1715  (2.  Aufl.),  35  und  a.  m. 

7)  Eggcling,  Epistula  ad  Hl.  Luccensium  abbatem  de  orbe  stagneo  Antinoi, 
Bremae,  1691;  J.  Rutgersius  (Rebke),  De  orbe  stagneo  aut  numo  potius  adulterino 
seu  reprobo  Antinoi  etc.,  Francof.,  1699;  J.  C.  Schlaeger,  Comentatio  de  numo  Ha- 
driani  plumbeo  et  gernnia  Isiacaj  Helmaest.,  1742. 

8)  Piombi  antichi,  opera  di  F.  Ficoroni,  Roma,  1740;  2  Aufl.  (lateinisch),  Roma, 
1750;  3   Aufl,  Leipzig,  1784. 

9)  S.  darüber  Giomale  deüe  scieme  lettere  ed  arti  per  la  Sicüiaj  1855. 


8  M.  Bostowaew^ 

sich  die  Sammlungen  Altieri,  Lovatti  und  andere.  Man  beginnt  auch, 
wissenschaftlich  sich  mit  den  Bleien  zu  beschäftigen.  Anlass  dazu  gab 
der  Fund  eines  piombo  in  Velitrae.  Die  accademici  Volsco  - Velitemi 
Sestini  und  Zoega  gaben  eine  Erklärung  desselben,  an  der  Diskussion 
nahmen  Teil  Muenter  und  Visconti.^)  Einen  Fortschritt  bedeutet  die 
Publikation  von  Stieglitz.^)  Er  war  der  erste,  welcher  die  Mannigfaltig- 
keit der  Bleimarken  erkannt  hat,  und  der  auch  die  erste,  allerdings  rohe 
und  teilweise  wenig  überzeugende  Klassifikation  der  römischen  Bleimarken 
gab.  Als  erster  sah  er  auch,  dass  staatliche  und  private  Marken  zu 
trennen  sind.  Gute  Winke  gab  auch  Ph.  von  StoscL«)  Einen  Fort- 
schritt in  der  Publikation,  aber  Eückschritt  in  der  Erklärung  bildeten 
die  Arbeiten  von  GarruccL  Er  leugnete  die  sonnenklare  Thatsache,  dass 
die  Bleie  aus  Rom  stammen  und  vindizierte  ihnen  die  Provenienz  aus 
Latium,  woher  nur  ein  kleiner  Teil  der  vorhandenen  Bleie  wirklich 
stammt.  Derselben  Art  ist  das  Urteil  des  schon  erwähnten  B^upero. 
Dagegen  gebührt  Garrucci  das  Verdienst  der  Publikation  einer  reich- 
haltigen Serie  der  Bleie  aus  den  wichtigsten  damals  vorhandenen  Samm- 
lungen. Es  ist  nur  zu  bedauern,  dass  seine  beiden  Publikationen  wenig 
genau  sind  und  nur  wenig  Abbildungen  geben.*) 

Mit  Garrucci  hört  die  Erforschung  der  römischen  Bleie  auf.  Man 
publiziert  zwar  neues  Material,  aber  zur  Erklärung  desselben  wird  nur 
weniges  beigetragen. »)  Dagegen  herrscht  frisches  Leben  in  der  Er- 
forschung griechischer  Marken.  Postolacca,®)  Dumont  und  besonders 
Benndorf  ^  haben  die  Wege  gezeigt,  auf  denen  man  die  Erklärung  der 
rätselhaften  Serien  erzielen  konnte.   Leider  befassten  sich  die  genannten 


1)  Muenter  in  Heerens  Bibliolhek  der  alten  Lüteroitwr,  IX,  Gröttingen,  1792; 
Sestini,  lüustrazione  di  una  antica  medaglia  di  piombo  etc.,  Roma  1796;  £.  Q.  Visconti, 
Letter a  su  di  un  antico  piombo  VeUtemOj  Roma  1796  {pp,  varie,  11  83  ff.);  Lettera  eu 
due  monumenti  ntf  quaU  e  memoria  di  Antonia  AugustOy  Roma  1813  (op.  o.,  11  47  ff.). 
Vgl.  Labus  in  der  Vorrede  zu  den  opere  varie  von  Visconti,  S.  V  ff. 

2)  Stieglitz,  Archäologische  Unterhaltungen,  Leipzig  1820  (Über  antike  Bleie, 
135  ff.  und  2  Taf.). 

3)  Ph.  von  Stosch  in  einem  Briefe  an  Amaduzzi  s.  Justi,  Antiquarische  Briefe 
des  Bar.  Ph.  v.  8.,  Marburg  1871,  18. 

4)  R.  Garrucci,  I  piombi  AUieri  raccolti  dall'em.  pr,  il  card.  L.  Aitieri,  Roma 
1847  (2.  Aufl.  im  J.  1848  erschien  ohne  Tafeln);  Dissertaeioni  archeologiche  di  vario 
argomento  II,  Roma  1865,  S.  73—149  (Piombi  scrittt),  vgl.  eine  Reihe  seiner  Aufsätze  in 
der  Bevue  numismatique  und  die  Bemerkungen  Viscontis  bei  DiamiUa,  Memorie  nu- 
mismatiche,  115 — 122. 

5)  Die  neueren  Publikationen  werden  im  Anhange  bei  der  Aufeählung  der  vor- 
handenen Sammlungen  verzeichnet  Eine  FuUe  neuen  Materials  ergaben  die  Arbeiten 
zur  Regulierung  des  Tiberstromes,  die  von  den  achtziger  Jahren  bis  vor  kurzem 
dauerten. 

6)  Postolacca,  Annali  deW  Institute,  1866,  339—356;  1868,  268—316  (tav.  d'agg.  k) 
und  Monumenti  deW  Inst.,  VIU52;  vgl.  NoiUeiucta  ix  toi)  i^vixoii  voiueiuctixoH 
MovesLov,  A^fjvai,,  1888. 

7)  Ihre  Arbeiten  sind  angeführt  oben  S.  5  Anm.  2. 


Römische  Bleitesserae.  9 

Forscher  mit  den  römischen  Bleien  nur  vorübergehend  und  drangen  in 
das  Studium  derselben  nicht  ein.  So  liegt  das  Feld  der  römischen  Blei- 
marken vollständig  brach.  Die  Masse  des  Materials,  die  schlechte  Arbeit, 
die  Abgenutztheit  der  meisten  Stücke,  der  schmutzige  Stoff,  die  scheinbare 
Öde  der  Darstellungen  und  Inschriften  schreckten  ab,  man  wurde  bange  vor 
der  Arbeit,  die  keinen  Nutzen  für  die  Wissenschaft  versprach.  Die  Be- 
schäftigung mit  den  Bleimarken  ergab  mir  bald,  dass  diese  Befürchtungen 
unbegründet  sind.  Die  Bleie,  richtig  behandelt,  geben  vortreffliches 
Material  für  das  Studium  der  ersten  Eaiserzeit.  Das  Material  ist  aber 
von  ungleichem  Werte.  Nicht  jede  Serie  gleichartiger  Bleie  giebt  Wert- 
volles, man  muss  sich  aber  mit  jeder  befassen,  um  die  unwichtigen  dann 
aus  dem  Studium  zu  eliminieren.  Methodisch  vorgehen  heisst  bei  dem 
Studium  der  Tesseren,  zuerst  einzelne  Serien  gleichartiger  Bleie  nach  der 
Verwandtechaft  der  Darstellungen  und  Legenden  feststellen,  dann  erst 
nach  der  Bestimmung  fragen.  Antwort  auf  die  letztere  Frage  kann 
natürlich  nicht  überall  gegeben  werden,  man  darf  aber  hoffen,  dass  neues 
Material  und  erneute  Studien  helles  Licht  in  manche  für  mich  noch 
dunkle  Gebiete  bringen  werden.  Man  darf  dabei  nie  Athen  und  den 
Osten  aus  dem  Auge  lassen;  nur  wer  die  griechischen  Serien  genau 
kennt,  wird  sich  in  den  römischen  zurechtfinden. 


Kap.  L 

Verteilungsmarken  bei  Korn-  und  Geldspenden. 

1. 

Seit  Stieglitz^)  hat  man  stets  geglaubt,  dass  ein  Teil  der  Blei- 
marken zur  Regulierung  der  Eornspenden  gedient  hätte.  Man  sah  auf  den 
ersten  Blick  ein,  dass  die  reichhaltigste  Serie  der  Bleimarken  mit  Dar- 
stellungen von  modii,  Kornähren  und  Ähnl.  (s.  unten  S.  37)  in  direkten 
Beziehungen  zu  den  Komverteilungen  stand.  Das  Einfachste  war,  diese 
Marken  ohne  weiteres  mit  den  aus  den  Schriftstellern  bekannten  tesserac 
frumentariae  zu  identifizieren.  Dagegen  erklärte  sich  aber  Garrucci,*) 
indem  er  nachwies,  dass  unsere  Bleie,  die  nur  mit  den  allgemeinsten  Dar- 
stellungen und  nur  selten  mit  ganz  kurzen  Inschriften  versehen  sind, 
keineswegs  mit  tcsserae  frumentariae  —  Legitimationsdokumenten,  welche 
verkauft,  vermacht  u.  s.  w.  werden  konnten  —  identisch  sein  könnten.  Der 
Meinung  Garruccis  war  auch  Dumont,»)  ohne  aber  näher  auf  die  Sache 
einzugehen. 

Benndorf  *)  war  der  erste,  der  an  die  tesserae  nummariae  Suetons 
(Aug.  41)  erinnerte  und  dieselben  zwar  sehr  vorsichtig  mit  den  Blei- 
marken und  den  tesserae  frumentariae  identifizierte.  Ihm  schien  die 
Münzform  der  Bleie  einerseits,  die  Erwähnung  auf  einer  tessera  der  por- 
ticus  Minucia  (Sylt.  336)  zusammen  mit  einer  liheralitas  andererseits  das 
Massgebende  zu  sein.  Die  Idee  Benndorfs,  die  kaum  angedeutet  war,  wurde 
von  den  meisten  Forschem  in  derselben  allgemeinen  Form  angenommen. 
Hirschfeld  ^)  identifizierte  unsere  Bleie  mit  tesserae  nummariae  und  fru- 
mentariae, nach  ihm  thaten  dasselbe  Marquardt,'')  Humbert,')  Richter, **) 


1)  Archäologische  Unterhaltungen^  147. 

2)  Piomhi  Altien,  11  ff. 

3)  De  plumheis  apud  Graecos  tesseris^  48  f. 

4)  ZeiUchr.  f.  österr.  Gymn,,  1875,  592  ff.  und  612. 
6)  Verwaltungageschichte^  132  u.  134. 

6)  Staatsv.y  II  129  ff. 

7)  Bei  Daremberg  et  Saglio,  Dict.  d.  ant.,  s.  v.  frumentariae  leges,  vgl.  Kariowa, 
Hörn.  Bechtsg.,  U  2,  840. 

8)  Topographie  der  Stadt  Born  (2.  Aufl.),  217. 


Römische  Bleitesserae.  11 

u.  a.  m.  Mommsen^)  erwähnt  da,  wo  er  von  den  tesserae  nummariae 
spricht,  die  Bleimarken  gar  nicht. 

Demnach  ist  die  Frage  keineswegs  entschieden.  Tesserae  frumen- 
tariae  des  L— -HI.  Jahrh.  n.  Chr.,  wie  sie  bei  den  Juristen  erscheinen,  sind, 
wie  oben  angedeutet  wurde  und  noch  näher  auszuführen  ist,  unsere  Bleie 
nicht  Ihre  Beziehung  zu  den  Komverteilungen  ist  aber  nicht  zu 
leugnen.    Was  sind  sie  denn? 

Die  Entscheidung  dieser  Frage  scheint  mir  nur  in  einer  Weise  mög- 
lich und  wurde  von  mir  schon  zweimal  an  den  unten  anzugebenden 
Stellen  angefasst^)  Ich  glaube  nämlich,  man  muss  zunächst  die  vor- 
handenen Monumente  ganz  bei  Seite  lassen  und  sich  mit  Hilfe  von 
Schriftstellern  und  Inschriften  die  Technik  der  Komverteilungen  in  der 
römischen  Eaiserzeit  klar  machen.  Wenn  das  gelingt,  so  müssen  auch 
unsere  Bleie,  wenn  sie  überhaupt  etwas  mit  der  Sache  zu  thun  haben, 
ihren  angemessenen  Platz  finden  und  zwar  nicht  nur  ohne  Zwang, 
sondern  mit  Notwendigkeit 

Näheres  über  die  Art  und  Weise,  in  welcher  die  Komverteilungen 
stattfanden,  ist  uns  nur  seit  der  Zeit  des  Augustus  bekannt  Wir  wissen 
zunächst,  dass  an  der  Spitze  der  Verteilung  des  Kornes  an  die  200  000  in- 
eist  frumento  publica  seit  dem  J.  22  v.  Chr.  besondere  halb-senatorische 
halb-kaiserliche  curatares  frumenti  ex  s.  c,  später  praefeäi  frumenti  dandi 
ex  s.  c.  (auch  ohne  den  letzteren  Zusatz)  standen.^)  Diese  halbsenatorische 
cura  eröfbiet  die  Reihe  ähnlicher  Ämter  und  ist  ein  Kompromiss  zwischen 
dem  Kaiser  und  dem  Senat  Der  eine  wie  der  andere  mussten  in  jeder 
Weise  versuchen,  ein  Mittel  ausfindig  zu  machen ,  die  römische  plebs  wr- 
lana  mit  Kom  zu  versorgen.  Dazu  reichten  die  Mittel  des  Senats,  wie 
die  Geschichte  der  ausgehenden  Republik  zur  Genüge  gezeigt  hat,  nicht 
aus.  Die  ausserordentlichen  Bevollmächtigten  in  der  Art  des  Pompeius 
waren  nur  Notbehelf.  Man  musste  stabile  Verhältnisse  schaffen  und  vor 
allem  für  genügende  Dotiemng  sorgen.  Nur  die  Vereinigung  der  Mittel, 
welche  der  Kaiser  besass,  hauptsächlich  der  Komproduktion  Ägyptens 
mit  den  Korarevenuen  von  den  reichen  Domänen  des  Staates  in  den 
reichsten  Komprovinzen  —  Sizilien,  Asien,  Spanien,  auch  Afrika  —  sowie 
den  Naturalabgaben  der  Grundbesitzer  konnte  die  geforderte  Ständigkeit 


1)  Res  gestae  divi  ÄugusH,  2.  Aufl.,  26. 

2)  Etüde  8ur  les  plombs,  p.  38  ff.  und  die  rusaiBche  Auflage  dieses  Buches  S.  34  ff. 
8)  Mommsen,   Hermes,   IV  368 ff.;   Staatsrecht,  11*675  und  1041,  5;   Hirschfeld, 

Phüologus,  XXIX,  40  ff.  und  Verwaltungsg. ,  133,  5;  Cantarelli,  La  distribtuione  di 
grano  in  Roma  e  la  serie  dei  praefecti  frumenti  dandi,  Buü.  com.,  1895,  217—234; 
Ruggiero,  Die.  epig.,  I  475  ff.;  Kornemann  bei  Paulj-Wissowa,  RE.,  IV  2,  1779  ff.,  ygl. 
Liebenam,  Buraiana  Jahreab,,  1903  (Rom.  StaatsaU,),  51,  n.  143;  xuletzt  die  gründliche 
Untersuchung  tob  G.  Cardinali  in  Buggiero,  Die,  ep.,  III  s.  v.  frumentatio  (auch  se- 
parat-Rommy  1904),  &  15  ff.  (des  Separaiabdruckes,  nach  welchem  ich  auch  sonst  zitiere). 
Die  snletst  genaoata  ArbtÜ  bekan  iok  leider  erst,  nachdem  mein  Manuskript  schon 
dmekf ertig  war«       .  j 


12  M.  Bostowzew, 

und  Sicherheit  ergeben  und  zur  Kreierung  eines  festdotierten  Amtes 
führen.  Dieses  Amt  musste  aber  ein  Kompromiss  sein  und  deshalb  er- 
hält es  auch  die  seltsamen  Formen,  welche  es  in  den  ersten  Zeiten  an- 
genommen hat,  den  Zusatz  ex  s.  c,  mit  eingerechnet.  Später,  als  es  sich 
herausgestellt  hatte,  dass  stramme  Zentralisation  auch  bei  der  Eomzufuhr 
und  Kombesorgung  dringend  notwendig  war,  übernahm  der  Kaiser  (wohl 
bald  nach  dem  J.  7  n.  Chr.)  den  schwierigsten  Teil  des  Geschäftes  — 
das  Zusammenbringen  des  Kornes  an  Ort  und  Stelle  und  die  Komzufuhr 
—  ganz  und  übergab  dies  seinen  ritterlichen  Beamten,  den  praefecti  annonae. 
Der  Senat  verlor  dabei  scheinbar  nichts ;  in  den  Augen  des  Volkes  blieb 
er  mit  dem  Kaiser  zusammen  der  Spender.  Der  Kaiser  aber  gewann  da- 
durch ausserordentlich:  es  war  zusammen  mit  der  Schaffung  der  kaiserlichen 
Finanzprokuratur  in  den  senatorischen  Provinzen,  welche  vielleicht  mit 
der  Geschichte  der  antuma  in  Zusammenhang  steht,  der  wichtigste  Schritt 
in  der  Politik  der  Konzentrierung  der  Staatsmittel  und  Staatsdomänen 
in  den  Händen  des  Kaisers. 

Die  Komverteilung  blieb  den  oben  genannten  praefecti  frumenti 
dandi.  In  welcher  Weise  sie  aber  organisiert  wurde,  wissen  wir 
leider  nicht  genauer.  Man  verteilte  das  Korn  gratis^)  monatlich*) 
und  zwar  an  einem  Tage  des  Monats,*)  nicht  immer  an  einem 
und  demselben  Orte.  Neben  den  regelmässigen  Komverteilungen  gab 
Augustus  öfters  Korn  auf  seine  Privatkosten,  wie  im  J.  23  (731):  Mon. 
Anc,  15:  duodecim  frumentationes  frumento  pr[i]vatim  coempto  emenst^s 
sum,  vgl.  Dio  55,  26  (vom  J.  6  n.  Chr.),  zuweilen  ersetzte  er  auch  diese 
Komspenden  durch  entsprechende  Geldgeschenke:  statt  60  modii  Korn 
gab  er  60  Denare  (s.  Hirschfeld  bei  Komemann  in  den  Beiträgen  zur 
aUen  Geschichte,  IV,  90).  Ähnliches  sagt  Augustus  wohl  im  Man.  Anc. 
gr.  IX,  21flF.:  an  kx]6lvov  t[o]v  kviavrov  h[(f]  o{j  Ndiog  xai  IlonXiog 
[A\kifxXoi  vnaxoi  hykvovto^  3x6  vnkX^inov  al  8rj[fi6]aiai  ngSoodoi  äXXotB 
fiiv  Sdxa  fivg^dai  äX[Xot€]  8i  nXeloaiv  autixäq  Ttal  agyvgixäs  awra^etg 
ix  r^g  kfiiijg  indg^evjg  (datxa.  Der  lateinische  Text  dazu  ist  leider  schlecht 
erhalten,  lässt  sich  aber  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  in  folgender 
Weise  ergänzen:  lat  in,  40 ff.:  inde  ab  eo  anno  q]uo  Cn,  et  P.  LcntuU 
c[on8]ul€8  fucrunt  cum  d[e]ficerent  [vectiy[alia  (oder  publica)  tum]  cen- 
tum  müibus  h[omi\num  tu[m  pVfArib%i8  [muT\to  fru[mentarias  et  n]umma' 
[ria]s  ([esseras  ex  aere]  et  pat[rimonio]  m[e]o  [dedi,*)    Diese  und  die  oben 


1)  Hirechfeld,  Annana,  12 ff.;  VerwaUungsg. ,  132,  1;  Mommsen,  Res  gestae, 
2.  Aufl.,  26. 

2)  Philo,  leg,  ad  C,  28;  Suet.,  Nero,  10  u.  a.  m. 

3)  Philo,  1.  1.;  Lex.  Jul.  munic.  (BOgenannte) ,  15 ff.:  et  quam  frumentum  populo 
dahitur  ibei  ubei  frumentum  popula  dabüur^  cf.  Suet.,  Äug,  40;  Hirschfeld,  Annona  19; 
Verwaltungsg,  134,  3. 

4)  Über  diese  Stelle  ist  viel  geschrieben  worden.  Bergk  war  dabei  auf  dem 
richtigeren  Wege   als  Mommsen,  dessen  Ergänzungen  sicherlich  verfehlt  sind.    In  die 


BUmüeht  Bkäessm 


ac. 


w 


zitierte  Stelle  des  Mofiumentum  liat  wohl  Sut^t<m  im  Ange^  wenn  er  ^«'Ureibt: 
Aug,  41 ;  frummdum  quoqm  in  annonae  difficultatifjus  saef)e  levissimo 
ifUerämn  nulh  prcHo  virifim  admefisus  est  iessBtasqtm  nummarias  duplicapU. 

Im  15.  Kap.  des  ManumefUum  handelt  AugustiLs  von  seinen  ausser- 
ordentlichen Zulagen  zu  den  ordentlirhen  Frunientationen :  öfters  gab 
er  in  Geld  und  Kom  tanovrov  iregov,  wie  Dio,  55,  26  sagt,  aeop 
äil  kXupLßavov^  d,  II  60  modii  oder  60  denariu  In  den  weiteren  Kapiteln 
spricht  Augustus  von  etwas  anderem:  er  erzählt,  wie  er  dera  Aerarium 
zu  Hilfe  gekommen  sei  und  zwar  in  c.  17  mit  barem  Gelde,  wohl  fiir 
MilitHrzwecke ,  und  in  c  18  mit  Geld  und  Kom  für  Zwecke  der  Korn- 
versor«:ung  der  plebs:  das  staatliche  Kom  reichte  nicht  aus,  Augustus 
musiste  die  Vei*sorgung  von  100000  Menschen  und  (ifters  noch  mehr  über- 
nehmen und  that  es  mittels  Geld-  und  Komspenden  aus  seinen  Prirat- 
mitt^ln.*)  Er  sagt  aber  nicht,  dass  er,  wie  bei  seinen  UbcralUaies  an 
das  Volk^  Geld  und  Korn  gab^  sondern  dass  er  tessm-as  nummarias  d  fru- 
mcntarkts  verteilte,  d.  h.  er  griff,  i^ie  der  Vergleich  mit  Suet  Äug.^  40: 
ter  in  annum  t/uatemum  mmm*m  tesseras  dare  destinavit ^')  zeigt,  in  die 
regelmässigen  Spenden,  die  durch  less^rae  reguliert  wurden,  mit  seinen 
eigenen  Verteilungsmarken  ein.  Damit  ist  natürlich  nicht  gesagt,  ob  er 
das  Tesserensyst^m  auch  bei  seinen  HberaUlates  angewandt  hat  oder  nicht. 

Beide  Angaben  des  Äugustüs,  die  vom  c.  15  und  die  vom  c.  18 
wirft  Sueton  in  der  oben  angeführten  Stelle  (Äug.  41)  in  einen  Topf. 
Er  sagt  nämlich,  dass  Auguatus  öfters  in  schwierigen  Zeiten  dem  Volke 
Kom  spendete  oder  billig  verkaufte.'^     Bei  diesen  Gelegenheiten  hat  er 


Bahnoa  ß«rgiu  treton  Wcilfflin,  Sü^ingHb.  d.  Münvh.  Ak.  18^6,  258  ff,  und  Schmidt, 
Philologus  1B8S,  73  tt'.,  dt'Mou  vurzügticht'  Ergänzungen  auch  von  Cagnjit,  Inner,  gr* 
ad  r<y*  Tomanoi  pertinenU^  111  U  «*  15S  angonommen  worden  sind*  Dir  Ergiin«ungcn 
Sehinldt»  (statt  multo  htttte  icb«  wenn  ennur  Aex  Raum  zuliesse,  lieber  r^ra^uiVo  gclrsün,  mir 
Ncheint  aber  mtdto  epigrapbiiiujb  das  Beute»  obwohl  Augustus  ähnliche  Wendungen  gewöhn* 
lieb  in  umgekehrter  Ordnung  gebraneht^  », /at  l  19;  III  21^22),  nehme  ich  nach  einer 
PrUfuog  de«  Gipuabguimen  in  Herltu  jctst  an.  In  der  russbchcn  Auflage  (s.  318  C) 
habe  ich:  fru{nientum  ei  ae^  prr  n;umimlri4t]ß  t[eiS€raM  «jc  agri*]  et  pat{rifmmio]  m[e]a 
lded%\  ?orge»chlagen ^  vgl.  länger,  Philoloffmcht  Bemerkungfn  (Petersb.  1886),  S.  4€ 
(masltch),  de»»eü  ErgUnBUngen  hi*ton»cb  ganz  «nhnltbar  sind.  Über  die  ganze  Frag« 
vgl.  G.  Cardinali»  a.  a,  0.  l^fF. 

1)  Die  HaupU asten  dt^r  Konüptnden  l«g«n  ditnuiaoh  aicher  auf  dem  Senate  den 
publica  oder  den  vtctitfolia, 

2)  TfMsera  auf  Grund  des  Vorkommens  dei  Ausdrucket»  teasera  toMresi»  auf 
einer  Bleiroh«*  {CIL,  XV  7240)  aU  Portion  mi  ver»tehen  (Hinten,  Annal.  d.  Ist.^  1864,6; 
Hirsehffld,  Annona  W)  ^  neheint  mir  mit  Dresael  unmöglich.  Ich  teile  volUtHndig 
die  Au^fiiMung  Dresseb;  coüaiü  Inieribm  n.  170  et  184^  J85  in  quibu«  €$t  leaf«ra 
ddUaris  m  figUiniB)  iUis  tt  te3(sera)  iUius,  ttuera  cailmmM  mihi  idem  videtur  eMe 
ae  fiHuta  eaitresis, 

8)  Dieae  Angabe  war  et  wohl,  die  MommaeD  im  Auge  hatte,  als  er  von  den 
te&€rae  nummariae  &1»  ttu^ae^  fUr  die  Geld  besahlt  wurde,  apraeh,  waa  iwt&rlich 
uomüglteh  lat,  «.  Res  geM^u  d.  A.*  26,    t>i<i  Aogabe  Suetot»  apricht  «iNtr  irohl  von 


14  üf.  Bostowsseiv, 

die  Zahl  der  Marken,  welche  wohl  zu  den  regelmässigen  Spenden  dienten, 
verdoppelt.  Dies  bestätigt  zuerst  das  oben  von  der  Verwendung  der 
tesserac  bei  den  regelmässigen  Verteilungen  gesagte,  lässt  aber  noch  den 
Schluss  zu,  dass  Augustus  auch  bei  seinen  UberdlüateSj  wenn  er  die  Eom- 
ration  verdoppelte,  tesserac  gebrauchte,  so  dass  die  Zahl  der  im  Umlaufe 
sich  befindenden  Tesseren  doppelt  wurde.  Nun  aber  nennt  Sueton  diese 
tesserac  nummariae,  Augustus  spricht  von  frumentariae  und  nummariae. 
Früher  glaubte  ich,  ebenso  wie  Benndorf  und  Hirschfeld,*)  dass  die  Bezeich- 
nung nummaria  sich  ausschliesslich  auf  die  Form  bezogen  hätte,  wohl  mit 
Unrecht.  Nach  einer  Unterredung  mit  Prof.  0.  Hirschfeld  und  erneuter  Prü- 
fung des  Thatbestandes  scheint  es  mir  wahrscheinlicher  mit  Hirschfeld  anzu- 
nehmen, dass  tcssera  nummaria  eine  tessera  ist,  welche  zum  Empfang  einer 
Geldsumme  legitimiert,  wie  tessera  firumentaria  zum  Empfange  eines  Kom- 
quantums.  Die  60  denarii  bekamen  die  Eömer  auf  Grund  der  nummariacj 
die  60  Supplementmodii  auf  Grund  der  frumentariae:  Geld  als  Ersatz 
für  Korn  aus  den  Privatmitteln  des  Kaisers  bei  den  Senatsverteilungen 
beim  Ausweis  einer  nummaria,  Korn  beim  Ausweis  einer  firumentaria. 
Warum  spricht  aber  Sueton  nur  von  nummariae?  Erstens,  glaube  ich, 
deswegen,  weil  in  der  Form  zwischen  den  nummariae  und  firumentariae 
wohl  kein  Unterschied  war,  zweitens  vielleicht  deswegen,  weil  Sueton 
wohl  der  Meinung  war,  dass  die  tesserae  nummariae  ihren  Namen  auf 
Grund  der  Münzähnlichkeit  führten,  drittens  und  hauptsächlich,  wie  später 
zu  zeigen  ist,  weil  die  firumentariae  seiner  Zeit  —  die  Legitimationsdoku- 
mente —  etwas  total  Verschiedenes  von  den  nur  für  eine  Austeilung 
gültigen  tesserae  des  Augustus  waren. 

Alles  angegebene  beweist  mit  Sicherheit,  dass  zu  Augustus  Zeiten 
ein  Markensystem  bei  den  Verteilungen  funktionierte,  wobei  Marken  be- 
sonderer, wohl  münzähnlicher.  Form  jedesmal  unter  die  Berechtigten  ver- 
teilt wurden,  und  ihnen  das  Recht  gaben,  ein  Quantum  Korn  oder  eine 
Summe  Geldes  in  Empfang  zu  nehmen. 

Eine  Änderung  im  Systeme  der  Komverwaltung  und  Komverteilung  trat, 
wie  es  scheint,  unter  Claudius  ein.  Es  ist  nämlich  höchst  charakter- 
istisch, dass  seit  Claudius  keine  praefecti  f.  d.  mehr  erscheinen,  es  bleibt 
nur  der  praefectus  annonae,^)  Unter  Trajan  kehren  die  halbsenatorischen 
praefecti  f  d.  wieder.  Dieser  Thatbestand  kann  kaum  zufällig  sein,  er 
passt  vortrefQich  zu  der  Politik  des  Claudius  und  seiner  Freigelassenen 
in  den  Finanzangelegenheiten,  zu  der  starken  Zentralisierung,  die  in 
seiner   Finanzpolitik  überall  zutage   tritt.    Dazu  kommt  noch  die   von 


Vorgängen  wie  die  des  J.  6  n.  Chr.,  Dio  55,  26:  xal  TtQoaixi  xal  &vdQeg  vTtccTfvxotsg 
inl  TS  Toü  aitov  xal  inl  tov  &Qt(tv  %€cziisxr\6av  &6tt  taxtbv  ixdattp  TiiTiQdaxtad'ai.  Weiter 
folgt  die  Angabe  von  dem  Geschenke  des  Augustiis. 

1)  S.  die  oben  S.  10  angeführten  Stellen. 

2)  S.  Hirschfeld,    Verwaltungsg,   133;  CantareUi,  Bull  com.,  1895,   219;  Korne- 
maun  bei  Pauly-Wissowa,  E,  E.  IV,  2,  1780. 


Rmnisrh 


serae. 


15 


Hirsclifeld  festgestellte  Tliatsaehe,  dass  unter  Nero  die  ganze  Lai^t  der 
FruTnentationeii  auf  dem  Kaiser  lag,  wozu  der  Anfang  wolü  schou  unter 
Claudius  gemacht  wurde. ^) 

Die  Beseitig'ung  einer  besonderen  Magistratur,  welche  die  Koniver- 
teilungen  besorgte,  führte  zur  Übergabe  auch  diesem  Teils  der  Korn  Ver- 
waltung in  die  Hände  de^  jmwfhctus  annonae^)  und  verursachte  wohl 
auch  eine  Änderung  in  der  Technik  der  Komverteilungen.^ 

Diese  Änderung  wird  uns  durch  einige  Dischriften  veranschaulicht 
In  der  Inschrift  CIL,  VI,  10223  nennt  sich  ein  gewisser  Januarius,  Frei- 
gelassener des  Claudius,  mirator  de  Minuda  die  XIV  osiio  XLII;  in  den 
Inschriften  CIL  VI,  10224,  10225  =  33991  bescheinigt-  man,  dass  die 
Kinder,  welche  in  die  Listen  der  Getreideeinpfünger  eingetragen  wurden, 
ihr  Kom  an  einem  bestimmten  Tage  des  Monats  {die  X  und  d(Mj)  VII) 
und  in  einem  bestimmten  Bureau  {osHo  XXXIX  und  astia  XV)  em- 
pfangen haben. 

Diese  Inschriften  bezeugen  mit  voller  Sicherheit  erstens,  dass  die 
Vert-eilungen  nicht  mehr  an  einem  Tage  vorgenommen  wurden,  zweitens 
dass  die  Verteil imgen  in  der  portictis  Minuda  konzentriert  waren,  und 
zwar  die  Empfänger  unter  die  45  Bureaus  der  porticas  verteilt  wurden, 
drittens,  dass  an  der  Spitze  eines  jeden  Bureaus  je  ein  kaLserlicher  Frei- 
gelassener mit  dem  Titel  eines  ctiraior  de  Minuda  stand. 

Nun  aber  meinte  man  bis  jetzt,  dass  die  Verteilungen  auch  frflher 
111  der  Minucia  stattfanden,  wie  ich  glaube,  mit  Unrecht.  Zunächst  spricht 
dagegen  die  oben  angeführte  Stelle  der  sog.  Ics  Julia  munidpaUs^  dann 
finden  wir  in  den  Nachrichten,  welche  wir  von  der  Minucia  besitzen, 
keine  8pur  irgend  welclier  Einrichtung  zu  Zwecken  der  Frumentationen 
oder  irgend  weh*.her  Vorgänge,  die  mit  den  Frumentationen  in  Zusammen- 
hang stiinden.  Die  Nachricht  des  Ohronographen  vom  J.  3,54,  welche 
die  Minucia  mit  den  Frumentationen  und  König  Servius  in  Zusammen- 
hang bringt,   ist   natürlich  Machw<!rk  spätester  Zeit*)     Dagegen  wissen 


1)  Aof  «einu  B«form  besi^^ii  tleh  vieUeicht  die  Müu&en  dt?r  J.  40  u.  41  mit  der 
DAmteUuug  d»»6  mißäiujtt  H'  Kckhel,  Doctr,  num.  VI  23Sf.;  Kubitsrhek«  Jakreahefte  deg 
OMi.  arch.  Inst.  190*2,  72  ff. 

2)  Die  Refonii   wird   wahncbeiiiltch  ent  unter  Pompeiu«  PauHnua  lu  »taiide  ge* 
kiimTnen  «ciu,  weil  8ri»eca  da,  wo  er  von  den  Befugnissen  def  Poixipi^itis  aU  r 
annonac  spricht,  v^ou  Dinner  Tliätlgkeit  b«i  den  Verteilungen  uiciita  Nigt,  m,  ii,  i 
Annmia  95;   Vtrumltunifit^eiich.  Iä4;  Schan«,  Gesck,  der  töm,  Lit,  112,  298. 

3)  Da£  Fcblcn  d^  pratftcii  bi«  auf  Traiaii  bt  für  ('ardinuU^  &.  a.  (>.  24  ZtifalL  Bei 
der  groiseu  Menge  der  aoft  aus  der  ivrciten  llülfte  de«  L  Jahrb.  rrhiilt*'nen  ln«ehrifleu 
bt  e»  aber  kaum  mügtich^  an  Zufall  %\x  denken.  Dagegen  spricht  auch  die  rein 
kaitM^rlicho  Admuiii»tralion  der  mrf^ruH  Minuda.  Dieselbe  nach  der  Wiederherstellung 
d«  >  '?  unter  'I  r;^  war  ctnfaehf  ue  etnotn  »enaloriiichen  Beamten 
uirr  «u,  bei  d>-  k  des  ClaudiUH  uanauglicb.  Dem  Senat  in  den 
praeßcti  ein  8pickeag  wiederxugebeti,  ist  giinz  die  Art  de4  e^tiat«freuudlichen  Tr&ian. 

4)  Chron,  tisini  %h4,  p.  187  (MuinmiM?ii):  Strviu^  regnadt  annos  XLV*  hie  t>otum 
frd4  wl  quobiHot  *innm  rtgnas»^  f<*t  *Miß  ad  fri^mentum  pubUcum  constUuerei. 


16  M.  BostowBew^ 

wir,  dass  in  der  Doppelportikas ^)  sich  Heiligtümer  befanden,^)  Spiele 
gegeben,^  Magistratsakte  vollzogen  wurden.«)  Erst  unter  Claudius  hören 
wir  von  einer  Minuda  frumentaria  und  neben  ihr  einer  Minuda 
vetus.  Dabei  wird  die  frumentaria  als  richtiges  Horreum  mit  Magazinen 
und  Bureaus  eingerichtet.*)  Der  Vorgang,  glaube  ich,  ist  klar.  Die 
alte  Doppelporticus  Minucia  wird  von  Claudius  in  der  einen  Hälfte  zu  einem 
horreum  umgebaut,  wozu  ihre  Lage  vorzüglich  passte,  und  für  die  Zwecke 
der  reorganisierten  Komverteilungen  verwendet. 

Nun  aber  scheinen  mit  dieser  Eef  orm  des  Claudius  auch  einige  Nach- 
richten über  die  tesserae  frumentariae  verbunden  werden  zu  müssen. 

Erstens  wissen  die  Juristen  der  Eaiserzeit  von  den  tesserae  firumeii^ 
tariae  des  Augustus  gar  nichts.  Sie  kennen  aber  eine  tessera  firumefh 
tariüj  die  im  beständigen  Besitze  des  betreffenden  Eomempfängers  ist, 
von  ihm  verkauft,  vermacht,  verschenkt  u.  s.  w.  werden  konnte.*)  Solch 
eine  tessera  ist  ein  Dokument  und  muss  auch  die  Form  eines  solchen 
gehabt  haben,  mit  den  tesserae  für  Einzelverteilungen  kann  sie  ausser 
dem  Namen  nichte  gemein  haben.  Wann  begegnen  wir  aber  diesen 
tesserae  zum  ersten  Male?  Ich  glaube  bei  Persius  {Sat  V  73  ff.):  Über- 
täte opus  esty  non  hae  ut  quisque  VeUna  Puhlius  emeruü,  scabiosum  tesserüla 
far  possidet.  Die  tessera  gab  also  Anrecht  auf  possessio,  ist  deshalb  ein 
Dokument:  die  tessera  der  späteren  Juristen.  Nun  aber  passt  die  Zeit 
zu  dem  oben  gesagten  vorzüglich.  Die  feste  Regulierung  der  Verteilungen 
nach  Tagen  und  ostia^  die  Revision  der  Listen  für  diese  Zwecke  machte 
es  notwendig,  den  neu  verteilten  Eomempfängem  das  neue  Sjrstem  auch 
mit  Hilfe  eines  kommemorativen  Dokumentes  zur  ewigen  Erinnerung 
zu  bringen.^)  Dies  ermöglichte  es  dem  Besitzer,  seine  tessera  an  einen  anderen 
zu  geben  auf  Lebenszeit  und  auch  vorübergehend:  der  Regierung  war 
es  doch  gleichgültig,  ob  Titius  oder  Seins  das  Korn  bekam.  Die  mannig- 
faltigen Rechtsgeschäfte,  die  dabei  entstanden,  führten  zur  theoretischen 


1)  VelL  II  8,  3.  über  die  Minucia  s.  Hirschfeld,  Ännana  63;  Gilbert,  Geschichte 
u,  Topographie  der  Stadt  Bom  lH  144,  1  und  286,  1;  Richter,  Topographie  der  Stadt 
Äwi,  2.  Aufl.,  217;  Huelsen,  Nomendator  topogr,  57. 

2)  Richter,  a.  a.  0. 

8)  Hemeröl,  Praen.  ad  XI  Kai,  Jan. ;  PhilocaX.  ad  pr.  non,  Jun. 

4)  Gilbert,  a.  a,  0.  144,  1. 

5)  Vgl  die  Reste  der  Jiorrea  Galbiana  mit  den  Magazinen  und  der  pergula 
Fabretti,  de  aquis  et  aquaeductibus ^  Roma,  1680,  166;  Th^denat  bei  Daremberg  et 
Saglio,  Dict,  III  271  (s.  ▼.  horreum). 

6)  Ulp.  Dig,  5,  1,  52,  1;  Paulus,  Dig,  31,  1,  87,  pr.;  49,  1,  cf.  Dig.  32,  1,  35,  pr. 
Über  die  Veräusserlichkeit  der  tessera  frumentaria  s.  zuletzt  Cardinali,  a.  a.  0.  33ffl 
Trotz  seiner  Einwände  bleibt  mir  die  Vererbung  und  Veräusserlichkeit  der  Tessere 
das  wahrscheinlichste.  Möglich,  aber  nicht  gerade  wahrscheinlich,  ist  es,  dass  auch 
der  Staat  die  tesserae  caducae  verkaufte,  und  daas  der  Besitzer  der  Tessere  dieselbe 
nur  auf  Lebenszeit  Teräussem  durfte. 

7)  Als  kommemoratives  Dokument  bekam  die  neu  eingeführte  Urkunde  den 
Namen  der  tesserae  hospitaUs,  paganicae  und  ähnl. 


Römische  BkttesMrac. 


17 


Behandlung  der  Verhältnisse  und  zur  Regulierung  derselben  durch  Magi- 
stratur und  Juristen. 

Ob  aber  dabei  die  Augustischen  tesscrae  verschwanden?  Ich  glaube 
kaum.  Denn  für  die  Zwecke  der  Kontrolle,  für  welche  sie  natürlich 
eingeführt  waren,  blieben  sie  auch  jetzt  notwendig;  dazu  konnten  die 
Legitimationsdokumente  nicht  dienen.  Die  Fortexistenz  der  Augustischen 
tesserae  spiegelt  sich  auch  in  der  Literatur  wieder.  Juvenal  sagt  nämlich 
{Sat  VU  174) :  summula  ne  permt  qua  vilis  tcssera  venit  frumentt.  Die 
tes^era  der  Juristen  kann  nicht  so  geringschätzig  behandelt  werden: 
60  Denare  und  oft  vielmehr  —  je  nach  dem  Stande  der  Preise  —  re- 
prÄsentieren  ein  grosses  Kapital  und  die  Summe,  die  für  die  tessera^  welche 
darauf  Recht  giebt,  bezahlt  wird,  konnte  keineswegs  mmmula  genannt 
werden.  Wenn  aber  Juvenal  von  einer  Kontrollmarke  spricht,  die  Anrecht 
auf  5  modii  der  Monatsration  giebt,  erklärt  sich  alles.*) 

Nach  dem  Gesagten  kann  man  sich  das  Verfahren  bei  den  Korn- 
Verteilungen  nach  Claudius  folgendermassen  vorstellen.  Die  Namen  der 
Empfänger  wurden  in  Listen  eingetragen  {iahulac)^  jede  Liste  in  capiia 
eingeteilt.^  Die  Bronzetafeln  wm^den  gleichmässig  unter  die  einzelnen 
Bureaus  verteilt.  Die  Bureaus  funktionierten  nicht  gleiclizeitig,  dazu 
hätte  man  ein  zu  grosses  Personal  gebraucht,  das  an  den  anderen  Tagen 
nichts  zu  thun  gehabt  hätte,  sondern  blieben  nur  an  einem  bestimmten 
Tage  offen.  Jedes  Bureau  hatte  einen  Vorsteher,  wohl  mit  einigen  Sub- 
alternen, die  das  komplizierte  Rechnungsamt  inne  hatten,  an  der  Spitze 
des  Ganzen  stand  der  pracfeäm  anmnaö.  Jedem  Empfänger  wurde  also 
ein  Tag  und  ein  osiium  angewiesen  und  zwar  eins  filr  allemale  ^  dies 
wurde  ihm  durch  ein  Dokument  notifiziert,  auf  dem  sicher  der  Tasr  und 


1)  Den  Unterschied  twiscbcn  beiden  Arten  der  iuterae  leugnet  Es«<*r,  dt  ptuqtrrum 
eura  apud  Romanos ^  CampU  1902,  IS7,  4  u.  196,2  auf  tirnnd  der  .\ngjibe  SaHons 
Nero  11,  wo  teuerar  frumenUariae  unter  den  aiMgeslreuten  missHia  iingcfUhrt  werden, 
^iwer  meint  wie  Htrschfeld,  Annona  18,2»,  diuis  i»s  keine  Legitimationstewerjn!  »ein 
konnten;  ich  möchte  aber  auf  Maltü.  XII  289  (ed,  Bonn.)  hinweisen ,  wo  ein  gewiaaer 
Artabaniia :  ^^tlorififjucrro  qI^u^  iv  rg  Uq^  Jd(pp^  rcü  drifua  Kaluititov  e%*rt6iita 
äifttav  &iataiiftZ6vftav  naX^eag  rofg  avrob^  df^rov^  noXtnnovi.  Artnbanue  hat 
wohl  seine  Stäbchen  nicht  erfunden,  sunderu  »ie  au«  Rom  übernommen;  daher  stamml 
auch  der  Brauch,  die«e  itmserae  als  misstUa  zu  gebrauchen,  vgl  Num,  Chr.  XX  lOd. 
8.  auch  Suldas  i.  v.  TJaXattvoi  (die  Brot-,  Ol-,  Wein*  und  Fiei»ehverteilungen  dea 
Constantius)  ä>v  iiixQ^  riro^  t}  n6kti  catflXavift  t^p  vn  avro^  Qt^^vtiop  [naXafnav 
■uppl.  Salmacius]  tpi^ovact  ta  /ro^^/fT^ccrcr;  Codinut,  di  Origg,  15:  ItptXoti^^^uTO  <)l  aal 

r©üff  .  .  .  wi/  nal  yttv  rj  noXi^  ccnoXavti  rcor  i-x*  crVToO  fuftrrtov  itaJMp^v  <j?^potT<y«  ta 
fimifUitÄtta.  Diese  Stellen  alnd  schon  von  Satmasius,  adSeripL  Eist,  Aug.^  Paria  1620, 
p,  373  ff.  ausammeuge^leUl  worden  und  sollten  den  neueren  Bearbeiteni  dea  Oegeo- 
stande»  bekannt  sein.  Richtig  und  gründlich  operiert  damit  Cardlnatl,  a.  a.0. 6f).  Di« 
auageitreuten  ttsserae  waren  die,  welche  als  cadueat  oder  vererbte  wieder  tn  die  Hilndc 
des  ptatfectu9  annonae  gelangten  oder  von  der  kaiserlichen  Verwaltung  ni'U  vrrfertigt 
wurden. 

2)  S.  CIL  Yl  220. 

K<»stowssWvlKiimltob«  Blflt«is«T»«,  2 


18  M.  Bdstowjsew, 

das  ostium  angegeben  waren.  Auf  Grund  dieser  Dokumente  wurden  an 
die  Empfänger  Kontrollmarken  verteilt,  mit  welchen  die  itwisi  ins  be- 
treffende Bureau  kamen.  Nach  Vorweisung  des  Dokumentes,  wohl 
unter  gleichzeitiger  Abnahme  der  Kontrollmarke,  wurden  die  5  modii  Korn 
dem  incisus  abgeliefert.  Dann  wurden  in  den  Bureaus  Berichte  gemacht 
und  auf  Grund  der  tesserae  und  der  Listen  die  Bücher  in  Ordnung  ge- 
bracht.^) 

So  blieb  es  wahrscheinlich  bis  in  die  Zeiten  des  Septimius  Severus; 
denn  damals  verschwindet  die  Minucia  aus  dem  System  der  Komver- 
teilungen.  Ich  schliesse  dies  daraus,  dass,  nachdem  wir  eine  Zeit  lang 
von  besonderen  praefecti  -)  und  curatorcs  ^)  der  Porticus  aus  dem  Senatoren- 
stande hören,  später  eine  fortlaufende  Serie  curatares  aquarum  et  Miniciae 
neben  praefecti  f,  d.  und  annonae  erscheint.*)  Ob  in  der  Minucia  zu  dieser 
Zeit  die  Hauptstation  der  Wasserverwaltung  residierte ,  wobei  kleinere 
stationcs  in  der  Stadt  verteilt  waren,  oder  diese  Frage  anders  zu  lösen 
ist,  lasse  ich  offen.  Eines  aber  scheint  mir  klar:  eine  Vereinigung  der  cura 
aquarum  mit  der  cura  Minuciae  firumentariae  ist  wohl  kaum  denkbar. 

Dieses  Verschwinden  der  Minucia  steht  vielleicht  mit  der  Geschichte 
der  Ölspenden  in  Zusammenhang.  Schon  unter  Marcus  und  Commodus 
hören  wir  von  regelmässigen  Verteilungen  des  Öls,  s.  CIL.  VI  34001 : 
cui  dcderat  pinguem  poptdis  pracbcre  liquorem  (Äntoninus  item  Commodus 
simul  induperantes,  cf.  CIL,  XIV  20),  seit  Severus  werden  sie  ständig/) 
Diese  Verteilung  konnte  naturlich  nicht  in  der  Minucia  stattfinden,  man 
gebrauchte  dazu  die  horrea]  wahrscheinlich  verlegte  man  seitdem  auch 


1)  Eines  bleibt  leider  in  dem  geschilderten  Verfahren  dunkel.  Waren  die  tesserae 
frumentariae  j  die  Legitimationsdokumente  der  claudischen  und  nachclaudischen  Zeit, 
anonym  oder  lauteten  sie  auf  einen  bestimmten  Namen?  Für  das  Erstere  spricht  das 
Ausstreuen  der  tesserae  als  missilia,  die  so  häufigen  Fälle  des  Verkaufes  u.  s.  w.  der 
tesserüf  was  bei  einem  anonymen  Dokumente  sehr  erleichtert  wird,  für  das  Letztere 
die  Listen  der  Empfänger,  welche  doch  genau  waren  und  nicht  die  Zahl,  sondern  be- 
stimmte Namen  angaben.  Auch  die  Inschriften  der  incisi  frumento  scheinen  für  das 
Letztere  zu  sprechen.  Es  ist  aber  leicht  möglich,  dass  die  Eomempfanger  nur  in  den 
Listen  namhaft  gemacht  werden,  dass  also  bei  jedem  Wechsel  der  Inhaber  eine  professio 
seitens  des  neuen  Possessors  abzugeben  war;  auf  Grund  derselben  und  der  sie  aus- 
weisenden Dokumente  wurde  der  neue  Name  zu  den  alten  hinzugefügt  oder  an 
Stelle  eines  anderen  eingetragen.  Bei  dieser  Auffassung  beseitigt  sich  der  oben  an- 
gegebene Widerspruch  von  selbst  (die  älteren  Meinungen  darüber  s.  bei  Kariowa, 
R,  R.  II  840).  Die  tessera  nummaria  diente  dabei  nur  als  Kontrollmarke.  Die 
Selbstprofession  bei  der  Korn  Verteilung  ist  seit  Julius  Caesar  (s.  die  sog.  lex  Julia 
municipalis)  leider  in  ganz  dunklem  Zusammenhange  bezeugt  (s.  Hirschfeld,  Ännona 
92;  über  die  ganze  Frage  zuletzt  Cardinali,  a.  a.  0.  42). 

2)  CIL.  XI  4182  und  Rev.  arch.  1899,  I  426. 

3)  CIL.  VI  1408. 

4)  S.  Komemann,  bei  Pauly-Wissowa,  R.  E.  IV  2,  1784 ff.;  Cantarelli,  BuU,  com, 
1901,  180  ff.,  vgl.  Vaglieri,  Btill.  com.  1900,  71  ff.;  Boni,  Not.  d.  sc.  1901,  128  ff.; 
Hülsen,  Beitr.  e.  alt.  Gesch.  11244,  n.  29;  271,  n.  53.  54. 

5)  Hirschfeld,  Annona  19. 


Itömi9€fw  Blmiesstrae. 


VJ 


die  Koni verteiluji|2:en  in  die  fwrrea.^)  Dieses  Übrr':ta<liuin  fuhrt»  wie 
bekannt,   zu   dem  System   der   Brot-   und  (dvii  -^ii   in  besonderen 

dazu  eingerichteten  Lokalen,  welche  in  der  gawien  Stadt  nach  Regionen 
verteilt  wurden/'^)  Auf  den  ffriidt4Jf  (»der  trihunnUa  standen  die  Bronze- 
tafeln,  auf  denen  die  Namen  der  Komempfän^er  verzeichnet  wui'den. 
Jeden  Tag  am  Morgen  kamen  zu  diesen  Tribunalen  die  twcm  und  be- 
kamen nach  Vorweisung  ihrer  Tessere,  welche  aus  Holz  gemacht  wai*, 
ihr  Quantum  Brot.*)  Diese  xälafioi  sind  natürlich  die  uns  schon  be- 
kannten tesserac  frumcniarme^  was  auch  die  in  der  Einleitung  angeführten 
Stellen  der  Glossarien  beweisen.  Bei  diesem  Verfahren  fallen  die  Kon- 
trollmarken von  selbst  weg  und  e*i  ist  wohl  kein  Zufall^  dass  wir  in  der 
Literatui*  der  Zeit  keine  Spur  derselben  finden. 

Es  bleibt  noch  übrig  anzugeben,  wer  eigentlich  an  den  Kornspenden 
teilnahm.  Ausser  der  phls  urhami  sehen  wir  seit  Nero  die  Prät<irianer, 
(Tac,  Ann,  XV  72;  Suet.,  Nero  10),  dann  die  vigilcs  nach  drei  Jahren  des 
Dienstes  {CIL,  VI  220),  wohl  auch  die  cokoties  urhanaa  *)  an  den  Spenden 
beteiligt.  Seit  Trajan  kommen  die  pucri  und  puellac  der  Aliiuentationen 
dazu.   Einige  Apparitorenkollegien  genossen  vielleicht  besondere  Rechte,*) 

Die  Kornspenden  wurden  in  der  Ivaiserzeit  mit  den  ausserurdeutlichen 
Zulagen,  den  sog.  congiaria,  welche  eigentlicli  im  Jlilitärleben  7M  Hause 
sind  und  ursprunglich  eine  Weinzulage  bedeuten,  eng  verbunden.  Als 
Ztilage  zu  dem  monatlichen  framcntum  bekommen  die  Blirger  bei  irgend 
einer  besonderen  Gelegenheit  Geld  oder  ähnliches.  Der  Zusammenhang  ist 
besonders  drastisch  in  den  oben  angefiUirt^n  Geldcongiarien  des  Augustus 
zu  6n  dcnarii,  welche  eigentlich  nur  in  Geld  ausgezahlte  60  modti  sind/) 
Conj/iaria^   welche  dem  Militär  gellen,   bekommen  in  der  Kaiserzeii  den 


1)  Die  InicHrift  CIL.  VI  10211  ibI  zu  ^rHf:inoiJti»Tt,  tmj  \<r\  lliri  u  B*_»ziubui)geii  zu 
den  Fruni«iitation«*ii  zu  »precbeu.  Li^idor  ist  auch  ihre  Zeit  u:ir  u  >  ht  tn  bL*ittiiiim«a. 
Die  Freske  nui  den  Domitillakiitakomben,  welcb«^  rcb  iwit  Wilp+^rl  fhther  als  «leti  Akt 
der  Kornverteilung  darttelleiid  erklärte,  wird  jct«t  von  Wüpert  aU  DarwtcHuug  eiue« 
Viktuaiien-  (ich  hätte  «llerdiiigi  gesagt  Korn-;bÜDdler«  iuterpretieK,  wohl  mit  Recht, 
wie  die  Daretellung  de§  SubaUcraen,  welcher  eiuc  Wage  hält  (die  Wage  hatte  bei 
Korttverteilußgeo  aicbts  %u  thun),  seigt,  Aucb  passt  die  wohl  richtig  bettimmte  Zeit 
(lY.  Jahrb.)  äu  KürnvcrteilungeD  nicht.  S,  Wilpert,  ROmiai  tß  1887» 20 C  und 
Taf  11;  Di€  Malereien  der  Katakomben  /{o«M(Freiburg  1903 1,  hnc  Abbildung), 

2)  £;^.  die  pistrina  uud  nxensae  otcariae  in  den  RegiODaricrii ,  liichter,  Topogr.^ 
(2.  Aufl.)  371  C  u.  3dd;  Uirschfeld^  VerwaUtingng,  138  und  daneben  die  trihunaha  oder 
fffoduB  Gothofreduft  ad  Cod.  Th.  XIV  2,  240.  241;  Krakauer,  Das  VerpfUgungmum 
der  Stadt  Born  in  der  9pätercn  Kaieereeit,  Lcips.  1894,  44  fl'.,  für  Koti^tatitinopel  Du 
Fretne,  (hnttantinnmli»  chriniiana  II  158;  Cardinali,  a,  a,  0.  65  Ö',  Übur  die  Zeit  der 
Eiijfn^  t'Uungoii  f.  suletst  Qroag  in  der  VierUl^akruchrifi  für  Social- 
und  I                               ^  IU94ff. 

8)  ö,  bi*«,  Tbemi»t.  or.  XXTIL  p*  290ü— aSU 

4)  CardJTiaM,  a.  a.  0.  87. 

5)  S.  CA,  VI  10220;  Waluiug,  Corpw\  profm.  IV  4  R;  ßMcr,  De  pauperum 
cum  160,3;  CardinaU,  a.  a.  O.  32, 

e)  S.  Uinebfeld,  Beiträge  §,  alt,  Ge$ch.  tV  90. 


20  M.  Bo8tow0ew, 

technischen  Namen  donatim.  In  Rom  wurden  dieselben  hauptsächlich  den 
Prätorianern  zu  teil,  welche  seit  Nero,  wie  gesagt,  zur  plcbs  frumentaria 
gehörten.*) 

Trotz  dieser  engen  Verwandtschaft  zwischen  C!ongiarien  und  Frumen- 
tationen  sind  es  im  Grunde  genommen  total  verschiedene  Dinge.  Die 
Frumentation  ist  eigentlich  ein  Ausfluss  des  Rechtes  der  Bürger  auf  das 
Vermögen  und  die  Einkünfte  des  Staates.  Es  ist  eine  regelrechte  Folge- 
rung aus  dem  heUenischen  Pnnzipe  der  Volkssuprematie.  Auch  in 
Griechenland  fährte,  wie  wir  soeben  erfahren,')  dieses  Prinzip  zu  den- 
selben Folgerungen  in  betreff  der  Frumentationen,  mit  dem  einzigen 
Unterschiede,  dass  es  in  einer  Polis  eine  gesunde  wirtschaftliche  Mass- 
regel war,  in  einer  Weltstadt  wie  Rom  dagegen  in  eine  Fütterung  des 
Proletariats  ausartete.  Das  congiarium  dagegen  ist  ein  persönliches  Ge- 
schenk eines  Mächtigen,  sei  es  eines  Privatmannes  oder  eines  Magistrats. 
Die  Vermengung  des  Congiarium  mit  den  regelrechten  Frumentationen 
ist  eine  der  Massregeln  des  Augustus,  welche  seine  im  Grunde  monar- 
chische, scheinbar  republikanische  Politik  am  besten  charakterisiert.^) 
Monarchisch  ist  auch  die  Beschränkung  des  Rechtes,  CJongiarien  zu  ver- 
teilen, auf  die  Person  des  Prinzeps  und  (nur  mit  seiner  Erlaubnis)  auf 
die  Mitglieder  seiner  Familie,  worin  das  dynastische  Prinzip  schon  klar 
ausgesprochen  liegt.  Der  persönliche  Charakter  der  Congiarien  äussert 
sich  stark  auch  in  der  Art  der  Verteilung  derselben.  In  den  ersten 
Zeiten  des  Prinzipats  ist  diese  Verteilung  ein  höchst  feierlicher,  aber  rein 
persönlicher  Akt  eines  römischen  Magistrates.  Die  Verteilung  geschieht 
in  cantione:  auf  dem  Tribunal  sitzt  der  Spender  auf  einem  curulischen 
Sessel,  rings  um  ihn  sein  Gefolge,  neben  ihm  ein  Beamter,  der  die  Rech- 
nung führt,  vor  dem  Tribunal  ein  Prätorianer  aus  den  principales  — 
tabUfer  genannt  —  welcher,  wie  bei  anderen  feierlichen  magistratischen 
Akten,  zur  Bezeichnung  der  Natur  desselben  eine  an  einem  Schafte  be- 
festigte tabula  trägt:  auf  dieser  tabtda  stand  wahrscheinlich  die  Bezeich- 
nung des  Aktes  aufgeschrieben  oder  symbolisiert.*)    Den  Akt  leitet  der 


1)  Mehr  darüber  im  Art.  congiarium  bei  Pauly-Wissowa,  R.  E,  IV  1,  875  ff.,  zu- 
letzt Esser,  De  pauperum  cura  apud  Romanos  174  ff. 

2)  S.  Wiegand ,  Rehm ,  Wilamovitz  in  den  Sitsungah,  der  Berl.  Äkad,  (phtl.-hist. 
Cla8se\  1904,  917  ff.  —  eine  Inschrift  aus  Samos  des  II.  vorchr.  Jahrhunderts. 

8)  Ed.  Meyer  (Hist.  Zeitschr.  55,  1908,  8.  385  ff.)  geht  zu  weit  in  der  Betonung 
des  republikanischen  Charakters  von  Augustus'  Regime,  s.  dagegen  die  guten  Aus- 
führungen von  Gardthausen,  N.  Jbb.  für  das  Klass.  Altert.  XIII,  1904,  S.  241  ff.,  wieder 
abgedruckt  in  Augustus  und  seine  Zeit  I  8,  S.  1884  ff. 

4)  Diese  Einzelheiten  geben  uns  hauptsächlich  die  Darstellungen  auf  den  Münzen, 
besonders  auf  denen  Neros  mit  den  Aufschriften  congiarium  I  und  II.  Die  ältesten  Dar- 
stellungen dieser  Art  finden  sich  auf  den  Säcularmünzen  des  Augustus,  s.  Cohen  I  180, 
466;  Basiner,  Ludi  saecutares,  Taf.  VI  8,  S.  LXVI,  n.  2  (russisch)  und  Dressel,  Eph. 
ep,  VIII  311  n.  1.  Nähere  Beschreibung  der  Münzen  und  des  Reliefs  am  Konstantin- 
bogen in  meiner  Etüde  sur  les  plombs  72 ff.  und  meinem  Aufsatze  TabUfer  in  der  Fest- 
schrift zu  Ehren  Pomialovskys  (Petersb.  1898),  131  ff. 


Bamisehe  Bleüesserae.  21 

Spender  selbst.  Er  giebt  die  Geldsumme  dem  Bürger,  der  in  bürger- 
licher Tracht  auf  die  Stufen  des  Tribunals  stieg  und  die  Summe  aus 
der  Hand  des  Vorsitzenden  empfing.  Die  Verteilung  dauerte  zuweilen 
einige  Tage,  bewahrte  aber  die  ganze  Zeit  ihren  rein  persönlichen  Cha- 
rakter.^) 

Dies  war  das  Verfahren  bei  den  magistratischen  Congiarien,  zu 
welchen  wichtige  politische  Ereignisse  Anlass  gaben.  Daneben  aber 
kamen  auch  in  Betracht  rein  private  Ereignisse  des  persönlichen  Lebens 
der  Kaiser:  wie  in  jeder  römischen  Familie  gab  ein  frohes  Vorkommnis 
Anlass  zum  Beschenken  der  Freunde  und  Klienten.  Statt  derselben  er- 
scheint nun  bei  den  Festen  der  kaiserlichen  Familie,  wenn  nicht  das 
ganze  Volk  im  politischen  Sinne,  so  doch  der  grössere  Teil  der  städtischen 
Bevölkerung,  was  faktisch  dasselbe  ist. 

Diesen  Unterschied  notieren  unsere  literarischen  Quellen  und  der 
aus  ihnen  kompilierende  Chronograph  des  J.  354  nicht;  es  ist  aber  cha- 
rakteristisch, dass  die  Kaiser  selbst  auf  ihren  offiziellen  Dokumenten 
diesen  Unterschied  streng  berücksichtigen.  Das  Monumentum  Aneyra- 
num  ist  dafür  nicht  massgebend,  da  es  eigentlich  kein  offizielles  Doku- 
ment ist,  und  doch  vermerkt  diese  Urkunde  nur  die  wichtigsten  der  ausser- 
ordentlichen Verteilungen  aus  Anlass  des  Todes  Agrippas  oder  der  deductio 
in  forum  des  Gaius  und  Lucius.  Strenger  sind  in  dieser  Hinsicht  die 
Münzen.  So  erw&hnen  unsere  literarischen  Quellen  weit  mehr  Congiarien 
des  Nero,  als  er  selbst  auf  seinen  Münzen  notiert  und  so  auch 
öfters.*)  Mit  der  Zeit  wird  aber  der  Unterschied  nicht  mehr  so  streng  be- 
obachtet, die  Congiarien  haben  die  Tendenz  fest  reguliert  zu  werden  und 
fliessen  je  weiter  desto  mehr  mit  den  Frumentationen  zusammen.  Des- 
wegen werden  die  Erwähnungen  auf  den  Münzen  viel  häufiger,  der  per- 
sönliche Anteil  des  Kaisers  beschränkt  sich  vielleicht  auf  die  Einleitung, 
und  die  Administration  der  Congiarien  wird  mit  der  der  Frumentationen 
verbunden,  indem  erstens  tesserae  verteilt  werden,  die  auf  eine  frumctir 
tatio  und  ein  congiarium  zugleich  lauten  und  die  Auszahlung  des  Geldes 
in  der  porticus  Minucia  geschieht.  Diese  Tatsachen  bezeugen  zwei  längst 
bekannte  tesserae:  die  eine  ein  Bronzestäbchen  (jetzt  nicht  mehr  vor- 
handen) mit  einer  eingelegten  silbernen  Inschrift:  auf  der  einen  Seite  Ani(0' 
nim)  Aug(usti)  lib(eralitas)  LI  (wohl  77),  auf  der  anderen  fru(mcnt(Uio) 


1)  Dio  51,  21,  3:  xm  xb  ^i^imo  xad^  ixcctbp  igaxitag  ngotigoig  iihv  rotg  ig  ävögag 
xsXoüciv  insixa  6k  xal  xotg  naicl  dia  xbv  MdgxMav  xbv  &dsl{piSovv  diivsirfu  (Augustos); 
Dio  60,  25,  7 — 8 :  nal  xm  driiuo  x^  öixoSoxaviikipm  nivxB  p^v  xal  ißSofn/jxovxa  SgaxitMg  Snaci 
diidcaxsv  ....  Ol;  {timoi,  %al  ndvxa  avxbg  diivsifuv  (was  also  die  Regel  war),  dXXa  xal 
Oi  yaft^^ol  uvxoü,  instörinfg  M  nXslovg  iifiigag  i]  diddocig  iyivexo  xal  iftilrfit  xal  di- 
xdcai  iv  ravraig  (Claudias) ;  8cr.  h,  Aug. ,  Commodus  2,  1 :  adhuc  in  praeUxta  puerüi 
congiarium  dedit  atque  ipse  in  basilica  Traiann  praesedit. 

S)  a  liarqnardt,  Staatsv.  U  136  £f. 


22  M.  BostowßeWy 

n(umero)  LXI-,^)  die  andere  eine  Bleimünze  (Syü.  n.  336),  auf  welcher 
geschrieben  steht:  auf  der  einen  Seite  de  lib{er<Mtate)  /*)  (prima)  far(p)  IV 
(quarto  =  ostio  IV),  auf  der  anderen  Minucia. 


In  den  vorhergehenden  Zeilen  ist  zur  Genüge  bewiesen  worden,  dass 
man  seit  Augustus  bei  Korn-  und  Geldverteilungen  besondere  Zeichen 
oder  Marken  —  tesscrae  genannt  —  verwendete.  Nach  späteren  Zeug- 
nissen ist  es  wahrscheinlich,  dass  diese  tesserae,  ob  sie  nun  zu  Eom-  oder 
Geldverteilungen  dienten,  dasselbe  Aussehen  hatten  und  wohl  münzähnlich 
waren.  Für  die  Zeit  vor  Augustus  besitzen  wir  über  die  Verwendung 
der  tesserae  bei  den  Frumentationen  kein  Zeugnis.  Solche  Verwendung 
wäre  auch  sehr  unwahrscheinlich,  da  Korn  zu  empfangen  damals  jeder 
Bürger  berechtigt  war,  und  es  kaum  denkbar  ist,  dass  das  Volk  irgendwo 
in  der  Ausübung  dieses  seines  Rechtes  beschränkt  worden  wäre.'*) 

Sehr  merkwürdig  wäre  es,  wenn  wir  von  den  Hunderttausenden  dieser 
tesserae,  deren  Giltigkeitsbereich  sich  auf  Rom  beschränkte,  bei  der  jahr- 
hundertelangen Erforschung  des  römischen  Bodens  keine  einzige  nachweisen 
könnten.  Es  ist  zwar  selbstverständlich,  dass  man  die  schon  einmal  ge- 
brauchten tesserae  nicht  weggeworfen,  sondern  wiederholt  verwendet  und 
öfters  umgeschlagen  hat,  aber  trotzdem  mussten  viele  von  den  200  000 
abhanden  kommen.  Es  ist  also  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  unsere 
Museen  zahlreiche  specimina  dieser  tesserae  bewahren  müssen.  Andererseits 
frappiert  es  jeden,  der  die  sogenannten  Kleinfunde  kennt,  dass  unter 
diesen  eine  geradezu  auffallende  Menge  münzähnlicher  Stücke  vorhanden 
ist,  welche  nicht  älter  als  Augustus  sein  können,  und  deren  offizieller 
Charakter  durch  das  Erscheinen  der  Kaiserköpfe  und  der  Köpfe  von  Mit- 
gliedern der  kaiserlichen  Familie  auf  denselben  sich  beweisen  lässt.  Diese 
münzähnlichen  tesserae,  wie  sie  seit  langer  Zeit  bezeichnet  werden 
(Eckhel  VIII  514  nennt  sie  sogar  pseudomonetae),  erscheinen  in  zwei  Me- 
tallen: in  Bronze  und  Blei.  Die  Bronzeserien  sind  längst  bekannt  und 
zuletzt     auch     vortrefflich    gesammelt    und    gesichtet    worden,*)    für 


1)  Nach  einer  Kopie  des  padre  Leslea  mehrmals  publiziert;  s.  Marini,  AtH  II  695; 
Hirschfeld,  Ännona  17;  Dressel,  CIL.  XV  2,  7201.  Der  letztere  bemerkt  mit  Recht: 
Antonintis  utrum  Pitts  sit  an  Marcus  an  CaracaUus  an  Elagabaius  incertum  est. 

2)  Nach  Hirschfeld,  VerwaÜungsg.  134,  4  vielleicht  d(t)e  Ub(eraUtati8)  I. 

8)  Ich  glaube  nicht ,  dass  schon  in  der  republikanischen  Zeit  die  Zahl  der  Korn- 
empfänger  festgesetzt  war.  Versuche  dazu  sind  nur  in  den  Zeiten  nach  Sulla  zutage 
getreten,  aber  sie  verliefen  doch  in  nichts,  wie  die  Massregeln  des  Pompeius  (Dio 
39,  24,  1)  und  Cäsar  (Dio  43,  21,  4)  zeigen.  Das  Massgebende  bei  allen  solchen  Ver- 
suchen wird  wohl  eine  strenge  Kontrolle  des  vollen  Bürgerrechtes  gewesen  sein,  vgl. 
darüber  zuletzt  (J.  Cardinali  a.  a.  O.  7  ff . 

4)  S.  A.  de  Beifort,  Annuaire  de  numismatique  XIII  (18H9),  p.  69  ff.  pl.  I— IV 
und  XM  (1892),  127  ff.,  171  ff..  237  ff.,  vgl.  auch  Cohen,  Monn.  t>nj).  VIII  24 ff. 


Komische  Bleitesserae.  23 

die  Bleie  habe  ich  dasselbe  zu  thun  versucht.  Zusammen  behandelt 
wurden  die  beiden  Serien  nicht,  wohl  deshalb  nicht,  weil  die  Zahl  der 
bekannten  offiziellen  Bleitesseren  zu  klein  war. 

Der  Zusammenhang  der  beiden  Serien  ist  aber  sonnenklar  und  braucht 
nicht  bewiesen  zu  werden  :0  Grösse,  Kopf  typen,  Unbeständigkeit  des  Ge- 
wichtes und  anderes  mehr  sprechen  dafür.  Derselbe  Zusammenhang  exi- 
stiert auch,  wie  wir  sehen  werden,  zwischen  den  nicht  offiziellen  Blei- 
und  Bronzeserien.  Die  offiziellen  Bronzemarken  entstehen  mit  Augustus 
und  verschwinden  unter  Claudius,  die  offiziellen  Bleie  beginnen  ebenfalls 
unter  Augustus  und  dauern  in  grösseren  Serien  bis  in  die  Zeiten  der 
Flavier,  sporadisch  bis  zum  ausgehenden  zweiten  Jahrhundert. 

Die  beiden  Serien  lassen  sich  in  folgende  Kategorien  gruppieren. 

Der  Zeit  des  Augustus  gehört  die  zahlreichste  Gruppe  der  Bronze- 
marken an.  Wir  haben  folgende  drei  Kategorien:  1.  Kopf  des  Augustus 
mit  Lorbeerkranz  auf  der  Hauptseite,  Zahl  im  Kranze  auf  der  Rückseite,^) 
2.  dieselbe  Hauptseite,  auf  der  Rückseite  entweder  eine  Zahl  mit  einer 
Darstellung  verbunden,  oder  eine  Darstellung  ohne  Zahl,  aber  mit  der 
Legende  Aug(ustus),  oder  die  Legende  Aug(ustt48)  im  Kranze,^  3.  statt 
des  Kaiserkopfes  haben  wir  einen  Kopf  eines  Mitgliedes  der  kaiser- 
lichen Familie:  zweimal  Livia (?),*)  einmal  Julia (?),^)  zweimal  Gaius 
und  Lucius  als  Dioskuren<^)  und  eine  Zahl  auf  der  Rückseite. 

In  Blei  ist  nur  die  dritte  Gruppe  vertreten.  Von  den  Bronzen 
unterscheiden  sich  die  Bleie  durch  grössere  Münzähnlichkeit:  sie  tragen 
Beischriften  bei  den  Köpfen  und  haben  verschiedene  Darstellungen  auf 
der  Rückseite.  Die  grössere  Münzähnlichkeit  lässt  diese  Gruppe  leichter 
bestimmen  und  datieren.  Hervorgerufen  ist  sie  wohl  dadurch,  dass  bei 
der  Verwendung  des  Bleies  mit  der  Gefahr  der  Verwechslung  mit  Geld 
nicht  zu  rechnen  war.  Wir  besitzen  in  Blei  folgende  tcsserae:  1.  Julia, 
Tochter  des  Augustus,  oder  Li  via,  Gemahlin  desselben  {Sylt.  2),  2.  Gaius 
und  Lucius  als  principcs  iuventuiis  (Sylt.  3),  3.  Gaius  allein  als  Besieger 
der  Armenier  (Syll  Suppl.  3*,  vgl.  die  beigefügte  Taf.  II),  4.  Tiberius 
als  Adoptivsohn  des  Augustus  (SyU.  5). 

Für  die  Zeit  des  T  i  b  e  r  i  u  s  haben  wir  folgende  Serien.  In  Bronze : 
1.  Augustuskopf  im  Strahlenkranze  und   eine  Zahl  im  Kranze  auf  der 


1)  Doh  ist  auch  vou  Blanctiet,  Rev.  arch.,  1889,  255  bemerkt  worden.  Blanchet 
aber  zieht  auch  die  Beintesseren,  d.  h.  Spielmarken  rein  privater  Natur,  wohl  mit  Un- 
recht hinzu.     Über  diese  Letzteren  s.  meinen  Aufsatz  in  der  Bev.  arch,,  1905,  Lief.  1. 

2)  Beifort,  Ann.  XIII  75  ff.  Sor.  1—11;  die  letzten  drei  mit  der  Beischrifk  /«/(t- 
citer)  auf  der  Haupt seite;  auf  den  Ser.  7  und  8  wird  ein  lituus  bei  dem  Kopfe  ab- 
gebildet. 

3)  Beifort,  1.  1.  83,  Ser.  16-19. 

4)  Beifort,  1.  1.  84,  pl.  III  6—8. 
ö)  Beifort,  I.  I.  84,  pl    III  \). 

i>)  Bolfort,  1.  1.  85,  pl.  Hl  10  und  Ann.  XVI,  pl.  1X2. 


24  M.  BosiowMeWy 

Bückseite,^  2.  derselbe  Kopf  und  auf  der  Rückseite  die  Inschrift  ^u^m^^) 
im  Kranze,^)  3.  Kopf  oder  Büste  des  Tiberius  und  auf  der  Bückseite  eine 
Zahl  im  Kranze,^  4.  Antonia(?)  und  auf  der  Bückseite  eine  Zahl  im 
Kranze.*) 

In  Blei  haben  wir  wieder  nur  die  letzte  Gruppe.  Es  herrscht  die- 
selbe Münzähnlichkeit  vor.  Wir  besitzen:  1.  Drei  ^^^o«  des  G^rmanicus 
{Syll,  4,  6,  7),  2.  eine  der  Söhne  des  Germanicus:  Nero  und  Drusus 
{Syll.  8),  3.  eine  der  Antonia,  der  Frau  des  Drusus  {Syll  9),  4.  eine  der 
Kaiserin  Livia  {Syll.  1). 

Caligula  ist  der  Kürze  seiner  Begierung  gemäss  ziemlich  schwach 
vertreten.  Wir  haben  1.  seinen  bekränzten  Kopf  und  auf  der  Bückseite 
eine  Zahl  im  Kranze,^)  2.  Büste  der  Drusilla(?)  und  eine  Zahl.*)  In  Blei 
haben  wir  bis  jetzt  keine  Marken  von  ihm. 

Unter  Claudius  existieren  in  Bronze  zwei  Serien:  1.  Kopf  des 
Claudius  bekränzt,  und  eine  Zahl  in  Kranze, 0  2.  Kopf  bekränzt  und 
Aug{ustus)  im  Kranze.^)  Daneben  vielleicht  3.  Claudius  und  Messalina 
oder  Agrippina  (oder  sind  es  Caligula  und  Agrippina  ?).*) 

In  Blei  wieder  nur  Mitglieder  des  Kaiserhauses :  1.  Antonia  {SyTL  10 
unten  Taf.  I,  2);  2.  Britanniens  (Syß.  11),  3.  Nero  und  Agrippina  {Syll.  12). 

Seit  Nero  wird  es  ganz  anders.  Von  ihm  haben  wir  nur 
eine  Bronzetessera,^®)  dagegen  eine  reichhaltige  Serie  Bleimarken  mit 
seinem  Kopfe  und  verschiedenen  Bv.  {Syll  15 — 32).  Daneben  Mitglieder 
seiner  Familie:  Octavia  {Syll.  33,  vielleicht  noch  aus  der  Zeit  des  Claudius), 
Agrippina  {Syll  14),  Claudia  seine  Tochter  {Syll  34). 

Nach  Nero  haben  wir  keine  Bronzen  mehr,  die  Bleie  gehen 
fortlaufend  weiter:  Galba  {SyU.  35.  36),  VitelUus  (80.  81),  die  Flavier 
(37—50,  cf.  51),  unter  Trajan  eine  Lücke,  dann  sporadisch  Hadrian 
(62),  Antoninus  (71.  72)  und  ganz  ausnahmsweise  Carinus  (74). 

Wir  besitzen  also  zwei  Serien  gleichartiger  münzähnlicher  Marken. 
Vor  Nero  setzt  man  den  Kopf  des  regierenden  Kaisers  nur  auf  Bronze, 
nachher  verschwinden  die  Bronzen  und  der  Kopf  erscheint  auf  den 
Bleien.  Daneben  giebt  es  Bleie  und  Bronzen  mit  Darstellungen  der 
kaiserlichen  Familie. 

Die  Bestimmung  der  Bleie,  welche  durch  Köpfe  der  Mitglieder  der 
kaiserlichen  Familie  signiert  sind,  geben  die  Monumente  selbst  an.    Die 

1)  Beifort,  1.  1.  80,  Ser.  12—15. 

2)  Beifort,  1.  1.  88,  Ser.  19,  n.  2-3. 

3)  Beifort,  1.  1   85,  Ser.  1—5. 

4)  Beifort,  l.  1.  87,  pl.  IV  2. 

5)  Beifort,  1.  1.  87,  Ser.  1—4. 

6)  Beifort,  1.  1.  88,  pl.  III  7  und  IV  7. 

7)  Beifort,  1.  1.  89  ff. 

8)  Beifort,  1.  1.  90. 

9)  Beifort,  1.  1.  89,  pl.  IV  8. 
10)  Beifort,  1.  1.  90. 


nische  BUiiesserae. 


85 


der  Äütonia  (Si/U.  10 ,  vgl  die  beigegebene  Taf  I  2)  trägt  die 
Inschrift:  ex  \  Ufwralitate  \  Tu  Claudi  \  Cae{mriü)  Aug{i^t{),  Sie  ist  also 
eine  Marke  zum  Empfange  des  Congiariums,  welches  vom  Kaiser  zu  Ehren 
der  Antonia  (Anfoniao  mmimi)  verteilt  wurde.  Die  ßleimarkeii  Äeugeu 
also  jede  von  einer  lar(fUw  prindpis,  die  spcctacula  natürlich  mit  ein- 
begriffen. Bestätigt  wird  diese  Auffassung  dadurch,  dass  fast  alle  vor- 
handenen tesserae  sich  ohne  Zwang  mit  bestimmten  bekannten  Vorgängen, 
welche  Anlass  zu  Verteilungen  und  Festi^n  gaben,  vereinigen  lassen. 

Wir  beginnen  mit  den  Marken  der  Enkel  des  Augustus,  da  die 
Tessera  der  Livia  cnler  Julia  (Si/W,  2)  sich  leider  der  einen  oder  der  anderen 
nicht  zuteilen  lässt  (die  Darstellung  des  Kopfes  spricht  für  Livia»  die 
Inschrift  für  Julia).  Die  Tessera  Syll  3  ist  sicherlich  eine  Neuauflage 
der  bekannten  Münzen  des  J.  2  v.  Chr.  (Cohen  I  09,  42.  43;  Eckhel 
VT  171).*)  Die  Schilde  und  Lanzen  des  K  sind  das  bekannte  Geschenk 
der  Ritter  an  die  principcs  iiiveniuti^;  auf  den  Münzen  halten  die  Prinzen 
diese  Gegenstatidt*  in  den  Händen.  Der  Lorbeerzweig  und  die  Rolle, 
auch  der  mit  der  Toga  bedeckte  Kopf  deuten  auf  die  mcerdotia  der 
Jünglinge,  wie  der  Utum  und  das  simpulum  auf  den  Münzen;  die  sMt 
curulä  endlich  weist  auf  die  Designat ion  zu  Konsuln  hin.  Wir  wissen 
nun,  dass  die  Ereignisse  des  J.  2  zusammen  mit  der  Dedikation  des 
Tempels  des  Mars  Ultor  zu  feierlichen  Spielen,  bei  denen  Gaius  und 
Lucius  präsidierten,  Anlass  gaben  (Dio  55,  6—7);  es  wurde  wohl  auch  ein 
t^ngiarium  bei  dieser  Gelegenheit  verteilt  (Mommsen,  Ren  gestac^  02), 
Die  Bronzetesseren  des  Gaius  und  Lucius  mit  ihren  Köpfen  als  Dioskuren 
(die  Dioskuren  sind,  wie  bekannt,  die  Patrone  der  römischen  Ritterschaft) 
beziehen  sich  wohl  auch  auf  die  Feste  des  J.  2.  Gaius  allein  feiert  die 
Tessera  S.  3*  (s,  die  beigegebene  Tat  T  l\  Denn  dass  Gaius  dargestellt  ist, 
bezeugt  erstens  die  Legende  (leider  zu  Anfang  verstümmelt),  dann  die  Ähn- 
lichkeit des  Kopfes  mit  dem  der  stadtrömischen  Münzen  desselben,^)  endlich 
der  Umstand,  dass  auf  der  Ktickseit^  die  Victoria  der  Augustusmünzen '0  er- 
scheint, nur  hat  man  die  navis  prora  aus  der  Darstellung  eliminiert,  Diei^e 
Victoria  spricht  auch  dafür,  dass  die  Marke  aus  Anlass  der  orientalischen 
Siege  dejs  Jünglings  verfertigt  wurde.  Wie  bekannt  sind  die  Nachrichten  von 
dem  Annenierzuge  des  Gaius  höchst  spärlich  (s.  Mommsen,  lies  gcstac^ 
113  ff»),  dennoch  ersehen  wir  aus  denselben,  dass  seine  Siege  stark  über' 
trieben  und  hochgefeiert  wurden  (s.  bes.  das  Dekret  von  Pisae  CIL, 
XI  1421,  Z.  8  fr.:  bem  gesta  re  publica  devicteis  aul  in  [/id]tm  rccepiis 
bcUieosissimis  ac  mazHmis  geniibus  . . ,  *X*)  wad  ohne  weiteres  vermuten 


1)  Vgl  Itrommseii,  E$i  ffitku*  52  fT. 

2)  Cobea  I  181,  1 1 

9)  Cbärakterktiach   ist,  4tm  «s  gersde  Tiiumphiilniün«en  «iod  Oobeo  I  80.  115» 
cf-  74.  75. 

4)  Vgl  Gardtliftuii^n,  Awru$Ut9  umd  »ttnt  Zmi  Ul  1, 1143 f.  uttd  2»  lUL,  Ann*  44. 


26  M.  Bostow0ew^ 

lässt,   dass   auch   ein  Siegescongiarium  in  seinem  Namen  von  Augostus 
verteilt  wurde. 

Die  Tessera  des  Tiberius  (S.  5),  gehört  der  Zeit  nach  4  n.  Chr. 
an,  da  Tiberius  erst  in  diesem  Jahre  adoptiert  wurde  und  den  Namen 
Caesar  erhalten  hat.  Nach  der  Adoption  aber  ging  derselbe  sofort 
in  die  Provinzen  zur  Kriegsführung.  Er  kehrte  als  Triumphator 
erst  im  J.  12  zurück.»)  In  diesem  Jahre  wurde  auch,  wie  Sueton  {Tib,  20) 
berichtet,  ein  Siegescongiarium  verteilt.  Auf  einen  Sieg  deutet  aber 
die  Victoria  auf  der  Rückseite  unserer  Tessera  (vgl.  Prosqp,  imp.  R.  H  183; 
Eckhel  VI  186).2) 

Die  Tessera  mit  dem  Kopfe  der  Livia  (Syll  1)  und  dem  Carpentum 
auf  der  Rückseite  erinnert  stark  an  die  Münzen  des  Tiberius  mit  dem 
Namen  der  Livia  und  dem  Carpentum  (geprägt  im  J.  22  n.  Chr.,  Eckhel 
VI  149;  Cohen  141,6).  Tacitus  aber  (Ann.  11164,  vgl.  71)  berichtet, 
dass  in  diesem  Jahre  zur  Erbetung  der  Genesung  Livias  grosse  Spiele 
geweiht  und  wohl  auch  gefeiert  wurden.  Dazu  passt  vortrefflich  der 
dem  Kopfe  beigeschriebene  Name  Augusta.  Möglich  wäre  es  vielleicht 
auch,  an  die  Verteilungen  des  Caligula  auf  Grund  des  Testamentes  der 
Livia  zu  denken  (s.  Dio  59,  2;  Suet.,  Cal  16,  cf.  Dio  59,  1;  Suet.,  Tib.  51; 
Tac.  Ann,  V  1,  6).») 

Die  Tessera  der  Autonia  mit  der  Beischrift  Antonia  Drusi  (S,  9) 
gehört  noch  in  die  Zeit  des  Tiberius;  nachher  führte  Antonia  den  Titel 
Augusta.  Es  lässt  sich  an  die  Feier  der  Entdeckung  der  Sejanischen 
Verschwörung  denken :  die  Entdeckung  derselben  verdankte  Tiberius,  wie 
bekannt,  der  Antonia  (Dio  66,  14;  Jos.,  Ant  iud,  18,  6,  6;  Prosap.  1 107, 
vgl.  Dio  58,  11,  7). 

Die  Tesserae  des  Germanicus  (S.  4,  6,  7)  lassen  sich  leider  be- 
stimmten Ereignissen  nicht  zuteilen.  Feierlichkeiten  und  Verteilungen  in 
seinem  Namen  gab  es  viele,  triumphiert  hat  er  auch  öfters  (prnanutnta 
triumphalia  im  J.  9  n.  Chr.,  Triumph  und  Congiarium  im  J.  17).  Etwas 
älteres  Aussehen  im  Vergleiche  mit  6 — 7  hat  Tessera  4.  Es  wäre 
möglich,  dass  die  Tessera  den  Vater  des  Germanicus  darstellt  und  sich  auf 
die  Spiele,  die  ihm  zu  Ehren  im  J.  6  n.  Chr.  von  seinen  Söhnen  gegeben 
wurden,  oder  auf  die  Feierlichkeiten  nach  seinem  Tode,  da  er  den  Namen 

1)  Im  J.  9  gab  es  keine  Feier;  über  das  Datum  des  Triumphes  s.  zuletzt  Gardt- 
hausen,  Augustus  1X1  2,  834  ff.,  welcher  sich  für  das  Jahr  13  entscheidet. 

2)  Vgl.  die  Tessera  S.  100  mit  der  Aufschrift  t]r{tbiinicia)  potieatas)  auf  der  einen 
Seite  und  Providentia  auf  der  anderen.  Die  Darstellung  der  Rückseite  erscheint  öfters 
auf  römischen  KaisermUnzen ,  die  Haui)t8eit('  ähnelt  den  Münzen  des  Caninius  GaUus 
(Babelon,  Monn.  de  1a  Rep.  I  311,  1;  Cohen  I  116,  382)  mit  Darstellung  eines  sub- 
sellium,  eines  Apparitorenstabes  und  der  Inschrift:  Äugusius  —  tr.  pot.  Vielleicht  ge- 
hört auch  unsere  Marke  in  die  Zeit  des  Augustus;  die  dargestellte  Szene  ist  wohl  der 
Akt  der  Verleihung  der  trtbunicia  potestns  an  Tiberius. 

3)  Vgl.  meinen  Aufsatz  in  der  Sirena  Helhigiana  262  tV. 


Rötnisclw  Bleüesserae.  27 

Germanicus  erhielt,  bezieht  (Dio  55,  2  u.  27;  Pros&p.  I  368  und  II 179, 
vgl.  Gardthausen,  a.  a.  0.  HI  2,  707). 

Die  Tessera  des  Nero  und  Drusus  (S.  8)  bezieht  sich,  wie  aus  den  Dar- 
stellungen klar  hervorgeht,  auf  das  tirocinium  der  Prinzen  (Suet.,  Tib,  54; 
Tac.,  Ann.  IH  29;  CIL,  XIV  244,  cf.  Eckhel  VI  217). 

Die  Tessera  der  Antonia  ist  schon  erwähnt  worden.  Eine  liberdlüas 
des  Claudius  zu  Ehren  seiner  von  ihm  sehr  verehrten  Mutter  ist  nicht 
bezeugt;  vielleicht  wäre  an  die  Spiele,  die  Claudius  am  Geburtstage  der 
Antonia  gab,  zu  denken  (Dio  60,  5;  Suet,  Claud,  11;  Eckhel  VI  180). 

Es  ist  also  klar,  dass  die  Bleimarken  bis  Nero  sich  auf  die  Uberali- 
tates  der  Kaiser  beziehen  und  zwar  auf  die  Ubcrdlitatcs  mehr  persönlichen 
privaten  Charakters,  nicht  auf  die  grossen  Magistratscongiarien.  Das- 
selbe ist  wohl  von  den  Bronzetesseren  der  Mitglieder  der  kaiserlichen 
Familie  anzunehmen.  Nur  lassen  sie  sich  nicht  leicht  auf  bestimmte  Er- 
eignisse deuten:    es  fehlen  Inschriften  und  Darstellungen. 

Was  stellen  aber  die  Bronzetesseren  mit  den  Kaiserköpfen  dar?  Es 
sind  sicherlich  offizielle  Marken,  die  in  grösseren  Serien  geprägt  wurden. 
Die  Serien  aus  der  Zeit  des  Augustus  sind  meistens  doppelt,  das  Gewicht 
der  einzelnen  Stücke  ist  sehr  ungleich,  die  Typen  sehr  summarisch. 
Innerhalb  jeder  Serie  haben  wir  numerierte  Gruppen,  meistens  mit  den 
Zahlen  von  1 — 15.    Die  Bestimmung  ist  leider  nirgends  angedeutet. 

Nach  dem  vorher  Gesagten  kann  es,  glaube  ich,  nicht  bezweifelt 
werden,  dass  die  Bestimmung  dieser  Bronzemarken  der  der  Bleimarken 
und  des  anderen  Teiles  der  Bronzemarken  analog  sein  muss.  Nur  be- 
ziehen sich  die  gewöhnlichen  Bronzetesseren  mit  dem  Kaiserkopfe  auf 
kein  bestimmtes  Ereignis,  die  Wiederholung  der  Serien  deutet  auf  Regel- 
mässigkeit der  sie  hervorrufenden  Akte;  kurz  gesagt,  von  den  ausserordent- 
lichen Congiarien  kann  kaum  die  Rede  sein,  besonders  wenn  wir  die  feier- 
lich persönliche  Art  ihrer  Austeilung  im  Auge  behalten.  Es  bleibt  nur  eines 
—  die  Bronzetesseren  mit  den  von  Augustus  selbst  und  Sueton  bezeugten 
tesscrae  nummariac  und  frumentariac  zu  identifizieren.*)  Die  Zahlen  könnte 
man  dann  auf  gewisse  Abteilungen  des  nach  vici  rezensierten  Volkes  be- 
ziehen und  sie  mit  der  Gliedening  des  Volkes  bei  der  fnmcntafio  in  Zu- 
sammenhang bringen.^) 

Nun  bleibt  aber  etwas  bei  dieser  Erklärung  auffallend.  Wie  kam  es, 
dass  das  von  praefecti  frumenti  dandi  ex.  $.  c.  geleitete  Geschäft  der 


1)  Die  früheren  Theorien  s.  bei  Beifort,  a.  a.  0.  70  ff.,  vgl.  Mowat,  Bull.  d.  anti- 
quaires  de  France  1895,  25  ff.  (Separatabdruck).  Mowat  erkifirt  die  Tesseren  ab  Spiel- 
marken, was  mit  dem  offiziellen  Charakter  derselben  nicht  zu  vereinigen  ist.  Ein  Teil 
der  privaten  Tesseren  konnte  allerdings  auch  als  Spielmarken  gedient  haben.  Mit 
den  Contomiaten  haben  die  Bronzetesseren  nichts  zu  thun. 

2)  Das  Erscheinen  der  Zahlen  auch  auf  den  bronzenen  Congiarientesseren  bezeugt 
noch  einmal  die  Gleichartigkeit  der  Verteilung  bei  den  Congiarien  und  Frumentationcn. 


28  M.  BostowMew, 

Verteilung  durch  Marken,  worauf  des  Senates  keine  Erwähnung  ge- 
schieht, reguliert  wurde?  Es  ist  wohl  sicher,  dass  zu  den  Zeiten  der 
Republik  das  Markensystem  bei  den  Eornverteilungen  nicht  angewendet 
wurde.  Caesar  hat  es  wohl  auch  nicht  eingeführt:  wenigstens  wissen  wir 
davon  gar  nichts.  Die  römischen  Grossen  der  ausgehenden  Bepublik 
kannten  aber  das  System:  wie  ich  in  einem  speziellen  Aufsatze  nach- 
gewiesen habe,  gebrauchte  Antonius  und  nach  ihm  auch  Augustus 
Tesserae  bei  der  Regulierung  ihrer  Verteilungen  in  Athen.  ^)  Es  war 
auch  ganz  natürlich,  dass  die  Römer  bei  ihren  Massengeschenken  das  alt- 
einheimische und  bequeme  System  der  Marken  in  der  Heimat  des  Systems 
selbst  gebrauchten,^)  und  es  ist  denkbar  und  wahrscheinlich,  dass  Augustus 
in  Rom  das  Markensystem  zuerst  bei  seinen  privaten  Verteilungen  an- 
gewendet hat  und  bei  dieser  Gelegenheit  den  Typus  der  tesserae  frumen- 
tariae  und  nummariae  schuf.  Bei  einer  der  von  ihm  vorgenommenen 
Reformen  wurden  dann  auch  bei  den  Staatsverteilungen  die  Marken  als 
sehr  bequemes  Mittel  eingeführt  und  der  Typus  der  Augustischen  Marken 
einfach  übernommen.«)  Die  Beibehaltung  des  Kopfes  des  Kaisers  auf  den 
Senatsmarken  ist  wohl  ein  Zeichen  dafür,  wie  stark  Augustus  in  die  Ver- 
teilungen eingriff  und  wie  viel  er  für  dieselben  geleistet  hat:  bei  seiner 
vorsichtigen  Politik  dem  Senate  gegenüber  ist  dieser  Übergriff  kaum 
anders  zu  erklären.  Man  muss  auch  bedenken,  was  für  ein  starkes  Agi- 
tationsmittel die  Tesseren  vorstellten:  in  jedem  Kornempfänger  erweckte 
die  Tessera  die  Überzeugung,  dass  er  nur  satt  sein  könne,  solange  der 
Kaiserkopf  auf  den  Tesserae  da  sei,  dass  er  eigentlich  sein  Wohl  dem 
Kaiser  ausschliesslich  verdankte. 

Wie  oben  gezeigt  worden  ist,  können  wir  die  Bronzetesserae  bis  in 
die  Zeiten  des  Claudius  verfolgen.    Unter  Nero  verschwinden   sie;    da- 


1)  Festschrift  sum  60  Geb.  0,  Hirschfelds  303  ff. 

2)  Dass  die  Kornverteilungen  in  Athen  sowie  die  Verteilung  des  d'imgixbv  und 
ixytXricutütiTibv  durch  Marken  ganz  gleicher  Art  reguliert  wurden,  erhellt  sowohl  aas 
den  Marken  selbst  (s.  die  russische  Auflage  269),  wie  noch  klarer  aus  der  Eleusinischen 
Inschrift,  Dittenberger,  SyU.  II,  505;  IG,  IV  2,  614c  (p.  159).  Die  Inschrift  ist  ein 
Beschluss  zu  Ehren  eines  yQainuxtevtov  x[6]ts  xafilaLg  t&v  airoaviTi&v.  Motiviert  wird 
die  Ehrung  dadurch,  dass  Lysias  (Z.  10  ff.)  ygafi^tevcov  rcuf.  ta^tiai  tc5v  ait(o\vixtav  rbv 
iviavxbv  tbv  inl  Mtfkxl4ovg  &gxovtos  (282/281  v.  Chr.)  n'oi[i]T/v  OTtovSriv  7tB7tolr\xai  ' 
nfgi  xi]v  xov  a{l\x(iv  döaiv  xal  xäv  ixrdriauxaxi^xav  xcj[v]  ÖLÖo^iivcov  inl  xbv  alxo[v  .  .  . 
Mit  Recht  bemerkt  Köhler,  dass  die  ixxXriaucaxtxä  die  Marken  sind,  welche  sonst  zur 
Verteilung  des  ixTdtiaucaxLxbv  hergestellt  wurden  und  öfters  unter  dem  Namen  av^ßoXa 
erwähnt  werden,  s.  bes.  Dittenberger,  St/ll  496»,  35  (J.  341/340  v.  Chr.);  /.  G.  II  872; 
Michel  648;  Köhler,  Ath.  Mitt.  VII  102  ff.  .  .  .  inaivköai  intidi]  xahag  x[al  djixauo; 
iitt^Xr^^rioav  xfig  avXXoyi]g  xov  dtj/u^v  xai  xfig  [6i]aS6as{to)g  x<av  övvßdXoiv  .  .  .,  vgl. 
Aristoph.,  Eccl.  297.  Diese  oder  ganz  ähnliche  Marken  gebrauchte  man  auch  für  die 
Kornverteilungen.   Vgl.  auch  die  auf  S.  5  erwähnten  Schriften  Dumonts  und  Benndorfs. 

3)  Ob  damit  die  Augustischen  Doppelserien  und  die  mehrmals  erwähnte  Angabe 
Suetons  tesserasqiie  nummarias  duplicavit  im  Zusammenhange  stehen ,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden. 


Römü 


istl^tHUii 


esserae. 


S9 


gegen  erscheinen  unter  ihm  znerst  und  zwar  in  gr^^sseren  Massen  mtni- 
ähnliche  Bleiraarken  mit  dem  Kojife  und  dem  Namen  des  Kaisers  signiert 

Die  Inschriften  und  die  Reversdarstellungen  dieser  Tesserae  lassen  ans 
der  ganzen  Masse  zuerst  eine  Reihe,  die  zur  Regulierung  der  (J^ngiarien 
gebraucht  wurde,  ausscheiden.  Erstens  die  Tessera  der  Octavia  (6\  33), 
welche  aber  noch  der  Zeit  des  Claudius  angehört,  in  der,  wie  bekannt,  die 
Feierlichkeiten  der  Ehp^rhliessung  zwischen  Octavia  und  Nero  stattfanden 
(s.  Suet.,  Nero  7).  Claudius  Hess  auch  die  Tessera  S.  12^  auf  der  Nero  mit 
Agrippina  zusammen  dargestellt  und  Ti.  Cl(Qudius)  Ne{ro)  genannt  ist,  ver- 
fertigen. Der  Name  Tt .  Cl  Ner(^  ist ,  wie  bekannt,  der  Name,  den  Nero 
nach  der  Adoption  angenommen,  aber  sehr  bald  nicht  mehr  gebraucht  hat,') 
Deswegen  ist  es  sehr  wahrs^cheinlicli,  dass  unsere  Marke  das  Congiarium  des 
Jahres  51  regulierte  (s.  Tac,  Ann,  Xllil,  vgl  Suet,  Nero  7).  Beide 
Prinzen  (auch  Brrtannicus)  fii^urierten  dabei,  Nero  aber  spielte  die  Haupt- 
rolle: auf  den  Tesseren  der  dabei  gegebenen  Spiele  (s,  weiter  unten  S.  49), 
die  noch  vorhanden  sind,  tritt  diese  Bevorzugung  Neros  ebenso  klar  wie 
auch  auf  unserer  hervor. 

Zu  einem  Donativum  vielleicht  desselben  Jahres  gehört  die  Tessera 
S.  18  (s.  die  beigegebene  Taf*  I  3).  Auf  der  Hauptseite  haben  wir  den 
Kopf  Neros  mit  der  Aufschrift  Nero  Caesar,  auf  der  Rückseite  die  Dar- 
stellung des  Mars  nnd  die  Beischrift  Chmdioritim),  was  zu  der  Adoption 
des  Neru,  seinem  Eintreten  in  die  Familie  der  Claudier  vorzüglich  passt 
(vgl  Etudc  S.  r,5). 

Zu  einem  Congiarium  gehört  auch  die  Tessera  mit  der  Erwähnung 
des  armenis<'lien  Königs  (S  221  Näheres  darüber  s.  Etmle  hl.  Daneben 
haben  wir  auch  Marken,  deren  Beziehungen  zu  den  Spielen  nicht  zu 
verkenjien  sind.  Es  sind  &  20,  31  (s.  die  beigegebene  Taf.  14),  32; 
von  ihnen  wird  weiter  unten,  S,  49,  2,  dii*  Rede  sein. 

Es  bleibt  noch  die  Mehrzahl  der  Neronischen  Tesseren,  welche  sich 
in  zwei  Gruppen  teilen  lässt.  Auf  der  einen  heisst  Nero  Nero  Caesar, 
auf  der  anderen  Nero  Caesar  Äugustus,  In  dei*  ersteren  Gruppe  finden 
wir  Reverse,  die  stark  an  Claudische  Münzen  erinnern:  die  Figur 
auf  S.  16  ist  die  Constantta  ÄuffusH  der  Münaien  Kckhel  VI  236,^)  der 
Mars  (S.  17, 18)  erscheint,  zwar  etwa«  anders  behandelt,  auf  den  Münzen 
des  Britannicus  (Eckhel  VT  254;  Cohen  1270,  1);  daneben  aber  finden 
sich  (nach  dem  Typus  des  Kopfes  und  den  Rs.  zu  urteilen)  auch  Tes&ercn 
[apäterer  Jahre:  so  S.  21  und  19  (s.  Gabriel,  Riv.  üal  di  numism,  1897, 
1879,  n.  26  ff.). 

Die  Reverse  der  Neronischen  Münzen  allein  geben  dagegen  die  Tesseren 
der  zweiten  (Gruppe :  Apollo  S,  27  s.  C^hen  I  292,  196 — 203  u,  a. ;  Ceres 


1)  YgL  Mowat,  Hip,  ital  di  num,  XI  S7. 
[PetQT  ttud   SaUet  Imlten  die  Figur  ftir  eiu  wt*ibUche»  Weten:  tiber  die  Vor- 
der Constiuitia  und  Koma  Virta»  ».  Roteher,  Ltxicom  l  ^« 


30  M.  Bostoweew^ 

S,  24  —  Cohen  I  293,  217.  228  u.  a.;  Victoria  S.  25  —  Cohen  I  302, 
337  ff.  Es  wäre  möglich,  dass  die  zweite  Gruppe  im  Ganzen  einer  späteren 
Zeit  angehört,  als  die  erstere. 

Die  grosse  Masse  der  Typen  mit  vollständig  bedeutungslosen  Reversen, 
denselben,  welche  auch  auf  den  Mttnzen  erscheinen,  lässt  die  Nero- 
nischen Tesseren  kaum  als  sämtlich  zu  Congiarien  und  Spielen  ge- 
hörig deuten.  Ihre  Ähnlichkeit  aber  mit  den  Bronzen  einerseits  und  die 
chronologische  Continuität  andererseits  sprechen  dafür,  dass  wir  dieselben 
tesserae  nummariae  und  frumentariae  vor  uns  haben,  welche  früher  in 
Bronze  hergestellt  wurden. 

Es  wurde  oben  schon  ausgeführt,  dass  die  Claudische  Reform  die 
Eontrollmarken  keineswegs  unnötig  machte.  Die  ständige  tessera  frumen- 
taria  war  zu  Eontrollzwecken  nicht  zu  gebrauchen.  So  werden  wohl 
auch  in  den  Zeiten  nach  Claudius  monatlich  tesserae  ausgeteilt  worden 
sein.  Jetzt  aber  dauerte  die  Verteilung  den  ganzen  Monat,  so  dass  zwei 
Monate  nacheinander  dieselben  Typen  nicht  gebraucht  werden  konnten, 
was  die  Verdoppelung  der  Tesserenzahl  nötig  gemacht  hätte.  Anderer- 
seits waren  die  Bronzetesseren  ziemlich  kostspielig ;  man  ging  damit  vor- 
sichtig um:  Caligula  und  Claudius  scheinen  hauptsächlich  die  alten 
Augustischen  und  Tiberischen  Marken  gebraucht  zu  haben.  Die  Not- 
wendigkeit also  einerseits  eine  Masse  neuer  Bronzen  zu  prägen,  anderer- 
seits die  Eostspieligkeit  der  Bronzen  nötigten  die  Regierung  nach  billigerem 
Material  und  billigerer  Herstellung  zu  suchen:  das  längst  bei  den  Con- 
giarien gebräuchliche  Blei  und  das  Giessen  waren  gegeben.  Dadurch 
wurde  es  möglich,  die  Tesseren  noch  münzähnlicher  zu  machen  und  auch 
die  Rückseite,  auf  der  früher  die  Zahl  stand,  die  jetzt  bei  der  Einrichtung 
der  Minucia  zu  Verteilungszwecken  fortfallen  musste,  mit  Darstellungen 
auszufüllen.  Die  Herstellung  durch  weitere  Vereinfachung  der  Typen 
noch  billiger  zu  machen,  entsprach  nicht  der  Art  des  eitlen  Eaisers. 
Man  muss  auch  bedenken,  dass  es  jetzt,  wo  die  Eosten  der  Frumentationen 
vollständig  auf  dem  Eaiser  lagen,  worauf  Nero  sehr  stolz  war,  nicht 
gerade  an  der  Zeit  war,  das  Eostbarste,  nämlich  das  Porträt,  bei  der  Her- 
stellung zu  eliminieren. 

Die  späteren  Eaiser  gehen  aber  auf  dem  Wege  der  Vereinfachung 
weiter.  Das  Porträt  des  Eaisers  fängt  an  von  den  Tesseren  zu  ver- 
schwinden. Charakteristisch  sind  in  dieser  Hinsicht  die  Tesseren  der 
Flavier.  Wir  haben  drei  Gruppen:  1.  Vespasian  allein  (S.  37 — 39, 
s.  die  beigegebene  Taf.  I  5),  2.  Vespasian  mit  seinen  Söhnen  (S.  40 — 42), 
3.  Die  Namen  des  Eaisers  und  seiner  Söhne  allein,  ohne  Porträts  (S.  43 — 50). 
Auf  den  ersten  beiden  Serien  ist  die  Münzähnlichkeit  frappant,  die  dritte 
aber  hat  schon  einen  rein  privaten  Charakter.  Ob  dabei  an  Verschieden- 
heit der  Congiarien-  und  Frumentationentesseren  oder  an  Wechsel  der 
Zeit  oder  aber  für  die  letzte  Gruppe  an  Privatmarken  gedacht  werden 
muss,   ist   leider   nicht   zu   entscheiden.     Charakteristisch   ist,  dass  wir 


ßfi 


81 


von  Domitian  keine  eirusige  Tessera  mit  seinem  Pitrtriit  besitzen,  eben- 
sowenig von  Titas. 

Dasselbe  ist  auch  von  Trajan  zu  sagen.  Der  Xanie  des  Kaisers 
kommt  auf  den  Tesseren  öfters  vor,  aber  entweder  in  Verbindung  mit 
scbablonenliafteii  1>i)en  (Apollo  —  S.  53;  Fortuna  —  S.  :A),  oder  mit 
sicheren  Beüdehungen  auf  seine  Schöpfung,  den  portus  Traianm  (8.  56  bis 
»30),  ebenso  nnter  Antoninus  (S\  61 — 63).')  Die  zuletzt  angeführten  Marken 
lassen  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Frumentationen  1>eziehen,  da  der 
Hafen,  wie  bekannt,  fast  ausschliesslich  für  die  Annona  erbaut  wurde,*) 
Aus  der  Zeit  Hadrians  besitzen  wir  nur  Congiarienmarken*  So  ist  wohl 
S.  55  aus  Anlai^s  des  posthumen  Triumphes  des  Kaisern  Trajan  gegoasen 
worden  (vgl  Cohen  II  78,  5X5;  Eckhel  VI  441;  Scr.  h.  Ann,  '^«'^^  ^t  •^'; 
Ä  98  feiert  eine  der  adopiiones  der  Hadrianischen  Regierung;^)  auf  Siegu 
und  Triumphe  beziehen  sich  S,  82  und  88.*),  Den  Galerius  Antoninus  scheint 
die  Tessera  Sil  darzunk^Uen  (vgl  Eckhel  VII  42;  Cohen  R  443).  Nach  Anto- 
ninus haben  wir  nur  eine  scweifelhafte  TeSwSera  des  Commodtis  \S.  73)  und  eine 
des  Kaisers  Carinus  {S.  7Ö).  Es  wurden  also  seit  Domitian  nur  ausnahms- 
weise, seit  Antoninus  gar  keine  Tessereu  mehr  mit  Darstellungen  des 
Kaisei-s  oder  der  Aufschrift  seines  Namens  gegossen. 

Dagegen  gehören  dieser  Zeit  mehrere  Serien  von  Bleitesseren  mit 
Darstellungen  und  Inschriften  an,  die  ihren  offiziellen  Charakter  und  ihre 
Beziehungen  zu  Verteilungen  deutlich  erkennen  lassen.  Ich  verweile 
zuerst  bei  den  Tes;jeren  mit  Darstellun^ren  und  Inschriften  militärischen 
Charakters  (S.  104—835). 

Von  selbst  lassen  sich  mehrere  Tesseren  mit  Dai*stellungen,  die  sich 
auf  Triumphe  und  Siege  beziehen,  ausscheiden.  Als  Beispiele  mögen 
Marken  mit  Darstellungen  eines  Triumphbogens  (S.  107 — 110),  eines 
Triumphators  (&  111 — 113),  einer  wohl  triumphalen /Äcw^a  (S.  713),  einer 
Victoria  mit  Beischrift  V{ictoria\  auf  der  einen  Seite,  und  der  Darstellung 
des  Mercurius  und  der  Beischrift  Brittianica)  auf  der  anderen  iS.  Iü4, 
a  die  beigegebene  Taf.  I  *)),  sowie  einer  Victoria  mit  Beischrift  V{ictoria) 
und  auf  der  anderen  Seite  Pairthiea)  dienen.    Höclist  interessant  ist  die 


1)  Vgl.  dif  Munf.*'n  Cohen  II  875,  54.  Dir  Diirfti*Uungcn  drr  HUclucit«  dieser 
Münseii  Bind  zwischen  der  Iluijpt*  und  RückÄtit«*  der  Tr«««*rii  vf*rt«»ilt. 

2)  8.  PnU«r,  Siiiun3»hcf.  d.  Sdcha,  Ges.  1849, 27  ff.  Auch  dii*  MögUchkeif,  eotwed«r 
an  die  FeterUchkeitcn  hei  dt^r  VoUciidung  des  Hikfeu!»  (vgl.  Etüde  60)  odt^r  ah  privat« 
Marken  der  bei  d«r  Anüonii  im  IJafeß  heBchilfiij^tcn  Arhc*it<^r  zu  denken^  ist  nicht  am- 
getchloMCD. 

3)  Mnn  köiiDtii  auch  an  die  adoptio  dea  Hadriaiius  »elb»t  durch  Trnjan  denken  (vgL 
t*^ht?n  II  197^  3—7),  dlcielh^  aber  ge«chtih  nicht  pir^^iiiHi-h  apud  colkfjium  pontt'fictim^ 
wie  auf  der  Marke  angegeben  wird,  eondern  auft^^Thalb  Kom«i,  ?gi  Wii*»awa,  EtUpon 
und  Kultus  i40,  7,  ja  e»  hi  noch  nicht  ausgemacht^  oh  nie  übi^rhanpi  erfolgtn,  D«isau, 
FeHsvhr.  ßr  Küpert  83  £ 

4)  S.  65 — 67  und  dtt--70  sind  wohl  Pr&vattnarken,  i.  waitvr  untisn. 


32  M,  Bosiowßew, 

Darstellung  des  Siegesaufzuges  auf  8.  258:  ein  Kaiser  ein  Stadtthor 
durchschreitend  und  auf  der  Rückseite  eine  aedicula  aquüae.^) 

In  dieselbe  Reihe  gehört  die  Darstellung  des  Mars  Victor  (S.  114 
bis  128)  zweimal  mit  charakteristischen  Beischriften:  tr(iumpJM8)  G{ermani' 
cus)  auf  S.  127  und  t(riumphus)  P{arth4cu8)  auf  S.  128.  Noch  häufiger 
ist  die  Darstellung  eines  tropaeum  (s.  z.  B.  S.  132  und  die  beigegebene  Taf.  1 7), 

auch  dieses  mit  Beischriften :  t{riumphfi8)  P auf  /S.  141  und  iol  auf 

S,  146. 

Die  letztere  Tessera  erinnert  stark  an  eine  höchst  interessante  Serie  in 
Bronze.  Beifort,  Ann.  XVI 37,  pl.  Vm  2. 4  publiziert  zwei  Tesserae  mit  Dar- 
stellung eines  Lorbeerzweiges  und  der  Inschrift  io  io  tr%ump{e)  I  auf  der  Vorder- 
seite ;  auf  der  Rttckseite  von  nr.  2  befinden  sich  zwei  barbarische  Spielhömer 
und  zwei  phalerae.^)  Die  letztere  Darstellung  findet  sich  auf  nr.  1  wieder, 
auf  der  Ruckseite  erscheint  ein  Consecrationscarpentum  mit  Maultieren 
bespannt.  5)  Diese  Tesseren  gehören  sicherlich  in  die  Zeit  Domitians 
(s.  Cohen  1497,  300;  516,  544,  545,  vgl.  Eckhel  VI  393),  ihre  Be- 
ziehungen zu  einem  Triumph  sind  ohne  weiteres  zu  erkennen.^)  An  die- 
selben schUessen  sich  mit  Notwendigkeit  die  ganz  gleichartigen  Bronzen 
kleinsten  Maasstabes  mit  der  Beischrift  S — C,  ohne  Eaiserkopf  und  Eaiser- 
inschrift.*)  In  den  Typen  gleichen  sie  den  Domitianischen  Quadranten, 
wie  auch  Cohen  erkannt  hat,  sind  aber  kaum  Münzen,  erstens  weil  sie 
sehr  ungleichen  Gewichtes,  ungleicher  Grösse  und  Dicke  und  auch  un- 
regelmässig in  der  Form  sind,  zweitens  weil  es  kaum  denkbar  wäre,  unter 
Domitian  Münzen  ohne  Eaiserkopf  und  ohne  Eaisernamen  zu  finden.  Sie 
bilden  aber  alle,  was  mit  voUer  Sicherheit  zu  erkennen  ist,  eine  Serie. 
An  die  Tessera  mit  io  io  triump(e)  schliesst  sich  die  Bronze  mit  einem 
Lorbeerzweige,  der  Beischrift  8 — C  und  auf  der  Rückseite  einem 
Rhinoceros  (s.  Cohen  Vm  268,  2  und  I  526,  676  und  525,  673  f.)  an,«) 
an  dieselbe  die  Serie  der  mit  Götterköpfen  versehenen  Bronzen,  worin 
Minerva  mit  der  Eule,  bezw.  Ölbaum  oder  Füllhorn  die  Hauptrolle  spielt. 


1)  Vgl.  Domanewski,  Die  Religion  des  römischen  Heeres  11. 

2)  Vgl.  Cohen  Vni  267, 1. 

3)  Vgl.  Cohen  VIII  271,  45. 

4)  Darüber  s.  zuletzt  Seitmann,  Zeitschrift  für  Numismatik  XX  248 ff.,  der  diese 
Tesseren  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  den  Domitianischen  Triumph  über  die 
Chatten  bezieht  (J.  84  n.  Chr.,  vgl.  Cohen  I  515,  536  ff.).  Den  Hinweis  auf  diesen 
Artikel  verdanke  ich  Herrn  Dr.  K.  Regung.  Über  die  auf  Germanenkriege  und  Germanen- 
triumphe sich  beziehenden  Münzen  s.  Blanchet,  Etudes  de  numismatique  I  13  ff.;  die 
Domitianischen  aus  den  J.  84  und  89  sind  von  ihm  auf  S.  27  ff.  aufgezählt. 

5)  Cohen  VIII 268,  10  ff. ;  er  schliesst  sich  der  beiläufig  ausgesprochenen  und 
grundlosen  Vermutung  von  Blacas  an,  die  Kleinbronzen  wären  autonome  Münzen  der 
Neronischen  Zeit;  mit  Nero  und  den  Münzen  des  Vierkaiserjahres  haben  aber  unsere 
Kleinbronzen  gar  nichts  gemein,  s.  duc  de  Blacas,  Bev,  num,  1862,  233  f. 

6)  Dazu  die  Bronzen  mit  einem  Vezillum,  Cohen  VIII  271,  46  f.,  vgl.  die  Münzen 
des  Aügustus,  Cohen  I  80,  118;  107,  830;  Mowat,  Eiv.  it,  di  num    1897,  23  f. 


Bömisehe  Bleitesserae.  33 

(Cohen  VIII  268,  3—9;  1526,  677«.  und  518,  521  f.)  ,0  die  Lieblings- 
göttin  Domitians,  wie  znr  Genüge  bekannt  ist.*)  Dann  folgen  Juppiter 
(ü  Blitz  oder  Adler),*)  Mars  (R  Signa,  Panzer,  Tropaenm),*)  Merkur  oder 
sein  Petasos  (R  Caduceus,  Hahn),*)  Apollinischer  Greif  (R  Dreifuss),«) 
Tiber  (Wölfin  mit  den  Zwillingen) ')  und  zwei  Serien,  die  ich  anders  inter- 
pretieren möchte,  als  es  bis  jetzt  geschehen  ist  Es  sind:  weiblicher 
Kopf,  der  stark  der  Domitia  ähnelt,  mit  einer  Taube  oder  einem  Pfau 
auf  der  Rückseite,  also  die  Kaiserin  als  Venus  oder  Juno,^)  dann  ein 
Kinderkopf,  einmal  eine  Kinderbüste,  öfters  verhüllt  mit  einem  Schilf- 
kranze, öfters  als  kleiner  Bacchus  dargestellt.  Die  Büste  ist  immer 
pahidata.  Ich  glaube  in  dem  weiblichen  Kopfe  die  Domitia,  in  dem 
Kinderkopfe  den  Sohn  der  Domitia  und  des  Kaisers  zu  erkennen.  Mit 
ihrem  Sohne  erscheint  Domitia  öfters  auf  ihren  Münzen  (Cohen  I  536, 6  ff.). 
Der  Kopftypus  der  Tesseren  ist  der  dem  Flavierhause  charakteristische. 

Wir  bekommen  damit  für  die  Zeiten  Domitians  eine  geschlossene 
Serie  münzähnlicher  Stücke,  welche  kaum  für  Münzen  gehalten 
werden  können.  Es  liegt  am  nächsten,  diese  Monumente  für  Tesseren 
zu  erklären,  die  von  Domitian  für  seine  Congiarien,  Frumentationen, 
auch  wohl  als  Eintrittsmarken  für  die  Spiele  ausgegeben  worden  sind. 
Die  Darstellungen  passen  dazu  ganz  vortrefflich,  auch  passt  dazu  der 
früher  hervorgehobene  Umstand,  dass  wir  aus  der  Zeit  des  Domitian 
keine  Bleie  mit  dem  Kaiserkopfe  besitzen. 

Eines  bleibt  aber  unerklärlich:  wie  kam  Domitian  dazu  auf  seine 
y erteilungsmarken ,  zwar  nicht  auf  alle,  aber  immerhin  auf  die  meisten, 
die  Erwähnung  des  Senats  zu  setzen?  Besonders  senatsfreundlich  war  der 
Kaiser  nicht,  und  die  Erwähnung  des  Senates  auf  den  Frumentations- 
marken  muss  doch  als  ein  senatsfreundlicher  Akt  bezeichnet  werden. 
Deshalb  ist  immerhin  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  wir  es 
mit  einer  starken  Emission  von  Quadranten  zu  thun  haben.  Es  müssen 
aber  auch  in  diesem  Falle  die  Bronzen  ohne  S — C  als  Tesseren  bezeichnet 
werden.^) 

1)  Vgl.  auch  die  Rleinbronzen,  Cohen  I  516,  544,  bei  denen  der  Lorbeerzweig  die 
Rückseite  bildet. 

2)  Ich  erwähne  nur  die  Bronzen,  welche  ich  im  Cabinet  des  M^dailles  persönlich 
studieren  konnte.    Die  ganze  Serie  mUsste  einmal  gesammelt  und  beschrieben  werden. 

3)  Cohen  VIII  269,  18.  14,  15—17,  vgl.  1  497,  801  flp. 

4)  Cohen  VIII  269,  19.  20.  26.  27.  32.  83,  cf.  I  479,  98.  94  und  506,  422  ff. 

5)  Cohen  VIII  270,  84-86. 

6)  Cohen  VIII  270,  88.  89,  cf.  40.  41  (wohl  Apollokopf),  vgl.  I  518,  525  ff. 

7)  Cohen  VIII  269,  22;  die  Wolfin  mit  Zwillingen  ist  eine  ganz  gewöhnliche  Dar- 
stellung auf  den  Münzen  Domitians.  Auch  die  anderen  von  Cohen  beschriebenen 
Bronzen,  welche  ich  nicht  gesehen  habe,  finden  ihre  Parallelen  in  den  Darstellungen 
der  Domitian ischen  Münzen. 

8)  Vgl.  die  Münzen  der  Domitia,  Cohen  I  585,  1  f. 

9)  Gegen  die  Erklirung  als  Münzen  sprieht  der  Umstand,  dast  die  Siglen  S—C 
auch  auf  Bleien  vorkommen,  s.  S.  84  und  188,  und  zwar  auf  Bleien  mit  militärischen 

Roitowxew,  Römitehe  BlaiteMenM).  8 


34  IL  Bastowsew, 

Kehren  wir  aber  za  den  Bleien  znräck.  Am  hänfigstoi  ist  anf 
unserer  Serie  der  Bleie  die  Darstellong  des  mhig  stehenden  Mars  {S.  148 
bis  230)  mit  verschiedenen  Berersen,  welche  meistens  mit  der  Hanptdar- 
stellang  irgendwie  im  Znsammaihange  stehen.  Nicht  weniger  hanfig  smd 
Darstellungen  des  Adlers,  welcher  öfters  als  Legions-  oder  Heeresadler 
charakterisiert  ist  (5.  261 — 318).  Nun  aber  lassen  sich  einige  der  an- 
geführten Typen  nngefähr  datieren.  5.  113  erinnert  an  die  Aagnstische 
Münze,  welche  ans  Anlass  des  Sieges  des  Tiberios  geprägt  wnrde  (Cohen 
I  164,  300),^)  S.  107  giebt  denselben  Typos  wie  die  Monzen  des  dandins 
ans  den  J.  41  und  45,  geprägt  znr  Erinnerung  an  die  militärischen 
Thaten  des  Drosos  und  dandins  selbst^  Die  meisten  Darstellungen  ge- 
hören aber  späterer  Zeit  an.  So  werden  die  beiden  Typen  des  Mars, 
der  laufende  und  der  stehende,  erst  seit  Yespasian  auf  den  Münzen 
ständig.  Der  Victor  erscheint  zuerst  in  der  auf  den  Tesseren  üblichen 
Form  unter  Vespasian  (Cohen  I  376, 102.  111.  127,  et  Titus  ebd.  134,  66), 
unter  Trajan  wird  der  Typus  geläufig, "^  unter  Hadrian  und  Antoninns 
erscheint  er  seltener  (Cohen  11 132,  501 ;  195,  1072),  unter  M.  Aurelins 
wieder  häufig.^)  Der  andere  Typus  beginnt  mit  Trajan  ,*)  wird  seltener 
unter  Hadrian  und  Antoninns,^)  erscheint  am  häufigsten  unter  M.  AureL^ 
Auch  der  Adler  wird  auf  den  Münzen  erst  seit  den  Flaviem  ständig. 
Unter  den  Reversen  notieren  wir  die  Darstellung  des  Aeneas,  welche  zuerst 


Dantellangen.  Pro£  O.  Hinchfeld  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  der  Triumph 
senaius  cansuUo  geschah,  .durch  dies  S — C  wurde  daher  auch  die  Ausgabe  der 
tes$€r(u  ermöglicht*.  Diese  Erklärung  hebt  die  im  Texte  ausgesprochenen  Schwierig- 
keiten au£ 

1)  In  dieselbe  Zeit  setzt  Mowat  Riv.  ital,  di  num,  XI  23  ff.  die  drei  Bronzetesseren 
mit  Darstellungen  eines  Vexillums  auf  der  einen  Seite  und  Mars,  Victoria,  Minenrs 
auf  der  anderen  (Cohen  VIII  271,  46.  47.  49).  Dass  es  Verteilungsmarken  sind,  be- 
zeugen Kontremarken  auf  n.  47,  welche  zuerst  von  Mowat  publiziert  worden  sind.  Ihre 
Zugehörigkeit  zur  Zeit  des  Augustus  folgert  Mowat  aus  der  Ähnlichkeit  ihrer  Dar- 
stellungen mit  der  einiger  Augustischen  Münzen,  wo  eine  Victoria  auf  dem  Globus 
stehend  mit  Kranz  in  der  Hand  und  einem  geschulterten  Vexillum  erscheint  (Cohen 
180,  113;  107,  330). 

2;  S.  Cohen  I  220,  1—5;  2o2,  16—24;  Milani,  Böm.  Mitt.  1891,  319  und  Taf.  LX; 
Blanchet,  Eiudes  de  numism.  I  27  ff.  Gamicci  behauptete,  auf  der  Attika  des  Bogens 
unserer  Marke  die  Buchstaben  Vict'arid)  gelesen  zu  haben.  Die  auf  dem  K:  sieh  be- 
findenden Buchstaben  PNR  kehren  auf  den  Münzen  des  Claudius  aus  den  J.  40  und 
41  wieder,  ».  Eckhel  VI  238;  Kubitschek,  Jahreshefte  des  äst.  Inst.  1900,  72  ff. 

3)  Cohen  II  25,  63.  64;  29,  103;  39,  190 ;  42,  228;  45,  255;  46,  270;  57,  872-376; 
48,  634. 

4)  (^hen  III,  n.  126-129;  144,  145;  254-256;  314—316;  353;  579;  617;  737—738; 
759—760  und  öfters. 

5;  Cohen  II  24,  59;  57.  376—379;  82,  615;  83,  626;  84,  635. 

6)  Cohen  II  185,  951;  194,  1074;  322,  549—550 

7)  Cohen  III,  M.  Aur^le  n.  146;  290-292;  294  f.;  468— 470  und  öfters.  Die  beiden 
Typen  dauern  dann  fort  bis  in  spätere  Zeiten. 


Römische  Bleitesserae.  35 

unter  Hadrian  vorkommt,^)  und  unter  Antoninus  öfters  wiederholt 
wird.*) 

Andererseits  giebt  es  nur  wenige  Typen,  welche  in  die  Zeit  der 
Severe  und  der  späteren  Kaiser  gehören:  vielleicht  nur  S.  170  mit  der 
Darstellung  der  Caelestis«)  und  der  Löwe  mit  der  Strahlenkrone  der 
Tessera  S.  111  vgl.  112  (zuerst  unter  Caracalla?). 

Noch  genauer  lässt  sich  vielleicht  eine  Serie  von  Tesseren  mit  Er- 
wähnungen bestimmter  Militärkorps  datieren.  Ich  meine  die  Tesseren 
S,  236 — 242  mit  Erwähnungen  der  Legionen  I,  VI  und  X  mit  den  Beinamen 
Pia  und  Pi(a)  D(omitiana)  und  der  Britt(nnorum)  ala  X.  Es  ist  merkwürdig, 
dass  die  erwähnten  Legionen  gerade  diejenigen  sind,  welche  unter  Domitian 
gegen  Antonius  Saturninus  gekämpft  haben.*) 

Einige  der  besprochenen  Tesseren,  wie  die  mit  Erwähnung  eines 
Triumphes  oder  Sieges,  werden  wohl  Congiarien-  und  Donativatesseren 
sein;  ich  erinnere  nur  an  die  Tessera  S,  103,  wo  neben  der  Darstellung 
einer  Victoria  die  Inschrift  civile  (wohl  congiarium)  steht.  Die  Masse 
der  verschiedensten  Typen  mit  festen  Beziehungen  zum  Militärleben  lässt 
sich  aber  in  dieser  Weise  nicht  erklären;  man  muss  nach  regelmässigen 
Akten  des  Militärlebens,  welche  durch  Marken  reguliert  wurden,  suchen. 
Einige  Beobachtungen  geben  uns  vielleicht  den  Schlüssel  zur  Lösung 
des  Rätsels.  Der  Hauptgott  der  Serie  ist  Mars,  der  Gott  des  Prä- 
toriums,^)  auf  einer  Tessera  erscheint  der  Skorpion,  das  Zodiakalzeichen 
des  Prätoriums,®)  auf  zwei  Tesseren  haben  wir  die  prätorianischen  signa: 
drei  signa  gruppiert  wie  zur  Bezeichnung  einer  prätorianischen  Cohorte, 
einmal  drei  vexillaJ)  Andererseits  erscheinen  auf  den  Tesseren  mehrere 
Namen  und  Initialen,  die  öfters  als  Namen  von  evocati  Augtisti  bezeichnet 
werden.^) 

1)  Cohen  II  226,  1446,  cf.  238,  1549. 

2)  Cohen  II,  Antonin,  n.  655,  766,  908. 

3)  Eckhel  VII  183;  Cohen  IV,  Septime  Severe,  217-227,  cf.  III  164,  294;  274, 
354,  vgl.  liabelon,  Atti  del  Cangresso  intern,  dt  scienze  storiche  (vol.  VI,  Roma  1904), 
S.  82  ff. 

4)  S.  Jurnal  Ministerntva  Narodnago  Prosv,  1901,  Mai,  80 ff.  und  Juni,  81  ff. 
(rufwisch),  vgl.  Ritterling,  De  legione  Romanorum  X  gemina,  Lips.  1885,  bes.  11 — 16 
und  irestd.  Zeitschr.  1893,  203  ff.;  Schilling,  De  leg.  Rom.  I  Minervia  et  XXX  Llpia, 
Lips.,  1899;  Cagnat  bei  Daremberg  et  Saglio,  Dict.  d.  ant.  III  1075  ff.  Interesnant  ist, 
dass  eine  Kaiserbüste  auf  Säule  wie  auf  der  Tessera  der  zehnten  Legion  (vgl.  S.  76)  auf 
einer  Bronzetcssera  wieder  vorkommt;  die  Rückseite  derselben  hat  einen  Kichenkranz  und 
die  Inschrift  A  •  P  P  •  F  =  A(ugu8to)  p{atri)  p^atriae)  f{eUciter)  (Cohen  VIII  272,  53)? 
Die  meisten  Bronzetesseren  gehören,  wie  oben  nachgewiesen  worden  ist,  in  die  Zeit 
Domitians. 

5)  Domaszewski,  Die  Religion  des  röm.  Heeres,  47. 

6)  S.  282,  vgl.  Domaszewski,  ebda. 

7)  S.  235.  236  und  244 ;  Domaszewski,  Die  Fahnen  im  römischen  Heere  (Abh.  des 
arch.-ep.  Sem,  in  Wien,  Y),  56  ff.  und  59,  1.  Die  Vexilla  erscheinen  auch  auf  Bronze- 
tesseren, Beifort,  Ann.  XVI,  pl.  VIII  5-7;  Cohen  VIII  271,  46  f. 

8}  8.  254-257. 

3« 


36  M.  BostovDBew, 

Nun  aber  sind  die  evocati  ausgediente  Soldaten,  welche  allerlei  tech- 
nische und  wirtschaftliche  Geschäfte  in  einem  Korps  besorgen.^)  Einer 
bezeichnet  sich  ausdrücklich  {CIL  VI  2893)  als  Verpfleger,  Intendant  der 
X.  Legion.  Wenn  wir  nun  bedenken ,  dass  im  Prätorium  die  Evocatra 
öfters  zuerst  fisci  curatores  waren  ,^)  so  könnte  man  viellächt,  die 
evocati  Augusti  als  diejenigen  ansehen,  welche  die  Eomverpflegung  d^ 
Prätorianer  besorgten.  Seitdem  aber  die  Prätorianer  das  fhimentum 
piMicum  bekamen,  wird  sich  die  Rolle  der  Evocaten  auf  die  VermitÜuiig 
zwischen  der  Administration  der  Frumentati<Hieu  und  der  militärischen 
Verwaltung  beschränken. 

Wir  wissen  aber,  dass  die  incisi  in  die  Minucia  mit  einer 
tessera  versehen  kamen  und  dieselbe  an  die  Verteilungsbeamten  als 
Kontrollzeichen  abgaben;  die  Prätorianer  bildeten  sicher  eine  Ab- 
teilung für  sich,  und  es  lag  nahe  sie  mit  besonderen  von  den  evocati 
verfertigten  und  signierten  Tesseren  zu  versehen.  Unsere  Serie  würde 
vollständig  erklärt  werden,  wenn  wir  annehmen  wollten,  die  meisten 
unserer  tesserae  seien  solche  Kontrollmarken,  welche  die  Prätorianer 
in  der  Minucia  beim  Komempfang  abgaben.  Seit  Nero,  sehen  wir, 
sind  die  Bleitesseren  für  die  Frumentationen  verwendet  worden,  und  seit- 
dem werden  die  Prätorianer  mit  frumcntum  publicum  versorgt;  auf  den 
Tesseren  der  Zeit  Neros  haben  wir  mehrere  militärische  Typen  konstatiert; 
nach  Nero  kommen  nur  sporadisch  Militärtypen  in  Verbindung  mit  Kaiser- 
köpfen vor,  8)  ja  es  verschwinden  bald  die  Kaiserköpfe  von  den  Tesseren 
überhaupt.  Da  aber  der  Bedarf  an  Kontrollmarken  derselbe  bleibt, 
so  drängt  sich  die  Annahme  auf,  dass  man  seit  den  Flaviem  die 
tesserae  der  gewöhnlichen  Frumentationen  vereinfachte  und  sie  nicht  mehr 
mit  Kaiserköpfen,  sondern  mit  einfachen  Typen,  welche  der  Bestimmung 
der  Marken  angemessen  waren,  versah.  Diese  Politik  passt  vortrefflich 
zu  der  bürgerlichen  Art  der  ersten  flavischen  Kaiser.  Für  die  Militär- 
frumentationen  wählte  man  militärische  Typen  mit  Erwähnung  von 
zeitweilig  besonders  verdienten  Truppenkörpem  ,*)  für  die  bürgerlichen 
passende  Typen  aus  dem  Bereiche  der  Thätigkeit  der  Annona. 

Diese  Typen,  welche  zuerst  die  Aufmerksamkeit  der  Gelehrten  auf 
sich  gezogen  haben,  sind  in  der  Sylloge  unter  n.  336 — 489  vereinigt.  Aus 
denselben  heben  sich  zuerst  die  Tesseren  heraus,  welche  sich  als  Marken 
für  ausserordentliche  largitiones  durch  das  Beischreiben  der  Zahl  des  zu 
empfangenden  Korns  charakterisieren  (S.  338 — 345). 


1)  MommseD,  Ephem.  epigr.  V  142  ff.;  Schmidt,  Hermes  XIV  340;   Domaszewski, 
Korrespondenjgbl  der  westd.  Zeüschr.,  1899,  57;  Bh,  Mus.,  1903,  218  f. 

2)  Z.  B.  CIL.  III  7334;  II  2610;  XI  5646;  Buü,  com.  1899,  48. 
8)  S.  84—86  und  86»  (SuppL). 

4)  Wie  z.  B.   auf  der  Traiansmünze ,    Cohen  II  70,  519,    vgl.  Domaszewski,   Die 
Fahnen,  45  ff. 


Bömische  Bl&Uesserae.  37 

Aus  den  tbrigen,  die  wohl  fttr  die  regelmässigen  Verteilungen  verwendet 
worden  sand,  hebe  ich  als  besond^^  charakteristische  die  Folgenden  hervor : 
1.  Marken  mit  Erwähnung  des  frumcntwn  oder  der  frumentatio  und  ent- 
sprechenden Typen  (S.  346 — 349);  2.  Marken  mit  Darstellung  des  modius  mit 
oder  ohne  Kornähren  (S.  350—382) ;  3.  Marken  mit  Darstellung  der  Ähren 
(S.  400, 402 — 427).  Bezeichnend  sind  die  Tiere,  welche  die  Komprovinasen 
charakterisieren:  M^hant,  Bhinoceros,  Skorpion,  Papagei  für  Afrika, 
das  Kaninchen  f&r  Spanien,  die  ephesische  Fliege  für  Asien ;^)  nicht 
minder  die  Komtiare:  Ameise,  Heuschrecke,  Eidechse,  Schnecke^)  (s.  die 
Indices  zu  der  SyUoge), 

Manche  der  vorkommenden  Gottheiten  sind  höchst  charakteristisch. 
Öfters  begegnet  Fortuna  mit  dem  modius:^  eine  Darstellung,  welche 
zur  Bezeichnung  der  Annona  vielfach  verwendet  wurde.  Annona 
wird  auch  als  Göttin,  welche  auf  den  Münzen  Fides  publica  heisst,  dar- 
gestellt.*) Mit  Annona  steht  weiter  der  Genius  Somae  in  nächster  Ver- 
bindung;^) dasselbe  ist  endlich  vom  Bonus  Eventus  (S.  412)  zu  sagen. 
Passend  ist  auch  die  Darstellung  des  Pfluges  und  des  Ankers.*) 

Schon  das  Gesagte  und  die  angeführten  Parallelen  bestimmen  an- 
nähernd die  Zeit  unserer  Monumente.  Hervorzuheben  ist  noch,  dass 
ein  Modius  ohne  Fortuna  und  die  Kornähren  die  Annona  erst  seit 
Hadrian  symbolisieren  (Cohen  H  118.  119;  170—175,  cf.  143;  439—441). 

So  ordnen  sich  die  besprochenen  Monumente  in  dieselbe  Zeit  mit 
denen  der  militärischen  Serie  ein:  es  sind  das  ausgehende  erste  und  das 
zweite  Jahrhundert,  gerade  die  Zeit,  in  der  man  die  Tesseren  bei  den 


1)  Vgl.  Eckhel  VI  489.  Das  KanincbeD  encheint  zuerst  auf  den  Münzen  Ha. 
drians,  Eckhel,  ebda.  495  u.  I  8  ff. 

2)  Vgl.  die  geschnittenen  Steine,  auf  denen  der  annonarische  Charakter  dieser  Tiere 
mit  grösster  Klarheit  hervortritt:  z.  B.  Furtwängler,  Ant.  Gemmen  XXIX  15:  Heu- 
schrecke und  die  Keule  des  Herkules  mit  Kornähre;  XIV  67.  68:  Heuschrecke 
auf  einer  Ähre;  XLVI  38:  Heuschrecke  mit  Menschenarmen  (vgl.  Taf.  XXIX,  85,  36, 
41)  vor  einem  Modius,  aus  dem  Kornähren  herabhängen,  in  der  Stellung  eines  Korn- 
beamten; auf  den  Ähren  sitzt  ein  Papagei  (?);  Schnecke,  Cikade  und  Fliege  XLV,  58; 
Fliege,  Skorpion,  zwei  Ameisen  mit  Getreidekom  XLVI,  46,  vgl.  Reinach,  Pierres 
gravies  71. 

3)  S.  850 — 355.  Über  die  Darstellungsweise  der  Annona  s.  Brunn,  Kleine 
Schriften  50  ff.;  Röscher,  Lexicon  I  359  (Wissowa);  Benndorf,  Beiträge  zur  Gesch.  des 
aU,  Th.  47  ff.,  vgl.  Matz-Duhn,  Antike  Bildwerke  II  8095. 

4)  S.  Rev.  num,  1898,  257 ff.;  Philol  Bundschau  XVl  197 ff.  (russisch);  Blanchet, 
Buü.  de  la  soc,  d.  ant.  1899,  243  ff.  Bezeichnend  ist  die  Vereinigung  dieser  Göttin  mit 
der  korntragenden  Ameise,  dem  Symbol  des  Sammeins  und  des  Sparens,  von  denen  die 
Fides  publica  abhängig  ist.  Auf  den  MUnzen  sehen  wir  die  Darstellung  seit  Hadrian 
(Cohen  II  168,  716  ff.),  vgl.  Cohen  1880,  107  (Vespasian)  und  1480,  108  ff.  (Domitian). 
Ahnlich  auf  einer  Lampe,  Dressel,  CIL.  XV  2,  6319,  8. 

5)  S.  363,  364,  vgl.  CIL.  VI  868  das  ReUef  (J.  256  n.  Chr.). 

6)  Vgl.  CIL.  VI  188:  eine  Weihnng  an  die  Fortuna  horreonm,  Dargerteüt  lind: 
Krug  und  patera^  Olobns  und  Stenerrader,  endlieh  swei  FÜUiOrBer  mil  ihnm  vad 
ein  Pflug. 


38  iL  Bostowße^, 

Karnxerteihimcea  ganz  regdmäsBig  gebnnehte.  Viele  der  aagefohiten 
Typen  sind  in  mehreroi  Exemplaren  rofhanden  (S.  358ff^  373,  383  n.  a.).^) 
Die  Torstebende  Untersni^nng  hat  gezeigt,  daas  die  litefariachea  und 
inschriftlichoi  Zeugnisse  sowie  die  ans  den  Tesseren  gewonnenai  BesoHale 
gegenseitig  sieh  statzen,  dass  die  Teaseren,  wie  ich  es  am  Anfange  gefordert 
habe,  in  der  Technik  der  Verteflnngen  ihren  notwendigen  und  an- 
gemessenen Platz  finden  nnd  Manches  in  der  bekannten  Geschichte  der 
Fromentationen  bestätigen  nnd  erweitern.  Es  lasst  sich  also  die  Geschichte 
der  Verteilnngstesseren  in  folgenAen  Sätzen  zosammenfassoL  Die  römisdie 
Bepnblik  gebrancht  die  Tesseren  zom  Zwecke  der  Verteilnngen  noch 
nicht,  der  hellenische  and  spezieU  athenische  Gebrauch  der  avfißola  zor 
Begoliemng  von  Massenakten  wird  in  Born,  Tielleicht  zuerst  Ton  Augustns, 
Tielleicht  etwas  früher,  eingeführt  Augustus  gebraucht  die  Usserae 
IsymboUi)  zur  Begnlierung  seiner  grossen  personlichen  Geld-  und  Kom- 
spenden,  wobei  die  Geldtesseren  tesserac  nummariae^  die  Eomtesseren 
frumeniariae  genannt  werden.  Der  Gebrauch  der  bronzenen  münzähn- 
lichen tesser(ie  wird  aber  bald  auch  bei  den  Staatsverteilungen  eingeführt, 
und  zwar  werden  die  tesserac  jeden  Monat  ausgeteilt  und  beim  fimp&mg 
des  Getreides  abgegeben.  Auf  jeder  Tessera  steht  auf  der  einen  Seite  d^ 
Kaiserkopf,  auf  der  anderen  eine  Zahl,  wohl  als  Bezeichnung  einer  Unter- 
abteilung der  incisi.  Daneben  gebraucht  man  Bronzetesserae  derselben 
Art  auch  für  Congiarien  und  vielleicht  auch  als  Eintrittsbillete  zu  den 
Spielen  f  s.  unten  S.  42  ff.;.  Gewöhnlich  aber,  wenn  die  Verteilung  im  Namen  eines 
kaiserlichen  Prinzen  oder  einer  kaiserlichen  Dame  geschieht,  bedient  man 
sich  nicht  der  Bronze-  sondern  münzähnlicher  Bleitesserae.  Bei  Verteilungen 
im  Namen  eines  Mitgliedes  der  kaiserlichen  Familie  erscheint  auf  den 
Tesseren  statt  des  Kaiserkopfes  der  Kopf  der  betreffenden  Persönlichkeit 
In  dieser  Weise  verfährt  man  bis  in  die  letzten  Jahre  des  Claudius. 
Unter  Claudius  wird  die  Komverwaltung  in  den  Händen  des  praefedus 
annonae  zentralisiert,  die  Verteilung  auf  die  einzelnen  Tage  des  Monats 
und  auf  einzelne  Bureaus  der  für  diesen  Zweck  umgebauten  poriicus 
Minuda  repartiert.  Jeder  Komempfänger  wird  in  eine  besondere  Gruppe, 
welche  ihr  Korn  an  einem  bestimmten  Tage  und  in  einem  bestimmten 
Bureau  empfängt,  eingereiht  Dies  wird  jedem  Empfänger  durch  Aus- 
teilen besonderer  Täf eichen  —  tcsserae  frumeniariae  genannt  — ,  worauf 
wohl  der  Tag  und  das  ostium  angegeben  wurden,  dauernd  in  die  Elr- 
innemng  gebracht.  Diese  Tessera  gilt  seitdem  als  Legitimationsdokument 
Daneben  brauchte  man  aber  Kontrollzeichen  in  der  Art  der  Augustischen. 
Deshalb  wurden  auch  die  Augustischen  tesserac  beibehalten  und  monat- 
lich den  Inhabern  der  tessera  frumcntaria  ausgeteilt.  Diese  münzähnlichen 
tcsserae  wurden  seit  Nero  nicht  mehr  in  Bronze  geprägt,  sondern  in  Blei 

1)  Die*  enge  Verwandtschaft  mit  den  Bronzetesseren  wird  durch  den  Vergleich  von 
S.  378  mit  Beifort,  Ann.  XVI  238  pl.  VIII  8  cf.  Ü  dargetan. 


Bamische  Bleitessercui.  39 

gegossen.  Seit  Nero  wird  Bronze  für  Tesseren  nur  ausnahmsweise  ge- 
braucht; das  Blei  wird  vorherrschend.  Der  genannte  Kaiser  aber  behält 
die  münzähnliche,  mit  dem  Kaiserkopfe  signierte  Form  der  Tesseren  bei.  Bald 
aber,  wohl  zur  Zeit  der  Flavier,  findet  man  es  einfacher,  den  Kaiserkopf 
wegzulassen  und  nur  verschiedene  passende  Darstellungen  auf  die  Tesseren 
zu  setzen.  Man  behält  also  nur  die  Reverse  der  Augustischen  und  späteren 
Bleitesserae.  Dementsprechend  wählt  man  für  Siegesdonativa  und 
Congiarien  entsprechende  Sieges-  und  ähnliche  Darstellungen,  für  die 
Frumentationen  der  Prätorianer  vielleicht  verschiedene  geläufige  Militär- 
typen, für  die  bürgerlichen  Frumentationen  Typen  aus  dem  Kreise  der 
Annona.  Bis  ins  HI.  Jahrh.  lassen  sich  diese  Typen  verfolgen.  Dann 
verschwinden  unsere  Marken,  wohl  als  Folge  der  unter  den  Severen  sich 
vollziehenden  Reform  der  Korn  Verteilungen ,  welche  allmählich  zu  den 
täglichen  Brotverteilungen  der  ausgehenden  Kaiserzeit,  bei  denen  die 
Kontrolltesseren  überflüssig  waren,  führt.  Die  tesserae  frumentariae  hat 
man  aber  beibehalten  und  sie  siedeln  auch  mit  der  ganzen  Technik  nach 
Konstantinopel  über. 

Diese  Geschichte  der  Tesseren  spiegelt  die  ganze  Entwicklung  und  all- 
mähliche Befestigung  des  römischen  Kaisertums  wieder.  Die  ersten  Kaiser 
halten  es  für  notwendig  mit  der  römischen  Bevölkerung  ernstlich  zu 
rechnen;  sie  wollen  es  den  auserwählten  Römern,  die  nicht  mehr  ihre 
politischen  Rechte  ausüben,  sondern  ein  beständiges  Geschenk  bekommen, 
zum  Bewusstsein  bringen,  dass  sie  in  ihrer  Versorgung  mit  Brot  vollständig 
vom  Kaiser  abhängig  sind.  Die  Mitwirkung  des  Senats  ist  nur  Schein.  Diese 
Idee  wird  durch  ausserordentliche  Verteilungen  befestigt.  Die  letzteren 
werden  vermittelst  der  Betonung  des  persönlichen  Anlasses  dazu  und  der 
Hervorhebung  einzelner  Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie  zum  mäch- 
tigen Hebel  der  dynastischen  Idee;  und  dazu  tragen  unsere  Tesseren, 
natürlich  innerhalb  Roms,  wohl  viel  mehr,  als  die  den  Tesseren 
ihren  Typen  nach  ähnlichen  Münzen,  bei  Die  letzten  Ausläufer  dieser 
Agitationspolitik  sehen  wir  unter  Nero.  Seit  Claudius  aber  sind  die  Fru- 
mentationen etwas  ganz  Gewöhnliches  geworden:  sie  werden  allmählich 
zum  erblichen  ständigen  Vorrechte  gewisser  Personen;  nur  die  Congiarien 
behalten  ihren  Agitationscharakter.  Dies  alles  spiegelt  sich  auf  den 
Tesseren  wieder.  Nur  die  Tesseren  der  Congiarien  bringen  von  Zeit  zu 
Zeit  gewisse  Ereignisse  den  Bürgern  in  Erinnerung,  die  Frumentations- 
marken  sinken  zu  ganz  beliebigen  Zeichen  herab,  deren  Äusseres 
sie  kaum  von  gewöhnlichen  Privatmarken  unterscheidet 

Deswegen  ist  es  auch  sehr  schwierig  aus  der  Masse  der  vorhandenen 
Bleie  die,  welche  als  Frumentationsmarken  dienten,  auszuscheiden.  Es 
ist  leicht  möglich,  dass  manche  Privatmarken  wegen  zufälliger  Ähnlich- 
keit der  Tjrpen  mit  imterlaufen  können,  und  dass  andererseits  noch  viel 
inehr  Frumentationsmarken  sich  unter  den  der  Bestimmung  noch  harren- 
den Tesseren  befinden,  so  z.  B.  die  schon  von  Stieglitz  ausgeschiedene 


40  M,  Boriowaewy 

Serie  der  Tessereu,  welche  die  Aufschrift  g(enio)  p(opuli)  R{amani)  fiUmter 
oder  ähnliches  trag^  (S.  1573—1607  oft  oait  der  Darstellung  des  ga- 
nanuten  Genius  verbunden).  Pieser  Aufschrift  b^egnen  wir  auf  yidan 
Gegenständen  ganz  privater  Art,  ugd  d^moch  passt  sie  elmiso  wie 
mehrere  Darstellungen  der  R&ckseit^  —  Genius  p.  B.  (öfters)  ^  modim 
(S.  1584),  Fortuna  (1580—1583)  u.  a.  —  auch  zur  Verwendung  als  Vw- 
teilungsmajrken  vortrefflich.  Dasselbe  darf  nrnn  von  den  Tess^w,  welche 
nur  die  Darstellung  des  Genius  ohne  Aufschrift  trafen,  sagen  (S,  1608 
bis  1652).  Unter  diesen  kommen  zwaor  ganz  sichere  Privatmark^  vor:  so  die 
Marke,  auf  welcher  ein  Genius  vici  dargestellt  ist  (S.  1613),  und.  die  zwei 
Marken  mit  Darstellung  des  Genius  coüegii  (S.  1611,  1612),  anderersmts 
aber  spricht  die  starke  Münzähnlichkeit  mancher  Typen  und  die  oben 
hervorgehobene  annonarische  Bedeutung  des  Genius  für  offizielle  Y&r^ 
Wendung.  Der  Zeit  nach  gehiSrt  die  Serie  hauptsäcbücti  in  das  aus- 
gehende erste  und  ins  IL  Jabrh.  Di^  zeigt  die  Gescbichta  des 
Geniustypus  auf  den  Münzen.  Aus  der  repuUikaniscben  T^it  kennen 
wir  nur  eine  den  Tesseren  ähnelnde  Darstellung  (Babelon  I  401.  402).^ 
In  der  Kaiserzeit  begegnen  wir  dem  auf  den  Tesseren  üblichen  Tjrpus 
mit  Füllhorn  und  Patera  zuerst  unter  Titus  (Cohen  J  437,  95 ff.),  ganz 
üblich  wird  er  von  Hadrian  (Cohen  II  173,  796—801)  bis  Sevems 
(IV  26,  209).  Der  andere  auf  den  Künzra  geläufige  Typus  mit  Füllhorn 
und  Szepter,  der  auch  auf  den  Tesseren  öfters  vorkommt,  beginnt  noch  q^&ter, 
nämlich  unter  Antoninus  Pius  (Cohen  II 310, 405— 410).«)  Unter  Vespasian 
wird  der  Genius  mit  Patera  und  Kranz  (Cohen  1 362, 200),  unter  Trajan  mit 
Patera  und  Ähren  dargestellt  (Cohen  1146,275,  auch  auf  den  Tessi^en  vor«- 
banden).  Ausserdem  kommen  aber  auf  den  Tesseren  mehrere  auf  den  Münasen 
nicht  nachzuweisende  Variationen  des  Geniustypus  vor:  mit  Szepter  und 
Patera,  mit  Patera  allein,  mit  Ähren  allein,  welche  wahrscheinlich  aus 
den  ins  unendliche  variierenden  Darstellungen  der  Genien  in  der  Klein- 
kunst übernommen  worden  sind. 

Was  von  dem  Genius  p.  R,  gesagt  worden  ist,  gilt  auch  für  die 
Darstellungen  der  sogenannten  Personifikationen,  welche  öfters  auf  den 
Tesseren  vorkommen.  Abundantia,  AeqwUas^  Bonus  Eventus^  Cancordia^ 
Constantia,  FelicH(xs,  Fides  populi  Bomani,  Hilaritas,  Indulgentia  (oder 
ähnl),  Liberias,  Fax  (oder  äbnl.),  Pieias  Augusti,  Saeculum  aureum  fdix 
Augustum,  Salus^  Spes^  Victoria,  Virtus  Augusia,  daneben  Bornas  Africa^ 
der  Tiber  sind  alle  von  den  Münzen  entlehnt  und  können  ebensogut 
private  als  öffentliche  Marken  charakterisiert  haben.  Auf  die  einzelnen 
Typen  und  ihre  Zeit  bin  ich  in  der  russischen  Auflage  näher  eingegangen 
(S.  83 — 90)  und  möchte  die  Ausführungen  nicht  wiederholen.  Als  Resultat 


1)  S.  1616  cf.  1616  wiederholt  wohl  den  repablikaDischen  Typus,  Babelon  1419. 

2)  Der  Typus  wird  wieder  seit  Diokletian  lebendig.  Der  Modius  aber,  welcher 
in  diesen  späteren  Darstellungen  den  Kopf  des  Genius  sohmUckt,  kommt  auf  den 
Tesseren  nicht  vor. 


Bömiaeke  Bkitenerac.  41 

ergab  sich,  daas  «Jle  Typen  dem  AUflgehendeu  erst^  und  dan  zweiteiXi 
ttsr  «Asuhausweige  dem  dritten  Jalurhimdert  angdiären. 

Es  erttbrigt  noch,  ein  paar  Worte  fiber  die  Tesseren,  die  zu  der 
Stadt  Brai  in  engster  Bezi^ung  stdien,  zn  sagen. 

Wir  besitzen  mehrere  Tesseren,  welche  verschiedene  Regionen  und 
vici  der  Stadt  Rom  erwähnen  (S.  490—500).  Möglich  und  wahrschein- 
lich ist  es,  dass  wir  es  in  diesen  Fällen  mit  Verteilungen  oder  Spielen  *) 
innerhalb  einzelner  Kreise  zu  thun  haben.  Ob  dieselben  vom  Kaiser 
kamen  oder  von  der  korporativ  organisierten  Bevölkerung  der  Distrikte, 
lässt  sich  auf  Grund  des  vorhandenen  Materials  kaum  entscheiden.  Wahr- 
scheinlicher ist  das  Zweite. 

Verteilungsmarken  waren  entschieden  die  Tesseren  mit  Erwähnung 
der  Satumalien  mit  der  Aufschrift  des  bei  diesem  Fest  üblichen  Aus- 
rufes (S.  501—512).  Es  war  Brauch  an  den  Satumalien  Geschenke  aus- 
zuteilen und  zwar  mit  Hilfe  von  Tesseren,  deren  Münzähnlichkeit  ihnen 
den  Namen  nomismata  gegeben  hat  (das  griechische  Wort  wohl  zur 
Unterscheidung  von  nummi),  s.  Mart.  Xu  62,  9—12 :  cernis  ut  Äusonio 
sirnäis  tibi  pampa  fnaceUo-\  pendeat  et  quanlu8  luxurietur  honos?  \  Quam 
non  parca  manus?  Largaeque  nomismata  mensae?  |  Quac  Satume  tibi 
pemumererUur  apes^  vgl.  Friedländer  zu  der  Stelle.  Der  Gebrauch  der 
Tesseren  kam,  wie  wir  gesehen  haben,  von  oben;  es  ist  wohl  anzu- 
nehmen, dass  auch  bei  den  Satumalien  die  Kaiser  dazu  den  Anlass 
gegeben  haben.  Für  sie  war  bei  der  grossen  Menge  der  zu  Be- 
schenkenden^) das  Markensystem  gegeben.  Solche  kaiserliche  Tesseren 
besitzen  wir  möglicherweise  in  unseren  Bleimarken.  Deswegen  wird  man 
es  wohl  nicht  als  zu  kühn  ansehen ,  wenn  wir  die  Kontremarke  I  •  VE 
auf  S.  502  als  Umpcrator)  Veispasianus)  interpretieren. 

Durch  Marken  regulierte  Koraverteilungen  kommen  nicht  nur  im 
antiken  Leben  vor.  Dass  es  das  angemessenste  System  ist,  Ordnung 
in  Massenausteilungen  zu  bringen,  beweist  das  tägliche  Leben  mit  seinen 
Papierbons  auf  Schritt  und  Tritt.  Aus  der  jüngeren  Vergangenheit  haben 
wir  aber  noch  schlagendere  Parallelen.  Den  römischen  Tesseren  voll- 
ständig analog  sind  die  Marken  der  holländischen  Städte  des  XVL  und 
XVn.  Jahrb.,  die  sog.  Penninge.  Eine  Serie,  die  sog.  Armenpenninge,  tritt 
unseren  tesserae  frumentariae  besonders  nahe.    L.  Minard  van  Hoorebeke 


1)  S.  z.  B.  Tac.,  Eist  11  95:  GladiatoreDspiele  vieaiim,  vgl.  Säet,  Tih.  76;  FreHer, 
Regionen  79;  Hinchfeld,  VerwaUungsg.,  2.  Aufl.,  245  Aom.  2,  wo  nach  dem  Vorgang 
Prellen  die  sehr  ansprechende  Vermutung  ausgesprochen  wird,  dass  die  kaiserlichen 
Sklaven  und  Freigelassenen,  die  a  regionibus  urbis  heissen,  «zur  Beaufsichtigung  der 
vicatim  vorgenommenen  kaiserUchen  Verteilungen  und  zu  ähnlichen  Verrichtungen  . . . 
▼erwendet  worden*. 

2)  8.  Säet  Veap.  19 :  dabat  sicut  Satumalibus  viris  apophareta  üa  et  per  KäUn- 
da$  Martiat  femimi,  cf.  Mart  V  19,  15;  Suet  Äug,  75  und  Scr.  h.  Aug.,  Hadr.  17,  8. 


42  M.  Bostoweew, 

{Description  de  mereaux  et  jetons  de  presence  etc.,  11  [Gand,  1878—1879], 
Amsterdam,  p.  66),  sagt  von  ihnen  folgendes :  il  y  eut  en  1662  une  grande 
disette,  et  la  municipalite  d^ Amsterdam  fit  proclamer  que  tous  ceux  gut 
votdaient  obtenir  le  pain  de  seigle  de  six  Uvres  un  saus  meüleur  marckS 
que  la  faxe  devaient  s^adresser  au  commissaire  de  la  sectüm  {il  y  avait 
60  sections)  pour  recevair  des  mSreaux  estampilles  avec  lesquels  üs  pour- 
raunt  aTier  chez  les  baulangers  de  leur  sectian.  Die  Marken  (aus  Blei) 
haben  auf  der  einen  Seite  das  Stadtschild  und  Datum,  auf  der  anderen  den 
Buchstaben  W  und  die  Nummer  der  Sektion.  Ob  diese  Penninge  nur 
für  einmal  oder  für  die  ganze  Zeit  gültig  waren,  sagt  der  Autor  nicht, 
vgl.  ebda.  I  377 :  Marken  mit  Aufschriften  auf  der  einen  Seite  BR  =  brood, 
auf  der  anderen  L  (loodje  =  mereau)  und  die  Nummer  des  Armen. 


Kap.  n. 

Tesserae  als  Eintrittskarten  zu  den  Schauspielen. 

Ebenso  reichhaltig  wie  die  Verteilungsserie  ist  die  Serie  der  Blei- 
marken, welche  Darstellungen  und  Inschriften  aus  dem  Schauspielleben 
aufweisen.  Als  charakteristisch  wurden  diese  Darstellungen  schon  von 
Ficoroni^)  hervorgehoben,  gaben  ihm  sogar  Anlass,  alle  Tesseren  als  für 
Schauspiele  bestimmt  zu  erklären.  Von  Garrucci^)  und  Dumont*)  ver- 
worfen wurde  diese  Bestimmung  von  Stieglitz,  Dancoisne*)  und  Benn- 
dorf  *)  füi'  einen  Teil  der  Tesseren  als  richtig  anerkannt.  Auch  hier 
aber  hat  man  sich  mit  allgemeinsten  Vermutungen  begnfigt  und  gar 
nicht  versucht,  die  Rolle  der  Tesseren  bei  den  Schauspieden  genauer  zu 
charakterisieren. 

Manches  Licht  kam  in  diese  Materie,  hauptsächlich  in  der  letzten 
Zeit,  aus  Griechenland.  Svoronos  gelang  es,  eine  reichhaltige  Serie 
von  Tesseren  aus  Bronze,  Blei  und  Thon  als  Eintrittsmarken  ins  Theater 
zu  bestimmen. •)  Die  reichhaltigsten  Serien  stammen  aus  Athen,  andere 
aus  Mantineia.  Besonders  wichtig  sind  die  anonymen  Serien  aus  Athen, 
welche  durch  Buchstaben  signiert  sind,  zu  denen  entsprechende  auf  den 
Sitzreihen  des  Dionysischen  Theaters  sich  finden;  dieselben  bezeichnen 
eine  Volksabteilung.  Diese  anonymen  Marken  dienten  wohl  nicht  bloss 
zum  Besuch  der  Schauspiele,  sondern  auch  zum  Eintritt  in  die  Volks- 
versammlungen. Sie  laufen  in  ununterbrochenen  Serien  vom  V.  Jahrh. 
V.  Chr.  bis  in  die  späthellenische  Zeit.  Eine  Fortsetzung  werden  wohl 
die  noch  nicht  untersuchten  Bleitesseren  mit  Inschriften  und  Darstellungen 
liefern. 


1)  Ficoroni,  Pümbi  antichi  77  ff. 

2)  Pümbi  ÄUieri  17  ff. 

3)  De  plumbeis  apud  Graecos  iesseris  93  ff. 

4)  Bevue  beige  de  numismaiique,  1891,  213  ff. 

5)  Zeitschr.  f,  oest  Gymn.  1875,  88  ff.;  605  ff.;  610 ff. 

6)  £ßoQdivogy  ^isd'vijs  'Efpr^ugls  t^g  Notiia^iatixfjs  'AQXcuoloylag,  1898  und  1900 
IL€Q.  A — ^;  der  erste  Teil  erschieD  auch  in  französischer  Sprache  in  der  Riv.  üäL  di 
num.  1898,  459  ff.  und  1899,  461  ff. 


44  iL  Badavogew^ 

Wie  dem  aach  sei,  klar  ist,  dass  das  Maricensystem  in  Griechen- 
land seit  alter  Zeit  zor  Begoliernng  des  Schanspielbesnchs  mit  £rfo]g 
angewandt  worde. 

Wie  war  es  in  Bom?  Bevor  wir  auf  diese  Frage  Antwort  gebra, 
müssen  wir  nns,  wie  bei  den  Fmmentationen,  zuerst  die  Technik  der 
Schauspielverwaltung  in  Bom  nach  litterarischen  und  inschriftlichen 
Zeugnissen,  soweit  das  möglich  ist,  klar  machen.  Leider  ist  das 
Material,  welches  wir  besitzen,  lange  nicht  so  reichhaltig,  wie  ffir  die 
Frumentationen. 

Uns  beschäftigen  hauptsächlich  zwei  Fragen:  erstens,  wer  hatte  das 
Becht,  den  Spielen  beizuwohnen  und  wie  übten  die  Berechtigten  ihr 
Bedit  ans,  zweiteosi  wer  leitete  die  administratiye  Seite  der  Schaa^iele 
und  in  welcher  Weise  geschah  das?  Die  Antwort  auf  diese  Fragen 
ist  längst  von  verschiedenen  Forschem  gegeben  worden  und  ich  habe 
nur  weniges  hinzuzufügen.^) 

Der  Besuch  der  staatlichen  Schauspiele  stand  jedem  Bürger  frd. 
Ob,  wie  in  Athen,  die  Sitzplätze  in  den  Schauspielgebäuden  nach  Ab- 
teilungen des  Volkes  ein  für  allemale  verteilt  waren,  lässt  sich  leider 
nicht  sagen.  Dionysius  (m  68)  weist  für  die  älteste  Zeit  auf  Kurien 
hin,  Mommsen  hat  an  die  Tribus  gedacht;  Beweise  giebt  es  leider  weder 
für  das  Eine  noch  für  das  Andere.^  Eines  steht  aber  fest:  im  Laufe 
der  Zeit  werden  besondere  bessere  Plätze  für  bevorzugte  Stände 
ausgeschieden  und  denselben  ständig  angewiesen.  Man  rechnet  dabei 
nicht  nach  Plätzen,  sondern  ndAYi  pedes^)  Senatoren,  Priesterkollegien, 
Gesandte  und  Gäste  des  römischen  Volkes  machen  den  Anfang,  nach 
ihnen  kommen  die  Bitter  und  in  der  Eaiserzeit  sehen  wir  im  Kolosseum 
besondere  Plätze  für  paedagogi,  praetextaii  und   ähnL  ausgeschieden.^) 


1)  Für  die  ente  der  Fragen  findet  man  das  Material  ziuaminengesteUt  bei 
HUbner,  Ann,  d.  InMütOo  1856,  58 ff.  und  1859,  122 ff.;  Lanciani,  BulL  com.  1880, 
236 ff.;  MarqaaId^Friedl&lder,  Staativeno,  III  507  und  534 ff.;  Hühen,  J9iiS.  oom.  1894, 
312  ff.  und  CIL,  VI  3206^—32348,  s.  auch  meinen  Aufiuttz  in  den  Melanget  de  ^ieoU 
de  Rame  XVm  199  ff. 

2)  Mommsen,  Tribus  206.  CIL.  VI  995  bezieht  sich  auf  die  Frumentationen, 
s.  MommMn,  StaaUreeht  Ul  446,  1;  Friedländer,  SiUengeMchichte  I  336,  5.  Manehe 
Analogien  sprechen  aber  für  diese  Vermutung:  so  die  Verteilung  der  Plätze  in  Lam- 
baesis  nach  Curien  (CIL,  VIII  3293) ,  dann  die  Analogie  mit  Athen  (oben  die  Arbmt 
von  Sroronos)  und  Ephesus,  s.  CIL.  Hl  14195,  5—8  (ygl.  Jdhrtsh,  d.  oest,  arch.  Inst. 
1899,  Beiblatt  43  ff.),  wo  jeder  Phyle  ein  bestimmter  Teil  des  Zuschauerraumes  ange- 
wiesen war.  Auch  die  Sorge  Ciceros  um  seine  tribules  gerade  in  den  Tagen  der 
Spiele,  Cic.  ad,  Q.  fr.  III  1,  vgl.  Mur,  78  u.  72  könnte  für  ein  Zusammenbleiben  der 
tribules  in  diesen  Tagen  sprechen. 

3)  Dies  hat  Hülsen  im  BuU.  com.  1894,  312  ff.  glänzend  nachgewiesen. 

4)  S.  die  in  Anm.  1  angeführten  Abhandlungen  und  die  vollständige  Zusammen- 
stellung des  inschriftlichen  Materials  bei  Dessau,  Inscr.  sei.  5684«—/'  mit  Anmerkung; 
5655;  5656. 


Ebenso  gellt  man  in  den  Provinzen  vor.\)  Dasselbe  wissen  wir  auch  für 
Grieclienlanii 

Der  Raum  in  jedem  Schauspielbau  war  natürlich  genau  bekannt; 
man  wusst^  genau  ^  wie  viel  Leute  bei  jedem  Schauspiele  ünterkanft 
finden  können.^)  Wir  hören  deshalb,  daas  das  Volk  lange  vor  dem  Be- 
ginne der  Schauspiele  sich  bei  den  Schauspielgeb&uden  versammelte, 
natürlich  um  bessere  oder  überhaupt  um  Plätze  zu  finden.^) 

So  war  es  bei  den  Staatsschauspielen,  Wir  wissen  aber^  dass  neben 
diesen  auch  Privatschauspiele  geduldet  wurden,  besonders  in  der  Kaiser- 
aeit  Bei  denselben  staad  es  natürlich  dem  Schauspielgeber  frei,  wenig- 
stens einen  Teil  der  Plätze  zu  vergeben  oder  zu  verkaufen/) 

Die  Administration  der  uieisten  Spiele  (die  ApolUnartn  besorgte  der 
Praetor)  gehörte,  wie  bekannt,  zur  Zeit  der  Republik  den  Aedilen,  welche 
Cicero  {de  leg.  III  7)  coeraiores , . . .  ludorum  s^hnmimn  nemit  Die  Be- 
sorgung der  Spiele  ist  also  eine  cur^^)  In  den  letzten  Zeiten  der  Repu- 
blik wmde  es  üblich,  im  Falle  der  Verhindening  einem  anderen  seine 
mru  zu  übertragen.  So  besorgte  Antonius  (zur  Zeit  allerdings  auch 
Prätor)  die  Apollinarischen  Spiele  des  M.  Brutus/)  so  hat  sirh  Matius 
von  Seiten  Ciceros  schwere  Vorwürfe  wegen  der  Besorgung  der  Spiele 
des  jungen  Octavianus  (im  J.  44)  zugezogen  (s*  Cic.,  ep.  XI  28,  S; 
auch  27,  7).^)  Rs  war,  wie  Matius  sagt,  sein^wlts  ein  rein  privates  offi- 
cium, wie  auch  die  Spiele  Privateache  des  jungen  Erben  ('äsars  waren. 
Octavianus  hat  Matius  wohl  wegen  seiner  zu  zarten  Jugend  darum  ge- 
beten. Ähnliche  omraUtmm  scheinen  schon  in  den  Zeiten  Cäaars  ganz 
ttbUch  gewesen  zu  sein  und  galten  für  die,  denen  sie  übertragen  wnrdaii 
als  greese  Ehre.^)  Unter  Äugustus  be^or^en  die  regulären  StMto- 
spiele  die  Prätoren.^) 

Daneben  fanden  die  kaiserlichen  Spiele  halbprivaten  Charakters 
die  grösste  Entwicklung.  Sie  wurden,  ebenso  wie  die  Congiarien, 
von    Augustes    und    seinen   Nachfolgern    nicht    nur    in    ihrem    eigenen 


1)  Vgl.  Mominsen,  Staatsrecht  IH  460,  2, 

2)  l>it*  uns  bekannten  Aogaben  »lad  vao  Hülsen«  ji.  a.  O.  xu^ammongcstpllt  und 
bespruüben  worden. 

3)  Suet,  Cah^.  2S.  Dm  »cbboF«»t  dA«  Sitzen  nuch  Tribu«  nicht  aus^  da  natüftich 
Hiebt  öUe  Tribulen  in  d*'m  ibot^n  angewieseocü  Kaum  Fiat«  fimku  konntrn. 

4)  S-  Marquardf-Friedländpr,  «-  a,  CK  472.  478, 

b)  Mommiiei) ,  S(mU9fvcM  TP .^17  ff.;  Ub«r  den  BcgriBT  di^  cura  t.  Koniemanii 
bei  Pauly-Witwwa,  Rll  IV  1751  C 

6)  Die  mdlf  n  Wi  Drumanti  I  324  tmd  141  (DrtiaiviE»>6roelit  I  885  Oü^  108). 

7)  Ludi  Victorias  VaumiM  §.  ItloauDseti,  CIL.  I  H9i;  üoik  Ane.  91. 

8)  8-  Cic.»  (am.  VI  19,  2  (ad  Leptam  a.  46):  de  curat ion$  alifwi  mitn^nm  r#- 
ffiorum  cum  Oppio  hcvtwi  mm  etc.  Dais  munera  aU  Spiel»  aufsurtit«»  uü,  itl  denk- 
bar; auch  die  cura  ludorum  iit  ein  munm^  ».  Cic.  ep,XJ2S,  6;  qu^d  iamem  mnnm .  * , . 
prmssttm dehui,  vgL  ad.  Ätt.  XUl  46  und  8chmtdl,  BfHfwMdml  34S  und  358. 

9}  Monmiaen,  maai9r€chi  IP237. 


46  M,  Bostowzew^ 

Namen,  sondern  auch  im  Namen  ihrer  nächsten  Angehörigen  gegeben.') 
Von  der  Verwaltung  dieser  Spiele  in  der  früheren  Kaiserzeit  haben 
wir  keine  Nachrichten.  Unter  Caligula  scheint  ein  ständiger  curator 
dieser  Spiele,  die  hauptsächlich  aus  Gladiatorenkämpfen  und  Tierhetzen 
bestanden,  zu  funktionieren.  Wenigstens  spricht  für  die  Ständigkeit  die 
Art  und  Weise,  in  welcher  Sueton  das  Amt  anführt  (Suet,  Calig.  27): 
curatorcm  munerum  ac  venationum  per  continuos  dies  in  conspectu  suo  catenis 
verberatum  non  prius  occidit  quam  offensus  putrefadi  cerebri  odore.  Diesen 
curator  mit  Hirschfeld  für  einen  Freigelassenen  zu  halten,  haben  wir  keinen 
Grund.  Dagegen  nennt  Tac. ,  Ann,  XIH  22  einen  für  bestimmte  Spiele 
ernannten  curator:  praefectura  annonae  Faenio  Rufo,  cura  ludorum  qui 
a  Caesare  parabantur  Arruntio  SteUae,  Aegyptus  Ti.  BalbiUo  pcrmiUuntur. 
Die  genannte  cura  ludorum  war,  nach  ihrer  Stellung  zwischen  den  zwei 
höheren  praefecturae  zu  urteilen,  auch  selbst  eine  der  höchsten  ritterlichen 
curae.^)  Später  haben  wir  ständige  Vorsteher  der  kaiserlichen  Spiele 
in  der  Gestalt  besonderer  dazu  ernannter  Prokuratoren.*)  Im  J.  80 
hören  wir,  dass  die  Verteilung  der  Plätze  im  Kolosseum  durch  Laberius 
Maximus  den  praefcctus  annonae  und  zugleich  Prokurator,  wohl  des  Ko- 
losseums selbst,  geschieht*)  Diese  Nachricht  wird  uns  vollständig  ver- 
ständlich, wenn  wir  bedenken,  dass  in  dieser  Zeit  die  Leitung  der  Frumen- 
tationen  in  den  Händen  des  Praefectus  lag,  dass  er  also  allein  im  Besitze 
des  genauen  Verzeichnisses  der  plebs  frumentaria  war,  welche  in  der 
Kaiserzeit  wohl  hauptsächlich,  wenn  nicht  ausschliesslich,  den  Zutritt 
zu  den  spectacula  hatte.  Man  muss  andererseits  bedenken,  dass  das 
Kolosseum  eben  erbaut  worden  war,  und  dass  es  besonders  wichtig  war, 
gerade  jetzt  die  Leitung  des  Gebäudes  einem  hochgestellten  und  er- 
fahrenem Manne  anzuvertrauen. 

Wie  gesagt,  glaube  ich,  dass  schon  im  ersten  Jahrh.  die  pld)s  fru- 
mentaria fast  allein  zum  Besuche  der  Schauspiele  berechtigt  war.  Für 
das  IV.  Jahrh.  ist  es  durch  die  Serie  der  Inschriften  des  Tarracius 
Bassus,^)  deren  Praescript  lautet  (nach  Hülsen):  ex  auctoritate  Tarraci 
Bassi  V.  c.  prae{fecti)  urbi  nmnina  acre  incisa  [.  .  .  .]nartorum  qui  9ibi 
pecuniam  [publicam]  et  locum  spectaculis  et  panem  populi  contra  disci- 
plinam  Bonianam  derel[ ]  vindicare  consucverant,  bewiesen.  Die- 
selbe  enge  Vereinigung  sehen   wir  schon  früher  überall  in  den  Texten 


1)  Augastus  referiert  darüber  genau  in  dem  Monumentum  Ancyranum  c.  22, 
vgl.  den  Kommentar  von  Mommsen,  wo  die  anderen  Zeugnisse  verzeichnet  sind. 

2)  Über  die  curatores  ludorum  s.  Hirscbfeld,  Vencaliungsg.  177  f.;  Mommsen, 
Staatsrecht  II*  451;  Marquardt-Friedländer,  Staatsvenc.  III*  488-,  Romemann  bei  Pauly- 
Wissowa,  RE.  IV  1798. 

3)  Hirschfeld,  a.  a   0.  178. 

4)  CIL.  VI  2059  =  32363;  Dessau  II  5049;  Pros.  II  257,  3. 

5)  CIL.  VI  31893—31901,  vgl.  Hirschfeld,  Sitsungsh.  d.  Berl  Ak.,  1891,  852; 
Waltzing,  Corp.  prof.  II  109  und  III  767-769. 


Bömische  Bl&itesserae,  47 

und  auf  Monumenten,  so  z.  B.  besonders  charakteristisch  auf  einer  Sae- 
cularlampe,  welche  Dressel  folgendermassen  beschreibt  (CIL.  XV  2,  6221,  7): 
in  media  parte  lucernae  agitator  adversus  stans  s.  ramum  pälmaej  d, 
coronam  tenet.  Ä  parte  8,  gladiator  scutum  qtuidratum  et  mucroncm 
tenens;  gdlea  eius  bactdo  in  terram  dcfixo  imposiia  est.  Aparte  d.  duo 
modii  cum  spiciSj  quorum  aUcri  duo  globi  imposüi  sunt  alteri  quadrupel 
(equus)  sin.  saltans;  infra  crumenae  quattuor.^)  Es  ist  klar,  dass  alle 
drei  Arten  der  Befriedigung  des  Volkes  je  später  desto  mehr  zu  fest  re- 
gulierten kaiserlichen  Geschenken  wurden,  welche  stets  an  dieselben  Per- 
sonen, die  den  Kern  der  hauptstädtischen  Bevölkerung  bildeten,  verabreicht 
wurden.  Dass  dies  für  die  Schauspiele  vor  dem  J.  80  geschehen  ist, 
zeigt  die  oben  angeführte  Inschrift;  es  ist  möglich,  dass  der  Wandel  sich 
unter  Claudius  mit  der  Schaffung  der  Schauspielprokuratur  vollzogen  hat*) 

Wir  sehen,  die  Überlieferung  ist  karg,  von  den  Tesseren  sagt  sie 
kein  Wort:  kein  Wunder,  da  sie  auch  für  wichtigere  Fragen  stumm 
bleibt.  Dennoch  scheint  es  ganz  sicher  zu  sein,  dass  schon  in  den  Zeiten 
des  Augustus  und  vielleicht  noch  früher  Tesseren  für  die  Regulierung 
der  Spiele  gebraucht  wurden. 

Wir  besitzen  noch  mehrere  Tesseren,  auf  welchen  senatorische  Cura- 
toren  genannt  werden.    Sie  teilen  sich  in  folgende  Gruppen. 

Zuerst  (S.  516)  haben  wir  auf  einer  Tessere  den  Namen  Herenn(iu8) 
Ruf{us)  cur{ator)  und  auf  der  Rückseite  einen  curulischen  Sessel  mit  je 
drei  fasces  auf  jeder  Seite  —  den  Sessel  eines  Prätors.*)  Dasselbe  auf 
der  Tessere  S.  517;  der  Name  lautet  P.  Tettius  Rufus.  Es  fehlt  nur  die 
Bezeichnung  des  Amtes.  Tettius  Rufus  kennen  wir;  s.  Prosop.  III  309, 
104:  er  hat  es  sicher  bis  zum  Prätor  gebracht  und  gehört  in  den  An- 
fang des  I.  Jahrh. 

Nun  aber  ist  es  höchst  interessant,'  diese  Serie  mit  einer  Münzserie 
der  Augustischen  Zeit,  der  des  Livineius  Regulus,  zusammenzustellen.*) 
Auf  einigen  der  Münzen  dieser  Serie  erscheint  ein  den  unsrigen  ganz 
analoger  curulischer  Sessel,  auf  anderen  allerlei  Szenen  aus  dem  Bereiche 
der  venationes,  welche  Livineius  wohl  als  Prätor  gegeben  hat.  Die  Münz- 
serie erinnert  mich  wieder  an  eine  Tessere :  auf  der  einen  Seite  derselben 
sehen   wir   einen  Kopf  der  ersten  Eaiserzeit  nach  links,   vor  ihm  einen 

1)  Das  berühmte  panem  et  circenses  ist  nur  RedoktioD  dieses  vollstäDdigen  Ver- 
zeichnisses der  emölumenta  eines  aere  incisus;  über  panem  ei  circenses  b.  Friedländer, 
i^litteng.  II  296. 

2)  Dagegen  spricht  scheinbar  Fronto,  princ.  hist.  V  11:  minus  acribus  stimulis 
congiaria   quam  spectacula    expeti;  congiaris   frumentariam   modo  plebem  singiüatim 

placari  ac  nominatim  spectaculis  Universum  [populum Dabei   denkt  aber  Fronto 

hauptsächlich  an  die  besseren  Stände,  an  berorzugte  Plätze  und  an  die  Maasenwirkimg. 

3)  Herennios  Rufus  ist  eine  bekannte  Persönlichkeit  des  ersten  Jahrh.  (CIL.  XI 
3717;  Prosop.  II  138,  90). 

4)  S.  Babelon,  Monn.  de  la  Rep.  II  140,  9—11. 


48  M.  IhMowgew, 

Litnns,  rings  die  insefarift  C.  Limi[eiu]s  Paulus;  auf  der  Rttekseite 
befindet  sick  ein  Adler  von  vorne,  Kopf  n.  r.  nrit  Kranz  im  Schnabel 
mid  Palme  in  den  Krallen.*)  Wen  der  Kopf  darstellen  soll,  weiss 
ieh  nicht. 

Den  prätorischen  Tesseren  reihen  sich  drei  ähnliche  Bleie  an 
(5.  518 — 520).  Allen  gemeinsam  ist  die  Darstellung  eines  cnrulisclien 
Sessels  auf  einer  Seite,  auf  der  anderen  sehen  wir  einmal  (S.  518)  einen 
Porträtkopf,  das  andere  Mal  einen  Medusakopf  (8.  519),*)  auf  der  dritten 
(S.  520)  ist  die  Darstellung  unkenntlich,  weil  durch  eine  Kontremarke 
nrit  Darstellung  eines  siegreichen  Pferdes  ersetzt ;  neben  dem  curulischen 
Sessel  der  letzteren  Tessere  steht  die  Inschrift  AVG.  Der  curulische 
Sessel  der  beschriebenen  Bleie  unterscheidet  sich  von  dem  der  prätorischen 
Tesseren  dadurch,  dass  er  durch  keine  fasces  flankiert  ist  —  die  Inhaber 
und  Verfertiger  der  Tesseren  waren  demnach  Aedilen. 

Daneben  haben  wir  mehrere  Tesseren,  auf  denen  die  Namen  der 
Guratoren  als  Rflckseite  von  kaiserlichen  Porträtköpfen  erscheinen.  Attf 
8. 513  sehen  wir  den  Kopf  einer  Dame  des  Augustischen  Kaiserhauses,  der 
Livia  oder  Antonia,  und  auf  der  Rückseite  die  Inschrift:  C.  ÄnniwPoUio 
pviador)  ä{e9ignatm)  em{ator),  Deii  Annius  Pollio  kennen  wir.  Unter 
Tiberius  war  er  schon  Konsular  (Tac.,  Ann.  VI  9,  vgl.  Prosap.  I,  n.  518 
cf.  n.  520;  Pauly- Wisse wa,  Ä  jB.  I  22,  72).  S.  514  giebt  ein  sicheres 
Porträt  der  Julia^  Augustus'  Tochter,^)  und  auf  der  Rückseite  die  Inschrift: 
M.  JMisUus  Labeo  cMr(cUar).  Dieser  Labeo  ist  zweifellos  der  berühmte 
Jurist  der  Augnstischen  Zeit^)  An  diese  zwei  Tesseren  reiht  sich  von 
selbst  eine  vor  kurzem  aufgefundene  Tessera  S.  514*"  an.  Wiederum 
haben  wir  das  sichere  Porb'ät  der  Julia  und  auf  der  Rückseite  die  In* 
Schrift:  Pr[i]sciüu8  cur(ator)  (s.  die  beigegebene  Taf.  I,  16).  Ä.  514*»  giebt 
ebenfalls  ein  Porträt  —  einen  männlichen,  dem  der  Tessere  8,  518  stark 
ähnlichen  Kopf  —  auf  der  einen  Seite;  auf  der  anderen  steht  die  In- 
schrift: Q.  oder  C]  Caectlius  Q.  f.  Oinogenus  f{äius)  cur(atory)  Dass 
unser  sonst  unbekannter  Caecilius  dem  senatorischen  Stande  angehört 
zeigt  schon  sein  altertümliches  Cognomen.**) 


1)  Abgebildet  und  beschrieben  io  der  russischen  Auflage  S.  189. 

2)  Ganz  ähnlich  ist  die  Bronzetesscra  Cohen  VIII  265,  2:  Medusakopf  im  Kranze 
liV  im  Kranze  D.  24  Mill. 

3)  Vgl.  die  Mariusmttnzen  Eckhelll  102;  gute  Abbildungen  in  meinem  AufiMtse  in 
der  Strena  Helbigiana,  S.  262  ff. 

4)  S.  Prosop.  I  86,  594;  Pauly-Wissowa  R  E.  I  2548  n.  34. 

5)  Für  das  wenig  gewöhnliche  f[iliu8)  statt  iun(wr\  s.  das  S.  C,  de  OropHs  t.  la 
Ailo£  KaöxilUog  A^Xov  vibg  6  vi6g  (nach  der  sicheren  Lesung  Bormanns,  Htr8ehfeld9 
Fes^hriß  432),  vgl.  L.  Volusenus  Catuhta  fißius)  CIL,  VI  31543;  Dessau  5898  (Aivftng 
des  ersten  nachchr.  Jahrb.). 

6)  Vgl.  Asiagenus  CIL.  VI  1291.  Oder  soll  man  die  Bildungen  wie  Primigeniiu 
zur  Erklärung  zuziehen? 


Bömische  Bleüesserae.  49 

Auf  der  aus  Fröhners  Sammlung  stammenden  Tessera  S.  514°  sehen 
wir  auf  der  einen  Seite  die  Büste  des  Tiberius  und .  die  Inschrift: 
Ti,  Aagustus,^)  auf  der  anderen  die  Inschrift:  T.  Cornelius  Paetus  ponti- 
f{ex)  curat(ar)  (s.  Taf.  I,  17),  also  auch  ein  senatorischer  (s.  Mommsen, 
Staatsrecht  11  33),  leider  sonst  unbekannter  Beamter. 

Endlich  S.  515  giebt  auf  der  einen  Seite  das  Medaillon  Caligulas  auf 
den  Flügeln  eines  Adlers  ruhend,  auf  der  anderen  die  Inschrift:  Caecilius 
Justus  cur(ator).    Diese  Persönlichkeit  ist  uns  unbekannt. 

Die  Tesseren  S.  522  und  523  mit  den  Namen  der  curatares:  P.  Gavius 
Priscus  und  C.  Oppius  Honipratus)  zeigen  auf  den  Rückseiten  den  Kopf 
der  Juno  Lanuvina,  die  n.  524  und  525  mit  den  Namen  eines  (7.  Luccius 

Crassus  und   Q,  M Val die   Göttin   Roma,   endlich  trägt  die 

Tessera  521  nur  den  Namen  C,  Brtdtidi(us)  Brutus  mit  dem  Titel  cur- 
(ator)  auf  der  Rückseite;  es  ist  entweder  der  Rhetor  der  Augusti- 
schen Zeit  (Sen.,  Contr.  VII  5,  6;  IX  1,  11)  oder  einer  seiner  Nach- 
kommen.*) 

Nach  allen  den  angegebenen  Parallelen  scheint  es  schon  jetzt  fast 
sicher,  dass  wir  es  mit  curatores  ludorum  (resp.  munerum  et  venatianum) 
zu  thun  haben.  Es  ist  kaum  Zufall,  dass  alle  bekannten  Namen  Ver- 
tretern des  senatorischen  Standes  angehören,  dass  sich  darunter  zwei 
Praetoren,  denen  seit  Augustus  (wie  gesagt)  die  cura  ludorum  oblag,  be- 
finden, dass  auf  einer  Tessera  sich  eine  Zirkusdarstellung  findet,  dass 
analoge  Münzen  eines  Prätors  denselben  als  Spielgeber  feiern. 

Nun  aber  haben  wir  noch  andere  Beweise.  Auf  der  Tessera  S.  528 
haben  wir  auf  beiden  Seiten  Darstellungen  je  eines  kämpfenden  Gladia- 
tors, daneben  auf  einer  Seite  CVR,  auf  der  anderen  M,  was  doch  wohl 
cur{ator)  m{uneris)  aufzulösen  ist  (s.  Taf.  I,  18).  Eine  Kontremarke 
cur{ator)  befindet  sich  auf  einer  Tessera  (S.  529)  mit  dem  Kopfe  eines 
Kaisers  oder  Mitgliedes  der  kaiserlichen  Familie;  die  Rückseite  giebt 
Diana,  die  Göttin  der  venationes,^) 

Endlich  findet  sich  noch  etwas,  was  kaum  zufällig  sein  kann.  Wir 
besitzen  zwei  fast  vollständig  ähnliche  Tesseren  S.  526.  527.  Auf  beiden 
ist  auf  der  einen  Seite  eine  Viktoria  dargestellt.  Einmal  steht  bei  ihr  die 
Beischrift  cur(ator\  das  anderemal  V-A.  Die  Rückseite  zeigt  auf  beiden 
Tesseren  die  Darstellung  eines  halbliegenden  Flusses  mit  der  Beischrift 
ARR.  In  den  zuletzt  angeführten  Buchstaben  lässt  sich  der  Name  des 
Curators  vermuten,  die  Buchstaben  V-A  bei  einer  Viktoria  werden  wohl  am 
wahrscheinlichsten  in  V(ictoria)  Ä{rmeniaca)  oder  A(ugustt)  aufzulösen  sein; 


1)  Vgl.  Cohen  I,  Tib^re,   n.  49—63.     Interessant   ist   es,   dass  auf  der  Tessere 
sogar  divi  f.  weggelassen  ist. 

2)  Einen  Mann  dieses  Namens  aus  senatorischem  Stande  kennen  wir  unter  Tibe- 
rius Prosop.  I  240,  129  u.  130;  Pauly-Wissowa,  B.  E.  II  907. 

3)  Wissowa,  Religion  und  Kultus,  198. 

Kostowzew,  Bömitcho  Bleit«M«rae.  4 


50  M.  BostoweeWy 

darnach  lässt  sich  das  Ganze  auf  die  Spiele  des  J.  55  n.  Chr.  deuten,  deren 
Curator,  wie  oben  angeführt  worden  ist,  ein  Arruntius  Stella  gewesen 
ist  (Tac.,  Ann.  XIII  22);  die  Spiele  wurden  wohl  sicher  aus  Anlaas  der 
Erfolge  der  J.  54  und  55  in  Armenien  gegeben.^) 

Wie  dem  auch  sei,  curatores  ludorum  dürften  auf  Tesseren  nachge- 
wiesen sein.  Das  Tesserenmaterial  ist  aber  noch  nicht  erschöpft.  Auf 
S,  530  haben  wir  die  Köpfe  des  Nero  und  der  Agrippina  und  die  Bei- 
schrift Ti.  Cla(uditis)  proc(uratar) ,  auf  der  Rückseite  den  Kopf  Neros 
und  als  Kontremarke  CP  wohl  CQaudius)  p(rocurator).  Wir  haben  schon 
(S.  29)  das  Zeugnis  des  Tacitus  (Ann.  XU  41)  angeführt  (cf.  Suet,  Nero  7), 
um  eine  analoge,  wohl  Congiarientessera  zu  erklären ;  auf  das  ladicrum  cir- 
censium  quod  acquirendis  vtügi  studiis  edehatur  wird  sich,  wie  die  folgende 
Tessera  zeigen  wird,  unsere  Marke  beziehen.  Auf  S.  532  sehen  wir  auf 
der  Hauptseite  zwei  applaudierende  Zuschauer  auf  den  Stufen  eines  Schau- 
gebäudes sitzend  und  daneben  die  Beischrift  IV V,  wohl  iuv{enale$),  wie 
weiter  unten  zu  zeigen  ist,  auf  der  anderen  rings  die  Inschrift  Jul{iu8) 
Quadr{atus)  Ti.  l{iheHus)  proc(urator),  im  Zentrum  einige  ziemlich  un- 
sichere Buchstaben.  Kein  Zweifel  also:  vor  uns  stehen  die  seit  Claudius 
auch  inschriftlich  nachzuweisenden  Schauspielprokuratoren,  beide  Male 
wohl  unter  Claudius  selbst  tätig.  An  diese  Tesseren  schliesst  sich  eine 
reichhaltige  Serie  an  (S.  534 — 548).  Fast  ausschliesslich  treffen  wir 
hier  Schauspieldarstellungen.  Die  Hauptseite  bilden  überall  Darstellungen 
der  applaudierenden  Zuschauer,  auf  den  Eückseiten:  Palme  (539),  Lorbeer- 
zweig (543.  544),  ein  Zirkuswagen  mit  8  Pferden  bespannt  (533),*)  Gla- 
diator (534—537,  s.  Taf.  I,  19),  Juno  Lanuvina  (540,  s.  Taf.  I,  20), 
Ceres  (541.  542).  Fast  auf  jeder  stehen  Initialen:  auf  n.  545  APPRO 
wohl  Ajy^pit^)  pro(curatar),  auf  548  TICP  =  Ti.  Claudius)  p{rocuraior). 

Damit. sind  die  Procuratoren  der  Spiele  als  Fortsetzer  der  curatores 
evident  nachgewiesen.  Nun  aber,  was  sind  diese  Curatoren  und  was 
sagen  uns  die  Tesseren  darüber? 

Das  Spielegeben  ist,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  eine  cura;  jeder, 
der  Spiele  giebt,  ist  curator  des  betreffenden  Schauspieles.  Curatores 
ihrer  Spiele  waren  demnach  die  Prätoren  unter  Augustus.  Kein  Wunder, 
dass  sie  diesen  Titel  auf  die  Tesseren  setzen  und  ihre  Prätorenwürde 
nur  durch  die  sella  curulis  symbolisieren.  Diese  Serie  ist  also  klar: 
Prätoren   als   curatores   ludorum  geben  Tesseren  aus   zur  Regelung  des 


1)  S.  Tac,  Ann.  XIII  7—9  bes.  9  am  Eudc.  Das  Resultat  des  Feldzugs  dieser 
Jahre  war  das  Verlassen  Armeniens  durch  die  Parther.  Corbulo  kommandierte  in 
Armenien.  Auf  die  Privatspiele  des  Arruntius  Stella  unter  Domitian  (Marquardt- 
Friedländer  III  470)  können  sich  unsere  Tesseren  nicht  beziehen. 

2)  Vgl.  die  oben  S.  29  angeführte  Tessera  mit  demselben  Rs.  und  dem  Nerokopfe 
auf  der  Hauptseite.  Damit  sind  auch  die  anderen  a.  a.  0.  zitierten  Tesseren  ab 
Marken  für  Schauspiele  nachgewiesen. 


Römische  BleUesserae,  51 

Besuches  der  betreffenden  Schauspiele.  Dass  ihr  Porträt  auf  den  Tesseren 
nicht  erscheint,  ist  unter  dem  Prinzipat  selbstverständlich.*) 

Daneben  haben  wir  (oben  S.  48)  Tesseren  ungenannter  Aedilen,  und 
zwar  einmal  eine  mit  bedeutungsloser  Rückseite,  einmal  mit  einem  un- 
bekannten Porträt  und  einmal  mit  der  Inschrift  Augiustus)  oder  Aug{ur 
stales)  seil,  ludiy)  Aedilicische  Spiele  unter  Augustus  sind  nur  die  Spiele 
des  Agrippa.^  Ob  der  Porträtkopf  auf  der  zweiten  Tessera  den 
Agrippa  darstellt,  ist  zweifelhaft  und  kaum  zu  entscheiden.  Falls  es 
wirklich  Agrippa  wäre,  hätte  Cäcilius  Oinogenus  (oben  S.  48)  in  seiner 
Vertretung  figuriert. 

Ganz  klar  und  verständlich  sind  dagegen  die  Tesseren  mit  Frauen- 
köpfen. Es  sind  sicher  Marken  für  Schauspiele,  welche  Augustus  im 
Namen  der  abgebildeten  Frauen  gegeben  hat,  ganz  wie  bei  den  CJongiarien, 
die  im  Namen  eines  Mitgliedes  der  kaiserlichen  Familie  verteilt 
wurden.  Die  auf  den  Marken  erscheinenden  curatares  sind  die  Vertreter 
der  kaiserlichen  Frauen,  da  dieselben  selbst  die  Spiele  nicht  veranstalten 
konnten.  Das  Verhältnis  ist  dem  des  Matius  Octavianus  gegenüber  gleich. 
Diese  Vertreter  waren  senatorischen  Standes,  wie  es  sich  für  hoch- 
gestellte Damen  gebührt. 

Die  anderen  Tesseren  sind  leider  nicht  so  ergiebig:  vielleicht  sind 
die  mit  der  Darstellung  der  Juno  Lanuvina  Marken  der  curaiores  der 
Spiele,  die  zu  Ehren  dieser  Gottheit  in  Rom  oder  in  Lanuvium  gegeben 
wurden  (darüber  weiter  unten).*)  Die  Darstellung  der  Roma  spricht 
vielleicht  von  den  ludi  Bomani. 

Eines  ist  klar:  seit  der  Zeit  des  Augustus  wird  der  Besuch  der 
Spiele  durch  Tesseren  reguliert.  Die  Tesseren  geben  die  Schauspielgeber 
aus,  d.  h.  die  curatares  der  betreffenden  Spiele,  ob  sie  die  Spiele  stio  namine 
veranstalten  oder  im  Namen  eines  anderen  fungieren.  Im  letzteren 
Falle,  wenn  die  zu  Vertretenden  Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie  sind, 
erscheinen  auf  den  Tesseren  ihre  Porträtköpfe. 

Dass  weder  der  Name  noch  der  Kopf  des  Kaisers  Augustus  auf  den  Cura- 
torentesseren  zu  finden  ist  wird  wohl  kaum  Zufall  sein  und  zeugt  davon, 
dass  die  Spiele  des  Augustus  nicht  durch  Curatorenmarken  reguliert  worden 
sind ;  wenn  überhaupt  Marken  dabei  verwendet  wurden,  waren  es  Marken 


1)  Dass  sie  als  Vertreter  fungieren,  ist  kaum  anzunehmen;  der  zu  Vertretende 
würde  sich  kaum  in  dieser  Weise  auf  den  Tesseren  seiner  Spiele  zurückziehen.  Ma- 
gistrate als  Curatoren  sind  in  den  Munizipien  ständig,  s.  Komemann  bei  Paolj- 
Wissowa,  R,  E.  IV  2,  1803. 

2)  Dass  sich  die  Tessera  auf  die  bekannten  ludi  AugustdUs  besieht,  ist  kaum 
möglich ;  seitdem  diese  Spiele  im  J.  14  (s.  Mommsen,  CIL.  1 404)  ständig  waren,  worden 
sie  snerst  von  Tribunen,  dann  von  Prätoren  gegeben. 

8)  Dio  49,  48;  Plin.,  Not,  hüt.  36,  104,  121. 

4}  Dafür  sprechen  die  unbekannten  Namen.   Es  sind  kaum  Senatoren,  eher  Ritter. 

4* 


52  M.  Bostowzew^ 

des  Congiarien-  und  Fnunentationentypus,  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
dass  die  Bronzetesseren  des  Augustus  auch  bei  den  Spielen  ihre  Ver- 
wendung fanden.  Dasselbe  kann  auch  von  den  Tesseren  der  kaiserlichen 
Prinzen  gesagt  werden. 

Zur  Zeit  des  Tiberius  erscheint  ein  curator  auf  einer  Tessera  mit 
Kaiserkopf;  es  ist  aber  bei  der  Seltenheit  der  Spiele  dieses  Kaisers 
kaum  an  ständige  Vertretung  zu  denken.^)  Dagegen  scheint  es,  dass 
seit  Caligula  die  cura  ständig  wird  und  die  Curatoren  wahrscheinlich 
nicht  mehr  dem  senatorischen  Stande  entnommen  werden.  Die  Häufig- 
keit der  Spiele  unter  dem  jungen  Kaiser  und  seine  monarchischen  Ten- 
denzen machen  die  Eeform  verständlich  und  erklärlich.  Seit  Claudius 
und  Nero  haben  wir  auch  auf  Tesseren  fast  ausschliesslich  Procuratoren 
und  an  die  Serie  der  Procuratorentesseren  schliesst  sich  eine  reichhaltige 
Gruppe  der  sog.  Spieltesseren,  mit  verschiedenen  aus  dem  Leben  des 
Theaters,  Zirkus,  Amphitheaters  entlehnten  Darstellungen.  Die  Pro- 
curatorennamen  werden  entweder  stark  abgekürzt,  oder  nur  durch 
Initialen  angedeutet,  was  zu  ihrer  untergeordneten  Stellung  und  ihrer 
Ständigkeit  vollkommen  passt. 

Leider  ist  es  nicht  zu  entscheiden,  ob  Curatoren  oder  Procuratoren- 
namen  auf  zwei  Neronischen  Tesseren  (S.  23  und  531)  erscheinen.  Wenn 
die  Genannten  {Man(lim  oder  ähnl.)  For(tunatus  oder  ähnl.)  und  PatU- 
linas)  Curatoren  sind,  so  bilden  sie  mit  Arruntius  Stella  zusammen 
eine  Eückkehr  zu  Curatoren,  die  ausnahmsweise  mit  Procuratoren  gleich- 
zeitig fungieren. 

Die  Darstellungen  auf  den  Rückseiten  der  Tesseren,  welche  auf  den 
Hauptseiten  den  ständigen  Typus  der  applaudierenden  Zuschauer  auf- 
weisen, führen  uns  von  selbst  zur  Untersuchung  der  Tesseren,  welche 
verschiedene  Darstellungen  aus  dem  Schauspielleben  tragen.  Dabei  ist 
vor  allem  zu  bemerken,  dass  Darstellungen  aus  dem  Theaterleben 
ungemein  selten  sind,  ebenso  selten  sind  die  sich  auf  Athletenspiele  be- 
ziehenden Marken;  häufiger  sind  die  Tesseren,  welche  auf  Gladiatoren- 
spiele weisen,  am  häufigsten  die  aus  dem  Kreise  der  vcnationcs  und 
Zirkusrennen. 

Mit  Sicherheit  lassen  sich  auf  das  Theater  nur  zwei  Typen  (S.  561, 
562  und  die  beigegebene  Taf.  I  21)  beziehen.  Die  Aufschrift  lautet 
ganz  ausdrücklich  ltid{i).  Auch  die  Tessera  S.  559  mit  der  Aufschrift 
die  1  {primo)  möchte  ich  für  eine  Schauspieltessera  erklären,    vgl.  die 


1)  Dass  Tiberius,  wie  Sucton  {Tib.  47),  v^l.  Tac,  Ann.  IV  62,  angiebt,  überhaupt 
keine  Spiele  gegeben  hat,  ist  kaum  denkbar.  Sueton  spricht  wohl  von  den  ausser- 
ordentlichen Spielen,  welche  unter  Augustus  so  häufig  waren.  Denn  Spiele  hat  der 
Kaiser  sowohl  als  Konsul  (besonders  die  Spiele  zu  Ehren  des  Augustus,  s.  Mommsen, 
lies  gestac'^  9S)j  wie  auch  sonst  geben  müssen  (so  bei  seinen  Decenualien,  s.  Dio  57,  24, 
vgl.  58,  24). 


Römische  Bleitesserae.  53 

Tessera  S.  578  mit  der  Aufschrift  dies  venat(ionis)  ^).  Für  athletische 
Agone  waren  wohl  S,  554—556  bestimmt 

Tesseren  als  Eintrittsmarken  in  die  Gladiatorenspiele  sind  durch 
S.  565  (s.  die  beigegebene  Tat  11  1)  mit  der  Aufschrift  spedas  be- 
zeugt. Die  technische  Bedeutung  des  spectare  ist  bekannt.*)  Auf 
S,  566  scheint  mun(us)  zu  stehen.  Die  Darstellungen  der  Gladia- 
toren (S.  568—577)  weisen  keine  bemerkenswerten  Besonderheiten  auf. 
Die  vorkommenden  abgekürzten  Namen  werden  wohl  Prokuratoren- 
namen sein. 

Reichhaltig  ist  die  Serie  der  venationes.  Die  Tessera  mit  Aufschrift 
dies  venat{ionis)  wurde  schon  erwähnt  (S.  578).  Ihre  Bedeutung  als  Ein- 
trittsmarke ist  nicht  zu  leugnen.  Derselben  schliessen  sich  mehrere 
Typen  mit  Darstellung  von  Kämpfen  der  venatores  mit  Tieren  und  von 
Tieren  unter  sich  (S.  579 — 705)  an.  Hervorzuheben  ist  S.  580  (s.  die 
beigegebene  Taf.  11  2)  wegen  der  Kontremarke.  Auf  beiden  Seiten  der 
Tessera  sind  Kämpfe  eines  Venators  mit  Tieren  dargestellt;  auf  einer 

Seite  unter  der  Darstellung  steht  in  Kontremarke  Sot{ )  (defiinctus). 

Dieser  Zusatz  kann  nur  in  der  Weise  erklärt  werden,  dass  auf  der 
zum  zweiten  Male  gebrauchten  Tessera  der  Tod  eines  Venators,  wohl 
des  auf  der  Tessera  dargestellten,  notiert  worden  ist.  Es  war  zugleich 
Reklame  für  die  Spiele  und  vielleicht  auch  für  das  zum  zweiten  Male  auf- 
tretende siegreiche  Tier. 

Für  die  Chronologie  sind  einige  Darstellungen  wichtig:  so  bietet 
S.  600  einen  Löwen  und  einen  Hasen,  eine  Zusammenstellung,  die 
an  Martialis  I  6,  14,  22,  48,  51,  104  erinnert.  Den  Kampf  eines 
i:iefant^n  und  Rhinoceros  (S.  625—627)  erwähnt  Dio  55,  27,  vgl.  Fried- 
länder, Sitteng.  U  542.  Zweihörniges  Rhinoceros  und  der  Bison  sind 
von  Domitian  zuerst  gezeigt  worden  (S.  643  und  Friedländer,  Sitteng. 
II  542;  544);  ebenso  wird  unter  Domitian  eine  Zusammenstellung  des 
zweihörnigen  Rhinoceros  und  eines  Stieres  erwähnt  (S.  645,  646  und 
Mart.  I  9).») 

Die  Tessera  S.  635  mit  Darstellung  eines  Elefanten  und  seines 
rector  und  der  Inschrift  Aug(ustus)  erinnert  an  ähnliche  Bronzen  mit 
Darstellung  eines  laufenden  Kamels  und  auf  der  Rückseite  der  Inschrift 
Aug{ustus)  oder  einer  Zahl,  ganz  wie  auf  den  Serien  mit  dem  Augustus- 
kopfe  (Beifort,  Ann.  XVI 174)  —  ein  neuer  Beweis  für  die  Verwendung 
der  Bronzetesseren  zu  denselben  Zwecken  wie  der  Bleimarken. 


1)  Vgl.  S.  619  vielleicht  tetitius)  dec{imm)  seil,  dies, 

2)  S.  Elter,  Hh.  Mus,  41,  530.     Analog   sind    die   athenischen   Marken    mit   der 
Aufschrift  ^Qxov^  8.  Svoronos,  Joum.  intern,  de  num.,  nt^i  xüv  iioitr\Qi<av  J^  n.  291 — 296. 

3)  Die   Zusammenstellung    von   Stier    und    Elefant   wie    auf   der   beigegebenen 
Taf.  11  3  ist  zu  jeder  Zeit  gebräuchlich. 


54  M,  BostowBew^ 

Ebenso  reichhaltig  ist  die  Zirkusserie,*)  Das  Zirkusleben  sehen 
wir  hier  reich  illustriert.  Es  werden  die  Hauptteile  des  Zirkus,  wie 
die  Delphine,^  die  Meta,^  der  Obeliscus,*)  die  Viktoriastatue ,^  die 
pompa  circensis,^)  Quadrigen  und  Bigen,^  Zirkuskutscher,®)  Desultoren,*) 
endlich  siegreiche  Pferde,  oft  mit  beigeschriebenen  Namen, ^®)  dar- 
gestellt. Daneben  kommen  die  im  Zirkus  oft  gebrauchten  Gegenstände 
vor  (S.  719). 

Am  zahlreichsten  sind  die  siegreichen  Pferde  vertreten.  Das  Bei- 
schreiben des  Namens  wohl  des  berühmtesten  unter  den  Pferden,  welche 
zu  laufen  hatten,  bestätigt  den  programmartigen  Charakter  der  Tesseren^^) 
und  illustriert  nochmals  die  allbekannte  Verehrung,  welche  man  für  öfters 
siegende  Pferde  hegte.") 

Was  die  Zeit  der  beschriebenen  Serien  anlangt,  so  ist  sie  schwer  zu 
bestimmen.  Die  meisten  Analogien  bilden  die  ebensowenig  wie  unsere 
Tesseren  fest  datierten  Lampen.  Die  Eohheit  mancher  Darstellungen 
aus  dem  Bereiche  der  Jagd-  und  Zirkusdarstellungen  könnte  uns  viel- 
leicht das  Recht  geben,  manche  Tesseren  noch  ins  dritte  Jahrhundert 
zu  setzen.    Immerhin  bleibt  als  die  Blütezeit  das  I. — ü.  Jahrh.  n.  Chr. 

Nach  dem  Gesagten  wird  man  wohl  nicht  zweifeln,  dass  neben  der 
Serie  der  Verteilungsmarken  eine  nicht  weniger  zahlreiche  Serie  von 
Eintrittsbillets  in   Blei  vorhanden  war.     Bei  ihrer  Einführung  wirkte 


1)  Ganz  ähnlich  sind  die  Bronzeserien  mit  ZirkusdarsteUungen ,  s.  Beifort,  Ann. 
XVI 173. 

2)  S.  706. 

3)  Ä  707—711. 

4)  S.  710,  711. 

5)  S,  709. 

6)  Ä  718,  714.    Oder  ist  es  die  pompa  triumphiüis? 

7)  S,  715—377,  8.  die  beigegebene  Taf.  11  4. 

8)  S.  746—754,  s.  die  beigegebene  Taf.  U  5. 

9)  S.  731—738  und  738—745.  Ä  738,  739  sind  mit  den  Münzen  des  Piso  Babe- 
lon,  Monn.  de  la  Rip,  1  299  zu  yergleichen.  Die  Münzen  beziehen  sich  auf  Spiele  zu 
Ehren  Apollos.  Die  desultores  kommen  auf  Münzen  des  C.  Censorinus  vor,  Babe- 
Ion  II  191,  18  vor. 

10)  S.  758—781  und  die  beigegebene  Taf.  II  6. 

11)  Es  ist  bekannt,  dass  in  jedem  Grespann  ein  Pferd  die  Hauptrolle  spielte. 

12)  Eine  schöne  Illustration  dazu  bietet  eine  von  mir  in  der  russischen  Auflage 
zuerst  publizierte  Lampe  des  Britischen  Museum  (Taf.  IV  1).  Sie  stellt  den  Triumph 
eines  siegreichen  Pferdes  dar.  Derselbe  ist  ganz  und  gar  dem  wirklichen  Triumphe 
ähnlich.  Vorher  geht  der  tahlifer,  welcher,  wie  oben  (S.  20,  4)  ausgeführt  worden 
ist,  den  Charakter  des  feierlichen  Aktes  durch  die  Inschrift  auf  der  iabeüa  cha- 
rakterisiert (vgl.  noch  die  Münze  bei  Drossel  in  der  Hirschfeld-Festschrift  280  ff.  — 
Prozession  bei  den  lud(i)  dec{ennales)  und  Caetani-Lovatelli ,  Milanges  Boissier  95  f., 
auch  Dressel,  CIL.  XV  2,  6251;  6258  (auf  der  tabella  steht:  Äq{u)ilo  vade  felix); 
6560,  17;  vgl.  VIII  22644,  7  und  X,  8053,  182),  hinter  dem  stolz  einherschreitenden 
Pferde  kommen  einige  Palmen  tragende  Personen  und  ein  applaudierender  Zuschauer 
(oder  der  scurra'^). 


Römische  Bl^tesserae.  56 

natürlich,  wie  auch  bei  der  Einführung  der  Verteilungsmarken,  das  grie- 
chische Vorbild.^)  Die  Einführung  der  Eintrittsmarken  für  Schauspiele 
bedeutet  in  der  Geschichte  derselben  einen  nicht  geringzuschätzenden 
Wandel.  Es  ist  klar,  dass  unsere  Marken  nur  für  die  popularia  Geltung 
haben  konnten:  für  privilegierte  Plätze  waren  sie  ohne  Nutzen.  Nun 
aber  bedeutet  die  Einführung  des  Eintrittsbillets  nicht  mehr  und  nicht 
weniger  als  eine  Beschränkung  des  Rechtes  jedes  Bürgers  auf  den 
Besuch  der  Schauspiele;  es  hängt  jetzt  vom  guten  Willen  des  Spiel- 
gebers ab,  wen  er  zulassen  und  wen  er  ausschliessen  will,  das  Zuschauen 
ist  also  nicht  mehr  Recht,  sondern  Gnade.  Es  ist  höchst  wahrscheinlich, 
dass  das  Markensystem  zuerst  bei  Privatschauspielen  der  Kaiser  Eingang 
fand;  aber  die  Augustischen  Prätorentesseren  bezeugen,  dass  das  System, 
wie  bei  den  Frumentationen,  sehr  bald  auch  bei  den  Staatsschauspielen 
zur  Geltung  kam.  Leider  wissen  wir  nicht,  in  welcher  Weise  die  Billets 
verteilt  wurden ;  es  mag  sein,  dass  dabei  der  Wille  des  Spielgebers  nicht 
allein  geltend  war,  dass  die  Billets  nach  Tribus  oder  anderswie  durch 
die  Vorsteher  derselben  verteilt  wurden ;  immerhin  bedeutet  es  aber  eine 
Minderung  des  Rechtes  jedes  Bürgers. 

Hervorgerufen  ist  wohl  unser  System  durch  das  Streben  nach 
Ordnung.  Bald  aber,  wohl  durch  die  systematisierende  Thätigkeit 
der  Claudischen  Administration,  wurden  auch  die  Schauspiele  auf 
administrativem  Wege  in  die  kaiserlichen  Hände  gelenkt.  Es  ist 
kein  Zufall,  erstens  dass  seit  Claudius  die  Curatorentesseren  ver- 
schwinden, zweitens  dass  die  Tesseren  des  ausgehenden  ersten  und 
des  zweiten  Jahrhunderts  ganz  unpersönlich  werden:  nicht  mehr  Kaiser- 
namen und  Köpfe,  nicht  mehr  Curatorennamen ,  nur  ganz  allgemeine, 
zuweilen  programmartige  Zeichen,  ganz  wie  bei  den  Frumentationen 
und  Congiarien.  Die  Prokuratoren  thätigkeit  wirkte  wohl  dahin,  dass 
auch  die  alten  Spiele,  welche  den  Prätoren  verblieben,  in  administrativer 
Hinsicht  in  die  Hände  der  Spielverwaltung  gerieten.  Die  Prokuraturen 
gipfelten  wenigstens  zeitweise  in  dem  praefectus  annanac.  Wenn  dies  auch 
nicht  als  ständig  zu  bezeichnen  ist,  ist  es  doch  charakteristisch :  es  zeigt 
uns,  und  die  Masse  der  unpersönlichen  Bleie  bestätigt  es,  dass  die  Schau- 
spiele eigentlich  nur  Zulagen  zu  den  regelmässigen  liberalüates  wurden, 
ein  Vorrecht  der  plebs  frumentaria. 

Der  Inhaber  einer  Tessera  war  natürlich  nicht  verpflichtet  sein 
Recht  auszuüben,  er  konnte  ebensogut  seine  Tessera  dem  ersten  Besten 
verkaufen,  und  dies  ist  wohl  die  Ursache,  warum  es  bei  den  Spielen  in 


1)  Als  aus  den  letzten  Zeiten  der  Republik  stammend  könnte  man  vielleicht 
zwei  Tesseren  mit  dem  Namen  des  Sosius  bezeichnen,  s.  S.  1319.  1320.  Interessant 
ist  es,  diese  Tesseren  mit  den  athenischen  Marken  des  Antonius  zu  vergleichen, 
8.  Hirschfeld'Festschrift  303  AT.  Vielleicht  bezeugen  die  Tesseren  eine  Thätigkeit 
des  Sosius  in  Rom  in  Vertretung  des  Antonius.  Ob  diese  Marken  als  Verteilungs- 
marken oder  Eintrittsbillets  zu  erklären  sind,  weiss  ich  nicht. 


56  M.  Rostowzew, 

den  Schaospielräumen  so  bunt  aussah,  weshalb  z.  B.  Sklaven  zu  gleich- 
berechtigten Besuchern  der  Schauspiele  wurden. 

Vieles  bleibt  in  dem  entworfenen  Bilde  noch  dunkel;  aber  wenn 
anderswo,  so  können  wir  hier  noch  manches  Licht  von  neu  hinzukommen- 
den Monumenten  erwarten. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dass  das  römische  Markensystem  der  Kaiser- 
zeit dem  athenischen  der  Blütezeit  kaum  ähnlich  ist.  Auf  den  Tesseren 
—  mit  Ausnahme  vielleicht  der  Augustisch-Tiberischen  —  finden  wir 
keine  Spur  der  Volksabteilungen,  ebensowenig  finden  wir  in  den  Schau- 
spielgebäuden Spuren  besonderer  Plätze  für  bestimmte  Teile  des  Volkes. 
Das  Billet  scheint  in  Rom  einer  gewissen  Persönlichkeit,  nicht  dem  Teile 
eines  Ganzen  gegolten  zu  haben. 

Auch  in  dieser  Frage  müssen  wir  aber  auf  neue  Funde  hoffen. 

In  der  Einleitung  haben  wir  schon  die  sog.  tesserae  missiles,  d.  h.  die 
Marken,  welche  zur  Regulierung  der  Geschenke  der  Spielgeber  bei  den 
Schauspielen  dienten,  erwähnt.  Es  war  eine  Art  Lotterie  und  die  Marken 
dienten  als  Lotteriebillets.  Was  Dio  über  diese  Lotteriebons  sagt,^)  lässt 
sich  mit  unseren  Bronzen  und  Bleien  keineswegs  vereinigen.  Öfters  ge- 
schah die  Verteilung  auch  ohne  Hilfe  der  Marken,  man  streute  die 
Gegenstände  selbst  unter  dem  Publikum  aus.*) 

Nun  aber  spricht  Martial  noch  von  einer  anderen  Art  Theaterspenden. 
Er  bezeugt  ein  Ausstreuen  von  Marken,  welche  er  nomismata  nennt, 
die  also  der  Form  und  vielleicht  der  Bedeutung  nach  den  Münzen 
gleichen;  und  zwar  dienen  diese  nomismata^  soweit  Martial  uns  die  Be- 
deutung derselben  erkennen  lässt,  entweder  zur  Austeilung  von  Wein,») 
oder  zu  Zwecken,  die  im  Epitheton  lasciva  ausgedrückt  sind.*)  Gegen 
die  ersteren  wird  man  wohl  eine  Portion  Wein  beim  Schauspiel  selbst 
bekommen  haben,  aus  den  Kellern  des  Kaisers  (s.  Mart.  I  26,  5)  oder 
vielleicht  auch  von  Weinhändlern,'^)  welche  nachher  die  Tessera  in  einer 
kaiserlichen  Kasse  in  Geld  umsetzten.  Es  ist  möglich,  dass  uns  solche 
vinariaej  vielleicht  nicht  gerade  zum  Bereiche  der  kaiserlichen  Spenden  ge- 
hörig, noch  erhalten  sind:  ich  meine  S.  424  mit  Aufschrift  VINA  =  vi- 
na{na)  seil,  tessera  (ebenso  gebildet  wie  firumentaria  und  nummaria\  dann 
S.  101   mit  Aufschrift  congius  und  Darstellung  einer  Weintraube,  S.  344 


1)  Dio  66,  25:  acpcciQia  yocg  ^vXiva  iuxqu  ....  öviLßoXov  ?;j;ovTa  tb  iihv  i&mdliiov 
rivbg  tb  &h  iod'fjtog  xrX. 

2)  Z.  B.  Stat.,  Silvae  I  75  fF.  und  Vollmer  zu  der  SteUe.  Auch  die  Juristen 
Dig.  41,  1,  9,  7,  vgl.  41,  7,  5,  1   verstehen   unter  missilia  Gegenstände   nicht  Marken. 

3)  Mart.  I  11  und  26  und  Friedländer  zur  ersteren  Stelle. 

4)  Mart.  VIII  78,  9  von  Spielen  des  Arruntius  Stella,  vgl.  aber  Stat.,  Silvael^^ 
65 ff.:  iam  noctis  propioribus  sub  umbris  dives  sparsio  quos  agit  tumultus!  Hie  intrant 
faciles  emi  puellae  etc.,  vgl.  Vollmer  z.  d.  Stelle.  Also  auch  die  pudlas  waren,  wie 
Wein,  an  Ort  und  Stelle,  um  gegen  eine  Marke  eingetauscht  zu  werden. 

5)  Weinhändler  laufen  noch  jetzt  in  Spanien  bei  Stierkämpfen  herum. 


Römische  Bleüesserae.  57 

mit  Aufschrift  8{extarn)  X  (decem)  und  Darstellung  einer  Weintraube 
und  eines  Weinblattes,  vgl.  S.  343,  endlich  S.  484—489  mit  Darstellung 
einer  Weintraube.^)  Wie  gesagt,  lassen  sich  aber  diese  Tesseren  auf  die 
kaiserlichen  Spenden  mit  Bestimmtheit  nicht  deuten;  es  können  auch 
private  und  Kollegienspenden  derselben  Art  durch  diese  Tesseren  ver- 
mittelt worden  sein. 

Die  zweite  Art  der  von  Martial  erwähnten  Tesseren  verstehe  ich 
mit  Friedländer  (ad  Mart.  Vin  78,  9)  als  Tesseren,  welche  Anrecht  an 
die  Liebe  einer  der  zahlreichen  Prostituierten  Roms  gaben.  Die  Tesöera 
hatte  wohl  einen  bestimmten  Wert,  wohl  den  einer  Kategorie  der  faciles 
emi  puellaej  welche,  wie  bekannt,  fest  taxiert  waren.*)  Die  Prostituierte 
oder  der  leno,  wenn  es  in  einem  Bordell  geschah,  wiesen  die  Tessera  in 
einer  der  kaiserlichen  Kassen  vor  und  bekamen  ihren  Geldwert.  Noch 
wahrscheinlicher  ist,  dass,  seitdem  ein  vectigdl  lenocinii  existiert  hat, 
dessen  Höhe  pro  Monat  qtMntum  uno  concubitu  mereret  (Suet,  Gaius  40) 
war,»)  die  Tessera  zur  Bezahlung  dieser  Steuer  gedient  hat.  Fried- 
länder identifiziert  die  lasciva  nomismata  Martials  mit  den  Bronze- 
tesseren  mit  obscönen  Darstellungen,  den  sog.  spintruie,  und  zwar  wohl 
mit  Recht.*) 

In  Blei  giebt  es  auch  eine  ganze  Serie,  welche  mit  nicht  geringerer 
Wahrscheinlichkeit  als  lasäva  nomismata  erklärt  werden  darf.  Es  ist  zu- 
erst zu  nennen  S.  905  mit  Darstellung  eines  bekränzten  Kaiserkopfes  auf 
der  einen  und  eines  Phallus  auf  der  anderen  Seite.  ^)  An  diese  schliessen 
sich  einerseits  die  Tesseren  mit  den  Aufschriften  ama  und  era  (wohl  das 
griechische  ^(>«)>^)  vielleicht  auch  die  mit  den  Aufachriften  'amica  und  amor 
(S.  907 — 909)  an,  andererseits  wenigstens  ein  Teil  der  mit  Darstellungen 

1)  Ähnlich  siud  die  Tesseren  mit  Darstellung  eines  Trinkgefasses  (z.  B.  S.  1020) 
und  mit  Darstellungen  aus  dem  Baechischen  Kreise  (S.  2068  fF.  besonders  S,  2072).  Zu 
vergleichen  sind  auch  die  Bronzen  mit  Darstellung  des  Bacchus  oder  einer  Bacchantin, 
des  Silenus  und  der  Weinbereitung,  s.  Beifort,  Ann.  XVI  172  und  175. 

2)  S.  Seneca,  Contr.  I  2,  1 :  deducta  es  in  lupanar,  accepisti  locum,  pretium  con- 
stitutum est,  cf.  2  und  7;  X  1:  itane  peribunt  decem  iuvenes  propter  dupondiarias  tuas] 
vgl.  die  Angaben  des  Preises  in  pompejanischen  graffUif  s.  Rostowzew,  Pompeji  in  den 
J.  1893—1895,  Petersb.  1896,  7  ff.  (russisch);  Mau,  Böm,  Mitt.  1896,  93. 

3)  Die  Texte  s.  zusammengestellt  bei  Wilcken,  Osträka  I  217. 

4)  Vgl.  Nardovsky,  Blätter  für  Münehunde  1901,  167  ff.  Mowat  (Äir.  it.  di  num. 
XI  39)  schlägt  dagegen  die  Erklärung  als  Spieltesseren  vor  und  meint,  dass  die 
spintriae  Marken  des  iactus  Venerius  bei  dem  Spiel  der  duodecim  scripta  waren.  Nun 
aber  ist  seine  Theorie  für  die  ganze  oben  erforschte  Serie  der  Bronzetesseren  mit 
Kaiserköpfen  und  Zahlen  (er  erklärt  sie  im  BuU.  de  la  Soc.  des  Änt.  1895,  244  eben- 
falls für  Spielmarken)  entschieden  falsch.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  Bronzen 
mit  Köpfen  dtT  lebenden  Kaiser,  münzähnlich  wie  sie  sind,  Produkt  der  Privatindustrie 
waren  und  im  Zentrum  der  Kaisermacht  zu  Spielmarken  verwendet  wurden.  Damit 
fällt  aber  auch  die  Erklärung  der  spintriae  als  Spielmarken. 

5)  Vgl.  die  spintria  in  Bronze  mit  der  Inschrift  Äug(usttis)  auf  der  Rückseite, 
Mowat,  Riv.  it.  di  num.  XI  39. 

6)  Vgl.  Svoronos,  mgl  xmv  kioixjiQiuiv  J,  n.  291 — 296. 


58  M,  BostowBew^ 

der  phalU  und  sympUgmata  (S.  911  ff.).  Besonders  bezeichnend  ist  die 
Darstellung  auf  S.  917,  918  (s.  die  beig.  Tat  n  17):  junger  Mann,  eine 
Münze  oder  Tessera  in  der  vorgestreckten  Eechten  haltend. 

Für  die  Moral  der  römischen  Eaiserzeit  sind  die  lasciva  namis- 
mata  höchst  bezeichnend.  Als  Zulage  zu  Brot,  Geld  und  Schau- 
spielen behandelte  man  die  Liebe  einer  Prostituierten,  sie  galt  als  ein 
ausgezeichnetes  Vergnügen,  und  man  kümmerte  sich  nicht  darum,  dass 
die  meisten  Empfänger  verheiratet  waren.  Es  ist  natürlich  auch  zu  be- 
denken, dass  dies  nomisma,  wie  jedes  andere,  verkauft  werden  konnte. 


Kap.  m. 

Tesserae  der  städtischen  und  munizipalen 

iuventus. 

1. 

In  der  Stadt  Rom  wurden  zu  verschiedenen  Zeiten  melirere  offizielle 
(Kaiserkopf!)  Tesseren,  welche  die  Jugend  und  die  Jünglinge  (iuventus 
und  iuvenes)  nennen,  gefunden.  Mehrere  analoge  Monumente  unserer 
Sammlungen  stammen  aus  den  Rom  benachbarten  Munizipien.  Um  bei 
der  Untersuchung  dieser  Hasse  unserer  Monumente  methodisch  vorzu- 
gehen, muss  man  zunächst,  soweit  es  bei  den  unsicheren  Provenienz- 
angaben geht,  die  beiden  Serien  separat  behandeln.  Fangen  wir  mit  der 
ersteren  an. 

1.  Sicher  in  Rom  ist  die  Tessera  S.  833  gefunden  worden.  Auf  der 
einen  Seite  derselben  haben  wir  die  Inschrift:  Ti,  Claudius  [Caesar]  Aug{ustus) 
p{ater)  p(atriae),  auf  der  anderen  die  Darstellung  der  Jugend :  eine  Frau 
stehend  von  vorne,  Kopf  links,  in  der  rechten  vorgestreckten  Hand  einen 
Lorbeei'zweig(?),  in  der  linken  ebenfalls,  aber  n.  1.,  ausgestreckten  Hand 
einen  Kranz  haltend,  mit  dem  sie  ein  zu  ihren  Füssen  stehendes  Tropaeum 
bekränzt;  ringsherum  die  Beischrift:  Iu(v)entus,^)  Die  Darstellung  lässt 
sich  nur  aus  irgend  welchen  Beziehungen,  in  denen  unsere  Tessera  zur 
römischen  Jugend  stand,  erklären. 

2.  Ebenfalls  aus  Rom  (eher  als  aus  einem  Munizipium)  stammt  die 
Ficoronische  Tessera  S.  834:  Kaiserkopf  des  ersten  Jahrh.  (Caligula?)  und 
Inschrift  P.  Petr(onius)  Sabi(nus),  Rr  mag{ister)  iuv{enum)  und  Zahl  VIIIL 

3.  An  die  zuletzt  angeführte  Tessera  schliesst  sich  eine  Serie  Bronze- 
marken engstens  an.*)  Auf  allen  bekannten  Stücken  dieser  Serie  sehen 
wir  auf  der  Hauptseite  einen  Kopf  oder  eher  eine  Büste  des  I.  Jahrh. 

1)  Der  Vergleich  mit  MUnzen  gicbt  folgende  Resultate.  Der  Kaisertitel  ist  ver- 
kürzt: es  fehlt  Oermanicus  und  die  zur  Datierung  notwendigen  Bestandteile.  Die  Dar- 
stellung der  luventas  ähnelt  der  sich  auf  Münzen  M.  Aureis  findenden  (Ck>ben  III  40, 
394  ff.)  mit  einigen  starken  Abweichungen,  vgl.  Stevenson,  Dict.  500. 

2)  S.  Beifort,  Ann.  XVI177,  pl.  VII6— 7;  Cohen  Vm267;  Garrucci,  Piambi 
scriUi  109. 


60  M.  Rostowaetc, 

und  die  Inschrift:  C.  Müreius  L.  f.  mag{ister)  iuvent{utis).  Unter  der 
Büste  befindet  sich  auf  dem  mir  bekannten  Pariser  Exemplare  ein  einem 
Spielhome  ähnlicher  Gegenstand. i)  Die  Rückseite  variiert:  die  Exem- 
plare von  Beifort  und  dem  Pariser  Münzkabinet  geben  ein  rundes  oder 
elliptisches  Gebäude  auf  Säulen  mit  Kuppeldach;-)  auf  dem  Epistyle 
eine  Inschrift:  Beifort:  L  •  SEXTILIVS  •  S  •  P  =  L.  Sextilius  s{m) 
2)(ecunia)  und  unten  eingeritzt  Villi]  Paris  (stark  abgerieben  aber  mit 
Sicherheit  zu  lesen):  L  -^SEXTILI  S  •  P  und  unten  eingeritzt  IUI. 
Ein  zweites  Exemplar  der  Sammlung  Beifort  hat  auf  der  Rückseite  XI 
im  Kranze,  ein  Exemplar  aus  der  Sammlung  Morell  (jetzt  in  Paris?) 
XII  im  Kranze. 

Die  römische  Provenienz  aller  bekannten  Exemplare  ist  höchst 
wahrscheinlich,  wie  auch  sonst  bei  den  meisten  Bronzetesseren.  Die  Zeit 
wird  durch  die  frappante  Ähnlichkeit  unserer  Marken  mit  den  im  Kap.  I 
beschriebenen  Bronzetesseren  und  durch  den  Augustischen  Charakter  des 
Porträtskopfs  bestimmt.  Den  Augustus  stellt  aber  der  Kopf  nicht  dar, 
wohl  aber  einen  der  kaiserlichen  Prinzen.  Weder  Mitreius  noch  Sextilius 
sind  uns  bekannt. 

4.  Auf  einer  jetzt  verschollenen  Tessera  des  Baron  Recupero  befanden 
sich  auf  der  einen  Seite  der  Kopf  des  Nero  und  die  Inschrift  Neronis  invictiy 
auf  der  anderen  Pedo  Paetus  mag{i8tri)  (S.  836,  vgl.  837). 

5.  Im  Tiber  gefunden  sind  die  Tesseren  S,  835  und  835*  (s.  die 
beig.  Taf.  11  7).  Auf  der  Hauptseite  steht  C.  M,  Pompei  magiistri),  auf 
der  Rückseite  die  Darstellung  des  Mars  Ultor  (von  vorne  gesehen, 
gepanzert  und  beschuht,  die  R.  auf  die  Lanze  gestützt,  in  der  L.  das 
Schwert  und  den  Mantel  haltend),  wie  er  im  Giebel  des  Augustischen 
Tempels  stand,  •^)  und  die  Beischrift  Iu{v)enta{s). 

6.  Endlich  giebt  eine  Ficoronische  Tessera  (S.  838)  auf  der  einen  Seite 
die  Dianabüste,  auf  der  anderen  die  Inschrift  mag{ister  oder  -istri)  und 
unten  ///.  Ausserdem  tragen  mehrere  Tesseren  die  Inschriften  iuvenes 
Aug{ustalcs  oder  -ustiani)  und  iuvenes  {S,  840 — 842). 

Es  ist  klar  zunächst :  erstens ,  dass  der  Terminus  iuvenes  Jind  iu- 
ventus  als  technischer  gebraucht  wird  und  eine  Gesammtheit  darstellt, 

1)  Als  solches  erkannt  von  Caronni,  Manuale  doctr.  num.  vet.y  Komae  1808,  96 
(zitiert  nach  Garmcci,  P.  s.,  109):  ex  qua  —  meint  er  —  ministerium  eius  (d.  h.  des 
Mitreius)  praedicatur^  wobei  er  an  die  Troiaspiele  erinnert. 

2)  Bei  diesem  Kappelgebäude  Augustischer  Zeit  ist  zunächst  an  eine  Holzkon- 
struktion zu  denken.  Ist  es  vielleicht  eines  der  Augustischen  Holzamphitheater? 
8.  Moramsen,  Mon.  Anc.  lat,  IV  41  und  Friedländer,  Sütengesch.  II  362  f. 

3)  S.  Petersen,  Ära  Pacis  Augustae  (Sonderschr.  des  oest.  arch.  Inst.  II),  62  und 
Fig.  27.  Der  einzige  Unterschied  unserer  Darstellung  von  der  im  Giebel  besteht  darin, 
dass  der  Mars  der  Tessera  gepanzert  ist,  der  des  Giebels  dagegen  nackt.  Man  bedenke 
aber,  dass  die  Kultusstatue  des  Tempels  gepanzert  war.  Vgl.  die  Darstellung  des  Gottes 
auf  der  seltenen  Münze  des  Britanniens,  Eckhel  VI  254  und  Cohen  I  279, 1  und  2.  Falsch 
beschrieben  (nach  Angaben  Helbigs)  ist  die  Tessera  bei  Dressel  CIL,  XV  2,  995,  4. 


Hämische  Bleitesserae.  61 

welcher  besondere  magistri  vorstehen;  zweitens,  dass  die  Tesseren  offi- 
ziell sind  und  demnach  auch  die  Gesamtheit  der  iuvenes  als  offiziell  an- 
erkannte anzusehen  ist;  drittens,  dass  als  Zeit  der  Tesseren  die  erste 
Kaiserzeit  bis  auf  Nero  anzunehmen  ist. 

Soweit  die  Tesseren.  Die  Lösung  des  von  ihnen  aufgegebenen 
ßätsels  bringen  Kombinationen  der  aus  ihnen  gewonnenen  Daten  mit 
litterarischem  und  inschriftlichem  Material. 

In  demselben  technischen  Sinne  wie  auf  unseren  Tesseren  wird  der 
Begriff  iuvenius  in  dem  Titel  der  kaiserlichen  Prinzen  princeps  iuven- 
tutis  (zuerst  wird  er  an  Gaius  und  Lucius  Caesar  verliehen)  gebraucht.^) 
Dieser  Titel  steht,  wie  seit  Mommsens  Forschungen  bekannt  ist,  mit  der 
Reorganisation  der  römischen  Ritterschaft  unter  Augustus  im  Zusammen- 
hange.*) Die  Ritterschaft  bestand  seit  Augustus  aus  allen  equücs  cquo 
publico  und  der  senatorischen  Jugend  vor  Beginn  der  senatorischen 
Karriere  durch  die  letztere.«)  Sie  war  korporativ  organisiert  und 
zu  diesem  Zwecke  in  sechs  turmae,  an  deren  Spitze  je  ein  sevir  equitum 
Romanorum  stand,  eingeteilt.  Diese  Ritterschaft,  durch  seviri  geführt, 
paradierte  jährlich  bei  der  recensio  equitum  vor  dem  Kaiser  und  nahm 
an  den  durch  die  seviri  veranstalteten  Spielen  teil.*)  An  der  Spitze 
dieser  Ritterschaft  stand  der  princeps  iuventutis,  der  Vorsteher  der 
iuniores.  Die  seniores  (vom  35  J.  an)  konnten  „das  Pferd  abgeben", 
d.  h.  sie  brauchten  an  den  repräsentativen  Funktionen  der  Ritterschaft 
nicht  mehr  teilzunehmen,  sondern  konnten  sich  ausschliesslich  der  bürger- 
lichen Thätigkeit  —  dem  Beamten-  und  Geschworenendienste  —  widmen.*) 

Theoretisch  also  umfasste  die  römische  iuventus  alle  Mitglieder  des 
Senatorenstandes  bis  zum  Alter  von  25  J.  und  alle  Ritter  bis  zum  Alter 
von  35  Jahren.*)  In  der  Praxis  aber  war  der  Kreis  der  römischen 
„Jugend"  viel  enger.  Es  ist  bekannt,  dass  seit  der  Zeit  des  Augustus 
es  in  den  höheren  Kreisen  der  Gesellschaft  üblich  wurde,  die  toga  virilis 
den  Kindern  schon  im  15.  Lebensjahre  anzulegen.  Von  da  ab  wurden 
die  Kinder  nicht  mehr  pucri  sondern  iuvenes  genannt.') 

1)  Mommsen,  Staatsrecht  III  523;  Koch,  De  principe  iuventutis^  Diss.,  Leipzig 
1883;  Blanchet,  Etudes  de  numismatique  I  (Paris  1893),  1  ff, 

2)  Mommsen,  Staatsrecht  III  476  ff. 

3)  Mommsen,  ebda.  470  u.  486. 

4)  Mommsen,  ebda.  522  fF. 

5)  Mommsen,  ebda.  491  f.,  bes.  492,  1  und  494,  1. 

6)  Mommsen,  ebda.  506. 

7)  Marquardt-Mau,  Privatleben  1 127  ff.  14  Jahre,  als  das  feste  Alter  für  die  An- 
legung der  toga  virilis^  wenigstens  für  die  kaiserlichen  Prinzen,  bedingen  hauptsächlich 
die  Worte  des  Tacitus  (Ann,  XII  41),  wo  er  einerseits  von  Nero  sagt,  ihm  sei  die 
toga  zu  früh  gegeben  worden  (Nero  war  noch  nicht  14  J.  alt),  von  Britannicus  anderer- 
seits, Nero  hätte  ihn  getötet,  da  die  Zeit  der  Anlegung  der  toga  nahte  {Ann.  XIII  15: 
Britannicus  war  nahe  den  14  Jahren).  Für  Ck)mmodus  ist  14  Jahre  das  selbstver- 
ständliche Alter  für  den  Empfang  der  Würde  des  princq^s  iuveniutiSj  s.  H,  Aug., 
Comm.  1,  10.     Vgl.  0.  Hirschfeld,  Hermes  XXV  (1890),  367  f. 


62  M,  BostowaeWf 

Der  wirkliche  Militärdienst  begann  aber  mit  ganz  wenig  Ausnahmen 
erst  im  Alter  von  17  Jahren.^)  Die  Zeit  vom  15.  bis  17.  Jahre  be- 
zeichnete man  als  iirocimum:  die  Zeit  der  Vorbereitung  zum  militäri- 
schen Dienste. 

Zwei  oder  drei  Jahre  blieben  also  die  vornehmen  Jünglinge  in  Rom. 
Nach  Erreichung  des  17.  Jahres  aber  gingen  die  meisten  jungen  Leute 
auf  Grund  der  von  Augustus  betonten  Pflicht  des  Militärdienstes  in  die 
Provinzen  mit  der  einzigen  Ausnahme  der  Prätorianer.  Nach  der  Rück- 
kehr traten  die  Jünglinge  senatorischen  Standes  die  senatorische  Karriere 
an,  die  Ritter,  auch  wenn  sie  nicht  als  Beamte  in  der  Provinz  blieben, 
kehrten  doch  gewöhnlich  erst  als  ältere  Leute  zurück.  So  blieben  in 
Rom  aus  der  Zahl  der  iuniores  eigentlich  nur  die  tirones  und  diese  sind 
es,  welche  wohl  gewöhnlich  als  die  organisierte  iuventus  figuriert  haben.^) 
Diese  tirones  füllten  wohl  hauptsächlich  die  Sitzreihen  des  cuneus  iumo- 
rum  oder  Germanici  in  den  Schauspielgebäuden  (Tac,  Ann.  H  83).  Bei 
der  Zeremonie  der  recensiOj  besonders  aber  bei  den  ludi  seviraleSj  bildeten 
demnach  unsere  tirones  im  Alter  zwischen  15  und  17  Jahren  die  Mehr- 
zahl.») 

Womit  beschäftigte  sich  aber  diese  organisierte  ritterliche  Jugend 
in  Rom?  Eine  ganz  befriedigende  Antwort  darauf  geben  uns  die 
Augustischen  Dichter,  besonders  Horaz,  hauptsächlich  in  seinen  carmina. 

Vor  der  Zeit,  mit  welcher  wir  uns  beschäftigen,  dauerte  das  tiroci- 
nium  nach  der  Angabe  Ciceros  nur  ein  Jahr  (Cic.,pro  Caelio  5,11):  nobis 
quidem  olim  (in  seiner  Zeit  also  nicht  mehr)  annus  erat  unus  ad  cohi- 
bendum  brachium  toga  constittäus  et  ut  exercitationc  ludoque  cam- 
pestri  tunicati  uteremur^  eademque  erat,  si  statim  mereri  stipendia 
coeperamuSj  castrensis  ratio  ac  rnüitaris,^)  Diese  ausser  Übung  gekommene 
und  unter  Augustus  wiederhergestellte  exercitatio  campestris  führt  uns 
die  Augustische  Poesie  mit  Anschaulichkeit  vor  Augen. 

Lydia,  die,  per  omnes  te  deos  oro,  Sybarin  cur  properes  amando  per- 
dere  ?  fragt  Horaz  (Carm.  I  8, 1  ff.).  Sybaris  geht  zu  Grunde ,  weil  er 
den  apricus  campus,  d.  h.  das  Marsfeld  und,  fügen  wir  hinzu,  die  exerci- 
tatio campestris  zu  hassen  beginnt.  Und  dann  spezifiziert  Horaz  1.  cur 
neque  militares  inter  aequales  equitat,  Gallica  nee  lupatis  temperat  ora 
frenis?  — [[also  er  macht  keine  Reitübungen  in  militärischer  Tracht  in 
der  Schwadron  seiner  Genossen  auf  seinem  feurigen  Pferde  mehr;  Sybaris 


1)  Mommsen,  Staatsrecht  III  496  ff. 

2)  Vgl.  Mommsen,  a.  a.  0.  525  und  498 :  „bei  der  Auffassung  der  Ritterschaft  als 
der  vornehmen  Jugend"  u.  s.  w. 

3)  Ob  sie  nicht  auch  imter  dem  Namen  maiores  pueri  im  lusus  Trojae  erscheinen, 
ist  mit  Sicherheit  nicht  zu  entscheiden,  aber  doch  wahrscheinlich  (s.  Suet.,  Caes.  39; 
Äug.  43;  Tib,  6).  Sonst  erscheinen  die  pueri  und  die  Erwachsenen  beim  Troiaspiel 
getrennt,  Dio  59,  10. 

4)  Es  war  also  möglich,  die  Jahre  seines  tirocinium  auch  im  Feldlager  zu  ver- 
bringen. 


Bömische  Bleitesserae,  63 

ist  demnach  ein  junger  Ritter,  2.  cur  iimet  flavum  Tiberim  tangere?  — 
er  badet  nicht  mehr  in  dem  kalten  Strome  des  Tibers,  3.  cur  olivum 
sanguine  mperino  catUius  vitat  neque  iam  livida  gestat  armis  hracchia  saepe 
disco  saepe  trans  finem  iactdo  nobüis  expedito?  —  er  macht  also  keine 
gymnastischen  Übungen  mehr,  Übungen  militärischen  Charakters:  Fecht- 
übungen,  Speerwerfen  und  dazu  Discuswerfen.^)  Ergänzungen  zu  diesem 
Programm  giebt  III 12:  Faustkampf,  Wettlauf,  Jagd.  Hauptsache  bleibt 
aber  doch:  y.  7f.:  8imt4l  unctos  Tiberinis  umeros  lavü  in  undis,  eques 
ipso  mclior  Bellerophante. 

So  ging  es  auf  dem  Marsfelde  zu,  und  dies  Bild  schwebt  dem 
Vergil  vor,  wenn  er  die  exercUatio  und  den  ludus  campestris  der  latini- 
schen Jugend  beschreibt:  Äen.  VII 162 ff.:  ante  urhem  pueri  et  primaevo 
flore  iuventus  (also  unsere  tirones)  \  exercentur  equis  domüantque  in  pulvere 
currus;  aut  acris  tendunt  arcus  aut  lenta  lacertis  \  spicula  contarquent  cur- 
suque  ictuque  laccssuntj  oder  wenn  er  dieselbe  Jugend  mit  der  energischen 
Apostrophe  charakterisiert,  Aen.  IX  601  ff.:  quis  deus  ItaUam  quac  vos 
dementia  adegit?  \  non  hie  Airidae  nee  fandi  fietar  Ulixes:^)  \  durum  a 
stirpe  genus  natos  ad  flumina  primum  \  deferimus  saevoque  gelu  duramus 
et  undis,  \  venatu  invigilant  pt$eri  süvasque  fatigant  \  flectere  ludus  equos 
et  spicula  tendere  comu,*)  Graecisierend  sind  die  Schilderungen  des 
Tibullus  I  4;  Propertius  IV  13  ff.;  Paneg.  Messallae  89  ff.;  Ovidius,  Trist. 
IV  1,  71  ff.  u.  a.  m. 

Es  ging  also  hoch  her  auf  dem  Marsfelde  in  den  Zeiten  des  Augustus, 
die  Menge  der  Übenden  war  gross,  die  Übungen  selbst  waren  organisiert 
und  den  Zwecken  der  Kriegserziehung  angepasst  Unter  den  Übenden 
sehen  wir  aber  nur  Mitglieder  höherer  Klassen,  die  auch  die  Ritter- 
übungen mitmachen  konnten  und  wohl  mussten.«) 

Die  Ideen  des  Augustus,  welche  dem  neuen  Leben  auf  dem  Mars- 
felde zu  Grunde  liegen,  veranschaulicht  uns  am  besten  derselbe  Horaz 
(Carm.  III  24,  51  ff.):  eradenda  cupidinis  \  pravi  sunt  denunUa  et  tcnerae 
nimis  \  mentes  asperioribus  formandae  studiis.  nescit  equo  rudis 
hacrere  ingenuus  puer  \  venarique  timct  ludere  doctiar  \  seu  Graeco  iubeas 
trocho  I  seu  maUs  vetita  legibus  alea  und  m  2,  1  ff. :  angustam  amice  pau- 

1)  Dasselbe  III  7,  25  ff.:  quamvü  non  dUus  flectere  equum  sciena  \  aeque  conspieüur 
gramine  Martio  \  nee  quisquam  citus  aeque  Tusco  denaiai  alveo, 

2)  Vgl.  Fr.  Plessis  in  den  Melanges  Boissier  (Troica  Borna),  401  f. 

3)  Vgl  Vei^.,  Aen.  IV  156 ff.;  VII  498 ff.;  Norden,  Vergils  Äeneis  im  Lichte 
seiner  Zeit,  Neue  Jahrbb,  1901,  263,  1.  Das  idealisierte  Bild  ist  mit  dem  wirklichen 
bei  Strabo  V  236  zu  vergleichen :  tb  lUys^og  to{>  nsdlav  ^avuambv  a|ia  aal  Ta^  agiuc- 
rodgofUag  xal  rrjy  &XXriv  innaaUcp  ScTunlvrov  nc^^ixov  t&  tocovttft  nl^n  t&p  ctpaLi^a 
xal  naXaiötQa  yviiva^oiiiifoav ,  vgl.  Hör.,  Sai,  112,  9 ff.;  de  arte  poetica  161  ff.  Auch 
Ilor.,  Carm.  III  6,  33 — 44  hat  denselben  Sinn. 

4)  Dies  lässt  schon  das  wiederholte  Hervorheben  des  eques  in  den  unten  ange- 
führten Stellen  konstatieren.  An  diese  Jugend  sind  auch  die  sog.  Römeroden  adreMiert, 
s.  Hör.,  Carm.  UI  3,  9:  hac  arte  PoUux  —  Pollux  als  Vorstand  der  Kittenwhaft,  vgL 
III 1  odi  %)rofanum  vulgus  u.  a.  m. 


64  M.  Bostowsew, 

periem  pati  \  robfistus  acri  militia  pucr  \  condiscat  et  Parthos  ferocis  \ 
vexet  eques  metuendus  hasta  \  vitamque  sub  divo  ei  trepidis  agat  in  rebus.. . 
Dies  alles  gilt  hauptsächlich,  wie  Horaz  schon  in  den  angeführten  Worten 
andeutet  und  wie  oben  ausgeführt  worden  ist,  der  Jugend  der  höheren 
ritterlichen  E3assen. 

Im  Kreise  des  Maecenas  meinte  man  also,  es  wäre  Zeit,  die  auf- 
wachsende Jugend  aus  dem  Sybaritismus  des  feinen  modernen  grie- 
chischen Lebens  herauszureissen,  sie  nach  altitalischer  Art  zu 
erziehen,  ihr  starken  Körper  und  starken  Geist  zu  verleihen,  und  aus 
ihr  wirkliche  Verteidiger  der  Heimat  gegen  Angriffe  von  aussen  zu 
machen.  Dass  das  auch  geschah,  und  dass  die  Ideen  zur  Wirklichkeit 
wurden,  zeigen  die  angeführten  Bilder  des  Lebens  auf  dem  Marsfelde. 
Dass  die  Ideen  dem  Kaiser  Augustus  gehörten  oder  wenigstens  von  ihm 
adoptiert  wurden ,  beweist  die  oben  charakterisierte  Reform  der  Ritter- 
schaft Auch  das  Interesse,  das  er  der  physischen  Erziehung  der  Jugend 
entgegenbrachte  (s.  Suet.,  Aug.  31  u.  45,  auch  98),  zeugt  davon,  wie  hoch 
er  dieselbe  schätzte.  Endlich  die  Sorge  für  die  Hebung  des  kriegerischen 
Geistes  (Dio  56,  32,  2)^)  weist  auch  auf  das  letzte  Ziel  der  ganzen 
Thätigkeit  hin,  das  Horaz  so  stark  hervorhebt. 

Wenn  also  die  ritterlichen  Übungen  auf  dem  Marsfelde  wirklich  von 
Augustus  neubelebt  und  fest  organisiert  wurden,  so  musste  der  Kaiser 
auch  Mittel  haben,  das  Programm  richtig  durchzuführen  und  die  sich 
nicht  Fügenden  zu  zwingen.  Die  pueri  und  tirones  mussten  auf  dem 
Marsfelde  täglich  erscheinen  und  an  ihrer  körperlichen  Erziehung  arbeiten. 
Wie  konnte  man  sie  dazu  zwingen? 

Augustus  hatte  dazu  zwei  Mittel  in  seinen  Händen:  für  alle  Ritter 
die  recensio  equitum,  welche  ebenso  stark  die  Kinder  wie  die  Eltern 
traf,  da  es  dem  Kaiser  frei  stand,  jeden  beliebigen  ohne  Gericht  aus  der 
Ritterschaft  auszustossen.^)  Woher  konnte  aber  der  Kaiser  wissen,  ob 
die  Jugend  thätig  oder  unthätig  war?  Zuerst  natürlich  mittelst  Autopsie 
auf  dem  Felde,  dann  aber  bei  Gelegenheit  der  neu  belebten  sacralmili- 
tärischen  Spiele  des  lusu^  Troiae  für  die  ^würi,  der  ludi  sevirales  bei  den 
tirones.^)  Auch  an  anderen  Spielen  mussten  nohilissimi  iuvenes  schon 
unter  Cäsar  und   öfters   unter  Augustus  teilnehmen,*)  und  zwar  waren 


1)  Vgl.  Suet.,  Tib,S. 

2)  S.  Mommsen,  Staatsrecht  III  493  ff. 

3)  S.  Ovid.,  Trist,  IV  1,  71 :  aspera  milüiae  iuvenis  certamina  fugt  \  nee  nisi  lu- 
sura  movimus  arma  manu,  worin  ein  Hinweis  auf  militärische  Spiele  und  militärische 
Übungen  zugleich  liegt.  Ovid  hält  es  für  nötig  hervorzuheben,  dass  er  allen  Forderungen 
des  Augustus  gerecht  wurde  und  doshalb  bei  den  mehrfachen  Rezensionen  in  den 
Reihen  der  Ritter  blieb,  s.  Ovid.,  Trist.  II  541  u.  89;  Mommsen,  Siaatsr.  III  493,  2. 

4)  Suet.,  Caesar  39:  quadrigas  bigasque  et  equos  desultorios  agitaverunt  nobi- 
lissimi  iuvenes.  Suet.,  Aug.  43:  in  circo  aurigas  cursoresque  et  confectores  ferarum 
et  nonnunquam  ex  nobilissima  iuventute  produxit.  Sed  et  Troiae  Insum  edidit  frequen- 
tissime  maiarum   minorumque  pucvontm  prisci  decorique  moris  existimans  clarae  stirpis 


VBwiSi 


die  Blüitesseras. 


m 


diese  Spiele  hauptsächlich  Zirkusspiete,  vgl.  die  oben  (S.  63)  angefülirten  Woite 
Vergils:  domUafUque  in  pulvere  currus.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  nälier 
auf  den  lusus  Troiae  und  die  ludi  sevirales  einzugehen.  Ihre  Beziehungeu 
zu  den  ritterlichen  Kindern  und  timnes,  ihr  sacral-niilitärischer  ('harakter^ 
ihre  Neubelebung  gerade  durch  Augustus  sind  in  den  Forschungen,  welche 
diesen  Spielen  gewidmet  sind,  genügend  hervorgehoben.^)  Für  Augustus 
waren  es  hauptsächlich  Prüfungen  der  jungen  Ritter^.haf t ,  und  man 
Tersteht  so  seineu  Unwillen  bei  den  mehrmaligen  Unglücksfälleiu  welche  die 
Senatoren  veranlassten,  um  AbschattVing  der  ganzen  Institution  zu  bitten 
(Suet.  Aug.  43). 

Das  ganze  oben  skizzierte  Augustische  Programm  findet  einen  zwar 
späten,  aber  getreuen  Wiederklang  in  der  berühmten  Rede  de,s  Mäcenas 
bei  Dio  (52,  26,  1  ff.):  ni^l  fniv  olv  rwv  ßovkufTuiv  twv  n  Innitop  ravta 
00t  cvfißovkiviiv  i)(w,  xai  vf)  Jia  xai  kxüpa,  fi^ar  ^a;^  re  in  natdig  uaiv 
ig  ti  SiSaaxaXita  av^^oittZoi^  xai  inuSuv  ig  ^lugaHta  ixßdXwmvt  hni  r« 
toijg  i'nnavg  xai  ini  tä  onla  tginw^iat,  StdaaHaXovg  ixari^mv  öti^oöuv- 
ovTog  ipifiiad-oug  i^oPTtg'  oitw  ydg  ii&vg  ix  natdmif  nav&*  oaa  X9h  ^*'* 
dgag  avtovg  yivofÄivovg  knttiXtitv  xat  fAa&ovvig  xai  faXitr^öaPTig  ifitTf}- 
diiottgol  aoi  n(}6g  nup  ^Qyov  yiv/^aovTai  xtU)  Besonders  charakteristi-Hch 
ist  hier  die  ausdrückUche  Beziehung  des  ganzen  Systems  auf  die  sena- 
torißche  und  ritterliche  Jugend. 

Nach  dem  Gesagten  bleibt  uns  noch  übrig,  die  Grundzüge  der  neuen 
OrganiMtion,  soweit  es  geht^  festzustellen.  Manches  Material  bietet  dazu  der 
Vergleich  der  römischen  Institution  mit  der  attischen  Ephebie,  wie  wir 
sie  hauptsächlich  aus  Inschriften  des  U, — 1.  Jahrh.  v,  Chr.  kennen.^)  Vor 
allem  sind  die  allgemeinen  Zusammenhänge  herauszuarbeiten.  Das  Alter  der 


inäolem  nie  ftotescere:  Dio  53»  1^4:  *ai  n^v  navilyvQiv  ri^v  m'i  xfj  i'iufi  .  .  ,  t^'/ayt  fitzet  xofi 
jiyifitinov  x«l  i^  ttiftfi  litnod^o^iav  dm  ts  täiv  ^alötav  %a\  Stet  rtav  ^pßifthv  Töf  ivytve&f 
inalfiet,  Ygl-  Momnuicn,  Staatsrrchi  III  524,  7.  E«  genchuh,  wie  dmi  M**iMtc  bei  Äugtulu», 
nsek  älterem  Vorbild,  •.  Marqumrdt-Friedliiiider,  iSifutt^yerw.  III  h2^t 

1)  Über  den  lumjt  Troiae  §,  A.  Ootibel,  De  Trotue  iudo,  Dör»iii  1862  (Prugr); 
Marquardt-Friedlander,  Staatsv.  ITl  525  f.;  Benndorf,  ÄiV^frer  der  Wien.  Ak.  128  (1890), 
fll  47  AT,  (wlcdcrbolt  bei  Reicbel,  Homerische  Waffen,  L  AüfL  188  {f.);  Momtn»en^  Staat»- 
recht  rU  81^  8;  v.  Prcmerstein,  FeMBchrifi  ru  Ehren  Benndorß  261  IT.;  Wiisowä,  MeUqiofi 
und  KuUus  382;  Holzapfel,  Beiträge  s.  a,  Gesch,  I  243;  ludi  $€t>iralesi  Marquardt-Fried- 
länder,  Staatm.  DI  527;  MommMO,  8taaUr.  111524*,  auch  bei  Dio  55,  10  »lud  ludi 
HtirtütM  geroeiot. 

2)  Vgl.  darüber  Momroim),  StaaUrtcht  III  491, 1;  P.  Meyer,  De  Ma4e€naH9  ora- 
tiüne  a  Diane  ficta,  Ben  1891;  die  ZuaamrucnßteUttng  dieser  Worte  der  Rede  mit  Hör,, 
Carm,  lU  2  u,  24,  «.  betSeUar,  The  raman  poets  of  the  Äugu9ta*%  agfi  (2.  Aufl.),  23  Atim. 
Die  Strumung«!»  der  Zeit,  welche  dienen  Pasraa  bei  Dio  heryorgenifen  haben,  findet 
maii  bei  Herodian.  V  7,  7  angedeutet, 

8)  S.  Domodt,  Es^ai  mr  VtpMhie  atiique  I— II,  Pari«  1876—1875;  Collignon, 
Quid  de  oällegii»  epheborum  etc.,  Lut,  1877;  Girard,  U^ducation  athiniinne  au  K.  ei 
IV 8,,  Parit  1889,  54  ff,  und  276  ff.;  Rrasberger»  Erziehung  und  Unterricht  III;  Gtrard 
bei  Dar^Rib«rg  et  Saglio»  Dict,  111,  t»21ff;  Zlebarlh,  <^iech,  Ver^imweBen  HO  ff. 
Ich  titiere  uanirlicb  nur  die  wichtigBlm  Arbeiten* 


66  M.  Bostoujgew, 

iuvenes  (14—17)  fällt  mit  dem  der  attischen  Epheben  (18 — 20)  nicht 
zusammen,  dagegen  finden  wir  merkwürdige  Analogien  in  den  spartani- 
schen Sitten,  wo  die  Ephebie  mit  14  Jahren  angefangen  hat  und  bis  zum 
Anfang  des  effektiven  Militärdienstes  dauerte.^)  Was  wir  von  der  Be- 
schäft^ung  der  attischen  Epheben  wissen,  deckt  sich  fast  vollständig 
mit  dem,  was  wir  von  den  iuvenes  gesagt  haben:  IG.  11481,  49 ff. 
sagt  uns  darüber  folgendes :  kmfjiBfA[üri\if[T]ai  di  xal  r^[(  neQ]i  t6  awfia 
yvuvaa[l^ag  xal  äffxtjaea)^,  [in  8i  x^al  tijg  kv  tolg  onXoig  (f[i]Xonovlag 
nag  olov  t[6v  i]viavT6v  (in  482,  21  noch:  xal  Tfjg  rwv  tnntav  yvfiva- 
(fi(a)g)  anovSijg  xal  tpiXoTifiiag  [ovSkv  kXktl\novT^.^)  Es  überwiegen  also, 
wie  in  Rom,  militärische  Übungen  und  die  Jagd  wird  auch  nicht  ver- 
gessen.^) Auch  der  religiöse  Charakter  der  Ephebie  findet  seine  Par- 
allelen in  der  Augustischen  Institution,  besonders  in  den  Munizipien.^) 

Dazu  kommt  Spezielleres,  was  zugleich  Licht  auf  die  Organisation 
der  römischen  luventus  wirft. 

1.  Das  Eintreten  in  die  Zahl  der  Epheben  fällt  in  Athen  mit  der  Ein- 
schreibung in  das  Buch  der  Demoten  zusammen.  Dies  Einschreiben  heisst  im 
IV.  Jahrh.  v.Chr.:  iyygaqiBa&ai  Big  rovg  htfnßovg  (Ps.  Plat.,  Axioch.  366^, 
vgl.  die  inl  tov  S$Jvog  agxovrog  kyygafpivreg  in  den  Inschriften  (schon  in  der 
ältesten  IG.  IV  2,  563^),  was  fto  das  IV.  Jahrh.  dasselbe  heisst  wie 
iyygoffea&ai  elg  rovg  drjfiorag.  Besondere  Listen  der  Epheben  werden 
erst  seit  dem  11.— L  JahrL  geführt  (IG.  U  467—471).  Nun  aber  über- 
setzt Dio  das  togam  virilem  sumere  nicht  anders,  als  durch  den  technischen 
attischen  Ausdruck  iyygatftad-ai  äg  rovg  kq^ßovg.  *)  Der  Ausdruck  trifft, 
wie  ich  meine,  nicht  nur  das  Äussere,  sondern  auch  den  Kern  der  Sache. 
Derselbe  Dio  (55, 10, 2 — 6)  erzählt  uns  von  der  Einweihung  des  Mars  Ultor- 
Tempels.  Augustus  hat  bestimmt,  dass  in  diesem  Tempel  eine  Reihe  militäri- 
scher Akte  gefeiert  würden:  von  hier  aus  sollten  die  Promagistrate  in  die 
Provinzen  gehen,  hier  geschieht  alles  was  mit  Siegen  und  Triumphen  im  Zu- 
sammenhange steht,  hier,  vor  den  Stufen  des  Tempels,  verlaufen  die  ludi  sevi- 
räles  der  römischen  Jugend,  mit  denen  die  oben  angeführten  Tesseren  (S.  835, 
835»)  der  Pompei  magistri  mit  Sicherheit  zu  verbinden  sind.  Die  Aufzählung 


1)  S.  die  trefflichen  UntersachuDgen  von  Shebelew,  A%ai%d^  Petersburg  1904 
(russisch),  251  ff.,  wo  zuerst  die  Gliederung  der  Altersstufen  in  Sparta  richtig  fest- 
gestellt worden  ist. 

2)  Vgl.  IG.  II  478c,  9;  479,  29;  Grasberger  III  224  ff.;  Wolters,  Zu  griechischen 
Agonen  (Progr.  d.  Univ.  Würzburg),  20  ff. 

3)  S.  Plato,  de  leg.  VII  824  AB.;  Xenoph.,  Cgrop.  114,  11;  Dumont,  Essai  146 ff.; 
Grasberger  III  98  ff. 

4)  S.  unten  S.  86.  Vgl.  aber  die  Rolle,  welche  Kinder  und  Jünglinge  in  der  Augusti- 
schen Säkularfeier  spielen.  Wie  oben  hervorgehoben  worden  ist,  sind  auch  der  lusus 
Troiae  und  die  ludi  sevirales  Spiele  sacralen  Charakters.  Vgl.  auch,  was  unten  S.  69  ff. 
von  der  Beteiligung  an  religiösen  Prozessionen  gesagt  wird. 

5)  Dio  51,  6,  1;  55,  9  und  22;  56,  29;  59,  8  und  öfters.  Ganz  anders,  dem  rö- 
mischen Ausdrucke  viel  näher,  Plut.,  AtU.  71;  Appian.,  b.  c.  4,  30. 


Römische  Blmtesserae. 


67 


diaier  Akte  beginnt  bei  Dio  mit  den  Wurten:  rovg  r«  ix  twp  naidwv 
^iovrag  xal  €tg  tovg  ^rptjßavg  kyyQctfpoiiivQvq  kxuöB  ndvrwg  ätfixpiia&ai. 
Ich  glaube,  dags  der  Zusammenhang,  in  welchem  diese  Worte  stehen,  uns 
zweierlei  angiebt:  erstens,  dass  der  Akt  der  Einschreibung  ein  militiiri- 
scher  war,  zweitens,  dass  die  Anlegung  der  ioga  mrilts  mit  Eiuselirei- 
bung  in  besondere  Listen,  wie  in  Athen,  verbunden  war.  Dass  alle 
Bürger  dies  thaten,  glaube  ich  nicht.*)  Zu  militärischen  Zwecken  ge- 
nugten  die  censorischen  inhulae  iuniorum  vollständig;-)  die  Cerenionie  galt 
Wühl  nur  den  höheren  Klassen,  der  iuventus  der  seclis  ritterlichen  Tunuen,  *) 
Der  Ausdruck  fL^^tißoi  selbst  bezieht  sicli  bei  Dio  und  sonst  hauptsächlich 
auf  Jünglinge  besserer  Ivlassen,  und  die  Ephebie  wird  in  der  römischen 
Zeit  der  Ritterschaft  gleichgestellt:  so  bildet  in  Ephesus  im  Theater  das 
Pendant  zu  der  Statue  der  Ephebie  die  Statue  der  Rittei-schaft/)  so  be- 
kommen in  Athen  und  Ephesus  die  Epheben  besondere  Plätze  in  den 
Schauspielgebäuden,  wie  die  Ritter  in  Rom  {eu^wns  iuniorum).^) 

2.  In  Athen  verlieh  man  den  neu  eintretenden  Epheben  bei  der 
Ceremome  des  Eintritts  im  Theater  vor  dem  versammelten  Volke  einen 
Speer  und  einen  Schild,  die  Abzeidien  des  Ephebenstandes  und  zugleich 
ihre  Waffen.*)  Dasselbe  geschah  auch  in  Rom.  Das  Vorbüd  dazu  gab 
die  bekannte  Ceremonie  der  Verleihung  des  Titels  princeps  mwmttdis  an 
Gaius  und  Lucius  durch  die  Ritterschaft  bei  der  Anlegung  der  hffa 
virihs  durch  die  Prinzen  {üg  k^tißovg  ümovjig  sagt  Dio  TiS,  12):  eqtiües 
Ya\uicm  liomani  universi  prineipmn  |  iuvcfitutis  utruniqm  eorum  piirm\i8] 
e$  iMstis  argenteis  domäum  aplpeUanerunt  {Man.  Anc^  lat.  Dl  5)  —  auf 
Griedüsch:  Innug  8i  'tw\^aiwv  Giv[n]avTig  f^yifiova  viortirag  iKanl^ov 
airuiv  [n^\oariy6giVöaVf  aaniatv  ä^yv^img  \  xori  Öögaötv  [ir]£//iij<Tai'.  Es 
wird  wohl  wahrscheinlich  auch  sonst  der  Brauch  bestanden  haben  den  in 
die  itptißot'iumnes  Eintretenden  Speer  und  Schild  zu  verleilien;  bei  Gaius 
und  Lucius  geschah  es  in  besonders  feierlicher  Art.^  Die  Form  des 
runden  Sclüldes  ist  dieselbe,  wie  auf  den  Darstellungen   der  attischen 


1)  Die  Annahme  lok-her  KinBchreibuDg  für  aUe  Bürger  (Man^aardt-Mau,  PHvaU, 
1 125^  1  und  P26, 1—4)  Ut  durch  koinc  sicheren  Zeugnisse  begründet  über  Dionja.  IV  15, 5, 
8.  LeviBOu^  Du  Beurkurtdunff  des  CwM^ndes  im  ^-l^^fttiii,  Bonn  1898,  9*  Appiait,  6.  e. 
IV  30  versteht  natürUeh  anter  nivank^  die  Proteriptionatabellen.  E»  bleiben  die  An- 
gaben DiüH^  welche  lich  fliimtUcb  auf  Jünglinge  höherer  Klassen  beaiebeu. 

2)  S.  Mommsen,  Staatsrecht  II  40a 

S)  Die  zenaorisohe  Aufnahme  der  Ritter  geechuh  auch  in  Ruberen  Zeiten  »eparat» 
«.  Momm»en^  Staatsrecht  U  898, 

4)  S.  die  Inschrift  dea  Vibtufl  Salutaris,  Inscr,  in  the  Br.  Mus,  111  481,  85fr.  Die 
Pendaute  <\i  ßovXii  und  ytQot^ffla  sind  der  Senat  und  da»  Volk. 

5)  PüUux  IV  122;  Girard,  Uiducalim  284;  Inscf,  in  ihc  Br.  Mm,  Hl  48L 

6)  Dumont,  Emii  27  ^  Grasberger,  EtHehung  \l\  27;  Girard,  Dict.desaifilt.  II 1,  624. 

7)  Ob  dies  überhaupt  der  ertte  Fall  der  Verleihung  der  Waifen  war,  wage  ich 
nicht  SU  entscheiden. 


68  M,  Bostoweew^ 

Epheben.^)  Man  wird  wohl  kaum  irren,  wenn  nach  dem  oben  Gesagten 
angenommen  wird,  dass  diese  Ceremonie  der  Waffenverieihung  mit  der 
Ceremonie  der  Einschreibung  verbunden  war  und  in  oder  vor  dem  Tempel 
des  Mars  ültor  vor  sich  ging.*) 

3.  Die  innere  Organisation  der  iuventus  lässt  sich  auch  mit  Hilfe  der 
attischen  Institutionen  veranschaulichen.  Als  Vorstand  der  Epheben 
funktionierte  in  Athen  der  Kosmet;  als  Kosmeten  der  römischen  iuventus 
darf  man  wohl  den  Kaiser  selbst  in  Anspruch  nehmen.  Daneben  leiteten 
das  ganze  Leben  der  Epheben  die  Pädotriben,  welche  hauptsächlich  mit 
den  Studien  und  Übungen  der  Epheben  zu  thun  hatten;  die  Stellung  dieser 
Pädotriben  war  sehr  ansehnlich.  Diese  Pädotriben  rufen  sofort  die  magistri, 
die  bei  den  Troiaspielen  funktionieren,  ins  Gedächtnis. «)  Sie  leiten  die 
Spiele  bei  Vergil  und  bereiten  die  Jugend  zu  der  Teilnahme  an  denselben 
vor.  Sie  sind  wohl  die  einzigen  Erwachsenen  in  der  Troiaspielorganisation, 
wie  die  Pädotriben  bei  der  Organisation  der  Ephebie.  Es  konnten  solche 
Lehrer  auch  für  die  tirones  nicht  fehlen,  und  das  sind  wohl  die  auf  den 
Tesseren  genannten  magistri  iuvcntutis,  deren  Amt  durch  die  Darstellung 
des  Spielgebäudes  und  des  Kriegsgottes  auf  den  1^  ihrer  Tesseren  genügend 
charakterisiert  wird.  Eine  indirekte  Bestätigung  finde  ich  in  den  Nach- 
richten von  den  Spielen  Neros,  worüber  unten  S.  74  zu  handeln  ist.*) 

Die  seviri  equitum  waren  wohl  junge  Leute,  sicherlich  aber  keine 
tirones  mehr.  An  den  princeps  iuvßnttäis  erinnert  der  griechische  agx^' 
q>fjßog  oder  uqx^^  k^pjßwv.^) 

4.  Die  Epheben  in  Athen  beteiligten  sich,  wie  bekannt,  an  allen 
feierlichen  Prozessionen  des  an  Feierlichkeiten  solcher  Art  reichen  atheni- 
schen Lebens.  Ich'  glaube  beweisen  zu  können,  dass  es  die  iuvenes  in 
Rom  auch  regelmässig  gethan  haben.  Dieser  Beweis  bedarf  aber  etwas 
näherer  Ausführungen. 

Zuerst  erinnere  ich  an  die  bekannte  Beschreibung  der  pompa  circensis 
bei  Dionysius,  Vn  72:  (als  Erste  kommen)  ol  naiSig  avruiv  ol  ngoatjßoi 
re  xal  rov  nofineveiv  Hxovre^  tjkixiav  (also  unsere  tirones),  Inmlg  (liv  wv 
qI  narifftg  rifii^iiaTa  Inniwv  <t;ifov,  ntCoi  S*  ol  fUXXovttg  kv  roTg  ne^olg 
argaTtiBa&ai^  ol  fih  xat  tXag  tb  xal  xard  Xoxovg,  ol  Sk  xarä  avfifiOQiag 
r«  xal  tdl^Hg  ojg  elg  SiöaaxaXüov  nogtvoiuvoi.^) 


1)  Dargestellt  sind  die  Waffen  auf  Münzen  (Cohen  I  68,  42—43)  und  Tesseren 
(5.  3),  s.  oben  S.  25,  vgl.  Cohen  I  68,  38—41;  69  Anm.  1  (dazu  Boutkowski,  Dict. 
numismatique  I  357,  88). 

2)  Wiederholt  wurde  der  Akt  der  Waffenverleihung,  soweit  überliefert  ist,  nachher 
unter  Claudius  für  Nero  (Eckhel  VI  261 ;  Cohen  I  284,  82  und  286,  96—99)  und  unter 
M.  Aurel  für  Commodus  (Eckhel  VU  104,  vgl.  VIII  376;  Cohen  lU  240,  105). 

8)  Plut.,  Cato  maior  8;  Verg.,  Aen,  V  360;  Goebel,  De  Troiae  ludo  10  und  13  ff. 

4)  Schon  jetzt  führe  ich  Suet.,  Nero  12  an :  institutt  et  quinquennale  certamen  . .  . 
magistroa  toto  certamini  praeposuit  constUares  sortey  sede  praetorum, 

5)  Collignon,  Quid  de  collegiis  49  ff. 

6)  Über  diese  Stelle  Mommsen,  Staatsr,  III  522,  1. 


Römische  Bldtessürae, 


Nun  aber  hat  andererseits  Petei'sen  (Rom.  3Iitlj  1892,  258  ff.)  bei 
der  Beschreibung  der  Keliefs  des  Traian^bo^ens  scu  Beneveut  darauf  hin* 
gewiesen,  dass  bei  vielen  der  Darstellungen  der  römischen  pompa  trium^ 
phalis  bis  jetzt  unerklärte  Figuren  von  bekränzten  oder  behelmten 
tunieati  mit  runden  iSchilden  und  vielleicht  Speeren  in  den  Händen  an 
Hanptstellen  der  Prozession  erscheinen.  Folgende  Monumente  geben  uns 
die  Darstelhmg  dieser  iumcati, 

1.  Der  Titusbogen*  Auf  dem  Fries  der  Colosseumsseite  (s.  Bellori, 
Vßteres  arct^y  tab.  7;  Hossini,  GU  archi,  14;  Petersen,  a.  a.  0,  261)  ist,  wie 
bekannt,  der  Triumphalzug  oder  besser  der  Kopf  desselben  dargestellt. 
An  der  Spitze  des  Zuges  gebt  ein  Jüngling  in  kurzer  bis  au  die  Knie 
reichender  Tunika,  bekränzt,  mit  einem  Schilde  iu  der  Ijinken ;  narli  ihm 
kommt  ein  tablifer.  Es  folgen  mehrere  Opfertiere  mit  Be^ß:leitung,  dann 
wieder  zwei  dem  eben  be-schriebenen  vollständig  ähnliche  Jünglinge  (Bellori 
macht  sie  bärtig,  weil  tsr  sie  für  Soldaten  hält;  in  der  Zeit  des  Titus 
sind  aber  auch  bärtige  Soldaten  unmöglich),  nach  ihnen  ein  älterer  /<?• 
ffaim^  dann  wieder  drei  junge  cUpeaii  und  tumeeiti  derselben  Art  und  die 
übrige  Prozession.  Auf  den  Schilden  aller  Junglinge  sehen  wir  den  Kopf 
der  Medusa  dai^estellt, 

2.  Traiansbogen  in  Benevent.  Auf  dem  rund  herum  laufenden  Friese 
mit  der  Darstellung  des  Triumphalzuges  (A-  Meomartini,  /  monumenti  e 
k  op^e  (forte  della  dtiä  dt  BemverUö  fasc.  11  tav,  XX VIII f.;  Petersen, 
Itöm.  Mut,  1892,  248  fL  und  259  ff.)  erscheinen  wiederum  Jünglinge  mit 
Schilden  (auf  denselben  eine  Rosette)  und  vielleicht  Speeren,  mit  der 
tunica  bekleidet  und  bekränzt  Dieselben  JUnglinge  stehen  auf  jeder 
Seite  der  Thymiaterien,  welche  das  Centrum  der  >ier  kleinen  Bilder  unter 
dem  Friese  bilden  (Meomartini,  a.  a.  <),  189;  Petersen  245),  wohl  als  Ehren- 
wache^ denn  die  Kulthandlung  vollziehen  bürgerlich  bekleidete  Jünglinge 
oline  Waffen. 

3.  Relief  bei  Gasali,  De  profanis  d  sacris  veterUßm  rittbus  (Bomae,  1644) 
zu  S.  149  (vgl  Petersen,  250),  Fragment  eines  Triumphalzuges.  Zuerst 
kommt  die  Musik,  dann  fünf  Jünglinge  mit  Schilden  in  den  Linken,  be- 
helmt und  nur  mit  der  tunica  bekleidet;  ihnen  folgen  junge  tunieati^ 
welche  Thymiaterien  tragen,  und  die  übrige  Prozession.  Zu  betonen  ist 
es,  dass  die  Jünglinge  kleiner  als  die  Musikanten  dargestellt  sind, 

4.  Relief  bei  Montfaucon,  AntiquitSs  ea^^Uquees^  III  2,  170  (Dressel, 
HirsehfeUls  Festschrift^  2Sl)i  tUneines,  nacli  ihnen  kleine  tiinicati  behelmt 
und  mit  Schilden  bewaffnet 

5.  Als  fünftes  Monument  etwas  anderen  Charaktei's  reiht  sich  an  die 
angeführten  Darstellungen  das  von  Dressel  {Hirschfelds  Festschrift  280 ff.)  be- 
schriebene und  abgebildete  Medaillon  des  Kaisers  Antoninus  an  (zwei  Exem- 
plare bekannt:  in  Berlin  und  Paris;  nach  dem  letzteren,  welches  ich  im  Ori- 
ginal geprüft  habe,  beschreibe  ich  es}.  Auf  dem  K  des  Medaillons  sehen  w^ir 
zuerst  einen  agonistischen  Tisch  mit  einem  Kranze  auf  demselben,  hinter 


70  M.  Bogtowjgew, 

ihm  steht  ein  tablifcr.  Es  wird  also  eine  feierlich-offizielle  Handlang 
dargestellt  Vor  dem  Tische  steht  der  Kaiser  n.  r.  mit  vorgestreckter  L^ 
welche  einen  Stab  oder  ein  Szepter  geschultert  hält,  und  nach  hinten  aus- 
gestreckter E.,  welche  er  auf  die  Schulter  der  hinter  ihm  stehenden 
Fignr  legt,  wohl  um  dieselbe  an  den  Tisch  zu  führen.  Hinter  ihm  zwei 
Jünglinge,  betrachtlich  kleiner  als  der  Kaiser  und  kleiner  als  der  die 
Darstellung  schliessende  tibieen.  Die  Beiden  sind  mit  langen,  bis  auf  dieKniee 
reichenden  Tunicae  bekleidet^  erscheinen  bekränzt  und  halten  in  den  Linken 
runde  Schilda  Unten  auf  dem  Pariser  Exemplar  steht  COSDI,  oben  auf 
dem  Berliner  LVD  —  D[E]C  (auch  auf  dem  Pariser  habe  ich  deutliche 
Spuren  derselben  Legende  gesehen)  =  lud{%)  d^e^i^eMiaies).  Hier  figurieren 
also  die  Jünglinge  nicht  mehr  als  Neben-,  sondern  als  Hauptpersonen,  und 
zwar  ist  es  klar,  dass  die  Scene  die  Bekränzung  der  Sieger  an  den  ludi 
decennäles  durch  den  Kaiser  darstellt 

Nun  scheint  es  mir  ausser  Zweifel  zu  sein,  erstens,  dass  die  eUpeaU 
auf  allen  Monumenten  immer  dieselben  Personen,  dieselbe  Gruppe  der 
römischen  Bevölkerung  darstellen,  zweitens,  dass  überall  nicht  ganz  er- 
wachsene Jünglinge  dargestellt  werden  —  wohl  im  Alter  von  14 — 15  Jahren. 
Dabei  ist  zu  bedenken:  erstens,  dass  die  Jünglinge  tumeati  sind,  ganz 
wie  die  tiranes  bei  Cicero,*)  zweitens,  dass  sie  runde  Schilde  —  das 
Charakteristicum  der  iuvenes  —  und  zuweilen  Speere  tragen,  drittens, 
dass  sie  öfters  behelmt  sind,  wobei  an  die  Verleihung  der  Helme  an  die 
pucri  qui  luserufU  Traiam  durch  Augustus  zu  erinnern  ist,^)  viertens,  dass 
sie  in  grösserer  Anzahl  auch  in  verkürzten  Darstellungen  erscheinen, 
fünftens,  dass  sie  bei  der  Prozession  keine  thätige  Bolle  spielen,  sondern 
nur  paradierend  vorbeiziehen,  sechstens,  dass  sie  bei  feierlichen  Spielen 
Siege  davontragen  und  ihnen  voran  der  Kaiser  als  Kosmet  geht  und  den 
Preis  zuteilt  Wenn  man  dies  alles  in  Betracht  zieht,  so  wird  es  klar, 
dass  alle  unsere  Monumente  die  organisierte  luventus  der  Kaiserzeit  dar- 
stellen,*) welche,  wie  Dionysius  angiebt,  bei  den  feierlichen  Prozessionen 
nicht  fehlen  durfte,  und  dass  demnach  die  Teilnahme  an  den  Festzügen 
eine  der  Hauptbeschäftigungen  der  römischen  Epheben  war.    Es  bleibt 

1)  Cic.y  pro  CatUo  Y  11:  et  ut  exercUatiane  ludoque  campestri  tunicati  tUeremur; 
in  MilitäraoBrÜBtuDg  sind  die  tiraneSy  also  nicht  togatiy  obwohl  ihnen  die  toga  virüis 
schon  verliehen  worden  ist. 

2)  Serv.  ad  Verg.  Äen,  b,  556:  Baebius  Macer  dicit  a  Caeeare  Äugueto  pueris 
qui  luserunt  Troiam  donalas  esse  gaUas  et  hina  luistiliaf  ad  quod  Vergilium  constat 
aUudere. 

3)  Die  Deutung  Petersens  (a.a.O.))  die  Jünglinge  seien  Tfinzer,  findet  in  ihrer  Haltung 
keine  Stütze.  Auch  ist  ihre  Verbindung  mit  den  Thymiaterien  (Benevent)  inniger  wie  bei 
den  dgxriittai  und  nicht  notwendig  (Titusbogen).  Sie  bilden  wohl  die  Ehrenwache  bei 
den  Thjmiaterien,  beschränken  sich  aber  auf  dieselbe  keineswegs.  Höchst  interessant 
ist  es  dabei  zu  notieren,  dass  die  Münzen,  welche  uns  das  Porträt  des  Graius  Cäsar 
geben  (Cohen  I  181,  1  f.)  auf  den  Rückseiten  das  Thjmiaterium  haben.  Sie  beziehen  sich 
demnach  auf  eine  der  grösseren  Feiern  zu  Ehren  des  Augustus,  bei  welcher  Gaius  in 
der  Prozession  als  Ehrenwache  oder  Träger  der  Thymiateria  paradierte. 


Bömiscl^  Bhitcsscrac. 


71 


nur  eine  Schwierigkeit:  die  Jünglinge  sind  nicht  beritten,  wie  es 
LHonjsiiis  angiebt  iind  an  sich  zu  erwarten  wäre.  Die  Erklärung  wird 
wohl  im  römischen  Ritual  zu  suchen  sein*  Zu  bedenken  ist,  dass  wir 
nii*gends  die  pmnpo  circensisj  welche  Dionysius  beschreibt,  vor  uns  haben. 

Die  obigeji  Ausführungen  erlaubten  uns  mehrere  Blicke  in  die  innere 
Organisation  der  römischen  luventus  zu  thun.  Wir  sahen  vornehme  Jfing- 
linge  in  Scbwadi*oneu  gegliedert  mit  ilirem  obersten  Vorsteher,  dem 
Kaiser,  ihren  Anfüluem,  den  seviri  und  ilireu  Ehrenanführern,  den 
principes  iuventuiis^  vor  uns.  Diese  Jünglinge  bereiten  sich  zum  Militär- 
dienste vor;  sie  üben  täglich  unter  der  Leitung  erfahiener  magtsiri  auf 
dem  Marnfelde,  reiten,  schwimmen,  fechten ;  bei  grossen  Festen  zeigen  sie 
sich  in  ihrer  Tracht  —  tunica,  Schild,  zuweilen  Si^eer  und  Helm  —  dem 
Volke  an  der  Spitze  des  Zuges  der  pompa  wid  als  Ehrenwache  der 
Th.pniaterien  feierlich  vorbeisclireitend.  Thätig  sind  sie  bei  den  Spielen: 
noch  als  Kinder  beginnen  sie  zu  üben  und  zeigen  ihi'e  Beit-  und  Fecht- 
kunst  im  lusus  Troiae,  als  iuvenes  veranstalten  sie  ihre  eigenen  1«^/*^ — 
semrales  genannt  —  und  nehmen  auch  an  anderen,  besonders  circensisclien, 
als  Reiter  und  Wagenleuker  teil  Aus  den  bei  der  Troia  Beteiligten 
wirbt  man  wohl  die  punri  pairimi  und  matrimi,  welclie  eine  so  grosse 
Rolle  im  Kultus  sfüelen,  und  sie  sind  es,  welche  das  Säcularlied  des  Horaz 
bei  der  August  unf  ei  er  vortnigen. 

Als  sicheres  Ergebnis  kann  umn  noch  bezeichnen,  ism  zuerst  Augustus 
den  früher  vorhandenen  Keimen  eine  feste  Organisation  gegeben  hat,  und 
dass  er  sich  wohl  dabei  von  athenischem  oder  überhaupt  griechLschem 
Vorbilde  beeinflussen  Hess.  Wie  weit  dieser  Einfluss  ging,  ist  schwer  zu 
sagen;  denn  manche  Zusammenhänge  sind  wohl  zufälliger  Art  und  bei 
jeder  Altersorganisation  zu  finden.*)  Die  Beeinflussung  wird  aber  noch 
dadurch  bewiesen  ^  dass  Augustus  der  grie^liischen  Ephebie  grosse  Auf- 
merksamkeit zollte,^)  dass  er  zweimal,  das  zweite  Mal  als  Spielgeber  und 
Günner,  in  Athen  geweflen  ist  und  selbst  einen  echt  griechischen  Agon 
gestiftet  hat'*) 

Die  Organisation,  me  sie  Augustus  aus  alten  und  neuentlehnten  Stücken 
geschaffen  hat,  dauerte  auch  unter  seinen  Nachfolgern  fort.  Für  die  Zeit 
des  Tiberius  haben  wir  ein  sicheres  Zeugnis  in  der  Tessera  des  Nero 
und  Drusus,  der  Söline  des  Germanicus,  auf  der  sie  auf  der  Rückseite 
als  Reiter  dargesteUt  sind,  ganz  wie  Üaius  und  Lucius  auf  ihren  Münzen, 


1)  8.  Usrtier,  Mesäüche  Blätter  für  Volkskunde  l  (1902),  195  ft, 

2)  Stti^t.,  Au^,9Si  apßcta^  aa9id9te  eactrcenUs  tphebot  ^iiomiii  a%i(a  adhuc  copia 
CUP  Ptttre  msiiiuic  (Japreü  €ra$;  Mem  ^iam  Sputum  im  eonapee$u  9uo  praebuit  p€rmi$$a 
iwtmo  exacta  iocandi  UcmÜa  diripiendique  pontorum  ei  ob^oniorum  rerumque  mim  Im, 
c£  Strsbo  V  170.  BaMdehnend  i«t  fUr  dus  [nt^rene.  daa  AuguittiA  der  luir«ntiJ«  zo\ht% 
dftMft  ftottfr  düu  von  üim  wiederbergesti^Uii^Q  IVinpohi  auch  ein  Tempel  der  luventiui 
weh  find<ft,  B,  Mon.  Ant.  Iftt.  IV  8  und  gr.  X  12--18,  X\'^riJ  28—24. 

3)  Friedläiider,  Sitieng.  U  47i>;  Moiuönieü,  Bes  juesUu*  41  ff 


72  M,  Bostoweew^ 

Denselben  Typus  zeigen  auch  die  Münzen  des  Nero  und  Drusus,  geschlagen 
unter  CaUgula  (Eckhel  VI  217). 

Caligula  verlieh  den  Titel  princeps  iuventutis  an  Tiberius,  den 
Sohn  des  Drusus  (Suet,  Gal.  15 ;  Dio  59,  8).  Sein  Interesse  für  die  Jugend 
und  seine  treue  Anhänglichkeit  an  die  Prinzipien  des  Cäsar  bewies  er 
erstens  dadurch,  dass  er  zu  der  Feier  der  Satumalien  einen  Tag,  welchem 
er  den  Namen  luvenaUs  gab,  und  an  welchem  wohl  Spiele  der  Jugend 
stattfanden,*)  hinzufügte,  zweitens  durch  die  von  Sueton  {Gälig.  18)  be- 
zeugten Spiele,  an  welchen  hauptsächlich  die  senatorische  Jugend  thätig 
teilnahm :  edidü  et  circenses  plurimas  a  mane  ad  vesperam  interiecta  modo 
afiricanarum  venatione  modo  Troiae  deeursione  et  quosdam  praecipuos^  minio 
et  chrysocolla  constrato  drco,  nee  viUis  nisi  ex  senatorio  ordine  aurigantüms.*) 

Claudius  setzte  die  Politik  seiner  Vorgänger  fort.  Von  Nero  als 
princeps  iuventutis  und  der  Verleihung  des  Schildes  und  Speeres  an  den- 
selben war  schon  die  Rede.«)  Auch  Spiele  mit  Teilnahme  der  vornehmen 
Jugend  sind  für  seine  Zeit  bezeugt:  Sueton.,  Claud.  21:  ac  super  quadri- 
garum  certamina  Troiae  lusum  exhibuU  et  afiricanas  conficiente  turma  equiknn 
praetorianorum  ducibus  tribunis  ipsoque  praefeeto,*)  Diese  Spiele  sind  eine 
Copie  der  Spiele  des  Caligula,  die  letzteren  sind  Wiederholungen  ähnlicher 
Spiele  des  Augustus  und  Cäsar.  Charakteristisch  ist  die  Teilnahme  der 
Prätorianer.  Es  dauert  also  die  Tendenz  des  Cäsar  und  Augustus  fort: 
man  will  eine  kräftige  Jugend  haben ,  ihre  Kraft  soll  dieselbe  bei  den 
Staatsspielen,  welche  immer  noch  ihren  religiösen  Character  bewahren, 
zeigen.*)  Daneben  kam,  wie  oben  (S.  71)  ausgeführt  worden  ist,  auch  die 
musische  Bildung  nicht  zu  kurz:  die  Augustischen  Chöre  vornehmer 
Jünglinge  bei  der  Säcularfeier  bezeugen  dies  mit  voller  Sicherheit;  nur 
trug  man  diese  Bildung  ausschliesslich  für  religiöse  Zwecke  zur  Schau. 

Den  rein  sportlichen  Standpunkt  trug  erst  Nero  in  die  älteren  lur 

1)  Suet,  Calig.  17. 

2)  Vgl.  Dio  59,  11 :  (bei  dem  Begräbnis  Drusillas)  xal  oi  ts  doQvq>6QOt  iura  toü 
&QXOVt6s  cq>&v  xal  xonglg  ol  ln%f]g  tb  riXog  .  .  .  of  re  ei^yerslg  naldeg  tr}v  Tgolav  tvsqI 
xhv  xdtpov  a'bxfig  nsgilnnsvaav.  CharakteristiBch  ist  die  VereiniguDg  der  unter  ritter- 
lichem Kommando  stehenden  Prätorianer  mit  unserer  iuventtis  und  den  Knaben.  Das- 
selbe bei  den  Spielen  des  Claudius  und  Nero. 

8)  Auf  dieses  Ereignis  bezieht  sich  vielleicht  die  oben  (S.  59)  beschriebene 
Tessera  S.  838. 

4)  Merkwürdig  ist  die  Übereinstimmung  mit  den  Begräbnisspielen  Drusillas, 
s.  Anm.  2. 

5)  Diese  Spiele  und  manches  in  der  Thätigkeit  Neros  hat  Tacitus  im  Auge,  wenn 
er  sagt  (Eist.  II  62) :  cautum  severe  ne  equites  Bomani  ludo  et  harena  poüuerentur. 
priores  id  principes  pecunia  et  saepius  vi  perptderant  ac  pleraque  municipia  et  coloniae 
aemulabantur  corruptissimum  quemque  adulescentium  pretio  irüicere.  Ob  bei  der 
letzteren  Angabe  Tacitus  die  von  ihm  missverstandenen  munizipalen  luvenesorgani- 
sationen  und  Spiele  im  Auge  hat,  ist  unsicher.  Möglich  ist  es,  dass  ebenso  wie  diese 
Organisationen,  auch  die  Teilnahme  erwachsener  Ritter  an  Munizipalspielen  sich  in 
den  Munizipien  einbürgerte. 


KSmUchü  Bleüesscrae. 


TS 


stitutioiifu  hinein.  Dass  pr  an  Aelteres  ankntipft^*  und  zunächst  nichts 
Neues  untl  Unerhörte«  schuf,  bezeugt  einen^eits  die  bekannte  Krklärungr, 
welche  er  nach  Tacitus  (Ann,  XIV  14)  seinen  sportlichen  >feigriiDgen  gab. 
Dieselbe  klingt  ganz  Äugnstiich:  veU0  iJli  cupida  erat  curricuio  tfmdrigarum 
itmstere,  nee  minus  faedum  studmrn  cWiara  ludicrum  in  modum  camrc.  con- 
eerfare  equis  regium  et  aniiqms  dudbus  faciiiatum  mömorahat  idque  vatum 
laudibus  cclehre  et  deorujit  honari  datunu  miimmro  canius  Apollini  sacros^  te- 
lique  cmatu  astarc  nan  modo  Graeeis  in  urbibus  sed  Romana  apud  temipla  numtn 
praecipuum  et  pracseium  (er  meint  natürlich  hauptsächlich  den  palat inischeu 
Tempel)*  Dies  waren  wohl  auch  die  Ideen  das  Augustu8,  als  er  auf  der 
Zuziehung  der  vornehmen  Jugend  zu  Spielen  und  Festen  ^o  fest  be- 
stand.\)  Andererseits  äusserte  sich  die  Politik  des  Nero  in  dieser  Hin- 
dicht  in  den  Anfängen  nicht  andei-s  als  unter  Caligula  und  Claudins: 
seine  Spiele  des  J.  <55  sind  nur  eine  Wiederholung  der  Claudischen,  vgl. 
Dio  61,  0:  avÖQig  rav^vg  ano  tnnwy  {JVfinafja&iovri^  cifiöi  xaxitsxQttfov*^) 
TiTQaxociag  r€  äoxtov^  xal  t^iaxQaiovg  Xiovtag  ol  inm^g  ai  öatfxaTotfvXaxig 
Ni^wvog  xattjxovTiiiap  ore  xal  inneig  ix  rol  riXovg  rgiaxopta  kpLovo- 
pd^tjöav. 

Das  Auffällige  war,  dass  der  Kaiser  selbst  an  den  Spielen  und  «war 
an  griechischen  nmsikalischen  Agonen  teilnahm.  Es  geschah  aber  nicht 
ohne  längere  Vorbereitungen  und  Versuche,  bei  denen  Nero  an  die 
Organisation  der  römischen  iuvet^4s  anknüpfte.  Bei  der  (jJelegenheit  des 
ersten  Bartscheerens ,  d.  h.  des  Austritts  aus  der  Zahl  der  rihnistdien 
Jugend/*)  veranstaltete  der  Kaiser  Spiele,  welchen  er  den  passenden  Namen 
itwenalia  gab;*)  dabei  knüpfte  er  wohl  an  den  f/tcj? /wr^fnalt^  des  Caligula 
und  an  die  in  den  llunizipien  zu  «üeser  Zeit  üblichen  Spiele  diei>es  Namens 
(8.  unten  S.  87)  an.  Diese  iuvcnalia  wiederholte  er  seitdem  Öfters.*)  Das 
Eigentümliche  dieser  Spiele  war  die  Teilnahme  ausschliesslich  vornehmer 
Personen  jedes  Alters  und  der  theatralisch-musikalische  Charakter  der- 
selben* Dass  die  Spiele  nicht  öffentlich  waren,  sondern  für  einen  ge* 
schlossenen  Kreis  der  Zuschauer  im  Palast  oder  in  (harten  gegäben  wurden, 


1]  Ei  mtui  d&rmn  critinert  werdeD«  doM  dir.  vornehme  Jugend  lui  den  pcnodbchen 
Spielen  sur  Erinnenuig  »n  drn  Sieg  bei  Aetium  teütiAhin;  at»  der  Zahl  di*T  Götter 
spielte  dabei,  wie  bekmxuit,  der  Apollo  Actiui  die  HnuptroUe,  it.  über  die  Attgtitti»cheo 
bpiele  Friedtändcr,  SiUm^iSch,  U  479. 

5)  V^gl  Suet,  CUiud.  21 :  praetürea  'fhsuaU>9  equites  qui  ftroä  lauroM  per  mpoJtia 
dJPBJ  ü$mni  msüutniqiu  deftuas  et  ad  terram  camibtis  detrahuni  .  , « . 

a)  a  Mau  bei  Paulj-WiftKown,  E.  K  111  83.  Er  war  im  J.  58  n.  Clir.  21  J.  alt 
Dfti  Datum  de»  Fettet  —  18.  Okt.  —  ist  vielleiclil  der  Tag,  wo  er  die  toptt  tirilin  be- 
kainni«^D  hat,  t,  Hild  bei  Daremherg  ei  Stigliu^  Dict.  ä.  arU,  HI  782^  der«elbe  Ta^, 
an  dem  Ao^^tnt  die  U>ffa  ^irilis  erbäit,  t.  CIL,  l\  p.  882,  wie  nur  Prof.  O.  HinMihfeld 
bf^merkt. 

4)  S.  Hild  bei  Daremberg  ei  SagHö,  IHet,  Ol  7B2  t.  w.  iuißmMa^  ?gl  Witwjwa, 
MeUßim  und  Kultwt  im,  a. 

6)  Tac.,  Ann.  XV  33;  8aet,  Netü  Ih 


74  M.  Bostoweew, 

kam  auch  früher  öfters  vor.i)  Zur  Vorbereitung  für  diese  Spiele  wurden 
besondere  Kurse  mit  mehreren  Lehrern  organisiert:  ein  Nachklang  der 
magistri  des  Marsfeldes.*) 

Im  AjQSchluss  an  diese  Spiele  organisierte  Nero  nach  hellenistischem 
Muster,  wie  wir  später  sehen  werden,  eine  besondere  jugendliche  Leib- 
garde, s.  Tac,  Ann.  XIV  15 :  tuncque  primum  conscripH  sunt  cquites  Bo- 
mani  cognomento  AugtAstianorum  aettäe  ac  robore  conspicui  et  pars  ingenio 
proeaces,  vgl.  Suet.,  Nero  20 :  neque  eo  segnit^s  adolescenttdos  equestris  ordinis 
et  quinque  amplius  milia  e  plebe  robt^sUssimae  iuventtdis  undique  elegit .... 
insignes  pinguissima  coma  et  exeeUentissimo  cultu  ....  quorum  duces  quor 
dringena  müia  merebant. 

Den  Kern  bildeten  also  ritterliche  tirones,  wohl  bewaffnet,^  an  sie 
reihten  sich  andere;  sie  alle  bildeten  die  gewöhnliche  Umgebung  des 
Kaisers,  wohl  hauptsächlich  in  der  Öffentlichkeit.  Möglich  ist  es,  dass 
dieselben  offiziell  iuv(enes)  Aug{ustiani)  Messen,  wenn  ich  mit  Recht  die 
Tessera  8.  889  darauf  beziehe. 

Im  J.  59  gab  Nero  öffentliche  theatralisch-musikalische  Spiele  mit 
Beteiligung  von  Rittern  und  Senatoren;*)  im  J.  60  stiftete  er  seinen 
Agon ,  sein  certamen  quinquennäle  (Suet,  Nero  12 ;  Tac.,  Ann,  XIV  20 ; 
Cohen,  I,  Nferon  46 — 65) ,  an  welchem  er  selbst  und  natürlich  die  Vor- 
nehmsten seines  Kreises  teilnahmen.^)  Charakteristisch  ist,  dass  auch 
zur  Vorbereitung  zu  demselben  besondere  Schulen  geschaffen  wurden  und 
an  der  Spitze  des  Agons  zwei  senatorische  magistri  standen.®) 

Als  Marken  dieses  Agons  sehe  ich  die  Tesseren  S.  843  mit  Auf- 
schrift N — ^7T  —  wohl  N(€ronia)  (iterum)  —  und  Darstellung  des  Apollo  an, 
vgl.  auch  S.  844—846.  Vielleicht  gehört  auch  die  oben  beschriebene 
Tessera  S.  836  dem  Neronischen  Certamen  an:  die  Legende  Neronis  in- 
vidi  kann  sich  nur  auf  seine  Spielleistungen  beziehen. 

In  dieser  Weise  entstellte  Nero  die  streng  durchdachte  Augustische 
Reform.  Die  römische  Jugend  hat  er  nach  hellenistisch-monarchischer 
Art  zu  seiner  Leibwache  einerseits,  zu  Sportsmännem  circensischer  und 
musikalischer  Art  andererseits  umbilden  wollen.^    Die  erster e  Idee  findet 


1)  Über  den  Charakter  der  Spiele,  s.  Tac,  Ann.  XIV  15;  XV  33;  Plin.,  N(U.  Mst. 
XXXVII  19;  Dio  61,  19—20. 

2)  Dio  61,  19,  2  uDd  20,  3:  xal  ainSi  xal  6  Boüggog  %cd  6  JSsv^xag  xad^careQ  uvhg 
diddtnuxXot  ^oßdXXovrie  ti  naQStati^xeoav  .  . . 

3)  Dio  61,  20  neDDt  sie  axQccti&taL,  was  doch  nach  Sueton  und  Tacitus  unmöglich 
Ut,  vgl.  Dio  63,  8  und  18;  Habel  bei  Pauly  - Wissowa,  R.  E.  II  2363. 

4)  Dio  61,  17;  Suet.,  Nwo  11  und  12. 

5)  Darüber  Friedländer,  Süteng,  II  480  ff. 

6)  Suet.,  Nero  12 :  instituü  et  quinquennäle  certamen  . . .  magistroa  toto  certamini 
praeposuit  consulares  sorte  sede  praetorum. 

7)  S.  Tac,  Ann.  XIV  20  die  Äusserungen  der  Gegner  der  neuen  Richtung.  Die 
militärische  und  bürgerliche  Erziehung,  welche  Augustus  im  Auge  hatte,  wird  durch 
die  neue  Richtung  geradezu  vernichtet,  sagen  diese  Gegner  ganz  richtig. 


Römische  Bldtesserae, 


75 


iieli 


Uiren  Nachklang  schon  bei  Galba:  die  jugendliche,  ritterliche  T    ' 
mit  welcher  sich  Galba   umgeben   hat,   ist  sicher  aus  den  N« 
iunenes  ÄugusHani  ritterlichen  Standes  hervorgegangen.*) 

Auch  den  sportlichen  Teil  des  NeronLschen  Progi'amnis,  mit  der  Idee 
der  Leibwache  aufs  engste  verbunden,  finden  wir  unter  dem  strengen 
monarchischen  Regiment  des  Domitianns  wieder,')  Die  iuvenes 
Auffustiani  ^)  ans  den  zwei  ersten  Ständen  erscheinen  unter  ihm  als  Trä^ger 
besonderer  Feste,  iuvctmlia  genannt.  Diese  Feste  bestanden  aus  Tier- 
hetzen, scenischen  Vorstellungen  und  dichterisch-oratorischen  Agonen.  Als 
Spielgeber  erscheinen  besondere  magistri.  Die  Spiele  werden  jährlich  an 
den  quinquatria  und  wenigstens  teilweise  in  der  albanischen  Villa  des 
Kaisers  gegeben.*) 

Mit  Domitian  scheint  das  besondere  calle^um  tuvenum  AuffuaHanorum 
aus  Mitgliedern  der  ritterlichen  iuverUus  eingegangen  zu  sein.  Die  iw- 
i>€$w9  als  solche  existieren  aber  weiter  und  scheinen  an  den  kaiserlichen 
Agonen  weiter  teilgenommen  zu  haben.  Die  seit  Antoninus  periodisch 
wiederkehrenden  Mi  decennales^)  sind  offenbar  agonistischer  Nat  ur  gewesen, 
wie  das  oben  (S.  69  f.)  beschriebene  Medaillon  des  Kais*ers  Antoninus  bezeugt. 
Die  Darstellung  des  agonistischen  Tisches  ei*scheint  seit  Nero  öfters  auf 


1)  Suet,  Galha  10:  dehffit  et  equesiris  ordinis  tunen€9  fui  manente  auHlorumum 
evocati  appeUarentur  excubia»que  circa  cubiadum  9uum  vice  militum  aijertnt.  Der  eni» 
Schritt  daxu  wurde  von  Cäanr  gcthan^  iüdero  er  »ich  mit  tfiner  Kittcrfrache  umgab, 
s.  Dio  44,  4-^6. 

2)  Vespfläiaik  bleibt  bei  der  Augoitiichen  Tnulition,  indem  er  den  Titel  prin- 
cep8  iuvenhitis  an  Titun  uod  Domitian  verleiht  ttnd  auf  MUnien  den  Zusammenhang 
des  Titeid  mit  der  Ritterschaft  betoot,  s.  Koch,  de  principe  iuv.  30  und  Blanchetf 
Ktudes  fiMm.  I  8  f. 

8)  S,  die  Tetsera  S.  847  (s.  die  htig,  Taf.  II  8) ,  weiche  »iüh  lieher  iwif  die  Do- 
mltiaulBchen  Spiele  {iuucnalia)  besieht.  In  die«elbe  Heihe  gehört  die  Nachricht 
Sueti»n»»  Lkmi.  14  .  .  .  honorem  .  .  .  recnstwit  quo  decretum  erat  ul  tptotiens  ffeftret 
congulatum  eq.  R.  quibus  sors  obtigisset  trabeati  et  cum  hasiiB  milüaribuM  (daa  b#* 
kauut«  insitfne  der  jugeudiicben  Ritter)  praeceäerent  eum  intet  lictorti  apparttore*-^ 
qu^  Der  Vorschlag  de«  Senain  erümert  stark  an  die  ritterliche  Wache  Caeian  und 
Galbas  und  gehört  iu  die  Reihe  der  heUenistitchen  Ho6eformeD. 

4)  8.  Suet.  Domit.  4:  cehbrabat  et  in  Jlbano  q%^tanni9  QuinqwcMa  Minervae 
cW  enUegium  ^mtituerat  ex  quo  iorte  dueti  magüterio  fungerenimr  edermtqm  exmiae 
venationu  et  seenicoi  hidoe,  Buperque  oralomm  m  poetarum  certamina,  Daia  dien« 
Spiele  iuvenaUa  wajN^n  und  die  Mitglieder  des  CoUeg^um«  iuveneü  am  htaäertn 
Ständen  bcaeugt  Dio  67,  14,  <H:  tbv  äk  iii  fluß^lmpa  rbp  fMr^  tot)  T^aucvoÖ  &q* 
iarttsL  nani'f^iiffihtu  td  tt  &lXa  secel  eilm  oi  n^lXol  %ü\  Jri  %a\  &fi^loig  ifiäftto 
^httttvtr.  iip*  ^  irov  %a\  tii  fmXtata  d^yi^i^  ee^^  ^^^J^  ^ovov  ioxtv  Bit  vnattvowret 
ixirtbv  ig  xb  'Alßttvhv  inl  ra  vtavio%tvfieefm  i^9Oiitc0fiivet  maiJ^ixg  liovttt  c(no%r»(vai 
liiyttv  iivitfnatfh  %rL  verglichen  mit  Fronio  ¥29—28  (37—88):  eon$Hl  popuU  Rowumi 
poiäa  praeieata  manicam  indutt  leonem  inier  iupmue  quinquatfibui  peraasit  ipectanU 
populo  JUmano , . .  Antwort :  fiuando  id  fachtm  ?  et  an  Jiofnae.  Num  iUud  dim  in 
Albnno  factum  mb  Domitianc? 

5)  VgL  die  Munxe  desMslben  Datums  Cohen  U  337,  678  (J.  148  p*  Chr,),  witleh«» 
sioh  auf  die  ludi  decennak^  beiieht 


76  M.  Rostowjsew, 

den  Eaisermünzen  und  bezeugt  sicherlich  die  Existenz  der  Agone  nnter 
den  betreffenden  Kaisern.^)  Auch  die  seit  Nero  übliche  Teilnahme  der 
Jünglinge  besserer  Stände  an  diesen  Agonen  kehrt  auf  dem  Medaillon 
wieder.  Dies  Alles  lässt  die  ludi  decennales  vielleicht  mit  den  Agonen 
des  Augustus  und  Nero  verbinden.  Auch  inbetreff  des  princeps  iuveniuiis 
blieb  Antoninus  beim  Augustischen  System.*) 

Die  Spiele,  bei  denen  Commodus  persönlich  auftrat,  erinnern  stark 
an  die  iuvenalia  Neros,*)  es  wird  aber  von  einer  Teilnahme  der  höheren 
Stände  nichts  berichtet. 

Dagegen  sind  eine  richtige  Erneuerung  der  Augustischen  Tradition 
in  veränderter  Form  die  militärischen  Spiele,  welche  Severus  bei  Gelegen- 
heit des  Geburtstages  des  Geta  gegeben  hat.*)  Es  waren  richtige 
militärische  Agone  zu  Ehren  des  princeps  iuventutis.  Ihr  Ziel  war  wohl 
die  Hebung  der  militärischen  Tüchtigkeit  und  des  militärischen  Geistes 
der  daran  Beteiligten.  Zu  bemerken  ist,  dass  dabei  wohl  ausschliesslich 
Soldaten,  die  jetzt  hauptsächlich  unter  dem  Begriff  iuventus  (s.  unten 
S.  77  f.)  verstanden  werden,  auftraten. 

An  die  Augustische  Tradition  knüpft  wohl  auch  eine  andere  Neuerung 
der  Severischen  Zeit  an.  Herodian  V  7,  7  berichtet,  dass  Elagabal  einen 
Schauspieler  nai8elag  tüv  viütv  xai  tvxoopLiag  rijg  re  vnoarao^mg  xf^ 
(j^^aoBtog  TÜv  Sylburg)  [xiv\  hg  r^v  avyxXtjrov  ßovh)v  rj  ro  Innixov 
xayiAa  xaTarattofiivwv  ngoifftrjffe.  Es  wird  mit  Mommsen  und  Hirsch- 
feld*) anzunehmen  sein,  dass  das  von  Herodian  erwähnte  Amt  an  das 
früher  vorhandene  ritterliche  Amt  des  a  ccnsibus  angeknüpft  und  fast  in 
denselben  Bahmen  schon  unter  Caracalla^)  funktioniert  hat,  so  dass  die 
Erweiterung  der  Befugnisse  des  o  censibus  wohl  noch  zu  den  Severischen 
Einrichtungen  gezählt  werden  muss.  Diese  neuen  Vorsteher  der  haupt- 
sächlich ritterlichen  städtischen  Jugend  besorgten  vielleicht  oder  beobachteten 
wenigstens  auch  die  körperliche  Erziehung  der  iuventus,  wie  es  unter 
Augustus  der  Kaiser  selbst  gethan  hatte.  Es  wird  wohl  kaum  Zufall  sein, 
dass  Caracalla  solch  eine  sorgfältige  Leibes-Erziehung  genossen  hat  und  in 
allen  militärischen  Übungen  hervorragte.')    Kein  Zufall  ist  auch  die  Er- 


1)  S.  Dressely  a.  a.  0.  Die  Münzen,  welche  er  aufzählt,  sind:  Nero  —  Cohen  46—65; 
Trajan  —  Cohen  349—360;  Hadrian  —  Cohen  568.  1169;  Aelius  —  Cohen  74;  Anto- 
ninus —  Cohen  878. 

2)  Dio  71,  35;  Scr,  h.  Aug,^  M.  Aur,  6,  3;  Dio  nennt  M.  Aurel  sogar  ^^6x^1x09 
innddogf  so  den  Zusammenhang  mit  der  Ritterschaft  betonend. 

3)  Dio  72,  17,  1  ff. ;  Scr,  h.  Aug.,  Comm.  8,  5. 

4)  Scr,  h.  Aug.,  Maxim,  duo  2,  4:  natali  Getae  ßii  minor is  Severus  militarea 
dahat  ludos  propositis  praemiis  argenteis  id  est  armiUis  torquihus  balteolis  .  . .  Vgl. 
auch  die  ganze  Schilderung  des  Auftretens  des  Maximinus  bei  diesen  Spielen  oder 
richtiger  Agonen. 

5)  Mommsen,  Staatsr.  III  490,  1 ;  Hirschfeld,  Verwaltungsh.  2.  Aufl.  66. 

6)  Fragm,  Vatic.  §  204;  Hirschfeld,  a.  a.  0.  66,  6. 

7)  Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  I  2,  740. 


Römische  Bleitesscrae.  77 

neuerung  der  Münztypen  mit  Darstellung  des  berittenen  prmceps  tuvetdutis 
an  der  Spitze  mehrerer  Reiter.*)  Severus  wird  wohl  Sorge  für  die  physische 
Erziehung  der  ganzen  Ritterschaft  getragen  haben,  wie  er  für  sein  ganzes 
Heer  in  demselben  Sinne  gesorgt  hat^) 

Dabei  ist  aber  zu  bedenken,  dass  der  Begriff  iuventusj  wie  oben  an- 
gedeutet worden  ist,  sich  in  unserer  Zeit  verändert  hat.  Es  ist  eine 
schon  von  Eckhel®)  betonte  Thätsache,  dass  seit  dem  III.  Jahrh.  der 
Titel  princeps  iuventutis  vom  regierenden  Augustus  wie  vom  Thronfolger 
ohne  Unterschied  getragen  wird;  ihn  führen  sogar  Kaiser,  welche  nie 
Thronfolger  gewesen  sind.  Diese  Beobachtung  ist  von  Koch  und  Blanchet*) 
als  vollständig  richtig  nachgewiesen  worden.  Andererseits  verliert  sich 
im  in.  Jahrh.,  wie  schon  Koch  betont  hat,  der  enge  Zusammenhang  des 
princeps  iuvetUtäis  mit  der  Ritterschaft,  der  zuletzt  in  starker  Weise  auf 
den  Münzen  Getas  hervortritt.  Seit  M.  Aurel  und  Commodus  bieten  die 
Rfi.  der  Münzen  der  principes  iuventutis  rein  militärische  Typen,  welche 
zur  Betonung  des  Heereskommandos  des  Kaisers  geschaffen  worden  sind.*) 
Auch  unter  Severus  wird  insofern  zwischen  Caracalla  und  Geta  unter- 
schieden, dass  Caracalla  als  Heervorsteher,  Gteta  als  Ritterführer  er- 
scheint«) 

Im  Zusammenhange  damit  steht  auch,  wie  unten  (S.  90  f.)  zu  zeigen 
ist,  der  rein  militärische  Charakter  der  provinzialen  iuventus  seit  dem 
m.  JahrL  n.  Chr. 

Es  scheint  aus  diesen  Beobachtungen  zu  folgen,  dass  seit  Severus 
der  Rahmen  der  iuventus  sich  erweitert  hat.  Man  sorgt  zwar  auch  für 
die  körperliche  Erziehung  der  Ritter  (Senatoren  kommen  nicht  mehr  in 
Betracht),  dieselben  bilden  aber  nunmehr  nur  einen  Teil  der  iuvenhM^ 
welche  das  ganze  Wehrvolk,  alle  im  Dienste  stehenden  Soldaten  um- 
fasst.  An  die  Stelle  der  Politik  bezüglich  der  bevorzugten  Stände  tritt 
jetzt  auch  in  dieser  Frage  die  Heerespolitik.  Die  früheren  ngokgiToi 
Innddo^  werden  zu  principes  der  ganzen  militärischen  im  Dienste  stehenden 
Jugend. 


1)  Cohen  IV,  Geta  156—168.  Charakteristisch  ist  die  Münze  mit  dem  Kopfe 
Getas  und  der  Darstellung  des  Castor,  Eckhel,  Z>.  n.  VII  229;  De  FoTÜle,  Rev.  num. 
1909,  275.  Castor  ist  der  bekannte  Vorsteher  der  Ritterschaft,  der  göttliche  princeps 
der  Jugend  (im  alten  Sinne).  Sein  Fest  ist  der  Tag  der  transvectio  equitum 
(Mommsen,  Staatsr.  III  498;  Wissowa,  Religion  und  KuUus  216 ff.,  Tgl.  Hör.,  Carm. 
III  8).  Es  ist  möglich,  dass  in -der  Wahl  des  Typus  auch  der  Tag  der  Geburt  des 
Geta,  wie  Foville  hervorhebt,  mitgespielt  hat  (Scr.  h.  Äug,,  8ev.  1). 

2)  Eine  Übersetzung  der  Severischen  Einrichtung,  in  den  Rahmen  der  Djrarchie 
ist  der  vjtotniTizrje  der  Rede  des  Maecenas  bei  Dio  (52,  21).  Das  Amt  hat  wohl  nie 
existiert,  s.  Hirschfeld,  Vene.  66,  4. 

8)  Eckhel,  D.  n.  VHI  876-879.  ... 

4)  Koch,  De  principe  iuventutis,  Lips.  1888;  iuBlaiiditl|^JEIIiHifl9-ltt^iliiik  I-lft 

5)  Koch,  a.  a.  0.  85  f.  .**-     ••       '- 

6)  Cohen  IV,  CaracaUa  502— 507;  G^a  156^ 


78  M.  Bostowgew^ 

Aus  den  späteren  Zeiten  haben  wir  leider  keine  Nachrichten.  Von 
den  iuvenäUa  Gk)rdians  wird  noch  die  Rede  sein:  sie  haben  mit  Rom 
nichts  zu  thun.^)  Aber  noch  zu  Zeiten  des  Sidonius  Apollinaris  hören 
wir  von  circensischen  Spielen  privaten  Charakters,  an  denen  vornehme 
Jünglinge  —  iuvenes  aulici  —  teilnahmen.*)  Die  alte  Tradition  scheint 
nie  gänzlich  vergessen  worden  zu  sein. 

Dies  sind  die  verschiedenen  Veränderungen,  welche  die  Augustische 
Institution  durchgemacht  hat.  Aus  älteren  Keimen  entstanden,  sollte  sie 
die  körperliche  und  moralische  Kraft  der  Jugend  heben.  In  den  Zeiten 
Neros  macht  man  aber  daraus,  die  Augustischen  Ziele  verkennend,  ein 
Hofpagencorps  mit  rein  sportlicher  Erziehung.  Nach  Nero  schwankt 
man  zwischen  den  beiden  Auffassungen  hin  und  her,  öfters  zu  dem  Augusti- 
schen System  wieder  zurückkehrend. 

Die  monarchische  Tendenz,  welche  ich  mehrmals  hervorgehoben  habe 
und  die  seit  Nero  stark  hervortritt,  nannte  ich  hellenistisch  und  zwar 
nicht  im  allgemeinen  Sinne,  aber  speziell  in  Beziehung  auf  die  vor- 
nehme Jugend.  Dies  bedarf  näherer  Beweise.  Seit  Nero  sahen  wir  die 
ritterliche  Jugend  zu  einem  richtigen  bewaffneten  Pagencorps  umgebildet; 
dies  Pagencorps  bildet  die  stete  Begleitung  des  Kaisers,  unter  Galba  hält 
es  unter  dem  Namen  evacati,  mit  den  Soldaten  konkurrierend,  bei  der 
Person  und  im  Palaste  des  Kaisers  eine  Ehrenwache,  unter  Domitian  er- 
scheint das  Collegium  der  Jugend  im  kaiserlichen  Palaste  in  Alba  an 
den  Spielen  ihres  Namens  thätigen  Anteil  nehmend,  immer  also  in  engster 
Verbindung  mit  der  Person  des  Kaisers,  als  Teil  seines  Gefolges,  wenn 
nicht  seines  Hofhaltes.  Das  Vorbild  dazu  fanden  wir  in  der  cäsarischen 
Ritter-  und  Senatorenwache,  es  liegt  aber  noch  weiter  zurück. 

Das  wirkliche  Vorbild  sind  meiner  Ansicht  nach  die  ßaaiJuxol  naldtg 
oder  vaaviaxoi  (pl  negl  ri)y  ail^Vy  'ligdvuoi)  der  hellenistischen  Höfe. 
Leider  sind  unsere  Nachrichten  über  diese  hellenistische  Institution  nicht 
besonders  reichhaltig,  die  Hauptzüge  kennen  wir  jedoch.^) 

Seit  Philipp  von  Makedonien  sind  die  ßaa^hxol  naJdis  bekannt 
Unter  Alexander  spielen  sie  eine  wichtige  Rolle.  Näheres  erzählen 
uns  davon  Arrian  und  Curtius  bei  Gelegenheit  der  Verschwörung  eines 
derselben,  nämlich  des  Hermolaos.^)  Danach  sind  die  /Haadixol  naidtg 
Kinder  vornehmer  Makedonier,  oao^  ig  tiXixlav  kfutgaxioivTo  (Arrian;  also 

1)  Scr.  h.  Äug.y  Oordiani  III 4. 

2)  Sid.  Apoll.,  carm.  XXIU  810 ff.:  mos  est  Ccttsaris  hie  die  bis  uno  \  (privates 
voeüant)  parare  ludos,  |  tunc  coetus  iuvenum  sed  atdieorum  |  Elei  simülacra  torva  campi  \ 
exercet  spcUiantibus  qu<idrigis ....  Man  darf  aber  v.  428  iuvencUibus  peractis  nicht, 
wie  es  gewöhnlich  geschieht,  auf  Spiele  beziehen. 

3)  Zusammengestellt  sind  die  Nachrichten  am  vollständigsten  bei  Beloch,  Grieeh, 
Gesch,  III  889  f.,  vgl.  898;  mehrere  falsche  Zitate  findet  man  bei  Breccia,  Studi  dt 
stör.  arU.  IV  80;  auf  Suidas  s.  v.  ßaalUioi  italdae  hat  Ditteoberger,  Inscr.  Or.  1247 
hingewiesen. 

4)  Arn,  Änab.  IV  18,  1  f.;  Curtius  VIII  6,  2  ff. 


Römische  BlaHeiB&rm. 


n 


Im  Alter  unserer  Urones),  welche  ausgewählt  werden  {xaTotXfys<T&0t  bei 
Arrian,  Ciirtios  spricht  von  freiwilligem  Eintritt  —  trmlere)^)  Sie 
<lienten  dem  K5mg  und  hielten  neben  den  Soldaten  (Curtius)  Wache  vor 
seinem  Schlafzimmer;  sie  präsentierten  ihm  das  Pferd  zum  Ritte  und 
halfen  ihm  auf  den  Sattel,  begleiteten  ihn  auch  bei  der  Jagd  ond  in 
den  Schlachten  (das  Letztere  Curtius  allein):  auch  assen  sie  mit  dem 
Könige  und  zwar  sitzend  ((urtius).  Der  K«jnig  hatte  allein  das  Recht, 
sie  zu  bestrafen  (Curtius).  Allen  war  eine  höhere  Bildung  eigen  (OurtiusK 
Sie  waren  die  Pflanzschule  späterer  höherer  Beamten  (Curtius).  Bei  dem 
Tode  Alexanders  standen  sie  auf  der  Seite  des  Perdikkas  (Gurt.  X  7,  16). 
In  Makedonien  können  wir  ihre  Existenz  bis  auf  Perseus  verfolgen.-) 

Für  Syrien  sind  sie  einmal  ausdrücklich  erwähnt  (PoK,  V  82,  13) 
und  zwar  um  zu  betonen,  dass  einer  der  militärischen  Anführer  ge- 
wesener na7g  ßaaikisto^  war.  Vielleicht  figurieren  die  nalÖBg  unter  dem 
Namen  itftißot  auch  in  dem  Zuge  des  Antiochus  rV'  (Athen.  V  194  f),^) 
obwohl  es  auch  wirkliche  Antiocheuische  Epheben  sein  können. 

In  Ägypten,  berichtet  uns  Suidas  (s,  v.  ßaaiXuot.  naldi^),  gab  es 
deren  6000  und  sie  erlernten  die  Kriegskunst.  Damit  stimmt  was  Poly- 
bios  (XVI  21  (itf.)  von  Tlepolemos  berichtet:  er  verbringe  seinen  Tag 
atpmfofiaxoiv  xai  n^og  tu  ^ugmm  dtafiiXlwfiivos  iv  tolg  onlo$g.  Die 
nal8f^  oder  viav^aKoi  verschmUhen  eM  zuweilen  nicht  als  bewaffnete  Mann- 
schaft zu  fungieren  (l^lyb.,  XVIII  53,  8).  Vielleicht  ist  damit  auch  ein 
Papyrus  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Ämh.  pap.  II,  39,  zu  verbinden  mit 
Grent  1, 30  (Kicci,  Arek  f,  Papyr,  II,  5 1 7),  vom  J.  1 03  v,  Chr.  ist  ein  Brief  eines 
gewissen  floQuig  if[y}i^wp  rwv  Iv  n^oxnQiü'ß^  und  der  [ix]  rov  ai}uiiov 
utavitfxoi  gerichtet  an  Soldaten  und  zwar  an  einen  dynastischen  Verein 
derselben  (vgl  Ricci,  ebda.,  515  mit  der  Herstellung  Wilkens  iymi/t)y, 
deren  viele  aurh  sonst  bekannt  sind.*)  Diese  auserwahlten  Jimglinge, 
die  den  Soldaten  so  nahe  stehen,  möchte  ich  mit  den  6000  Jünglingen 
des  Suidas,  die  in  Makedonien  sicher  von  dem  König  erwählt  werden,  in 
Zusammenhang  bringen.  Die  Agone,  wohl  zu  Ehren  des  Königs,  dienten 
ftlr  sie  als  (lelegenheit  das  bei  den  Waffenübungen  Erlernte  zu  zeigen. 

In  dieseibH  Keihe  gehören  auch  die  j't«W<rxo<  UgmHOi  aus  Ji^icilien.^) 

C^ewiss  war  den  Kömern  diese  hellenistische  Institution  gut  bekannt; 
sie  war  tiberall   verbreitet  und  existierte  bis  in  die  spätesten  Zeiten  in 


wobl 


1)  S^>äter,    wtyUiT    Persoui,    bi^scicbiiei  »ie   Livius  XXV  6  ftla  ^i$dU^ 
auch  dtt«  lUcbiige  t«t. 

^  Polyb,  XVI  22,  5:   flt^U^T^q  d   i^ij^^H   mttxmtU^^a^  th  ^^  MamiovUtff 

B)  Siclic^rltcli  uhrr  sind  die  später  «rwMhrit^n  (195^)  7tatd§g  ßaütXiKol  Sklaveo, 
da  ftie  die«elbirn  Fttnktioncn  erfüUenf  wie»  die  SkUvfis  dei  Diouytitts;  aadera,  abfi 
hd§ch  Bfeccia^  a.  a*  O. 

4)  S.  Strack,  lH4i  tyynoMU  der  l*tol€mder  lOB;  L  Gr.  Im.  IM  44^;  Ziebarth, 
Vertinm,  Cl,  ri2;  P.  Mt-yi-r,  Hefntt$tn  «ü  und  88;  Witcken,  Archiv  11  123, 

5)  Imcr.  Sic.  d  IL  140;  ilulm,  Getck.  Sic.  SB  und  U7. 


82  M,  Bostoweew^ 

Ulubrae;  im  Gebiete  der  Sabiner:  Beate,  ^)  ager  Amiterninus,  Nuräa, 
Trebula  Mutuesca;  Etrurieü:  Alsium,  Capena,  Falerii,  Lucus  Feroniae, 
Nepete,  Sutrium,  Tarquinii,*)  Volsinii')  und  vielleicht  Cortona;  Umbrien: 
Ameria,*)  Carsulae,  Ocriculum,  Pisaurum,  Spoletium;*^)  im  Gebiete  der 
Vestiner:  pagus  Fificulanus;  Campanien:  Capua  und  Neapolis; 
Samnium:  Beneventum;«)  Apulien:  Venusia  (?);  im  cisalpinischen 
Gallien:  Aquileia,  Bergomum,  Betriacum,  Brixia,  Mediolanium,  Novaria, 
Augusta  Taurinorum,  Verona. 

In  den  Provinzen:  Gallia  Narbonensis:  Narbo,^  Aquae  Sextiae, 
Gratianopolis,  Vienna;  Alpes  Maritima e:  Vintium;  Aquitania:  Agin- 
num;8)  Belgica:  Augusta  Treverorum  (jetzt  CIL.  XIII  3708,  vgl.  oben 
S.  81),  bei  Bitburg  {CIL.  Xm  4131);  Germanien:  Altenstadt,  Mar- 
bach,  Neuenstadt,  Vicus  Aurelii,  Moguntiacum,  Sumelocenna  (vgL  noch 
CIL.  xm  6453);  Noricum:  Lauriacum,  Virunum;  Pannonien:  Poe- 
tovio,  Brigetio;  Dalmatien:  Narona;  Baetica:  Nescania.  In  Afrika 
spielten  die  Rolle  der  luvenesvereine  die  iuventus  oder  iuniares  der 
Curien.») 

Die  meisten  Erwähnungen  unserer  Collegien,  namentlich  in  Italien 
und  Gallien,  gehören  ins  11.  Jahrh.^®),  in  Germanien  ins  11.  und  III.  Jahrh. 
Die  Inschriften  des  I.  Jahrh.  stammen  aUe  aus  Latium  und  zwar  haupt- 
sächlich aus  Lanuvium  {CIL,  XIV  2121  vielleicht  noch  aus  der  Zeit  des 
Augustus)  und  Tusculum.^0  Denselben  Städten  und  derselben  Zeit  ge- 
hören auch  alle  die  oben  angeführten  Tesseren  an.    Ausserhalb  Latiums 


1)  Dio  66,  15. 

2)  S.  852. 

3)  S.  870, 

4)  S.  auch  CIL.  XI  4390. 

5)  Not  d.  Sc.  1900,  141;  Böm.  Mitt  1900,  225. 

6)  Telesia  würde  auch  zu  verzeichnen  sein,  wenn  die  Form  für  die  Tesseren 
CIL.  1X6087,  1;  S.  Append.,  3599  und  tab.  XII  7  echt  wäre,  s.  die  russische  Auflage 
dieses  Buches  S.  248. 

7)  CIL.  XII  4371. 

8)  Auf  die  tuvenes  möchte  ich  auch  eine  vor  kurzem  im  Walde  von  Rouvraj 
(Seine  inferieure)  gefundene  Tessera  beziehen.  Auf  der  einen  Seite  derselben  ist  Mars  dar- 
gestellt, auf  der  anderen  steht  die  Inschrift  curato(r),  s.  Bull,  de  la  comm.  des  ant.  de 
la  Seine  inf.  1902,  302,  cf.  Rev.  num.  1902,  481  und  die  russische  Auflage  dieses 
Buches  261,  Fig.  3. 

9)  CIL.  VIII  1886  =  16509;  Cagnat,  Ann.  ipigr.  1896,  n.  32,  cf.  den  Beinamen 
der  Kolonie  Cirta:  cohnia  Julia  luvenalis  Honoris  et  Virtutis,  CIL.  VIII,  7041,  7071. 

10)  Dem  zweiten  Jahrh.  gehören  mit  Sicherheit  CIL.  XIV  4178b;  2113  (Commodus) 
3684,  3638  (Commodus  oder  Caracalla),  2636  (131  n.  Chr.);  1X4753  (Traian)  an.  Die 
undatierten  scheinen  zum  grössten  Teile  derselben  Zeit  anzugehören.  Aus  dem  dritten 
Jahrhundert  sind  die  Inschriften  aus  Beneventum :  CIL.  IX  1681,  Brixia  V  4355,  Ocri- 
culum XI  4086,  Carsulae  XI  4580,  4589. 

11)  CIL.  XIV  2592  aus  der  Zeit  des  Tiberius;  wohl  aus  derselben  Zeit  sind 
CIL.  XIV  2631.  2635.  2640.  Ins  erste  Jahrh.  gehört  auch  die  Inschrift  von  Velitrae 
CIL.  X  6555. 


Bömi8(^  Bleitesserae.  83 

finden  sich  Erwähnungen  aus  dem  I.  Jahrh.  nur  in  Falerii  (CIL.  IX  3123) 
und  Beate  (CIL.  IX  4696). ^ 

Diese  chronologischen  Beobachtungen  lassen  mit  grösster  Wahrschein- 
lichkeit auf  das  Entstehen  der  Vereine  in  den  der  Stadt  Rom  am  nächsten 
liegenden  Munizipien  und  auf  die  Verbreitung  derselben  aus  diesem 
Zentrum  nach  Mittel-  und  Norditalien  und  den  Provinzen  im  n.  und  HL  Jahrh. 
schliessen. 

Mit  dieser  allmählichen  Verbreitung  der  Institution  selbst  geht  auch 
ein  Wechsel  in  der  Benennung  der  Vereine  Hand  in  Hand.  In  Lanu- 
vium  heisst  der  Verein  soddles  Lanivini  (S.  849)  und  steht  in  engsten 
Beziehungen  zu  den  sacra  Lanivina  iuvenalia  (S.  850) ,  was  uns  erlaubt 
die  soddles  der  Tessera  mit  den  iuvenes  Lanivini  der  Inschrift  CIL.  XIV  4178^* 
aus  dem  II.  Jahrh.  zu  identifizieren.^)  Auch  inTusculum  heisst  der  Verein 
im  frühen  I.  Jahrh.  sodales  TusaUani  (resf.  Tusctdanae  S.  8b9 — 861);  seine 
Verbindung  mit  den  iliuven(aliä)  Tusc{u)l(and)  oder  i}uven(es)  TtMc(u)l{ani) 
{S.  858)  steht  ausser  Zweifel.  Daneben  nennt  man  in  der  alten  Inschrift 
CIL.  XIV  2640  denselben  Verein  sodalcs  lusus  iuvenaliSj  vgl.  2635.  2636: 
soddlis  iuvenum  und  2631  einfach  soddles,  wie  auf  den  Tesseren. 

Sonst  kommt  die  Erwähnung  des  lusus  iuvendlis  oder  iuvenum  nur 
in  Verbindung  mit  dem  Titel  curator  und  zwar  in  Inschriften  sowohl  des 
ersten  wie  des  zweiten  Jahrhunderts*)  vor. 

Am  verbreitesten  ist  aber  schon  im  ersten  und  dann  im  zweiten 
Jahrhundert  der  Name  iuvenes  oder  iuventus  mit  oder  ohne  Beinamen. 
Die  Beinamen  weisen  entweder  auf  die  heimische  Stadt  oder  auf  die  Haupt- 
gottheit des  Vereins  hin.*)  In  Germanien  ist  die  Beifügung  des  Stadt- 
oder besser  hier  des  Dorfnamens  die  Regel,*) 

Die  Bezeichnung  collegium  für  unsere  Vereine  ist  spät  und  kommt 


1)  Vgl.  CIL,  IX  4543  aus  Nursia. 

2)  Ganz  dasselbe  in  Velitrae,  wo  noch  auf  die  engste  Verbindung  mit  dem  Muni- 
zipium  hinzuweisen  ist:  die  soddles  Vditemi  feiern  die  iuvenalia  und  beglückwünschen 
das  Muuizipium  S.  864—866.    Vgl.  auch  die  sodaQes)  Vols(inienses)  S,  870. 

3)  CIL.  XIV  409  —  Ostia;  2592  —  Tusculum;  X  6555  —  Velitrae;  XI  4371,  4386, 
4395  —  Ameria. 

4)  Ohne  Beinamen,  in  Latium:  CIL.  XIV  409,  2113,  2621;  X5151;  in  Eturien: 
XI  3123;  in  Umbrien:  XI 4086,  4395;  in  Campanien:  X  1493,  8909.  Mit  dem  Stadt- 
namen in  Verbindung:  iuvenes  Verulani:  S,  867,  Tgl.  871— 873;  iuvenes  Tarquinienses: 
aS.  852;  iuventus  An{agn)ina  CIL.  X  5919;  iuvenes  Fificulani:  IX  3578;  lAtcoferonenses : 
XI  3938;  Nepessini:  XI  3210 ;  Brixiani:  V  4354,  4416,  4459;  Ärianorum:  V  5742 ;  Coro- 
gennaies  V  5907  (für  die  beiden  letzteren  s.  Nissen,  ItcA,  Landesk.  II  1  183).  Über  die 
Verbindung  mit  einer  Gottheit,  s.  unten  S.  86  f. 

5)  Brambach,  CIRh.  1000.  1138,  1629,  dazu  Romemann,  Zur  Stadtentstehung  in 
den  ehemals  kelt.  u.  germ.  Geh.  d.  Römerreichs  51  f. ;  s.  auch  die  spanischen  Laurenses : 
CIL.  II  2008. 

6» 


84  M.  BostowaeWy 

fast  ausschliesslich  in  Norditalien,  mit  Ausnahme  von  Carsulae  und 
Anagnia,  vor.^) 

Ganz  vereinzelt  sind  die  Namen  soddlicium  (Augusta  Taurinorum, 
CIL,  V  6951),  corpus  (Reate,  IX  4696),  Studium  (Beneventum,  IX  1681) 
und  thiasus,  der  letztere  wohl  unter  griechischem  Einflüsse,  in  Narona 
(m  1828). 

Danach  scheint  die  älteste  Benennung  sodales  sacrorum  iuvendUum 
einer  Stadt  oder  sodales  lusus  luvenaUs  (resp.  iuvenum)  gewesen  zu  sein. 
Aus  diesem  komplizierten  Namen  greift  man  das  Charakteristische,  näm- 
lich iuvenes  oder  iuventus^  ohne  Hinweis  auf  coUegiale  Organisation  heraus; 
man  setzt  zu  diesem  Namen  zuweilen  nur  den  Hinweis  auf  das  Muni- 
zipium  oder  eine  Gottheit  hinzu. 

Dadurch  unterscheiden  sich  unsere  Vereine  stark  von  den  anderen 
Vereinen  einer  Stadt  und  erst  spät  nähern  sie  sich  den  letzteren  an, 
indem  sie  die  Bezeichnung  colUgium  oder  ähnliche  annehmen. 

Schon  der  Name  allein  spricht  dafür,  dass  wir  es  mit  einer  In- 
stitution zu  thun  haben,  welche  im  munizipalen  Leben  eine  abgesonderte 
Stellung  hat,  indem  sie  die  iuventus  der  einzelnen  Städte  als  ein  Ganzes 
erscheinen  und  wirken  lässt.  Dieser  erste  Eindruck  wird  durch 
die  Erforschung  der  inneren  Organisation  der  Vereine  vollständig  be- 
stätigt. 

Soweit  zu  ersehen  ist,  findet  man  unter  den  Magistraten  unserer 
Vereine  fast  keine  Freigelassenen.  Drei  Ausnahmen  von  dieser  Regel  be- 
stätigen dieselbe;  denn  der  Agilius  Septentrio  aus  Lanuvium  {CIL  XIV  2113) 
ist  wohl  nur  als  bekannter  Pantomim  seiner  Zeit  und  Liebling  des 
Commodus^)  in  den  Verein  als  aUeetus  /w^er  ittvcne«  auf  genommen  worden ; 
T.  Trebulanus  T.  lib.  Nepos  (CIL.  XIV  3684)  verdankt  wohl  die  Auf- 
nähme  seinem  Patron;  nur  für  Q.  Octavius  Q.  1.  Pob.  Primus  {CIL  V  3415) 
kennen  wir  die  nähere  Ursache  nicht. ^)  Zu  betonen  ist  aber,  dass  wir 
in  allen  drei  Fällen  sicher  nicht  mehr  im  ersten  Jahrh.  uns  befinden.*) 

Die  anderen  uns  bekannten  Namen  gehören  alle  der  munizipalen 
Aristokratie  an;  fast  alle  machen  eine  glänzende  munizipale  Karriere, 
wobei  ihre    Thätigkeit   in    den   Jugendvereinen    keineswegs    eine    sub- 


1)  Carsulae:  CIL.  XI  4579,  vgl.  4589;  Anagnia:  X  5928.  In  Norditalien  und  den 
Provinzen:  Brixia:  V  4355,  4416;  Vintium:  XII  22;  Lauriacum:  III  5678;  Poetovio: 
III  4045;  Brigetio:  III  4272;  in  Germanien:  CIBh.  1098,  1612,  1551,  1410. 

2)  S.  Paulj-Wissowa,  RE.  II  2433,  32. 

3)  Er  ist  auch  nicht  Magistrat,  sondern  sacerdos  iuvenum. 

4)  Auch  CIL.  IX  3578  wäre  eine  Ausnahme  (vgl.  Demoulin,  Mus.  b.  I  128—124), 
wenn  es  sicher  wäre,  dass  die  aufgezählten  Personen  Mitglieder  des  Vereins  der  iu- 
venes Fificulani  sind ;  denn  unter  den  aufgezählten  Personen  kommen  Freigelassene  und 
sogar  Sklaven  vor.  Nun  ist  aber  zu  bedenken,  erstens,  dass  wir  nicht  in  einer  Stadt 
sind,  zweitens,  dass  es  keineswegs  sicher  ist,  dass  das  Verzeichnis  wirklich  die  iuvenes 
au&ählt  (s.  die  letzte  Zeile,  die  vielleicht  VI  vi]r(t)  Aug(ustales)  zu  ergänzen  ist). 


Bömische  Bleitesserae.  86 

ordinierte  Rolle  spielt.  So  z&hlt  der  Valerius  der  Angustischen  Inschrift 
CIL.  XIV  2121  seine  Karriere  in  folgender  Ordnung  auf:  aed{ili3)  d%ct(ator) 
pracf{ectus)  iuventutis.  In  der  Inschrift  des  Sentius  {CIL.  XIV  409)  steht 
die  Quästur  bei  den  iuvei\cs  neben  der  munizipalen.  Charakteristisch  ist 
auch  die  Inschrift  von  Tusculum:  CIL,  XIV  2636:  M,  PotUio  M.  f.  Quir.  FeUci 
senatori  aedüi  fnunic{ipi)  sodaU  it€mq{u€)  acdili  et  curat{ori)  8odäl(ium), 
In  Fabrateria  ist  der  Patroh  des  Munizipiums  zugleich  Patron  der  tu- 
venös  (CIL.  X  5651  cf.  XI  4086);  in  Anagnia  ist  der  Patron  der  Stadt 
zu  gleicher  Zeit  Priester  der  Jugend  (CIL.  X  5919). 

Unter  den  iuvenes  begegnen  wir  öfters  römischen  Rittern/)  von  denen 
einer  eine  vortreffliche  prokuratorische  Karriere  macht. *)  Interessant  ist 
es,  dass  die  ritterliche  munizipale  Familie  der  Flavier  in  Reate  mit  den 
reatinischen  Jünglingen  eng  verbunden  war,  so  dass  noch  Titus  als  Mit- 
glied an  den  Spielen  des  reatinischen  CoUegiums,')  in  welchem  vielleicht 
sein  Grossvater  magister  war,*)  thätigen  Anteil  nimmt. 

Es  ist  also  klar,  dass  die  Mitglieder  der  luvenesvereine,  wenigstens 
in  den  ersten  Zeiten,  ausschliesslich  aus  Freigeborenen,  zum  grossen 
Teil  aus  Rittern,  bestaDden.^)  Die  besten  Familien  der  Stadt  hatten 
ihre  Vertreter  als  Mitglieder  und  Magistrate  in  den  Vereinen  dei-  Jugend. 

Dieser  aristokratischen  Zusammensetzung  gemäss  spielen  die  iuvenes 
im  Munizipalleben  eine  wichtige  Rolle.  Dem  Range  nach  werden  sie 
nur  den  Augustalen,  und  auch  diesen  nicht  überall  und  nicht  immer  gleich- 


1)  CIL,  IX  4885,  4888;  X  1498  (von  KrascheDinoikow ,  Bdfnisehe  muninpale 
Priester  und  Priesterinnen  78,  Adid.  117  (ruBsisch)  rerdächtigt),  8909,  5928,  6555. 

2)  T.]  Prifemius  P.  f.  Qui,  Paetus  Memmius  Apoüinaris  aus  Reate,  s.  Prosop. 
imp.  R.  ni  94,  640. 

8)  Dio  66,  15,  2:  6(payäg  dh  6  Oöiönaüiavbg  ^rigUop  fikv  inoiBlto  iv  totg  ^satgoig 
liovo^iaxiccis  dh  icvdQ&v  oi)  ndw  xi  l^^tpe,  xaLxoi  xof>  Tixov  iv  xatg  x&v  veavlüxmp 
naidialg  xatg  iv  x^  naxgldi  a^ot)  xsXaviiivaig  axuciucxrioavx6g  noxt  ngbg  xbv  'AXirivbv 
onXoig.  AlienuB  ist  wohl  Caecina  AlienuB,  der  bekannte  Verräter  GalbaB  und  des  Vi- 
tellius  (Prosopogr.  I  255,  71),  welcher  aus  Vicetia  stammte  und  wohl  zu  dem  Vicenti- 
nischen  Verein  gehörte.  Der  Verein  der  iuvenes  und  der  lusus  tuvenum  in  Keate  sind 
aus  mehreren  Inschriften  bekannt,  CIL.  1X4691,  4696,  4753,  4754,  vgl.  Böm,  MitL 
1900,  223  ff. 

4)  CIL.  IX  4696  lautet :  d.  m.  \  Valeriae  lucundae  |  quae  fuit  corpore  iuv(enum)  \ 
vixit  annis  XVII  m.  IX  T.  F[l(avius)\  Sabinus  VI  vir  Äug{ustalis)  \  nuig(ister)  tMr(«- 
ft um).  Der  T(itus)  Flavius  Sabinus  kann  ganz  gut  der  Vater  Vespasians  sein,  s.  Suet., 
Vesp.  1:  huius  filius  cognomine  Sabinus  (wohl  als  ein  in  Reate  geborenes  Kind)  ex- 

pers  militiae  publicum  quadragesimae  in  Asia  egit .  .  .  postea  faenus  apud  Hdvetios 
exercuit  ibique  diem  obiit ...  Er  könnte  also  ganz  gut  seeir  und  tnagister  iuvenum 
in  seiner  sabinischen  Stadt  gewesen  sein.  Die  Inschrift  ist  allerdings  von  Mommsen 
verdächtigt  worden,  wohl  aber  ohne  Grund,  s.  dagegen  Waltzing,  Corp.prof.  III,  n.  1587 
und  Mus.  6.,  1901,  133. 

5)  Ausser  den  oben  angeführten  Zeugnissen  s.  noch  die  Inschrift  von  Nepet, 
CIL.  XI  325:  mag{ister)  iub{enum)  sevir  [eq]uitum  praetor  iuventutis.  Es  scheint,  dass 
in  Nepet  die  Ritterschaft,  welche  zu  dem  Jugendvereine  der  Stadt  gehörte,  sich  nach 
römischer  Art  in  turtnae  einteilte  und  an  die  Spitze  jeder  turma  besondere  seviri  stellte, 
8.  Mommsen,  Staatsrecht  III  524,  4. 


86  Jf.  Bostowsetv, 

gestellt.  1)  Überhaupt  scheinen  sie,  nach  den  Inschriften  zu  urteilen,  mit 
den  Äugustalen  eng  verbunden  gewesen  zu  sein.^) 

Mit  den  Äugustalen  haben  die  iuvenes  auch  die  engen  Beziehungen 
zu  der  regierenden  Dynastie  gemein.  Nur  dass  dieselben  der  aristo- 
kratischen Zusammensetzung  gemäss  etwas  anderer  und  zwar  vornehmerer 
Art  sind.  Das  oben  angeführte  Erscheinen  der  Kaiserköpfe  auf  den 
Tesseren  der  Vereine  konnte  natürlich  nur  mit  kaiserlicher  Erlaubnis 
geschehen.  Die  Kaiser  und  Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie  inter- 
essierten sich  demnach  sicher  für  unsere  Vereine,  es  ist  sogar  wahrschein- 
lich, dass  ihre  Köpfe  auf  Jünglingsmarken  von  einer  Unterstützung  der 
Vereine  seitens  der  Kaiser  Zeugnis  ablegen. 

Damit  steht  vielleicht  im  Zusammenhange  auch  die  Thatsache,  dass 
zuweilen,  anstatt  der  gewöhnlichen  magistri  oder  sogar  neben  ihnen,  praefecti 
und  praetores  als  Vereinsmagistrate  fungierten.^)  Ob  sie  nun  als  ausser- 
ordentliche von  der  Curie  bestellten  Magistrate*)  oder  Vertreter  hoher 
Persönlichkeiten  anzusehen  sind,  bezeugen  sie  immerhin  eine  Besonderheit 
der  Organisation,  welche  nur  in  den  militärisch  organisierten  Collegien 
ihres  gleichen  findet.*) 

Auch  der  curatar  lusus  (zu  unterscheiden  vom  gewöhnlichen  curator) 
ist  eine  Besonderheit  unserer  Vereine.^) 

Aus  dem  Gesagten  scheint  mit  Deutlichkeit  hervorzugehen,  erstens 
dass  unsere  Vereine  erst  seit  dem  Anfange  des  ersten  Jahrhunderts  uns 
näher  bekannt  werden,  und  zwar  in  der  nächsten  Umgebung  Roms, 
zweitens  dass  sie  engstens  mit  dem  Munizipium  als  solchem  verwachsen 
sind,  so  dass  sie  in  Africa  nur  eine  Unterabteilung  der  munizipalen  curiac 
sind,  drittens  dass  sie  fast  ausschliesslich  aus  Mitgliedern  der  höheren 
Klassen  zusammengesetzt  sind,  viertens  dass  fast  alle  ihre  Beamten  zur 
Stadtaristokratie  gehören,  fünftens  dass  sie  mit  der  munizipalen  Ritter- 
schaft eng  verbunden  sind,  endlich  dass  sie  mit  dem  Kaisertum  in  ziem- 
lich enger  Verbindung  stehen. 


1)  CIL.  IX  4691,4543;  V  3450;  XI  4371,4589.  Den  Äugustalen  voran  gehen  sie 
in  CIL.  XI  4579,  vgl.  Waltzing,  Corp.  prof.  II  185;  0.  Toller,  De  spectaculü  cenis  di- 
atributionihtis  etc.,  Altenb.  1889,  69. 

2)  S.  z.  B.  CIL.  XIV  3684  (Tibur)  und  besonders  CIL.  XIV  3638. 

3)  Über  die  Organisation  der  Vertretung  in  den  Collegien  s.  die  oben  angeführte 
Arbeit  von  Demoulin.  Ich  brauche  seine  Resultate  nicht  zu  wiederholen.  Praefecti 
kommen  in  Lanuvium  CIL.  XIV  2121  im  I.  Jahrh.  und  in  Poetovio  {CIL.  III  4045) 
im  dritten  vor.  Ist  es  in  Lanuvium  eine  Vertretung?  Vgl.  CIL.  XI  3256.  Praetor, 
Demoulin,  a.  a.  0.  129. 

4)  Demoulin,  a.  a.  0. 

5)  Waltzing,  Corpor.  prof.  II  352  ff. 

6)  Demoulin,  a.  a.  0.,  127.  Der  gewöhnliche  curator  konnte  in  einigen  Vereinen 
die  Funktionen  des  Quästors  inne  haben,  s.  CIL.  XI  3123, 4390,  vgl.  Krascheninnikow, 
Die  Aitgustalen  und  das  Sacralmagisterium  (russisch),  132. 


Bömische  Bleüesserae.  87 

Nun  kommen  noch  zwei  wichtige  Momente  dazu:  erstens  die  religiöse 
und  sacrale  Seite  der  Vereinsbildung,  welche  schon  oben  auf  Grund 
der  Tesseren  hervorgehoben  worden  ist,  zweitens  die  enge  Verbindung 
der  Vereine  mit  einer  besonderen  Art  der  Spiele,  dem  lusus  iuvenalis. 

Die  Verbindung  der  iuvenes  mit  den  munizipalen  sacra  haben  uns 
die  Lanuvinischen  Tesseren  und  die  Tesser'a  von  Tarquinii  vor  Augen 
geführt.  Dieser  religiöse  Charakter  der  Verbindungen  wird  durch  eine 
Reihe  religiöser  Beinamen,  welche  die  Vereine  annehmen,  bestätigt.  So 
nennen  sich  Dianenses  die  iuvenes  aus  Nepet  (CIL.  XI  3210),  Herculani 
die  aus  Fabrateria  vetus  (X  5657)  und  Tibur  (XIV  2638);  cuUores  dci 
Herculis  nennen  sie  sich  in  Beneventum  (IX,  1681)  und  im  pagus  Fifi- 
culanus  (IX  3578),  vgl.  die  Tessera  von  Trier;  Ncmesii  heissen  sie  in 
Vintium  (XII  22),^)  a  fano  lovis  in  Aginnum  (XIII  913);  weniger  sicher 
ist  das  coll{cgium)  iuv(€num)  M{arteimum)  F(prtensium)  (XI  4086).  Das 
coUegium  Honoris  et  Virtutis  in  Narbo  ist  wohl  ein  Verein  der  iuvenes 
(Hirschfeld  ad  CIL,  XII  4371),  wie  auch  die  ludi  Honoris  et  Virtutis  in 
Tarracina  wohl  iuvenalia  waren.*) 

Merkwürdig  ist  es,  dass  der  Zusammenhang  mit  dem  Stadtkultus  in 
den  Inschriften  weniger  hervortritt,  dass  dagegen  die  Gottheiten  der 
Vereine  alle  einen  speziellen  Anstrich  haben:  es  sind  Götter  des 
militärischen  Lebens  und  des  Spiellebens. '^) 

Auch  der  Kultus  des  Kaiserhauses  äussert  sich  in  den  Beinamen  der 
Vereine:  lusus  V{ictoriae)  Fißidtatis)  C{acsaris)  heissen  die  iuvenalia  in 
Ameria  {CIL.  XI  1395),*)  Augustdles  nennen  sich  die  iuvenes  in  Capua 
(X  3909)  und  Ameria  (XI  4395),  Äntoniniani  in  Tibur  (XTV  2638). 

Wie  spärlich  auch  die  Naclirichten  auf  Steinen  und  Blei,  welche  uns 
das  Leben  der  Vereine  veranschaulichen,  fliessen,  lassen  sie  doch  es  zur 
Genüge  ersehen,  dass  die  Hauptsache  für  die  Vereine  der  öfters  erwähnte 
lusus  iuvenalis  war. 

Dies  äussert  sich  schon  in  der  älteren  Form  des  Namens  und  dauert 
bis  in  die  spätesten  Zeiten  fort.  So  wird  in  CIL,  X  5928  der  Patron 
eines  collegius  (sie)  iuvenum  ob  renovatam  ab  eo  lusus  iuvenum  quod  ve- 
tustate  temporum  fuerat  obUteratum  (consuetudinem)  gerühmt.  Der  lustis 
bestand,  soweit  es  überliefert  ist,  aus  Tierhetzen  und  Gladiatorenspielen.*) 


1)  S*  gegen  die  AbleitQDg  yod  Nemesis  Demoulin,  a.  a.  0.,  122,  2. 

2)  CIL.  X  8260,  Tgl.  Mommsen,  CIL  I  394  und  den  schon  aDgeführten  Beinamen 
von  Cirta,  CIL.  VIII  7041,  7071,  cf.  6951  und  Mommsen,  ebda.,  618. 

3)  Vgl.   C.   Jullian   bei   Daremberg   et   Saglio,    Art.   iuvenes  783   und   Usener, 
a.  a.  0.  214,  215  und  225. 

4)  Vgl.  aber  Rrascheninnikow ,   Die  Äugustalen  und  das  Sacrahnagisterium  203, 
Anm.  447. 

5)  S.  CIL.  XI  4580:  editori  iuven(jüium)  ob  insignis  venationis  ab  eo  edita[8]  und 
3938 :  patrono  ob  merita  quod  amphü?^a]tru[m] . . .  8(ua)  p(ecunia)  f[ecü]  dedieavitque. 


88  M.  Bostowaew, 

Dabei  aber  fochten  auf  der  Arena  nicht  gedungene  Gladiatoren  undVenatoren 
sondern  die  jüngeren  Mitglieder  der  Vereine  selbst.  Das  letztere  bezeugt  die 
von  mir  kommentierte  Inschrift  aus  Spoleto,  wo  ein  pinnirapus  iuvenum  er- 
scheint i)  und  die  oben  (S.  85,  3)  angeführte  Erzählung  des  Dio,  in  welcher 
von  der  Teilnahme  des  Titus  bei  Gladiatorenkämpfen  der  iuvenalia  von 
Reate  erzählt  wird.  Der  letztere  Bericht  lässt  darauf  schliessen,  dass 
der  Kampf  in  Waffen  nur  eine  Fechtübung  war,  und  dass  es  sich  nicht 
um  das  Leben  der  vornehmen  Jugend  handelte.^) 

Auch  die  Teilnahme  der  iuvcncs  an  Tierhetzen  neben  dem  Gladiatoren- 
kampfe ist  gut  bezeugt  s.  CIL,  XU  533^,  3 — 7:^)  uno  minus  quam  bis 
dcnos  ego  vixi  per  armos  \  integer  innocuus  semper  pia  mente  probatus  \  qui 
docili  lusu  iuvenum  bcne  doctus  harenis  \  Pulcher  et  ille  fui  variis  eircum- 
datus  armis  (wohl  Gladiatur).    Saepe  feras  lusi  u.  s.  w. 

Nach  der  zuletzt  angeführten  Stelle  und  dem  Ausdrucke,  welchen 
Dio  gebraucht  {viaviaxmv  naiSiat)^  scheint  es  klar,  dass  es  wirklich  nur 
die  jüngeren  Mitglieder  waren,  die  bei  den  Spielen  thätig  auftraten;  den 
älteren  Mitgliedern  waren  wohl  die  Magistratsstellen  in  den  CoUegien 
reserviert. 

Zu  diesen  Spielen  bereiteten  sich,  wie  wir  aus  dem  oben  angeführten 
Gedichte  ersehen,  die  jungen  Leute  mit  grosser  Sorgfalt  vor,  indem 
sie  wohl  im  Fechten  und  anderen  körperlichen  Übungen  von  ihren  magistri 
oder  angeworbenen  Lehrern  {pinnirapus  iuvenumf)  unterrichtet  werden. 
Daneben  blühte  auch  die  Jagd,  hauptsächlich  die  Jagd  auf  wilde  Tiere; 
dies  sagt  uns  ausdrücklich  der  junge  Felicissimus ,  dessen  metrische  In- 
schrift wir  eben  schon  zum  Teile  ausgeschrieben  haben;  nach  der  aus- 
geschriebenen Stelle  folgt  (A  8 — 10)  —  medicus  tarnen  is  quoque  vixi^)  \  et 
comes  ursariSy  comes  his  qui  victima{m)  sacris  \  caedere  saepe  solent  et  qui 
novo  tempore  veris  \  floribus  intextis  refovent  simulacra  deorum.  Felicissimus 
war  also  zugleich  auch  Mitglied  eines  Collegiums  von  Bärenjägem,  eines  CoUe- 
giums  sacraler  Art,  dessen  Hauptgottheit  wohl  Diana  oder  Silvanus  war.*) 


1)  Rom.  Mitt  1900,  225,  wo  ich  luv.  III  152  ff.  zur  Erklärung  von  pinn(irapus) 
zugezogen  habe.  Die  iuvenes  des  pinnirapus  und  lanista  sind  aber  nicht,  wie  ich 
früher  mit  Friedländer  ad  1.  angenommen  habe,  Söhne  derselben,  sondern  ihre  famüia^ 
wie  der  Vergleich  mit  Seneca,  Controv.  X  4,  11:  facit  et  lanista  qui  iuvenes  cogit  ad 
gladium  zeigt.    Die  Stelle  gewinnt  dadurch  nur  an  Stärke. 

2)  Dio  66,  15;  es  heisst  dort  von  dem  Kampfe:  axiafucxv^ccvrog  .  .  .  oitXoirg. 

3)  Vgl.  Buecheler,  Carm.  epigr.  465;  Cholodniak,  Carmina  sepulcr.  1160. 

4)  Vgl.  CIL.  VI  9610 :  medicus  equarius  et  venator, 

5)  Solch  ein  collegium  s.  Ber.  der  ant.  Ges.  in  Zürich,  1868,  65,  vgl.  CHUt,  211 
und  Cagnat,  Rev.  arch.y  1895,  I  218  (auf  dem  zweiten  der  von  Cagnat  publizierten 
Disken  ist  sicherlich  ein  vivarium  dargestellt,  s,  die  Inschriften  CIL.  VI  130;  CIRh,  336, 
vgl.  C.  VI  10210  und  Eph.  ep.  IV  524).  S.  auch  die  Inschriften  der  Collegien  von 
venatoreSj  Waltzing,  Corp.  prof.  I  198,  3,  cf.  207;  II  157.  Es  ist  nicht  leicht,  in  den 
Inschriften  wirkliche  Jäger  von  Bestiariern  zu  unterscheiden.  Alle  für  Bestiarier  zu 
erklären,  wie  es  Waltzing  und  C.  Jullian,  1.  1.,  783,  51  thun,  ist  sicher  verfehlt, 
vgl.  Domaszewski,  PhilologuSy  1902,  5  ff. 


Bömisehe  Bleitesserae,  89 

Die  sacrale  Grundlage  der  Jagd  ist  genügend  durch  Schriftsteller,  In- 
schriften und  Darstellungen  bezeugt.^) 

Aus  diesen  Nachrichten  ersieht  man,  dass  das  Leben  der  iuvenes  sich 
auf  sacrale  Handlungen  und  die  ursprünglich  einen  Teil  davon  bildenden 
Spiele  konzentrierte.  Daneben  blühten  Fecht-  und  Jagdübungen  als  Vor- 
bereitung zu  den  Spielen,  welche  den  Mitgliedern  der  Vereine  die  Mög- 
lichkeit gaben,  mit  ihrer  Kraft  und  Gewandtheit  zu  glänzen. 

Die  Ähnlichkeit  dieser  Einzelheiten  mit  dem,  was  wir  oben  über  die 
stadtrömische  Jugend  gesagt  haben,  ist  frappant:  hier  wie  da  derselbe 
Name,  ähnliche  Zusammensetzung,  ähnliche  innere  Organisation ;  hier  wie 
da  als  Hauptzweck  periodische  Spiele  altrömischen  sacralen  Charakters 
und  als  Vorbereitung  dazu  körperliche  Übungen,  hauptsächlich  militärischen 
Charakters;  hier  wie  da  enge  Beziehungen  zur  Staatsreligion  resp.  zum 
Staatskultus  und  zum  Eaiserhause.  Demnach  ist  die  Schlussfolgerung, 
dass  wir  es  mit  zwei  Teilen  einer  Erscheinung  zu  thun  haben,  kaum 
abzuweisen. 

Bevor  wir  aber  auf  diese  Schlussfolgerung  näher  eingehen,  müssen 
wir  noch  die  spärlichen  Nachrichten  über  die  Entwicklung  des  Instituts 
zusammenstellen.  Wie  gesagt,  war  die  Zeit  der  Blüte  für  die  Vereine 
das  I.  und  IL  Jahrb.,  wo  dieselben  fast  in  jeder  Stadt  Italiens  nach- 
zuweisen sind  und  auch  in  den  Provinzen  festen  Fuss  fassen.  Es  ist 
also  dieselbe  Zeit,  da  Italien  das  Land  war,  aus  dem  sich  die  Haupt- 
wehrkraft des  Staates,  die  Legionen,  rekrutierte.  Ende  des  II.  und  im 
III.  Jahrh.  verfallen  die  Vereine  in  Italien,*)  desto  mehr  entwickeln  sie 
sich  in  den  Provinzen,  wo  sie  aber,  besonders  an  den  Grenzen,  den 
Charakter  einer  städtischen  provinzialen  Miliz  annehmen.*)  Den  Verfall 
der  Institution  in  Italien  scheint  auch   die  Nachricht  über  Gordian  I. 


1)  S.  z.  B.  Grattius  488  ff.;  Usener,  1.  1.  225.  Nur  darf  man  Dicht  die  in  der 
Schilderung  eines  Lustralopfers  der  Jäger  genannte  tota  iuventus  für  einen  Iuvenes- 
verein  halten;  es  ist  vielmehr  die  Jagdfamilia  eines  grossen  Herrn,  s.  881  ff.:  cu»- 
cumque  haec  regna  dicantur  \  ille  tibi  egregia  iuvenis  de  pube  legendus  etc. ;  Inschriften : 
CIL.  VII  830;  III  13368,  vgl.  Domaszewski,  Philologus  1902,  5 ff.;  X  5671  (zu  lesen 
wohl:  D.  M,  C,  Julio  Sotericho  f{ilio),  C.  n(p8tri)  W6c[r(to)J,  eoUeg{%)  venator{um)  aacer- 
(dotes)  Dean{a)[e]  lustri  III\  bildliche  Darstellungen,  z.  B.  die  schönen  MedaiUons 
des  Konstantinbogens,  Petersen,  Böm.  Mut  1889,  814 ff.  (Taf.  XII),  welche  eine 
Jagdcampagne  des  Kaisers  Traianus  darstellen.  Bei  der  Ausfahrt  wird  dem  Apollo 
als  Schutzgott  geopfert,  dann  nach  der  Tötung  eines  Wildschweines  der  Diana,  eines 
Bären  dem  Silvanus,  eines  Löwen  dem  Hercules,  alles  Gottheiten,  welche  auch  in 
unseren  Collegien  die  Hauptrolle  spieleit.  Auch  auf  Tesseren  wird  Silvanus  mit  dem 
Bären,  Diana  mit  dem  Wildschweine  verbunden;  Hercules  und  der  Löwe  ist  eine 
selbstverständliche  Verbindung,  s.  S,  2119,  2507  ff.  und  öfters,  2982. 

2)  S.  z.  B.  CIL.  X  5928  und  mehrere  ähnl.  Inschriften. 

3)  Mommsen ,  Ber.  der  sächs.  Gesellsch,  1852,  197  ff. ;  Die  Schweiz  in  der  römi- 
schen Zeit  20;  Cagnat,  De  municipalibus  et  provincialibus  militiis^  Paris,  1888,  81; 
Hirschfeld  ad  CIL.  XII  4571,  cf.  Sitgber.  der  Berl.  Ak.,  1889,  481  ff.;  Mommsen,  Hermes, 
1887,  547 ;  Strafrecht  805  ff. ;  C.  Jullian,  a.  a.  0.  784;  Komemann,  Zur  StadtetUsUhung  52. 


90  M,  Bostoweew, 

(Scr,  h.  Aug.,  Gord.  4,  6)  zu  bezeugen:  Cordus  dicit  in  omnibus  civäatibtis 
Campaniae,  EtruriaCy  ümbriae,  Flaminiae,  Piceni  de  proprio  illum  per 
quadriduum  ludos  scaenicos  et  iuvenälia  edidisse.  Diese  Nachricht  lässt 
sich  leider  chronologisch  nicht  fixieren,^)  ist  aber  wohl  kaum  zu  ver- 
dächtigen.«)  Sie  steht  an  letzter  Stelle  in  der  Aufzählung  der  vorkaiser- 
lichen Liberalitäten  des  Gordianus  und  erinnert  lebhaft  an  die  späten 
Inschriften,  welche  die  Erneuerung  des  It^as  durch  mehr  oder  weniger 
vornehme  Persönlichkeiten,  patroni  der  Vereine,  erwähnen.  Gordian  war 
ein  reicher  Mann  und  konnte  gerade  in  den  von  Cordus  aufgezählten 
Gegenden  Italiens  begütert  und  dort  zum  Patrone  mehrerer  Munizipien 
und  Vereine  erwählt  sein.  Das  Einzige,  was  man  der  Verdächtigung 
der  Nachricht  zugeben  kann,  ist,  dass  es  wohl  nicht  alle  Munizipien  waren, 
und  die  Liberalität  nicht  auf  einmal  allen  Munizipien  zu  Gute  gekommen 
war.  Cordus  hat  in  seinen  Quellen  mehrere  Erwähnungen  der  angeführten 
Art  gefunden  und  sie  übertreibend  in  den  kurzen  oben  ausgeschriebenen 
Satz  zusammengezogen.  Seitens  Gordians  konnte  es  ein  bewusstes  Haschen 
nach  Popularität  gewesen  sein.  Das  Urteil  darüber  hängt  aber  vollständig 
von  der,  leider  unmöglichen,  chronologischen  Fixierung  des  Vorkomm- 
nisses ab. 

Von  politischen  Anmassungen  der  verfallenden  Vereine  zeugt  vielleicht 
die  Massregel,  welche  in  einem  Fragment  des  Callistratus  uns  erhalten 
ist.*)  In  den  trüben  Zeiten  des  HI.  Jahrh.  verändert  sich  das  zu  anderen 
Zwecken  entstandene  Institut  und  die  Blüte  der  munizipalen  Jugend  wird 
entweder  zu  Soldaten  oder,  wenigstens  nach  der  offiziellen  Auffassung,  zu 
wenig  ernst  zu  nehmenden  politischen  Ruhestörern. 

Das  Gesagte  erlaubt  uns  jetzt  ein  Bild  der  Entstehung  unserer 
Vereine  zu  entwerfen.  Es  wurde  schon  oben  hervorgehoben,  dass  die 
ältesten  Stätten  der  Jugendvereine  und  der  iuvenälia  Lanuvium  und  Tus- 
culum  sind,  Städte,  welche,  wie  bekannt,  engstens  mit  der  Stadt  Rom 
verbunden  waren.*)  Die  meisten  Bürger  dieser  Städte  wohnten  in  Rom, 
für  die  Tusculanischen  und  Lanuvinischen  Kulte  wurden,  wohl  von  Augustus, 


1)  C.  JuIliaD  (a.  a.  0  785,  1)  meint,  sie  bezöge  sich  auf  das  J.  238,  was  sicher  un- 
möglich ist. 

2)  Dies  thut  zuletzt  Lecrivain,  Etudes  sur  Vhistoire  d^ Auguste  ^  Paris  1904,  284. 
Er  geht  aber  auch  sonst  in  der  Kritik  zu  weit;  in  unserem  Falle  müsste  er,  statt  die 
Nachricht  nach  unzulänglichen  Kriterien  zu  verdächtigen,  sich  in  der  Frage  über  die 
iuvenälia  umsehen.  Die  neueren  Biographen  Gordians  schweigen  über  die  Stelle 
(s.  Rohden  bei  Pauly  - Wissowa ,  RE.  12,  2628  n.  61,  Pros.  imp.  Rom.  196,  n.  664; 
Schiller,  Gesch.  d.  röm.  Kaiserzeit  II  787  u.  a.). 

3)  Dig.AB,  19,  28,  3:  solent  quidam  qui  volgo  se  iuvenes  appellant  in  quibusdam 
civitatibus  turbulentis  se  acdamationibus  popularium  accommmodare.  Qui  si  amplius 
nihil  admiserint  nee  ante  sint  a  praeside  admoniti  fustibus  caesi  dimittantur  aut  etiam 
spectaculis  eis  interdicetur  etc. 

4)  S.  Dessau  in  den  Einleitungen  zu  den  Inschriften  dieser  Städte,  CIL.  XIV 
192  f.  und  254  f. 


Römische  Bleitesserae,  91 

besondere  ritterliche  Priester  —  sacerdotes  Tuseulani  und  Lanivini  — 
bestellt.^)  Kein  Wunder,  wenn  bei  der  Organisation  der  stadtrömiscben 
iuventus,  im  Vereine  mit  der  Schaffung  der  ritterlichen  Priesterschaften 
von  Tusculum  und  Lanuvium  und  der  Wiederbelebung  der  altlatinischen 
Religion,  zur  Hebung  der  alten  sacra  und  daneben  zur  physischen  und 
moralischen  Hebung  der  ritterlichen  Jugend,  die  teilweise  mit  der  städti- 
schen zusammenfiel,  der  Kaiser  Augustus  besondere  aus  lauter  jungen 
Leuten  bestehende  Vereine  in  den  oben  genannten  Munizipien  entweder 
geschaffen  oder  zu  neuem  Leben  gerufen  hat.*)  Wie  der  lusus  Traiae 
in  Rom  mit  seinem  stark  ausgesprochenen  sacralen  und  altnationalen 
Charakter,  wie  die  ludi  sevirales  daselbst,  so  sollten  auch  die  Spiele  zu 
Ehren  der  altlateinischen  Kulte  von  Lanuvium  und  Tusculum  an  Ort  und 
Stelle,  wie  auch  in  Rom,  gefeiert  werden  und  durch  die  Teilnahme  der 
vornehmen  Jugend  besonderen  Glanz  und  besondere  Bedeutung  bekommen. 
Einmal  mit  kaiserlicher  Initiative  und  mit  kaiserlicher  Unterstützung 
ins  Leben  gerufen,  verbreiteten  sich  die  Vereine  der  angegebenen  Art 
zuerst  in  Latium,  dann  in  Etrurien  und  dem  sabinischen  Oebirge,  endlich 
in  ganz  Italien  und  den  Provinzen,  wohl  mit  Genehmigung  oder  wenigstens 
unter  den  Auspizien  der  Kaiser  und  des  Senats.  Möglich  ist,  dass  Keime 
der  Institution  in  manchen  Städten  und  Gegenden  schon  früher  vorhanden 
waren.*)  Die  Vereine  fanden  grossen  Beifall,  weil  sie  aufs  Glücklichste 
eine  Lücke  im  munizipalen  Leben  ausfüllten.  Die  Existenz  des  sacralen 
Magisteriums  und  der  Augustalität,  der  Träger  der  materiellen  Seite  des 


1)  Marquardt-Wisflowa,  Staatsv.  III  476;  Wiisowa,  Religion  und  KuUui  448—449. 
Damit  hängt  sicherlich  auch  das  oben  Dachgewiesene  Vorkommen  der  Tessereo  mit  dem 
Kopfe  der  Juno  Lanuvina  in  Rom  zusammen.  Es  sind  die  römischen  Spiele  der  Göttin 
wohl  von  den  sacerdotes  gegeben,  welche  mit  den  munizipalen  iuvenalia  nichts  zu  thun 
haben.  Auch  Marken  der  Spiele  zu  Ehren  des  Tiburtinischen  Hercules  sind  vor- 
handen. Für  diesen  Kultus  scheint  in  Rom  selbst  ein  Collegium  der  Herculanei  oder 
Herculanei  ÄugustaleSy  später  Herculanei  Antoniniani,  ebenso  wie  in  Tibur,  existiert 
zu  haben.  Solch  ein  Collegium  bezeugen  die  stadtrömischen  Tesseren  S,  858—857  und 
Inschriften,  s.  Buü.  com,,  1887,  825;  Böm.  Mut,  1889,  262,  vgl.  CiL.  VI  885  und 
Waltzing,  Oorp.  prof,  I  103,  4.  Die  Herculanei  in  Tibur  s.  CIL,  XIV  877.  Sie  stehen 
in  näheren  Beziehungen  zu  den  iuvenes  (CIL.  XIV  8684)  und  fliessen  vielleicht  in  der 
Zeit  Caracalla's  in  ein  Collegium  zusammen,  s.  CIL,  XIV  8638. 

2)  Altere  Keime  lassen  sich  zwar  bis  jetzt  in  Latium  nicht  nachweisen,  aber  es 
finden  sich  ähnliche  Institutionen  im  oskischen  Gebiete,  namentlich  in  Pompei,  s.  Zvetaieff, 
St/U,  inscr,  o»c.  63;  Nissen,  Pompeian.  Studien  168  ff.;  Conway,  The  itcUic  DiaHecU  60; 
Mau,  Pompei  159  ff;  Demoulin,  Mus,  b.  III  185;  C.  JuUian,  a.  a.  0.,  welcher  altitali- 
sehen  Urspning  für  die  Vereine  vermutet.  In  voller  Kraft  konnten  diese  Vereine  zur  Zeit 
des  Augustus  allerdings  nicht  sein;  sonst  wUssten  wir  von  ihnen  etwas.  Möglich  wäre 
es  mit  den  iuvenalia  die  Patavinischen  ludi  cetasti,  an  denen  Thrasea  Paetus  teil- 
genommen hat,  zusammenzustellen  (Tac.,  Ann,  XVI  21).  Auf  ihren  vorrömiscben  Ur- 
sprung weist  CIL.  V  2787,  s.  W.  Schulze ,  Zur  Geschichte  lateinischer  Eigennamen  47. 

3)  Für  Germanien  nimmt  Kornemann,  Zur  Stadtentstehung  52,  Anlehnung  an 
einheimische  Institutionen  an,  vgl.  Tac.  Hist,  IV  66:  occupatisque  Sunucis  et  iuventute 
eorum  per  cohortes  composita\  IV  14;  Batavorum  iuventus. 


92  M.  Rosiowaeto, 

munizipalen  Kultlebens, i)  gab  einem  Teile,  dem  weniger  vornehmen,  der 
munizipalen  Gesellschaft  die  Gelegenheit,  am  munizipalen  Leben  thfttig 
und  in  Ehren  teilzunehmen,^  bei  Spielen  und  Festen  zu  glänzen.  Dem 
vornehmen  Teile  blieben  zwar  die  Curie  und  die  honores  reserviert,  aber 
erstens  kamen  nicht  alle  zu  diesen  Ehren,  zweitens  kam  man  dazu  erst 
im  vorgerückten  Alter.  Die  luvenesvereine  und  die  iuvenalia  gaben  schon 
den  jüngeren  Aristokraten  des  Munizipiums  Gelegenheit,  in  ungemischter 
Gesellschaft  vor  der  Menge  zu  glänzen,  erlaubten  ihnen  ihre  Namen  schon 
von  der  Jugend  an  den  Munizipa^len  bekannt  und  beliebt  zu  machen, 
gaben  ihnen  Gelegenheit,  der  Gottheit  zu  dienen  und  zu  gleicher  Zeit  sich 
zu  weiterer  Thätigkeit  als  Soldat  oder  Offizier  in  aller  Ruhe,  allmählich 
und  in  guter  Gesellschaft  vorzubereiten.  Die  glänzenden  Spiele  dieser 
Jugend  lockten  natürlich  auch  die  Väter,  welche  in  den  Vereinen  als 
moffistri^  praefecti,  curatores  und  curatorcs  Itisus  Platz  fanden.  Dabei 
wirkte  natürlich  auch  das  römische  Vorbild  mächtig;  wenn  die  vornehme 
Jugend  in  Rom  auf  dem  Marsfelde  ritt,  focht,  badete,  so  wollte  dies  die 
munizipale  auch,  wenn  die  römischen  pueri  und  tirones  im  Circus  und  Amphi- 
theater mit  dem  princcps  iuvmtuiis  an  der  Spitze  sich  zeigten,  wie  konnten 
das  ihre  munizipalen  Genossen  unterlassen  ?  Wenn  die  Senatorensöhne  und 
die  jungen  Ritter  der  Person  des  Kaisers  nahe  standen,  so  war  es  auch  für 
die  munizipale  Jugend  eine  grosse  Ehre  zu  ihrem  Namen  Augustales  hinzu- 
zufügen oder  den  Kaiser  (resp.  kaiserlichen  Prinzen)  zu  ihrem  Ehren- 
präsidenten ernennen  zu  dürfen  und  sein  Porträt  auf  die  Tesseren  der  in 
ihrem  Namen  gegebenen  Spiele  zu  setzen.  -)  Gegen  das  Letztere  sträubten 
sich  natürlich  weder  Augustus  noch  seine  Nachfolger.  Die  iuvenes  waren 
eine  mächtige  Stütze  des  Cäsarisraus  im  munizipalen  Leben  und  in  dieser 
Hinsicht  sind  sie  dem  Institute  der  Augustalität  vergleichbar;^)  ihre 
Vereine  traten  glücklichst  in  die  von  Augustus  gewiesene  Bahn  der 
Hebung  der  vornehmen  Jugend  durch  kräftige  Erziehung  in  den  Prinzi- 
pien der  altitalischen  Religion  und  der  Vorbereitung  eines  —  in  physi- 
scher und  moralischer  Hinsicht  —  kräftigen  Nachwuchses  von  Bürgern 
und  Soldaten ;  ihre  Rolle  im  Munizipalleben  ging  mit  der  Differenzierung 
der  Stände,  welche- Augustus  überall  so  sorgfältig  einführte  und  hegte, 


1)  S.  KrascheniDDikow ,  Die  Aiigtistalen  und  das  Sacralmagisterium ,  Petersburg, 
1895  (russiBch),  dessen  Auffassung  ich  bis  auf  einzelne  weniger  wichtige  Kleinigkeiten 
vollständig  teile. 

2)  Als  solche  sind  unsere  Tesseren  von  Demonlin  und  Jullian  (a.  a.  0.  783,  58) 
richtig  aufgefasst  worden;  diese  Bestimmung  habe  ich  ohne  Grund  in  der  Etüde  ge- 
leugnet. Dabei  können  natürlich  manche  Stücke  auch  als  Verteilungsmarken  gedient 
haben.    Solche,  und  zwar  aus  den  Mitteln  des  Vereins,  sind  S.  871—873. 

3)  Die  nahen  Beziehungen  beider  Institute  sind  schon  öfters  hervorgehoben 
worden.  Je  später ,  desto  enger  werden  sie ,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  je  später 
desto  weniger  die  Schranken  des  Standes,  welche  beide  Institute  teilten,  beobachtet 
wurden.  Künstlich  errichtet,  musstcn  die  Schranken  beider  hauptsächlich  sacraler 
und  kaiserlicher  Institutionen  mit  der  Zeit  fallen. 


Bömist^  Bhitesserae,  93 

Hand  in  Hand.  Dies  alles  kann  den  Schluss  nahelegen,  dass  bei  der 
Einführung  der  Vereine  in  Lanuvium  und  Tusculum  die  Weiterentwicke- 
lung des  Instituts  von  Augustus  vorausgesehen  und  leise  in  die  richtige 
Bahn  gelenkt  wurde.  Wahrscheinlich  brauchte  sogar  Augustus  gar  nicht 
zu  lenken,  denn  das  Vorbild  und  die  allgemeinen  von  Augustus  richtig 
verstandenen  und  von  ihm  teilweise  geschaffenen  Bedingungen  wirkten 
stark  genug. 

So  fällt  auf  die  oben  auf  Grund  der  Augustischen  Poesie  ge- 
schilderte Idee  des  Augustus  volles  Licht.  Nicht  nur  die  stadtrömische, 
auch  die  italische  Jugend  sollte  regeneriert  werden,  auch  in  den  Muni- 
zipien  sollte  das  Pflichtgefühl,  das  Gefühl  der  Zugehörigkeit  zum  Staats- 
körper gehoben  werden,  alte  Zucht  und  alte  Religion  sollten  eine  moralisch 
und  physisch  kräftige  Jugend  bilden  und  diese  Jugend,  die  freigeborene 
italische  Jugend,  sollte  sich  als  ein  Ganzes  unter  der  Führung  des  Thron- 
folgers —  des  princeps  luventutis  —  fühlen,  um  dann  als  Soldaten  und  Be- 
amte für  den  Staat  und  seinen  Vorsteher,  den  Kaiser,  zu  wirken.  Ein 
kräftiges,  sittliches,  pflichttreues,  standesstolzes  und  dem  Kaiser  im  Inter- 
esse des  Staates  ei^ebenes  junges  Italien  sollte  entstehen,  der  Materialis- 
mus, die  Gewinnsucht,  die  Gleichgültigkeit,  der  Atheismus,  das  griechische 
Sybaritenleben  sollten  wegfallen  und  nimmer  wiederkehren.  Ein  altes 
Italien  auf  neuen  Grundlagen  sollte  wiedererstehen.  Die  Römeraden  des 
Horaz,  die  ganze  Augustische  Poesie  sagen  uns  das,  und  die  oben  ge- 
schilderte Institution  atmet  diesen  Geist  und  zeigt,  wie  die  Idee  zur  Wirk- 
lichkeit wurde  oder  werden  sollte.  Allerdings  verblich  das  Gute  in  dem 
von  Augustus  Gewollten  gar  bald.  Die  iuvcnaUa  wurden  —  hauptsäch- 
lich durch  Nero  —  zu  Sportübungen,  die  körperlich-militärische  Erziehung 
zu  Athletentum,  die  Hingebung  an  die  Staatsidee  zu  Servilismus  und 
Pagentum  nach  hellenistisch-orientalischer  Art;  das  Fechten  und  Jagen,  das 
Kutschieren,  Tiertöten  und  Duellieren  trugen  zu  immer  tieferem  Sinken 
der  geistigen  Bildung  bei;  kein  Zufall  ist  es,  dass  seit  dem  Ende  des 
I.  Jahrh.  die  lateinische  Muse  stumm  ist.  Eine  italische  Religion  und 
italische  Kultur  war  es  auch  in  Wirklichkeit  nicht,  was  Augustus  schuf: 
aus  griechischen  Keimen  wollte  er  Italisches  schaffen.')  Das  Griechische 
aber  feiert  nach  dem  Absterben  des  Italischen  immer  neue  und  neue  Siege. 


1)  Auch  in  den  munizipalen  Vereinen  findet  man  einige,  wohl  unbewusste,  An- 
klänge an  die  griechische  Ephebie:  so  ist  der  (Ulectua  unter  die  iuvenes,  CIL, 
XIV  2113  der  griechische  ^Tr^yypa^off;  in  Ficulea  werden  neben  iuvenes  noch  pueri 
und  puellae  erwähnt  {CIL.  XIV  4014) ,  was  an  römische  Verhältnisse  und  das  attische 
Jioy^vtiov  (Dumont,  Essai  ibß.)  erinnert.  Andererseits  aber  wirken  die  italischen 
Vereine  auf  die  Vereine  der  v^oi  des  Ostens,  s.  die  Inschrift  von  Cjzicus,  CLL.  III  7060 
und  die  Inschriften  von  Thyateira  (Clerc,  de  rebus  Thyatirenorum  49,  4;  Waltzing, 
Corp.  prof.  III,  n.  154-166).  Über  die  vioi  vgl.  Ziebarth,  Chriech,  Vereinswesen  111  ff.; 
Kornemann  bei  Pauly  -Wissowa,  RE,  III  389  f. 


Kap.  IV. 

Tesseren  der  privaten  CoUegien 
und  Unternehmungen. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  die  bei  den  staatlichen  Massenver- 
teilungen  angewandte  Technik  auf  die  privaten  Veranstaltungen  gleicher 
Art,  und  zwar  zuerst  bei  den  grösseren  Körperschaften,  einwirkte.  Wo 
sich,  wie  in  Rom,  zahlreiche  und  teilweise  stattliche  Collegien  verschiedener 
Art,  besonders  für  sacrale  Zwecke  und  die  allgemeine  Begräbnisversiche- 
rung, hauptsächlich  im  L  und  IL  Jahrb.,  gebildet  hatten,  und  in  diesen 
Collegien  ganz  regelmässig  Verteilungen  und  gemeinsame  Belustigungen 
stattfanden,^)  würde  es  wahrlich  Wunder  nehmen,  wenn  man  bei  allen 
diesen  Akten  keine  Spur  des  Markensystems  fände. 

Leider  schweigen  darüber  unsere  litterarischen  und  epigraphischen 
Quellen;  desto  beredter  sind  die  Marken  selbst. 

Ich  erwähne  nur  einige  Tesseren,  welche  uns  wahrscheinlich  magistri 
sacraler  Collegien  nennen  {ß.  876— 878)  2)  und  weise  auf  die  Tessera, 
welche  uns  einen  bis  jetzt  unbekannten  sacralen  Verein  soda(Jes\  Con- 
sua{lcs)  nennt  (S.  879)«).  Die  Tessera  bezieht  sich  auf  irgend  einen  Akt, 
der  mit  dem  wohl  kurz  zuvor  verstorbenen  Kaiser  Nerva  —  auf  der  Rück- 
seite haben  wir  den  Kopf  des  Nerva  im  Strahlenkranze  und  die  Inschrift 


1)  Das  ganze  Material  Über  das  CoUegienwesen  Roms  findet  man  in  dem  be- 
kannten Werke  von  Waltzing,  Etüde  historique  sur  les  corporations  professionnelles 
chtz  les  Romains  I— IV,  1896—1900  (B.  III:  Inschriften  der  Collegien,  IV:  General- 
index), in  seinem  Artikel  CoUegium  bei  Ruggiero,  Diz.  ep.  II  340—409  und  im  Musee 
beige  U  281  ff.  und  III  130  ff.  (die  sog.  coUegia  funeraticiä)  zusammengestellt  und  ver- 
arbeitet. S.  auch  Komemann,  Art.  CoUegium  bei  Pauly  - Wissowa ,  RE.  IV  386  ff. 
Bei  diesen  Forschern  findet  sich  die  übrige  Litteratur.  Unbekannt  blieben  ihnen 
leider  die  schönen  Werke  Krascheniunikows  (oben  öfters  zitiert)  über  munizipale  Priester 
und  Priesterinnen  (Petersburg  1891)  und  über  Äugustalen  und  das  Sacralmc^isterium 
(Petersburg  1895)  und  die  weniger  bedeutende  Arbeit  Kulakowskis,  Die  CoUegien  im 
aUen  Rom,  Kiew,  1888. 

2)  Parallelen  findet  man  bei  Waltzing,  Mus.  b.,  a.  a.  0. 

3)  Vgl.  sodales  Martiales  CIL.  IX  3065 ;  Marienses,  ebda.  XT  4749 ;  Fortunenses 
X  174;  sodalicium  Florensium  V  1705;  Waltzing,  M.  b.,  a.  a.  0. 


Bömisehe  Bleüesserae.  95 

di(vus)  Aug{ustus)  —  in  Verbindung  steht  An  diese  Tessera  reihen  sich 
mehrere  mit  Erwähnung  von  sodaleSj  aber  ohne  nähere  Bezeichnung  (nach 
den  Rr  zu  urteilen,  sind  es  auch  Vereine  sacraler  Natur)  an  (S.  880-^887). 

Daneben  giebt  S.  885  die  Aufschrift  colleg{ium)  und  S.  1611  auf 
der  einen  Seite  die  Darstellung  eines  Genius  mit  der  Beischrift  G — C  auf 
der  anderen  die  Concordia  und  die  Beischrift  COL— COR.  Die  Bei- 
schriften sind  wohl  g{eniu8)  c(pllegi)  und  colQegium)  car(iarioirum)  zu  er- 
gänzen. ^) 

Mit  der  letzteren  Tessera  sind  mehrere  Marken  mit  Darstellung  eines 
Genius  einer  Gesamtheit  in  Verbindung  mit  allerlei  Gottheiten  zu  ver- 
gleichen (S.  1615  ff.).  Am  häufigsten  verbindet  man  mit  dem  Genius  den 
Hercules.  *) 

Auf  einer  Marke  erscheint  ein  genius  vici  (S.  1613)  und  an  diese 
reihen  sich  ungezwungen  die  Tesseren  mit  Darstellungen  der  genii  fontium 
(S.  1679—1688)  an.») 

Damit  scheint  es  mir  festgestellt  zu  sein,  dass  die  römischen  Collegien 
wirklich  Bleimarken  für  ihre  Zwecke  ausgaben.  Dies  erlaubt  uns  einen 
Schritt  weiter  zu  gehen.  Dabei  aber  bitte  ich  Folgendes  in  Betracht  zu 
ziehen: 

1.  Es  ist  schon  oben  mehrmals  festgestellt  worden,  dass  die  Dar- 
stellungen auf  den  Tesseren  in  direkter  Beziehung  zu  ihrer  Bestimmung 
stehen.  Anders  wäre  es  auch  nicht  möglich;  denn  die  Tesseren  verfertigte 
man  jedesmal  für  bestimmte  Gelegenheiten  oder  Persönlichkeiten,  keines- 
wegs wie  Lampen  und  Gemmen,  deren  Darstellungen  den  unsrigen  am 
meisten  verwandt  sind,  für  einen  unbestimmten  Kreis  aller  möglichen 
Käufer.  Andererseits  aber  war  eine  der  Bedingungen  der  Existenz  der 
Tesseren  überhaupt  ihre  Billigkeit:  das  zeigt  schon  die  Verwendung  des 
billigsten  Materials,  des  Bleies,  und  die  billige  Prozedur  des  Giessens. 
Man  mochte  kaum  Lust  haben,  die  Herstellung  durch  das  Verlangen  nach 
guter  künstlerischer  Arbeit  und  neuen  komplizierten  Typen,  wozu  auch 
der  verfügbare  Raum  kaum  Gelegenheit  gab,  zu  verteuern.  Deshalb 
waren  die  Verfertiger  der  Tesseren  einfache  Handwerker,  die  natürlich 
nur  aus  dem  ganz  begrenzten  Vorrate  der  ihnen  zur  Verfügung  stehenden 
Typen  eine  Auswahl  treffen  konnten.  Das  Individuelle  bestand  haupt- 
sächlich in  der  Inschrift,  aber  auch  hier  zog  man  einige,  den  Interessierten 
leicht  verständliche,  Abkürzungen  ganzen  Worten  vor.  Bei  dieser  Selbst- 
beschränkung der  Verfertiger  und  Käufer  auf  gangbare  Typen  suchte 
man  aber  der  Individualität  der  Tesseren  und  ihrer  Geltung  für  einen 
bestimmten  Zweck  gemäss  aus  dem  Bereiche  der  trivialen  Bilder  die 


1)  Vgl.   die   ähnliche  Darstellung   des  Grenius   des  Vereins  peU(ionum)    in   Ostia 
CIL.  XIV  10;  Waltzing,  Corp.  prof.  Ul  2184. 

2)  Vgl.  Waltzing,  Cb^.  prof.  IV  30  ff. 

3)  Vgl.  die  tnagistri  undministri  fontis  CIL.  VI  149—166,  cf.  Suppl.  80708-80709. 


96  3f.  Bostoweew^ 

passendsten  Darstellungen  ans,  so  dass  schon  die  Typen  entweder  auf  die 
Bestimmung  hinwiesen,  oder  wenigstens  zu  derselben  passten. 

2.  Daneben  ist  es  zur  Genüge  bekannt,  dass  die  antiken  Menschen, 
besonders  die  Römer,  sehr  gern  die  Zugehörigkeit  eines  Gegenstandes  zu 
einer  Person  oder  einer  Gruppe  von  Personen,  bis  hinauf  zu  der  Stadt 
und  dem  Staat,  durch  eine  bildliche  Darstellung,  neben  oder  auch  ohne 
Inschrift,  charakterisierten.  Belege  dafür  beizubringen  wäre  unnütz ;  von 
Wappen  privater  Leute  wird  noch  im  folgenden  Kapitel  die  Rede  sein. 
Die  CoUegien  machen  in  dieser  Hinsicht  keine  Ausnahme.  Um  einige 
Beispiele  anzuführen,  verweise  ich  auf  folgende  Fälle.  Auf  dem  Denk- 
male, welches  die  spanischen  scapharii  den  Kaisern  Antoninus  Pius  und 
M.  Aurel  setzten,  sehen  wir  eine  navis  oncraria,  eine  triremis,  einige 
kleinere  Boote  und  einen  Dreizack  dargestellt  (CIL.  11  1168,  1169).  Die 
Bäcker  setzen  auf  die  Basis  der  Statue  des  Antoninus  einen  modius  mit 
Kornähren  und  eine  Mühle  {CIL,  VI  1002).  Die  piscatores  und  urina- 
tores  stellen  auf  einer  Basis,  welche  sie  ihrem  Patrone,  der  zugleich 
lictor  decurialis  war,  setzen,  den  genannten  lictar  und  das  Wappen  des  Vereins 
-7-  zwei  Männer  in  einem  Kahne  —  dar  (CIL.  VI  1872).  Die  utricularii 
von  Cabellio  statten  eine  Kontrollmarke  ihres  Vereines  mit  der  Dar- 
stellung eines  Schlauches  und  der  Inschrift  colle(gium)  täri(culariorum) 
Cab(eüicensium)  \  L,  Valefiius)  \  Succe3($t4s)  aus  (s.  Babelon,  Bronzcs  ant., 
TL.  2315;  Waltzing,  Corp.  prof.,  lU  1988).  Auf  dem  Forum  von  Ostia 
befanden  sich  die  scholae  verschiedener  städtischer  Vereine;  jede  ist  durch 
eine  Darstellung  oder  Inschrift  in  Mosaik  auf  dem  Boden  vor  dem  Ein- 
tritte charakterisiert:  die  pelliones  setzen  eine  Inschrift  (CIL.  XIV  277), 
die  navicvHarii  Inschrift  und  Darstellung:  Leuchtturm  und  zwei  Schiffe 
(CIL.  XIV  278,  vgl.  279);  die  mensores  firumentarii  nur  Darstellung.^) 
Endlich,  um  auch  die  sacralen  Vereine  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  sehen 
wir  auf  dem  Steine  eines  Mitgliedes  des  CoUegiums  der  Isis  die  Dar- 
stellung eines  Schiffes  (CIL.  IX  3338).  Es  wäre  wohl  möglich  alle  diese 
Darstellungen  mit  denen  auf  den  signa  und  vcxilla  der  Vereine  in  Ver- 
bindung zu  setzen.'^) 

Nach  dem  Gesagten  und  infolge  des  Nachweises  mehrerer  Tesseren, 
die  sicher  für  Zwecke  der  CoUegien  hergestellt  waren,  halte  ich  mich  für 
berechtigt,  eine  Reihe  von  Typen,  welche  auf  allerlei  Handwerkervereine 
hindeuten,  aus  dem  Tesserenvorrate  auszuscheiden  und  als  CoUegienmarken 
zu  erklären.  Es  muss  schon  hier  hervorgehoben  werden,  dass  die  meisten 
mit  Sicherheit  zu  deutenden  Tesseren  sich  auf  die  CoUegien  der  Arbeiter, 
die  es  mit  dem  Handel  und  Wandel  auf  dem  Tiber  zu  thun  hatten,  be- 
ziehen.   Das  Wasser  und  der  Tiberschlamra  konservieren  das  Blei  besser 

1)  S.  Lanciani,  Not.  d.  Sc,  1881,  116 ff.,  Taf.  18-20;  Andr^,  Melanges  deVicoU 
de  Eome,  1891,  501;  vgl.  die  Szene  auf  einem  Gefässe  des  IV — V.  Jahrb.  De  Rossi, 
Annali  deW  Ist.,  1885,  230  ff.  und  Taf.  I. 

2)  Waltzing,  Corp.  prof.  II  186  f. 


Bömische  Bleüesserae.  97 

als  der  Stadtschutt.  Ich  brauche  wohl  nicht  auf  die  Bedeutung  des  Tibers 
als  Handelsstrasse  und  das  rege  Leben,  welches  auf  ihm  und  an  seinen 
Ufern  herrschte,  hinzuweisen.  Die  an  diesem  Leben  teilnehmenden 
Gewerbetreibenden  schlössen  sich,  wie  bekannt,  in  einer  Reihe  von  CoUe- 
gien  zusammen.^) 

Es  'lässt  sich  zuerst  eine  Tesserenserie  ausscheiden  mit  Darstellung 
eines  Arbeiters,  der  auf  den  Schultern  einen  Sack  oder  eine  Amphora  trägt 
(8. 1033—1036,  vgl.  die  beig.  Taf.  II,  U).  Wir  finden  dieselbe  Darstellung  auf 
mehreren  sich  auf  das  Leben  am  Tiber  beziehenden  Bildern.  Ich  weise  auf 
das  Bild  mit  der  Darstellung  des  Ausladens  eines  Schiffes  (in  Ostia  gefunden ; 
jetzt  in  der  vatikanischen  Bibliothek),  wo  analoge  Gestalten  Säcke  mit 
Korn  auf  den  Schultern  tragen,^)  dann  auf  ähnliche  Szenen  auf  den 
Fresken  der  Domitillakatakomben'*)  und  ähnliche  mehr*)  hin.  Überall 
haben  wir  Mitglieder  des  grossen  Vereins  der  saccarii,  vgl.  die  späteren 
fruffis  et  olci  baitdi  und  die  catäbolenses.^) 

Die  vecturarii  oder  vectorcs  resp.  catäbolenses^)  finden  wir  auf  den 
Tesseren,  auf  denen  Lastwagen  mit  Ochsen  oder  Maultieren  bespannt 
dargesteUt  sind  (5.  1037, 1038,  vgl.  die  beig.  Taf.  II,  15). 

Auf  die  oben  angeführten  CoUegien  oder  die  bei  den  horrca  be- 
schäftigten Vereine ')  lassen  sich  zahlreiche  Tesseren  mit  Darstellungen  von 
allerlei  doUa  und  ähnlichen  Gefässen  deuten  {S.  992 — 1019).  Es  ist  aber 
schwer  hier  eine  Grenze  zwischen  den  staatlichen  Verteilungsmarken  und 
den  Marken  privater  Vereine  zu  ziehen. 

Die  zahlreichen  Vereine  der  lenuncularii^  scapharii,  Untrarii^)  und 
ähnliche  werden  wohl  die  Tesseren  mit  Darstellungen  der  verschieden- 
artigsten Schiffe  grösserer  und  kleinerer  Dimensionen  (S.  951 — 955; 
961 — 978)  ausgegeben  haben.  Die  Rückseiten  stehen  im  besten  Einklänge 
mit  den  Haupttypen,  besonders  oft  kommt  die  Fortuna  (S.  951 — 960), 


1)  Die  betreffenden  Collegien  findet  man  Öfters  aufgezählt,  s.  z.  B.  Kulakowski, 
Die  Collegien  im  alten  Rom  81  ff. ;  Liebenam ,  Zur  Geschichte  und  Organisation  des 
römischen  Vereinswesens  71  ff.;  Waltzing,  (Jorp,  prof,  II  19 ff. 

2)  Visconti,  Ann.  d,  Ist.^  1868,  823  ff.  und  tav.  d'agg.  T;  Boissier,  Promen.  archidl., 
272  ff.;  Waltzing,  Corp.  prof.  II  59  f. 

3)  Wilpert,  Römische  Quartalschrift,  1887,  20  ff. 

4)  Matz-Duhn,  Änt.  Bildw.  III  3550;  das  Relief  Torlonia,  Baumeister,  Denkm. 
III  1624,  Fig.  1688  u.  a. 

5)  CIL.  VI  4417;  Waltzing,  Corp.  prof.  U  61  und  IV  41  ff.,  117  f.  Auch  die 
exoneratores  calcariarii,  levamentarii,  palangarii,  saburrarii  (Waltzing  IV  17,  28,  85,  41) 
gehören  dazu. 

6)  Waltzing  IV  47  und  10.  S.  besonders  die  schon  angeführte  von  De  Rossi 
publizierte  DarsteUung  des  mensor  frumentarius.  Ebendaselbst  erscheint  ein  plostrarius 
den  unseren  vollständig  analog  {Ann.  d.  Ist.  1885,  tav.  I). 

7)  S.  Waltzing  im  Index  B.  IV  unter  apothecariiy  mensores  {acceptores) ,  sus- 
ceptores,  horrearii  (7,  17,  29 f.,  46,  156). 

8)  Waltzing,  a.  a.  0.,  14,  27,  28,  38,  43. 

Bostowsttw,  Bömitditt  DleiteMera«.  7 


98  M,  Bostoweew^ 

welche  zweimal  als  Mar(üima)  charakterisiert  wird  (S.  951,  957), 
vor.  0 

Man  könnte  ähnliche  Serien  mit  grösserer  oder  geringerer  Wahr- 
scheinlichkeit in  noch  grösserer  Zahl  aussondern  (s.  die  SyUoge)j  aber 
für  unsere  Zwecke  genügen  die  angeführten.  An  der  Existenz  der 
CoUegientesseren  und  an  der  weiten  Verbreitung  des  Gebrauches  der- 
selben kann  nicht  mehr  gezweifelt  werden.  Aber  wozu  brauchten 
die  Vereine  jene  Marken?  Auf  diese  Frage  geben  die  Tesseren 
selbst  ganz  unzweideutig  Antwort  Die  schon  angeführten  Tesseren 
S.  880 — 882  (s.  die  beig.  Tat  ü,  11)  zeigen  die  Legende:  sodäles  de  suo 
=  die  Vereinsmitglieder  aus  eigenen  Mitteln.  Es  handelt  sich  also  höchst 
wahrscheinlich  um  Verteilungen  (an  Spiele  oder  Schmause  könnte  man 
auch  denken^))  aus  den  Zinsen  der  dem  Gollegium  gehörenden  Kapitalien 
oder  aus  den  regelmässigen  Einkünften.  So  verteilt  der  Verein  Aßsctdapi 
et  Hygiae  {CIL,  VI  10  234)  am  Geburtstage  des  Kaisers  Geld,  am  Ge- 
burtstage des  Collegiums  Geld,  Brot  und  Wein,  am  Tage  vor  Neujahr 
strenae,  endlich  die  carae  cognationiSy  violari  und  rosae.  Dasselbe  thut 
das  collcgium  citrariorum  et  eborariartim.^)  Dieses  Gollegium  feiert  den 
Geburtstag  Hadrians  und  seinen  dies  imperi  mit  Geldverteilungen.*) 

Für  diese  regelmässigen  Verteilungen  musste  es  ein  bequemes  und 
billiges  Kontrollmittel  geben,  und  es  ist  sicher,  dass  gerade  unsere  Bleie 
als  solches  Mittel  gebraucht  wurden.  Viele  Tesseren  geben  das  aus- 
drücklich an.  Ich  erinnere  an  die  Tesseren  der  verulanischen  iuvenes  mit 
der  Aufschrift  arca  (8.  871—873)  und  an  die  Tesseren  S.  65,  66  und  69, 
wo,  wie  in  den  leges  coUegiorum,  steht:  diei  imperi  Hadr(iani)  Äug(usti) 
fel{iciter)y  Had{riano)  Äug{usto)  p{atri)  p{atriae)  f{elicitcr},^)  fel{ix)  Sabi{na) 
Aug{u8ta)  Had(riano)  8dl{vo)j  vgl.  S,  43  (s.  die  beig.  Taf.  II,  12):  in^e- 
ratoribus  T{iti8  duobus)  f{el%citer)  —  Domitiano  C{aesairi)  f{eliciter). 

Die  bestimmten  Tage  der  Verteilungen,  welche  die  leges  coUegiorum 
nennen,  lassen  die  Tesseren,  die  auch  einen  bestimmten  Tag  nennen,  un- 


1)  Über  Fortuna  als  Handelsgottheit,  Röscher,  Lexicon  1  1507  uDd  1583. 

2)  S.  AscoD.  6;  CIL.  IX  8857;  Zielinski  im  Journal  des  Minist  der  VoUtsauf- 
klärungy  1908,  9,  154  (russisch). 

8)  Born.  Mitt,  1890,  288  fF.;  Bmns,  Fontes!^,  856;  Waltzing,  Corp.  prof.  lU  1847 
und  2414;  CIL.  VI  83885. 

4)  Z.  9—10:  item]  VIU  \Kal.]  Febr.  [natali  Ha]driani  Äug{u8tt)  u.  Z.  17-18: 
in  Idu8  Aug(u8ta8)  die  imperi  Hadriani  Aug(u8ti)j  vgl.  CIL.  X  444,  10—15:  sanxitque 
uti  ex  reditu  eorum  fundoru[m]  q(ui)  s.  s.  8.  K.  Janu(ariis),  III  Idus  Febr{uana8) 
Domitiae  Aug.  n.  natale  et  V  K.  Julias  dedicatione  Silrani  et  XII  K.  Julias  ftMO- 
lihus  et  IX  K.  Novembr(es)  natale  Domitiani  Aug.  n.  sacrum  in  re  jyraesenii  fiat  ewt- 
renirentque  ii  qui  in  coUegio  essent  ad  epulandum  und  CIL.  VI  9254,  11 — 18:  die  ] 
IX  Kai.  Octobr(es)  natali  divi  \  Augusti  erogentur  ex  ark(a),  vgl.  Waltzing,  Corp.  prof" 
IV  541  ff.  und  587  ff.  und  besonders  CIL.  XIV  326. 

5)  Vgl.  CIL.  VI  10234,  10—11:  ubi  XIII  K.  Oct.  die  felicissimo  n(atali)  Ante- 
nini  Aug(u8ti)  n{ostri)  Pii  p.  p.  sportulas  dividerent. 


Römische  BUitesserae,  99 

gezwungen  erklären;  ich  meine:  8,  1088  mit  der  Aufschrift  id(ibus)  lunis 
Merc{uri)  (wohl  die;  oder  Mcrc(uriales)?%  1089  —  idus  Itdiae,  1090  — 
idus  Itdias  (wohl  statt  id(ibu8)  lulis),  vgl.  dasselbe  1090*.  Mit  dieser 
Nennung  der  idtis  sind  die  collegia  kalendarium  ei  iduaria  duo  {CIL. 
II  4468),  die  decatrenscs  (CIL.  X  1696,  1697),  das  commune  tricen- 
simae  (CIL.  III  6671)  und  das  xoivov  ri/g  rgiaxados  (Bull  des  Ant.  de  Dr., 
1901,  110),  beide  letzteren  in  Berytos,  nach  den  Tagen  der  Versamm- 
lungen sogenanny)  zu  vergleichen.  Damit  bekommen  unsere  Tesseren 
eine  frappante  Ähnlichkeit  mit  den  athenischen  avfißoka  für  die  Di- 
kasterien  und  die  Ekklesia,  die  zugleich  Eintrittsbillets  und  Kontroll- 
marken für  das  öixuauxov  und  ixxkfjaiaarixdv  waren.  Die  Rückseite 
der  Tessera  S.  1089  mit  der  Darstellung  der  Aequitas  giebt  unserer  Er- 
klärung eine  nicht  zu  verachtende  Stütze. 

Der  angeführten  Serie  schliessen  sich  mehrere  Tesseren  mit  der 
Nennung  eines  Monats  an.  Am  häufigsten  wird  der  Januar  genannt 
(S.  1082—1086),  dann  Iuni(us)  meses  8.  1087,  August  8.  1091—1094, 
endlich  m(ensis)  September  und  m(ensis)  Octobcr  8.  1095.  Die  Rückseiten 
sind  charakteristisch :  Genius  einer  Kollektiveinheit  und  die  Göttin  Roma 
(1082),  Fortuna  (1083),  Aequitas  in  der  bekannten  Gestalt  eines  Kra- 
nichs oder  Storches  (1084),«)  vereinigte  Hände  (1085),  Löwe  als 
Zodiakalzeichen  (1090''),  Capricomus  (1091).  Es  wird  wohl  an  monatliche 
Verteilungen  (besonders  bei  der  Tessera  8,  1095)  zu  denken  sein.  Denn 
dass  die  Tesseren  Verteilungen  meinen,  ersieht  man  klar  aus  «S.  1086, 
wo  wir  neben  Ian(uarius)  auf  der  Rückseite  das  Signum  denarii,  dann  I 
und  P  sehen  —  wohl  sicher  d{enarit)  s(inguU)  p(optdo),  bezw.  p{lebi). 

Auch  die  Tesseren  S.  1096  dies  PHscülae  und  8.  1465  d{ies)  Philo- 
xenes  meinen   wohl  Verteilungen  an  Gedenktagen  reicher  Stifterinnen. 

Nach  dem  Gesagten  lassen  sich  noch  mehrere  Abkürzungen  auf 
Tesseren  auflösen.  So  die  schon  angeführte  Tessera  mit  der  Darstellung 
des  iumentarius  {S.  1038):  sie  hat  auf  der  Rückseite  das  Signum  denarii 
und  V — S  wohl  v{iris)  s{ingulis),  dann  8.  975:  die  Zahl  U  und  in  der 
Mitte  ein  Kreis,  wohl  Münze  und  8.  1020  mit  Darstellung  eines  Trink- 
j^efässes  und  der  Aufschrift  sex{tarius),  vgl.  auch  8.  2680. 

Es  ist  also  klar:  die  Vereine  haben,  dem  Beispiele  der  Regierung 
folgend,   auch   für  ihre  Massenverteilungen,  Spiele   und   Festessen  das 


1)  Diese  Erklärung  ist  eine  glänzeDde  YemuituDg  Mommseiis  (ad  CIL.  II  4468} 
und  0.  Hirschfelds,  SiUb.  d.  Wiener  Ak,,  1884,249,  3.  Für  das  commune  tricensimae 
nehme  ich  jetzt,  nach  der  Auffindung  der  Inschrift  mit  dem  xoivbv  tffiaxddog^  meine 
frühere  Erklärung  {Staatspacht  509)  zurück,  s.  Hirschfeld,  Verwaltungsb*  81,  1,  vgl.  die 
Tessera,  S.  2184  mit  der  Aufschrift  tUäg  und  der  Darstellung  von  zwei  Fortunae  und 
des  Steuerruders:  die  Tessera  gehört  sicherlich  einem  xoivbv  rffg  aluddo^. 

2)  Vgl.  Bahr.  13;  Zielinski  im  Journ.  des  Minist,  der  VolksaufTdärung  (russisch), 
1903,  9,  154. 

7* 


100  M.  Bostoweew, 

Markensystem  eingeführt.  Es  wurde  dadurch  Ordnung  und  Kontrolle  in 
das  finanzielle  Leben  der  Ck)llegia  gebracht  und  unsere  Tesseren  bezeugen 
uns,  dass  die  grossen  und  reichen  Vereine  eine  stramme  und  ordentliche 
Verwaltung  ihrer  Finanzen  durchgeführt  haben.  ^) 

Zu  vergleichen  sind  mit  unseren  Tesseren  die  Bronze-  und  Blei- 
marken, mereaux,  jetons  und  penningen,  der  grossen  Korporationen  von 
Paris*)  und  der  holländischen  Städte,^)  welche  sich  in  ununterbrochener 
Reihe  vom  XV.  bis  zum  XVin.  Jahrh.  hinziehen.  Meistens,  aber  nicht 
ausschliesslich,  sind  es  jetons  de  presence. 

Besonders  frappant  ist  die  Analogie  der  Darstellungen.  Wir  sehen 
entweder  die  Arbeitsinstrumente,  oder  die  produzierten  Güter,  oder  ein 
Mitglied  der  Korporation  bei  der  Arbeit,  alles  in  Verbindung  mit  den 
in  der  Korporation  besonders  verehrten  Heiligen  dargestellt.  Am  lehr- 
reichsten für  unsere  Zwecke  sind  die  Jetons  von  Amsterdam,*)  welche 
sich  auf  das  Hafenleben  beziehen;  wir  sehen  hier  alle  oben  beschriebenen 
Darstellungen  unserer  römischen  Serie:  allerlei  Schiffe,  die  ausladenden 
Arbeiter  u.  s.  w.  '^) 

Im  n.  wie  im  XVin.  Jahrh.  sind  also  die  Tesseren  Kontrollmarken 
gewesen.*^)  Höchst  lehrreich  sind  in  dieser  Hinsicht  die  Tesseren  vom 
J.  1599  aus  Utrecht:  Einladungsbillets  auf  das  vinum  honorarium  mit 
Darstellung  einer  Weintraube  geschmückt,')  eine  frappante  Analogie  zu 
den  tesserae  vinariae  des  Staats  und  der  CoUegien. 

Aus  der  oben  (S.  97)  erwähnten  Serie  unserer  Marken,  die  durch 
die  Darstellung  eines  Schiffes  charakterisiert  ist,  scheiden  einige  Tesseren 
aus,  die  als  Collegienmarken  nicht  erklärt  werden  können.  Es  sind 
S.  944 — 950.  Das  Charakteristische  der  Serie  sind  Darstellungen  von 
zwei  Arten  leichter  Schiffe  von  besonderer  Form,  mit  den  Beischriften 
auf  zwei  Exemplaren  CYD,  auf  einem  CYD  |  AES  (s.  die  beig.  Taf.  n,  13). 


1)  Auch  in  den  Provinzen  finden  sich  ähnliche  Marken.  So  in  Ephesus  gehören 
wenigstens  zwei  interessante  Tesseren  in  unsere  Reihe.  Ich  meine  die  von  mir  (russ. 
Aufl.  273  n.  17)  publizierte  Tessera  mit  der  Aufschrift:  Mivav^Qog  taiil{ag)  ysQoveLag 
und  die  andere  (ebenda  18),  mit  der  Inschrift  'Agrifu^og  iivat&v, 

2)  Forgeais,  Collection  des  pUmbs  historüs  trouvSs  dans  la  Seine,  B.  I— IV, 
Paris,  1862 — 1866;  Numismatique  des  corparations  parisiennes ,  Paris,  1874  (Cap.  I: 
corparaiions  partsiennes,  II ;  mireaux  fiscaux,  III :  Offices  des  maisons  royales), 

3)  L.  Minard  van  Hoorebeke ,  Description  de  mireaux  et  jetons  de  presence  etc, 
des  gildes  et  corps  de  mStierSf  iglises  etc.,  B.  T— III,  Gand,  1877—1879;  Dirks,  De 
noord-nederlandische  Gildepenningen ,  Haarlem,  1878  (vgl.  seine  Aufsätze  in  der  Bev. 
beige  de  num.,  1859,  1866,  1873);  G.  van  Orden,  Bijdragen  tot  de  penningkunde  van 
het  koningrijk  der  Nederlanden,  Zaandam,  1880. 

4)  Catalogus  van  Gedenkpenningen  etc,  betreffende  de  Stad  Amsterdam,  Amster- 
dam 1889. 

5)  S.  Hoorebeke,  Description  1138-53. 

6)  F.  de  Vigne ,  Moeurs  et  usages  des  corporations  de  mitiers  de  la  Belgique, 
Gand,  1847,  77  f. 

7)  Orden,  Bijdragen,  pl.  VII  6  und  S.  47;  Hoorebeke,   Description  234,  439—441. 


Bömische  Bleitcsscrae.  101 

Beide  Arten  der  Schiffe  sind  leichte  bewegliche  Kähne  mit  einem 
mendicium  ^)  und  Rudern  versehen.  Der  einzige  Unterschied  ist  der,  dass 
die  erstere  Art  (944 — 947)  einen  senkrechten,  die  zweite  einen  ab- 
gerundeten Kiel  hat. 

Ein  Schiff  der  zweiten  Art  sehen  wir  auch  auf  einer  Serie  von 
Bronzetesseren  mit  den  Buchstaben  D,  G,  T,  V  auf  den  Rückseiten.*) 

Die  Beischrift  CYD  kann  nur  in  cyd{arum)  aufgelöst  werden.  Cyda- 
rum  aber  ist  eine  Art  von  Schilfen,  die  von  Gellius  {K  J..,  X  25  5)  und 
Pollux*)  erwähnt,  aber  leider  nicht  charakterisiert  wird.  Der  Name 
kommt  auch  auf  dem  bekannten,  bis  jetzt  so  gut  wie  unpublizierten,  Mosaik 
aus  Althiburus  mit  Darstellungen  von  allerlei  Schiffen,  einem  Fischer- 
kahne, der  leider  nur  zum  Teile  erhalten  ist,  beigeschrieben  vor.*) 

Was  für  eine  Bestimmung  hatten  nun  unsere  gleichartigen  Bronze- 
und  Bleimarken?  Die  Bronzen  bezeugen  durch  die  Buchstaben  der  Rück- 
seiten, dass  sie  in  grösseren  Serien  ausgegeben  wurden,  die  Beischriften 
auf  den  Bronzen  der  zweiten  Art  (s.  Anm.  2)  und  den  Bleien  S.  445  und 
449  (Initialen  und  abgekürzte  Namen),  dass  es  Privatleute  taten.  Endlich 
die  Beischrift  auf  944  kann  nur  als  cyd(art)  aes:  Geld  für  Benutzung 
des  cydarum  verstanden  werden.*) 

So  werden  demnach  unsere  Marken  Kontrollmarken  auf  Verkehrs- 
schiffen, welche  auf  dem  Tiber  aufwärts  und  abwärts  zirkulierten  und 
neben  den  Fuhrwerken  der  Landstrassen  die  bequemsten  und  wohl 
billigsten  Verkehrsmittel  waren,**)  gewesen  sein.    Besonders  lebhaft  war 


1)  S.  Graser,  Das  Seewesen,  Philol.,  SuppL,  III,  §  100,  S.  210 ff.  und  205,  54, 
vgl.  Graser,  Die  Gemmen  des  K.  Mus.  zu  Berlin  mit  Darstellungen  antiker  Schiffe 
(Berl.  1867),  Taf.  I  1  (89),  S.  8 ff.;  I  11  (90),  8.  18 ff.;  vgl.  Die  ältesten  Schiffsdar- 
Stellungen  auf  antiken  Münzen,  Berl.,  1870,  Taf.  D,  614 b,  192*>,  429b  und  S.  16 
(948—950) 

2)  Beifort,  Annuaire  de  num.  XVI  241,  pl.  IX  7-10,  vgl.  noch  CIL.  XV  2,  7222: 
MPV  litteris  exstantibus.  Navis  in  qua  sunt  duo  remiges.  Tabeüae  parvae  aeneae 
formae  quadriangulae  (16,  15,  13—18  mm).  Mit  unseren  Schiffen  der  zweiten  Art 
könnte  man  die  Schiffe  auf  geschnittenen  Steinen,  Reinach,  Pierres  gr.  59,  49,  2  (Gori), 
auch  Fol,  Musie  76,  13  vergleichen. 

8)  Pollux  I  82 ;  Corpus  gloss.,  Index  s.  v. 

4)  Ich  verdanke  diesen  Nachweis  und  die  Photographie  eines  Teiles  des  Mosaiks 
der  Liebenswürdigkeit  H.  Gaucklers.  S.  auch  C.  r.  de  VAc.  d.  inser.,  1898,  642;  De 
la  Blanch^re  et  Gauckler,  Catal.  du  Musie  Alaoui  166;  Daremberg  et  Saglio,  Dict. 
d.  ant  IV  2116,  Fig.  5251,  vgl.  HI  185,  Fig.  3838  und  256;  Buecheler,  Neptunia 
prata,  Rh.  Mus.  1904,  321  ff.  Buecheler  führt  unsere  Inschrift  nicht  an.  Stammt  sie 
am  Ende  von  einem  anderen  ähnlichen  Mosaik,  deren  viele  von  Gauckler  bei  Darem- 
berg et  Saglio,  Dict.  d.  ant.  2117,  1  erwähnt  sind,  keines  aber  bis  jetzt  gut  publiziert 
ist?     Hoffentlich  bringt  die  Publikation  in  den  Mon.  Piot  Alles  auf  einmal. 

5)  S.  die  Beschreibung  der  Kanalreise  des  Horaz  (Hör.,  Sat.  15,  13 :  dum  aes 
ejcigitur,  dum  mula  ligatufy  tota  dbit  hora). 

6)  S.  die  Schildenmgen  des  Tiberlebens  bei  Strabo  5,  7;  Propert.  I  14,  1—4; 
Preller,  Born  und  der  Tiber,  Ber.  der  sächs.  Ges.,  1849,  134  ff. ;  Nissen,  Italische  Landes- 
kunde 1  316  ff. 


102  M.  Rcstoweew, 

wohl  der  Personenverkehr  zwischen  Rom  und  Ostia.  Zwar  fehlen  uns 
Nachrichten  darüber  fast  vollständig  (s.  z.  B.  Suet,  Claud.  38),  aber  es 
zeugt  dafür  ausser  den  allgemeinen  oben  zitierten  Schilderungen  noch  die 
gute  Organisation  des  Überfahrtswesens  in  Ostia.  Wir  haben  eine  Reihe  von 
Inschriften,  welche  besondere  CoUegien  der  bei  der  Überfahrt  beschäftigten 
Schiffer  bezeugen.^) 

Moderne  Analogien  für  den  Gebrauch  von  Tesseren  beim  Flussverkehr 
anzuführen,  wäre  überflüssig.  Ich  weise  nur  auf  die  kleinen  Dampfschiffe 
auf  der  Seine  in  Paris  hin,  wo  jetzt  noch  Bronzetesseren  der  antiken  Form 
gebraucht  werden. 

Noch  schärfer  ist  eine  andere  Serie  von  Bleimarken,  welche  sich  auf 
private  Unternehmungen  bezieht,  durch  Inschriften  und  Darstellungen 
charakterisiert.  Es  sind  Marken  von  Badeanstalten.  S,  886  trägt  die 
Inschrift  balincum  Germani  (s.  die  beig.  Taf.  II,  16);  S,  887:  b<ü(neum) 
no(vu)m;  S.  888:  bdl{neum)  Ti.  Qlaudi)  und  ein  schwer  zu  lesendes 
Cognomen,  vgl.  889,  wo  auf  der  Rückseite  eine  Fortuna  bälnearis-)  dar- 
gestellt ist. 

Daneben  giebt  es  mehrere  Tesseren,  welche  durch  Namen  von  Bad- 
besitzem  oder  Badpächtem  bezeichnet  sind:  S.  892:  Iul(tus)  bal{neator) 
und  Merkur  auf  einem  Hammel  reitend;^)  S,  893:  Sub(uranus  oder  ähnl.) 
bal{neator);  S.  891:  Föl(ix)  baHneator).  Damit  ist  eine  Bronzemarke 
(Cohen,  VIII  266,  9)  mit  der  Inschrift  Lotus  —  balneator  zu  vergleichen.*) 

An  diese  Serie  knüpft  sich  ungezwungen  die  Serie  mit  Darstellungen 
von  instrumenta  balnearia  (S.  894 — 900)  an.  Besonders  charakteristisch 
ist  S.  895 :  L,  Bomiti  JPrimig{ent)  und  die  Darstellung  des  ffuttus ;  R  Ring 
mit  zwei  strigiles  und  einer  ampulla.  Ganz  ähnlich  ist  eine  bis  jetzt 
unedierte  Bronzetessera  des  Pariser  Münzkabinets :  Mann  n.  r.  schreitend, 
bekleidet  mit  einer  Exomis,  die  Rechte  an  der  Brust,  in  der  linken  stri- 
gilis  und  ampulla]  R  Guttus  und  Kranz  D.  13  mm. 

Diese  Marken  müssen  also  für  Zwecke  der  Verwaltung  der  Privat- 
bäder allgemein  benutzt  worden  sein.    Dass  es  wiedenim  Kontrollmarken 


1)  CIL.  XIV  409,  254,  403,  cf.  451,  425,  vgl.  den  pm-titor  in  Interamna  CIL. 
XI 4175,  8.  auch  ähnliche  Unternehmungen  im  Lykischen  Myra  (CJ6r,  III,  Suppl. 
1136,  n.  4302»;  Lebas -Waddington  III  1311)  und  in  Smyrna  (Dittenberger,  SyUoge^ 
876).  In  Italien  beschränkte  sich  der  Flussverkehr  natürlich  auf  den  Tiber  und  den 
Po.  Über  ägyptische  Verhältnisse,  wo  der  Nil  die  Hauptstrasse  war,  besitzen  wir 
reichhaltiges  Material,  das  aber  noch  nicht  zusammengestellt  worden  ist;  Einiges  bei 
Wilcken,  Ostraka  I  386,  §  190. 

2)  S.  Ruggiero,  Diz.  ep.  1963;  Koscher,  Lexicon  1  1523. 

3)  Vgl.  Anon.  Einsiedl.  70:  balineum  Mercarii. 

4)  Balneator  ist  natürlich  nicht  ein  ^serro  che  presia  ü  hasso  sercizio'^ ,  wie 
Ruggiero ,  IHs.  ep.  I  968  meint ,  sondern  ein  Besitzer ,  Verwalter  oder  Pächter  einer 
Badeanstalt,  s.  ed.  Diocl.  \ll  76:  halneatori  privatario  in  singulia  lavantibus  {denarios  , 
duo8,  vgl.  Dig.  III  2,  4.  2  (balneator  —  conductor  balnei)\  Mau  bei  Pauly  •  Wissowa, 
HE.  II  2758. 


Römische  Bleitcsserae.  103 

waren,  ist  augenscheinlich.  Es  liegt  aber  auch  die  Möglichkeit  vor,  dass 
wir  es  mit  Largitionsmarken  zu  thun  haben.  An  kaiserliche  Spenden 
ist  dabei  natürlich  nicht  zu  denken,  die  Marken  haben  einen  zu  aus- 
gesprochenen privaten  Charakter;  wahrscheinlich  sind  es  aber  Spenden 
eines  Privaten  für  Mitglieder  eines  grösseren  oder  kleineren  Vereines. 
Eine  solche  Erklärung  wäre  vielleicht  für  Marken  von  der  Art  der 
n.  899  und  900  die  passendste. 

Für  grössere  Badeanstalten  mit  einem  umfassenden  Bassin  für  kalte 
Bäder  galten  sicherlich  die  Tesseren  S.  901 — 903.  Die  auf  diesen  Marken 
dargestellten  nackten  Männer,  die  sich  wohl  in  die  piscina  stürzen  (neben 
ihnen  steht  ein  labrum),  illustrieren  mit  grösster  Anschaulichkeit  die  be- 
kannte Schilderung  Seneca's  (cp.  56);  er  beschreibt  den  Lärm,  der  in 
Bädern  herrscht  und  fügt  hinzu :  adice  nunc  cos  qui  in  piscinam  cum  ingcnti 
impulsac  aquae  sono  säliunt  vgl.  83,  5:  in  Virginem  desilire,^) 

Die  Rückseiten  der  Tesseren  (Neptun  -)  und  Fortuna)  passen  zu  dieser 
Erklärung  ganz  vorzüglich. 

Wir  sehen  also,  die  Tesseren  als  vorzügliches  Kontrollmittel  dringen 
überall  in  das  Privatleben  ein.  Sie  lassen  sich  aber  nicht  nur  bei 
grösseren  Körperschaften,  sondern  auch  im  wirtschaftlichen  Leben  einzelner 
Unternehmungen  und  Persönlichkeiten  nachweisen. 

1)  Es  ist  wohl  das  atagnum  Agrippae  gemeint,  Oilbert,  Gesch.  und  Top.  III  293,  2. 

2)  Neptun  ist  Wasser-,  nicht  Meergott,  Domaszewski ,  Korresp.  der  westd.  Z, 
XV  233 ff.;  Wissowa,  Meligion  und  Kultus  252;  Bloch  bei  Röscher,  Lexicon  III  542. 


Kap.  V. 

Tesseren  in  den  Privatwirtschaften. 

Mehrere  Hundert  Tesseren  oder  besser  Tesserentypen  weisen  als  ihr 
Charakteristikum  mehr  oder  weniger,  zuweilen  auch  gar  nicht,  abgekürzte 
Namen  auf,  ohne  jede  weitere  Bezeichnung  des  Verhältnisses,  in  dem  der 
Träger  des  Namens  zu  der  Tessera  steht,  und  ohne  irgend  eine  Angabe 
über  die  öffentliche  oder  private  Thätigkeit  der  Genannten.  Die  Ab- 
kürzungen, bestehen,  wie  auf  anderen  Stempeln,  öfters  aus  Initialen,  und 
zwar  bilden  die  letzteren  gegenüber  den  verständlicheren  Abkürzungen  die 
Mehrzahl.0 

Dies  allein  bezeugt  uns  schon,  dass  wir  es  mit  Äusserungen  des 
Privatlebens  der  Genannten  zu  thun  haben.  Daneben  beweist  die  Massen- 
haftigkeit  der  Namen  und  Initialen  und  das  Vorkommen  der  meisten  Typen 
nur  in  beschränkter  Zahl  von  Exemplaren,  dass  es  Namen  sicherlich  von 
Besitzern  der  Tesseren  nicht  von  Fabrikanten  oder  Giessern  sind.*)  Dazu 
passt  vortrefflich,  dass  der  Name  da,  wo  er  ausgeschrieben  erscheint,  stets 
im  Nominativ  und  Genitiv,  im  Dativ  dagegen  nur  in  Verbindung  mit 
feliciter  gebraucht  wird.'^) 

Dabei  herrscht  in  der  Auswahl  der  Namen  noch  mehr  wie  in  den 
Inschriften  grösste  Willkür.  Es  erscheinen  die  regelrechten  tria  nominal 
daneben  nomcn  gentile  und  cognomen,  nomen  gcntilo  allein  oder  mit  dem 

1)  Die  verstÄDdlich  abgekürzten  Namen  sind  von  mir  in  systematischer  und  alpha- 
betischer Ordnung  in  der  SyUoge^  n.  1103—1511  zusammengestellt.  Die  Initialen 
sind  nicht  immer  mit  Sicherheit  als  solche  zu  erweisen  und  sind  deshalb  nach  den 
Typen  der  Rückseiten  verteilt.  Es  versteht  sich  aber  von  selbst,  dass  die  Mehrzahl  der 
incertae  in  der  SyUoge  eben  Privattesseren  sind.  Da  aber  Sicherheit  nicht  zu  erreichen 
war,  habe  ich  es  vorgezogen,  dieselben  in  ihrer  Masse  als  Ganzes  mit  incertae  zu  be- 
zeichnen. 

2)  Mau  vergleiche  nur  die  Vasen-  oder  Lamprnstempel.  Dass  ein  Fund  zuweilen 
viele  Tesseren  desselben  Typus  bringt,  ist  leicht  verständlich  und  mit  der  Verbreitung 
eines  Fabrikstempels  nicht  zu  vergleichen. 

3)  Das  Verhältnis  des  Nominativs  zum  Genitiv  ist  annähernd  2 : 1.  Der  Dativ 
ist  sehr  selten. 


Römische  Bleitesserae,  105 

praciwmen,  pracnomen  allein  und  am  häufigsten  das  cognomen  allein.*) 
Öfters  erscheinen  Frauennamen.  2) 

Der  Stand  der  Tesseren  ausgebenden  Personen  lässt  sich  selten  mit 
Sicherheit  feststellen.  Wo  es  aber  möglich  ist,  führt  diese  Feststellung 
zu  höchst  lehrreichen  Resultaten. 

S.  1139  giebt  Asprcn(as)  Cacsian(us);  damit  zu  vergleichen  ist 
CIL.  VI  9356 :  Olympus  Caesiani  dispensator  marittis  Naniae  P.  l  lonicae 
(vgl.  Prosop.j  n  409  n.  97).  Es  ist  mit  Dessau  anzunehmen,  dass  wir 
es  in  der  Inschrift  mit  einem  der  Nonii  Asprenates  des  L  Jahrh.  n.  Chr. 
zu  thun  haben ;  dass  es  der  mehrmals  von  dem  Rhetor  Seneca  erwähnte 
Deklamator  ist,  dürfte  wohl  möglich  sein.  Dasselbe  ist  von  dem  Besitzer 
unserer  Tessera  zu  sagen. 

Senatorischen  Standes  ist  der  sonst  unbekannte  3f.  Caelius  Clodianus 
v{ir)  cQarissimus),  S.  1149. 

P.  Glitius  Gallus  der  Tessera  S,  1238  wird  wohl  der  bekannte  gleich- 
namige Verbannte  des  Nero  sein  (Tac,  Ann,  XV  56,  71;  Prosop.  II  119, 
n.  116).  Die  Rückseite  der  Tessera  giebt  sein  Wappen,  einen  Hahn 
(s.  unten  S.  107),  auf  der  Hauptseite  sehen  wir  wohl  seinen  Porträtkopf. 
Für  die  Öffentlichkeit  kann  also  die  Tessera  nicht  bestinmit  gewesen  sein. 

C.  Jul{ius)  SeveruSj  S.  1266  ist  dem  Konsul  des  J.  155  n.  Chr. 
(Prosop,,  n  214,  n.  372)  gleichnamig,  ob  auch  verwandt,  lässt  sich  nicht 
entscheiden. 

L.  Plotius  Vicinus%  S.  1302;  die  Tessera  bezeichnet  auch  den  Ort, 
wo  sie  Giltigkeit  hatte  (?) :  Luceriae  steht  auf  der  Rückseite.  Ein  gleich- 
namiger Plotius  war  Prokonsul  auf  Kreta  im  J.  4 — 3  v.  Chr.  {Prosop,  m  55 
n.  995).  Dass  die  Familie  aus  Luceria  stammte  oder  wenigstens  dort 
begütert  war,  bezeugt  CIL,  IX  935  (Freigelassener  eines  Vicina — Vicinai  l). 

Q.  Tcrcntius  Callco,  S,  1323.  Die  Familie  blühte  in  den  letzten  Zeiten 
der  Republik  und  in  der  ersten  Kaiserzeit  (Prosop,  HL  300,  n.  53  und  54, 
vgl.  Not.  d.  sc,,  1888,  439,  n.  10). 

M.  Valerius  MJ.  Etruscus,  S.  1327  (s.  die  beig.  Tat  11  20)  gehört 
wohl  zu  derselbe™p,amilie,  wie  der  gleichnamige  Etruscus,  der  im  J.  152 
n.  Chr.  Legat  des  afrikanischen  Heeres  war.*) 

A,  Cae  ....  Cr  ....  iS.  1151  ist  kaum  anders  als  zu  J.  Cae(pio) 

1)  Tria  nomina  62,  voU  ausgeschrieben  14;  nomen  und  cognomen  62,  nomen 
allein  4.3*,  in  beiden  letzteren  Fällen  müssen  wohl  mehrere  abgekürzte  Namen  als 
Frauennamen  erklärt  werden;  nomen  gentile  und  praenomen  24,  praenomen  allein  16, 
cognomen  allein  mehr  wie  100,  dabei  voll  ausgeschrieben  49  mal.  Vgl.  W.  Schulze, 
Zur  Geschichte  lateinischer  Eigennamen  487  ff. 

2)  Sichere  Frauennamen  habe  ich  39  gezählt.  Bei  der  Statistik  habe  ich  das 
Supplementum  nicht  berücksichtigt.  Auch  unsichere  Fälle  sind  nicht  mit  in  Betracht 
gezogen  worden. 

3)  Auf  den  Namen  spielt  vielleicht  der  Typus  der  Hauptseite:  foiium  viciae(y)  an. 
Das  Cognomen  lautet  allerdings  in  den  Inschriften  Vicina  oder  VicinaSy  s.  Schulze, 
Zur  Geschichte  latein,  Eigennamen  102.     Auf  der  Tessera  kann  es  vulgarisiert  sein. 

4;  S.  Prosop.  III  o56,  n.  48  und  Cagnat,  Ann.  «/>.,  Bev.  arch.  1899,  2,  n.  3. 


106  M,  Bostowzew^ 

Cfiispintis)  zu  ergänzen  (s.  Prosop.  I  262,  n.  119  cf.  118).  Den  Ep]puleiu8 
Proculus  S.  1214  stelle  ich  mit  M.  Eppuleius  Proculus  Ti.  Caepio  Hispo 
(Prosop,  n  37,  n.  62),  Konsul  unter  Traian,  zusammen  (einen  Freigelassenen 
desselben  s.  S.  1150).  L,  Ne  .  ,  ,  .  Pr  .  .  .  ,  S.  1288  ergänze  ich  zu 
L.  Ne(ratius)  Pviiscus)  und  erinnere  an  den  bekannten  Priscus  aus  dem 
Ende  des  I.  Jahrh.  (Prosop.  II  102,  n.  46). 

Will  man  auch  einige  dieser  Zusammenstellungen  nicht  annehmen, 
so  bleibt  doch  als  feststehendes  Eesultat  der  angeführten  Beispiele,  dass 
unter  den  auf  den  Tesseren  genannten  Privatpersonen  mehrere  Mitglieder 
der  bevorzugten  Stände  erscheinen.  Dieselben  gehören  sämtlich  den  ersten 
zwei  Jahrhunderten  an. 

Daneben  kommen  aber  auch  sicher  Freigelassene  vor.  So  auf  den 
Tesseren  S,  1222.  1228.  1470.  1486.  Die  Mehrzahl  der  massenhaft  ver- 
tretenen Claudier,  Fla  vier,  Ulpier,  Aelier  wird  wohl  auch  von  Frei- 
gelassenen abstammen  oder  selbst  Freigelassene  sein.  Möglich  ist  auch, 
dass  einige  derselben  ihren  Stand  absichtlich  verschweigen. 

Ausdrücklich  als  Sklave  bezeichnet  sich  nur  ein  kaiserlicher  Sklave 
aus  der  älteren  Kaiserzeit:  Primus  Caesar(is)  servus  Agr(ippianu8)  S.  1471; 
man  muss  aber  annehmen,  dass  auch  viele  von  denen,  welche  sich  nur 
mit  einem  Ck)gnomen,  öfters  einem  griechischen,  bezeichnen,  Sklaven  sind. 
Dies  wird  durch  die  oben  erwähnten  Tesseren,  auf  denen  das  Pränomen 
allein  erscheint,  nahe  gelegt.  Denn  Tesseren  mit  Inschriften  wie  C{ai) 
n(ostri),  S.  1352;  L{uci)  n(pstri\  S.  1355;  L(ucii)  duo,  S.  1358;  Q{uinti) 
n(ostri),  S.  1359;  L(ficis  duöbus)  f{clidter),  S.  1357;  Q(mnto)  f(eliciter\ 
S.  1360  können  nur  die  zur  familia  eines  Haushaltes  gehörenden  Sklaven 
oder  Freigelassenen  ausgegeben  haben.  ^) 

Damit  aber  sind  wir  bei  der  Frage  nach  der  Bestimmung  dieser 
privaten  Tesseren  angelangt.  Das  Gesagte  allein  genügt,  um  einige  wesent- 
liche Punkte  festzustellen.  Wir  müssen  nämlich  annehmen,  dass  1.  die 
Ausgabe  der  Tesseren  Privatgeschäft  ist,  2.  als  Ausgebende  die  einzelnen 
wirtschaftlichen  Einheiten,  die  domus  und  familiae,  erscheinen,  wobei  die 
ausgegebenen  Gegenstände  entweder  durch  das  Haupt  der  Einheit,  oder 
durch  seine  familia  in  seinem  oder  eines  der  Mitglieder  der  familia  Namen 
signiert  werden,  3.  die  Zahl  der  ausgegebenen  Tesseren  zuweilen  sehr 
gross  ist  (s.  S.  1460). 

Diese  Thatsachen  werden  noch  durch  andere  Beobachtungen  wesent- 
lich bekräftigt  und  erweitert.    Der  Familien-  oder  Hauscharakter 

1)  Analogieu  aus  den  lu8chriften  könnten  massenhaft  angeführt  werden.  Als 
Beispiele  mögen  folgende  Inschriften  dienen:  genio  M(arci)  n{08iri)  et  Laribus  — duo 
IJiadumem  (auf  einer  Hausaedicula,  CIL.  X  861;  Overbeck-Mau,  Pompei  299);  G{enio 
P{üblii)  n{08tr%)  |  Primigenius  |  lib{ertu8)  (auf  einer  Porträtherme,  Heuzey,  Sodite  not. 
des  Ant.j  Centenaire  18U4 — 1904,  199);  C{aio)  n(ostro)  decuritmes  et  familin,  CIIj. 
VI  10857;  Abascant^o,  tpä  fuil  (^uintC)  n(os(ri)  n  fnment  o],  (IL.  VI  9423,  vgl.  9424, 
XII  3050-8056  und  öfters. 


Hämische  Bleitcsscrac.  107 

der  Monumente  wird  noch  klarer,  wenn  wir  die  Tesseren,  die  von  Mann 
und  Frau  zugleich  signiert  sind,  in  Betracht  ziehen.  Ausser  der  Tessera 
aus  der  Sammlung  Fröhners  S,  1195  (vgl.  Suppl,  und  die  beig.  Taf.  11 19), 
die  uns  die  Namen  beider  Gatten  und  ihre  Porträts  bietet, i)  erinnere  ich 
noch  an  S.  1512—1515,  wo  die  Namen  zwar  nicht  genannt,  aber  die  Por- 
träts der  Gatten  höchst  charakteristisch  gruppiert  sind,  und  an  die 
Tesseren  S.  1558 — 1563  mit  der  Darstellung  zweier  Schlangen,  dem  be- 
kannten Symbole  eines  Hauses,  in  dem  der  Hausherr  verheiratet  ist.  An 
solcher  Deutung  lässt  die  Tessera  S,  1560  mit  der  Inschrift  C{ai)  n{oslri) 
und  den  zwei  Schlangen  als  Br  nicht  rütteln.  Lehrreich  ist  auch  die 
Tessera  S.  1557'  (Suppl):  CD  auf  der  Hauptseite  und  auf  dem  R  zwei 
Füllhörner.  Auch  Tesseren,  wie  die  mit  der  Beischrift  Murciorum 
(S,  1287),  S.  et  L.  Sext  ....  (S.  1317),  vgl.  auch  S.  1367,  bezeugen 
sicher  den  Familiencharakter  unserer  Monumente. 

Der  rein  persönliche,  private  Charakter  dieser  Tesseren  be- 
kommt seinerseits  seine  Bestätigung  durch  folgende  Beobachtungen.  Die 
den  Namen  beigegebenen  Typen  stehen  nur  selten  in  keinem  Zusammen- 
hange mit  der  Person  oder  dem  Namen  des  Besitzers.  Öfters  sind  es 
redende  Wappen,  welche  den  Namen  nach  der  bekannten  römischen 
Manier  illustrieren  oder  ins  Bildliche  übersetzen.  Einige  Beispiele  wurden 
schon  oben  S.  105  angeführt,  ich  füge  noch  folgende  hinzu. 

Turius  Celer,  S,  1326  giebt  auf  dem  Rs.  ein  schnell  laufendes  Pferd; 
C.  lulius  Catus,  S.  1528  einen  Kater  (catus  im  Spätlatein);  S.  Dam  .... 
S.  1198  eine  damma;  Aquä{ius),  S,  1132  einen  Adler;  Cali(d)romus,  S.  1384 
einen  schnell  laufenden  Hirsch;  Lich(a8),  S.  1416  den  Kopf  de^  Herkules. 
¥j8  ist  fast  die  Regel,  dass  die  Fortunati,  Fortumtae  und  Tychc  (S.  1137, 
1418  ff.,  1502  u.  a.)  auf  ihre  Tesseren  die  Fortuna  setzen.  Die  Fortuna 
Felix  erscheint  demgemäss  auf  Tesseren  des  L.  Mar{ius)  Felix,  S.  1282 
und  auf  den  Tesseren  der  vielen  Eutychi  (S.  1109,  1171  ff.),  Fortuna 
Valens  auf  den  Tesseren  der  Valerii  und  Valentes  (S.  1328.  1330),  Viktoria 
auf  den  Tesseren  der  Nice  (S.  1456  ff.)  und  ähnl.  mehr.*-)  Interessant  ist 
es  zu  sehen,  wie  eine  Vitla  und  eine  Nice  (S.  1264  und  1508,  s.  die 
beig.  Taf.  II,  21)  auf  ihi-e  Tesseren  ein  Kalb  und  eine  Victoria  in  der  Er- 
innerung an  die  alt-italische  Göttin  Vitula  oder  Viteltia  (identifiziert  mit 
Nike)  setzen.  3)  Der  Isiskult  beeinflusst  eine  Euresis,  die  in  Erinnerung  an 
das  Fest  des  Isidis  navigium  —  Hcuresis  auf  ihre  Tessera  die  Darstellung 
eines  Schiffes  setzt.*} 


1)  Portrait)  »ind  überhaupt  auf  Tesüereo  unserer  Gattung  eine  gewöhnliche  Er- 
scheinung; ich  habe  11  männliche  und  4  weibliche  Porträts  mit  ausgeschriebenen 
Namen  gezählt,  vgl.  S,  1512  ff.,  wo  den  Porträts  nur  Initialen  oder  passende  Dar- 
stellungen beigegeben  sind. 

2)  Vgl.  Festschrift  der  Wiener  Studien  zum  00.  Geh,  Bormanns,  Wien,  1902, 
180—185  und  die  russische  Auflage  dieses  Buches  191t'. 

3)  Prellcr,  Büm.  Myth.  I  407,  vgl.  Babelon,  Monn,  de  la  JUep.  II  560  ff. 

4)  Vgl.  Wissowa,  Keligion  und  Kultus  294  ff.;  CIL.  IX  8338  und  *S.  3181  bes.  8184. 


108  üf.  SostoweeWf 

Die  Sitte  der  redenden  Wappen  ist,  wie  oben  S.  95  f.  schon  angeführt 
worden  ist,  eine  allgemein  antike.  Aus  Oriechenland^)  kommt  sie  nach 
Rom  und  zeigt  sich  auf  den  römischen  Denaren.')  Von  hier  gelangt  sie 
auf  Tesseren  und  Grabsteine.') 

Massenproduktion  seitens  einer  Wirtschaft,  und  zwar  in  fest 
abgegrenzten  Serien,  illustrieren  Tesseren  wie  S.  1373 — 1376.  Ein  und 
derselbe  ^Ac  ....  giebt  fünf  Serien  aus  mit  den  Typen  der  Diana,  des 
Herkules,  der  Juno,  des  Mars  und  einmal  mit  Wiederholung  seines  Namens. 
Statt  Typen  sehen  wir  einfache  Nummern,  wie  bei  den  Staatstesseren,  in 
8.  3543 — 3545  und  1734 — 1739.  Es  kommt  aber  auch  vor,  dass  eine 
und  dieselbe  Serie  durch  mehrere*)  Personen  ausgegeben  wird,  wobei 
wohl  an  eine  socictas  zu  denken  ist,  wenn  nicht  der  Fall  einer  Familie 
vorliegt  (s.  oben  S.  107). 

Ebenso  wie  die  Tesseren  der  Ck)llegien  scheinen  unsere  Haustesseren 
einen  Geldwert  gehabt  zu  haben.  Besonders  klar  wird  diese  That- 
sache  aus  den  Beischriften  der  Tessera  S.  1460  (s.  die  beig.  Taf.  n,  18). 
Alle  103  Tesseren  des  Olympianus  und  Eucarpus  bieten  denselben 
Typus:  auf  einer  Seite  das  Porträt,  auf  der  anderen  eine  Summen- 
angabe von  1000  Sesterzien.  Diesen  Wert  konnte  die  einzelne  Tessera 
nicht  haben,  folglich  hat  diesen  Wert  die  ganze  Emission  des  Olympianus 
und  Eucarpus. 

Dieser  nun  festgestellte  Geldwert  der  Tesseren  passt  vortrefflich  zu 
allen  oben  ausgeführten  Merkmalen  unserer  Klasse.  Es  wird  klar,  dass 
wir  vor  uns  private  Scheidemünzen,  mit  sicherlich  sehr  eng  ge- 
zogenen Grenzen  der  Giltigkeit,  haben. 

Diese  Grenzen  bildeten  wohl  jede  domus  mit  ihrem  Verkehre  im 
Inneren  und  ev.  einem  kleinen  Umkreis.  Zu  bedenken  ist,  dass  jede 
römische  domus  ein  enggeschlossener  wirtschaftlicher  Organismus  mit 
strenger  Buchführung  war.  Manche  grössere  Wirtschaft  umfasste  dabei 
mehrere  Unterabteilungen,  mit  genauer  Buchführung  und  Kontrolle  für 
jede,  aber  einer  gemeinsamen  Kasse.  Nichts  einfacheres  nun,  als  in  dieses 
wirtschaftliche  Leben  der  grossen  Haushalte  bequeme  und  handliche 
Kontrollzeichen  einzuführen. 

Andererseits  aber  wissen  wir,  dass  in  Rom  in  der  früheren  Kaiser- 
zeit  ein   grosser   Mangel    an    kleiner   Scheidemünze   —   Sesterzen  und 


1)  Redende  Wappen  auf  Stadtniünzen  Perdrizet,  BCH.  XX  548,  vgl.  Chase,  The 
shield  devices  of  the  Greeks  (Harv.  St.  1902,  XIII)  90,  5;  Bevan,  Class.  Rev.  1902,  200; 
Hauser,  Rom.  Mut.  1902,  240 ff.;  auf  Schildern  Chase,  a.  a.  0. 

2)  Babelon  I  47  ff. ;  Scherzi,  Rom.  Münzwesen  (russisch)  54  ff. ;  Samwer-Bahrfeldt, 
Numism.  Zeitschr.  1883,  67  und  Beil.  IV;  Gabler,  Zeitschr.  für  Num.,  1902,  151  f. 
und  161. 

8)  Welcker,  Sylloge  epigrammatum  Chraecorum  135;  Gatti,  BuU.  com.  1887,  114  ff. 
Ein  schönes  Beispiel  bietet  CIL.  XIII  612,  vgl.  AUmer,  Rev,  ep.  II  305,  332. 
4)  S.  1150,  1417,  1183,  1228,  1300,  1426,  1434. 


Römischö  BtetteBBörae, 


109 


Quadranten  —  heiTSchte.  Die  Kuiissiüiien  dieser  Nominale  waren  Kpar- 
lieh  und  selten,^)  der  Bedarf  aber  wohl  sehr  gross,  die  stets  wachsende 
Stadt  mit  ihrer  meist  anuen  Bevölkerung,  die  ihr  Dasein  von  heute  auf 
morgen  fristete,  brauchte  dringend  Kleingeld  und  Sclieidemünze.  Deshalb 
machen  es  die  kleinen  Leute  den  grossen  Herren  nach.  Die  meLsten 
Namen  unserer  Tesseren  stellen  wohl  kleine  Hiiudler  und  Schenkwirte  dar, 
die  für  ihre  armselige  Kundschaft  eine  Hausniiinze  schufen.  Zu  dieser 
Kundschaft  gehörten  wohl  auch  Diener  und  Klienten  grosser  Häuser,  und 
diese  kamen  auf  den  Markt  mit  dem  Hausgelde  ihrer  Herren,  den  Blei- 
tesseren,  die  bei  Gelegenheit  in  der  Kasse  des  Haushaltes  in  wirkliches 
Geld  umgesetzt  werden  konnten. 

Diese  Bestimmung  der  Tvirtsehaft liehen  Bedeutung  unserer  Bleie  wird 
durch  eine  Eeihe  von  Thatsachen  bestätigt.  Erstens  durch  ilie  Fest- 
stellung der  Zeit,  der  die  grusse  Masse  unserer  Denkmäler  angehi^rt, 
dann  durch  die  Erforschung  der  dargestellten  Gottheiten  mul  SymlM>le, 
endlieh  durch  manche  litterarische  Zeugnisse« 

Es  ist  schon  hervorgehoben  worden,  dass  alle  uns  auch  sonst  be- 
kannten Persönlichkeiten  der  Tesseren  ins  erste  und  zweite  Jahrhundert 
gehören.  E^  zeigt  sich  keine  Spur  von  Familien,  die  in  späteren  Zeiten 
blühten.  Diese  Beobachtung  wii-d  durch  die  Statistik  der  am  meisten 
üblichen  gentilkia  völlig  bestätigt.  Wir  zählen  an  sicheren  Beispielen  auf: 
24  lulier,  35  Claudier  (die  meisten  TL  Clandii)^  9  Domitier  und  14  Flavier, 
nur  6  ülpier,  7  Äelier,  6  (die  zweifelhaften  Fälle  mitgerechnet)  Aorelier 
und  2  Septimier.  Es  ist  also  klar,  dass  die  Blütezeit  unserer  privaten 
Tesseren  dieselbe  ist.  wie  die  der  staatlichen:  die  letzten  drei  Viertel 
des  ersten  Jahrhunderts  und  das  erste  Viertel  des  zweiten,  gerade  die 
Zeit  des  mächtigsten  Aufblühens  der  Stadt  Rom,  des  schnellen  Wachsens 
der  Bevölkerung,  und  des  regsten  Lebens  innerhalb  der  Mauern  der  Stadt, 
Es  ist  yjigleich  die  Zeit  des  starken  Natiunalisums  in  der  inneren  Politik 
der  nimischen  Kaiser,  einer  Strömung,  die  doch  zuerst  und  vor  allem 
der  Stadt  Rom  zu  Gute  kam.  Seit  Traian  und  Hadrian  beginnt  wieder 
die  Reichspolitik  im  grossen  Stil,  das  Leben  fängt  an  sich  aus  Rom  und 
Italien  z\x  entfernen,  es  beginnen  auch  die  grossen  Kriege  an  den  Grenzen; 
kein  Wunder,  dass  je  weiter  desto  mehr  auch  im  wirtschaftlichen  Leben 
der  Stadt  Rom  ein  Rückgang  zu  bemerken  ist;  Hand  in  Hand  geht  da- 
mit ein  Rückgang  auch  in  der  Beviilkerung  der  Stadt.  Damit  ver- 
schwinden von  selbst  auch  unsere  Bleie,  ein  Erzeugnis  regsten  wirtschaft- 
lichen Lebens  der  unteren  Klassen  der  Bevölkerung  und  ein  Zeugnis  für 
die  riesigen  Dimensionen  su  mancher  blühenden  Privatwirtschaft, 

Die  oben  angegebenen  chronologischen  Grenzen  bestätigt  auch  die 
Erforschung  der  dargestellten  Typen. 

I>  MomuMou  BI&cAn,  UiM,  d€  la  monn,  IIl;55fF.;  Gabrici,  Contrihuia  alla  $(aria 
deUa  mone(a  romana,  pawuim. ;  Bubelon,  TraitS  du  mmn,  \  1,  606,  vgl.  NetiiÄil  in  drr 
Btrl  phil  Woeh,  1904,  148 1,  KubiUchtk,  Jaliresh.  des  ^t  arch.  Imt^  1^00.  72  ff. 


110  M.  Bostoweew, 

Zunächst  die  Porträts.  Ein  einziges  männliches  Porträt  ist  bärtig 
(S.  1246),  und  zwar  erscheint  auf  der  Tessera  der  kurze  Hadrianische 
Bart.  Langbärtige  Köpfe  Aurelischer  und  Septimischer  Zeiten  besitzen 
wir  gar  nicht.  Auch  die  Haartracht  der  weiblichen  Porträts  ist  charak- 
teristisch: die  meisten  Damen  haben  die  Haartracht  der  augustisch- 
claudischen  Zeit  (Curtia  Flacd  8,  1195  Suppl,  vgl  die  beig.  Taf.  11  19, 
Siitori4jt,  S.  1347  u.  a.  m.,  s.  Atlas  tab.  XI  6,  44,  45,  55,  58);  Traianisch 
ist  S,  1453  (tab.  XI  32,  vgl.  56,  57),  spätere  Zeiten  sind  mit  Sicherheit 
nicht  nachzuweisen. 

Da^elbe  Resultat  ergiebt  die  Zusammenstellung  der  auf  den  Tesseren 
dargestellten  Gottheiten;  zugleich  charakterisiert  diese  Zusammenstellung 
die  rein  materielle  Bedeutung  unserer  Monumente. 

Neben  den  redenden  Wappen  sind  die  Gottheiten  die  am  meisten 
beliebte  Darstellung  der  Es.  der  privaten  Tesseren.  Dabei  spielt  eine 
ganz  hervorragende  Rolle  die  Fortuna.  Auf  Tesseren  mit  ausgeschriebenen 
Namen  kommt  sie  und  ihre  Attribute  66  mal  vor,  daneben  erscheint  die 
Viktoria  als  ebensolch'  eine  Gottheit  des  materiellen  Gewinnes  (samt 
Attributen)  44  mal,  30  mal  sehen  wir  Merkur  und  seine  Attribute,  10  mal 
Herkules,  die  anderen  Gottheiten  sind  viel  seltener:  Minerva  oder  Roma  8, 
Diana  7,  Apollo  6,  Neptun  8,  Juppiter  4,  Silvanus  4,  Genius  populi  3, 
Bacchus  4,  Venus  3,  Amoren  3,  Castores  2,  Juno  2,  Ck)ncordia  3,  Vulkan, 
Spes,  Grazien,  Aesculap,  Priap,  Janus,  Mars,  Flussgott,  Bonus  Eventus 
je  einmal.  Ziemlich  stark  sind  die  Lichtgottheiten  vertreten,  nämlich 
Sol  4,  Hecate  4  und  Attribute  öfters.  Ägyptische  Gottheit.en  sind  nicht 
häufig:  Serapis  4,  Isis  1. 

Dasselbe  Resultat  ergeben  die  Tesseren,  die  nur  durch  Initialen  be- 
zeichnet oder  unbeschrieben  sind,  wahrscheinlich  aber  zum  grössten  Teile 
dieselbe  Bestimmung,  wie  die  sicher  privaten  Tesseren  einzelner  Wirt- 
schaften, gehabt  haben.  Wie  schon  die  Indices  der  SyUoge  lehren,  hat 
Fortuna  den  entschiedenen  Vorrang,  indem  sie  entweder  allein  erscheint 
oder  mit  anderen  Gottheiten  gruppiert;  neben  ihr  herrschen  Viktoria  und 
Merkur,  auch  Herkules  kommt  ihnen  nahe. 

Dabei  ist  zu  bedenken,  dass  fast  immer,  wo  nur  möglich,  die  an- 
geführten Götter  als  Spender  von  materiellen  Güter  erscheinen.  So  ist 
die  Verbindung  von  Fortuna  und  Mercurius  gang  und  gäbe  (so  S.  2185, 
2186  und  öfters),^)  so  wird  Herkules  fast  ausschliesslich  als  Gott  des 
materiellen  Wohlstandes  aufgefasst,  indem  er  am  meisten  mit  Mercurius 
und  Fortuna  verbunden  wird.^)  Charakteristisch  ist  die  Tessera  S.  2594 : 
die  kapitolinische  Trias  und  auf  der  Rückseite  Fortuna  und  Mercurius. 
Auch  Viktoria  wird  am  häufigsten  mit  Fortuna,  Mercurius  und  Herkules 


1)  Vgl.  S.  2786 ff.     Mercuriuskopf  zwischen  zwei  Füllhörnern,   s.  auch  2652  und 
2641  ff.,  vgl.  Fartwängler,  BG.  2708,  2757  und  öfters. 

2)  Dasselbe  auf  Gemmen,  s.  Furtwängler,  AG.  39,  18;  67;  70;  BG.  0636;  6687. 


Rhnisehs  Bkit^^iserae, 


111 


verlnmden,  ist  demnach  auch  rein  materialistisch  aufgefaHstJ)  Die  Durch- 
blütteruDg  unserer  iSy?%e  bestätigt  diese.s  Resultat  auch  für  mehrere  Teueren 
anderer  Gottheiten  onJ  bezeugt,  dass  die  materialistische  Auffassung  der 
Götter*  auch  im  Vergleiche  mit  den  Inschriften  und  der  Kleinkunst,  auf 
den  Tesseren  besonders  stark  hervortritt»  was  sicherlidi  durch  ila-e  Bc- 
jstimmung  als  Wertzeichen  beeinflusst  ist. 

Ich  leugne  «iamit  natürlich  nicht ,  dass  daneben  auch  <lie  ganze 
religiöse  Zeitstrumung  als  mächtiger  Faktor  wirkt  jiImm  auis  ihr  allein 
erklärt  sich  die  That^ache  nicht. 

Für  die  Zeit  der  Tesseren  gewinnen  wir  auB  »l«-ii  obigen  Zusammen- 
stellungen dieselben  Resultate,  wie  aus  anderen  Indizien.  Die  mate- 
rialistische Kiclitung  ist  für  die  religiöse  Auffassung  des  I.  Jahrh.  tias 
am  meisten  Charakteristische.  Bezeichnend  ist  auch  das  fast  ausschlief- 
lieh  griechisch-römische  Pantheon  der  Tessen  ngötter;  daneben  erscheinen 
nur  einige  ägyiJtische  Götter  und  die  phrygischen  Udtter  Kybele  und 
Attis,  und  auch  diese  nur  ausnahmsweise.  Der  wüste  religiöse  Synkre» 
tismus  späterer  Jahrhunderte  ist  noch  nicht  eingetreten.  Für  das  erst<* 
Jahrh.  ist  es  auch  charakteristisch,  dass  die  Lichtgottheit^n ^  Zodiakal- 
zeichen  und  ähnl  zwar  nicht  vorherrschen,  aber  doch  ziemlich  stark  ver- 
treten sind,  was  mit  dem  Siegeszuge  der  Astrologie  zusammenhängt. 

Nach  Allem  Gesagten  unterliegt  es,  glaube  ich,  keinem  Zweifel  mehr, 
Abs»  unsere  Serie  der  Tesseren  wirklich  als  Surrogat  für  Geld,  als  Tausch- 
mittel  innerhalb  einzelner  Wirtnchaften  und  eines  engen  Klientenkreises 
aufzufassen  ist,  F*s  wäre  aber  merkwürdig,  wenn  von  diesem  weitvei*- 
breit^t-en  Usus  des  täglichen  Lebens  und  Verkelu-s  die  ganze  reichhaltige 
Litteratur  des  I.  Jahrh.,  die  für  solche  Verhältnisse  teilweise  sehr  empfäng- 
lich ist,  uns  keine  Spur  erhalten  hätte.  Ich  glaube  auch,  dass  es  nicht 
der  Fall  ist,  und  rlass  der  für  diese  Dinge  besonders  lehn'eiche  Martial 
auch  über  unsere  Blei»'  im  \'orbcigehen  gesprochen  hat. 

Ich  meine  die  vielgequältt^n  Stellen  1  99,  11—15  und  X  74,  1—4. 

Im  ersteren  Epigramm  beschreibt  Martial  die  Wirkungen  einer  groiseii 
IhermilUis  auf  den  ehemals  Ireigiebigen  Calenus  8  ff,:  at  tu  sie  quasi  ncm 
ford  reUetunt^  |  seil  raptum  lifn  centies,  abisti  |  in  tantam  miser  esuritioneni, 
ui  convivia  sumptuasiora ,  \  toto  quae  semel  apparas  in  anno,  |  nigrae  sor- 
dH)us  txplicm  moneU^i^  \  et  scj^mn  vsieres  tui  sodaies  \  consiümus  tibi  plum- 
bea  selibra, 

Ztüet^t  bandelte,  soweit  mir  bekannt  ist,   über  diese  Stelle  Gilbert 


1^  Nicht   wonijsjer   fharaktctutmch    tlii-    ijic   rn  Aufladung  di^r  frott- 

kdttii  «od  mancbo  «icmmcn,    no  PiiriwJirj^'ler.    hf  ■  kar  ali  Triumphator); 

2&6t— 256Ö  ttud  2671  =-2575:  M^^rcimas  und  Fortmia  Ton  der  Viktoria  gekrötit.  Die 
DiftlmalifitUch«*  Grundlage  dei  Kultus  d(^r  Viktoria  iti  d«rr  Kai«erxcil  tiudet  mau  nirg(*tirU 
bm  Williowa  lu  aciuexn  bahubrcicbeudeu  Werke  angedeutet.  Als  tSymbol  der  Kaifter- 
seit  i»t  Viktoria  jtuenst  und  hauptsüfhllcb  d*u  Sv^nbol  de*  Reichtum»  und  matiTielien 
WüUUtandt^»,  wekbr  die  Knisirzcit  mit  sieb  gebracht  bat. 


112  M.  Bostowzew, 

(K  Jahrb,  f.  Ph.  1882, 832),  dessen  Erklärung  von  Friedländer  (zu  d.  Stelle) 
angenommen  wird.  Seiner  Meinung  nach  ist  nigra  moneta  „abgegriffenes 
Courant",  zu  diesem  fügt  der  Geizige  eine  halbe  Ubra  „unscheinbar  ge- 
wordenen" Silbers.  Nun  aber  ist  eratens  nigra  moneta  nur  ein  anderer 
Ausdruck  für  die  plumbea  selibra :  Martial  sagt  nur,  wie  viel  von  dieser 
plumboa-nigra  moneta  der  Geizige  im  Ganzen  ausgegeben  hat;  anderer- 
seits verstehe  ich  nicht,  warum  eigentlich  Calenus  zu  abgegriffenen  CJourant 
und  unscheinbar  gewordenem  Silber  gegriffen  hat;  Wert  hat  das  Silber 
doch,  ob  unscheinbar  oder  scheinbar. 

Die  Stelle  muss  anders  erklärt  werden  und  zwar  ist  eine  doppelte 
Erklärung  möglich.  Entweder,  und  dies  wäre  das  einfachste,  ist  nigrae 
sordes  monot<ie  das  Bleigeld  des  Haushaltes  des  Calenus;  im  Ganzen  ver- 
braucht Calenus  nur  eine  halbe  libra  des  schweren  Metalls,  was  natürlich 
eine  ganz  winzige  Summe  darstellt  Oder,  indem  man  plumbeus  gleich 
vilis  setzt,  muss  man  erklären:  für  die  Spesen  gebraucht  Calenus  nur 
das  Kleingeld,  die  elenden  schwarzen,  im  steten  Verkehre  verbrauchten 
Quadranten,  im  Ganzen  nur  eine  silberne  selibra^  die  einen  ganz  kleinen 
Wert  hat.  Aber  auch  bei  der  letzteren  Erklärung  schwebten  dem  Dichter 
beim  Gebrauche  der  Epitheta  plumbeus^  niger  das  billige,  unscheinbare 
Bleigeld  vor. 

Auch  an  der  anderen  Stelle  X  74, 1 — 4  iam  parce,  Borna,  graiulatori^l 
lasse  dienti,  Quamdiu  salutator  |  anteambuJones  et  togatulos  it^er  \  cefUf$m 
merebor  plumbeos  die  toto,  brauchen  plumbei  nicht  gerade  das  Bleigeld  zu 
sein ,  aber  der  Name  plumbeus  für  einen  Quadranten  zeugt  von  der  Be- 
kanntschaft des  Dichters  mit  den  billigen  Bleimarken  der  grossen  Häuser 
und  kleinen  Schänken,  in  denen  er  so  oft  verkehrte. 

Die  ganze  obige  Auseinandersetzung  führt,  glaube  ich,  zu  folgenden, 
ziemlich  sicheren  Besultaten.  Der  Gebrauch  der  Tesseren  im  Staatsleben 
oder  der  direkt«  F^inflnss  des  griechischen  Ostens  oder  wohl  auch  beides  zu- 
sammen führten  dazu,  dass  die  bequemen  Eontrollzeichen  auch  im  Inneren 
grösserer  Wirtschaften  gebraucht  wurden.  Grosse  Häuser  gaben  ein  Hansgeld 
aus,  bexeichnet  durch  den  Namen  und  das  Porträt  des  Hausherren  oder  durch 
die  Namen  seiner  arearii  und  dispensatores.  Manche  Zeichen  dieser  Art 
sahen  vielleicht  die  Aussenwelt  gar  nicht  und  dienten  ausschliesslich  zum 
inneren  Verkehre,  manche  aber  vermittelten  den  Verkehr  des  Hauses  mit 
Händlern,  indem  sie  für  dieselben  als  bequeme  Cheks  mit  festem  Werte, 
die  auf  einmal  eingelöst  wurden,  dienten.  Daneben  brauchten  die  Händler 
das  neue  Mittel  auch  in  ihrem  Kundenkreise,  sie  gaben  selbst  Tesseren 
aus  und  die  Emissionen  wurden  immer  zahlreicher  und  zahlreicher  mit 
dem  Wachsen  der  Bevölkerung  und  dem  immer  stärker  werdenden  Mangel 
an  Kleingeld.  Ich  stelle  mir  die  Sache  etwa  so  vor.  Ein  Händler  oder 
Sohenkwirt  hatte  in  seiner  Kasse  1000  Stück  Bleie  aus  einer  bestimmten 
Form.  Die  ständigen  Kunden  des  Hauses,  die  täglich  nur  wenige  Quadran- 
ten aussraben.  erwarben  vom  Händler  eine  Anzahl  Bleie  für  die  Summe 


Bömische  Bleitesserao.  113 

von  einem  Denar  und  bezahlten  mit  den  erworbenen  Marken  das,  was  sie 
verzehrten  oder  kauften,  während  längerer  oder  kürzerer  Frist. 

Frappante  Analogien  für  beide  Reihen  von  Zeichen  oder  Marken 
bilden  die  Verhältnisse,  in  denen  sich  der  Verkehr  in  den  beiden  Qross- 
städten  Europas  im  XVI — XVIII.  Jahrb.,  ich  meine  Paris  und  London, 
befand.  Oben  S.  100  habe  ich  über  die  Bleie,  die  uns  die  Seine  geliefert 
und  die  Forgeais  publiziert  hat,  gesprochen.  Im  III.  Bd.  S.  144  sagt 
Forgeais  folgendes: 

M.  Hermafidy  Dancoisne  et  J.  de  Fowtenay  entre  autres  ont  montre 
plus  d'une  fois  quo  ga  ei  lä,  jusqu'ä  nos  jours^  les  mereaux  avaient  fait  la 
fonction  de  hillets  fiduciaires  ou  de  garantie  cFun  payement  pour 
Vexpedition  de  besognes  courantes^  sans  quHl  fcUhU  bourse  delier^  si  ce  n'est 
a  la  caisse  centrale  oü  tout  arrivait  apres  la  tache  faite.  Je  ne  crais  pas 
(louteux  qtie  cela  fut  mis  en  pratique  dans  la  comptabiliti  des  grandes 
niaisons  au  moyen  age.  Pour  tout  ce  qui  n'etait  point  solde  hebdomadaire 
d*un  emploi  constant  et  bien  difini^  Von  se  persuadera  sans  peine^  qu'il 
etait  assez  simple  davancer  au  chef  cPoflice  un  certain  nombre  de  pieces, 
qui  le  rendaient  responsable  de  toute  depense  et  qui  pourtant  etaient  de  nulle 
valeur  hors  du  bureau  de  Vhötel. 

Im  Bd.  V,  9 — 71  publiziert  Forgeais  eine  Serie  Bleimereaux  mit 
Wappen  einzelner  Familien,  auf  S.  110 — 124  eine  andere  mit  Porträts 
von  Privatpersonen. 

Nicht  weniger  frappant  ist  die  Analogie  unserer  Händlermarken 
mit  den  englischen  tokens  des  XV. — XVI.  Jahrh.  in  London.  Ihre  Ge- 
schichte giebt  J.  H.  Burn  in  der  Vorrede  zur  Publikation  der  Bleie  aus 
der  Sammlung  H.  Beaufoy.V) 

Der  Mangel  an  Kleingeld  (Halfpennies  und  farthings)  in  England  im 
XV.  Jahrh.  führte  zur  Entstehung  vieler  Tausende  von  Bleimarken, 
der  tokens  of  lead.  Im  J.  1402  (S.  22)  wird  dem  König  eine  Bittschrift 
eingereicht,  in  welcher  der  Mangel  an  Kleingeld  und  die  Zirkulation  von 
Fremdgeld  und  Bleimarken  konstatiert  wird.  Im  J.  1500  (S.  29)  erwähnt 
Erasmus  das  Bleigeld  von  London  {plumbei  AngUae),*)  Unter  Elisabeth 
(S.  33)  verfertigt  ein  gewisser  N.  Boll  marketman  in  Chudleigh  (Devonshire) 
in  den  J.  1562,  1506,  1567  eine  Reihe  von  Bleimarken.  Im  J.  1574  wird 
es  verboten  Bleimarken  in  Zirkulation  zu  setzen.  Im  J.  1594  (S.  36) 
werden  Bleimarken  von  Städten  wie  Bristol,  Worcester,  Oxford  aus- 
gegeben, um  die  privaten  Bleie  aus  dem  Verkehr  auszutreiben.  Im  J.  1613 
(S.  41)  giebt  tokens  sogar  der  Staat  aus,  trotzdem  verschwinden  die 
Privatbleie  nicht.  i*>st  seit  dem  J.  1674  hört  man  von  den  Bleimarken 
nichts  mehr. 


1)  A    descriptive  catalogue  of  the  London  traders^  iavern  and  coffee-home  tokens 
current  in  the  17  cent.,  London,  1895,  2.  Anfl. 

2)  Vgl.  Savot,  Discours  sur  les  mMailles  antiques,  Pari»,  1627,  45. 

Rogtowxew  ,  Römische  Bleitetserae.  o 


114  M.  BostotoBeWj 

Diese  Auszüge  sprechen  beredt  genug  und  brauchen  nicht  erläutert 
und  mit  unseren  Resultaten  Punkt  für  Punkt  zusammengesteUt  zu 
werden. 

Es  bleibt  uns  nun  noch  übrig,  eine  Kategorie  der  Bleie  zu  beleuchten, 
die  ich  bis  jetzt  nicht  erwähnt  habe.  Es  sind  die  münzähnlichen  Bleie, 
Bleie,  welche  Münzen  entweder  nachahmen  oder  sogar  treu  wiedergeben. 
Diese  Kategorie  ist  wenig  beachtet  worden,  hauptsächlich  deswegen,  weil 
sie  zu  der  grossen  Masse  der  Falschmünzen  gerechnet  wurde.  Einige 
Typen  aber  können  als  Falschmünzen  in  keinem  Falle  gelten,  so  zuerst 
die  Wiedergabe  der  römisch-campanischen  Quadrigaten  in  Blei  aus  dem 
J.  268  V.  Chr.  mit  dem  Januskopfe  und  der  Juppiterquadriga.  *)  Solcher 
Bleikopien  giebt  es  mehrere;  sie  sind  seit  Ficoroni  bekannt  und  mehrfach 
publiziert.*)  Den  Originalen  gleichzeitig  sind  die  Kopien  keinesfalls, 
eher  gleichen  sie  den  Restitutionen  Traians;'*)  es  fehlt  aber  der  Name 
des  Kaisers.  Die  Arbeit  ist  ziemlich  roh,  die  Legende  läuft  am  Rande; 
nicht  alle  bekannten  Exemplare  kommen  aus  derselben  Form.  Alles  in 
.AUem  sind  es  keine  gleichzeitigen  Fälschungen,  sondern  sicherlich  Nach- 
ahmungen viel  späterer  Zeiten,  wohl  des  I. — ü.  Jahrh.  n.  Chr. 

Dasselbe  gilt  für  Bleie  mit  Darstellung  des  Solkopfes  auf  der  Hs. 
und  des  Neumondes  auf  der  Rs. ,  sicher  eine  Verkürzung  und  Vergröbe- 
rung der  genügend  bekannten  campanischen  Münzen.*)  Auch  dieser  Bleie 
giebt  es  eine  ganze  Reihe  keineswegs  ganz  gleicher  Exemplare.*) 

Nachahmungen  von  Münzen  sind  auch  die  Tesseren  S.  728  (tob.  V  27)®) 

und  3004.  3005.0 

Die  Quadranten  des  Titius  ahmt  die  Tessera  S.  2960  nach.**) 
Interessant  ist  die  von  mir  vor  Kurzem  erworbene  Tessera  mit  zwei 

aus  den  Rs.  der  republikanischen  Münzen  entlehnten  Darstellungen  (S.  2014* 


1)  Mommsen-Blacas,  Eist,  de  la  monn,  I  260  ff.  und  IV  17,  pl.  XVII  5;  Babelon, 
Monn.  de  la  lUp.  I  21  ff.,  n.  28—25  und  TraiU  d.  Monn.  I  1,  624  ff. 

2)  Ficoroni,  P.  anU  II  2,  3;  (rarrucci,  Pümbi  AUieri  49,  5  und  tav.  III  5;  Pümbi 
scritii  188;  die  von  Garrucci  beschriebenen  Exemplare  befinden  sich  jetzt  in  den 
Sammlungen  von  Feuardent  und  Dressel ;  vgl.  Ruggiero,  Catalogo  del  mtis.  Kirch,  n.  920. 
Ein  Exemplar  besitzt  auch  das  Berliner  Münzkabinet,  ein  anderes  ist  in  meinem  Besitze. 

3)  Babelon,  Monn.  de  la  Fip.  11  571,  3  und  Bahrfcldt,  Münzkunde  der  römisch. 
Republik,  269,  Taf.  XUI  1. 

4)  Babelon,  Monn.  de  la  Bep.  I  20,  n.  20. 

5)  Mir  sind  6  Exemplare  verschiedener  Grösse  bekannt:  17,  5  Mili.  —  eins  im 
British  Museum,  zwei  im  Thermenmuseum  in  Rom,  s.  Garrucci,  Piombi  AUieri  88, 
tav.  V  12;  Piombi  scritti  138;  Ruggiero,  Catalogo  del  mus.  Kirch.  1007.  1009; 
12,  5  Mill.  —  eins  im  Br.  Mus. ,  zwei  in  den  Diocletiansthermen ,  s.  Garrucci, 
a.  a.  0.  und  Ruggiero,  Catalogo  1008.  2008. 

6)  Babelon  I  212,  1. 

7)  Babelon  1  856,  16. 

8)  Bahrfeldt,  Nachträge  und  Berichtigungen  zur  Münzkunde  der  r.  Rep.,  Wien, 
1897,  Taf.  XI  264,  cf.  263  und  S.  251. 


Bömisehe  Bleitesserac.  116 

Suppl).  Die  Hs.  bietet  die  Darstellung  der  Pietas  von  Amphinomus  und 
Anapias  aus  Katana  der  Münzen  der  gens  Herennia  (Babelon  I  539,  1), 
die  Es.  den  bekannten  Typus  des  foedus  (Babelon  I  23,  27  f.,  vgl.  11  532,  1 
und  I  152,  21  —  foedus  popuU  Bamani  cum  Gdbinis).  Auch  S.  1320  ist 
charakteristisch;  in  diesem  FaUe  ist  aber  auch  die  Entstehung  in  den 
letzten  Zeiten  der  Republik  möglich. 

Diese  späten  Nachahmungen  rufen  die  bekannte  Erscheinung  der 
restituierten  Münzen  der  Kaiserzeit  ins  Gedächtnis.  Wie  bekannt,  be- 
ginnt die  Sitte  unter  Titus  und  dauert  bis  in  die  Zeiten  von  M.  Aurel 
mit  einer  besonders  regen  Periode  in  den  Zeiten  der  Regierung  des 
Kaisers  Traian.  Hauptsächlich  sind  es  Münzen  mit  besonders  ruhmreichen 
DarsteUungen  aus  den  Glanzzeiten  der  römischen  Republik,  welche 
der  Operation  des  Wiederherstellens  unterworfen  worden  sind.  Einer 
richtigen  Erklärung  harren  diese  Münzen  noch  immer.  ^) 

Es  ist  eine  bekannte  Sitte  des  römischen  Lebens  am  Neujahrstage 
jedem  Bekannten  kleine  glückverheissende  Geschenke  zu  machen.^)  Mit 
besonderer  Vorliebe  wählte  man  für  diese  Neujahrsgeschenke  Münzen 
und  zwar  zog  man  dabei  alte  Münzen,  besonders  Asse  mit  dem  Janus- 
kopfe,  vor.  So  sagt  Martial  (¥11133,  11 — 12):  hoc  Unitur  sputo  Jani 
caryota  Kalendis  \  quam  fort  cum  parco  sordidus  (Mse  cliens.  Dasselbe 
sagt  Ovid  (Fasti  I  219  ff.):  tu  tarnen  auspieium  si  sit  sHpis  utilcj  quaeris,  I 
curque  iuvetU  vestras  aera  vetusta  manus?  \  Äera  dabatU  oUm,  melius 
nunc  omen  in  auro  est,  |  victaque  concessit  prisca  moneta  nowie.  Diese 
Zeugnisse  werden  auch  durch  Monumente  bestätigt  Auf  den  Neujahrs- 
lampen'^)  sehen  wir  neben  der  Darstellung  der  Viktoria  oder  Fortuna 
Neujahrsgeschenke  ausgestreut;  dabei  spielen  drei  Münzen  —  as,  scster- 
tius  und  quinarius  der  alten  Prägung  —  die  Hauptrolle.  Dasselbe  sehen 
wir  auf  den  Neujalirssparbüchsen.*)  Die  neue,  von  Ovid  geschilderte 
Sitte  veranschaulicht  eine  Gemme  des  II. — III.  Jahrh.  mit  der  Inschrift: 
annum  novum  fau[s]tum  felicem  feUci  imperatori  und  Darstellung  dreier 
Commodusmünzen  unter  Anderem.*) 

Dass  es  nicht  bloss  darauf  ankam,  Münzen  mit  dem  Kopfe  des  Neu- 
jahrsgottes   zu   geben,   sondern   auch   darauf,   dass   die   Münzen   alte 


1)  S.  zuletzt  Mowat,  Congres  internal,  de  num.  1900,  210  fF.,  cf.  ibid.  26;  Gnecchi, 
Riv.  it.  di  num.  1901,  249 ff.;  Dattari,  Journ.  intern,  de  num.,  1902,  71  ff.  Keine  der 
vorhandenen  Erklärungen  befriedigt  Babelon  in  seinem  TraiU  d.  monn.  I  1,  626  ff. 

2)  S.  darüber  Lipenius,  Strenarum  historia,  in  Crraevii  Thesaurus  XII  409  ff.  — 
bis  jetzt  die  einzige  Arbeit,  in  der  das  Material  in  grosser  Fülle  zusammengebracht 
ist,  vgl.  Marquardt-Mau,  Privatleben  I  252,  1. 

3)  Dressel,  CIL.  XV  2,  784  ff.  n.  6195—6218,  vgl.  die  Taf.  IV  8  in  der  russischen 
Auflage  dieses  Buches  (eine  dieser  Lampen  z.  Z.  in  Dresden).  Die  Inschriften  der 
Lampen  lauten  entweder:  annum  novum  faustum  felicem  mihi  (oder  tiht)  hie  mit 
einigen  Variationen  oder:  ob  cives  servatos. 

4)  Graeven  im  Jahrb.  des  deutschen  arch.  Inst.  1902,  179. 

5)  Furtwängler,  B.  O.  n.  8100.     Ist  die  Gemme  sicher  echt? 

8» 


116  Jf  Rostoweew, 

Münzen  sein  sollten,  bezeugt  Ovid.  Das  passt  vortrefflich  zu  dem  Vorzuge, 
den  man  überhaupt  den  traditioneUen  alten  Gregenständen  bei  solchen 
religiösen  Bräuchen  gab.^) 

Nun  aber  wissen  wir,  dass  die  alte  Sitte  auch  von  den  Kaisem 
eifrig  gepflegt  wurde,  und  dass  am  Neujahrstage  die  Kaiser  seit  Augustus 
Geschenke  persönlich  annahmen  und  wiedergaben.  Augustus  selbst 
sammelte  hauptsächlich  Asse  ein,^)  Tiberius  erwiederte  auf  die  Geschenke 
mit  vierfachen  avtlSufgaf)  nur  die  Armen  unter  den  Flaviem  kommen 
mit  Assen  als  Neujahrsgeschenken,  wie  es  Martial  bezeugt.  In  der  Zeit 
der  Flavier  beginnen  aber  die  restituierten  Denare.  Sehr  naheliegend 
scheint  mir  daher  die  Vermutung,  dass  die  kaiserlichen  dviidiaQa  seit 
dieser  Zeit  aus  solchen,  anscheinend  alten,  aber  doch  vollgiltigen  restituierten 
Münzen  bestanden.  Es  passt  vortrefflich  zu  der  auf  der  alten  Virtus 
aufgebauten  Zeit  der  Flavier  und  des  Traian,  besonders  des  Letzteren, 
dass  man  füi*  solche  Eestitutionen  die  besonders  stark  diese  altrömische 
Virtus  vor  Augen  führenden  Münztypen  wählte.  Es  war  das  eine  anti- 
quarische Spielerei,  die  Niemandem  schadete  und  den  Kaisem  als 
Erziehungsmittel  des  Volkes  galt. 

Die  Sitte  beschränkte  sich  keineswegs  auf  die  begüterten  Klassen 
der  römischen  Bevölkerung.  Die  Armen,  wie  die  Reichen,  gaben  und 
empfingen  Geschenke  von  Verwandten,  Freunden  und  Bekannten.  Nicht 
immer  war  es  aber  möglich,  eine  wirkliche  Münze,  besonders  eine  alte, 
zu  schenken ;  deshalb  griff  man,  glaube  ich,  zu  Münzimitationen  aus  Blei ; 
dies  sind  unsere  oben  beschriebenen  Tesseren.  Man  begnügte  sich  mit 
einem  Symbol;  bestenfalls  vergoldete  oder  versilberte  man  das  Blei,  wie 
man  es  auch  mit  den  Datteln*)  und  anderen  Früchten  machte.  Unter 
den  vielen  Bleimünzen,  die  man  im  Tiber  bei  der  Regulierung  des 
Flusses  in  der  letzteren  Zeit  fand  und  jetzt  noch  findet,  sind  viele  ver- 
silberte und  vergoldete  Stücke  zu  Tage  gekommen;*)  dass  es  sich  dabei 
immer  um  absichtliche  Falschmünzerei  handelt,  ist  mir  wenig  wahr- 
scheinlich. Auch  manche  ägyptische  vergoldete  und  versilberte  Tesseren, 
welche  sicher  in  Rom  gefunden  worden  sind,®)  konnten  ebenso  als  Rari- 
täten demselben  Zwecke,  d.  h.  als  Geschenk  dienen.^) 

1)  Vgl.  VVuensch  in  der  Strena  Uelbigiana,  8.  343. 

2)  Suet.,  Aug,  91,  vgl.  57. 

3)  Suet.,  Tih.  34,  vgl.  Calig.  42. 

4)  S.  Ovid.,  a.  a.  0. 

5)  S.  Etüde  sur  les  plomba  14^.  Zu  betonen  ist,  dass  die  meisten  Fälschungen 
republikanische  Denare  sind,  vgl.  Gnecchi,  Riv.  it.  dt  num.  1892,  164  ff.  Es  wäre 
nützlich,  einmal  diese  Fälschungen  oder  Imitationen  vollständig  zu  publizieren. 

6)  Eine  Aufzählung  solcher  Stücke  gab  ich  in  der  russischen  Auflage  dieses 
Buches  297  f 

7)  In  dieselbe  Reihe  gehr>ren  vielleicht  auch  die  Tesseren  aus  Blei  und  Terra- 
cotta  mit  Darstellungen  des  «Januskopfes  S.  2579 — 2582. 


Kap.  VI. 

Tesserae  als  Material  für  die  Geschichte 
der  römischen  Kunst. 

Das  in  den  vorigen  Kapiteln  über  die  Bestimmung  der  Tesseren 
und  die  RoUe,  die  sie  im  römischen  Leben  spielten,  Gesagte  führt  uns 
noch  zu  einer  Betrachtung  ihres  Kunstwertes  und  ihrer  Bedeutung  für 
die  Geschichte  der  römischen  Kleinkunst.  Die  massenhafte  Produktion, 
die  fast  notwendige  Unselbständigkeit  der  Typen,  die  unbedingt  erforder- 
liche Billigkeit  der  Stücke  lassen  selbständige  Erfindung  und  feine  Aus- 
führung nur  in  den  seltensten  Ausnahmefällen  zu. 

Der  Ursprung  der  Tesserenanwendung  im  Bereiche  der  kaiserlichen 
Administration  einerseits  und  der  athenischen  Praxis  andererseits  lässt 
von  vorne  herein  auf  zwei  Produktionsmuster  schliessen:  die  Technik 
der  staatlichen  Münzproduktion  und  die  griechische  Steinglyptik ,  die 
sicherlich  die  Mutter  der  athenischen  (svfißola  war. 

Die  ersten  offiziellen  Bleie  und  Bronzen  wurden  natürlich  ihrer  Be- 
stimmung gemäss  im  Münzamte  verfertigt.  Wenig  wahrscheinlich  ist  es, 
dass  man  schon  zu  dieser  Zeit  mit  dem  Verfahren  des  (Tiessens  operierte : 
auf  den  Augustischen  Bleien  finde  ich  nirgends  den  für  das  Giessen 
so  charakterischen  Mittelpunkt,  ebensowenig  findet  er  sich  auf  den 
Bronzen. 

Dementsprechend  sind  auch  die  Darstellungen  mancher  Köpfe  von 
Mitgliedern  der  kaiserlichen  Familie  ungemein  fein.  Ich  verweise  auf 
das  Porträt  des  Gaius  (S.  3*),  den  Kopf  des  jugendlichen  Tiberius  (S.  514^), 
den  Kopf  des  Germanicus  (?)  {S.  7)  u.  a.  m.  Natürlich  kann  diese  Fein- 
heit nur  Ausnahme  sein  und  bleiben;  gewöhnlich  arbeiten  die  Tesseren- 
meister  auch  in  der  frühen  Kaiserzeit  flüchtig  und  summarisch. 

Auch  die  mehrmals  hervorgehobene  Abhängigkeit  der  Tesserentypen 
von  den  Darstellungen  der  Münzreverse,  wobei  fast  als  Kegel  die  Ver- 
teilung einer  Münzdai-stellung  auf  zwei  Seiten  der  Tessera  gilt,  lässt  auf 


118  M.  Bostowzew, 

die  Verfertigung  im  Münzamte  und  durch  Münzmeister  schliessen.  Ich 
brauche  wohl  nicht  die  oben  mehrmals  angeführten  Beispiele  zu  wieder- 
holen, erinnere  vielmehr  nur  an  einige  besonders  beweiskräftige 
Beispiele :  so  das  Carpentum  auf  den  Tesseren  der  Livia  (S.  1  und  1*),  die 
Quadriga  und  Viktoria  auf  den  Tesseren  des  Tiberius  (S.  5  und  113),  Gaius 
und  Lucius  und  ihre  Waffen  (S.  3),  Viktoria  auf  der  Tessera  des  Gaius 
(S.  3*),  der  Lituus  und  das  Tropaeum  auf  den  Tesseren  des  Germanicus 
(S.  6,  7),  die  zwei  Reiter  auf  der  Tessera  des  Nero  und  des  Drusus 
(S.  8).  Dasselbe  gilt  für  die  sog.  Curatorentesseren,  bes.  für  ihre  Magi- 
stratssessel (oben  S.  47),  dasselbe  auch  für  die  Tesseren  einiger,  besonders 
der  Lanuvinischen  Juvenesvereine,  wie  die  Schlangenfütterungsscene  (oben 
S.  80),  und  ähnliches  mehr. 

In  einigen  Typen  der  frühkaiserlichen  offiziellen  Serie  lässt  sich 
aber  auch  selbständige  Erfindung  oder  Reproduktion  der  Werke  monu- 
mentaler Plastik  direkt  für  die  Tesseren  nachweisen  oder  vermuten. 
Ich  meine  hauptsächlich  zwei  Fälle:  die  Darstellung  des  Mars  ültor  auf 
S.  835,  die  sich  auf  Münzen  sowohl  wie  gleichzeitigen  Gemmen  nicht 
wiederfindet,  und  die  Darstellung  der  Venus-  und  Marsgruppe  auf  S.  153 
154,  wo,  wie  ich  vermute,  die  Gruppe  vom  Capitol  dargestellt  ist.  In 
der  Auffassung  dieser  Kultgruppe  schliesse  ich  mich  an  Wissowa^)  an; 
die  Tesseren  machen  die  Gruppierung  verständlich :  Venus  überreicht  dem 
sich  rüstenden  Mars  die  Waffen. 

Seit  der  Einführung  der  Technik  des  Giessens  werden  die  Grenzen 
der  Nachahmung  immer  enger  und  enger,  die  Typen  immer  allgemeiner 
und  schablonenhafter.  Die  Verwandtschaft  mit  den  Münzen  bleibt  in  den 
offiziellen  Serien  bestehen :  oben  (S.  34  ff.)  ist  die  Abhängigkeit  der  mili- 
tärischen und  auch  einer  Reihe  annonarischer  Typen  von  den  Münztypen 
bewiesen  worden.  Auch  die  Tesseren  der  Spiele  schöpfen,  hauptsächlich 
in  der  ersten  Zeit,  aus  dem  Vorrate  der  Münztypen.  Dasselbe  haben  wir 
auch  für  die  Darstellungen  der  sog.  Personifikationen  nachgewiesen. 

Den  Münztypen  parallel  gehen  aber  seit  dem  Ende  des  I.  Jahrh.  die 
den  geschnittenen  Steinen  und  vielleicht  auch  den  Lampen  und  ähnlichen 
Produkten  der  römischen  Kleinkunst  entlehnten  Typen.  Auf  starke  Ähn- 
lichkeiten in  der  annonarischen  Serie  ist  schon  oben  hingewiesen  worden. 
Hier  möchte  ich  auf  einige  Analogien  in  der  Spielserie  aufmerksam 
machen.  Ich  beschränke  mich  dabei  auf  das  Gemmenmaterial,  welches 
bei  Furtwängler  vorliegt,  und  auf  die  von  Dressel  gesammelten  römischen 
Lampen.'-) 


1)  De  Veneria  simidacris  Eomunis  51. 

2)  Furtwängler,  Beschreibung  der  geschnittenen  Steine  im  Antiquarium  (König- 
liche Museen  zu  Berlin),  Berlin,  1896  und  Die  antiken  Gemmen,  Leipzig,  1900;  Dressel, 
CIL.  XV  2,  782-860. 


Rämische  BleUesserae.  119 

Athleten/)  Zirkusszenen  in  reichster  Auswahl,*)  Gladiatoren,«)  wilde 
Tiere*)  finden  sich  auf  (Jemmen  und  Lampen  in  derselben  und  noch 
grösserer  Mannigfaltigkeit  wie  auf  Tesseren ;  die  Münzen  versagen  dagegen 
fast  in  allen  Fällen. 

Die  Lampen  sind  lebendiger  und  stehen  dem  Leben  näher,  als  die 
Gemmen:  sie  haben  es  auch  leichter,  an  sie  stellt  man  nicht,  wie  bei 
den  Gemmen,  die  Forderung  der  feinen  Ausführung.  Deshalb  stehen  auch 
unsere  Tesseren  den  Lampen  näher  als  den  Gemmen,  deshalb  erlauben 
sich  auch  unsere  Formenschneider  manche  Neuerung,  ganz  wie  die  Ver- 
fertiger der  Lampennegative.  Im  Gebiete  der  Neuerungen  verweise  ich 
z.  B.  auf  die  häufig  vorkommende  kindlich-naive,  unbeholfene  Darstellung 
der  auf  den  Stufen  sitzenden  und  applaudierenden  Zuschauer  (S.  532  ff.). 

Soweit  über  die  offiziellen  Serien.  Bei  den  privaten  ist  der  Erfindungs- 
gabe ein  grösserer  Spielraum  gegeben.  Leider  aber  begegnet  man  dem 
Neuen  und  Frischen  in  diesen  Serien  ebensowenig,  wie  in  den  offiziellen. 
Hier  machen  die  Götter  alles  tot,  hauptsächlich  die  schablonenhaften 
und  leblosen  Fortuna,  Mercurius,  Viktoria  mit  ihren  Attributen:  in  er- 
müdender Gleichförmigkeit  erscheinen  sie  immer  in  derselben  Stellung 
und  Wendung.  Die  anderen  Götter  sind  nicht  besser.  Eine  Ausnahme 
bildet  vieUeicht  nur  Hercules,  aber  hier  auch  finden  wir  nichts  Neues 
oder  Seltenes.*) 

Neben  den  Göttern  kommen  andere  Darstellungen  selten  vor.  Nur 
in  den  CoUegientesseren   bemerkt  man   etwas  Leben.    Meist  aber  herr- 

1)  Te«8.  S.  556,  vgl.  mit  Furtwängler,  B.  (i.  2493,  4568  ff.;  S,  550  —  Furtwängler, 
H.  G.  2430,  2856  ff.,  8180. 

2)  Reiter  mit  der  Palme  Furtwäogler,  B.  G.  4575—8,  cf.  4579  (kommt  auch  auf 
republikanischen  Denaren  vor),  detmliiyr  mit  zwei  Pferden,  Üressel,  CIL.  XV  6651,  2; 
temae,  Dressel,  a.  a.  0.  6319,  18;  6433,  55;  6501,  6;  6614,  7;  agüahtr  allein,  Drewel, 
6350,  46—48;  6496,  3;  Pferde,  Furtwängler,  B.  G.  8309  und  oft.;  Drewel  6296,  16; 
6610,  23.  24;  PferdebUste,  Furtwängler.  JB.  G.  7855;  Drewel,  6350,  81;  gefallenes  Pferd, 
Furtwängler,  B.  G,  7851  u.  a.  m. 

3)  Ganz  gewöhnliche  Darstellungen,  «ifters  zusammengestellt,  s.  Friedländer, 
Sitteng.  IP,  521  ff.;  Daremborg  et  Saglio,  Dict.  d.  ant.  IIB  1600  Anm.  Vgl.  Furtwängler, 
B.  G.  4455,  7737,  8188. 

4)  Auf  Gemmen,  h.  Keller  und  Imhoof,  Tier-  und  PflatuenbildeTj  Leipzig,  1889; 
auf  Lampen  besondere  Reichhaltigkeit  der  Darstellungen:  Bestiarier  mit  Löwen, 
Dressel  6350,  49 f.;  mit  Wildschwein,  6350,  88;  6221,  28;  mit  Bären,  6352,  3;  mit 
Buckelochsen ,  6609,  6.  Kampf  oines  Elephanten  und  Bären,  6221,  31;  I^we  und 
Wisent,  6549;  Löwe  und  Wildschwein,  6608,  4;  Löwe  und  Nilpferd,  6610,  25;  I^öwe 
und  Wildesel,  6482,  1;  zwei  Bären,  6496,  9;  Löwe  und  Krokodil,  6433,  31.  Elephant 
allein  mit  Führer,  6221,  30;  6274,  5  (daneben  ein  Elephantenkalb ,  s.  SyU.  626,  627); 
Kamel  mit  Führer,  6221,  4;  Tiger,  6381,  6;  6544,  40;  Panther,  6350,  88;  6445,  40; 
6515,  2;  Hund  und  Hase  6319,  12.  Die  Gemmen  geben  weniger,  vgl.  z.  B.  SyU.  590 
mit  Imhoof-Keller,  Taf.  XIV  22;  Furtwängler,  B.  G.  7741;  Kamel,  Furtwängler,  B.  G. 
5419  und  ähni.  mehr. 

5)  Näher  darüber  habe  ich  in  der  ruKsischen  Ausgabe  S.  210  ff.  gehandelt  und 
will  meine  Ausführungen  nicht  wiederholen. 


120  M.  Bostow/sew, 

sehen  auch  hier  schablonenhafte  Dutzenddarstellungen  aus  dem  Bereiche 
der  hellenistischen  idyllischen  Manier,  die  auch  auf  Lampen  und  Gemmen, 
sowie  auf  manchen  römischen  Reliefs  zu  Tage  tritt.  Ich  verweise  auf 
den  Hirt  mit  seiner  Herde,^)  auf  den  melkenden  Sätyr,^)  den  Reisenden 
mit  seiner  Bürde,-')  den  earnis  mit  Ochsen  bespannt,*)  den  gesattelten 
oder  beladenen  Esel,  bezw.  Maultier ,5)  auf  allerlei  Haustiere  und  ähnl. 
mehr. 

Auch  mancherlei  t-reräte,  Schiffe,  Vasen  und  dolia  sind  auf  Tesseren, 
ebenso  wie  anderen  Erzeugnissen  der  Kleinkunst  heimisch. 

Originelles  finden  wir  wenig.  Ich  möchte  nur  auf  folgendes  hin- 
weisen: erstens  auf  den  sich  in  die  Piscina  stürzenden  Badenden  (S.  901. 902), 
eine  Darstellung,  die  ich  auf  Lampen  und  Gemmen  nicht  finde  ;^)  zweitens 
auf  den  Geld  oder  eine  Tessera  reichenden  tunicatus  (S.  917,  918,  vgl.  den 
Contorniat  Cohen  VIII,  S.  298  n.  201),  endlich  das  individualisierte  cy- 
darum  (S.  944  bis  950).  Lehrreich  ist  auch  die  Darstellung  des  einen 
Beutel  haltenden  Mannes  (dispensator?)  auf  den  Tesseren,  S.  1327,  1473». 
Sie  scheint  durch  Auslassung  des  Caduceus  aus  dem  üblichen  Merkur- 
schema direkt  geschaffen  worden  sein. 

Diese  summarische  Übersicht  erlaubt  uns  auf  die  Tesseren  und  die 
„öde  Gleichförmigkeit'* ,  die  in  ihren  Darstellungen  herrscht ,  die  W^orte 
Furtwänglers,  mit  denen  er  die  geschnittenen  Steine  des  I.—II.  Jahrh.n.  Chr. 
cl^arakterisiert,  einfach  zu  übertragen.")  „Unter  den  Darstellungen,"  sagt  er, 
„nehmen  die  handlungslosen  Göttergestalten  einen  besonders  breiten  Raum 
ein ;  und  nicht  selten  erscheinen  sie  zu  mehreren  vereint,  aber  auch  dann 
handlungslos  in  banalen  Typen  nebeneinander  gereiht.  Und  die  Auswahl 
der  Typen  sowohl  wie  der  Gottheiten  schrumpft  immer  enger  zusammen: 
immer  einförmiger  werden  diese  Gestalten  des  Jupiter,  Sarapis,  Mars, 
Mercur ,  Bacchus ,  der  Minerva ,  Diana ,  Venus ,  Ceres  u.  s.  f. ;  ganz  be- 
sonders beliebt  sind  aber  die  Fortuna  und  Nemesis,  sowie  die  Victoria, 
diese  nüchtern  begrifflich  allgemeinen  G^talten.  Die  köstliche  Fülle 
immer  neuer  Typen  und  jene  fast  unendliche  Mannigfaltigkeit  in  heiter 
spielenden  Bildern,   besonders  aus  bakchischem  und  exotischem  Kreise, 


1)  S.  Furtwängler,  A.  G,  XXVIII  48—54  und  B.  III  286;  Dressel,  CIL.  XV  6240 
(vgl.  Toutain  in  Daremberg  et  Saglio,  Biet.  HIB  1326,  Fig.  4589);  6274,  2;  6544, 
24—26;  6585,  2.  S.  auch  Jordan,  Ärchä(^.  Zeitung,  1872,  73  und  Babelon,  Monn.  de 
la  BSp.  II  336,  1. 

2)  Imhoof-Keller  Taf.  XVUI  10—12,  vgl.  111  14. 

3)  Furtwängler,  B.  G.  6520  f. 

4)  Imhoof-Keller,    Taf.  XIX  19,    cf.  XVll  8.  4;   Furtwängler,  B.  G.  4693  tf.,  7709. 
5    Imhoof-Keller,   Taf.  XVII  6,  7.     Die  Popularität   der  Phallusdarstellungen  ist 

allbekannt.     Vgl.  S.  927  mit  Furtwängler,  B.  G.  6893«. 

6)  Vgl.  die  aus  dem  Badeleben  stammenden  Motive,  Dressel  (»598,  44;  6593,  31; 
6565.  26. 

7)  Furtwängler,  A.  G.  362  ff. 


Römische  Bleitesserae.  121 

welche  die  frühere  Epoche  auszeichneten,  sucht  man  hier  vergebens ;  jene 
Quelle  rinnt  noch  kümmerlich  oder  ist  gar  versiegt.  Und  die  Dar- 
stellungen aus  der  Sage  werden  erst  recht  spärlich ;  das  relativ  Wenige, 
das  sich  aus  diesen  Gebieten  findet,  sind  alles  altbekannte  Typen,  die 
eben  noch  ihr  Leben  fristen;  nicht  anders  ist  es  mit  den  Darstellungen 
aus  dem  Leben.  Die  harmlosen  Bilder  und  Sagen  genügten  nicht  mehr; 
man  frug  nach  bedeutungsvolleren  Siegelbildem.  Aber  auch  die  schönen 
reichen  symbolischen  Typen  der  früheren  römischen  Zeit  finden  sich  jetzt 
nicht  mehr;  noch  weniger  die  künstlerisch  schönen  naturwahren  Tiere; 
dagegen  die  Masken,  die  kombinierten  Masken  und  jene  Grylli  genannten 
abergläubischen  Kompositionen  sehr  beliebt  bleiben,  weil  sie  eben  für 
zauberkräftig  galten.  *" 


Anhang. 

Sammlungen  der  Bleitesserae  und  Publikationen 

derselben.  * 

Ich  beabsichtige  in  diesem  Anhang  keineswegs  eine  vollständige 
Bibliographie  der  Bleitesserae  zu  geben.  Ich  möchte  nur,  um  Nach- 
forschungen zu  erleichtem,  die  Sammlungen,  in  denen  sich  Bleie  befinden, 
soweit  sie  mir  aus  persönlicher  Anschauung  oder  literarischen  Angaben 
(mit  einem  Sterne  bezeichnet)  bekannt  sind,  aufzählen  und  dabei  die 
mir  bekannt  gewordenen  Veröffentlichungen  vermerken.  Ich  bin  fest 
überzeugt,  dass  sowohl  manche  Sammlungen  wie  etliche  Veröffentlichungen 
mir  entgangen  sind;  für  jeden  Hinweis  in  dieser  Richtung  werde  ich  sehr 
dankbar  sein.  Die  in  der  Einleitung  besprochenen  Schriften  wiederhole 
ich  hier  nicht,  oder  erwähne  sie  nur  mit  Verweisung  dorthin. 

Die  Sammlungen  sind  nach  Ländern  und  Städten  geordnet,  die  Publi- 
kationen nach  den  Sammlungen.  Wo  nichts  angegeben  ist,  bedeutet  das, 
dass  die  Sammlung  von  mir  durchgearbeitet  worden  ist.  Das  Sternchen 
bezeichnet,  dass  ich  die  Sammlung  nicht  gesehen  habe. 

Italien:  Rom.  1.  Münzkabinet  des  Vatikanischen  Museums. 
Die  Sammlung  Ficoroni  mit  vielen  neuen  Erwerbungen,  publiziert  von 
Ficoroni,  nach  demselben  (ohne  Autopsie)  wiederholt  von  Scholz  in 
der   Wiener  Numismatischen  Zeitschrifi,  1893. 

2.  Gregorianura  des  Vatikanischen  Museums.  Sammlung  Fal- 
cioni  aus  Viterbo.  Beschrieben  in  Viterbo  von  Dressel,  dessen 
Scheden  mir  zur  Verfügung  standen. 

3.  Thermenmuseum.  Sammlung  Altieri,  früher  iuiKirche- 
rianum  und  neue  Erwerbungen,  1.  als  die  Sammlung  noch  im  Kirche- 
rianuni  war,  2.  gefunden  bei  der  Tiberregulierung,  3.  Tesseren  aus  Ostia, 
Frascati  und  älinl.  Der  Stock  (Sammlung  Altieri)  bei  Oarrucci, 
Piombi  Altieri  ( oben  S.  8  Anm.  4j.  Derselbe  mit  den  neuen  Er- 
werbungen des  Kircherianum  Piombi  scritti  (oben  ebda.)  und  De  Ruggiero, 
Catahgo  del  mnseo  Kircheriatw,  Roma,  1872,  p.  IVJ — 21(3.  Die 
neuen    Erwerbungen    Not.    d.    Sc.,    1888,    189  ft'.;     Kustowzew    und 


Römische  Bleitesserae.  123 

Vaglieri,  Not.  d.  Sc,  1900,  256  ff.;  Cesano,  Not.  d.  Sc,  1904,  11  ff., 
vgl.  auch  BüU,  com.,  1886,  236  f.  (eine  der  im  B.  c  publizierten  Tesseren 
sah  ich  bei  Froehner  in  Paris). 

*4.  Museum  Propaganda  fide.  Nach  Garrucci,  P.  s.  99 
und  Visconti,  Opere  varie  II  19  befindet  sich  hier  die  Sammlung 
Borgia.    Jetzt  nicht  mehr? 

5.  Sammlung  Martinetti,  s.  Mowat,  Bull,  de  Ja  soc.  des  Anti- 
quaires  de  France,  1895,  217  ff.;  H6ron  de  Villefosse,  Comptes 
rendus  de  VAcad.  des  inscr.,  1893,  350  ff. 

Florenz.  6.  Archaeologisches  Museum.  Der  Hauptstock 
bei  Cavedoni  gekauft. 

Mailand.    7.  Brera. 

8.  F.undE.Gnecchi,s.Rostowzew,  RivistaüäUanadinumismatica, 
1902,  151  ff.  und  Taf.,  vgl.  F.  Gnecchi,  Rivista  it.  di  num.,  1892, 
164—173  und  Taf.  IV. 

Perugia.    9.  Munizipalmuseum.    Sammlung  Guardabassi. 

10.  Sammlung  Bellucci. 

Catanzaro.  *11.  Provinzialmuseum.  Sol.  Ambrosoli, 
Catdlogo  della  colleaione  numismatica,  Catanzaro,  1894,  268  ff. 

Turin.  12.  Königliches  Museum.  Hauptsächlich  ägyptische 
Bleie,  s.  Museo  numismatico  Lavy,  Torino,  1839;  Fabretti,  Rossi, 
Lanzone,  Regio  Museo  di  Torino,  t.  III,  Torino,  1883. 

Venedig.  *13.  Museo  Naniano,  s.  Colhzione  di  tutte  le  anti- 
chita  che  si  conservano  nel  museo  Naniano,  Venezia,  1815. 

Unbekannt  ist  mir ,  wohin  die  Sammlungen  des  Pignorius  (oben  S.  7 
Anm.  4)  und  die  von  Garrucci  in  den  PiomU  scritti  publizierten  des  Saulini, 
Nardoni  und  Kiccio  geraten  sind,  vgl.  noch  Bellori,  Numismata  vetera 
apibus  insignita,  Thes.  Gronovi  VIII  410,  tab.  II,  IV. 

Frankreich:  Paris.  14.  Müuzkabinet  der  Pariser  National- 
bibliothek.  Die  Sammlungen  Seguin,  Patin,  der  Bibliothfeque 
S-te  Genevi^ve,  Baudelot  de  Dairval  (s.  oben  S.  7  Anm.  5),  vgl. 
Schlichtegroll,  ^»wafon  I  88  f. ;  Cl.  de  Molinet,  Cabinet  de  la 
Bibliotheque  de  St.  Genevieve,  Paris,  1692,  162  und  Taf.  z.  S.  56, 
XXIV— XXV;  Sammlung  Caylus,  s.  Caylus,  RecuciJ  d'aniiquites  11, 
p.  288  und  pl.  78;  IV  pl.  104,  vgl.  UI,  p.  268  und  andere.  Zuletzt  die 
Sammlung  Le-Blant,  s.  Le  Blant,  Bulletin  archeologiqm  de  VAthe- 
naeum  frangais ,  1856  (II),  p.  11  und  pl.  I  und  ein  Teil  der  Samm- 
lung Lovatti-Feuardent:  Rostowzew  et  Prou,  Catalogue  de 
plombs  etc.,  Paris,  1900.^) 

15.  Rollin  und  Feuardent.  Hauptstock:  Sammlung  Lovatti, 
dazu  viele  Erwerbungen. 

1)  Im  Louvre  befindeD  »ich  mehrere  Tesseren  aun  Kleinasien,  s.  die  rassische 
Ausgabe  dieses  Bnches,  S.  272  ff. 


124  M.  Bostoweew. 

16.  Fröhner.  Die  in  CIL,  XH  5699,  4,  10,  11,  12  (a— r)  publi- 
zierten Tesseren  habe  ich  bei  ihm  nicht  gesehen,  dagegen  viele  andere; 
teilweise  publiziert  in  Bull  com.,  1886,  326,  vgl.  Dressel,  CIL.  XV  2, 
995,  3;  s.  auch  Bull  com    1887,  236;  1890,  106. 

*17.  Abbe  du  Tersan.  Sammlung  d'Ennery  und  Ficoroni(?), 
s.  Catalogue  du  Cabinet  de  M.  Vabhe  du  Tersan,  Paris,  1819,  p.  18  n.  93; 
Grivaud  de  la  Vincelle,  Aris  et  metiers  des  anciens,  Paris,  1819, 
pl.  XVIII.    Wo  dieselbe  jetzt  sich  befindet,  ist  mir  unbekannt. 

*18.  J.  Greau.  Description  des  medaiUes  romaines  composant  la 
collection  de  M,  J.  Greau,  Paris,  1869,  p.  379  n.  4875—4883. 

Lyon.    19.  Städtisches  Museum. 

Marseille.    20.  Münzkabinet  bei  der  Universität. 

Orleans.  *21.  Städtisches  Museum.  M.  Desnoyers^  Les 
tesseres  du  musee  d'OrleanSy  Orleans,  1898. 

Belgien:  Brüssel.  *22.  De  Meester  Ravestein,  s.  Catalogue 
descriptif  du  Musee  Bavestein,  Liöge,  1872,  t.  U  54,  n.  1015. 

*23.  Dancoisne,  s.  Dancoisne,  Bevue  beige  de  numismatique, 
1891,  213,  1. 

England:  London.  24.  British  Museum.  Hauptstock:  Samm- 
lung Blacas,  s.  AnntMire  de  numismatique,  1867,  11368.  Dazu  mehrere 
Erwerbungen  der  Jahre  1854,  1860,  1862,  1870  (Sammlung  Webster). 
Aus  dem  Osten  (Smyma)  stammt  die  Sammlung  Bor r eil,  aus  Klein- 
asien die  von  Payne-Knight  publizierte  Tessera,  s.  Nummi  veteres 
in  museo  B.  Payne-Knight  asservati,  London,  1830,  p.  137,  vgl. 
Rostowzew,  Num.  Chr.,  3  Ser.,  XX,  p.  105  Fig.  und  die  russische 
Ausgabe  dieses  Buches,  288. i) 

*25.  Pembroke,  s.  Catalogue  of  the  entire  Pembroke  collection. 
Coins  afid  Medals,  1848,  p.  321  n.  1486,  cf.  Mionnet,  Medaüles  Bo- 
tnaines  11  139  und  Numismnta  antiqua  .  .  .  coUegit  .  .  .  Thomas  Pembrochiae 
et  montis  Gomerici  comes,  1746,  p.  3,  tab.  49. 

Deutschland:  Berlin.  26.  Münzkabinet.  Ausser  den  römi- 
schen (Sammlung  Spinelli)  noch  kleinasiatische  und  athenische  aus 
den  Sammlungen  Komnos  und  Prokesch-Osten.  Daselbst  die  in 
Rom  zusammengesetzte  Sammlung  Barthol dy,  s.  Friedländer, 
Geschichte  des  Königlichen  Münjskabinets  24  f.  Einige  griechische  in  der 
russischen  Ausgabe  dieses  Buches,  Appendix  I,  S.  310. 

27.  Antiquarium.  Sammlung  Gerhardt,  dazu  8  griechische 
Tesseren  in  einer  Bronze-pyxis,  s.  Bull  delV  Ist.,  1869,  p.  66;  Archaeol 
Zeitung,   1879  (37),   \).  104,   vgl.  die   russische  Auflage   dieses  Buches, 

1)  Daselbst  (in  dor  Vasenabteiluug)  befindet  sich  die  reichste  Sammlung  der 
sizilianischcn  Handelsbleie,  welche  Salinas  publiziert  bat,  s.  Salinas.  Monumenti 
deW  Listituto  VllI,  tav.  XI,  cf.  Annali,  1864,  :{51tl',  vgl.  auch  Annali,  IHSO,  IS  ff.; 
?iot.  d.  Sc,  1894,  409  i\'. 


Römische  Bleitesseras,  125 

Appendix  I,  S.  317,  n.  90—93  tab.  II  22—24.  Daneben  griechische 
Tesseren  aus  den  Sammlungen  K o m n o s  und  anderer,  s.  Fried erichs, 
Berlins  antike  Bildwerke,  t  H  374  f.,  n.  1809%  1809^ 

28.  Dressel.  Hauptstock  Sammlunpr  Depoletti;  teilweise  publi- 
ziert in  CIL,  XV  2,  995  f. 

Dresden.  29.  GrünesGewölbe,  Münzkabinet ;  auch  athenische 
Tesseren  und  sizilische  und  andere  Handelsbleie,  s.  Benndorf,  Zeiischr. 
f.  oesterr,  Gifmnasien,  1875,  613  f.,  vgl.*  Catalogue  dune  riche  coUeetion 
d'antiquües  de  feu  M,  le  haron  Stackeiberg,  Dresde,  1867,  p.  44. 

Göttingen.  *30.  Archaeologisches  Museum.  Nur  grie- 
chische Tesseren,  s.  Benndorf,  a.  a.  0.  612;  Hubo,  Originalwerke  in 
der  archaeohgischcn  Abteilung  des  archaeotogisch-numismatischen  Institutes 
der  Georg-Augustus-Üniversüät,  Göttingen,  1887,  140,  n.  821—824. 

Gotha.  *31.  Herzogliches  Münzkabinet;  Benndorf,  a.a.O., 
614  f. 

Hannover.    32.  Museum  Kestner. 

München.  83.  Münzkabinet  an  der  Akademie.  Auch  mehrere 
griechische  Tesseren  aus  der  Sammlung  Margaritis,  s.  Rev.  num.,  1886, 
p.  26  pl.  V. 

Mainz.  34.  Provinzialmuseum.  Geschenk  von  Dr.  F. Schneider, 
gefunden  bei  der  Kurie  „zum  Eigel",  s.  Frankf.  Zeitung,  1904,  No.  237, 
wohl  aus  Rom. 

Köln(?).  *35.  Mertens-Schaffhausen,  %,  Catalogue  des  cdüec- 
tions  laissees  par  feu  M-me  Mertens-Schaffliausen,  Cologne,  1859,  2582 
bis  2763. 

Oesterreich:   Wien.     36.   K.  K.  Münzkabinet,    s.   Scholz, 
Bömische  Bleitesserae,  5  (Wiener  numismatische  Zeitschrift,  1893). 
37.  Trau,  s.  Scholz,  a.  a.  O. 
*38.  Fürst  Windischgrätz,  Scholz,  a.  a.  0. 
♦39.  Scholz,  Scholz,  a.  a.  0.^ 

Schweiz:  Basel.  40.  Historisches  Museum,  hauptsächlich 
griechische  Bleie,  vgl.  Bernoulli,  Catalog  ßr  die  antiquarische  Ah- 
teilungy  Basel,  1880,  n.  1093,  1093*-*"  und  die  russische  Ausgabe  dieses 
Buches,  S.  315  n.  73. 

Holland:  Haag.  *41.  J.  C.  de  Jonge,  Notice  sur  le  Cabinet 
des  MedaiUes  de  Sa  M.  le  Boi  des  Bays-Bas,  ä  la  Haije,  1823,  Suppl. 
1824,  p.  11.  Bei  meinem  Besuche  der  Sammlung  waren  die  Tesseren 
nicht  auffindbar. 

42.  Leyden.  Kleinasiatische  Tesseren  aus  Smyma,  s.  die  russische 
Ausgabe  dieses  Buches,  S.  272  ff.  und  Taf.  EU. 

1)  Im  K.  K.  Archaeologischen  Institut  befinden  sich  mehrere  Tesseren  aus 
Smjma  und  hauptsächHoh  Ephesus,  s  die  rassische  Ausgabe  dieses  Baches,  S.  272  ff. 
und  Taf.  III. 


126  M,  Bostowjsew. 

Dänemark:  Kopenhagen.  43.  Münzkabinet  des  archaeolo- 
gischen  Museums  (auch  mehrere  griechische  Tesseren).  Die  römi- 
schen teilweise  bei  Ramus,  Catalogus  nwnorum  . . .  musei  regis  Damae 

11,  p.  2,  S.  383,  n.  1,  vgl.  Catalogue  de  la  coUection  de  Chr.  Jörgensen 
Thomsen  11,  Copenhague,  1866  (am  Ende)  und  Description  des  nwnnaies 
grecques  de  Chr.  Jörgensen  Thomsen,  Copenhague,  1869. 

Bnssland:  44.  EaiserÜQhe  Eremitage.  Aus  mehreren  An- 
käufen gebildet.  Die  athenischen  Bleie  vermehrt  zuletzt  durch  den  An- 
kauf der  Sammlung  Wolters,  s.  die  russische  Ausgabe  dieses  Buches, 
Appendix  I,  S.  310  ff.  und  Taf.  V. 

Moskau.  45.  üniversitätsmuseum ,  s.  Oreschnikow, 
Beschreibung  der  griechischen  Münzen  der  Moskauer  Universität,  Moskau, 
1891,  337  ff.  (russisch). 

Angaben  über  die  in  den  römischen  Provinzen  gefundenen 
Bleie  findet  man  zusammengestellt  und  die  wichtigsten  Stücke  publiziert 
in  der  russischen  Ausgabe  dieses  Buches,  S.  241  ff.  und  Taf.  I.  Zur 
Orientierung  mag  folgende  Übersicht  dienen: 

Afrika:  Carthago.  Mus6e  St.  Louis;  Tunis  Mus6e  Bardo; 
Sousse  Mus6e  municipal.  S.  P.  Delattre  in  C,  r.  de  VAcademie 
d'Hippone,  1892,  211;  Bull,  archeol.  du  Comite  des  travaux  historiqueSy 
1898;  Gauckler,  Gouvet,  Hannezo,  Musee  de  Sousse,  p.  86 ff. 
und  pl.  XVII;  mein  Buch  S.  255;  CIL.  vm  Suppl.  22656,  7,  9,  10,  14, 
15,  17,  18,  20,  21». 

Constantine,  s.  Doublet  et  Gauckler,  Musee  de  Constan- 
tine,  1892,  49  f.;  CIL.  Vm  10484,  vgl.  Doublet,  Musee  d' Alger,  8.  4 
und  Besnier  et  P.  Blanchet,  CoUection  Farges,  p.  76 ff.,  et  BuU. 
de  la  soc.  des  antiquaires,    1882,   272;   CIL.  VIII  Suppl.  22656,  4—6,  8, 

12,  15,  16,  19,  21. 

Gallien:  Die  nötigen  Verweise  bei  Maxe-Werly,  Memoires  de  la 
soc.  des  antiquaires,  t.  55  (1869);  neues  und  altes  Material  in  der  russi- 
schen Ausgabe  dieses  Buches,  S.  258 ff.,  Fig.  2  und  3  (vgl.  Bull,  de  la 
soc.  des  antiquaires  de  la  Seine  inf.,  1902,  302,  cf.  Rev.  num.,  1902,  481). 
S.  auch  A.  Blanchet,  Bull  de  la  Soc.  d.  Ant.  de  France,  1904,  149—151. 

Spanien :  s.  CIL.  II  4963,  8—10 ;  6246,  2—5 ;  Ephem.  ep.  IX,  p.  182, 
n.  429,  1   (gefunden  auf  der  Stelle  des  municipium  Arvense,  vgl.  p.  74). 

Dalmatien:  s.  die  russische  Ausgabe  dieses  Buches,  S.  249  und 
Taf.  I  (Aquileia  und  Tri  est).  Über  Salonae:  Bulic,  Bull.  Dal- 
mato  XIII  179;  CIL.  III  10196,  1—3. 

Germanien:  Vor  kurzem  wurde  eine  Tessera  in  Trier  gefunden, 
jetzt  daselbst  im  Museum,  s.  oben  S.  81. 

Italien:  s.  die  russische  Ausgabe,  S.  211  ff. 


Saeh-  und  Namenregister. 


Amphinomns  und  Anapias  115. 

C.  Annias  PoUio  pr.  des.  carator  48. 

M.  Antistius  Labeo  curator  48. 

Antonia  Drusi  26. 

Antonia,  des  Kaisers  Claudios  Mutter  27. 

AntoniDOs    Pins    und    die    iuventus   von 

Rom  75. 
Arruntius  Stella  curator  49  f. 
Aruntius  Dignus  curator  80. 
Asprenas  Caesianus  105. 
Augustus,  seine  Erziehungspolitik  64. 

—  Einführung  der  tesserae  nummariae  28. 

Bäder  (Marken  der)  102. 

Baadixol  natdig  78  ff. 

Baudelot  de  Dairval  7. 

Benndorf  8. 

Bleitesserae  mit  Porträts  der  Mitglieder 
der  kaiserlichen  Familie  {tesserae  num- 
mariae) 28  f. 

—  mit  dem  Kopfe  des  Nero  und  späterer 
Kaiser  29  ff. 

—  als  Marken  der  Komverteilungen  an 
die  Prätorianer  84  f. 

—  für  Korn  Verteilungen  ohne  den  Kaiser- 
kopf 87  f. 

Blei-  und  Bronzetesserae  als  Eintrittsbillets 

zu  den  Schauspielen  51. 
— ,  Darstellungen  auf  denselben  119. 
Bleitesserae  als  Hausgeld  108. 
— ,  münzähnliche  113  f. 

—  und  die  Münzenreverse  117  f. 

Vgl.  unter  Tesseren. 
Bronzestäbchen  (ieBsera)  21. 
Bronzetesserae,    runde,    mit    Kaiserkopf 

(tesserae    frumentariae    et    nummariae) 

23  f.,  27  f. 


C.  Bruttidius  Brutus  curator  49. 

Caecilius  Justus  curator  49. 

Q.]  Caecilius  Q.  f.  Oinogenus  curator  48. 

M.  Caelius  Clodiaous  y.  c.  105. 

A.  Caepio  Crispinus  105  f. 

Caligula  und  die  städtische  iuventus  72. 

—  und  die  cura  ludorum  46,  52. 
Certamen  quinquennale  des  Kaisers  Nero  74. 
Claudius    (Kaiser),    seine    Änderung    des 

Systems  der  Komverteilungen  14  f. 

—  und  die  städtische  iuventus  72. 

—  und  die  Spiele  50  f. 

Ti.  Cla(udius)  proc(urator)  50. 
C^llegien,  Verteilungen  in   denselben   mit 

Hilfe  der  Tesserae  98. 
Collegium  coriariorum  95. 
Congiaria  19. 

T.  Cornelius  Paetus  pontifex  curator  49. 
Curatores  aquarum  et  Minuciae  18. 

—  frumenti  11  f. 

—  ludorum  45  f. 

—  lusus  iuvenum  86. 

—  de  Minucia  15. 

—  muneris  49. 
Cydarum  100  f. 

Domitianus,  seine  Bronzetesserae  82  f. 

—  und  die  städtische  iuventus  75. 
Dumont  8. 

Ephebie  (attische)  und  die  römische  iuven- 
tus 66  ff. 

—  und  die  Jugend  der  Munizipien  93. 
Eppuleins  Proculus  106. 

Erziehung,  physische  unter  Auguitus  und 

später  62  ff. 
Evocati  Augiisti  und  die  Komverteilungen 

35  f. 


128 


Sach  und  Namenregister. 


Kxercitatio  campestris  (52  ff. 

Felicissimus  (iuvenil  aus  Aquae  Sextiae)  88. 
Ficoroni  7. 

T.  Flavlus  Sabinus,  Vespasiaus  Vater  85,  4. 
Freigelassene  auf  Tesseren  106. 

Gaius  Caesar  (Porträt)  25. 

Gaius  und  Lucius  Caesares  25. 

Galba  und  die  städtische  inventus  75. 

Garrucci  8. 

V.  (xavius  Priscus  curator  49. 

Geminus  curator  80. 

(^enius  (Darstellung  auf  Tesseren)  40. 

Germanicus  26. 

Gladiatorenkämpfe  der  iuvenes  87  f. 

Gladiatorenspiele,  ihre  Marken  53. 

P.  Glitius  Gallus  105. 

Götter  auf  den  Tesseren  110,  119. 

Gordianus  und  die  munizipale  iuventus  89  f. 

Hadrian  (Adoption  desselben)  31. 
Herennius  Rufns  curator  47. 
Herculanei  Augustales  90,  3. 

Januskopf  auf  den  Tesseren  115  f. 
Idyllisehe   Manier    in    den    Darstellungen 

der  Tesseren  120. 
Julia,  Augustns*  Tochter  48. 
Julius  Quadratus  Ti.  1.  procurator  50. 
C.  lulius  Severus  105. 
luno  Lanuviua  51. 
Juno  Regina  (Tarquinii)  80. 
luvenalia  des  Kaisers  Nero  43. 

—  in  den  Mnnizipien  86  ff. 
Juvenes  Augustiani  74. 

—  aulici  78. 

—  bildliche  Darstellungen  69  f. 

—  Beteiligung  an  Gladiatorenkämpfen  und 
Tierhetzen  87  f. 

—  in  den  westlichen  Provinzen  91. 

—  Organisation   der  munizipalen  Vereine 
derselben  66  ff. 

—  pinnirapus  87. 

—  Verhältnis  zu  den  Augustalen  92,  2. 

—  Verhältnis  zu  den  Thymiaterien  70. 
Juventus  städtische  61  ff. 

—  der  Munizipien  80  ff'. 

KalanoL  —  tesserae  frumentariae  4,  19. 
Korn  Verteilungen  in  Athen  28. 

Lampen  119. 

Lanuvium  {ßodales  nnd  sacra)  80. 


Lenuucularii  auf  Tesseren  97. 

Livia  26. 

C.  Livineius  Paulus  48. 

Livineius  Regulus  als  Spielgeber  47. 

Ludi  (Marken)  62. 

Ludi  decennales  75. 

—  sevirales  65. 
Lusus  iuvenalis  86  ff. 

—  Troiae  64  f. 

Magistri  inventutis  68. 
Mars  Ultor  60,  118. 
— ,  sein  Tempel  66. 

Mars  und  Venus  (Gruppe  vom  Capitol)  118. 
Matius  45. 

M^reaux  (jetons,  Penningen)   der  Corpora- 
tionen  von  Paris  und  Holland  99  f. 

—  (tokens)    als  private  Scheidemünze  in 
Paris  und  London  113. 

Minucia  (porticns)  15  f. 

C.  Mitreius  L.  f.  magister  iuventutis  60. 

Münzen,  alte  als  Nenjahrsgeschenke  115  f. 

—  falsche  aus  Blei. 

—  restituierte  114. 

—  (aus  Blei),  vergoldet«  116. 

Namen  auf  den  Tesseren  104  f. 
Nero  (Kaiser),  Reform  der  Kornverteilungen 
29  f. 

—  und  die  hauptstädische  iuventus   72  ff. 

—  und  die  Spiele  49  ff. 
Nero  und  Drusus  27. 
Neronia  74. 

Neujahrsgeschenke  (strenae)  115. 
Neujahrslampen  115. 
Nomismata  (Saturnalienmarken)  41. 

—  lasciva  57  f. 

Ölverteilungen  19. 
1  C.  Oppius  Honoratus  curator  49. 

Paetus  magister  60. 

Pedo  magister  60. 

Penninge    der    holländischen    Städte    als 

Verteilungsmarken  41  f. 
P.  Petronius  Sabinus  matter  iuvenum  59. 
Pignorius  7. 
Pinnirapus  iuvenum  87. 
Piscina  102  f. 
Plostrarii  97. 
L.  Plotius  Vicina  105. 
Plumbei  bei  Plautus  7. 

—  bei  Martial  112. 


Sach-  und  Namenregister. 


129 


C.  M.  Pompei  magist ri  60.  I 

Postolacca  8.  ' 

Praefecü  annonae  12. 

—  als  Platzverteiler  im  Colosseum  46.  | 
Praefecti  framenti  dandi  11.  | 
Princeps  iuventutis  61,  68,  77. 

Priscillos  curator  48. 
Procnratoren  der  Schauspiele  50  f. 

Kegionen  der  Stadt  Rom  41. 
Recnpero  (Baron)  7. 

Saccarii  97. 

Sacra  luven alia  86  f. 

Satomalien  41. 

Savot  7. 

Schablonenhaftigkeit     der     Darstellangen 

auf  den  Tesseren  120. 
Schauspiele,  Verteilung  der  Plätze  44. 

—  und  die  plebs  frumentaria  46. 
Schilde  und  Speere  der  iurenes  67. 
Sclaven  auf  den  Tesseren  106. 
Septimius  Severus  und  die  Romverteilungen 

18  f. 
— ,  sein  Verhältnis  zur  städtischen  iuven- 

tus  76. 
L.  Sextilius  60. 
Sodales  Consuales  94. 
Spiutriae  57,  4. 
Strenae  115. 

Subcura[t(or)]  in  Tusculum  80. 
£viißoXa  ixxXri6ucütixa  bei  den  Verteilungen 

in  Athen  28,  2. 
£vfL§oXov  5. 
Svoronos  43. 


Tessera,  frumentaria  10  ff.,  16  f. 

—  gladlatoria  2. 

—  hospltalls  1. 

—  militarls  4. 

—  minilis  4  f.,  56. 

—  nummaria  12  ff. 

—  pagana  2. 

—  vlnarla  56. 

Tesseren  als  Elntrittsbillets  in  Athen  43. 

—  als  privat«  Scheidemünze  108. 

—  mit  Greldwertangaben  99. 

—  Familien-  und  Hauscharakter  106. 

—  Formen  zum  Giessen  derselben  6. 

—  mit  Daten  und  Monatsnamen  98  f. 

—  Massenproduktion  108. 

—  der  Triumphalcongiarien  32  f. 

(S.  auch  Bleitesserae.) 
C.  Tettius  Rufus  curator  47. 
TiberiuB  (Kaiser),  Siegesconglarium  26. 

—  und  die  eura  ludorum  32. 

—  und  die  städtische  iuventus  71. 
Tirocinium  62. 

Titus  (Kaiser)  als  iuvenis  87. 
Traian  (Kaiser)  81. 
Tusculum  (iuvenes)  80. 

M.  Valerius  M.  f.  Etruscus  105. 
Velitrae  (iuyenes)  80. 
Verulae  (iuyenes)  80. 
Venationes  53. 
Vespasian  (Kaiser)  30  f. 
Vici  der  Stadt  Rom  41. 
Visconti  8. 
Volsinii  (sodales)  80. 


Tablifer  2U,  54,  12. 
Tarquinii  (iuvenes)  80. 
Q.  Terentius  Culleo  105. 
Tessera,  Begriff  1  ff. 
—  consularis  2. 


Wappen  der  CoUegien  96. 
—  von  Privatleuten  107. 

Zirkusspiele  54. 

Zuschauer,  applaudierende  50,  119. 


Rostowzew,  Römische  Bleitesserae. 


Tesserenregister. 


Sylloge  n. 

Seite 

Sylloge  u. 

Seite 

Sylloge  n. 

Seite 

1 

26.  118 

69 

98 

346  ff. 

37 

2 

23.  25 

69.  70 

31,4 

350  ff 

37  u.  37,  3 

3 

23.  25.  68,  1.  118 

71  f. 

24.  31 

358  ff. 

38 

3» 

23. 

25.  117 

73 

31 

363  f. 

37,5 

4 

24.  26 

74 

24 

373 

38 

5 

23. 

26.  118 

79 

31 

383 

38 

6 

24. 

26.  118 

80  f. 

24 

400 

37 

7 

24.  26. 

117.  118 

82 

31  1  402  ff. 

37 

8 

24.  27. 

71.  118 

84  ff 

36,3 

412 

37 

9 

24.  26 

88  f. 

31 

424 

56 

10 

24 

.  25.  27 

98 

31 

484  ff 

57 

11 

24 

100 

26,2 

490  ff 

41 

12 

24.  29 

101 

56 

501  ff 

41 

13 

29 

103 

35 

502 

41 

i4 

24 

104 

31 

513 

48 

15  ff. 

24 

107  ff. 

31 

514 

48 

16 

29 

111  ff. 

31.  35 

514* 

48 

17  ff. 

29 

113 

34.  118 

514b 

48 

20  f. 

29 

114  ff 

32 

514c 

49.  117 

22 

29 

127  f. 

32 

515 

49 

23 

52 

141 

32 

516 

47 

24  f. 

30 

146 

32 

517 

47 

27 

29 

148  ff. 

34 

518 

48.  51 

31 

29 

153  f. 

118 

519 

48.  51 

32 

29 

170 

35  520 

48.  51 

33 

•24.  29 

235  f. 

35,  7  521 

49 

34 

24 

236  ff. 

35 

522  f. 

49 

35  f. 

24 

244 

35,7 

524  f. 

49 

37  ff. 

24.  80 

254  ff 

35,8 

526  f. 

49 

43 

98 

258 

32 

529 

49 

53  ff. 

31 

261  ff. 

34 

530 

50 

55 

31 

282 

35,6 

531 

52 

61  ff 

31 

336 

22  532 

50 

62 

24.  31 

338  ff. 

36  534  ff. 

50 

65  ff. 

31,  4  ' 

343 

57  556 

119,1 

65  f. 

98 

344 

56  1 

559 

52 

Tesserenregister. 


131 


Sylloge  u. 

Seite 

Sylloge  D. 

Seite 

Sylloge  n. 

Seite 

561  f 

52 

951  ff. 

97 

1347 

110 

565 

53 

957 

98 

1352 

106 

566 

53 

961  ff. 

97 

1355 

106 

568  ff. 

53 

975 

99 

1357  ff 

106 

578 

53 

992  ff. 

97 

1363  ff. 

108 

579  ff. 

53 

1020 

57.  99 

1376 

107 

590 

119.4 

1033  ff. 

97 

1384 

107 

600 

53 

1037  ff. 

97 

1416 

107 

625  ff. 

53 

1038 

99 

1417 

108,4 

626  f. 

119,4 

1082  ff 

99 

1418  ff 

107 

635 

53 

1086 

99 

1426 

108,4 

643 

53 

1089 

99 

1434 

108,4 

706  ff. 

54 

1090  ff. 

99 

1453 

110 

719 

54 

1095  f. 

99 

1456  ff 

107 

728 

114 

1109 

107 

1460 

106.  108 

838 

59.  72.  3 

1132 

107 

1471 

106 

834 

59 

1137 

107 

1486 

106 

835.  835» 

59.  118 

1139 

105 

1602 

107 

836 

74 

1149 

105 

1508 

107 

836  f. 

59 

1150 

106.  108,4 

1512  ff 

107 

838 

59 

1151 

105 

1528 

107 

840  ff 

59 

1171  ff. 

107 

1560 

107 

844  ff. 

74 

1176 

106 

1567» 

107 

847 

76,3 

1183 

108,4 

1558  ff 

107 

848 

81 

1195 

107.  109 

1573  ff 

40 

849-851 

80.  83 

1198 

107 

1580  ff 

40 

852 

80.  82.  83,  4 

1214 

106 

1584 

40 

858  ff. 

80.  83 

1222 

106 

1608  ff. 

40 

8^>4ff. 

80.  83,  2 

1228 

106.  108,4 

1611 

95 

H67 

80 

1238 

105 

1611  ff 

40 

868  f. 

81 

1246 

119 

1613 

95 

870 

80.  82.  83 

1264 

107 

1615  f. 

40,  2.  95 

871  ff. 

80.  98 

1266 

105 

1679  ff. 

95 

875* 

81 

1282 

107 

1734  ff. 

108 

876  ff 

94 

1287 

107 

2014* 

114 

879 

94 

1288 

106 

2068  ff 

57,  1.  99 

880  ff. 

95.  98 

1300 

108,4 

2072 

57,1 

885 

95 

1802 

105 

2184 

99,1 

886  ff. 

102 

1317 

107 

2185  f. 

110 

892  ff 

102 

1319  f. 

55,  1 

2641  ff. 

110,1 

899  f. 

103 

1820 

114 

2736  ff 

110,1 

901  ff. 

103.  120 

1323 

105 

2960 

114 

907  ff. 

57 

1326 

107 

8004  f. 

114 

911  ff 

58 

1327 

105 

3181 

107,4 

917  f. 

58.  120 

1328 

107 

3184 

107,4 

944  ff. 

100  f.  120 

1830 

107 

8543  ff. 

108 

Draek  tod  O.  Knjting  in  Laipsig. 


Epigraphische  Beiträge 


ZUl' 


sozial -politischen  Geschichte  Athens 


im 


Zeitalter  des  Demosthenes 


Johannes  Sandwall. 


kNvnEKj'ijj 


Leipzig 

Dieterich'sche  Verlagsbuchhandlung 
Theodor  Weicher 

1906. 


Vorwort. 

Die  epigraphische  Forschung  ist  eine  unerschöpfliche  Quelle  fttr  das 
Verständnis  des  griechischen  Altertums.  Obwohl  sie  bereits  eine  Autorität 
wie  August  Boeckh  mit  sicherem  Blick  für  ihre  Bedeutung  nach 
mancherlei  Richtungen  hin  ausgebeutet  hat,  liegt  doch  noch  unendlich  viel 
unverwertet  da,  besonders  für  die  soziale  Geschichte,  ein  Gebiet,  das  die 
antiken  Geschichtsschreiber  nur  selten  gestreift  haben.  Für  die  Geschichte 
Athens  hat  vor  allem  Kirchners  Prosopographia  Attica  neue  Wege  er- 
öffnet, die  inneren  Verhältnisse  eingehender  zu  erforschen.  In  den  vorliegenden 
Untersuchungen  habe  ich  mir  nun  die  Aufgabe  gestellt,  einige  Seiten  des 
attischen  Lebens  in  einer  Zeit,  für  welche  man  nur  auf  widersprechende 
.Äusserungen  der  Redner  angewiesen  war,  zu  beleuchten.  Durch  das  epi- 
graphische Material  gebunden,  habe  ich  mich  darauf  beschränkt,  das 
soziale  Niveau  einiger  wesentlicher  Verwaltungsbehörden  sowie  der  Führer 
des  munizipalen  und  allgemeinen  politischen  Lebens  zu  betrachten.  Immer- 
hin hege  ich  die  Hoffnung,  den  Steinen  einige  Beiträge  zur  wahrheits- 
getreuen Beurteilung  einer  Staatsverfassung  entlockt  zu  haben,  die  bisher 
je  nach  politischer  Auffassung  eine  verschiedene  Beurteilung  erfahren  hat 

Für  die  einschlägige  Literatur  habe  ich  die  folgenden  üblichen  Ab- 
kürzungen gebraucht: 
IG.  =  Inscriptiones  graecae.    Wo  keine  andere  Bezeichnungen  gebraucht 

werden,  sind  alle  Inschriftzahlen  von  den  IQ.  zu  verstehen. 
Ath.  Mitt.  =  Mitteilungen  des  Kais,  deutschen  archäoL  Inst,  zu  Athen. 
B.  C.  H.  =  Bulletin  de  correspondance  hellenique.  ^ 

Ditt.  Syll^  =  Dittenberger,  Sylloge  inscriptionum  graecarum.    Editio  II. 
Schaf.,  Dem.  =  Schäfer,  Demosthenes  und  seine  Zeit.    2.  Aufl. 
Schaf.,  B.  =  Schäfer,  Demosthenes  und  seine  Zeit.    Beilagen.    1.  Aufl. 
Conze  =  Conze,  Attische  Grabreliefs  I.  ü. 
P.A.=z  Kirchner,  Prosopographia  Attica. 


VI 

Es  ist  mir  an  dieser  Stelle  eine  angenehme  Pflicht  Herrn  Prof. 
C.  F.  Lehmann-Haupt  in  Berlin,  der  mich  bei  der  Schlussredaktion 
meiner  Arbeit  mit  seinem  Rate  unterstützt  hat,  zu  danken.  Zu  ganz  be- 
sonderem Danke  fühle  ich  mich  meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn 
Prof.  I.  A.  Heikel  in  Helsingfors,  gegenüber  veranlasst,  der  meine  Arbeit 
stets  mit  Rat  und  Tat  gefördert  hat.  Endlich  spreche  ich  noch  Herrn 
stud.  archaeol.  H.  Lattermann  in  Berlin,  der  das  Sprachliche  über- 
wacht hat,  meinen  Dank  aus. 

Helsingfors  im  Januar  1906. 

Johannes  Snndwall. 


Inhaltsübersicht. 


8«iU 

1.  Der  Rat 1 

2.  Die  Strategen 19 

3.  Die  Diaiteten 32 

4.  Die  Marioebehördeu 85 

5.  Die  FiDanzbeamten 41 

6.  Die  Tempelyonteher  and  Kultiubeamten 45 

7.  Die  Demeo 58 

8.  Gesandte  und  Redner 59 

9.  Die  Asklepiospriester 75 

10.    Demen  und  Phjlen  nach  den  Prytanenveneichniaten. 

1.  Die  Demen 81 

2.  Versuch  einer  Vervollständigung  von  Prytanenveneiehnissen    /    .  86 
8.    Zur  Zusammensetzung    der  Antigonls    und   Demetrias  und  tum 

StftrkeverhältniMe  der  kleisthenischen  Phylen  im  4.  Jahrh. .    .  88 


1.   Der  Rat. 

Der  Rat  der  Fünfhundert,  der  allen  attischen  Bürgeni  mit  30  Jahren 
zugänglich  war,  würde  uns  in  seiner  Zusammensetzung  ein  verhältnismässig 
treues  Spiegelbild  von  dem  Einflüsse  der  verschiedenen  Gesellschaftsklassen 
auf  die  Verwaltung  geben  können,  wenn  wir  nur  imstande  wären,  diese  Zu- 
sammensetzung recht  zu  ermitteln.  Ich  habe  diese  Aufgabe  zu  lösen  versucht. 

So  lange  die  Funktionen  der  Ratsmitglieder  unbesoldet  waren,  ist  es 
wahrscheinlich,  dass  wenigstens  die  ärmsten  Teile  der  Bürgerschaft,  die 
Theten,  sich  selten  darum  kümmerten,  von  ihrem  Recht  in  den  Rat  ein- 
zutreten Gebrauch  zu  machen.*)  Eine  Besoldung  des  Amtes  wurde  jedoch 
schon  im  4.  Jahrh.  eingeführt,  wahrscheinlich  im  Zeitalter  des  Perikles,^) 
und  betrug  nach  Aristoteles'^  füi*  jeden  Sitzungstag  und  jeden  Ratsherrn 
5  Obolen,  für  die  Prytanen  aber  eine  Drachme.  Die  frühere  Annahme  nach 
Hesychios,  dass  jedes  Ratsmitglied  1  Drachme  bekommen  habe,  ist  wohl 
daraus  zu  erklären,  dass  Hesychios  beide  Zahlen  zusammengeworfen  hat. 
Meinem  Ermessen  nach  lieferte  dann  sein  Versehen  ein  beredtes  Zeugnis 
dafür,  dass  die  Funktionen  der  Prytanen  als  die  wichtigsten  angesehen 
wurden,  und  die  übrigen  Ratsmitglieder  sich  nur  selten  zahlreich  zusammen- 
fanden.*) Francotte,  Uindustrie  dans  la  Orece  ancienne  I  340,  berechnet, 
dass  1  Drachme  kein  besonders  hoher  Sold  sei,  und  ein  Familienvater 
nur  zur  Not  damit  habe  auskommen  können.  Während  diese  Summe  für 
35,  höchstens  39  Tage  gezahlt  wurde,  entfielen  auf  die  übrigen  Tage  nur 
5  Obolen.  Nun  berechnet  Boeckh  die  Zahl  der  Tage,  an  welchen  der  Rat 
zusammentrat,  auf  ungefähr  300.  Also  waren  die  Mitglieder  für  etwa 
265  Tage  auf  diesen  geringen  Sold  von  5  Obolen  angewiesen,  einen  Be- 
trag, mit  dem  wohl  ein   unverheirateter  Mann  seinen  Lebensunterhalt 

1)  £.  Caillemer  unter  BouU  S.  740,  Daremberg-StigUo,  u.  Schoemann-Lipsius,  Gr. 
Alt,  1*896. 

2)  Schoemann-LipsiuB  a.  0. 

3)  'A».  icol.  62,  2. 

4)  Die  Vermutung  von  Wilamowits-Moellendorff  Aristot.  u.  Athen  I  195,  dass  der 
Sold  der  Ratsmitglieder  gegen  früher  um  eine  Obole  erniedrigt  worden  ftei,  wird  durch 
keine  Belege  gestützt  Nach  Kaibel ,  Stil  u.  Text  d,  A».  mx.  S.  253  liegt  der  Hes.. 
Stelle  vieUeicht  ein  Romödienzitat  (XaxBlv  ts  xal  laßfTv  dgaifiriv  ti)g  rmigas)  zu  Grunde. 

S  u  n  d  w  a  1 1 ,  £pigr»phiBche  Beitrftge  snr  äoziftlpoliUk  Athens.  1 


2  X  Sundtvall, 

hätte  bestreiten  können,  aber  kein  Mitbürger  mit  Familie.^)  Es  ist  also 
schwer  anzunehmen,  dass  unbemittelte  Bürger  mit  Familie  ihre  Arbeit 
liegen  gelassen  hätten,  um  an  jeder  Sitzung  teilzunehmen.  Wir  sind  da- 
her zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  ein  grosser  Teil  der  Ratsmitglieder 
verhindert  war,  regelmässig  zur  Stelle  zu  sein,  eine  Annahme,  die  auch 
Schoemann-Lipsius  teilen.®) 

Die  obigen  Ausführungen  leiten  uns  zu  der  Schlussfolgerung,  dass 
die  angeführten  Tatbestände  im  4.  Jahrh.  auf  den  Zudrang  der  niederen 
Teile  der  Bevölkerung  zum  Rat  einen  hemmenden  Einfluss  ausübten. 
Indes,  dies  bliebe  doch  bloss  eine  Annahme,  wäre  es  nicht  möglich, 
sie  durch  reelleres  Beweismaterial  zu  stützen,  und  solches  steht  uns  auch 
zu  Gebote  in  den  Inschriften,  namentlich  Prytanenurkunden  aus  dem 
4.  Jahrh.  Der  Versuch,  aus  diesen  die  Bestandteile  des  Rates  fest- 
zustellen, ist  noch  nicht  gemacht  worden  und  wird  sich  doch  sicher  lohnen. 
Man  könnte  nun  freilich  den  Einwand  erheben,  dass  diese  Listen  uns 
möglichei-weise  ein  schiefes  Bild  von  der  Zusammensetzung  geben,  weil, 
was  für  eine  einzelne  Phyle  sich  konstatieren  lässt,  nicht  auch  all- 
gemein für  den  Rat  zutreffend  zu  sein  braucht.  Dieser  Einwand  wird 
jedoch  wohl  entkräftet,  wenn  es  uns  gelingt,  ein  so  gut  wie  überein- 
stimmendes Resultat  aus  allen  Prytanenlisten  verschiedener  Zeiten  und 
verschiedener  Phylen  zu  gewinnen.  Dazu  kommt,  dass  wir  im  4.  Jahrh. 
immer  noch  eine  annähernd  gleiche  Leistungsfähigkeit  der  Phylen  anzu- 
nehmen berechtigt  sind,  weil  jede  Phyle  dieselbe  Zahl  von  Mitgliedern 
in  den  Symmorien  der  Vermögenssteuer  zu  stellen  hatte.  ^)  Im  4.  Jahrh. 
würden  wii'  also  bei  einer  Bevölkerung  von  rund  20  000  Bürgern,  darunter 
1200  Reichen,  welche  nach  Beloch  (Hermes  XX  256)  ungefähr  den 
früheren  zu  einem  Talent  eingeschätzten  Pentakosiomedimnen *)  ent- 
sprachen, im  Rate  eine  Zahl  von  ungefähr  30  Reichen  finden,  eine  gleich- 
massige  Teilnahme  aller  Mitbürger  vorausgesetzt.*) 


1)  Vgl.  damit,  dass  schon  die  Epheben  ein  Tagegeld  von  4  Obolen  bezogen. 
Aristot  'A^,  nol.  42. 

2)  S.  zu  G,  Alt,  1  476  u.  A.  1 :  «dass  nicht  alle  Fünfhundert  sich  immer  regel- 
mässig einfanden,  ist  gewiss  (Dem.  g.  Androt.  36,  wonach  auch  die  Zahl  von  Vier- 
hundert noch  zu  hoch  gegriffen  sein  wird)*".  Boeckhs  Behauptung  {St.  d,  Ath.  P295), 
dass  500  Staatsbürger  ungefähr  300  Tage  als  Ratsmitglieder  an  der  Staatskasse  zehrten, 
ist  also  als  gänzlich  übertrieben  anzusehen,  ebenso  die  Angabe  von  Aristoteles 
'A».  nol.  24,  vgl.  damit  Wilamowitz-MoeU.,  Arist.  u.  Athen  I  196. 

3)  Boeckh,  Staatsh.  18  612 f.,  vgl.  dazu  auch  Beloch,  Bevölk.  d.  gr.-röm,  Welt 
S.  102;  Wilamowitz-Moell.,  Arist,  u,  Athen  II  148. 

4)  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  es  die  solonischen  Vermögensklassen  noch  im 
4.  Jahrh.  gab ,  was  Boeckh  bestreitet  {Staatsh.  I  ^  590) ,  aber  aus  AristoteW  Worten 
hervorzugehen  scheint  (A^.  noX.  47,  1).  Dasselbe  nimmt  auch  Martin  an  (Les  Chevaliers 
athiniens  S.  313)  u.  Gilbert,  Gr,  AU,  I«,  1,  408. 

5)  Diese  Zahlen  dürften  noch  dazu  eher  zu  hoch  als  zu  niedrig  sein,  wenn  man 
bedenkt,  dass  die  Auslosung  der  liatsmitglieder  nicht  aus  der  gesamten  Bürgerschaft 
geschah,  sondern  demenweise.    (Hauvette-Besnaull ,  BulL  d,  corr,  hell.  V  367.    Aristot. 


Epiffraphuicht  BeUriiye  zur  mzmJ-polUhvhm  Oesehiehte  Athem,      3 

Wij'  gehen  also  za  der  Untei-siiclrnng  über,  inwieweit  wir  dieses 
Verhältnis  in  den  Piytanenurk linden  konstatieren  können,  und  nin  eine 
möKlielist  «Trosse  Zeit.spanne  zu  berücksirbti^en  ^  ziehen  wir  alle  uns  be- 
kannten I*ry tauen verzeidmisse  aus  dem  4.  Jahrh,  heran. 

In  der  Prytanenurkunde  II- 8W  können  wir  folgende  als  Reiche 
bezeichnen : 

'Jkxtöt^ivn^  yiXmßtddov  XoXXiiäfjg,  Trierarch  i*  d.  Seeurk.  »357/0 
(U'^  793  f.  31). 

QifuöTüxXfjg  0g^d^(>tog,  ein  Nacli komme  des  bekannten  Staatsmannes 
Tlu^niiJitokles  (s.  das  Stemma  in  J\  A,  No.  6669).  Die  Familie  ist  ohne 
Zweifel  nocli  sein-  reich;  der  Vater  des  unsrig-en ,  gleichtalls  ein  Theini- 
stokles,  Sohn  des  Archeptolis,  ist  identisch  mit  &iuinroxlfJQ  Uokitiißxov^ 
dessen  Grabdenkmal  atu  Heiligen  Wr^e  Faiisanias  (I  .^7}  erwähüt.  Ein 
Sohn  wieder,  Btataroxkft^  vnio  Jtjfio^^oipov^  "Jltttnixfjtßnf  anidwxiv  \.  d, 
Seeurk.  c.  342  (11'^  803  c.  75).  ' 

rXalxag  rXavxirov  iS  OJov,  ZU  der  reichen  Familie  der  Huseliden 
g^ehörig  (Schäfer,  B.  229  f.),  sein  Sohn  <Tlauketes  unier  mehreren  reichen 
Athenern  als  ii^onQ(.6g  in  Del^thi  um  330  (s,  unten). 

&oifXQtTog  Krirfiao^mQQvAXt^ioimog.  Nach  Kirchner  (K  -4*)  ein  äp^ifna- 
davg  des  'rhukritos.  S.  d.  Thiikritides  aus  Halimus  (Dem.  LVII).  Die 
Familie  ist  ui-sprünglich  vermögend  gewesen  (vgL  Dem.  a.  0.  §  19  über 
Thukritos  S,  d.  Thukiitides:  y^dqtxofievog  rJ^  oittimg  nagu  tüv  &ittuv  ro 
fiiQog  ftniXnßiv**).  Ein  andeies  Mitglied  derselben  Familie,  Nikostratos 
S,  d.  Mkiades,  ist  taiiiaq  tr^^  &iöv,  über  deren  VermögensverhältnisÄe 
&  2.  ArisL  'A&.  nnL  47,  1. 

Als  wenigstens  wohlhabend  sind  folgende  anzusehen: 

NixiiQatoq  AmxQUTQvq  JXifiovmoQ,  Sein  Solm  und  seine  Tochter 
oder  Gemahlin  auf  einem  besseren  Grabdenkmal  (IP  1806  b>  Über  den 
Aufwand  bei  «ler  Beerdigung  in  Attika  vgl  Boeekh,  sStaatith,  I*  146,  nach 
welchem  auf  das  Begräbnis  und  Grabdenkmal  von  Privat  hauten  3,  lu,  50, 
ja  120  Minen  verwandt  wurden. 

n^mßuxugti^  */i^t<jTiüipo^  Aktfiavüiog*  Sein  Vater  (nach  P.  A.)  Wp. 
llu&iov  Ui,  der  auf  einem  Grabdenkmal  vorkommt  (II  *  1806  c), 

KaXXi^iaxog  *AXxlov  Jivxovowg^  dessen  Nachkommen  im  2.  und 
l.  Jahrh,  sehr  bedeutende  Stellungen  eingenommen  haben  (vgl.  l\  A, 
No.  8021). 

A9,  9ol.  62).  i^uch  Kf^bler  (Ath.  Müteil  IV  107}  weist  darauf  hin,  daaa  es  ia  Anika 
«ine  Mjaderx&bi  von  ürmcren  und  fiitfernto/eii  Demcü  gab,  cIrTen  Mitglit^dcr  weder 
Zeit  noch  Bildun|^  g^^öug  Imtteo,  um  an  dor  Leitung  oder  Verwaltuug  der  tiffeDÜichen 
Angelegenheiten  teiliUDehmen.  Man  muM  auch  bedenken,  dikii^  die  Zahl  1200  niemals 
voUiihlig  gewesen  iat.  Nach  der  ßei-ecbnung  de«  Demo«theuei ^  XIV  16 ^  wari*n  von 
diesen  geigen  480  befreit.  Ai«o  wäre  die  Zahl  der  Ktncheu  im  llato  vieLlcicLt  näher 
an  20  ttU  30  «u  suchen.  Auch  bemerkt'  it!hiioch,  dass  ich  besüglich  der  Ein- 
Wübneraahl  Attikas  din  niedrigen  Ausatmen  Beloch»  gefolgt  bin  am  diu 
Zahl  der  Heichen  im  Hat e  auf  ihr  {Proportion eilet  Maximum  su  brtogen« 


4  J,  Sundwdll, 

MiviatQaTag  Olvoq>ikov  üaiovidfig.  Ein  Sohn  Olv6(pilog  kommt  in 
einer  Prytanenliste  um  330  vor  (s.  z.  Ath.  Mitt.  X  106  und  Beiträge  z. 
alt  Oesch.  1905  S.  283 f.),  ein  Nachkomme  Olv6g>iX<H;  ist  Polemarch  um 
216/5,  also  ist  die  Familie  damals  wohlhabend  (vgl.  über  die  Archonten, 
Beloch,  Att.  Pol  S.  256  Anm.  1:  „Wenn  auch  die  Teilnahme  an  der 
Losung  zum  Archon,  und  damit  der  Eintritt  in  den  Areopag  gesetzlich 
jedem  Athener  offen  stand,  so  konnten  doch  tatsächlich  nur  wohlhabende 
Bürger  sich  melden,  da  es  sich  um  ein  Ehrenamt  handelte,  das  mit  keiner 
Besoldung  verbunden  war". 

Miviiftgarog  MevexguTovg  KoX(avf,&ev,  dessen  Bruder  Kovwv  in  einer 
Grabschrift  vorkommt  (11 »  2209). 

EixkBiSfjg  EvxXiovg  Al&ali8m-  Ein  Nachkomme  Eukles  ist  Ephebe 
123/2.  Über  die  Epheben  und  deren  gesellschaftliche  Stellung  s.  Köhler, 
Ath.  Mitt.  IV  324  f.  und  Girard  unter  Ephebos,  Daremberg-Saglio.  Viel- 
leicht ist  schon  der  obige  vermögend. 

112  865,  Reiche: 

^biXmnlSnq  (l^ikofii^kov  Uaiavieig  gehörte  einer  alten,  sehr  reichen 
Familie  an.  Er  selbst  ist  Schüler  des  Protagoras  gewesen,  sein  Sohn 
Philomelos  und  sein  Enkel  Philippides  kommen  mehrmals  als  Trierarchen 
in  den  Seeurkunden  vor  (s.  über  diese  in  P.  A.), 

'Akxlfiaxog  Ilatavisvg.  Ein  aviipiog  'AXxlfiaxog  'Akxitov  77.  wird 
mehrmals  als  Trierarch  erwähnt  (vgl.  P.  A.),  Ohne  Zweifel  ist  der  Obige 
auch  reich. 

JSiaciaxgatog  "Sia&sv.  Ein  Sohn  — argavog  ^toaiatgccTOv  Si.  in  einer 
Freilassungsurk.  (11^77 Sc). 

Ai]6d(aQog  Uaiavutg.  Ich  ergänze  Kol.  III  Z.  14  auf  diese  Weise, 
nach  AioStagog  JSifiov  IT.,  der  um  334/3  und  später  Trierarch  war,  was 
wahrscheinlicher  ist  als  GeoSwgog,  welcher  Name  bei  einem  Thesmotheten 
i.  J.  183/2  vorkommt.  Dann  wäre  also  unser  Ai]6dtjjgog  ein  Grossvater 
von  dem  Trierarchen,  die  Familie  also  reich. 

Wohlhabend: 

'Agiaroffovrjg  0iXinnov  Kvda&fjvamg ,  der  Komödienverfasser;  er 
selbst  oder  einer  von  seinen  Vorfahren  „xarBxXtjgwaB  xal  trjv  Afyivav^j 
d.  h.  ist  Kleruch  auf  Aigina  gewesen  (s.  zu  P  A.  No.  2090).  i) 

IP 866,2)  Reich: 

. .  aiargaTog  /luviov  <l^XvBvg ,  dessen  Sohn  wir  ohne  Zweifel  in  der 
Seeurk.  aus  d.  J.  ca.  330,  11  ^  806a  14  haben,  wo  zu  ergänzen  ist: 

J]uviag  [.  .  aiargccTov] 
(iy\Xvnfg. 


1)  Weil  er  um  388  gestorben  ist,  ist  diese  Prytanenurkunde  i.  d.  Zeit  400 — 388  zu  setzen. 

2)  Kol.  II,  Z.  5  ist  unter  jiXair^g  wahrscheinlich  'Agyslog  Jri^oxjccQOvg  zu  ergänzen, 
der  in  einer  Weihinschrift  aus  der  Mitte  d.  4.  Jahrh.  in  einer  Kommission  von  An- 
gehörigen des  Demos  Halai  vorkommt  (11*1208);  ebenda  auch  der  unten  erwähnte 
Prytane  *AaTV(piXog  ^ildygov  *AXaifvg. 


Inhaltsübersicht. 


1.  Der  Rat 1 

2.  Die  Strategen 19 

8.    Die  Diaiteten 32 

4.  Die  MariDebehörden 85 

5.  Die  FiDatuBbeamten 41 

6.  Die  Tempelvonteher  und  Kuitusbeamten 45 

7.  Die  Demen 58 

8.  Gesandte  und  Redner 59 

9.  Die  Asklepiospriester 75 

10.    Demen  und  Phylen  nach  den  PrytanenverseichniBsen. 

1.  Die  Demen 81 

2.  Versuch  einer  Vervollständigung  von  Prytanenverselchnissen    /    .  86 
8.    Zur   Zusammensetzung    der  Antigonis    und   Demetrias   und   cum 

Stilrkeverhältniate  der  kleisthenischen  Phylen  im  4.  Jahrh. .    .  88 


6  J*  Sundwall, 

Inschrift  (11'  2103).  Nach  Köhler  gehören  die  beiden  Fragmente  von 
2  Epistylien  aus  hymettischem  Marmor  demselben  Grabdenkmal  an. 

Navatxgütfjg  Ogiaaiog.  Sein  Sohn  QgaovxX^g  ist  avaygatp&ig  321/0. 
Zwei  andere  Söhne  sind  aus  derselben  Zeit  bekannt.  Die  Familie  ge- 
hörte also  zu  den  begüterten,  denen  das  Bürgerrecht  nach  322  geblieben  war. 

rXavxwv  *Axagvsvg:  ein  Grabdenkmd  seines  Sohnes  Demeas  {Conze 
649:  „hydria  marmoris  Pentelici  cum  anaglypho^). 

11* 868b,  Eeiche: 

Evßoiog  'O^d-ev,  11*  1114:  „fragmefita  duo  cippi  marmoris  albi 
Laurio  Athenas  translata:  ^'Ogog  änotifirjfiarog  Evßoiov  nal3wv  'Orj&tv.^ 
Unzweifelhaft  handelt  es  sich  um  den  Grenzstein  eines  Bergwerkes. 

Avöiöxgarog  'Orj&Bv.  Sein  Grossvater  AvaiargaTog  'EfiniSov  ist 
Strateg  i.  J.  418/7.  (Über  die  Vermögensverhältnisse  der  Strategen  im 
5.  Jahrh.,  s.  zw  dgxn  in  Pauly-Wiss),  Sein  Vater  "ßfineSog  ngetrßcvtfjg 
n  88  (s.  das  Stemma  in  den  Beiträgen  z.  alt  Gesch.  1905  S.  282). 

Xagiag  Evxxrniovog  Aovaievg.  Sein  Vater  vaonoiog  in  Delphi  (s.*P.  A. 
5785  u.  Beiträge  z.  alt.  Gesch.  V  1905  S.  131). 

Wohlhabende: 

EvxXijg  AlaxvXov  Ilegi&oidrjg  kommt  nebst  seinem  Bruder  in  einer 
Grabinschrift  vor  (II*  2471  tabula  marmoris  Hym.  cum  aetomate).  Ein 
Nachkomme  Aristoteles  macht  i.  J.  183/2  eine  Spende  (11-  983,  Kol.  I  50). 

Kfjq>i,a6SoTog  Bovvddijg,  dessen  Nachkomme  Deinias  in  der  Mitte  des 
3.  Jahrh.  als  gewesener  Thesmothet  (s.  P.  A.  3162)  auf  einer  Weih- 
inschrift vorkommt,  ist  wohl  auch  vermögend. 

2vgaT(av  KXiotfwvtog  Aaxiädrjg,  dessen  gleichnamiger  Vetter  nebst 
seinen  Söhnen  'HgaxXeJ  ävdär^xBv  (H^  1563). 

ABw]aTgaTog  KaX[XiatgdTov\  TvgfABlSm-  Die  Ergänzung  Ä'crAAOcyr^wrTOff 
(Kol.  n  Z.  21)  von  Kirchner  (P.  .4.  8183)  scheint  nicht  richtig  zu  sein, 
weil  vor  — axgaxog  nur  für  3  Buchstaben  Platz  ist;  ich  ergänze  infolge- 
dessen Ai(!ii\aTgaTog\  dann  wäre  der  Vater  ohne  Zweifel  KaXXiaxgato^ 
Tvgfi.,  der  auf  einer  Grabinschrift  (11*2605)  vorkommt. 

l^AvägoxXrjg  'Aya&]ccgxov  'Axagvevg.  Die  Kol.  I  dieses  Verzeichnisses 
von  Prytanen  aus  der  Phyle  Oineis  ist  wegen  der  Anzahl  der  dort  Ver- 
zeichneten zweifelsohne  dem  Demos  Acharnai  zuzuweisen  (vgl.  die  Pi*y- 
tanen  Verzeichnisse  unten  u.  Löper,  fjp.  agx-  1893  S.  200  f.),  und  in  diesem 
Falle  wäre  die  Ergänzung^)  (Kol.  I  Z.  2)  berechtigt  nach  einer  Grab- 
insclirift  aus  dem  4.  Jahrh.  (IP*  1914),  wo  der  obige  Androkles  mit  seinen 
Söhnen  auf  einer  Stele  aus  Pentelischem  Marmor  erwähnt  wird. 

112  869,  Reiche: 

Kofialog  Kofiiavog  ^tjuaxiSrjg,  Trierarch  i.  d.  Seeurk.  aus  dem  J.  342/1 
(n^SOSe  143,  vgl.  793  g  3). 

1)  Wenn  sie  richtig  ist,  haben  wir  auf  Z.  1  wahrscheinlich  —  Jion]ei&ov{g)  zu 
ergänzen  (vgl.  P.  A.  4316  u.  Löper  a.  0.). 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens,      7 

Kvxvog  fPikoxoQov  jivatfXvatiogj  Vater  des  Atthidographen  Phüo- 
choros.  Ein  Bruder  kommt  auf  der  Basis  einer  Statue  vor  (U*  add.  1399  b); 
die  Familie  ist  ohne  Zweifel  reich  (vgl.  P.  Ä.  14  782). 

Kfjqtiaiog  Ktjq>iaodfjfiov  Ilalkrjfifmjg  kommt  in  einer  Freilassungsurk. 
vor  (II«  768  c);  seine  Enkel  sind  Epheben  283/2. 

'AgxiStifioq  ^BtSidSov  AlyiXifvg.  11*  1127  ein  Grenzstein  eines  an  ihn 
für  500  Dr.  verkauften  Hauses. 

'AnoXXodwgos  Vkvfinixov  'AvacfXvaviog  gehörte  einer  vornehmen 
Familie  an.  Sein  Bruder  nebst  Familie  hat  ein  grösseres  Grabdenkmal 
(II»  1872—4). 

Wohlhabende: 

BtoSwQoq  l4vTi(favovg  lAkatnücrj&iv.  Ein  Nachkomme  mit  demselben 
Namen  ist  Thesmothet  229/8. 

KUonü&nq  GBonofinov  IlakXfivnfg  verkauft  ein  Grundstück  (11^  784). 

112 870,  Reiche: 

!AxBatidtig  !AvTKpdvovg  ^fiyauug.  Sein  Bruder  Ev&v8ixog  Trierarch 
um  325/4. 

MvQ(aviSr^  Kkiutpog  ^AQatprjviog.  Der  Vater  Kkitav  ist  rofilag  rrjg 
dfov  377/6  (vgl.  Arist.  Jd'.  nol.  41),  ein  Bruder  ist  Trierarch. 

^EnixgccTf^g  Nixofiivovg  lAkaiivg.  Sein  Vater  als  dßi^xtvovtvwv  iv 
Ji]X(p  375—3  (n*  814),  wozu  sicherlich  nur  begüterte  Leute  auserwählt 
wurden.    Ein  Verwandter  Emxgdxng  'Emxägovg  'AJi.  ävi&fix%v  (11^  1514). 

Wohlhabende: 

EinoXig  'yäpllXm  !AXauvg,  Ein  Verwandter  Eixxrumv  Ev&rjfiovog  ist 
Trierarch  (s.  zu  P.  A.  5940). 

Atoviaiog  'HipaiaTliavog  ^iXatdtjg-  Das  Grabdenkmal  seiner  Tochter 
(IP  2631),  „columella  marmoris  hym,^ 

^(axgdxrjg  ''Aßgiavog  'AXauvg.  Einer  der  Vorfahren,  2iaxgatrig  Avu- 
yivovg,  Strateg  432/1.  Die  Familie  ist  noch  im  4.  Jahrh.  angesehen  (vgl. 
II«  1208). 

Uuwofiaxog  ^iXoxgdtovg  Barrf&iv.  Sein  Enkel  wird  im  Testament 
des  Epikur  genannt  (Diog.  Laärt.  X  16)  und  gehörte  zu  den  angesehensten 
seiner  Schüler. 

noXvxgdTt]g  IIoXvn'XTOv  ^riyaiwgi  seine  Nachkommen  Prytanen  und 
Epheben  im  3.  Jahrh. 

11*871,  Reich: 

ArjfiocfiXog  Jr3fioy>dvovg  flmavuvg  kommt  in  einer  Freilassungsurk.  vor 
(11-  773).  Ein  Oheim  mit  seinen  Söhnen  (fvXagxovvng  kwixwv  dv&innaaitf 
(IP  1305).  Vgl.  Martin,  Les  chevalieis  athvniens  S.  313:  „peut-etre  ce 
chiffre  de  trois  talents  etuit-il  aussi  le  minimum  exige  pour  servir  dans 
hl  ca Valerie'^. 

Wohlhabend: 

— diogog  ^(uavgdrov  Haiavuvg.  Seine  Schwester  *U8üa  in  einer  Grab- 
inschrift (11^  2406  b). 


8  J.  Smidwall, 

IP87Ib,  Reiche: 

4>ikox(iQvs  .^i'^oxvSovg  Ilaiavigvg.  Sein  Grossvater  ^ikoxgdtfig  kommt 
um  390  in  11-  946  vor,  welche  Urkunde  die  Verzeichnisse  der  Parteien 
bei  den  Diadikasien  enthält.  Nach  Köhler  (Ath.  MM.  VII  102)  wai-en 
die  Leistungen  hier  Trierarchien.    Sein  Bruder  ist  Trierarch  c  323. 

XaiQiüt{}axog  Xaigefftgarov  ümavuvg.  Sein  Grossvater  XaQfAavrldtjg 
ra/iiag  Ugviv  xQ^ficcTwv  t^g  l4&fjvalag  427/6 ,  sein  Bruder  mit  demselben 
Namen  als  Choreg  vixtjtrag  Gagyi^Jua  ävSgaaiv  (TP  553)  und  Isokrates' 
Schüler  (XV '63:  „vovtovg  änavtag  17  noXig  xg^^oig  antfdvoig  kaTB^ävwatVf 
ovx  (l^g  Twv  aXXoxgiuiV  kffUfikvovg  äXiC  wg  avigag  äya&ovg  oviag  xal 
noXXä  Tüiv  Idlwv  elg  ti}v  noXiv  avtjXwxorag^), 

Q^oyhftig  Aaiov  IlgoßaXiaiog,  dessen  Grossvater  Demosthenes  erwähnt 
(XXVII  58:  „Kard  tovrovg  rotg  vouovg  'AvTiSwgtp  fiiv  äx  rgiwv  xaXdviiav 
xal  rgtax^Xitav  iv  «|  itHJiv  «5  tdXavva  xat  nXiov  kx  rot  fua&at&r^vai 
nagedo&fj,  xal  Tav&'  vfiwv  tivig  bi3ov'  Qeoyivrjg  ydg  6  llgoßaXloiog^ 
6  fAia&wadfiivog  aixov  xov  olxov^  kv  r{|  dyog^  vavta  xd  xQ^f^'^'  ^f}gi&' 

/lioxXfig  ^i(^vog  KvSa&tjvauvg.  Sein  Vater  nebst  Frau  und  Tochter 
haben  ein  grosses  Grabdenkmal  {Conze  454),  ein  Verwandter  /iitav 
jivx6<pgovog  ebenso  {Conze  1110),  ein  Nachkomme  /lioxXrfi  ist  Archon 
215/4,  und  auch  noch  in  späteren  Zeiten  scheint  die  Familie  angesehen 
zu  sein  (vgl.  P.  A.  4496). 

Jr^fioy^dvtjg]  Jr^lfi^iov  Ilatavttvg.  In  Kol.  I  Z.  5  ist  unzweifelhaft 
/ifj[fi]iov  als  das  Patronymikon  des  dort  verzeichneten  Prytanen  zu  lesen ; 
vielleicht  können  wir  hier  an  /Irjfiotpdvtjg,  Vater  des,  JtjfiotpiXog  denken, 
der  um  diese  Zeit  auch  Prytane  war,  was  immerhin  nicht  anstössig  zu 
sein  braucht.  In  jedem  Falle  gehört  dieser  zu  der  reichen  Familie  des 
Demeas  aus  Paiania  (worüber  schon  früher  und  P.  A.  3276). 

Wohlhabende: 

AvToxgdxrig  Aiaxivov  üaiavinfg.    Sein  Sohn  Ephebe  305/4  (11*  251b). 

Avöiiiaxog  Avaifiivovg  Mvggivovüiog ,  ein  Nachkomme  des  Archon 
436/5  Lysimachos,  und  infolgedessen  einer  besseren  Familie  angehörig. 

flgoxXeidrjg  Mevexgdrovg  'AyyBXij&Bv  aus  derselben  Familie  wie  'Em- 
xgdxng  <PiXoxXiovg  'Ayy.,  der  216/5  Thesmothet  war  (s.  P.  A.  12193). 

Ta(fau6v6g  Bv&tovixov  Kvda&rjvauig,  dessen  gleichnamiger  dviyjiog 
in  einer  Freilassungsurkunde  vorkommt  (11*  775  b). 

JiqtiXiStjg  JicfiXidov  Ilaiavievg  (über  die  Ergänzung  Kol.  I  Z.  8  s. 
P.  A.  4460  u.  add.  4457  a)  hat  ein  Grabdenkmal  (ir^  3634). 

n2  872,  Keiche: 

TifioxgiTog  Tifioxgdrovg  'Ixccguvg  gehörte  den  Eupatriden  an  (Köhler 
in  IP  1190  c).  Sein  Vater  ist  Trierarch  um  342  und  vielleicht  mit  dem 
gleichnamigen  Schwager  des  Onetor  aus  Melite,  dessen  Vermögen  auf 
mehr  als  10  Tal.  geschätzt  wurde,  identisch  (P.  A.  13  750.  Boeckh, 
StaaM.  l«5G2j. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozialpolitischen  Geschichte  Athens.      9 

XaiQ9(p(5v  Qgaamfog  KokXvrtvg,  ein  Enkel  des  Redners  nnd  Staats- 
mannes Thrasybulos  aus  KoUytos,  der  auch  Strateg  war  und  Amphiktyon 
auf  Delos  390/89.  Nach  Lysias  XXVI  22—24  ist  er  aus  einer  sehr 
reichen  Familie. 

^ii^ioc&iv9jg  JtifioywvTog  Tu&Qaciag^  mütterlicherseits  der  reichen 
Familie  des  Demosthenes  aus  Paiania  angehörig  (P,  A,  3598). 

JtjfiotfiJiog  Jfl/ioxkiovg  TBi&(}d6iog.  Sein  Vetter  väterlicherseits,  Demo- 
kies, ist  um  326/5  Trierarch,  also  ist  wohl  auch  dieser  reich. 

AvöiöxQatoQ  IlokviCxtov  Barrj&iv,  Sein  Sohn  Polyeuktos  Archon  der 
Mesogeier  (11*  602  über  die  Mesogeier,  Pfuhl,  De  Athen.  Pompis  S.  101: 
CoUegium  pompam  splendidissimam  ad  Herculis  sacrum  deducehat),  seine 
Tochter  ävid-tjxBv  als  die  Priesterin  der  Athena  Polias  eine  Statue,  die 
von  dem  Künstler  Kephisodotos,  Sohn  des  Praxiteles,  verfertigt  war.  Die 
Familie  ist  also  reich. 

Wohlhabende: 

KvSiag  Avaixoaiovg  'Egxuvg.  Das  Grabdenkmal  des  Vaters  IP  2044, 
fragmentum  stelae  marmoris  cum  reliquiis  anaglyphi.  Die  Familie  wird 
noch  im  3.  Jahrh.  bezeugt. 

Jiovvaiog  ' HtfoiarivDvog  ^ikatdtig  s.  a.  0.  U-  870. 

nokvxXildijg  KalkiarguTov  ^Egxifvg.  Nach  P.  A.  8165  nahmen 
mehrere  Mitglieder  seines  Geschlechts  noch  während  des  3.  Jahrh.  am 
Staatsleben  teil.  Ein  Verwandter  Kallistratos,  S.  d.  Kallikrates,  auf  einer 
Grabinschrift  (n-''  2042). 

ügoxküSr^  ÜQül^ividov  Tu&gaaiog.  Sein  Bruder  ist  Pächter  eines 
(Grundstückes  auf  Delos  (IP  778). 

II«  872b,  Reich: 

Avaavlag  Avöixgdrovg  <l>gedggiog  ist  walirscheinlich  identisch  mit 
Avöaviag  ^gedggiog  in  einer  Freilassungsurk.  (n*  774),  vgl.  Kirchner, 
Ath.  Mitt.  XXIX,  S.  252. 

Wohlhabende: 

/fictxoiTog  /Jiivxovg  ^giaggiog.  Der  Vater  war  ein  berühmter  Arzt 
in  Athen  (s.  zu  P.  A.  3765);  er  selbst  auch  als  Arzt  11'^  1449  nebst 
seinem  Bruder  erwähnt. 

JSfjiövgatog  'üXvuniodwgov  ^giuggiog.  Der  Vater  nebst  Frau  und 
einem  anderen  Sohn  auf  einem  Grabdenkmal  {Conze  728  a). 

IP87$,  Reiche: 

Alxlfiaxog  ''AvSgtjjvog  Ilaiaviivg,  Sein  gleichnamiger  Vetter  Trierarch 
um  330/29  und  später,  also  ist  wohl  auch  der  unsrige  reich. 

Xiovig  Jr^fioargdrov  Ilaiavuvg,  eben  derselbe  wahrscheinlich  in  einer 
Freilassungsurk.  (II*  773  b,  A.  27):  —  Jrnioaxgdxov  Uaianwg. 

'Etiavdgog  XagfiavriSov  Hatawiwg,  ZU  einer  reiclien  Familie  gehörig 
(vgl.  a.  0.  n&  871  b.    Xtugkatgatog  Xag/unßTU&w  HX    tShtif^liamVi 
vgl.  Isokr.  XV  93;  derselbe  aaeh  ab  Oi 


10  e7.  Sundwally 

Wohlhabende: 

StgaTfaviSriQ  SuHStyivovg  üaiapovs.  Ein  Nachkomme  ^Iwai/ivtjg 
unter  denen,  die  freiwillig  zur  Staatskasse  beisteuerten  232/1  (11^334). 

Qtofivrtötoq  Jiotvog  Ilaiavievg.  Ein  Sohn  Theomnestos  Ephebe  305/4 
(P.  A.  6771),  ein  anderer  Sohn  Dion  wii-d  in  einem  Dekret  zu  Ehren  des 
Philosophen  Zenon  erwähnt  (Diog.  La6rt  VII 12). 

Qtoyivnq  'EQyoq>i3iov  l4yyiXfi&ev,  Ein  Sohn  auf  einer  Votivinschrift 
(nM558f.n.). 

Nixiag  XaigsUidov  'AyyiXrj&Bv  auf  einer  Grabinschrift  n*  1684. 

Ath.  MiU.  X  106,  Reich: 

jdiotpdvriQ  JioTiBl&ovg  2!ovvuvg^  ein  Sohn  des  bekannten  Diopeithes 
aus  Sunion.  Dieser  war  sehr  reich  und  unterhielt  selbst  die  Soldtruppen, 
mit  denen  er  nach  343/2  auf  eigene  Faust  gegen  die  Makedonier  auf 
der  Chersonnesos  vorging  (Schäfer,  Dem.  11-452);  ein  Sohn  Diphilos  ist 
als  Trierarch  in  den  Seeurk.  verzeichnet. 

Wohlhabend: 

EvßovXog  /^loäcigov  ^QtdgQioq.  Sein  Vater  ist  auf  einem  Richter- 
täfelchen verzeichnet  (II «  893).  Nach  Brück  (Philol  LII  311)  können 
wir  aus  dem  Aussehen  und  der  Gravur  der  Heliastentäfelchen  auf  die 
gesellschaftliche  Stufe  ihrer  Inhaber  schliessen  und  weil  diese  Tafel  von 
Boeckh,  CIO.  1207,  folgendermassen  beschrieben  wird:  „in  hac  lamina 
litterae  elegantes  esse  dicuntur  et  partim  jmndu,  margaritarum  i^nstar, 
in  angulis  et  finibus  linear  um  hahent^,  können  wir  annehmen,  dass  sein 
Vater  zu  den  Wohlhabenden  gehörte. 

ntvQQog  Ev&vfidyov  IIoTa^iog  nebst  Gemahlin  in  einer  Grabschrift 
(n*  2497),  sein  Schwiegervater  Philophron,  S.  des  Kephisokles,  aus  Halai 
hat  ein  Grabdenkmal  {Co7ize  714). 

OlvocfiXog]  Maveargdtov  Ilaiovidrjg  (s.  Beiträge  z.  alt.  Oesch.  1905, 
S.  283  u.  seinen  Vater  oben  II «  864). 

Ath.  Mut.  XXIX  244,  Reiche: 

'^QXiötgavog  MvtjijaQx'äov  'OrQvvevg :  der  Vater  ist  vielleicht  mit  dem 
Trierarchen  im  356/5  (11'-*  794  d,  103)  MvnaaQxidng  —  identisch.  (Man 
ist  wohl  berechtigt,  Mvriaagxidr/v  Vrgvvia  hier  zu  ergänzen,  was  der 
Buchstabenzahl  entspricht). 

ITovkvriwv  IloXvxUovg,  wahrscheinlich  wegen  des  ungewölinlichen 
Namens  ein  Enkel  des  Pulytion  (P.  ^.12  154),  der  reich  war. 

NiXoötgaTog  Nixiddov  Ahfiovfsiog  ist  rapiiag  rijg  {y^ov  340/39. 

Xaigmnog  AlroxUovg  llt&Bvg  in  einer  Freilassungsurk.  11-  774  (v^l. 
Kirchner,  Ath.  Mitt.  XXIX  252),  ebenso  sein  Sohn  AvToxlr^g  (An.  Brit. 
VIII  225).  Derselbe  scheint  auch  in  den  Seeurk.  U-812a  127  als 
Trierarch  verzeichnet  gewesen  zu  sein,  wo  man  berechtigt  ist  idrrJoxA^ 
[^ni\ß'{Evg)  zu  ergänzen. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      11 

QQaövxXriq  0QaavkXov  jdexekevg:  sein  Bruder  GgäavXXog  GgaavkXov 
/l€x,  ccvi&r]XBv  xogr^T^v  viKijoag  320/19;  ein  Sohn  von  diesem  wieder 
Agonothet  271/70.^) 

Xagiag  'Egiiuog  kommt  in  der  Rechnungsablegung  der  iniöxuxai. 
'EXtv6iv6&ev  als  Bauunternehmer  vor  (II  *  834  add.  b.  col.  II  60)  und  war 
wohl  reich  (vgl.  Scherling,  Quibus  rebus  singuJorum  Atticae  pa^orum 
incolae  operam  dederint  S.  74:  Intet'  eos  autem,  qui  ampüora  negotia 
habebant,  cives  inveniuntur,  velut  complureSf  qui  ruri  habitant,  ea  vendunt, 
quMe  in  fundis  reperiebant). 

Wohlhabende: 

AvtoßovXog  AvToaofpov  ^vnaXtitTiog.  Sein  Sohn  Autosophos  hat 
ein  Grabdenkmal  {C(mze  1048). 

Xatgr,Tiog  Xaigifikvovg  Ili&ivg  gehörte  einem  Kreise  vornehmer  junger 
Männer  an  (Dem.  LIV  31,  Schät  B.  250). 

Bgäauiv  Qgaavfiijdovg  lävaxauvg.  Ein  OgaavfirjStjg  aus  der  Phyle 
Hippothontis  ist  imaTaxtig  ngvxavitav  (11^  lld),  wahrscheinlich  der  Vater 
von  diesem  Prytanen.  Ein  Nachkomme  BgaavßirSfjg  'AvaxauCg  ist  Thes- 
mothet  228/7;  die  Familie  scheint  übrigens  zahlreich  und  bedeutend 
gewesea  zu  sein. 

IP995  u.  11* 995b,«)  Reiche: 

AvT]ix[Xildrig  — ]  Kri<piauvg,  Diese  Ergänzung  Z.  1  scheint  zutreffend 
zu  sein,  und  somit  wäre  der  Prytane  hier  mit  dem  Trierarchen  um  356/5 
identisch  (vgl.  P.  A.  1048). 

2a)xgdtr^  *Avayvguaiog:  sein  Grossvater  Strateg  441/40;  also  die 
Familie  reich. 

I^ixoaxgaTog  0rjyaiivg.  Derselbe  in  11*947,  welche  Urkunde  ein 
nach  Demen  geordnetes  Verzeichnis  ist,  vielleicht  auf  den  Steuervorschuss 
bezüglich  (Larfeld,  Haudb.  d,  gr,  Epigr.  II  177). 

'AvTi(pccvT]g  <I>fjyauvg:  der  Sohn  Euthydikos  ist  Trierarch  um  325/4. 

1)  Das  Stemma  stellt  sich  folgeDdermassen  heraus: 

Ggdavilog  (I) 
(II  «948.  1247.    Ath.  Mitt.  XXIX  244) 


eQa6v%kft$  (I)  B9dövU.oi  (II) 

Ath.  Mitt  XXIX  244  II  «948.  1247.    (1292—93) 

B^a6vxkfi9  (II) 
II  •  1292—93. 
2)  Ich  ziehe  hier  zu  den  PrytaDenverzeichnissen  einige  Listen  hieran,  die  als  solche 
Ungewissen  Charakters  gelten,  die  aber  wohl  als  Prjtanenlisten  angesprochen  werden 
können.  Die  Zahlen  der  Mitglieder  der  rerschiedenen  Demen  entsprechen  nSmlich 
den  Zahlen  der  in  den  PrytauenTenseichnissen  aufgeführten  Prjtanen  (ygl.  unten), 
wobei  zu  bemerken  ist,  dass  auch  in  den  PrytaDenTeneichnissen  eine  Verschiebung 
gegen  früher  zu  erkennen  ist.  Ebenso  kann  es  keinen  Anatoat  mehr  herrorrafeni  daat 
man  einige  Reste  von  Buleuten Terzeichnissen  aus  oielifereii  Fkyleii  haXf  aeitdiai  ein 
solches  von  dem  ganzen  Rate  vorUegt  (^M.  MüL  XXULSMX  MmIi  KAte  gahdren 
die  beiden  Yeneiclmiwe  oben  derselben  Liste  am  u  -  *  % 


12  J,  Sundwally 

Wohlhabende: 

'EnaivtroQ  'AvvKfiXav  Ktj^aitvg  in  einer  Grabinschrift  U^  2171b. 

^tXwvidfig  IlBgyaoij&tv:  die  Tochter  Philotion  in  einer  Grabschrift 
11^  2469. 

üvgylwv  ITvgyiwvog  ^OvQWivg.  Sein  Vater  ist  inoygafifiatidg  ägx^'^i*' 
Tovog  c.  408,  er  selbst  hat  ein  Grabdenkmal  „fragmentum  stelae  mar- 
moris"  11«  2400. 

112996,0  Reiche: 

'j4QiaTüg>avrig  'AgiavoßiijSovg  'J^tivuvg,  ein  Neffe  des  bekannten  Staats- 
mannes Aristophon  (vgl.  Kirchner,  Beiträge  z.  alt.  Oesch.  III  168).  Sein 
Vater  war  rafiiag  iegaiv  xQW^'^^^  400/339  (P.  A,  2011). 

— Soigog  JSuixv&ov  Kugiddtig  ^  sein  Bruder  rafjiiag  xwv  &kX(av  &ewv 
376/5  (s.  P.  a'.  12  790). 

^at(s[noöiag  flBigaievg],  Wahrscheinlich  der  Strateg  415/4 ,  wenn 
die  Konjektur  richtig  ist  (s.  P.  A.  8963). 

'A9riv[innog  Ilugaitvg'].  Ein  Sohn  wäre  JSavglag  14&.  TL  in  einer 
Freilassungsurk.  (11«  773). 

Wohlhabende: 

Nixoavgavog  Nixoatgätov  Kugidör^q  in  einer  Grabinschrift  11»  2126. 

^ikfüviSng  [  ^dwtddov  Utigaievg]   in  einer  Grabinschrift  11  ^  2460. 

IP997,  Reich: 

Qeoyivfig  Qgidöiog  ist  tafilag  leg£v  xQWdtüiv  403/2. 

Wohlhabend: 

Ev\tpdvng  ^igxirov  0vXdaiog:  sein  Vater  ist  /legxivrjg  ^vkdotog^ 
ymgyog  Aristoph.  Achar.  1028  (P.  A.  3245). 

B.  a  H.  XXin352,  Wohlhabende: 

AixoßovXog  Avtoaotpov  2vnaXritTiog  (s.  a.  0.  Ath,  Mitt.  XXIX, 
S.  244).») 

XcugiYivng  Al^tüvivg:  sein  Sohn  ist  Itgonoiog  320/19,  muss  also  ein 
Vermögen  von  mehr  als  2000  Dr.  besessen  haben. 

IP1006,«)  Reiche: 

— ng  'AvTixktovg  [MüLirfvg].  Wenn  die  Ergänzung  des  Demotikons 
richtig  ist,  ein  Verwandter  des  Neoptolemos,  S.  d.  Antikles,  der  sehr  reich 
war  (vgl.  P.  A.  10652). 


1)  Über  die  erste  Kol.  vgl.  Kirchner,  Rh,  M.  LVII  476.  Die  Träger  der  elf 
Namen  in  der  zweiten  Rol.  können  nur  einem  grossen  Demos  angehören,  also  entweder 
Piräos  oder  Eleusis,  wahrscheinlich  dem  ersteren,  weil  auch  sonst  schon  mehrere  Namen 
für  den  Piräos  nachgewiesen  sind.    Z.  13  ist  wieder  *E[X€ci,6aiot]  zu  ergänzen. 

2)  Das  Verzeichnis  kann  wohl  nicht  älter  als  ung.  375  sein,  weil  'A.  noch 
335/4  Frytane  war.  Die  Z.  1—3  Verzeichneten  sind  wohl  dem  Demos  Phlya  zu- 
zuweisen (vgl.  TIoXv^Lvriörog  'Agiiiv/jarov  0Xvevg), 

3)  Ich  ergänze  im  ersten  zur  Kekropis  gehörigen  Teil  A.  folgendermassen :  die 
Z.  3—7  erhaltenen  Namen  gehören  offenbar  dem  Demos  Melite  an  wegen  der  Möglich- 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.       13 

'A&T/voSwQog  d —  \Müxxn4\  wird  einer  reichen  Familie  angehören 
(s.  P.  A.  274). 

'AgiöTOfitdfjg  ^A^ararptoVTos  'AC^nvMfQ,  Sohn  des  Staatsmannes  Aristo- 
phon,  Trierarch  um  356/5. 

Alaxgaiog  [ —  ^Xvtvg],  (s.  P.  A.  372)  aus  einem  alten  Trierarchen- 
geschlecht (P.  A.  9238). 

Wohlhabende: 

AfiiAoq>iXov  [üiXixtvq']:    ein  Nachkomme  'Egiwtog  Jtjfio- 

(piXov  M.  inidmxi  232/1  (P.  A.  5082). 

[Arifioargarog]  ^AvÖQoa&ivovg  [Svnnaiwv].  Ich  ergänze  auf  diese 
Weise  die  erste  Hälfte  der  Zeile  6  des  A.  nach  P.  A.  3626,  was  auch 
gut  damit  stimmt,  dass  der  obige  in  Piatons  Testament  348/7  als  Grund- 
besitzer erwähnt  wird  (Diog.  Laört  m  30). 

y4lv]iag  ^uy —  'Afia^avtnivg,  ich  ergänze  SO  nach  Alviag  *Afia^avttvg^ 
Thesmothet  223/2  (P.  A.  297)  und  vielleicht  Enkel  des  obigen. 

Diese  Ausführungen  stelle  ich  in  einer  Tabelle  S.  14  zusammen. 

Wir  können  nach  dieser  Tabelle  sicher  behaupten,  dass  die  Zahl 
der  reichen  Bfirger  im  Rate  erheblich  grösser  gewesen  ist,  als  früher 
angenommen  wurde.  Statt  ungefähr  dreier  Reichen  auf  jede  Phyle  haben 
wir,  so  wenig  wir  auch  von  den  persönlichen  Vermögensverhältnissen 
der  Athener  wissen,  doch  wenigstens  5  für  jede  Phyle  festgestellt,  oder 
50  im  Rate. 

keit  der  Identifizierung  mit  gesicherten  Namen;  die  Z.  17 — 18  wieder  dem  Demos  Fhlya 
(P.  A.  372).  Weil  Melite  einer  von  den  grössten  Demeu  von  Attika  war,  iit  an- 
zunehmen, dass  von  Z.  3 — 15  die  Mitglieder  aus  Melite  verzeichnet  waren  und  Z.  16 
^Xvi^g  stand.  Der  erste  Teil  der  Z.  6  gehörte  den  StmtTai6vt9  (vgl.  unten).  Der 
T(>il  A.  dieser  Inschrift  sieht  folgendennassen  aus: 

KtxQonldog 
—     —    —  [MeXitii]s 
[.  ..  .]rig  'Avti*liov(s) 

[Svnfrai6vts]  \^Ad'riv]6d(OQog  J[ri ]      r» 

[JrHi6axQaxos]  'AvSgoad'ivov     r[,  .]iXivog  Evd'v\ —    — ] 
—  —    —  —    —  —    —  —   ipto    —       J]ri  ftoip  l[Xo  v] 


—    —    —    _ — 10 


—      —      ———      —      —     15 

AlaxQat[og    —    —    —    — 
0ov[yivrig   —  — 

•E[ 


14 

J.  Sundwall, 

Inschriften  u.  Datum. 

Reiche. 

Wohl- 
habende. 

Zahl  der 

erhaltenen 

Namen. 

Phyle. 

II«  864 

V,4Jahrh. 

4 

6 

49 

Leontis 

n«865 

400—388. 

4 

1 

c.  15 

Pandionis 

n«866 

V«4Jahrh. 

1 

2 

c  4 

Kekropis 

n9  867 

378/7. 

(1)? 

— 

c.  6 

Akamantis 

n*868 

360/59. 

5 

6 

50 

Oineis 

n  5  868  b. 

c.  350. 

3 

5 

c.  15 

Oineis 

n«869 

c.  350. 

5 

2 

50 

Antiochis 

118  870 

c.  350. 

3 

5 

31 

Aigeis 

II«  871 

348/7. 

1 

1 

5 

Pandionis 

n6  871b. 

k.  n.  350. 

5 

5 

44 

Pandionis 

II«  872 

341/40. 

5 

4 

48 

Aigeis 

n*872b. 

400     350. 

1 

2 

5 

Leontis 

II«  873 

V.  307/6. 

3 

4 

27 

Pandionis 

Ath.  Mitt.  X  106 

c.  330. 

1 

3 

17 

Leontis 

AtLMitt.  XXIX  244 

335/4. 

— 

— 

6 

Erechtheis 

n 

V 

1 

— 

8 

Aigeis 

n 

n 

1 

— 

7 

Pandionis 

n 

n 

1 

11 

Leontis 

n 

n 

1 

— 

9 

Akamantis 

n 

n 

— 

— 

8 

Oineis 

V 

n 

1 

2 

6 

Kekropis 

n 

n 

1 

1 

7 

Hippothontis 

n 

y? 

— 

— 

3 

Aiantis 

n 

n 

— 

— 

4 

Antiochis 

n«995 

400—350. 

2 

2 

c.  15 

Erechtheis 

IP995b. 

400—350. 

2 

1 

c.  14 

Aigeis 

11*996 

400—350. 

4 

2 

c.  20 

Hippothontis 

n«997 

400—350. 

1 

1 

5 

Oineis 

B.  C.  H.  XXm  352 

375—50. 

2 

12 

Kekropis 

n»1006A. 

c.  350. 

3 

2 

c.  5 

Kekropis 

n»1006B. 

c.  350. 

1 

1 

11 

Hippothontis. 

Mit  diesem  Ergebnisse  steht  durchaus  im  Einklang,  was  aus  einer 
Zusammenstellung  der  Buleuten  hervorgeht,  so  weit  sie  uns  aus  der 
Überlieferung  und  den  Psephismen  der  Zeit  von  360—322  bekannt  sind. 
Es  sind  im  Ganzen  folgende: 

357/6.    JioTiuog  OivaJog,  kniövccTt^g  nQoiägwv  U^  62. 

Mekrjaiag  !/4kai€vg,  imaxavrig  ngoidgutv  11^  63  (vgl.  P.  A.  0811). 
Derselbe  ist  tafiiag  rr^g  &bov  334/3  (?)  (11  ^  739),  also  reich. 

356/5.    'AoiaroyHTwv  ^tjyanfg,  ngoBÖgog  Ditt.  Syü:-  115,  6. 

Mvtjaag^og ,  inKSTavrig  ngoidgwv  II  *  Add.  ijij  b,  6. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sosial-poütischen  Geschichte  Athens.       15 

'ÄQxias  Xokagyevg  (Schäfer,  Dm.  I*  357).  Wird  von  Dem.  (XXH  40) 
als  irnuxrig  bezeichnet. 

'Avdgotiaiv  "AvSgwvog  Fagyi^xi^  (s.  zu  P.  A,  915),  unter  den  Schülern 
des  Isokrates,  zu  denen  zu  gehören  schon  2000  Dr.  kostete,  von  Dem. 
als  nXovaiog  bezeichnet  (XXIV  112),  scheint  ziemlich  reich  gewesen  zu 
sein  (vgl.  das  Dekret  von  Arkesina  B.  C.  H.  XII  224  f,  wo  das  Kapital, 
das  Androtion  den  Arkesinäem  ohne  Zinsen  verleiht,  sich  auf  1  Tal. 
4  Minen  beläuft). 

^iXtnnoii  (Schäfer,  De^n,  1*357). 

'Avxiyivni:  (Schäfer,  Dem.  V-  357). 

355/4.    rXavxivti^ ^&tv  hmax.  ngoiSg.  11  ^  70. 

354jf3.  Qdggrj^  jiafAnvgsvg  an,  ngoii.  II*  71d.  Wahrscheinlich  der- 
selbe, den  Eubulos  anklagte  (Schäfer,  Dem.  I«  197). 

353/2.  'AgiöToxgccTtig ,  Antragsteller  des  Dekrets  für  Charidemos 
(Schäfer,  Dem.  I*  421).  Ob  er  mit  dem  Trierarchen  c.  342  Aristokrates 
aus  Lamptrai  identisch  ist  (vgl.  Schäfer,  Dem.  IM21,  A.  5),  ist  völlig 
unbestimmt,  nur  scheint  er  ein  gewisses  gesellschaftliches  Ansehen  ge- 
nossen zu  haben  (Schäfer  a.  0.). 

352/1.   *AgxB(pdiv  Aa^nxgm  (11«  104  a). 

349/8.  'AnoXXoSiagog  Ilaalwvog  ^Axagvivg  (Blass,  Att.  Ber.  ITI«  1,  316) 
brachte  im  Rate  einen  Antrag  über  die  Festgelder  ein.  Er  erbte  un- 
gefähr 40  Tal.  (s.  Boeckh,  Staatsh.  I»564). 

2(üxig8rjg  *AXauvg  in.  ngo.  II «  107  b. 

347/6.  Jtjfioa&ivfjg  JijfAOö&ivovg  Uaiavigvg  (Blass,  Att.  Ber.  III*  1, 
330).  Sein  Vermögen  beim  Beginn  der  Vormundschaft  betrug  10  Tal. 
(Beloch,  Hermes  XX  250). 

Tifiagxog  ^Agi^rjXov  ^Lq^titnog^  erbte  ägyvgiov  ovx  oXiyov  und  ver- 
kaufte Grundstücke  für  mehr  als  ein  Talent  (Boeckh,  Staatsh.  I«301). 

0iXoxgaTf]g  'Ayvoiciog.  Nach  Dem.  XIX  229  „Aomo  libidhwsus  et 
luxuriosus^  (P.  A.  14  599),  muss  also  ein  gewisses  Vermögen  gehabt  haben. 

Qio^iXog  'AXifiovaiog,  kn.  ngoiög.  11*  109,  11 «  109  b. 

346/5.  MvfjaixXijg  KoXXvt^vg  (II«  803  c.  162).  Dun  ist  Pantainetos 
ein  Talent  schuldig  (Schäfer,  B.  201). 

EvßovXidfjg  'AvutflXov'AXifiovaiog  (Schäfer,  B.  257)  ist  ein  angesehener 
Bürger,  der  kv  agyitf  lebte  (vgl.  Haussoullier,  La  vie  municipale  en  Attique 
S.  42). 

343/2.    Juvoaxgatog  JuviaSov  *AyxvXf(&w  (Ditt  Syll."^  495). 

€>av68fjfiog  JivXXov  OvfiaitäSfjg  (Ditt  Syll*  495),  der  Atthidogi*aph, 
der  die  Kultusangelegenheiten  gefördert  zu  haben  scheint,  wozu  es 
sicherlich  eines  gewissen  Vermögens  bedurfte  (vgl  B.  C.  H.  XX  676 
u.  unten). 

Kri^iaoqiwv  KaXXißiov  üaiavuvg  (Ditt  Syll.^  495),  au8  einer  reidm 
FamUie  (Stemma  P.  A.  8415),  der  Vater  Trierareh  vm^  877y 

t§w  AvtiXQatovQ  Uap^mtwlm  Q^ 


16  J.  Sundwall, 

EvSo^og  QtttyytXov  2vnaXiixxiOQ  11^  114  B.  Vielleicht  derselbe  Dem. 
Ep,  in  31,  wahrscheinlich  reich. 

BgaxvXXoq  Ba&vkXov  Egxi^m  (11^14  C  9). 

XaQixXiiSi^  üaiavuve  in.  ngoidg.  (11^  114  b,  c). 

341/40.    "ÄQiaxofiaxog  ^  Otov  hn.  ngoidg.  HU  16. 

c.  340.  0iX68fiiiog  jivroxXiovg 'EgoidSfjg  (11^»  117  b),  Trierarch  um 
334/3. 

340/39.    'AvSgoxXfjg og.    Proedr.,  Rev.  d.  4t  Or.  XHI 166. 

338/7.  YmgelSrig  FXavxinnov  KoXXvtevg  (Schäfer,  Dem.  11 «  563)  ist 
mehrmals  Trierarch. 

337/6.  'AvTKfdvfig  Evatvvfiivg  ^^.  ng.  (ü*  124):  ein  Enkel  desselben 
Namens  unter  den  attischen  Bürgern,  die  zur  Besatzung  von  Eleusis  als 
onXJtai  herangezogen  waren,  algB&sig  inl  ava&^aiv  üxovog  (11^  614  b,  89). 

Ev&vxgättjg  JgaxovriSov  'AfpidvaJog  (11^  125,  126)  ein  Nachkomme 
des  Drakontides  aus  Aphidna,  der  zu  den  Dreissig  gehörte,  ist  km- 
fiiXfiTTig  Twv  fivGxrigifav  329/8  (ET*  834b);  sein  Enkel  ist  Proxenos  von 
Oropos  in  3.  Jahrh.  (P.  A,  4545).    Die  Familie  war  also  reich. 

KxYiatffwv  (Schäfer,  Dem.  III»  83). 

336/5.    'Ayaaiag (II^  128b). 

c.  334/3.  Ji6q>avTog  ^gaaixXaiÖo u  Mu^^ivovaiog  {U*  SOiB,  41)  Trie- 
rarch c.  326/5. 

334/3.    HyiiAaxog  Xai^fifiovog  HBgi&oiSm  (n«563b). 

333/2.     eeoyiXog  ^nyovöiog  hn.  ngoiS.  (ü*  168). 

'AvvidoTog  'AnoXXoSdgov  2vnaXriTXiog  (11^  168). 

^avoargarog  ^iXatdi^g  kn.  ngoiS.  (ü»  168). 

Nixiag  Orjfiaxuivg  kn.  ngoidg,  (U^  169b). 

332/1.    Nixoavgavog  Konguog  in.  ngoiSg.  {IV  173,  174;    IP  173b). 

'Emxotgm  'Ayvovaiog  hn.  ngoiäg.  (Ditt.  SylV  638). 

331/30.    ^avo^ayog  Atoavog  Kväa&rjvauvg  in.  ngoidg.  (II  ^  175). 

/Iwgo&Bog  'AXauvg  (11*  add.  175  b).  Nachkomme  eines  Choregen  aus 
dem  Ende  des  5.  Jahrh.  (P.  A.  4602). 

329/8.  KrjyiaodoTog  Evagxiäov  'Axagvivg  (11^  179  b,  11),  i^BtaaTtj^ 
298/7.     Sein  Grossvater  ist  K.  "Ayagvtj&iv  xi&agurrr^g  (P  A.  8326). 

/Sri(i6(fiXog  /IriiAOfpiXov  Axagvetg  (11-  834  b).  Sein  Vater  ist  Trierarch 
gewesen. 

/trjßioxdgrjg  0XvBifg  in.  ngoiSg.  (Ditt.  SylV^  639). 

328/7.    'Eniyivfjg  'EgoidSm  in.  ng.  (11^  178  b). 

327/6?  ^Xevg  Ilavaonflov  Oivaiog  (IlM79b),  als  itgonoiog  336/5 
bekränzt. 

325/4.  0iXvXXog 'EXavalviog  in.  ngoiög.  (IIM79b),  ein  Nachkomme 
des  gleichnamigen  vafilag  r^  &bov  418,7;  vielleicht  ist  die  Familie 
noch  reich. 

'AXxlfiaxog  iy  Mvggivovrrtjg  (11-  809  b). 

c.  324/8.    üoXvtvxTog  KaXXixgdxovg  'Eauaio&Bv  HI    Sllc  104). 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      17 

323/2.    'Hymag  MuQa&üvioQ  kn,  ngoiSg,  (Eq).  a{)X'  1898,   8  nr.  3). 

'£nafiBivü)v kn.  ngoidg.  (11^  231b). 

Tifioargarog kn.  ngoiSg,  (11^  181). 

c.  350.  'AgiöTUiv  negyaa^&ev  in.  ngoiäg,  (TI*  83  b).  Sein  Sohn 
Aristeides  ist  raiiijxg  rijg  &iov  (II «  724),  also  reich. 

333—22  (n«  184  b,  vgl.  Ditt.  Syll^  496,  13). 

üokvevxTog  Kvdavriöfjg^  der  bekannte  Staatsmann,  war  wahrschein- 
lich reich  (vgl.  P.  A.  11947:  „Propter  rogationern  de  agro  sacro  Oropio 
lutam  pecunia  multatus^). 

^iXiag  'AvTi^yivov  TlaiovlSfjg^) 

*AnoXl6dü)gog  EvxTtifiovoq  nxAidaiog, 

Xaigeqxivfig  JSfptJTViag. 

'Enixgdttjg  Fkavxutvog  ^A<piSvaiog, 

ECvofiog  T o  .  Evtavvfitvg. 

^vßagivfig  FagyriTTiog. 

AiToa&ivm  EvxXüdov  Svnnaiwv  (P.  A.  2759). 

^AfiiavTog  AvgiSfig. 

^iXoorgarog  ^iXwrddov  TlaXXtjvivg:  sein  Urgrossvater  iXXtjvorafjiiag, 
die  Familie  im  übrigen  im  Staatsleben  tätig  (P.  A.  14926). 

Fvoiaiag  Xaigi^fiovog  Kvda&ijvauvg. 

V.  330/29.  KaXXiargatog  Gogixiog  (11*807  c.  10),  auch  kmardrtjg 
Bgavgwvlov  367/6. 

V.  322/1.    Jfifjiiag  i:qn^xTiog  (II«  1347). 

eiOfUvrigVfi&BV  (n»1347)  äfupixvvopivwv  iv //^X(p  {B.C.  H.  VIII  305), 
also  wahrscheinlich  ziemlich  begütert. 

Jioq)otvYig  Kfjffiaiivg  (11'  1347). 

KttiCixXfig  Barij^Bv  (U^  1347). 

Von  ungefähr  73  verzeichneten  Buleuten  können  wir  also  wenigstens 
23  für  reich  halten. 

Ich  verbinde  hiermit  noch  eine  entsprechende  ITntei-suchung  über 
den  wichtigsten  Beamten  des  Kats,  den  Ratschreiber,  ygafjtfAanvg  xatd 
ngvxavHav,  über  den  wir  aus  den  Inschriften  sichere  Kunde  erhalten 
(vgl.  das  Verzeichnis  bei  Ferguson,  The  Athenian  Secretane.^), 

359/8.  — innog  ^fnxv&ov  KugidSrjg.  Ein  Bruder  ra^iag  rwv  SXXwv 
&iwv  376/5  (II«  672). 

357/6.  JiodoTog  /lioxXiovg  'AyytXijt^iv.  Sein  ävitfjiog^  JioxX^  /tto- 
nd&ovg  'Ay.j  Trierarch  um  358  (P.  A.  4010).  Ob  KaXXiaxgdvri  JioxXiovg 
'Ay.  eine  Schwester  des  letzteren  oder  eine  Tochter  des  /ersteren  ist 
(11*2288  in  epistylio  aediculae  marm.  Peiit.),  ist  nicht  zu  entscheiden. 
Auf  jeden  Fall  ist  wohl  die  Familie  reich. 

349/8.  JievxTjg  Jr^fidg^ov  0g€dggiog  einer  berühmten  Ärztefamilie 
angehörig. 


1)  Vennutlich  derselbe  ADtragssteUer  II*  add  280  b  4>aiag  'Av—, 
8andw»ll,  Epfgnphiteho  Baitrlge  sar  SosialpoUtik  Athmu.  2 


18  J.  StmdiffälL 

347/6.  AvalfiaxoQ  ^axnSi^fiov  'Axagvivg:  ein  Verwandter  ist  Archon 
339/8  (P.  A.  9480). 

346/5.  Kt3(piff63a)Qog  'Ad-fjvotpavovg  (PAr«ii.  Seine  Frau  auf  einer 
Grabschrift  (ET*  2239,  tabula  alta  marm.  Pent.  cum  aetomate). 

343/2.  KkBonrgaTog  TifAoa&ivovg  jiiyiXimig.  XoQviywv  Mxr/aBv  um  350 
(11»  1282).    Der  Vater  war  ein  reicher  Geschäftsmann  (Dem.  XLIX  31). 

340/39.  "Affnerog  JtjfioaTQciTov  Kv&^f^iog.  Der  Sohn  Demostratos 
Trierarch  um  325/4. 

324/3.  Jioyvn^og  ^gvvuivog  Pafivovaiog;  sein  Vater,  unter  den 
Makedonischgesinnten,  sandte  ihn  zum  König  Philipp,  um  ihn  an  seinem 
Hofe  erziehen  zu  lassen  und  scheint  im  übrigen  reich  gewesen  zu  sein 
(vgl.  P.  A.  15032). 

Von  27  als  Ratschreiber  bekannten  sind  also  unseres  Wissens 
wenigstens  5  aus  reichen  Familien. 

Das  Ergebnis  der  bisherigen  Ausführungen  lässt  sich  folgendermassen 
zusammenfassen.  Rechnen  wir  im  Durchschnitt  auf  jede  Phyle  die  Zahl 
von  5  Reichen,  die  wir  festgestellt  haben,  d.  h.  von  50  im  Rate,  so 
hätten  dort  die  Besitzenden  überhaupt,  deren  es  rund  9000  (s.  zu  Beloch, 
Hermes  XX  240)  gab,  nach  der  Gleichung  1200:  50  =  9000:  x,  durch- 
schnittlich 375  Stimmen  gehabt.  Ich  bin  weit  entfernt,  diese  Zahl  anders 
als  ganz  annähernd  anzunehmen.  So  viel  erhellt  jedoch  immerhin  daraus, 
dass  ein  unzweifelhaftes  Übergewicht  den  besitzenden  Elementen  im  Rate 
zukam.  (Dass  wir  nicht  noch  mehr  wohlhabende  oder  reiche  Bürger  nach- 
weisen können,  beruht  auf  der  Spärlichkeit  unserer  Überlieferung.)  Ein 
massenhafter  Zudrang  der  ärmsten  Schichten  der  Stadtbevölkerung  ist 
auch  schon  ausgeschlossen  durch  die  proportioneile  Vertretung  der  Demen. 
Und  wie  unten  gezeigt  wird,  haben  die  Besitzenden  ein  entschiedenes  Über- 
gewicht in  Demenangelegenheiten.  Ebenso  haben  die  Tagegelder  nicht 
so  sehr  dazu  beigetragen  den  völlig  Mittellosen  die  Bewerbung  um  die 
Ratsmitgliedschaft  zu  ermöglichen  als  vielmehr  dem  Mittelstande  zur 
Entschädigung  und  Aufmunterung  gedient. 


2.   Die  Strategen. 

Wir  leiten  nunmehr  die  Untersuchung  auf  das  Gebiet  des  an- 
gesehensten athenischen  Amtes  hinüber.  Damit  scheint  in  einem  gewissen 
Zusammenhang  die  Frage  zu  stehen,  wie  die  Wahl  der  Strategen  sich 
vollzogen  habe.  Aristoteles  nun  sagt  in  'AO-.nol.  §  61,  1:  y^xuqotovovci 
8i  xai  rag  ngog  tov  noXifjiop  icQxccg  änaaa^f  atgatfiyovg  dixa^  ngovigov 
fiiv  cUp  <ixatf riTff  t^>  tpvktjg  tva ,  vvv  6*  ij  andvtwv^ ;  doch  kann  dies 
nur  für  die  Zeit  der  Abfassung  seiner  Schrift  zutreffen,  d.  h.  die  Zeit 
kurz  vor  329— -5,  denn  wie  Schoemann-Lipsius*)  bemerken,  stellt  nach  den 
Strategenlisten  bis  in  die  Mitte  des  4.  Jahrh.*)  jede  Phyle  meist  nur 
einen  und  keine  Phyle  mehr  als  2  Strategen,  also  kann  bis  dahin  keine 
Wahl  il  änavTutv  stattgefunden  haben.  Dasselbe  Verhältnis  kann  man  auf 
der  S.  21  folgenden  Strategenliste  konstatieren,  wenigstens  bis  335/4,  da- 
gegen ist  es  auffällig,  dass  wir  823/2  vier  Strategen  aus  derselben  Phyle 
haben.  Wie  hat  sich  nun  der  Wahlmodus  bis  dahin  entwickelt?  Wir 
müssen  annehmen,  dass  die  Wahl  der  Strategen  überhaupt  in  einer  der 
folgenden  drei  Formen  geschehen  ist:  1.  Jede  Phyle  erwählte  ihren 
Strategen  aus  ihrer  Mitte  durch  Abstimmung;  2.  Das  ganze  Volk  wählte 
die  Strategen,  einen  aus  jeder  Phyle;  3.  Das  ganze  Volk  wählte  die 
Strategen  kl  änavrwp.  Unzweifelhaft  hat  sich  die  Wahl  nach  der  ersten 
Form  in  den  ältesten  Zeiten  vollzogen,  wie  es  uns  Aristoteles  bezeugt  in 
'A&.  noX.  22,  2:  „Irreira  rovg  argar^ovs  ygovvvo  xatä  (pvXdg,  ^  ixamtig 
<r^>  q>vXr}g  Iva".*)  Darüber  sind  jedoch  alle  einig,  dass  dieses  Verfahren 
nur  bis  die  Mitte  des  5.  Jahrh.  bestanden  hat.  Für  die  ganze  folgende 
Zeit  von  441/40  bis  335/4  können  wir  feststellen,  dass  in  der  Regel  eine 
Wahl  von  einem  Strategen  für  jede  Phyle  vorgenommen  wurde,  dass 
aber  auch  manchmal  eine  Phyle  2  Strategen  gestellt  hat.    Wir  können 

1)  Gr.  AU.  I*i57a,  2. 

2)  Bei  Beloch,  Att,  Pol  289  ff. 

8)  iifoiivto  xora  tpvldg  ift  lo  su  venteheD,  dau  die  Phylen  anter  sich  gewShlt 
haben,  was  auch  nach  Beloch  (Att.  Pol  279)  für  griechiiche  Begriffe  das  Natürlichste 
war.  Nach  Hemnann-Thamser  {Lehrb.  d  gr,  AU.  I«  602  u.  Anm.  2)  Itot  sich  aSffiaig 
fBr  die  Wahl  der  Phylen,  xtiQotopla  für  die  der  Volksreisammlung  als  gebräachUcher 

2« 


20  J.  Sundwall, 

somit  annehmen,  dass  nunmehr  derselbe  Wahlmodus,  wie  für  die  Helleno- 
tamiai*)  und  andere  Beamte  üblich  wurde.  Hiermit  stimmt  auch  am 
besten  Xen.  Mem.  HI  4,  1.  Aristoteles'  Worte /^i9-.  nol.  61,  1  beziehen 
sich  gerade  auf  diesen  Modus  und  bestätigen  damit,  dass  er  die  Regel 
war.-)  Im  Gegensatz  dazu  stellt  er  vvv  S'  i5  inavrtov,  womit  er  eben 
angibt,  dass  kurz  vor  329 — 5  eine  Änderung  im  Sinne  der  dritten  Form 
eingetreten  ist.  Die  Ursache  liegt  offenbar  in  der  Umgestaltung  der  Kompe- 
tenzen der  Strategen,  wonach  diese  für  verschiedene  Verwaltungskreise 
gewählt  wurden,  wie  Aristoteles  *Ad:  noX.  61  uns  berichtet.  Diese  waren 
schon  für  5  Strategen  gebildet,  als  Aristoteles  seine  Schrift  verfasste. 
Der  Zeitpunkt,  zu  welchem  die  dritte  Form  eingeführt  worden  ist,  muss 
folglich  z\^ischen  334  und  die  Abfassungszeit  der  Politeia  (329 — 5)  fallen. 
Auch  die  Inschriften  lehren,  dass  die  Ausbildung  der  Spezialkompetenz  für 
die  trierarchischen  Symmorien  erst  nach  334  erfolgt  ist  (II*  804  A.  Z.  63);*) 
von  den  beiden  Strategen  für  Munychia  und  Akte  haben  wir  keine  Be- 
lege vor  Aristoteles;  6  knl  rovg  onkirag  und  6  knl  <pvlax^v  rijg  x^P^S 
sind  schon  in  der  Mitte  des  4.  Jahrb.  bezeugt,  jedoch  geht  aus  den  In- 
schriften und  den  Rednern  hervor,  dass  diese  Posten  nicht  gleich  bei  der 
Wahl  bestimmt  wurden,  sondern  das  Volk  einigen  unter  den  erAVählten 
Strategen  besondere  Aufträge  gab.^)  Ob  die  oben  besprochene  Reform 
Lykurgos  zuzuschreiben  ist  (Droge,  De  Lycurgo  Athenieim  pecuii'mrum 
jmblicarum  administratore  S.  41)  ist  völlig  ungewiss.  Wenigstens  hat 
er  nicht  das  Amt  des  rafiiag  GxQavmxixuiv ,  während  der  Zeit  von 
338—30  bekleidet.*)    Möglich  ist  jedoch,   dass  er  daran  beteiligt  war, 


1)  S.  z.  SchoemanD-LipsiuB,  Gr.  AU,  I  *  453. 

2)  Vgl.  auch  Wilamowitz,  Arist  u.  Athen  II  108;  Hauvette-Besnault,  Les  straihges 
AtJUniens  S.  29:  ,i7  faut  remarquer  enfin  que,  si  les  inscriptions  et  les  tcxtes  foumis- 
sent  plusieurs  exemples  de  deux  strateges  appartenant  ä  1a  m^me  iribuj  nous  ne  trau- 
vons  pas  une  seule  fois  deux  tribua  ayant  chacune  detw.  strateges  dans  1a  meme  annee. 
Cette  remarque  permet,  ce  me  sernhle,  d'affirmer  —  que  les  faits  contraires  ä  ccttc  regit 
doivent  s^expliquer  par  la  Situation  e^ceptioneUe  (Vun  personnage  dans  VEtatj  ou  par 
des  circonstances  extraordinaires  que  nous  ne  pouvons  pas  apprecier.  jyune  maniere 
generale  f  an  petU  dire  que  Vhahitude  de  repartir  egalement  les  chargcs  de  strathges 
entre  les  dix  tribiis  fut  conservee  pendant  toute  la  periode  classiquc*  Ed.  Meyer 
[Gesch.  Ali.  III  348)  spricht  die  Ansicht  aus,  dass  das  gesamte  Volk  im  5.  Jahrh. 
nicht  in  den  Phylen,  sondern  nur  für  die  Phylen  die  Strategen  erwählte.  Er  unter- 
scheidet aber  nicht  den  1.  und  2.  Wahlmodus. 

3)  Lipsius  {Das  Attische  Recht  und  Rechtsverfahren  I  112  A.  230)  scheint  an- 
nehmen zu  wollen,  dass  der  atQatriybg  int  tu^  ov^uoQiag  naeh  330  zu  datieren  ist, 
weil  alle  Strategen  noch  fiir  die  Symmorien  der  Eisphora  in  der  Rede  gegen  Fhainippos, 
welche  um  330  gehalten  wurde,  tätig  sind.  Aus  den  Worten  des  Aristoteles  ergibt 
sich  jedoch  nicht,  dass  dieser  Strateg  bei  der  Schätzung  für  die  speziell  als  Kriegs- 
steuer zu  charakt<Ti8ierende  Eisphora,  sondern  nur,  dass  er  bei  der  Ernennung  von 
Trierarchen  und  in  den  daraus  entstandenen  Rechtsfällen  tätig  war.  , 

4)  Spangenberg,  De  Atheniensium  publicis  imtituiis  aetate  Maccdonum  commu- 
tatk  1884,  S.  48. 

5)  Beloch,  Gr.  Gesch.  III  1,  S.'  56  Anm.  4. 


Epigrqphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.       21 

>1elleicht  als  ausserordentlicher  Kommissar  (vgl.  das  Ehrendekret  des 
Stratokies:  ;|fei^orovi;(9'€iff  knl  xr^v  xov  noliuov  naQaaxtvfiv  önXa  fiiv 
TioXXcc  xal  fleldiv  fivgiadag  nivre  ävifveyxiv  ilg  ti}v  äxgonoXiv  Vit  X  or. 
841c),  ebenso  ist  die  Mitwirkung  des  Demades,  der  334 — 30*)  vafiiag 
argaTtwTixwv  war,  nicht  ausgeschlossen. 

Nach  Erledigung  dieser  Frage  stellen  wir  uns  die  weitere,  welche 
Schichten  der  Bürgerschaf t ., das  Strategenamt  vorzugsweise  bekleidet 
haben  und  welche  Bedingungen  den  Bürgern  bei  Bewerbung  um  dies  Amt 
gestellt  wurden.  In  der  Verfassung  des  Kleisthenes  wurde  an  dem 
Grundsatze  festgehalten ,  dass  tiür  Bürger  der  3  höheren  Klassen  zu 
einem  Amt  gelangen  konnten.*)  Von  dem  Prinzip,  nur  bemittelten  Bürgern 
das  Strategenamt  zu  übertragen,  ist  man  wohl  auch  nicht  abgegangen, 
nicht  einmal  während  des  4.  Jahrh.  unter  der  kaxart]  SrifioxQaxia  (vgl. 
Deinarch.  In  Demosth.  71  „yrjv  kyrog  ogfav  xBXT^a&ai^).  Die  ärmsten 
Bürger  kamen  also  gar  nicht  in  Betracht  Aber  nicht  einmal  der  Mittel- 
stand scheint  irgendwie  herangezogen  forden  zu  sein.  Hauvette-Besnault 
(a.  0.  48)  und  Ladein-^  haben  dieser  Frage  für  das  5.  Jahrh.  einige  Auf- 
merksamkeit gewidmet  und  sind  beide  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  dass, 
wenn  es  auch  nicht  gesetzlich  bestimmt  wai^,  doch  das  Volk  die  Strategen- 
würde ohne  weiteres  den  Reichsten  und  Vornehmsten  übertrug.*) 

Wie  haben  sich  nun  die  Verhältnisse  im  4.  Jahrh.  in  dieser  Be- 
ziehung gestaltet  ?  Zum  Zwecke  der  eingehenderen  Untersuchung,  die  ich 
(lieser  Frage  widmen  will,  habe  ich  die  folgende  Strategenliste  für  die 
Zeit  von  360/59  bis  323/22  zusammengestellt. 

360/59.    Tifio&iog  'ApacpXvüuog  X. 
Krj(pia6SoTog.  • 

[©«OTI/iOff]. 

359/58.   Xaßgiag  Allw^ug  VIL 
Mapxiag.  0pgixiog  V. 

357/56.  'Akxifiäxog  ^Avayvgaaiog  I. 
Xdgt^  *AyyBX^&6v  IIL 
MeviuP  IIoTU^iog  IV. 


1)  Bdocb  a.  (). 

2)  Busolt,  Or.  Gesch.  I1M30. 

3)  De  Atheti.  saec.  a.  Chr.  n.  V  praetoribm  1882,  S.  39. 

4)  Ladoiii  macht  freilich  darauf  aufmerksam,  dass  auch  ärmere  Bürger  im 
Strategeion  gesessen  haben,  wie  Lamachos,  Phormion,  Phrynichos.  Von  diesen  wird 
aUerdings  Lamachos  als  7rtt*rig  erwähnt,  weswegen  er  jedoch  durchaus  noch  nicht 
völlig  „arm"*  dazustehen  braucht.  Vgl.  auch  die  Klage  des  Eupolis,  djiss  so  oft  un- 
fähige und  geringe  Leute  zu  dem  Amte  gelangten,  bei  Stobai.  Anth.  XLIII  9  u.  Athen. 
X  25,  S.  425  Anm. ,  wozu  Hauvette-Besnault  die  richtige  Erklärung  gegeben  hat, 
dass  dieses  während  des  Peloponnesischen .  Krieges  stattgefunden  haben  kann:  ,ati 
temps  ou  le  peuple  vouhU  avoir  ä  la  Ute  des  troupes  des  hommes  de  son  parti,  fussent-üs 
Sans  fortune  et  sans  naissance*. 


22  J.  Simdwall, 


'ICif]Xi<fTi8fjg  Qoglxiös  V. 
[Xaßgias  Ma^svg]  VII 
'Iqfixgätijg  'PafAvovaiog  IX. 
JioxXfjg  *Akvjnextj&6P  X. 

356/55.  Xdgfjg  'AyreXn&iv  III. 

'Iq)ixgdTr]g  *Pafivovötog  IX, 
MivM&tvg  ^Fauvöimog  IX, 
Tifio&iog  'AvarpXvariog  X, 

355/54.  Xdgfjg  \4rr^X^^^v  III 

MilavfüKog  Äl^wvevg  VIL 

354/53.   \^ÄkxiiAaxog  'Avayvgdaiog']  I. 
Xdgt^  *Ayyüifj&6v  HL 

353/52.   [OgaavßovXog  *Egxuvg]  IL 
Xdgtjg  *AyyBlfj&€V  HL 
NavaixXfig  Ofj&ep  VL. 

351/50.  XaglStjfAog  "Axagpivg  VL. 

350/49.   'Eq>idXtng. 

349/48.  Xdgng  'AyrsXtj&Bv  LLL 

'HyriaiXmg  [HgoßaXimog?  HL] 
^wxiwv  \^l(piaTiä8f]g?  F.] 
XaglSfjfAog  'A^agvivg  VL. 
MoXoTTog. 

348/47.  Xdgfig  'AryiXij&ep  LLL 
MoXoTTpg, 

347  ?      A Tov  atgaxriyov  (II »  HO  b). 

347/46.  Xdgtig  Ayy^fi&Bv  HL 
0al8gog  2(frirTiog  V. 
Hgö^epog  *A(fibvaiog  IX, 

345/44.  0iXoxdg7ig  Kod'iaxidfig  VL 

344/43.  ^axiwp  \^I(fiaudSrjg  F.] 

^tXoxdgrjg  Ko&wxiSfjg  VL, 

343/42.  Xdofig  Ayr^Xfj&ev  LH. 
/liomi&rig  2!ovvuig  IV. 
^iXo^dg^ig  Ko&wxISrjg  VI. 

342/41.   Aionud-fjg  ^owiivg  IV. 

K^ffiüoiftüv  'Afpiävato^  IX. 

341/40.   Xdgfjg  'AyytXfi»iv  HL 

[Jiomi&ii'^  2^ovvievg']  IV. 
^uxiwp  [*I(fiöTiddf3g  F.] 
Kf](fiöO(paiv  'A(pi8ifaiog  IX. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozicU-politischen  Geschichte  Athens.      23 
346 — 40.   diQxiflog  'Ayvovaiag  V. 

340/39.  XdQfig  'AyrBXft&Bv  IIL 
Jionii&9jg  ^vvievg  IV. 
^WTciwv  \^I(piaTid8rjg  F.] 
Ktifficotfwv  'A(fiSvalog  IX, 

339/38.  XagtK  'Arrdifj»6v  III 
0wxliav  ['Ifpiaviddrjg  F.] 

338/37.  JiOTifios  EvwvvfMvs  I 
Xdgrig  *A/yüifj&Bv  IIL 
^tiixliav  ['I(fiaTid3rig  F]. 
Xagldfifiag  *AxccQvn;g  VI 
NavaixXijg  'Oijd'W  VI 
JSTQaToxlfjg, 
AvöixXriq, 

336/36.  ^wxlm  [^Itfiattadrt:  F.] 

JuVOTlQÄTtli. 

335/34.  ^lOTifiog  EvwvvfAivg  I 
QgaövßovXog  'Eg^uig  II 
XoQYiq  'AyyiXii&w  III 
^(axiw¥  {^I^iavuiSijg  F.] 
[^alSgog  \Sp^Tiog]  F. 
Xagldtifiog  'A^agvivg  VI 
*E(fidlrfjg. 

334/33.  NavatxXfiQ  Vn^iv  VI 
333/32.  Mevea&ofg  'Pafjivovatog  IX. 
332/31.  Xdgvg  'Ayrdifi&iv  III 
k.  n.  330.    Jrjfiddfjg  Ilaiavuvg  III 
330 — 26.   JwTifiog  Evoivvfuvg  I 
329/28.  0iXwv. 

326/26.  egaavßovXog  Egxim  IL 
Jiw^€t¥8gog. 

326/24.  0iXoxXr}g. 

V.  324/28.  XdQtjg  AryiXn&iv  III 

V.  323.   JaxtiQ  Ail^wvivg  VII 

324/23.  JixaioyivTjg  KvSa&tivauvg  III 

323/22.  Jixaioyivng  Kvda&nvaing  III 
AioKf äivf^g  Ki(faXfj&iv  F. 
^alSgog  JSfpjrtiog  V. 


24  Jl  Sundwally 

EUrtup  JSff^iog  F. 
^ttxioi¥  ^IfpuniaSris  F.] 

Diesem  Verzeichnis  möchte  ich  noch  folgenden  chronologischen  Anhang 
hinzufügen: 

360/59.  Timotheos  und  Kephisodotos  bei  Bdoch,  Att.  Pol  319.  Viel- 
leicht ist  auch  Theotimos  Strateg  gewesen  (Meyer,  Gesch.  d.  Alt  V  477). 

359/8.  Mantias  aus  Thorikos  (s.  z.  Schäfer,  B.  214);  dag^en  hat 
P.  A  ihn  360/59.  Chabrias  (Schal,  Dem.  V- 161  u.  P.  A.)  hat  Beloch 
nicht,  sondern  setzt  ihn  unrichtig  in  i  J.  358  7. 

357/6.    Siehe  zu  Beloch,  AU.  Pol.  S.  319. 

356 '5.  Chares  (Il^add.  66  b).  Iphikrates,  Menestheus,  Timotheos  s. 
Beloch  a.  0. 

355/4.  Melanopos  aus  Aixone  (n5  88e  u.  P.  A,).  Chares  (Beloch, 
Att.  Pol.  365,  Gr.  Gesch.  II  318). 

354/3.  Chares  (P.  A.  u.  Aisch.  II  73).  Vielleicht  in  diesem  Jahre 
auch  Alkimachos  aus  AnagjTUs  (Schal,  B.  157). 

353/2.  CTiares  (P.  A.  u.  Köhler  zu  H*  795  f.  103—119).  Nausikles 
aus  Oe  (P.  A,  u.  Schaf.,  Dem.  I-  509,  4).  Thrasybulos  aus  Erchia,  viel- 
leicht als  Strateg  (IP  795  f.  105,  vgl.  Köhler,  Ath.  Mitt.  \T  27). 

351/50.    Charidemos  (Schaf.,  Dem.  U-  72). 

350/49.    Ephialtes  (Didymos,  Schol  Dem.  Papyr.  Berl  Kol.  13,  45,  47). 

349/8.  Chares  (P.  A,  u.  Schaf.,  Dem.  IP  132,  1).  Charidemos  (Schaf., 
Dem.  n«  140,1).  Phokion  (Schaf.,  Dem.  11^791,  über  die  Zeit  des 
Zuges  nach  Euboia,  vgl.  Blass.,  Att.  Ber.  III- 1,  316),  45  mal  Strateg  ge- 
wesen, also  fast  jedes  Jahr.  Hegesileos  (P.  A.  u.  Schaf.,  Dem.  II*  85), 
Molottos  (Schaf.,  Dem.  IV  84,  1). 

348/7.    Molottos  (Schaf.,  Dem.  11-84,  1  u.  P.  .4.).    Chares  (P.  A.). 

347/6.  Chares  (Schaf.,  Dem.  II- 179).  Proxenos  aus  Aphidna  (Schaff 
Dem.  IV  188).    Phaidros  aus  Sphettos  (IV  109j. 

345/4.    Philochares  aus  Kothokidai  (Schaf.,  Dem.  I«222). 

344/3.  Philochares  aus  Kothokidai  (s.  das  vorige  Jahr).  Phokion 
(Schaf.,  Dem.  11-^366,  1.2). 

343/2.  Chares  (Schaf.,  Dem.  11*450,  4).  Diopeithes  aus  Sunion 
(P.  A.  u.  Schaf.,  Dem.  II  -  452).    Philochares  aus  Kothokidai  (s.  oben). 

342  1.  Diopeithes  aus  Sunion  (Schaf.,  Dem.  II- 453).  Kephisophon 
aus  Aphidna  (Schaf.,  Dem.  IP  491  u.  Anm.  1.     Didjmos.  Kol.  I  17). 

341/40.  Chares  (Schaf.,  Dem.  ü-*  450,  4;  451,  2).  Phokion  (Schaf., 
Dem.  IIM05,  3.  Didjm.  Kol.  1,  20).  Kephisophon  aus  Aphidna  (wahr- 
scheinlich dieses  Jahr,  vgl.  P.  A.  add.:  c.  MO),  Dioj^eitlies  aus  Sunion 
(wahrscheinlich  auch  dieses  Jahr.    Schaf.,  Dem.  11-482). 

346 — iO.    Derkylos  aus  Magnus  (Ditt.  Syll:^  518,  2). 

340/39.    Chares  (Schaf.,  Dem.  IV  508,  1.  4).    Phokion  (Schaf.,  Dem. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      26 

ir^513,  1).  Kephisophon  aus  Aphidna  (Schaf.,  Dem.  11  «512  u.  P.  A. 
add.).    Diopeithes  aus  Sunion  (Schaf.,  Dem.  ET*  516  u.  Anm.  2). 

339/8.  Chares  (Schaf.,  Dem.  IV-  557,  4.  5).  Phokion  (Schaf.,  Dem. 
II-  530,  5). 

338/7.  Chares  (Schaf.,  Dem.  IV-böi,  1).  Phokion  (Schaf.,  Dem. 
III»  25,  1).  Stratokies  (Schaf.,  Dem.  H«  564,  1).  Lysikles  (Schaf., 
Dem.  11*564,  1).  Diotimos  aus  Euonymon  (P.  AJ),  Charidemos  aus 
Acharnai  (Schaf.,  Dem.  IH»  8).    Nausikles  aus  Oe  (Schaf.,  Dem.  HI«  14,  3). 

336/5.    Phokion  (Schaf.,  Dem.  IH « 89,  2).    Deinokrates  (11«  808  c.  13). 

335/4.  Chares  (Schaf.,  Dem.  HI«  137,  2  u.  Beloch,  Att.  Pol.  241). 
Diotimos  aus  Euonymon  (II*  804  B.).  Ephialtes,  Thrasybulos  aus  Erchia, 
Charidemos,  Phokion  (Schaf.,  Dem.  IH*  123,  3).  Phaidros  aus  Sphettos, 
vielleicht  dieses  Jahr  (n«  804  B.  a.  81). 

334/3.    Nausikles  aus  Oe  (II«  804  B.  b.  85). 

333/2.    Menestheus  aus  Rhamnus  (Schaf.,  Dem.  III«  175,  1). 

332/1.    Chares  (Schaf.  IH«  28,  1). 

k.  n.  330.  Demades  aus  Paiania  (Schaf.,  Dem.  III«  192),  vielleicht 
nach  dem  Ablaufe  seiner  Wirksamkeit  als  tafilag  ruiv  argariwtixdiv. 

330—26.  Diotimos  aus  Euonymon  kommt  in  II  *  196  als  Strateg 
vor,  wo  seine  Aufsicht  über  die  Getreidezufuhr  erwähnt  wird.  Diese  In- 
schrift setzt  Kirchner')  in  das  Jahr  338/7,  Larfeld«)  in  die  Zeit  330—26. 
Zu  demselben  Amts  jähre  des  Diotimos  gehört  wohl  auch  11^  180  b  (vgl. 
Larfeld  a.  0.,  Anhang,  S.  938).  Larfelds  Annahme  scheint  doch  viel  für 
sich  zu  haben,  weil  wir  mehrere  mit  II*  196  analoge  Dekrete  aus  der 
Zeit  der  grossen  Teuerung  330—26  haben  (vgl.  nM79b  u.  II«  808  a, 
Z.    37:     fierd    atQattjyov   SgaOvßovXov   ^EQxUtt^    hn\    r^v    naQanofinfjv 

TOV    GITOV), 

329/8.    Philon  (Ditt.  %//.«  587,  180). 

326/5.    Thrasybulos  aus  Ercliia  (ir- 808).    Dioxandros  ^I*  808). 

825/4.  Philokles  (Schaf.,  Dem.  III«  307)  war  mehr  als  zehn  Mal 
Strateg. 

V.  324/3.    Chares  (Schaf.,  /)em.  m»  307,  4). 

V.  323.    Laches  aus  Aixone  (Beloch,  AU.  Pol.  326). 

324/3.    Dikaiogenes  aus  Kydathenaion  (11«  811). 

323/2.  Dikaiogenes  aus  Kydathenaion  (11«  811).  Leosthenes  aus 
Kephalai  (Droysen,  Gesch.  d.  Hell,  II  1,  45  u.  P.  A.).  Phaidros  aus 
Sphettos  (Schaf.,  Dem.  UI«  367).  Antiphilos  (Schaf,,  Dem.  IIP  373). 
Pliokion  (Schaf.,  Dem.  111*^380,  3).  Euetion  aus  Sphettos  (Schaf.,  Dem. 
lir^381  u.  P.  A.). 

Nachdem  ich  so  meinerseits  eine  Strategenliste  aufgestellt  habe,  dehne 
ich  nunmehi-  meine  Untersuchung  betreffs  der  Vermögensverhältnisse  auf 


1)  Festschr.  d.  Fr,  mih.  Gymn.,  Berlin  1897,  p.  90. 

2)  Handh.  d.  Gr.  Epigr.  II 101. 


26  J.  SumämaO, 

aDe  Ol»  bduumten  Strmtegeii  des  Jakridmderts  asL  (Über  die  Stntegea 
400—360  T.  Oa.  s.  zn  Bdod^  ^«t  fW.  295t) 

Als  Belebe  and  die  Fdgeoden  za  bezeiduMB: 

Sga&ißavlag  jivxav  ^m^utg,  mebmiils  Trienrdi  (F.  Ä^  7310). 

'AwvTO^  'Aw&m4i0wogf  nloC^icg  ix  flvpöcdt^tHzig  (SAoL  Fiat.  Apol,  18  b). 

lytxifarr/s  Tifio&iov'Paftvawfiog.  AngeUicb  Ton  nkdriger  HerkmifL 
Vielleicbi  ist  er  jedocb  frfib  in  eine  gute  VarmfigCBslage  gekinunen,  TgL 
Plni.  Apcphteffm.  Ipkicr.  Ip.  187  a:  ^If^x^ai^s^  ioMmv  vics  ä^ai  tfzvroro- 
fiov^  7canq>gowüto'  So^aw  iH  ritt  ngifwaw  &rjf,  ort  tgawfuaiag  nolhtiaw 
äwSga  fi^ra  xiw  SnXmw  Kßhta  avraoMaöag^  dg  Tf[w  itnrroC  rgni^  ^ktitvc/- 
x€P.^  Später  hat  er  sich  gnnse  Beichtüm^  »ir(Hl)ai  und  sieh  mit  der 
Tochter  des  Kotys  verheiratet  Sein  Sohn  Menestheos  wird  als  Trierarch 
erwähnt 

Kovtaw  Tifio&iov  'AvaylvötioQ^  ans  Tomehmer  nnd  reicher  Familie 
(Beloch,  Att.  Pol;  Plnt  Solan  15).  Sein  Sohn  Timotheos  unter  den  reichsten 
Bfirgem,  s.  unten. 

Kalliag  'Insioplxov  'Ayxvi^&tp.  Sein  Vater  ffipponikos,  Sohn  des 
Kallias,  nlovaiiiTaTog  rw  'Elkn^mw  (Andoc  1 130),  er  selbst  ^famosus 
ingenii  sumptu'^  (P.  A.  7826). 

Xaßgiag  Krrfiinnov  Ailtnuvg^  zuletzt  als  Trierarch  ums  Leben  ge- 
kommen (Dem.  XX  81).  Sein  Sohn  Etesippos  kommt  mehrmals  als 
Trierarch  in  den  Seeurk.  vor. 

üafi^dog  KuftaJhjg,  frfiher  Znnagxoq  und  sehr  reich.  Seiner  Tochter, 
die  er  mit  Mantias  aus  Thorikos  verheiratete,  gab  er  100  Minen  Mitgift 
(Dem.  XL  20). 

'Ayvi^iog  KoklvtBvg  war  in  der  Finanzverwaltung  tätig  und  trat  an 
die  Spitze  einer  Gesellschaft  zur  Pachtung  des  Zolls  im  Piräus  (Andoc. 
I  133.  Boeckh,  Staatsh.  I^  384).  Sein  Enkel,  Kallimedon,  ist  Pächter  eines 
Bergwerkes  (11«  780). 

QgaavßovXog  Ogdautvog  KokXvrevg,  von  Lysias  als  Mitglied  einer 
alten,  reichen  Familie  genannt  (XXVI  21  f.). 

/Ifllialvtxog  JfjfAiov  Ilaiavitug,  ein  Buzyge,  yvkagx^v  ivixa  av&in* 
naalq  (U^  1305  b).    Die  Familie  überhaupt  reich  (s.  oben  S.  7). 

Evvofiog:  vielleicht  derselbe  unter  den  Schülern  des  Isokrates  (P.  A. 
5861.  Isokr.  XV  93);  über  den  Preis  von  2000  Dr.  für  den  Unterricht 
dui'ch  Isokrates  s.  oben  S.  15. 

KakXlötQatog  KaXXixQatovg  *Aipi5vaJog:  seine  Frau  unter  denen,  die 
der  Artemis  Brauronia  Weihgeschenke  darbringen  (II- 758  B.  Kol.  II  17); 
sein  Sohn  ist  Trierarch  (P.  A,  8157). 

Tifio&tag  Kovußvog  'AvayXvötioSt  einer  der  Reiclisten  in  Athen  (vgl. 
P.  A.  13  700). 

/ivtüxXfig  2:TQOfAfltxiSov  Elwvvfiivg,  aus  einem  alten  Geschlechte,  das 
zu  den  ersten  in  Athen  gezählt  wurde  (Beloch,  Att  Pol  94,  4).  Sein 
Vater  und  Urgrossvater  mehrmals  Strategen  (s.  zu  P.  A.  4386). 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozicU-politischen  Geschichte  Athens.      27 

Xagtis  Gioxdgovg  *Ayj^$k^&tv  als  Trierarch  und  Choreg  bezeugt  (P.  A. 
15292). 

Adxm  Adxnto^  Allwvn^,  aus  einer  alten,  vornehmen  Strategen- 
familie. Sein  Bruder  Melanopos  wird  von  Demosthenes  als  nXovtfiog  be- 
zeichnet (s.  unten). 

*Agiatoydiv'AQi(fToydvovg*ACr]vievg:  sein  Sohn  Trierarch  (P.  A,  2013). 

Mvjc&ivrjg,  wahrscheinlich  reich  (vgl.  Diod.  XV  95,  3 :  „Ol  8i  'A&ti- 
valoi  naQO^vv&ivtig  xov  fiiv  Ai(uö&ivovg  tag  ngoöovov  &dvaTOV  xatiyvfocav 
xai  tiiv  ovaiav  kS^^waai^K 

KfifiaoSoTog  wurde  zu  einer  Busse  von  5  Talenten  verurteilt,  die 
er  bezahlt  zu  haben  scheint,  weil  er  später  wieder  im  Staate  tätig  war. 

Xagi8p]fiog  ^ilo^ivov  'Axagpdg  hatte  sich  als  Söldnerführer  Reich- 
tümer erworben  und  wird  in  den  Seeurk.  334/3  als  Trierarch  erwähnt. 

Maptlag  Mapvi&iov  Qogixiog  hat  zweimal  reich  geheiratet  (vgl. 
P.  A.  unter  üdfiydog  Kugiding), 

'El^fixtatidrjg  Qogixiog.  Derselbe  allem  Anschein  nach  als  Trierarch 
11*^  799b  14,  15  verzeichnet,  wo  zu  ergänzen  wäre: 

8toiAi[yi^  *Eitix'\iati8o 
Qog\}x(\o\ovfAiÄ\og\l€^, 

/lioxXijg  'AXutntx^&ev  ist  Trierarch  um  356/5  (P.  A.  4015). 

Mivia&tig  'lyixgärovg  'Pafivovaiog^  Trierarch  in  den  Seeurk.  c.  340 
und  später  (P.  A.  9988). 

Mildvunog  jidx^Tog  Al^iovivg^  nXovaiog  (Dem.  XXIV  112). 

NavmxXr,g  KXtdgxov 'Oijd'iv,  Trierarch  (IT«  808a  121). 

MoXoTTog.  Sein  Grabdenkmal  an  der  Heiligen  Strasse  erwähnt 
Pausanias  (I  36,  4). 

Ugo^ivog  *AgfAo8iov  ^AyiSvaiog^  Trierarch  um  342/1  und  iyyviivtjg 
TtZv  xgntQfav,  iv  ol  Xakxidijg  tXaßov  340  (P.  A,  12270). 

0ai8gog  KaXXiov  Syi^Triog,  Trierarch  und  kyyvfitiig  rgn^giav  (P.  A. 
13964). 

Jionti&Yig  üovviivg.  „Cum  mercetmariis,  quos  ipse alit  (Dem.  VIII 19), 
agrum  a  Macedonibus  ad  Propontideni  occupatum  infestum  reddit^  P.  A. 
4327.    Sein  Sohn  Diphilos  konmit  als  Trierarch  vor. 

JegxvXog  AvroxXiovg  'Ayvovöiog  als  ij^yvtjTtig  rgitjgwv  (II*  804  B.  a); 
ebenda  sein  Bruder  Kallias. 

Kfiq)iao<pwv  KeyaXiwvog  \4yt8patog,  Trierarch  um  342/1. 

Jioxifiog  /lionti&ovg  Evwvvfitvg.  „Inter  homines  divites  et  trierar- 
chos  est,  qui  precibus  adhibitis  impedire  studebant,  ne  Midias  damnaretur^ 
(Dem.  XXI  208)  P.  A.  4384.     Trierarch  und  fyr^fjTrjg  rgirgtov. 

OgaavftovXog  Qgdtfwvog  ^Egx^^vg  aus  einer  alten,  vornehmen  Familie. 
Über  seinen  Oheim  Lysitheides  s.  zu  Plut.  De  gen.  Socr.  575  e:  „narigiov 
ovrag  a^^a&üv".  Sein  Sohn  kommt  in  einer  Inschrift  aus  dem  Ende  des 
4.  Jahrh,  vor  (11*  786  R  13),  unzweifelhaft  als  Trierarch. 


28  J.  Sundwall, 

Jfjfjiddrjg  /Itjuiov  üatavievg  ist  angeblich  Sohn  eines  Schiffers,  selbst 
fi-üher  Schiffszimmermann  und  sehr  arm  gewesen.  Nach  Boeckh,  Seeurk.  234 
war  er  jedoch  aus  dem  Geschlechte  der  Lakiaden,  also  einem  alten  attischen 
Adelsgeschlecht  (Töppfer,  AU.  Oen.  316),  und  muss  sich  schon  vor  340 
ein  Vermögen  erworben  haben,  weil  wir  ihn  in  diesem  Jahre  als  iyyvfiTr,Q 
rgiijgoov  in  den  Seeurkunden  (11^  804  B.a.  29)  finden.  Später  ist  er  eben- 
da um  323/2  unter  den  Schuldnern  verzeichnet. 

Adxm  Mikavüinov  M^atvBvg]  sein  Vater  reich  (s.  oben). 

^doxX^g,  ^ovaiav  ^x^v  noXXrpf^.    (Deinarch.  HI  18). 

JirXaioyivrig  MevB^ivov  Kvda&rjvaievg,  aus  einer  sehr  reichen  Familie 
(s.  P.  A,  3775). 

Aewa&evTjg  Keyakij&ev,  Nach  P.  J.  9142  wird  der  berühmte  Feld- 
herr auch  als  Trierarch  vor  323/2  en^^ähnt. 

Everiwv  AvxoxXiovg  S^firziog^  Trierarch  i.  d.  Seeurk.  um  323  (s.  zu 
P.  A,  5461  u.  5463). 

Xagiag  Ev&vxgdxovg  Kvda&fjvainfg ,  (ngatr^Yog  ^tiI  ttjv  ywgav  kurz 
nach  323  (P.  A,  15  346).    Trierarch  um  326/5. 

JtjfA^rgiog  ^avoargdrov  0aXt]gevg.  Das  vierte  Mal  als  Strateg  um 
314/3,  11-^1217.  Sein  Vater,  noch  bei  Timotheos  Sklave,  später  aber 
wohl  freigelassen  (Ostermann,  De  Dem.  PhnL  vita  1847  S.  5 f.),  hat  es 
wahrscheinlich,*  wie  es  ja  vorkommen  konnte,  zu  Vermögen  gebracht, 
denn  der  Sohn  bekam  eine  gute  Erziehung  und  war  auch  Hipparch. 

Ovfioxdgrjg  0aiSgov  üytJTTwg,  Strateg  316/5,  315/4  u.  313/2  (Ditt. 
Sf/lU  213,  4.  9.  10).    Sein  Vater  reich  (s.  oben). 

^BgexkeiSf]g  (Pegexliovg  ÜBgid-oidr^g ,  Strateg  am  Ende  des  4.  Jahrh., 
kommt  in  einer  Freilassungsurkunde  vor  (II  ^  772). 

Die  Vermögenslage  der  Folgenden  lässt  sich  nicht  ermitteln. 

'AgxJvog  kx  Koiktjg,  der  bekannte  Staatsmann.  Sein  Sohn  Myionides, 
ob  pecunias  7ion  solutm,  ut  videtur,  multafus,  Dem.  XXIV  135  (P.  A, 
10512). 

Jidrifiog,  nach  Beloch  ein  Sohn  des  Strombichides  aus  Euonymoii,  was 
jedoch  ganz  unsicher  bleibt. 

'Egyoxkrjg,  Propter  civitates  re,rntas  pecumnsque  furtire  nhltifus  in 
ins  vocatur,  Lys.  XXVin  1  f.  (P.  .1.  5052). 

fPtloxguTtjg  ^EfpidXrov. 

KleoßovXog  rXavxov  A^agveCgj  der  Onkel  des  Redners  Aischiiies. 

Jtovvatog. 

y/BOVTixog, 

^Paviag. 

KTf]CixXrjg. 

Jr]ao<pu)V. 

<PoguifjDV. 

^novdiag. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      29 

Tifiofiaxog  'Äxagvtvg:  sein  Vater  l^vXovgyog  (1*321  p.  75).  Dieses 
Gewerbe  wurde  von  mehreren  attischen  Bürgern  betrieben.^)  Vielleicht 
ist  er  dadurch  vermögend  geworden.  Auf  jeden  Fall  muss  der  Sohn 
infolge  Verschwägerung  mit  Kallistratos  aus  Aphidna  ein  hohes  soziales 
Ansehen  gehabt  haben. 

^Egyofpihig. 

KaXha&ivYig, 

^AXxlfiaxog  'Apayvgaaiog. 

^(OTcitav  0WXOV  ['IfiaTiddrig]  (P.  A,  15  076).  Über  ihn  Vgl.  Scherling 
(a.  0.  68)  u.  Bemays  (Phokion  128),  der  die  Übertreibung  seiner  Armut 
bei  den  Rhetoren  nachweist.  Man  darf  ihn  also  wohl  mit  Sicherheit  zu 
den  Wohlhabenden  rechnen. 

QtoTifAog. 

Mivtav  novdfiiog, 

^iXoxccQfjg  'Pafivovaiog  kommt  auf  einer  Grabinschrift  vor  (II  ^  2533). 

'EyidlTfjg,  unter  den  ersten  Männern  im  Staate  bei  Demosth. 
Epifit  III  31  erwähnt. 

*IIyriaiXiwg  (IlQoßaUaiog?) ,  Vetter  des  Staatsmannes  Eubulos,  der 
einer  reichen  Familie  angehörte. 

fPiloxdgfjg'Atgofit^Tov  Ko&atxi3f]g.  Sein  Vater  war  ursprünglich  reich 
und  gehörte  einem  alten,  vornehmen  Geschlechte  an  (P.  A.  2681).  Sein 
Sohn  hat  sich  wohl  auf  den  Feldzügen  unter  Iphikrates  Reichtümer  er- 
worben. 

HTQatoxkijg. 

uivaixXr^g. 

JuvoxQdrrjg. 

Jiui^avÖQog. 

'Avriyikog. 

/iigxvlog,  Strateg  319/8  ini  r^g  xf^gag  (Droysen,  Oesck  il.  Hell  II  210). 

A\cxnrdSf]g,  Strateg  318/7  (Paus.  135).  Ob  er  mit  //.  Ugotivov 
MekiTBvg  zu  identifizieren  ist  (Wil.-Moell.,  Arist.  u.  Athi^n.  1230  A.  90), 
lässt  sich  nicht  entscheiden. 

Nixcjv,  Strateg?  307/6  (H*^  736  B). 

'Hyriaiag,  argartjyog  int  r^v  nagaaxtvriv  306/5  (II- 733  B). 

'AgiaxvXlog,  Strateg?  306/5  (11«  733 B). 

VXviinioSuigog^  Strateg  301/300  (P.  A.  11388). 

44  Strategen  sind  also  direkt  als  reich  bekannt;  für  weitere  35  felilt 
es  an  jedem  Anzeichen,  dass  sie,  als  etwas  weniger  wohlhabend,  auch  nur  dem 
Mittelstande  zuzuweisen  wären.  Somit  ist  es  über  jeden  Zweifel  erhaben, 
dass  dieses  Amt,  das  während  des  4.  Jahrhunderts  noch  von  allen  die  grösste 


1)  VgL.  Scheriing,  qmb.  reb.  ««Nf.  Ait      k^  m^  Mf.  18W  &  46. 


30  J.  Sundwall, 

Bedeutung  hatte,^)  beinahe  ausschliesslich  mit  Leuten  aus  den  reichen,  ja 
reichsten  Familien  besetzt  wurde.  Wir  finden  hierfür  Belege  auch  bei  Aris- 
toteles {Polit  ni,  VI  1 1 :  „Tijg  fiiv  kxxhjaiag  ^txixovai  xai  ßovXivovai  xai 
öixd^ovaip  ano  (iixqvjv  rifitjfiaTcav  xai  Tfjg  rvxovatjg  ^kixiag^  rafiiivovai 
öi  xai  atQati]yovGi  xai  vag  fisylatag  äg^ag  äg^ovaiv  ano  fityakfüv^).  Ja, 
wenn  Hauvette-Besnault  (a.  0.  S.  48  u.  A.  5)  bereits  auf  Grund  der 
literarischen  Überlieferung  die  Behauptung  aufgestellt  hat,  dass  es  noch 
im  vierten  Jahrhundert  einen  gewissen  Militär- Adel  gab,  in  welchem 
sich  die  militärischen  Wüi'den  vererbten,  so  brauchen  hier  zum  Belege 
nur  folgende  athenische  Offiziere  genannt  werden:  Konon  aus  Ana- 
phlystos  und  sein  Sohn  Timotheos;  Iphikrates  und  Menestheus;  Manti- 
theos  aus  Thorikos,  der  Hippeus  war,  sein  Sohn  Mantias  als  Strateg 
und  dessen  Sohn  wieder,  Mantitheos,  als  Taxiarch;  Laches,  S.  d.  Me- 
lanopos  aus  Aixone  als  Strateg  während  des  Peloponnesischen  Krieges, 
sein  Sohn  Laches  als  Taxiarch  wählend  des  Korinthischen  Krieges  (vgl. 
P.  A.  9012  u.  9017),  seine  Enkel  Melanopos,  Strateg  355/4,  und  Laches, 
Strateg  364/3  (vgl.  P.  A.  9018),  ein  Urenkel  Laches,  vielleicht  Strateg 
im  Zeitalter  Alexanders  (s.  oben);  Thrasybulos  aus  KoUytos,  Strateg  um 
387  und  Thi-asybulos ,  S.  d.  Thrason  aus  Erchia,  Strateg  335/4  und 
später,  aus  derselben  Familie  (vgl.  P.  A,  7305);  Phaidros,  S.  d.  Thymo- 
chares  aus  Sphettos,  Strateg  347/6  und  später,  sein  Sohn  Thymochares, 
Strateg  316/5  und  später,  sein  Enkel  Phaidros,  Strateg  296/5  und 
später;  Kleobulos  S.  d.  Glaukos  aus  Achamai,  Strateg  während  des 
Korinthischen  Krieges,  sein  Neffe  Philochares,  S.  d.  Atrometos  aus  Kotho- 
kidai,  Strateg  345—43;  Diotimos,  S.  d.  Strombichos  aus  Euonymon, 
Strateg  433/2,  dessen  Sohn  Strombichides ,  Strateg  412/1  und  später, 
sein  Enkel  Autokies,  Strateg  368/7  und  später,  ein  Nachkomme  Diotimos, 
Strateg  338/7  und  später;  die  Familie  des  Dikaiogenes,  S.  d.  Menexenos 
aus  Kydathenaion ,  in  der  mehrere  Mitglieder  Strategen  und  Phylarchen 
während  des  fünften  und  vierten  Jahrhunderts  waren  (vgl.  P  A,  3773), 
zu  welcher  auch  Proxenos  aus  Aphidna,  Strateg  -347/6,  gehörte ;  Demai- 
netos^  S.  d.  Demeas  aus  Paiania,  Phylarch  nebst  seinen  beiden  Söhnen, 
und  Strateg  388/7. 

Ja,  es  war  wohl  schon  für  weniger  Vermögende  so  gut  wie  unmög- 
lich, das  Strategenamt  zu  erlangen,  weil  es  an  einer  regelmässigen  Be- 
soldung aus  der  Staatskasse  fehlte,  wie  sie  z.  B.  den  Gesandten  und 
mehreren  anderen  Beamten  zukam.  Ihre  Ausgaben  konnten  sie  zwar 
auf  die  Rechnung  des  Staates  setzen  (Hauvette-Besnault  a.  0.  S.  138), 
aber  sie  mussten  doch,  um  die  Geschäfte  überhaupt  in  Angriff  nehmen 
zu  können,  über  ein  gewisses  Vermögen  verfügen.  Auf  der  anderen 
Seite  wurde  natürlich  bei  der  Wahl  der  Strategen  auf  die  mili- 
tärische Erfahrung  der  Kandidaten  Rücksicht  genommen,  und  weil   zu 


1)  Swoboda,  Bh.  Mm.  XLV  289  ff. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      31 

den  Offlziersposten  bei  der  Reiterei  nur  Bürger  aus  den  zwei  höchst 
besteuerten  Klassen  genommen  wurden^)  und  die  Taxiarchen  gleichfalls 
wohl  meist  reiche-)  Leute  waren,  war  der  Zutritt  zum  Strategeion  in 
der  Tat  dem  Mittelstande  erschwert  Daher  erschien  es  auch  bemerkens- 
wert, wenn  Phokion,  der  doch  nicht  unbemittelt  war,  einfach  gleich 
einem  gewöhnlichen  Bürger  lebte  und  auftrat. 


1)  Schoemann-Lipsius,  Gr,  AU,  I  *  462. 

2)  Wenigstens  sind  die  uns  bekannten  Taxiarchen  reich:  Laches  aus  Aixone 
(s.  oben);  Mantitheos  aus  Thorikos  (s.  oben)  und  Bularchos  aus  Phlya  (sein  Sohn  unter 
den  reichen  Leuten,  die  der  Hierophant  für  den  Tempeldienst  des  Pluton  auserwählt 
hatte,  11*948). 


3.   Die  Diaiteten. 

Es  könnte  scheinen,  als  ob  eine  Untersuchung  über  die  Diaiteten  in 
der  Art  wie  die  vorhergehende  keine  für  uns  in  Betracht  kommende 
Schlussfolgerungen  ergeben  könne,  da  diese  Beamten,  wie  aus  Aristoteles 
hervorgeht  (A&.  tzoX,  53),  ganz  einfach  durch  die  Aushebung  des  letzten 
Jahrganges  der  Militärpflichtigen  bestellt  wurden.  Hat  man  doch  Aristo- 
teles so  verstanden,  dass  an  alle  im  sechzigsten  Lebensjahre  stehenden 
Bürger  zu  denken  sei,  sofern  sie  nicht  durch  Bekleidung  eines  anderen 
Amtes  oder  durch  Abwesenheit  verhindert  gewesen  wären.^)  Indessen 
steht  dies  gar  nicht  fest.  Gilbert'-)  hat  nämlich  darauf  hingeT\iesen,  dass 
die  MusterroUen  der  zehn  Phylen  die  Namen  aUer  Bürger  enthielten,  die 
den  drei  ersten  Solonischen  Schatzungsklassen  angehörten  und  deshalb 
zum  Hoplitendienst  verpflichtet  waren;  also  selbst  die  Epheben  haben 
als  HopHten  gedient.'^  Infolgedessen  wären  nur  die  zum  Hoplitendienst 
Verpflichteten  als  Schiedsrichter  ausgehoben.  Ich  glaube  auch  aus  den 
Inschriften  eine  Bestätigung  dieser  Schlussfolgerung  geT^innen  zu  können. 

Unter  den  Diaitetenlisten  im  Corpus  ist  allerdings  nur  eine  voll- 
ständig erhalten,  nämlich  11-  943;  denn  eine  andere,  11-  944,  die  für  vier 
Phylen  89  Namen  hat,  also  insgesamt  nach  der  Schätzung  Bergks*)  un- 
gefähr 240  Namen  enthielt,  kann  ich  als  Diaiteten  Verzeichnis  nicht  an- 
sehen.^) Meine  Ansicht  stützt  sich  darauf,  dass  in  der  Inschrift  sich 
zweimal  zwei  Brüder  nebst  Verwandten  finden.  So  sind  unter  den  0lvB7g 
Kofir^Tidfig  'ApTtyBPtSov  und  'Avnyivrig  ^AvriyBvldov  ohne  Zweifel  Brüder 
(vgl.  P.  A,  8694),  und  auch  Xagiaavöoog  *Avtiytv — ,  wo  man  entweder 
'AvTiyivovg  oder  'Avnyepiöov  ergänzen  muss,  ist  wohl  ein  naher  Ver- 
wandter; unter  den  Dekeleiem  kommen  ebenfalls  2!dvviog  ÜTQaroxkiovg, 

1)  Vgl.  Hermann -Thumser ,  Gr,  Staatsalt.  I*'  1,  592;  Piscliiuger,  De  arbitris 
Ath.  publicis  1893,  S.  9;  Thalheim  bei  PatUi/-}yis80tca  unter  Jiuirrixui. 

2)  Gr,  StaatsaU.  I«353  u.  Anm.  1. 

3)  Dass  die  Theten  nicht  Hopliten  waren  und  dass  ihre  Namen  nicht  in  den 
MusterroUen  standen,  hat  Gilbert  ebenda  nachgewiesen. 

4)  Bhein,  Mus.  VII 183. 

5)  Auch  Gilbert  (a.  0.  S.  485  Anm.  4)  und  Hubert  (De  arhitria  Att.  et  privatis 
et  publicis  1885)  verwerfen  uie  als  solches. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial -poVitischeyi  Geschichte  Athens.      33 

sein  Bruder  O^oSutgog  SxqaxoxXiovg  und  IIv&wv  Savviov  aus  derselben 
Familie  vor.  Somit  können  wir  hier  nicht  an  Diaiteten  denken,  es 
wäre  denn,  dass  diese  Zwillinge  wären,  was  ganz  unwahrscheinlich 
ist.  Dazu  kommt  noch,  dass  eine  Schwankung  in  der  Zahl  der  Sechzig- 
jährigen zwischen  103  in  einem  Jahre  und  240  in  einem  anderen  zu 
gross  ist,  um  glaubhaft  zu  erscheinen,  denn  man  muss  nach  Aristoteles 
Worten  annehmen,  dass  jeder  Diaitet  mehrere  Proze^e  zu  entscheiden 
hatte  ^)  und  dass  folglich  alle  unter  den  Eponymen  Eingeschriebenen, 
die  oben  S.  32  Z.  7  Erwähnten  ausgenommen,  als  Diaiteten  ausgelost 
w^irden.    Wir  haben  uns  somit  nur  mit  der  Zahl  103  zu  beschäftigen. 

Unter  diesen  können  wir  nun  folgende  Reiche  feststellen: 

Ntxtag  Aa^ntQtvg.  Wahrscheinlich  ist  sein  Vater,  Nikias  aus  Lamp- 
trai,  Trierarch  377/6  (IP  791,  27). 

KXiaivtvog  'Ixagnvg,  Trierarch  um  342  (11-  803  e  54). 

Ev&vxkrjg  MiQaSniTf]g,  mehrmals  als  Trierarch  i.  d.  Seeurk.  eii^ähnt 
(P.  A.  5580). 

^aoxgdTfjg  Ilogiog,  Trierarch  um  342  (11 2  803  b  150). 

Mvijaiuaxog  'Axagvng,  Choreg  (IX-*  1280). 

Ilvd-oduigog  'Axagvng,  Trierarch  um  356/5  (P.  A.  12413). 

KalliargaTog  TlaXhiviig,  der  Sprecher  in  der  Rede  wider  Olympio- 
doros  (Dem.  XLVIII,  vgl.  Schaf.,  B.  237 f.).  Sein  Bruder  Kallippos, 
ebenda,  ist  später  als  Trierarch  verzeichnet  (II- 811c  216). 

/lionildrig  K^]ipiauvg,  Vater  des  Komödienverfassers  Menandros.  Dieser 
war  aus  einer  vornehmen  Familie  (P.  A.  9875:  ^^geiite  nohiVi  oriumlus^. 
Anonym,  de  com,  XV  79). 

KalXaiaxgog  0t]yovaiog,  ein  Nachkomme  des  Kritias,  einer  der 
30  Tyrannen  (P.  A,  7765),  der  sehr  reich  war  (Xen.  ^fem.  I  2,  25). 

<I>tkoxgaTi]g  IlgoanaXxiog,  S.  ZU  11^  1142  e  über  einen  Grenzstein  einas 
zur  Sicherstellung  der  Mitgift  seiner  Tochter  Menestrate  verpfändeten 
Grundstückes  und  Hauses  zu  einer  Summe  von  1500  Dr. 

'AgX^Sfjfiog  JlytXuvg.    Derselbe  Prytane,  s.  oben  S.  7. 

Ev&vyg(ov  jtaunxgtvg.  Sein  Sohn  htoygatv  Ev&vipgovog  A,  vaonoiog 
in  Delphi.     Über  die  Naopoioi  s.  Ditt.  Sgll^-  140,  57, 

Unter  den  ungefähr  100  Bürgern  sind  also  wenigstens  12  reich.  Dies 
Verhältnis  findet  eine  gute  Stütze,  wenn  man  die  übrigen  als  Diaiteten- 
verzeichnisse  gesicherten  Inschriften  in  derselben  Bezieliung  prüft.  In 
TI-  94 P)  sind  uns  unter  9  erhaltenen  Namen  3  für  Trierarchen  bezeugt; 

1)  *A&.  noX.  53  ^inixXriQOvaiv  ug  kxaörog  c)iaiTiJ<?*i*.  Pischioger  a.  0.  ^idem  arhüer 
(liversas  Utes  diversis  locis  instruebat*. 

2)  Ausser  ^TntQtidrig  KoXXvttvg  und  XaQiSrmog  Uaiavisvg^  die  als  Trierarchen 
i.  d.  Seeurk.  vorkommen,  kann  man  ohne  Zweifel  Z.  3  unter  'E^h%^7iidog:  Bk6i]bvog 
ergänzen ,  der  mit  dem  Trierarchen  Sko^ivog  E^tavv^uvg  in  den  Seeurk.  aus  325/4  u. 
823/2  identisch  wäre  (vgl.  damit,  dass  der  oben  erwähnte  Xa^idrutog  Uaiuvuvg  auch 
i.  d.  Seeurk.  c.  323  vorkommt). 

Sund  wall,  Bpignphitohe  B«itrftg«  snr  SosiAlpoUtik  Athnu.  8 


34  J.  Su/ndwall 

in  IP  942^)  von  ungefähr  10  wieder  4  für  Trierarchen  oder  Mitglieder 
von  Trierarchengeschlechtem.  Eine  Zahl  von  12  Reichen  auf  rund 
100  Diaiteten  ist  wohl  zu  niedrig  gegriffen;  wenn  wir  aber  an  ihr  fest- 
halten, muss  ihr  eine  Zahl  von  rund  200  Bürgern  entsprechen,  d.  h.  die 
Zahl,  die  man  für  diese  Altersklasse  der  ganzen  Bürgerschaft  annehmen 
kann.  Nach  der  Berechnung  von  Francotte^)  kann  man  durchschnittlich 
die  Bürger  zwischen  50  und  60  Jahren  auf  2772  annehmen,  also  die  im 
60.  Lebensjahre  Stehenden  auf  225 — 50,  zu  welchen  Zahlen  auch  Goodell**) 
gekommen  ist.  Dagegen  würde  eine  Zahl  von  rund  100  den  9000  Bürgern 
mit  Hoplitenzensus  ungefähr  entsprechen.*) 

Also  würden  wir  hiermit  eine  Bestätigung  der  oben  gezogenen  Scliluss- 
folgerung  haben,  dass  die  Diaiteten  nicht  der  Klasse  aUer  sechzigjährigen 
Bürger,  sondern  nui-  den  zum  Hoplitendienst  Verpflichteten  unter  diesen 
entnommen  wurden. 

Es  wäre  ja  auch  nicht  im  Interesse  der  armen  Bürger  gewesen  sich 
als  Diaiteten  zu  betätigen,  ohne  grössere  Entschädigung  als  die  der 
nagdavaatg,  die  ihnen  nur  1  Dr.  von  jeder  Partei  einbrachte  (Hermann- 
Thumser,  Ch-iech.  Staatsalt  1^1,  591).  Dieser  Besoldungsmodus  aber  war 
eine  bequeme  Art  ohne  Kosten,  für  den  Staat  Richter  zu  beschaffen  wie 
Wilamowitz  (Aristoteles  und  Athen  1224)  bemerkt,  und  die  besitzenden 
Klassen  haben  dadurch  wiederum  nur  an  Einfluss  gewonnen. 


1)  Mi%ioiv  £xaiLßü}vi&rig,  Eijtticav  AiftoxXiovs  -l^i/Tnog,  Eid-v&rnios  *Ayvovaiog  als 
TrierarcheD.  K€dliccg  KaiXitiXovg  Soglxiog:  sein  Sohn  Kallias  und  sein  Bruder  Kalli- 
teles  als  Trierarchen  verzeichnet  (P.  A,  7866).  Von  der  Inschrift  II ^  1014,  die  als 
Diaitetenverzeichnis  angesehen  wird  (Larfeld  a.  0.  II  177),  haben  wir  nur  sehr  ver- 
stümmelte Reste,  die  nur  2  Namen  erkennen  lassen.  Vielleicht  kann  man  noch  Z.  7 
lesen : 

g  jirlysifj^sv]. 

In  der  literarischen  Überlieferung  finden  wir  noch  als  Diaiteten  Folgende  erwähnt: 
363.  Stgcitav  ^cdriQSvg  (Dem.  XXI  84),  c.  357/6.  Hv^däagog  ix  Krid&v  (Dem.  XLVII  5), 
352/1.  Tnalas'AxaQVBvg  (Dem.  XLyS)j  c.SbO.  Zolav 'Egx^tvg.  Von  diesen  wird  Pytho- 
doros  aus  Kedoi  als  Trierarch  erwähnt.  Von  Straton  aus  Phaleron  heisst  es  bei 
Demosthenes:  ^&vd'Qa>nog  nivrig  ^^^  ^^S  ^^^  dTtgaYf^v^  äXlag  d'  ov  novriQog,  6dXa  xal 
ndvv  %Qr\ax6g*.  Diese  Worte  enthalten  augenscheinlich  eine  rhetorische  Übertreibung, 
um  Straton  in  desto  deutlicheren  Gegensatz  zu  dem  überreichen  Meidias  zu  stellen 
(vgl.  damit,  wie  Demosthenes  ebenda  von  sich  selbst  spricht,  §  112). 

2)  LHndusirie  dans  la  Grece  anciennc  I  165. 

3)  Amer.  Jour.  of  Phil.  XU  320. 

4)  Hierzu  müssen  wir  noch  die  Zahl  der  Bürger  rechnen,  die  durch  Amter  ver- 
hindert waren,  Diaiteten  zu  werden;  doch  kann  diese  Zahl  sich  für  eine  Altersklasse 
bei  ungefähr  1500  Ämtern  (vgl.  Busolt,  Gr.  Alt.  IV-  1,  S.  165  Aum.  6,  höchstens  auf 
rund  50  belaufen  und  für  die  mit  Hoplitencensus  auf  rund  25. 


4.   Die  Marinebehörden. 

Bei  der  tiberwiegenden  Bedeutung  des  Seewesens  für  die  Macht- 
stellung Athens  waren  natürlich  die  Behörden,  denen  es  oblag,  für  die 
Flotte  zu  sorgen,  von  grosser  Wichtigkeit.  Der  oberste  Verwaltungsrat 
in  Marineangelegenheiten  war  der  Rat  der  Fünfhundert*)  Die  übrigen 
T^ichtigeren  Behörden  wollen  wir  hier  besprechen,  so  weit  sie  uns  be- 
kannt sind. 

Die  Aufseher  der  Werften,  imfAilr^ral  xtuv  vmQmv,  die  mit  der  Be- 
aufsichtigung und  Instandhaltung  des  gesamten  Materials  der  Seemacht 
beauftragt  waren,*)  waren  eine  regelmässige,  jährige,  zehnmännige,  nach 
Phylen  erloste  Behörde.^)  Aus  den  Seeurkunden  sind  uns  folgende  für 
das  4.  Jahrh.  bekannt:*) 


Jahr.  Inschrift.  I  NameD. 


378/77.   I  II»  803c.  148. 
„      d.  62. 


Stoyvig  Boviddtjg  VI. 


377/76.    I  IV'  791,  1 ■  .ii]oxl[irts^)  na']u[ft]w{T(iöt3g)  L 


1)  Kolbe,  Ath.  Mitt,  XXVI  397. 

2)  Boeckb,  Seeurk,  S.  48. 

3)  Gloti  (unter  Epimeletai,  Daremberg-Saglio)  vermutet,  dass  sie  ein  AuBschuM 
des  Rates  seien,  aber  die  Erwähnung  von  Mnesikles  aus  KoUytos  spezieU  als  aiQt^tlg 
ix  Tijg  ßovXfjgj  zur  Ausübung  derselben  Funktionen  wie  die  Epimeleten  (Seeurk.  X  379), 
widerspricht  dieser  Vermutung. 

4)  Ich  stelle  hier  ein  Verzeichnis  aller  als  iniiuXriTal  vstagltav  bekannten  Athener 
auf.  Allerdings  hat  schon  Ulotz  ein  solches  Verzeichnis  (a.  0.)  gegeben,  allein  dies 
ist  weder  ganz  genau,  noch  hat  die  später  veröffentlichte  Inschrift  IP802b  von  ihm 
verwertet  werden  können;  aosserdem  habe  ich  noch  einige  hierher  gehörige  Namen- 
reste ergänzt. 

5)  Ich  ergänze  auf  diese  Weise  den  Namen  des  Epimeleten  aus  Pambotadai. 
Es  ist  unwahrscheinlich,  dass  hier  sein  Patronymikon  vorliegt,  wie  Köhler  und  P.  Ä: 
annehmen,  denn  die  Patronymika  kommen  sonst  in  den  Epimeletenverzeiehnissen  nicht 
vor  d.  J.  349/8  vor  (Larfeld,  Handb.  d.  Gr.  Epigr.  II 891). 

8» 


36 

J.  Sundicall, 

Jahr. 

Inschrift, 
ü*  791.  2. 

Namen. 

376/75. 

K[a\XlUae]  'Si[a]&(ev)  IJJ.'-) 
i7[oT](«M«>?)?  IV J') 

\  . .  .y^e  KvQT[t]{iSf]e)  V. 

i  .dioyBiTWV  'A^agvivg  VI. 

375/74. 

11*803(1.  58. 

i  MvtiaidSr^g  Ko&atxiStjg  VI. 

374/73. 

II»  803  d.  105. 

'  ^AqifivYiGXog  ^EXaiovaiog  VIII. 

373/72. 


11^789,  1—2. 


II«  803  d.  101. 


Oivo^r'lQaTog*)  'AvayvQÜaiog  I. 
^(zvoaiQaxag  [Taq^lvTiog^'i^)  II. 

///. 

IV, 

'AyvoC\(5iog  V. 


Je^avdQlStjg  ^A^oQ^ivg  VI, 
'Eqyoßiog  'AXauvg  VIII 
UkarcDV  'Avaxauvg  VIII, 

IX, 

X. 


371/70.      112  803  c.  140. 
I        „      d.  109. 


*A^v&i(üV   Evwvvfiivg  I, 
y^axaQiStjg  'EXevaiviog  VIII, 


3()9/68.    I 


n«799c.  7—16. 


SwvSqiSvig  Evwvvfiivg  I 
^Egdratv  *IxaQi£vg  II, 
0a—  2lTBtQievg]?^)  III 
nQOX?.rjg  Koktiivf]&BP  IV. 
Kx]Yiai<p(ivrig'^)  Qoqauvg  V. 


1)  Meine  ErgänzuDg. 

2)  So  steht  unzweideutig  im  Corpus  zu  lesen. 

3)  Ob  dieses  Demotikon  richtig  ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 

4)  Ich  ergänze  auf  diese  Weise  nach  —  OlvoatQcitav  'AvayvQdaiog ,  iy/vrj^rr^g 
c.  338-26  U»  1054  g.  A.  31. 

5)  Boeckh  (Seeurk,  259)  schlägt  dies  Demotikon  mit  der  Begründung  vor,  dass  der 
Epimelet  ein  Vater  des  Archestratos  sein  könnte,  der  um  377  Trierarch  ist  und  Gross- 
vater des  Sohnes  desselben,  Phanostratos,  der  in  den  Seeurk.  353/2  und  323/2  vor- 
kommt. Die  Annahme  ist  jedoch  sehr  ungewiss;  auch  P.  A,  hat  sie  nicht  auf- 
genommen. 

6)  Vielleicht  ist  das  Demotikon  so  zu  er^^änzen.  Dann  würde  es  auf  der  Hand 
liegen,  den  Namen  zu  ^a\^vvos\  zu  ergänzen,  der  für  das  4.  Jahrh.  unter  den  Steiriem 
bezeugt  ist  (P.  A,  13920\  Das  im  Corpus  gelesene  4*cc'g]i  scheint  sehr  unsicher 
zu  sein. 

7)  Ich  finde  im  Text  Spuren  von  T  vor  H,  welche  beide  in  der  rmsehrift  weg- 
gelassen sind,  die  .  .  aitpdvrig  gibt.  Doch  glaube  ich  bestimmt,  dass  vor  — Tiaitpdvrig 
für  zwei  BuchHtaben  Platz  ist;  wir  hätten  hier  also  vielleicht  KT]riai(pdrrig  zu  lesen, 
einen  Namen,  der  allerdings  nirgend  anderswo  bezeugt  ist,  aber  sich  doch  ganz  gut 
liören  läsMt  (vgl.  KtTiai(p(ov  mit  derselben  Bedeutung;.  Diese  Lesung,  di(»  auch  Köhler 
als  müglieh  annimmt,  dürfte  in  der  Tat  richtig  sein,  doch  hat  sie  weder  Glotz  noch  P.  A, 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozml-politisehen  Geschichte  Athens.      37 


Jahr. 


Inschrift 


Namen. 


369m      U»803d.  52, 


368/67. 

II*  799  c. 
ll»803d. 

30    25. 
122. 

— 0?  jtaftnrqtvg  I. 

.  .  .  ößtoi;  Könotioe;  VIII. 

N    tXoe  "Sia&lv  III. 

K                                                                V 

IT]ßu\\{a\s*)  Svntranuv  VII. 
Avaifikog  'Pai)voi'(tiog  IX, 

367/66. 

IM  799c. 
11«  803  d. 

48—54. 
67. 

" .  •  ofe[z]o?  HiQirtoidtji  VL 
^hloxlijg  i^akjjQMvg  IX, 

36BH5        II  -  so:U.  75. 


liyi}Gi?TnOi^  Hhktmh  VII. 


362  ()1. 

II»  803  d.  71. 

(■iioSoTOff  Jt^pive  Vif. 

360/59.   '  ll'a03c.  156.         •E^tixterof^ 'EQ^uvi  II. 
„      d.  89.          1  'An^fiuv  i>Xvtth  VIII. 
^      d.  127.        ;  AtiuoTQOTos  'Alwnixt'i&tv  X. 

357/56. 

Dem.  XXn63.          J^äri-eo?        -.        ? 
Schaf.  P3fi2.         i 

356;55. 

IP803C.  144. 
„      c.  1B9. 
„      d.  48. 
„      d.  82. 
«      d.  114. 

Ktfiffißtot  .iaftntfiivs  I. 
'.■imlinnot,'  'Aga^inog  11, 
Mlvtoe  'fJij&tv  VI 
iuviae  'Alatne  VIS. 
'VtuoXac:  Paßvovetos  IX. 

349/48. 

11 3  802b.  45-63. 

Biinfftoi.-  'Pvltidov  Ttt&gäatos  II- 
0iJi6xalos  'E^nxiov  ix  Ktgaftiuv  V. 
'AvTtfüv  'AQxiov  Kv3a&t]vam>^  III. 
K^ufoä  .  .  oe  Ev^tO'iov?   *pi«^ßiog:  IV. 
~noe  'Apiaro 'Eltlv]iihioe'^)  VIIJ. 

1)  So  erganie  ich  diese  Zeile.  Die  Lesung  scheint  zutreffend  zu  sein  (ygl.  damit, 
dass  Glotz  auch  Ar[is]to ....  liest),  weil  wir  unter  den  WerftaufMihem  333/2  aus  der 
Hippothontis  einen  — iiog  A>^>ir,TitxAiov'i  Olvalog  haben. 

2)  Das  Corpus  liitirt  hier  kt^rn*  Lesart,  dagegen  hat  Glotz  E[uph]ra[io>?,  was 
ganz  problematisch  i*t    V'ielk  iclit  kiiiiu  man  hier  so,  wie  ich  vorschlage,  ergänzen. 

3)  Unsweifelbaft  ist  das  Demotikon  so  zu  lesen,  weil  auch  in  der  Lesung  von 
Komuiadit  eine  Spur  ron  T  vorhanden  ist.    Weder  das  Ck)rpni  noch  F.  A.  haben  es 


38 

J.  SundwaU, 

Jahr. 
348/47. 

11» 

loschrift. 
803d.  118.        i 

Namen. 
^ihuyQog  ^aXtjqeve  IX. 

334  33. 

I 

1 

804, 

1 

1 
1—3. 

I. 
-  -    -                    -       -  .    ^tjyatttg  II. 
'OQatfiivtje  £vxt[ti      ,          IIL 

IV. 

VT 

^tloXT ij flOVOC  'A&fUtV^Q    Vir. 

VTTT 
TX 
uuv  2i/iwviöov  'Alwnextj&fv  X. 

333/32. 

i 

II' 

1 
1 

804, 

3-5. 

r 

TT 

i]uov  Ilaiavtivg  III. 

'ÄQXtvoe  'Aqxivov  Jeigadiwr^g  IV. 

V 

..    .     -                   —VI. 

-       .    -.        VII 

fioe  'AgiaToxXeovg  Oivaiog  VIII. 

Jt](iox                                         IX. 

X 

Aus  welcher  Schicht  der  Bevölkerung  waren  nun  überhaupt  diese 
Beamten  erlost  ?  Die  Bemerkung  Boeckhs  (a.  0.  48),  dass  sich  wahrschein- 
lich vorzugsweise  Personen  meldeten,  die  durch  Privatgeschäfte  mit  der 
Schiffahrt  mehr  vertraut  geworden  waren,  finden  wir  durchaus  bestätigt, 
denn  von  den  oben  Angefülu-ten  ist  eine  überwiegende  Mehrheit  aus  der 
Küstentrittys,  nämlich  27  gegen  15  aus  der  Stadt-  und  13  aus  der  Land- 
trittys.  Wir  T^issen  ja  auch,  dass  gerade  in  den  Küstendemeu  Schiffahrt 
und  Handel  betrieben  wurde.  ^) 

Von  den  c.  42  verzeichneten  Epimeleten  kennen  wir  wohl  keinen 
als  Trierarchen,  doch  sind  gegen  6-)  mehr  oder  weniger  begütert.  Über- 
haupt ist  nicht  von  vielen  bekannt,  dass  sie  sonst  im  Staate  tätig  ge- 


jedoch.    Die  folgenden  Zeilen   lassen  sich   aus  der  Wiedergabe  im  Corpus  nicht  er- 
mitteln. 

1)  Scherling  a.  0.  79. 

2)  Diogeiton  aus  Acharnai  ist  ruiiiag  Uquiv  ;|j(i;/itaTCör;  ()in08t]ratos  aus  Anag}'ni8: 
sein  Sohn  wäre  der  iYyvrjrrig  II*  1054g,  A.  31;  Phanostratos  hätte  nach  Boeckhs  Er- 
gänzung Sohn  und  Enkel  als  Trierarchen;  Proklcs  aus  Kolonos,  dessen  Sohn  in  einem 
Verzeichnis  aus  Liturgieprozossen  vorkommt  11  *  994);  Leostratos  aus  Melite:  der  Name 
seiner  Tochter  Malthake  auf  einem  Grenzsteine  (Berl.  Sitzungshcr.  1897,  665);  Anaxippos 
aus  Araphen:  sein  Bruder  ist  xa^iiag  rijs  Q-tov. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial 'politischen   Geschichte  Athens.       39 

wesen  wären.*)  Es  wäre  ja  auch  nicht  wünschenswert  prewesen,  dass  diese 
Beamten  gerade  zu  den  Trierarchiepflichtigen  gezählt  hätten,  von  denen 
sie  die  Schulden  eintreiben  mussten.*)  Und  bedenkt  man  nocli  dazu,  dass 
sie  keine  Kasse  zu  verwalten  hatten,^)  so  lag  keine  Veranlassung  vor, 
solche  Bürger  heranzuziehen,  deren  Vermögen  eine  Sicherheit  gewährte, 
dass  sie  ihre  Obliegenheiten  erfüUlen/)  In  den  Seeurkunden  werden 
allerdings  Werftaufseher  als  Schuldner  bezeichnet,  wenn  sie  nicht  die 
Geräte  abgeliefert  hatten,  die  sie  aus  dem  empfangenen  Gelde  hätten  an- 
schaffen sollen ;  doch  sind  die  Schulden  meistenteils  gering,  sife  schwanken 
zwischen  55—315  Dr.^)  Die  Aufseher  sind  auch  teils  gemeinsame,  teils 
Einzelscliuldner.  Bei  zweien  kommen  jedoch  grössere  Summen,  2754  u. 
1637  Dr.,  vor.  Wenn  auch  die  Gesetze  gegen  öffentliche  Schuldner  über- 
haupt sehr  streng  waren,  insbesondere  gegen  die,  welche  Schiffsgeräte 
schuldeten,®)  so  sclieint  es  doch,  als  ob  sie  auf  die  Epimeleten  wegen 
deren  Zahlungsunfähigkeit  selten  angewandt  worden  wären.  Aber  wir 
haben  unter  den  Schuldnern  auch  solche,  die  unseres  Wissens  sicherlich 
vermögend  waren,  wie  Leostratos  aus  Alopeke. 

Aus  allem  Gesagten  erhellt,  dass  diese  Beamten  vorzugsweise  dem 
Mittelstande  angehört  haben.  Und  die  Naclilässigkeit  sowohl  der  Schuldner 
wie  der  Behörden,  die  uns  in  den  Seeurkunden  entgegentritt,')  gibt  uns 
keinen  erfreulichen  Einblick  in  die  Auffassung  des  Mittelstandes  vom 
Staatsdienst. 

Von  den  übrigen  Behörden  haben  wir  hier  noch  die  beiden  Schatz- 
meister zu  besprechen,  nämlich  den  xauiag  jQitioonolxdiV  und  den  rafiiag 
its  TU  vecüola.    Von  den  ersteren  kennen  wir: 

363;()2.    ^avoaTQavog  OoQauvg.     II- 803  d.  133. 

362  01?     Idv&innog  riagyrÜTTiOg)]?'')    IP  799d.  20. 

350  58.    Nixofiipr^g  IlakXrivevg,     II  803  d.  142. 

1)  Kallias  aus  Oa  als  iniötdrTig  TtQvxavitov  463/2;  Diogeitou  aus  Acharnai  Schatz* 
meistcr  der  GöttiD  398/7;  EratoD  aas  Ikaria  Prytane  341/0:  Satyros  als  Autragstellcr  zu 
Khren  des  Menelaos  (Schaf.,  Dem.  P  362  A.  1)  UDgewiss;  Anaxippos  aus  Araphen  kommt 
auch  in  einem  Katalog  IM  1010  vor;  Deinias  aus  Halai  auf  einem  Richtertäfclchen. 

2)  Vgl.,  dass  Satyros  bei  Demosthenes  (XXII  63)  34  Tal    eintrieb. 
8)  Boeckh,  Seeurk.  57. 

4)  Es  kommt  vor,  daM  nicht  die  ganze  Zahl  der  Epimeleten  vorhanden  zu  sein 
scheint  (s.  11  ^  799  c.  7 — 15' ;  man  könnte  die  Ursache  dafür  in  demselben  Umstände  suchen, 
den  Panske  (De  magütr.  att.  qui  saec,  a.  Chr.  n.  IVpcc.  puhl.  cur,  1890,  S.  15,  16)  für 
die  raiiiai  tfis  dsov  nachgewiesen  hat,  nämlich,  dass  für  diese  Jahre  die  volle  Anzahl 
geeigneter  Personen  sich  nicht  gemeldet  hat.  Vielleicht  war  dann  der  Rat  gezwungen 
einzuspringen  und  Mitglieder  aus  seiner  Mitte  zur  Vervollständigung  zu  ernennen  (vgl. 
oben  u.  Seeurk.  X  379). 

5)  Seeurk.  X  c.  d. 

6)  Seeurk.  211. 

7)  Vgl  Kolbe,  Äth.  Mät.  XXVI  391. 

8)  Meüie  Ergänsaiig. 


40  J.  SundwalL 

345/44.    Evd-vvog  Aa^nrqtvg.     11«  803  c.  129. 

332/31.  yfr]uoxQttTrig  Elreaiog.  It^SOTa.  16*)  ii.  IX-  808a.  85  u. 
add.  3. 

V.  330.    ApTiyuiv  'EQxiBvg,    IV  807  a.  27. 

EvnoXifiog  Mv^^ivovaiog:-)    ir-807a.  6G. 
JmTQh^iSrtg  KQotnidrjg.     112  807  a.  69,  148. 

328/27.    nokvxQcxTTjg 'Aytövalog.     112  808  a.  13. 

V.  323/22.    —og  IIaußwTuS{Tig).     11^811^30. 

Von  den  letzteren: 

377/76.    Mavtiag  OoQixiog,     W  791,  10. 

347/46.    Ev&vfiaxog  £—.     II2  803d.  13. 

325/24.     KtjyiaodojQog  KvSa&ip^auvg.     II  -'  8 1 1  c.  111. 

Viele  von  diesen  kennen  wir  sonst  nicht;  Mantias  aus  Thorikos  ist 
jedoch  als  reicher  Mann  bekannt,  ebenso  muss  Kephisodoros  aus  Kydathen 
vermögend  gewesen  sein.  Eupolemos  aus  Myrrinus  ist  Araphiktyon  auf 
Delos  341/40.  So  viel  muss  man  immerhin  für  gesichert  halten,  dass  als 
Schatzmeister  nur  Personen  zugelassen  wurden,  die  ein  gewisses  Ver- 
mögen sicher  stellen  konnten,  wie  z.  B.  der  Fall  mit  Kephisodoros  aus 
Kydathen  zeigt.  •^) 


1)  Die  genaue  Angabe  seiner  Amtszeit  fehlt  in  P.  A. 

2)  Dieser  steht  unrichtig  in  P.  Ä,  als  raft.  tgiriQ.  330/29. 

3)  Vgl.  Seeurk.  48. 


5.   Die  Fiuanzbeamten. 

Je  mehr  während  des  4.  Jahrli.  die  Bedeutung  Athens  als  Gross- 
niacht  und  seine  militärische  Leistungsfähigkeit  sank,  desto  mehr  traten 
in  der  Politik  die  ökonomischen  und  kommerziellen  Interessen  in  den 
Vordergrund  und  erhöhten  die  Wichtigkeit  der  Ämter,  die  diesen  Interessen 
nutzbar  gemacht  werden  konnten.  Und  doch  wissen  wir  noch  sehr  wenig 
über  die  höclisten  Finanzämter  im  4.  Jahrh. ,  und  es  gehen  über  ihre 
Organisation  mancherlei  verschiedene  Ansichten  nebeneinander  her.  Sicher- 
lich würde  eine  genauere  Kunde  davon  uns  wichtige  Aufschlüsse  über  die 
innere  Geschichte  des  attischen  Staates  gewähren.  Wii-  wollen  hier  den 
neuesten  Ansichten  folgen,  welche  auf  Aristoteles  ^A&.  noX.  43,  1  fussen. 
Es  gab  zur  Zeit  ihrer  Abfassung  nur  2  durch  Wahl  besetzte.  Finanz- 
ämter,*) rafiiag  aTgatiwTixtav  und  oi  im  t6  &Bca(}ix6v.  Die  Inhaber  des 
ersteren,  welches  ein  vierjähriges  Amtsdauer  umfasste,  scheinen  wenigstens 
eine  Zeit  lang  die  höchste  Leitung  der  athenischen  Finanzverwaltung  in 
Händen  gehabt  zu  haben. *^)    Von  ilinen  sind  uns  Folgende  bekannt: 

388—34.    KaULiag^Aßgu^vog  Baxij&BV  {Vit  X  Or.  p.  242 f.). 
334—30.    ^ffjf^dSng  Jrjfiiov  Ilmavuvg  (IP  739,  vgl.  Wil.-Moell.,  Arist. 

u.  Athen  I  208;  Beloch,  Gr.  Gesch.  HI  1,  55  A.  2). 
330 — 26.    [^vxovQyog  Avxoyqovog  BovidStjg].^) 
326—22.    [MiPBaaixiiiOg]. 

306/5.  "AßQwv  Avxoiqyov  Bovrdörig  (Add.  11  ^  737,  31). 
305/4.   <l>iXmnog  'Axaqvivg  (Add.  H«  737,  31). 


1)  Aristoteles  a.  0.  Beloch,  Gr.  Gesch,  III  1,  55  A.  2  u.  56  A.  4.  Schoemaun- 
Lipsius,  Gr,  Alt.  IM54. 

2)  Köhler,  Ath.  Mitt.  V  280.    Gilbert,  Gr,  StaatsaU.  1*275. 

3)  £s  liegt  ganz  nahe  anzunehmen,  dass  Lykurgos  während  dieser  Zeit  Kriegs- 
sehatzmeister  war.  Vgl.  Gilbert,  a.  0.  1*277  A.  1:  ,hat  Lykurgos  während  seiner 
finanzpolitischen  Tätigkeit  vorübergehend  mal  ein  ordentliches  Amt  verwaltet,  so  war 
et  wohl  das  Amt  des  xa^iag  atgccTKarixAv* .  Dasselbe  auch  Wilamowitz,  Aristoteles 
und  Athen  I  208,  der  auch  Menesaichmos  dieses  Amt  gibt. 


42  J.  Sun^iraJl. 

Ffir  das  Amt  ini  ro  äimgtxov  wurden  Zehnmänner  auf  vier  Jahre 
gewählt  »Gilbert  a.  0.  1-27:3  u.  A.  2>.    Einige  von  diesen  kennen  wir: 

358 — 54.    yhoffavTog  Z^fr^rtiag,  Schaff  Drm.  1-205.  2. 

,'554_50.    Evßovlog  ÜQoßaJiiaiog,  P.  A 

:550— 4t>.   WffoßrjTog  Ko»wxiSr,g,  Gilbert  a.  0.  274.  1. 

346—42.    Krtq^iaoffwv  \ifiSpaiog,^)  IIU14C. 

338 — 34.     Irtiioöd-ivr/g  Ilatavnvg,  S<:hoemann-Lipsius  a.  0.  I*  454,  5. 

Ein  bes^>nderes  Amt  ini  tj  dioixrjaei  hat  e^  um  322  noch  nicht  ge- 
^eticn,  und  für  das  4.  Jahrh.  ist  nur  "Aßomv  Avxotgyov  Bovradr^g  als 
Ven^alter  des  Amtes  310—6  bekannt  (s,  Ditt.  Si/IL-  181,  19).  Ausser 
den  gesetzlich  bestimmten  Finanzamteni  haben  jedoch  die  Athener  oft 
aassei-ordentlichen  Kommissionen  die  Finanzregelung  und  -Verwaltung 
übertragen.  So  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  Eubulos  und  Lykurgos  ihre 
durchgreifende  Wirksamkeit  während  354—38  und  338 — 26  ak  Vor- 
sitzende von  Kommissionen  ausgeübt  haben,  ^j 

Neben  diesen  kommen  noch  die  eigentlichen  Schatzmeister,  die  tafiiat, 
trjg  &BOV  hier  in  Betracht,  welche  wahrscheinlich  zT\ischen  385  und  338 
das  Verwaltungsgebiet  mit  dem  rafiiai  xwv  alkwp  &iutv  teilten.  Über 
diese  haben  wir  Verzeichnisse  in  Index  zum  Corpus.") 

Uie  soziale  Lage  der  Finanzbeamten  ist  ziemlich  leicht  zu  bestimmen. 
Dafür  ist  im  allgemeinen  Aristoteles'  Politik  III,  VI  11  massgebend: 
^^xauuiovai  — und  iiiyaliav  {Tifir]udTWpy'  und  im  besonderen  für  die 
Schatzmeister  der  Göttin,  \4&,  ^ol.  XLVII  1 :  „ngwrov  uiv  yag  ol  tofiiai 
TTJg'Ai^rjvag  Eini  fih  dixa,  xkr^govrai  d' elg  ix  rijg  yvXrjg^  ix  nsptaxoatouB' 
dffivwv  xctta  röv  26Xu)V0g  vouov  (in  yaq  6  vofiog  xvQiog  iaTiv).^*^  Der  Um- 
stand, dass  das  Gesetz  Solons  noch  Geltung  hatte,  zeigt  vae  unumgäng- 
lich es  für  den  Staat  war,  zu  einem  derartigen  Amte  nur  reiche  Bürger 

1)  Nach  KirchDer  M/Ä.  Mitt.  XXIX  248  kein  Ratsbeamter,  sondern  ein  Mitglied 
der  Thoorikonbehrirde.  Also  kann  er  nicht  der  K —  artrpavoyd'ttg  vrtb  2ja\Lo9Qux(ov  345,4 
»ein  (11*701^,  wie  Kirchhoif  u.  Köhler  annehmen. 

2)  Vgl.  Schaf.,  Dem.  P  214,  2;  Beloch,  Gr.  Gesch.  III  1,  56  A.  4;  Gilbert  a.  O. 
P277,  1. 

JJ)  Ich  will  hier  einige  Lesungen  zufügen:  Unter  den  Schatzmeistern  351/50 
eil*  698  Z.  5;  ist  vielleicht  dem  Vertreter  der  Hippothontis  AauTTQoxXii^^  \4Qiaiov —  das 
Demotikon  TltiQaitvg  beizulegen  nach:  NixoövQarog  'AQtalov  ritiQcaevc.  j'/yrTjriJ?  354/3 
(II'M054  ,  der  somit  sein  Bruder  wäre;  vielleicht  hat  11  ^  69S  Z.  2  statt  —EIAJOT 
KE4»AAII0  gestanden:  — SIAJOT,  sodass  wir  es  hier  mit  IInu^tTtXr^g  /I(>«]|iador 
Ktrfcdi)d'tv  zu  tun  hätten,  der  364 '8  '/QauuaTirv^  IdiKfiXTvorojv  auf  Delos  war  (/?.  C.  H. 
X46i;.  Von  den  Schatzmeistern  :i46  5  II -690,  vgl.  Larf«'ld  a.  O.,  Anhang,  S;  944) 
ist  für  Leontis  — 7.tidr^g  A —  v(»rzeichn«*t ,  welchen  wir  mr»glicherweise  zu  Mty(.ix\ltidiig 
A[kvxovotvi  ergänzen  dürften;  dann  wäre  er  ein  Enkel  des  gleichnamigen  (rrammateus 
426.  Sein  Vater,  der  auch  Megakleides  hiess,  kommt  in  einer  Freilassungsurkunde 
vor  (vgl.  Ikiir.  z.  alt.  GcHch.  1905,  132;.  Schlii-sslich  ist  wohl  IP  ToO  unter  den  rufiwict 
;'.(»()  r»  Uo).v^i{kog  noXvuQ\uxov  KQtiobvg]  zu  ergänzen,  nach  TloXv^narr^g  und  TlolviLvriCTOf 
lloXviCQuxov  !\(tionli,  die  seine  Brüder  zu  sein  scheinen. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.       43 

zuzulassen,  deren  Vermögen  Garantien  für  ordeutliche  Verwaltung  bot. 
Und  obwohl  Aristoteles  hinzufügt.:  „Sqxh  ö'  6  kaxutv  xav  ndvv  nivijg  p" 
und  wir  über  die  Vermögensverhältnisse  von  nur  wenigen  Schatzmeistern 
Kunde  erhalten, 0  so  ist  diese  SteUe  doch  keineswegs  für  uns  bindend, 
denn  die  Inschriften  zeigen  uns,  dass  die  Soxt^iaaia  streng  gewesen  ist; 
denn  die  Zehnzahl  der  Schatzmeister  ist  nicht  immer  vorhanden  (Panske 
a.  0.  S.  15,  16).  Was  die  höchste  Finanzleitung  betrifft,  so  lag  sie  voll- 
kommen in  den  Händen  reicher  Bürger,  schon  weil  diese  natürlich  mehr 
Erfahrung  auf  ökonomischem  Gebiete  besassen.  Wir  finden  in  der  Tat, 
dass  sowohl  Eubulos  als  Lykurgos  zu  den  reichsten  Familien  gehören 
(s.  z.  P.  -4.),  und  dasselbe  lässt  sich  für  die  rafAtai  atoaTiwrixuiv^)  und 
Ol  Inl  t6  &tojQix6p'^)  nachweisen.  Ebenso  lasteten  die  wichtigen  ausser- 
ordentlichen Kommissionen  auf  den  Eeichen.  So  war  Androtion  aus 
Gargettos  mehrmals  als  Finanzkommissar  tätig  (Schaf.,  Dem.  I*  352 
u.  A.  6),  desgleichen  Timokrates  aus  Ki-ioa*)  (Schaf,  a.  0.  ebenda). 
Timarchos  aus  Sphettos^)  kennen  wir  als  iS^radnJ^  348  (Schaf.,  Dem. 
IV  85).  Lykurgos  war  rafuccg  rrjg  xaivF^e  nooaoSov  338—4  (vgl.  P.  A) 
und  hni6idtn9  iiowv  334—30;  Neoptolemos  aus  Melite*')  no'A?.wv  igywp 
imardr^g  (Dem.  XVIII  114)  vor  330;  Euthydomos  aus  Melite')  und 
Philon  aus  Eleusis,*^)  Epistaten  für  den  Skeuothekenbau  (Ditt.  SylV  537, 5); 
Demosthenes  aus  Paiania  raxonoidg  337  (Aisch.  -III  31) ;  iTnueXrjzal  tcmv 
Tnxdiv  337  waren  — mos,  S.  d.  Timonides  aus  Halai  und  Philodemos,  S.  d. 
Autokies'  aus  Eroiadai')  {'Etp,  dox-  1900,  94);  Epimeleten  für  Getreide- 
zufuhr 357/6  Kallisthenes  (Schaf.,  Dem.  V  416),  338/7  Demosthenes  (Schaf., 

1)  Bekannt  sind  Leptines  aus  Koilc,  der  auch  als  Trierarch  verzeichnet  ist  (P.  A, 
0041  und  9046);  Ilegcäias,  S.  d.  llcgia»  aus  Sunion,  ein  Vetter  der  bekannten  Staats- 
männer Ilegesandros  und  Ilegesippos,  aus  einer  begüterten  Familie;  Megakleides  aus 
Leukonoe,  dessen  Vater  in  einer  Freilassungsurk.  vorkommt  {An.  of  the  Brit.  Seh.  at 
Athens  Vlll  228). 

2)  Kallias  aus  Bäte  ist  mehrmals  Trierarch  (P.  A.)\  Demades  aus  Paiania  (s. 
oben  S.  28);  Habron  S.  d.  T^ykurgos  (s.  z.  Lykurgos);  Menesaichmos  und  Pbilippos 
aus  Acharnai  sind  unbekannt. 

3)  Diophantos  aus  Sphettos,  der  berühmte  Staatsmann  und  Redner,  dessen  Siihne 
in  GeschUften  interessiert  waren,  [Dem.]  XXXV  6,  und  dessen  Enkel  als  cwvijtiJ^  II*  787 
erwähnt  wird;  Eubulos  aus  Probaliuthos  (s.  z.  P.  A.)\  Kephisophon  aus  Aphidna 
(s.  oben  S.  27);  Demosthenes  aus  Paiania  (s.  oben  S.  15);  Aphobetos  aus  Kotho- 
kidai  hatte  es  wohl  wie  seine  Brüder  schon  damals  zu  einem  gewissen  Vermögen 
gebracht. 

4)  Dieser  als  reich  bekannt,  vgl.  IP  1301:    »ay^ijxtv  vi%r^aag  *OXvn7tiaaiv  inntov 

5)  S.  oben  S.  15. 

6)  räiv  atpodga  nlovauov  re^  Dem.  XXI  215. 

7)  Nachkomme  des  ^vXov^/ö?,  I  add.  321. 

8)  Der  bekannte  Architekt,  kommt  auch  als  Trierarch  vor. 

9)  Derselbe  als  Trierarch  bekannt 


44  J.  Sundwall. 

Dem.  III«  15),  330—26  derselbe  (Fif.  X  Or.  845 f.);  hmaxarm  rov  wovri- 
xoi  340/39  Ueniostlienes  (Aisch.  III  222). 

In  den  Besitzungen  kamen  für  die  Beamtenposten,  die  vom  Volke 
durch  Wahl  besetzt  wurden  (Aisch.  I  107),  ärmere  Bürger  schon  desw^en 
nicht  in  Betracht,  weil  hier  sicherlich  Repräsentationspflichten  auszuüben 
waren.  Es  werden  sich  also  wohl  nur  begüterte  Bürger  beworben  haben. 
Diese  suchten  sich  dann  allerdings  noch  mehr  zu  bereichem,  wie  z.  B. 
Timarchos  aus  Sphettos  (Aisch.  a.  0.).  Einen  indirekten  Beweis  dafür 
liefert  uns  das  Dekret  der  Arkesinäer  für  ihren  äoxtittp  Androtion  aus 
Gargettos  (Ditt.  Syll.^  107),  der  deswegen  besondei-s  belobt  wird,  weil 
seine  Amtsfülirung  eine  Ausnahme  von  der  Regel  bildete. 


6.   Die  Tempelvorsteher  und  Eultusbeamten. 

Besondere  Finanzbeamten  erforderte  auch  die  Verwaltung  derjenigen 
Tempel,  deren  Reichtümer  nicht  unmittelbar  dem  Staate  unterstellt  waren. 
Es  sind,  so  viel  wir  wissen,  die  der  Tempel  der  Artemis  Brauronia  auf 
der  Akropolis,  der  Demeter  und  Köre  in  Eleusis  und  des  Asklepios.  Die 
Schätze  des  ersten  Heiligtumes  wurden  von  imaxaxai  verwaltet,  welche 
also  eine  Stellung  zwischen  Finanz-  und  Kultusbeamten  hatten.  Diese 
Epistaten  bildeten  ein  ständiges,  auf  ein  Jahr  besteUtes  KoUegium  mit 
dem  besonderen  Auftrag  den  Schatz  zu  tiberwachen.*)  Wie  viele  Mit- 
glieder dazu  gehörten,  wissen  wir  allerdings  nicht ;  nur  so  viel  lässt  sich 
bestimmen,  dass  dieses  Kollegium  unter  sich  einen  Vorsitzenden  für  einen 
gewissen  Zeitraum  erwählte  und  dass  derselbe  Beamte  wieder  gewählt 
werden  konnte.    Folgende  lassen  sich  verzeichnen: 

367/66.    KaXXicxqaxog  BoqUiog  (11«  751  A.b.  20). 

366/65.    *Aqiat^68rifio[g'AfAalavxMvg}Y)  (U«  751  A.b.  85). 

353/52.    Kkioufiog  'Artjvsvg  (II«  758  A.  col.  U  10). 

352/51.  Avaiag  *Ax(xqvtvg  (nagiäatxev  u.  äniSutxiv  11-  758  A.  coL 
n  12  u.  16). 

351/50.    . .  ^  . .  AJe  .  .8)  nageS.  (H«  758  A.  col.  H  18). 

'EU^iaxog  Ai^wvtvg  ämd.  (H*  750  A.  col.  II  34). 

350/49.    Moiqayivrig  KvSa&tivaisvg  naq,  (II«  750  A.  coL  II  36). 
Sqaaatv  AafjinrQivg  aned.  (IP758A.  col.  1146). 

349/48.    0dox^d)]g  naioviSrjg  nag.  (IP758A.  coL  II  48). 

335/34.    KakhxQarildfjg  UtetQiJtvgy)  nag,  (IP758A.  col.  HI  41). 

334/33.    ^TQdrinnog  (11«  758  A.  col.  II  3). 

Die  soziale  Stellung  dieser  Verwalter  scheint  angesehen  gewesen  zu 
sein,  denn  man  findet  unter  ihnen  Personen,  die  auch  sonst  im  politischen 
Leben  Einfluss  liatten  oder  begütert  waren,  wie  Kallistratos  aus  Tliorikos 

1)  Swoboda,  Wien,  Stud.  X  283;  Chavaunes  unter  EpiMaths^  DaremhergSaglio  703. 

2)  Ich  ergänze  aaf  diese  Weise,  was  immerhin  der  Bucbstabenzahl  entspricht, 
nach  P.  A,  1808. 

8)  YieU^eht  kt  ^ff{itf(l€«^ff)  zu  ergänzen,  jedoch  unsicher. 
4}  Ich  ergiaia  m  mA  dem  inntf^tptvs  um  319  (P.  A.  7988). 


46 


J,  Stindwall, 


(s.  zu  P.  A.  8168)  und  Kallikratides  aus  Steiria  (P.  Ä.  7988).    Stratippos 
ist  vielleicht  mit  Stquiinnog  SrqaT  — iLvr^rrjg  (IP  784)  identisch. 

Die  Verwaltung  des  Tempels  der  Demeter  und  Köre  in  Eleusis  lag 
den  zwei  Kollegien  der  hmaxavai  'Elsvaivo&ev  und  xa^iiai  rolv  &e61v  ob 
und  wurde  zwischen  ihnen  geteilt.  In  den  ersteren  glaubt  Swoboda 
(a.  0.  S.  281,  11)  eine  ständige  Behörde,  vielleicht  von  zelin  Mitgliedern 
zu  erkennen,  die  unter  allen  Athenern  vielleicht  auf  ein  Jahr  gewählt 
oder  richtiger  ausgelost  wurden  (ebenso  bei  Daremberg-Saglio),  Spätere 
Inschriften  zeigen  jedoch,  dass  die  Zahl  der  Epistaten  sieben^)  war,  wozu 
noch  ein  Grammateus  kam;  auch  ist  die  Ansicht  Swobodas  über  ihre 
Amtsdauer  durch  Dittenberger  widerlegt,  der  durchaus  überzeugend  be- 
weist, dass  ihre  Befugnisse  pentaöterisch  waren  {Syll^o87,  5).*)  Be- 
kannt sind: 
360/59—357/56.  'Afiy)ixTvwv'Ay)iSpaiog  IX.  xal  aiwdQxovrag  (Tl^  2lM.  682c). 


Jahr. 


356/55—353/52. 


Inschrift. 

IP  1054  b. 


„U.II2682C. 


Namen. 


TlaioviSrig^)  IV. 


Jijfiaivaxog^)[Tifiaai&BOv  kx  Kega^itav]?  V? 
Nix6Sr]fji]og  IIiaTtüviSov  ^A&fxovBvg  VII.^) 

? 

vrig  ^iXlnnov  'Eanaiod'ev  II 


ygafi,  MeXävwnog  'EattodwQov  /J[ . 


336/35—333/32. 


115  767  b. 


'ApTia&€Pr]g  'AvTixQccTovg  'Ixaguvg  IL 
'Afiyi6Tt'di]g  Gionounov  Ilaiovidrig  IV, 
Jf]f^oxleiäf]g  0i)ioxUovg  EiTBalog  V. 
Q^ofilog  Kakhfiaxov  ^A^aQvevg  VI 
yiafiTTQiag  AafATtqiov  2!vnah'jTTiog  VII. 


1)  Diese  Zahl  steht  ohne  Zweifel  im  Zusammenhang  mit  der  Siebenzahl,  welche 
Röscher  als  dem  Demeterkultus  eigen  nachgewiesen  hat  (vgl.  Sieben-  utid  Neunzahl 
im  Kultus  und  Mythus  d.  Griech.  Äbh.  d.  sächs.  Ges.  d.  \\\  B.  XXIX  1,  31). 

2)  P.  A.  folgt  merkwürdigerweise  der  älteren  Ansicht. 

3)  Ob  bis  hier  ein  oder  zwei  Epbtaten  verzeichnet  waren,  ist  ungewiss,  weil  das 
Präskript  vielleicht  nur  45  Buchstaben  in  der  Zeile  enthielt  (vgl.  unten  A.  5). 

4)  Ni%6dri\i>o9  *A&\LOvtvs  iniatdxrig  356/5  (II*  682  c)  ist  augenscheinlich  mit  dem 
hier  vorkommenden  — o<s  Iltöttovidou  'Ad",  identisch,  weil  wir  einen  — y]{Log  niartavog 
'A&.  haben,  der  nach  Kirchner  (P.  ^.11 838)  aus  derselben  Familie  ist,  und  wir  diesen 
Namen  zu  Niyi6d]jnu)g  ergänzen  können.  Wir  sind  ulso  berechtigt,  die  Inschrift 
II*  1054b  in  die  Zeit  zwischen  356  und  352  zu  verweisen,  eine  vierjährige  Periode, 
welche  auch  zu  336—2  passt. 

5)  Ich  ergänze  hier  auf  diese  Weise  nach  den  Trierarchen  356/5  (P.  A.  3243), 
sodass  wir  im  Präskript  nur  45  Buchstaben  in  der  Zeile  hätten  gegen  später  47  und 
zuletzt  46. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozialrpolitischen  Geschichte  Athens.      47 


Jahr. 


Inschrift. 


Namen. 


336/35—333/32.    II «  767  b 


^Altlifiaxog  Tetaafiivov  ix  Koihjg  VIII. 
Jioltvog  nXaviavog  Tqixoqvaiog  IX. 
yQafi,  'Aypo&sog  ^AktünBxrj&ev  X. 


332/31—329/28.     II  *  767  b. 


I  Kalleag  KalXmnov  Aa^nxQhvg  I 
I  XaiQiyivTig  Xaiqi^wvrog  Mv^^ivovaiog  HL 
I  IIoXvkvxYig  ^AvtayoQOV  IliQi&oidfjg  VI 
I  Ilokvfirjdfjg  JteiTQiyovg  0kifivg  VII 

Titöiag  J€^i&iov  ^kvevg  VII. 
!  Tluaiag  ^Aqiöroxqaiovg  Maqa&oiviog  IX. 
I  Evaivezog  Ev&vöixov  ^Ava^kvaxiog  X. 
i  YQcifi.   OovxQLTidfig  Kakkiov  Qoqlxtog  V. 


Augenscheinlich  hat  man  bei  der  Bestellung  der  Epistaten  eine  ge- 
wisse Rücksicht  auf  die  Phylen  genommen.  Freilich  kann  es  auch  vor- 
kommen-y  dass  eine  Phyle  und  sogar  ein  Demos  zwei  Epistaten  stellt; 
doch  muss  dies  als  Ausnahme  betrachtet  w^erden.  Ebenso  scheint  der 
Schreiber  regelmässig  aus  einer  der  Phylen  entnommen  worden  zu  sein,  die 
gerade  nicht  im  Kollegium  vertreten  waren.  Einer  von  den  Mitgliedern 
fungierte  als  Vorsitzender,  wahrscheinlich  nur  für  einen  Teil  der  Amtsdauer. 

Ausser  den  Epistaten  waren,  wie  bemerkt,  die  xauiai  rolv  &iOiv  als 
zweite  Behörde  mit  der  Verwaltung  des  Tempels  betraut.  Es  waren  ihrer 
zwei,  wahrscheinlich  auch  mit  pentaeterischer  Amtsdauer  (Ditt.  SglL-  587, 3). 
Nur  drei  von  diesen  sind  indessen  bekannt: 

332/31—329/28.    Nixo^dog  'Akwnsxn&sp. 
Ktqduwv  0kvng. 

328/27—325/24.    KdÜmaxQog  'Ayidvatog. 

Diese  Ämter  waren  sicherlich  sehr  angesehen,  wenn  sie  auch  keine 
einflussreiche  politische  Stellung  gewährten.  Es  ist  auch  bemerkenswert, 
dass  keiner  der  hier  Erwähnten  als  im  Staatsleben  tätig  bekannt  ist; 
wahi-scheinlich  haben  sich  zu  diesen  Ämtern  vorzugsweise  Personen  ge- 
meldet, die  irgend  welche  Beziehungen  zu  dem  betreffenden  Kultus  hatten. 
Dass  sie  überhaupt  begütert  waren,  lässt  sich  daraus  schliessen,  dass 
einige  als  solche  bezeugt  sind.  Thukritides  aus  Thorikos  gehörte  einer 
Trierarchenfamilie  an,  ebenso  Demainetos  aus  Kerameis.  Der  Vater  des 
Aleximachos  aus  Koile  ist  Schatzmeister  der  anderen  Götter;  ein  Ver- 
wandter des  Nikodemos  aus  Athmonon  kommt  als  iy^vi^x^g  vor  (11^  1054  g. 
30);  der  Vater  des  Kalleas  aus  Lamptrai  ist  reich  und  Schüler  des 
Isokrates  (P.  A.  8074,  Schaf.,  B.  134). 

Eine  Sonderstellung  brachte  auch  die  Verwaltung  des  Asklepios- 
Vermögens  mit  sich  (Swoboda  a.  0.  281),  die  von  dem  ifoivg  des  Gottes 
besorgt  wurde.  Dieser  war  bis  in  die  Zeit  des  Augnstus  ein  durch  Los 
ernannter  Jahresbeamter  (Mommsen,  Feste  d.  Stadt  Athen  245).    Es  ver- 


48  J.  Sundtodlh 

dient  noch  hervorgehoben  zu  werden,  dass  diese  Losung  in  einem  Tarnns 
der  Phylen  geschah,  analog  der  Bestellung  des  yqaiA^iaxfvg  xatä  ngwa- 
viiav^)  (s.  unten).  Diese  Stellung  muss  folglich  ein  sehr  hohes  Ansehen 
genossen  haben,  wozu  es  stimmt,  dass  man  unter  den  Priestern  mehrere 
anderweitig  als  reich  und  angesehen  bekannte  findet. 

Etesikles  aus  Hagnus  entstammt  einer  vornehmen  Familie,  denn 
sein  Sohn  Theopompos  kommt  auf  einer  Votivinschrift  für  Hermes 
(n  ^  1605  b)  vor  und  seine  Tochter  Nikarete  hat  ein  besseres  Grab- 
denkmal (Conze  573);  Pataikos  (aus  Eleusis)  ist  nach  11  ^  854  b.  col.  I  50 
für  wohlhabend  zu  halten  und  vielleicht  mit  üdxaixog  E—,  Trierarch 
um  350  (II*800c.  5),  identisch;  Teisias  (aus  Kephale)  stammt  aus  einer 
alten  reichen  Familie;  Demon,  S.  d.  Demomeles  aus  Paiania  nahm  regen 
Anteil  am  Staatsleben  und  war  sehr  reich  (vgl.  P.  A.  3736);  Eudidaktos 
(aus  Lamptrai)  spielte  eine  politische  EoUe  (II  *  104  b)  und  war  vermut- 
lich ein  angesehener  Mann  (s.  Wilhelm,  Jahresheft  d.  öst  arch.  Inst 
Vn  124);  Onetor  aus  Melite  ist  mehrmals  Trierarch  (P.  A  11471).«) 

Auch  die  agtlg  anderer  Götter  wurden  den  besseren  Standen  ent- 
nommen, wie  der  Priester  des  Pandion,  Antisthenes,  S.  d.  Antiphates,  aus 
Kytherros  (II*  1179),  Trierarch  um  334/33  oder  der  Priester  des  Poseidon, 
Himeraios,  S.  d.  Phanostratos  aus  Phaleron  (11^  184  b),  (vgl.  seinen  Bnider 
Demetrios  aus  Phaleron  oben  S.  28). 

Kultusbeamte  waren  auch  die  ugonoioi,  von  denen  man  nach  Ditten- 
berger  {Syll^  496,  13)  vier  verschiedene  Arten  untei-seheiden  kann.  Zu 
irgend  einer  von  diesen  Arten  gehören  Folgende: 

vor  357.    Meidiag  Ktj^öoSojQov  ^Avayvgdaiog  (Dem.  XXI  171). 

k.  n.  344/43.  —  'Yßadfjg  (darauf  der  Bruder  GeoxQtPfjg  '  YJt,  (Dem. 
LVIII  29). 

342/41.    Nixwv 

J^f^oxhlg        nM326. 
LvTVXioijg 
Mavrld-iog 
336/35.    ^vXtvg  riavaaviov  ülvalog.     IIM28b. 


1)  Vgl.  auch  die  BestelluDg  der  SarapUpriester  anf  Delos,  die  in  Übereiustimmung 
mit  dieser  geschah  {B.  C.  IL  XVII  146).  Vielleicht  haben  irgend  welche  Beziehungen 
zwischen  den  beiden  Kulten  bestanden. 

2)  Auch  im  3.  Jahrb.  sind  angesehene  und  begüterte  Männer  in  diesem  Amte 
bezeugt,  wie  Phyleus,  S.  d.  Chairias  aus  Eleusis,  der  Thesmothet  nach  286  5;  Timokles 
(aus  Eitea),  Nachkomme  des  gleichnamigen  ra^/ag  ri^g  d-tov  432  1 ;  Lysikles  aus  Sypa- 
lättos,  änovtiöxrig  c.  250;  Nikomachos  (aus  Paiania),  tlgr^^Livog  in\  ti]v  xa^a'iQtoiv  xal  r^v 
iniaxtvi^v  rwv  iv  tö)  'AcxlTint^eiM  iTtl  Jioxkiovg  ägxovtog-,  Archikles  iius  Lakiadai,  dessen 
Familie  später  eine  hervorragende  Rolle  spielte  'P.  A.  2501;;  Kalliades  aus  Aigilia, 
nach  11*852  vermögend;  Theodoros  aus  Melite,  aus  einer  Trierarchenfamilie  [^P.  A. 
6882);  Praxiteles  aus  Eiresidai,  Nachkomme  des  berühmten  Bildhauers,  aus  einer  reichen 
Familie  (vgl.  P.  A,  12172). 


Epigraphiache  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      49 
328/27.    KqiToßovlog  Koku»vfi&iv 


KQiTopovlog  Koltavi}&iv  1 


Von  diesen  ist  wenigstens  Meidias  sehr  reich  (Dem.  XXI);  Theokrines 
nebst  Bruder  stammt  aus  einer  besseren  Familie  (Dem.  LVni). 

Ob  zu  den  oben  aufgeführten  UQonoioi  die  in  einer  delphischen  In- 
schrift verzeichneten  Ugonoioi  oi  ti)v  nv&iaSa  uyayovrtg  {B,  C.  H. 
XX  G76)  zu  rechnen  sind,  ist  nicht  klar;  doch  kann  man  mit  Bestimmt- 
heit sagen,  dass  sie  nicht  einem  der  beiden  gesetzlichen  Hieropöenkollegien 
angehörten,  weil  sie  nicht  ausgelost,  sondern  erwählt  waren,  und  Demades 
und  Lykurgos^  die  hier  vorkommen,  zu  derselben  Zeit  bedeutende  Ämter 
verwaltet  haben.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  diese  Hieropöen  nach 
Phylen  erwählt  waren.  Allerdings  M.  Colin  behauptet:  Bien  que 
nommes  ä  VMection  et  au  nombrc  de  dix,  nos  hieropes  ne  sont  pus 
düfign^s  ä  raison  d'un  par  trihu  (B.  C.  H.  a.  0.  677),  aber  aus  dem 
Verzeichnis  geht  deutlich  das  Gegenteil  hervor: 

fPav6dfj/iog  /livXXov  QvfiaiTdSr^g  VIII, 
Bon&og  Navöivlxov  _  _  ^)  (/X)? 

ydvxovQyog  Avxo^ovog  BovTä8r,g  VI, 
JijfiaSijg  Jrjuiov  Ilaiaviivg  HL 
Kkiaq^og  NavaixXiovg  j4lytXuvg  X, 
rkttvxirtjg  Fkavxov  i$  Otov  IV, 
NtontoXifiog  *A¥Tixk6nfg  Mehtivg  VII. 
KkBoj^aQrjg  FXavxixov  Ktifpiauvg  I, 

'Innoxqaxfig  'AQiaToxgdrovg iV-)^ 

Nix^Qarog  Nixlov  KvSavrlSi^g  II, 
Dieselben  Funktionen  wie   die  zuletzt  Genannten   hatte   auch  die 
Festkommission,    die  329/8  wegen  der  Einrichtung  der  Festspiele  des 
Amphiaraos  belobt  wurde  (Ditt.  ÄyK.«  639): 

0av6Sf]fiog  Jivlkov  Ovf^atrdStig. 
Avxovqyog  Avxofpqovog  Bovt adrig. 
/ItjfidSrjg  Jrjuiov  Ilniavievg, 
2w^iXog  ^AqKftoriXovg  ^vXdöiog. 
QqaavXiwv  Qioywvrog  *A)[aqv%vg. 
^Emxüii^g  2anv6fjiov  Iliqyaöij&ttf. 
Nixiqqarog  Nixiov  KvSavtl8t}g, 
*Enixdqr,g  ^Aytavoxaqovg  Ilatavuvg. 
Ov^oxdqr^g  ^aiSqav  2<prirtiog, 
Kfjy>iaoy>div  Avtnywvxog  Xokaqyevg, 

1)  Welchen  Phylen  B6fi^og  Navcivlxov  und  *Jnxo*Qatrig  'AgiatOKgdtovg  angehört 
haben,  wissen  wir  nicht  Soviel  aber  steht  fest,  dass  sie,  da  die  anderen  yerschiedenen 
Phylen  angehorten,  den  zwei  Übrigen,  Akamantb  n.  Aiantis,  losnschreiben  sind.  Viel- 
leicht ist  'Iititoxif dtrig  voii*Inna*Qdtrig  i*  KiifuiUt99  (11*  104a  78)  identisch,  also  der 
Akamantis  angehörig,  so  dass  für  B6ffiog  nur  die  Aiantii  übrig  bUebe  (TgL  B6ffiog 
^aXfigs^g  II  <  1026). 

Sandwll,  Epigi»^it»clit  Biitilg»  «nr  Borisljomtt  iifcis  4 


50  J.  Stmdwall, 

Diese  sind  ohne  Rücksicht  auf  die  Phylen  erwählt,  vielleicht  wie 
Dittenberger  annimmt:  suffragiis  poptUi  eos  potissinmm  homines  electos 
esse  probabile  est,  quos  prae  ceteris  rebus  divinis  operam  dare  constabat 
(Syll^  a.  0.  Anm.  5).  Diese  Beobachtung  Dittenbei^ers  trifft  ebenso  zu 
wie  die  von  M.  Colin  {B.  C,  H.  a.  0.)  über  die.  Wahl  der  i€Qonoiol  ol 
Ti)v  nv&iuda  ayayovzeg:  Peut-etre  tenait-on  compte  atdjc  candidats  des 
relations  de  leur  famille  avec  Delphes,  deleur  role  politiqtis,  de  leur  p%4te 
envers  les  dieux;  mais,  ä  ce  qu'il  semble,  la  richesse  surtout  d^cidait  de 
Velection;  car  pliLsieurs  de  nos  personnages  sont  expressement  d4sigri4s 
par  Demosthene  comme  possesseurs  des  plics  grandes  fortunes  de  VÄttique. 

Somit  ergibt  sich  der  Tatbestand,  dass  bei  der  Besetzung  der  Eultus- 
ämter  die  Vermögensverhältnisse  einen  überwiegenden  Einfluss  gehabt 
haben,  insofern  die,  welche  hier  eine  EoUe  spielen  wollten,  genug  Ver- 
mögen haben  mussten,  .um  ihr  Interesse  beweisen  und  zu  dem  nötigen 
Aufwände  beitragen  zu  können. 

Noch  ein  Gebiet  auf  der  Grenze  zwischen  Kultus-  und  Staatsleben 
will  ich  hier  berühren,  nämlich  die  Bestellung  der  uQOfivrniovtg  und 
nvlayoqcu^  welche  nach  dem  Eintritt  Philipps  von  Makedonien  in  den 
amphiktyonischen  Bundesrat  eine  überwiegende  politische  Bedeutung  ge- 
wann. Wir  wissen,  dass  die  Athener  jährlich  einen  Hieromnemon  aus- 
lösten und  ihm  3  Pylagoren  an  die  Seite  stellten,  die  sie  für  jede  Session 
wählten  (Schoemann-Lipsius,  Chr.  Alt.  II*  39  f.).    Von  den  Hieromnemonen 

343/42.    MvYioiXoxos,')  B.  C.  H.  XXI  322. 

340/39.    Ji&yvvirog  'Avaylvauog,  Aisch.  III  115. 

336/35.   'AqxiStifiog,  B.  C.  H.  XXIV  125. 

331/30.   'Afirifiayrog,  B.  C.  H.  XXIV  465. 

330/29.    jivaiCTQaxog,  B.  C.  H.  XXIV  491. 

328/27.    Ei&vxlfig,  B.  C.  H.  XXIV  474. 
ist  keiner  sonst  bekannt;  dagegen  sind  die,  welche  wir  als  Pylagoren 
kennen,  nämlich: 

344/43.    Jrifioa&ivng  Ilaiavuvg,  Aisch.  III  113. 
r  MuHag  'Avayvqaoiog^  \ 

340/39.  I  AlaxLvrig  Ko&a)xidrjg,  \  Aisch.  HI  115. 
l  GQoavxlrjg  k^  Otov,  J 
unter  den  hervorragendsten  Staatsmännern  und  reichsten  Bürgern  zu 
finden.  Schoemann  (a.  0.)  hat  also  recht,  wenn  er  sagt,  dass  die  Wahl 
der  Pylagoren  ein  Korrektiv  für  den  Fall  sein  sollte,  dass  etwa  einmal 
nicht  durch  die  Auslosung  ein  tüchtiger  Bürger  Hieromnemon  wurde,  oder 
wie  Bouch6-Leclerq  (unter  Hieromnemones ,  Daremberg-Saglio)  sich  aus- 
drückt: A  cette  epoqtie,  les  M^omn^ions  sont  de  respectables  j^^^on- 
nages,  qui  semblent  des  lourdauds  ä  cote  des  x)ylagorei^  intrigants  et 
diserts.    Les  premiers  2)araissent  s'etre  reserve  Vadministraüon  des  biens 


1)  Über  die  Zeit  s.  Pomtow,  Dtlphoi,  Pauly-Wiss.  Nachtrag 


Epigraphische  Beiträge  zur  soziai-poli tischest  Geschichte  Athens.      51 

du  temple  et  le  droit  de  rote  daiis  Vassemhlee ;  les  autreSf  s'Stre  charg4s 
du  contentieux  et  de  la  juridiction.  Les  pylagores  rh'etaient  pas  adnm 
aux  seances  r^setv^esy  tenues  par  les  hi&omnenuyns  seuls,  mais  seulement 
aux  assemble'es  pUnieres,  La,  il  setnble,  que  les  pylagores  jouaient  le 
Premier  role.  Trotzdem  war  es  ganz  ausgeschlossen,  dass  einmal  auf 
einen  armen  Büi^er  die  Wahl  fiel,  wo  es  galt,  Athen  zu  repräsentieren, 
wenn  wir  auch  keinen  der  hier  verzeichneten  Hieromnemonen  sonst 
kennen. 

In  diesem  Zusammenhang  wollen  wir  hier  noch  die  vaonoioi  in  Delphi 
behandeln.    Folgende  sind  aus  Athen  während  des  4.  Jahrh.  bekannt: 
354/53.^)     TnXoxlf.c'Arrüi^9iv,  B.  C.  H.  XX  200,  vgl.  Ditt.  SyU.^  140,  37. 

r  Kvd^nog  {TQixoQvötog)?^)    B.  C.  H.  XX  200  t 
353/52.    {  eQaaotv ,  B.  C.  H.  XX  200  f. 

l  Ni^xiaSns  (AJUfAOtCiog)?^)    B.  C.  H.  XX  200 f. 

iEvxTj^fioiv  Xaqiov   jiavaing,    B.   C.  H.  XX  202;    XXI  478; 
346/45.  XXVn50. 

VEmxQdxns  ,  B.  a  H.  XX  202,  204. 

343/42.    Evxxrtfimv  jiovaimig. 

341/40.    EmxQums  -. 

340/39—339/38?    KUivoiiaxog^) ,  B.  C.  H.  XXVH  50. 

EifXT^fMMP  jiovctUg. 

nv&6Si»Qog  üu&wvog  hx  KfjS^,  B.  C.  H.  XX  206;  XXI  478; 
338/37.     ^  XXIV464;  XXVn50. 

Evd-vxqatfig     Ei&v\xQdtovs^^     {Afi^VQonfiß'wfj     B,    C,    H. 
XXI  478;  XXVn50. 

Invd-oSiaqog  kx  Kt^Saiv. 
EmriXtiQ  Smvofwv  nfQyaarj&ev,  B.  C  H.  XX  206;  XXIV  464, 
475;  XXVnSO. 
üv&oSofQog  ix  KfjSäv. 
*EniTÜif]g  ÜBQj'aaij&BP. 

Oio^wv  El&ifqovog  AafintQivg,  B.  C.  H.  XX  206;  XXIV  475; 
XXVn  50. 


330/29. 


1)  Über  die  AmtsKeit  der  DelphiBchen  Archonten  s.  z.  Pomtow  a.  0.  und  Bourguet, 
Vadministratum  financihre  du  Sanetuaire  pyihique  1905,  S.  10. 

2)  Vgl.  P.  A,  KcdXia^ivrig  Kvdi\u)v  T. 

3)  Vgl.  P.  Ä.  7255. 

4)  Man  kann  den  Anfang  der  AofEeichnong  der  in  B.  C.  H.  XXVII  49  £.  publi- 
zierten geographischen  Naopöenlisten  vielleicht  feststeUen.  Es  ist  nämlich  auffiülend, 
dass  Epikrates,  der  346/5  zusammen  mit  Euktemon  im  Amte  war,  in  der  Liste  nicht 
vorkommt,  dagegen  Rleinomachos,  den  man  früher  nicht  gekannt  hat,  hier  zuerst  steht 
Nun  kommen  Pytbodoros  und  Euthjkrates,  die  mit  Euktemon  338/7  im  Amte  waren, 
nach  diesem.  Es  ist  somit  anzunehmen,  dass  zwischen  340—38  Rleinomachos  erwählt 
wurde,  aber  338/7  nicht  mehr  im  Amte  war.  Also  hat  man  gerade  während  dieser 
Zeit  die  Liste  eiuzumeisseln  begonnen,  was  auch  schon  Bourguet  vermutet  {B,  C,  JET. 
a.  O.  S.  41). 

4» 


r>2  J.  Sundwnll. 

328/27.    rf«"^''f  ^*ey««^-f«v. 

Ende  d.  4.  Jahrb.?    KaAafu;^^©^  <PiÄa ,  B.  C.  H.  XXVIT  50. 

Von  diesen  kennen  wir  einige  als  reiche  Leute,  wie  Telokles  aus 
Angele  (vgl.  P.  A.  13580  u.  13584),  der  Trierarch  um  342/1  war, 
(IP803f.  8)  und  Pythodoros,  S.  d.  Python,  aus  Kedoi,  der  einer  sehr 
reichen  Familie  angehörte  (P.  A,  12471);  Euthykrates,  S.  d.  Euthykrates 
(aus  Amphitrope),  wäre  der  Trierarch  IP804B.b.  11;  Epiteles,  S.  d. 
Soinomos,  aus  Pergase,  war  sehr  angesehen  (vgl.  B,  C.  H.  XXIV  465,  38 : 
*EniXÜLU*A&iivalwi^  rrjg  viqaytaying  rfjg  iig  to  yviivaaiov  ijfit^valop,  sicher- 
lich mit  diesem  identisch,  s.  z.  B.  C.  H,  a.  0.  470).  Was  Dittenberger^) 
äussert:  etiam  alios  nobilissimos  homines  illum  magistratum  non  fasti- 
divisse  und  Bourguet-)  vollkommen  bestätigt,  indem  er  die  grosse  Be- 
deutung dieses  Kollegiums  hervorhebt,  trifft  also  auch  für  Athen  zu.  Wir 
können  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  für  das  Amt  der  Naopöen  nur 
begüterte  Leute  in  Betracht  kamen. 


1)  Syll^  140,  57. 

2)  L'administration  financih'e  du  Sancluaire  pythique  S.  74. 


7.   Die  Domen. 

Auf  einen  der  wichtigsten  Faktoren  in  der  Entwickelung  des  inneren 
Lebens  von  Attika,  das  Verhältnis  zwischen  der  Land-  und  Stadt- 
bevölkerung, wird  vielleicht  helleres  Licht  fallen,  wenn  wir  der  Methode, 
die  schon  Beloch  in  seiner  epochemachenden  Untersachung  über  „Die 
Bexölkerung  d.  gr.-rövi.  Welt^  bezüglich  Attikas  angewandt  hat  (S.  99  ff.), 
hier  folgen.  Ich  meine  seine  Feststellung  der  Bevölkerungsdichte  der 
verschiedenen  Demen  nach  der  Zahl  der  von  ihnen  zu  stellenden 
Prytanen,  ein  Verfahren,  das  nach  Aristoteles'  Angaben  (A&.  nok.  62) 
volle  Berechtigung  hat.  Freilich  muss  man,  wie  Beloch  (a.  0.)  und 
V.  Wilamowitz-Moellendorff *)  bemerken,  berücksichtigen,  dass  jeder  Bürger 
in  dem  Demos  eingeschrieben  blieb,  dem  sein  Geschlecht  angehörte,  wenn 
er  auch  nicht  ebenda  wohnte,  und  dass  infolgedessen  schon  eine  gewisse 
Stabilität  im  Verhältnisse  der  Demen  und  Phylen  bestanden  haben  muss. 
Beloch  aber  geht  zu  weit,  wenn  er  meint  (a.  0.  8.  103),  dass  die  Demen 
ein  für  allemal  eine  bestimmte  Zahl  Prytanen  gestellt  hätten,  denn  gerade 
hierbei  hat  es  Schwankungen  gegeben,  die  zeigen,  dass  es  wirklich  auf 
eine  proportioneile  Vertretung  der  Demen  abgesehen  war.  Eine  Unter- 
suchung hierüber  wird  sich  sicher  lohnen,  und  um  so  mehr  Erfolg  ver- 
sprechen, als  wir  durch  Milchhöfers'-)  und  Löpers'O  bahnbrechende  Ab- 
handlungen über  die  Trittyeneinteilung  von  Attika  schon  eine  sichere 
Grundlage  für  weitere  Forschungen  gewonnen  haben. 

Ich  gehe  davon  aus,  dass  die  Trittyen  des  Kleisthenes  anfangs  in 
ihrem  Verhältnisse  zu  einander  ziemlich  gleichmässig  stark  waren.  Diese 
Meinung  vertreten  Wilamowitz  (a.  0.)  imd  andere  wie  De  Sanctis.*)  Sie 
wird  auch,   wie  mir  scheint,    von   Milchhöfer  mit   seineu  statistischen 

1)  AristoieUs  und  Athen  II  161. 

2)  Untersuchungen  über  die  Demenordnung  des  KleMieneSy  Abh,  d,  BerL  Akad. 
1892;  Zur  attischen  Lokalverfassung,  Ath.  Mut.  XVIil. 

3)  Die  Trittyen  und  Demen  AUikas,  Aifi,  Mitt.  XVII. 

4)  "At^iSy  Storia  deüa  republica  ateniese,  S.  330.  £ioe  Bestätigung  hierfUr  wäre 
—  woraaf  I^oper  in  Sumal  ministerstva  narodnago  prosvjeicenija^  Poteraburg,  1896, 
Mai  90  f.  hindeutet  —  dass  die  Zahl  30  bei  einigen  BeamtenkoUegien  im  Zusauimen« 


54  f7.  SwndwaU, 

Berechnungen  des  Grundverhältnisses  auf  ^/g  für  den  Stadtbezirk 
und  */5  für  jeden  der  beiden  anderen  Bezirke^)  nicht  widerlegt,  denn 
die  Zuverlässigkeit  der  Milchhöferschen  statistischen  Methode  lässt  viel 
zu  wünschen  übrig.  Schliesslich  glaube  ich  nachweisen  zu  können, 
dass  man  Grund  zu  der  Annahme  einer  ursprünglichen  Gleichheit  der 
Trittyen  hat,  auch  wegen  der  Veränderung,  die  die  Einteilung  im 
4.  Jahrh.  aufweist.  Wenn  man  nun  versucht,  aus  der  Vertretung  der 
Demen  und  somit  auch  der  Trittyen  durch  Prytanen  etwaige  AufschlüSBae 
zu  gewinnen,  so  sieht  man  sich  beschränkt  durch  die  unvollständige  Kunde 
über  mehrere  Phylen.  Um  dies  Hindernis  zu  beseitigen,  habe  ich  die 
fehlenden  Prytanenverzeichnisse  zu  ergänzen  versucht  (vgl.  unten  S.  86  ff.), 
woraufhin  ich  wenigstens  eine  annähernde  Giltigkeit  meiner  Resultate 
glaube  erwarten  zu  dürfen.  Das  Stärkeverhältnis  der  Vertretung  der 
Trittyen  im  4.  Jahrh.  bekommt  darnach  folgendes  Aussehen: 


«•*) 

b. 

c. 

I.  (6) 

(29) 

(15) 

II.  10 

18 

22 

m.  11 

22 

17 

IV.  18 

17 

15 

V.  (18) 

(11) 

(21) 

VI.  17 

11 

22 

VII.  (16) 

(14) 

(20) 

7m.  (23) 

(17) 

(10) 

IX.  (8) 

(26) 

(16) 

X.  10 

27 

13. 

Als  Resultat  ergibt  sich  mm  für  den  Küstenbezirk  192,  Landbezirk  171, 
Stadtbezirk  137  Prytanen.  Dieses  Resultat  ebenso  wie  die  Gleichheit  der 
Trittyenvertretung  einiger  Phylen  kann  nur  als  Bestätigung  der  Ansicht 


bang  mit  der  Zahl  der  Trittyen  steht,  und  dass  man  augenscheinlich  bei  der  Ein- 
führung dieser  Amter  die  Absicht  hatte,  für  jede  Trittye  ein  Mitglied  zu  ernennen. 
Was  er  ebenda  über  die  Wahl  der  30  Tyrannen  aus  jeder  Trittye  ausführt,  trifft 
aber  nicht  zu,  wie  man  prosopographisch  nachweisen  kann.  Unter  den  Mitgliedern 
der  Akamantis  nämlich  sind  XaigtXi&g  ^Ayvovaios  und  'Avaltiog  Ikpi^ttiogj  beide  aus 
der  binnenlfindischen  Trittys.  Ebenso  ist  es  klar,  dass  wir  iu  der  Aufzählung  des  Xeno- 
phon  (Heü.  11  8,  2)  nicht  die  von  Loper  angenommenen  Trittyenfolge  finden  können, 
wie  aus  Folgendem  lu  ersehen  ist: 

MvrialXoxog  KovdvXidrig  ^  r^tTT.  ii^aoy. 

XQiiuav  —  >  ? 

ßriQa^Livrig  JStSiQisvg        )  tgitr.  nagaX. 

SofpOTxXfig  —  I  ? 

'Eq(xxoa^ivr\g  Olffiiv  }  Tpiri:.  &6t. 

Xagtidi^g  f  ? 

1)  Unters,  üb,  d.  Demenord.  S.  44. 

2)  Ich  verwende  hier  der  Kürze  wegen  dieselbe  Bezeichnung  der  Trittyen  wie 
Löper  iu  Ath.  Mitt.  XVII  431,  nämlich  a  für  die  Stadttrittys,  b  für  die  Küstentrittys 
und  c  für  die  Binnenlandtrittys. 


Epigraphiache  Beiträge  zur  sozial'jwlitischen  Geschichte  Athens.      55 

von  der  ursprünglichen  Gleichheit  der  Trittyen  gegen  die  Annahme  von 
Milchhöfer  angesehen  werden.  Die  Trittyeneinteilung  liess  sich  natürlich 
nicht  lange  unverändert  erhalten.  Aber  die  Veränderung  ergibt  sich  aus 
diesen  Zahlen  anders,  als  Wilamowitz  behauptet:  „Selbst  dann  würde 
die  Einteilung  für  die  wirtschaftliche  Übermacht  beweisen,  die  trotz  den 
landfreundlichen  Massnahmen  der  Tyranms  die  Hauptstadt  gewonnen  hatte. 
Die  Demokratie  hat  diesen  Prozess  mit  oder  ohne  Absicht  ungemein  be- 
schleunigt, denn  in  den  meisten  Phylen  und  so  überhaupt  in  der  Bürgerschaft 
überwiegen  die  Angehörigen  der  Stadtprovinz  relativ  ganz  bedeutend".*) 
Die  Verschiebung  hat  zu  Gunsten  des  Küstenbezirkes  und  zum  Nachteil 
des  Stadtbezirkes  eingesetzt,  während  der  Landbezirk  ungefähr  unver- 
ändert geblieben  ist.  Diese  Tatsache  können  wir  ausserdem  durch  Bei- 
spiele von  Verschiebungen  in  einzelnen  Phylen  während  des  4.  Jahrh. 
beleuchten.    In  der  Pandionis  hat  man  innerhalb  30  Jahre: 

II  «865.  IP871b. 

a=12  a  =  ll 

b  =  21  b  =  22 

c  =  17  c  =  17. 

In  der  Oineis  ist  wahrscheinlich  Hippotomadai  zu  der  Stadttrittys 
zu  rechnen  und  wird  abwechselnd  mit  Tyrmeidai  im  Bäte  vertreten 
(vgl.  unten  84,  2).  Es  ergibt  sich  also  für  diese  Phyle  in  dem  Zeiträume 
von  10  Jahren  folgende  Verschiebung: 

II»  868.  II»  868  b. 

.  a  =  17  a  =  16 

b  =  11  b  =  (12) 

c  =  22  c  =  (22). 

Nacli  meiner  Meinung  ist  somit  ein  Rückgang  der  ursprünglichen  Be- 
völkerung der  Stadtdemen  hier  unzweideutig  festgestellt,  der  nur  so  zu 
verstehen  ist,  dass  die  ärmere  besitzlose  Stadtbevölkerung  vielleicht  mehr 
zu  Kleruchien  herangezogen  wurde  und^  da  sie  überhaupt  beweglicher 
war,  nach  und  nach  zusammenschmolz.  Die  Niederlassung  von  Einwohnern 
der  anderen  Bezirke,  die  übrigens  in  ihren  Demen  eingeschrieben  blieben, 
hat  wohl  die  Lücken  in  der  eingesessenen  Bevölkerung  der  Stadt  aus- 
gefüllt, doch  erlaubt  uns  dieser  Vorgang  noch  nicht  an  ein  industrielles 
Stadtproletariat  zu  denken.  Dadurch  entstand  auch  der  Unterschied 
zwischen  den  Teilen  der  Demosbevölkerung,  die  in  der  Stadt  lebte  und 
der  auf  dem  Lande,  der,  wie  v.  SchoefEer^)  hervorgehoben  hat,  im  poli- 
tischen Leben  und  den  kommunalen  Angelegenheiten  sich  häufig  fühl- 
bar machte. 

Was  nun  die  Eolle  der  besitzenden  Klassen  in  der  Demenverwaltung 
angeht,  so  sind  zunächst  von  den  Spitzen  der  Verwaltung,  d.  h.  den 
Demarchen,  im  4.  Jahrhundert  folgende  bekannt: 

1)  Ärist.  u.  Athen  n  161. 

2)  Unter  ^4fMM,  Ptmfy'Wümoa. 


56  e7.  Stmdwdll, 

V.  346.    "AviiytXog  'Ahfiovaiog  (Dem.  LVn  26,  60). 

c.  350.     Nixwp  'Ixaquvi  (11*  572  c). 

rvi9iQ  *EXsv<fiviog  (H«  574  b.g). 

V.  346.    Evli&ioq  Qovxgitov  'AXtfiavaiog  (Dem.  LVII). 
346.    Evßovkldijg  ^Avxt^ilov  'AXifiovaiog  (Dem.  LVII). 

345/44.    Jrjtioc&ipfjg  Al^iavm  (Ü«  1055). 

325/24.    /twQo&eog  Ai^wv^vg  (n^  579,  H^  584  c). 

321/20.   'Oi/i/rwe  'Ekivahiog  (II*  574  e). 
^Qvvitav  Ütiqauvg  (11  ^  1059). 

313/12.    'HyriaiXiiOQ  Alltaviv^  (Hi  585). 

Ende  i  4.  Jahrh.  löaqxog  'Eltvamog  (11^  574  g). 

V.  300.    Ev»vSi]fjiog  .  . .  ^oxA^vc  'Ektvaiviog  (TL*  574h). 
0iX6&fiQog  All(üvm  (n*584d). 

Bezüglich  ihrer  können  wir  behaupten,  dass  Nikon  aus  Ikaria,  der 
nebst  zwei  Choregen  gelobt  wird,  6n  xaluig  xal  öixaiwg  rqi  /liovvatß 
tijv  ioQTtjv  knoifjaep  xal  xov  äyu/va  und  wohl  aus  eigener  Kasse  bei- 
gesteuert hatte,  vermögend  war,  wie  auch  Gnathis  aus  Eleusis  als  Choreg 
erwähnt  wird;  auch  Antiphilos  und  Eubulides  aus  Halimus  waren  ver- 
mögende Leute ^),  und  von  Euthydemos,  S.  d.  — rokles,  aus  Eleusis,  heisst 
es  in  dem  Ehrendekret  II  *  574  h :  xal  kax^av  diifiag^og  xakwg  xal  Sixaitag 
dtdi^fiUQXV^iv  xal   xi&vxiv  re  x^  Jiovvaqt   vnig  vyniag  xal  ffdoxrigiag  rHv 

Sfjfioxanf  nag  avxov  avaUaxu)v  elg  xoig  Sfjfjioxag  ne Euxitheos  aus 

Halimus  wird  zwar  von  dem  Redner  (Dem.  LVII)  als  arm  dargestellt, 
aber  dies  geschieht  deutlich  nur,  um  die  Übergriffe  des  reichen  Eubulides 
gegen  ihn  stärker  hervorzuheben;  denn,  dass  er  völlig  arm  gewesen 
sein  sollte,  ist  ausgeschlossen,  da  sein  Vater  doch  einer  begüterten  Familie 
angehörte«),  und  es  von  ihm  selbst  heisst,  dass  er  ein  kleines  Haus  auf 
dem  Lande  hatte  und  als  Phratriarch  und  Heraklespriester  tätig  war. 

Femer  kommen  auch  unter  den  als  Antragssteller  in  den  Demosver- 
sammlungen bekannten  mehrere  vermögende  Leute  vor,  wie  Kalliades,  S.  d. 
Philinos,  aus  Peiraieus,  Antragsteller  um  350,  der  in  einem  Orgeonendekret 
gelobt  wird  ]^  Philoktemon  und  Philaios,  Ss.  d.  Chremes,  aus  Aixone,  deren 
Vater  wahrscheinlich  der  Archon  326/5  ist  (vgl.  P,  A,  14  640);  —rokles, 
S.  d.  Ethydemos,  aus  Eleusis,  dessen  Vater  als  Priester  des  Asklepios 
Weihungen  machte  (IP^  1651)  und  dessen  Sohn  als  vermögend  bezeugt 
ist  (s.  oben  unter  den  Demarchen) ;  Glaukides,  S.  d.  Sosippos,  aus  Aixone, 
dessen  Bruder  323  unter  den  Rittern  ist  (11-962);  Tiniokedes,  S.  d.  Gnathis, 
aus  Eleusis:  einer  der  Vorfahren  Choreg  (s.  oben  unter  den  Demarchen). 
Wir  finden  also,  dass  sowohl  unter  den  Demarchen  als  unter  den  im  Demos- 
leben sonst  einflussreichen  melirere  vorkommen,  die  wir  als  begütert  und 

1)  S.  oben  S.  15. 

2)  Vgl.  oben  S.  8  zu  ©orxpiTog  \lXm. 
3^  Ath,  Mitt.  XXI  299  und  808. 


Epigraph\8che  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Äthetis.      57 

als  liöheren  Schichten  der  Bürgerschaft  angehörig  kennen.  Diese  Tat- 
sachen sprechen  dafür,  dass  die  Begüterten  ein  entschiedenes  Übergewicht 
in  den  Demen  hatten.  Bemerkenswert  ist,  dass  Hanssonllier  in  seiner 
grundlegenden  Arbeit  La  vie  municipale  en  Attique  die  hiermit  über- 
einstimmende Schlussfolgerung  ausgesprochen  hat,  dass  nur  wenige  die 
Posten  in  den  Demen  suchten,  und  dass  diese  den  einflussreichen  Familien 
angehörten,  qui  so7it  la  force  du  deme  et  comme  le  noxjau  de  Vassenible'e 
(S.  60),  und  weiter:  Cest  ä  leur  anciefinete',  ä  Uurs  richesses,  mais  aussi 
ä  leurs  dtats  de  Service  que  ces  familles  doivent  la  cansideration  dont 
elles  jouissent:  ce  sont  elles  qui  founüssent  a  Vassemhlee  la  plupart  de 
ses  orateurs,  au  deme  la  plupart  de  se^  magistrats.  Er  stützt  sich  da- 
bei auf  die  Redner  und  die  Inschriften.  So  weist  er  auf  die  Familie 
der  Buseliden  hin  und  deren  unzweifelhaften  Einfluss  in  Oion^)  oder  den 
Einfluss  des  Antiphilos  und  seines  Sohnes  Eubulides  in  Halimus;^)  auch 
führt  er  mehrere  Dekrete  aus  Aixone  an,  in  welchen  einige  Familien 
durchgängig  als  die  geschäftstragenden  vorkommen,  wie  Chremes  und  seine 
Söhne  Philoktemon  und  Philaios  (vgl  oben);  Nauson  nebst  Söhnen  Eallis- 
thenes  und  Anticharmos  und  Enkel  — ttiq  Avti.xuqiaov\  Eallias,  S.  d. 
Kalliades,  Itg^v^  *H(faxku3wv  (II  ^  581)  und  sein  Sohn  als  avvSixog  (11  ^  584  d) ; 
Philotheros  als  Demarch  und  sein  Sohn  als  avvSixos  (ebend.),  u.  s.  w. 
Hanssonllier  fragt  sich:  Ne'71  etait-il  pas  de  m$me  dans  tous  le^  autres 
hourges?  Unzweifelhaft,  denn  wir  können  weiter  z.  B.  auf  Eleusis  hin- 
weisen, wo  es  in  einem  Dekret  zu  Ehren  des  Euthydemos,  S.  d.  — rokles, 
als  gewesenen  Demarchen  heisst:  vnaQx^^v  f^^  Ev&vdtjfiqt^  do&iiatjg  xai 
Tolg  ngoyovois  ainov  ravxfi^  r^g  dwgiäg^  ngoiSgiav  aizip  xal  iyyovoiQ 
(II  *  574  h).  Also  hatten  seine  Vorfahren  eine  wichtige  Rolle  in  ihrem 
Demos  gespielt,  was  wir  auch  durch  andere  Inschriften  bestätigt  sehen. 
Sein  Vater  ist  nämlich  Antragsteller  321/20  (11^  574  e),  und  sein  Gross- 
vater scheint  sich  auch  hervorgetan  zu  haben  (11^  1651).  Femer  haben 
wir  um  350  einen  Demarchen  Gnathis,  dessen  Sohn  wieder  am  Ende  des 

4.  Jahrh.  Antragsteller  ist  (11^  574  g).  Kallimachos,  S.  d.  Kallikrates,  ist 
Antragsteller  eines  Ehrendekrets  (II  ^  574  b) ,  und  sein  Sohn  Kallikrates 
kommt  in  einem  Katalog  vor,  11*  1013.  Aus  Athmonon  wird  unter  den 
Merarchen  325/4  Lykophron ,  S.  d.  Lykiskos ,  erwähnt  (II  *  580) ,  dessen 
Vater  vielleicht  der  Archon  344/3  war.-^) 

Die  Versammlungen  der  Demen  waren  wenig:  besucht  (HaussouIIier  a.  0. 

5.  02).  Die  Ursache  dafür  ist  einleuchtend.  Die  Äiineren  hatten  weder 
Lust  dazu  noch  waren  sie  in  der  Lage  sich  daran  zu  beteiligen,  denn  es  ist 
wahrscheinlich,  dass  die  Mehrzahl  der  ärmeren  Demoten  in  der  Stadt  an- 
sässig war,  wie  oben  ausgefühi*t  wurde.    Die  Wohlhabenden,  die  Grund- 


1)  YgL  [Dem.]  XUIL 

2)  Dam.  \LYlt^ 

8)  IM,  JbiL§(1ß^  JIML  ^WlMi  Ol  AiheM  VIII  215. 


58  'h  Sundwal}. 

besitzer,  wohnten  fortwährend  auf  dem  Lande  und  konnten  so  in  A&a 
Demen  schalten  und  walten.  Damm  sehen  wir,  dass  man  auch  in  Demen- 
angelegenheiten immer  gewöhnt  war,  sich  auf  die  Beihilfe  der  Beichan 
zu  verlassen.  Diese  Eommunalversammlungen  gewährten  zweifellos  In- 
triguen  und  Winkelinteressen  in  Attika  einen  bedeutenden  Spielraum,  wie 
überall  in  kleinen  Gemeinden,  wo  einige  Familien  die  Oberhand  be- 
haupteten oder  darum  stritten.  Dafür  liefert  die  Pseudo-Demosthenische 
Rede  gegen  Eubulides  ein  beredtes  Zeugnis.  Auch  aus  Aristoteles 
Worten:^)  al  8'  iv  Qtjatiqt  xXfjgotficvcu  (agx^^)  ^«ffpoiJyro  üg  rovg  dijfiovg. 
inBiSfi  9  inwXovv  ol  Sijfioi,  xal  rctvrag  kx  rfjg  (fvXijg  oltjg  xXti^oikfiV, 
lässt  sich  deutlich  herauslesen,  dass  die  Begüterten  sich  stark  zur  Be- 
setzung von  Ämtern  drängten,  wie  Demosthenes,  der  bekanntlich  einem 
grossen  und  angesehenen  Geschlechte  angehörte,  mit  Erfolg  versuchte, 
seinen  Nebenbuhler  zum  Rücktritt  bei  der  Bewerbung  um  das  Ratsamt  zu 
bewegen,  wie  Aischines*)  berichtet.  Der  Eindruck,  den  man  von  den  Demen 
bekommt,  ist,  wie  Haussoullier  treffend  bemerkt,  der,  dass  sie  einen  sehr 
kleinen  Ereis  bildeten,  in  welchem  einige  Familien  oder  Personen  die  Macht 
hatten,    und  mit  dem  attischen  Staate  als  Ganzem  verhielt  es  sich  ebenso. 


1)  'A».  noX.  62,  1. 

2)  in  62,  vgl.  V.  Schoeffer  unter  ^^fiot  Pauly-  ]yi88.  28.  Der  Bericht  des  Aischines 
hätte  dann  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  wenn  man  beweisen  könnte,  dass  Demosthenes 
dem  Demos  Tlaiavla  xa^vnsQ^sv  angehörte,  der  nur  einen  Prytanen  stellte  (Ilautvia 
hnivsq^sv  stellte  nämlich  nicht  weniger  als  11  Prytanen),  wodurch  es  möglich  wurde, 
einen  Nebenbuhler  sum  Rücktritt  zu  bewegen.  Dieser  Beweis  lässt  sich  fuhren ;  denn 
in  einem  Ephebenkataloge  aus  305/4  (II  ^  251b)  konmit  unter  den  zu  Antigonis  ge- 
hörigen IlauLvuls  ein  —  JrnLoxdQOv  vor,  der  aus  derselben  Familie  wie  Demosthenes 
ist  (vgl.  P.  Ä.  3597).  Nun  wissen  wir  ja,  dass  nur  Ilaiavla  na^vnsQ^tv  zu  Antigonis 
geschlagen  wurde  (s.  unten  S.  89),  also  gehörte  das  Geschlecht  des  Demosthenes  tat- 
sächlich diesem  Teil  des  Demos  Paiania  an. 


8.   Gesandte  und  Redner. 


Zuletzt  sollen  die  Gesandten,  sowie  die  Redner  und  Antragsteller  in 
der  Volksversammlung  behandelt  werden.  Im  Zusammenhang  damit  wird 
auch  auf  die  Bildung  der  damaligen  politischen  Parteien  in  Athen  helleres 
Licht  fallen.  Was  zunächst  die  Gesandten  betrifft,  so  wissen  wir,  dass 
sie  1  bis  3  Dr.  als  iipodia  erhielten;^)  also  genug,  dass  auch  weniger  be- 
güterte Bürger  einen  solchen  Auftrag  hätten  übernehmen  können.  Tat- 
sächlich war  das  jedoch,  so  weit  wir  sehen,  nicht  der  Fall  Eine  Zusammen- 
stellung aller  Athener,  die  in  der  Zeit  von  360 — 22  als  Gesandte  verzeichnet 
sind,  wird  es  erweisen: 

359/58.   'Avuyüiv     j  ^^   ^^  ^^ 

356/55.    jdvaixQdtfic  Olvaiog  \ 

'Avtifiazog i  11*  Add.  66b. 

navxivYtg  __  l  Dem.  XXIV  12. 

^AvSqoxiiüV  raqyr(XTiog  I 

EvdiSaxTog  Aa^mqtvg   \  Ditt.  SylU  789. 

og  AaiAntqvig  ) 

351/50.    'Ay)6ßr,Tog  Ko&wxldrjg,  Schäf.,  Dem.  I«  482,  7. 


355/54. 


352/51. 


Nixoaxqaxog  Qoqmtvg 
^aivinnog  ^A^rivuvg 
QqaCvxXfg  IlaXkfivetg 
'^/iinnog  Iloqiog 
*A&ipßlmv  *Aqayrpfiog 


n*  105. 


1*808.    Boerner,  Pauly-Wias,  anter  *Etf>6d%ov. 


60 


J.  Suiidtvall, 


360—50?   ''AvSqwv  ix  Kiqafiiiav 
Avaia  . 


^kviig 


)  U^  546. 


Schaf.,  Dmu  II«  195,  1;  240,  1. 


Ev^Qoavvog  üaiavuvg 
348/47.    Kvvjaiyxtiv,  Schaf.,  Denu  11 «  166. 

JlaxivrtQ  Ko»a)xiS»ig,  Schaf.,  Dmi.  IV  170. 
347/46.   \4QiaT6dnuog,  Schaf.,  Deni.  IV  192  f. 

KTfjmyuiv 

\4QtaT68f]fiog 

"laTQOxXfjg  IlaaiywVTOg 

Kifiü)V  (ydaxiddtjg)? 

Navifixltjg  'Orj&ev 

JtQXvlog  'Ayvovöiog 

0QVPü)v  *Pafivavaiog 

^iXoxQatijg  'Äyvoüaiog 

AlaxivTjg  Ko&wxiörig 

j9]fioöd'ipr^g  Tlaiavuvg 

/liQXvXog  ^Ayvovatog         ^ 

'AyoßtjTog  Kod-wxidijg     [  Schaf.,  Dem.  11'^  275,  1. 

2Ti(pavog  'EQOidSfjg         J 

V.  346.     TifioQxog  Hyi^rriog,  Aisch.  I  120. 

345/44.    /Ir^iAoa&ivfjg  üaiavuvg  \  ^  .^.     ^        ,,«  ,,j,.    - 
'         crj   *  V         '        }  Schaf.,  Devi,  11-354,  1. 

Eifxkeidtjg,  Schaf.,  Dem.  11^348,  1. 
344/43.    'Upjamnog  ^ovpievg,  Schäf.,  Dem.  II  ^  380. 
343/42.    Jtjfioa&ivfjg  Üaiavuvg  IIL 

'Hyiqainnog  ^ovvuvg  IV. 

üokvevxTog  S^xxiog  V. 

[AvxovQyog  Bovrddtjg  VI^ 

[KliiTOfia^og ]. 

342/41.    JfjfMa&evfjg  Üaiavuvg,  Schäf.,  Dem.  11-482. 

'YnsQBidrfg  Koklvrsvg,  Schäf.,  Dem.  irM84. 

Mivilaog  Mvggivovaiog  f 
34140.    Jt}fÄoadiv9ig  üaiavuvg,  Schäf.,  Dem.  11-486. 
339/38.     JrtiA06»lvrig  üaiavuvg,  Schäf.,  Dem.  11-^549. 
338  37.    'YnBQeiStjg  KoUvrevg^  Schäf.,  Dem.  111 M6,  2. 

Jfj^dSr^g  üaiavievg 

,,,    '^       ,.r  .o     „T        ?  Schaf.,  Dem.  III- 2o. 

<l>wxiajv  ily?iaTiadf]g?] 

\üoXvevxTog  ^^TTiog\^) 


Schäf..  Dem.  HM27,  2. 


1)  S.  dazu  Blass,  AU.  Ber.  Iir^  2,  153,  3, 


Epigraphkehe  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athe^is.      61 

336/35.    Jniioc&hrK  Umavi^  \  ^^^^^    j^^    ^^^  ^   ^^^  j 

nripiaorig  llaiaviivg         > 

^AqictoydtUiV  \ 

jQtanlSijg  \  Schaf.,  Dem.  IIT«  119,  1. 

'lyixQCiTfjg  Pa/ivovifiog    I 
335/34.    JfifAoa&ivfjQ  Uaiapiivg,   Vitu  Xor.  851b. 

0wxi(av  [lytauaoijg}  >  ' 

332/31.    Jiöfavxoi  [JKt;e^*,r<n;<T,off] ? •)  |  ^^   jjj,  ^^      ^ 

329/28.   ei]ßayiv})s 'Ektvatvtoe,  11»  179  b. 

323/22.   •Yn^.iSn,  KoXXvr^,    j  ^^,,,   j^j,  3^     3. 

IIoÄvivxTog  2.^rittiOQ  ' 
322.    JtjfAadfjg  Uaiavimjg     \ 

0wxlu)v  ['lyiaudStKi]  \  Schaf.,  Dmn.  III»  388. 
JrjfAiiTQiag  ^aXr^Qivg     I 

Begütert  sind  folgende: 

&Quawv  'Egxi^s,  Proxenos  der  Thebaner,  ans  einer  vornehmen,  reichen 
Familie.    (S.  zu  seinem  Sohne  Thrasybnlos  unter  den  Strategen  S.  27). 

MiXaifwnog  M^wvivg. 

rkavxirtig, 

'AvdgoTltav  ragyi^TTiag.  Von  diesen  sind  Melanopos  und  Androtion 
auch  sonst  als  reiche  Bürger  bekannt  (s.  oben  S.  27  u.  15).  Von  allen 
dreien  heisst  es  bei  Demosthenes»)  ^nkovai.01  ovng^. 

'AgiöToSfifiog  war  sicherlich  reich.*) 

'latgoxlijg  IlaaifpwvTog  muss  wohl  deswegen  einer  reichen  Familie 
zugewiesen  werden,  weil  diese  ihn  aus  der  Gefangenschaft  loskaufen 
wollte.«) 

NavctxXi^g  'Of,&iv,  s.  zu  den  Strategen  S.  27. 

AegxvXog  *Ayvovaiog,  s.  zu  den  Strategen  S.  27. 

Wgvvofv  PafAvovöiog  kaufte  sich  aus  der  Gefangenschaft  los.^j  Der- 
selbe avi&ipciv  inig  Aioyvtixov  xov  vov  c.  350  (IP  1440). 

0iXoxgciTt}g  'Aywovcio^,  s.  zum  Rate  S.  15. 

Jrjfioa&ivfjg  üaiavuvg,  s.  zum  Kate  S.  15. 

Tifiagxog  2!(pijTTiog,  s.  zum  Rate  S.  15. 

'Byncinnog  JSovvuvg  kommt  als  kyYvnxiig  rgnigwv  in  den  Seeurk.  vor 
(n*804B.a.  26;  809  c.  69). 

IIokvivxTog  JStpnxtiogy  von  Demosthenes  als  6  ßÜLuatog  bcaivoai  er- 

1)  Beloch  (AU.  P6L  246,  5)  hält  ihn  fUr  identisch  mit  Diophantos,  S.  d.  Phrasi- 
kleides,  aus  Myrrinus,  was  jedoch  unsicher  bleibt. 

2)  XXIV  112. 

3)  Vgl.  Schaf.,  Dem.  I«245. 

4)  Aisch.  III  16. 

5)  Schlf.,  Dem.  II«  165. 


62  J.  Sundwall, 

wähnt  (IX  72),  war  ein  geistreicher  Eedner/)  der  ohne  Zweifel  zu  den 
Wohlhabenden  zählte. 

jivxovQyog  Bovrddtjg,  s.  zu  den  Finanzbeamten  S.  43. 
'YntQÜdm  KoXXvxtvg^  s.  zum  Rate  S.  16. 

Mivtkao^  Mvggivovaiog  hnidtoxtv  üg  t«  aituiVixd  (TL«  808  c.  74 ;  809  d.  211). 
JfjfAclSfjg  üautvuvg^  s,  zu  den  Strategen  S.  28. 
Alaxivm  Ko&itixl8tjq.    Über  seine  Vermögensverhältnisse  s.  zu  Dem. 
XVm  312. 

0(oxiu)v  ['IffiaridSfig],  s.  zu  den  Strategen  S.  29. 
*Iq>ixgdtfig  'PafAvovaiag.    Über  die  Vermögensverhältnisse  seines  Vaters 
s.  zu  den  Strategen  S.  26. 

JiotpapTog  [MvQQivovüiog].  Wenn  die  Identifizierung  Belochs  richtig 
ist,  der  mehrmals  als  Trierarch  bekannte  D.  aus  Myrrinus  (P.  A.  4435). 
Über  Jt]fii^TQ$og  ^aXijgsvg  siehe  zu  den  Strategen  S.  28. 
Von  45  Gesandten  sind  also  ungefähr  23  als  begüterte,  ja  reiche 
Bürger  bekannt  Dazu  passt  auch  gut,  dass  so  reiche  Männer  wie  De- 
mosthenes  oder  Demades  sehr  oft  als  Gesandte  fungierten.  Kurz,  auf  diesem 
wichtigen  politischen  Gebiete  ist  ein  überwiegender  Einfluss  der  Be- 
güterten zu  erkennen. 

Zu  demselben  Ergebnisse  kommen  wir  bei  der  Prüfung  der  Antrag- 
steller und  Redner  in  der  Volksversammlung.  Als  solche  sind  uns  bekannt: 
359/58.     rXavxfav,  Schaf.,  Dem.  V  161. 

358/57.     JlBQtavdgog  UoXvaqdxov  XoXagrm,  Ditt.  8yll^%22,  3;   Schal, 
D&m.  I«  167. 
Xaigidfjfwg,  Schaf.,  J5.  193. 
357/56.    'Hrv(fav8eos  'Hynalov  2owim,  Ditt.  Syll^  111,  3. 

Tifio&eos  Kövtavog  'ApafpXvauog,  Schaf.,  Denu  I-  163,  1. 
Kriq>i4s65otog  ix  KsgafAiwv,  Schaf.,  Dem,  I*  163,  1. 
KdJiXinnog  üoiavuvg^  Schaf.,  Dem.  I^  164,  2. 
^Agtatoifäv   'Agurroffdvovg  *A^fjvisvg,    11^  63,    vgl.    Afh.    Mitt. 
n  153,  2. 
k.  n.  357.    'Hyncmnog  'Hytjaiov  2ovvt€vg,  II  ^  65,  Ditt.  Syll^  110,  1. 
356/55.     noXüvxTog  2ip!^xxiog,  H^  66,  Ditt.  /Syii.«  115,  5. 
KaXha&ivTig,  n>  add.  66  b,  Ditt.  Syll^  114,  6. 
jiinrivfjg  hx  KoiXtjg,  Schaf.,  Dem.  1^3911 
'Avdgoriwv  "Avdgwvog  Fagyi^TTiog,  Schaf.,  Dem.  1*351  u.  352. 
Miidiag  Ktjipiöodcigov  'Avayvgdaiog,  Schaf.,  Dem.  1  ^  362. 
'AgiOTotfäv  ^Aqiaxotpdvovg  *ACt]vuvg,  Schaf.,  Dem.  T^  184,  .1. 
Aionei&fjg  Aionti&ovg  2(prJTUog,  Schaf.,  Dem.  I*  184,  1. 
355/54.    'Agiatoifwv'AgiaTotpdvovg'ACfjving,  Schaf.,  Dem.  I«  180, 1 ;  n*  70. 
EvßovXog  ^mv&dgov  IlgoßaXiöiog,  Schaf.,  Dem,  I*  188.   Beloch, 
Att.  Pol.  365. 

l)  BhiSH,  AU.  Ber.  III  «2,  158. 


Epigraphische  Beiträge  zur  soziairpolitischen  Oeschichte  Athens.      63 

'HyrtOmno^  'Hy^alov  SowiOfg^  Schaf.,  Dem,  I*  499,  2. 
354/53.     Kgarlvog  n»71b. 

^iXwvädfK  0iXoarqaxov  IlaiJifivivg  11  ^  71c. 

Jijfioa&ivfig  Jrjfioo&ivovg  Uaiaviivg,  Schaf.,  Dem.  1*456  f. 

EixTtjfiwv,  Schaf.,  Dem.  I«  367. 

K7iq;$($oywv  KaXhßiov  Ilatapinfg,  Schaf.,  Dem.  1-443. 
353/52.     EviHiiaxoQ H^  72. 

TifAwviSns n«72b. 

JfjfAoa&imig  ^fjfjioö&ivoug  Ilmcnnfvq^  Schaf.,  Dem.  1-519. 

Awxirng  ix  KoiXfjSy  Schaf.,  Dem.  V  512. 

'ÄQx^ßioSriQ  JjjfAOTÜiovs  *Ai,a&ivs,  Schaf.,  Dem.  I*  512. 

0(üximv  ['lyiüTiudfjgl  Schaf.,  Dem.  V  512. 

Tif/^oxgdrtis  'Amtpwvtog  Kgitaw^^  Schäl,  Dem.  I*  369. 

/lt6(favtog  JSffYitTiogj  Schaf.,  Dem,  I*  206,  1. 
368—353.     MiXcivanog  Adx^vog  Ailißavüg  11  ^  73.     Ditt.  Syll.^  117,  5. 
y.  352/51.    BXinvQog  IIh&upöqov  Uaiopiä^  11  <^  95  b. 

JtoyÜTfav  n^  76. 

Kgativos  n5  83b. 

'EmxdgtK  n^95. 
352/51.    *«Aoxparj7ff  *Arvoi6ioi  n«  104  a  (vgl.  P.  A.  14576). 

Afjfioa&ivijs  AfifAoa&ivovg  IIaiavi9vSj  Schaf.,  Dem.  11*  58. 
351/50.     Jti^oa&ivns  Jf^/ioa&ivovQ  ümaviivg^  Schäf.,  Dem.  I«  481—82. 
350/49.    0iXoxQäTfK  'Ayvotciog,  Didym.  Schol  Demosth.;  P.  A.  add.  14  599. 
349/48.    Mudlag  Ktjtpiaodwgov  "Avarvgdaiog ,  Schäf.,  Dem.  11*  79,  Blass, 
AU.  Ber.  m«  1,  316. 

JfjfAoc&ivrjg  Aij/ioa&ivovg  Ilaiavmgj  Schäf.,  Dem.  11*79;  131  f. 

[ArjfAaSrig  Jtjfiiov  Uaiaviivg],  Schäf.,  Dem.  U*  131,  3. 

'AnoXXodwgog  Uaclunfog  *Axagvivg,  Blass,  Aü.  Ber.  III*  1,  316. 

'AgxiSnfiog  *Agxiov  llmoviSfig  HS  ü«  107. 

'hgoxXtiStjg  TifMOrpätov  ^AXwntxrf&av  U^  107 b.c. 

IloXvxgdrfjg  IloXveCxrov  09iyai9vg  11^  108. 
348/47.     [JfjfAoa&ivng  AfifiO0&h^ovg  Ucuavttvg]  ?  11  ^  224 ;  Wilhelm,  Comptes 
rendus  de  VAcad.  des  Inser.  1900,  5241 

(piXoxgarng  'Aywvaiog^  Schäl,  Dem.  n»  166,  4. 

AUsxivng  'AtgofM^rftov  Ko&mxidfjgj  Schäl,  Dem.  II*  168. 

EvßovXog  2niv»aQov  ügoßaUtnag,  Schäl,  Dem.  11*  170. 
347/46.     J9ifioa»ivrig  Arifioa&ipovg  UauiVievg,  Schäf.,  Dem.  11*  178,  3; 
193,  3;  2091 

2xtxfavag  AvnSißiQidov  ^EgoidS^Q^  Ditt.  8yU.'^  125,  4. 

Atlfioxßdrtjg  'Atpidvalog,  Schäf.,  Dem.  U*  193,  2. 

^iXoxgdrng  "Ayvovaiog,  Schäl,  Dem.  U*  194,  1;  225;  273. 

EvßovXog  JSniv&dgov  JlgoßaXiöiogy  Schäl,  Dem.  11*  194,  2;  231. 

Ktifp^aoyHuv  KaXXtßiov  Haiapitvgy  Schäl,  Dem.  11*  194,  2. 

AUfxivm  ^ArgofiTtTov  Ka»wxiätig,  Schäl,  Dem.  11*  230. 


64  J.  Sundwall, 

'AvSqotIwv  ^AvÖQutvog  ra^rittiog^  Ditt.  Syll.^  129.    . 

fJoXvivxTog  TiuoxQUTOvg  KQtwevg,  Ditt.  Sfjll'  129. 

'Hrijatnnog  'Hy^clov  2ovvi^g,  Schaf.,  Dem.  W-  227,  3;  276,  4. 

'Ale^ifiaxog  77i?Ai?S,  SchÄt,  Dem.  H«  242. 

Kakliff&kviic,  Schaf.,  Dem.  11«  293. 
346/45.     Jrjfiocfilog,  Schaf.,  Dem.  H^SOS. 

Jlaxivm  ^AvQOfirtTov  Ko&taxiStjg,  Schaf.,  Dem.  11-296. 

^ijfjioa&ivfjg  /Itjiioa&ivovg  üaiavttvg,  Schaf.,  Dem.  11*290. 

KaXkixgdzjjg  Xagonidov  jiaiinxQVjg  11*  75  u.  IT*  110c. 
345/44.    'AQiax g  'Agiarovlxov  —  IV  135b  u.  IP  lllcH. 

/Itllioö&iv^g  Jijfioa&ivovg  Tlaiavuvgj  Schaf.,  Dem.  11*  353,  4. 
c.  344.     MotgoxXijg,  Schaf.,  Dem.  II «  433,  2;  B.  275,  277. 
344/43.     Jtjfio(j»iprs  /lijfAoa&kvovg  Hmavuvg,  Schaf.,  Z)m.  IP356;  366. 

\Hyr,ainnog  'Hytjciov  JSovvtevg,  Schaf.,  Dem.  11*  379. 

—  Olvoßhv  PafAvovötog  IIU35b  u.  HMll  c.I. 

'Agiartllov  KvQiu8i}q  11*  111. 

343/42.     ^tjfioad^ivrjg   Jr^fioff&ivovg   üatariivg,    Beloch,   Atf.   Pol.   369; 
Schaf.,  Dm.  n«439;  450,  3. 

^fifiddfig  Jfifiiov  Uaiapnvg,  Schaf.,  Dem.  11*434,  5. 

*Hyr^innog  *Hyfjffiov  JSovvuvg,  Schaf.,  Dem.  11*  434. 

*Aoiaxotpwv  ^Aginroffdwovg  ^Cfjvtivg  11^  114  b. 
V.  342.    'ApTtfüSiav,  Schaf.,  Dem.  B.  273. 

QovxvSiing,  Schaf.,  Dem.  B.  273. 
342/41 .     J^fAoaö-ivfjg  J9ifioa9ivovg  Ilmavuvg,  Schaf.,  Dem.  II « 453  f. ;  466 1 
341/40.     Jrjfioa»ivtjg  Jriiioa9ivovg  üatavtevg,  Schaf.,  Dem.  II*  495;  497  f. 

^Agiöxovixog  Nixotfdvovg  'Avayvgdfftog,  Schaf.,  Dem.  II*  496. 

Innoaxgaxog  ^Exiag^ldov  üakXtjvivgj  11^  116. 
340/39.     /Ifjfioa&ivtjg  Jtjfioa&ivovg  Ilaiaviivg,  Schaf.,   Dem.  11*505,  2; 
525.    Bev.  des  dtv^.  greeques  Xm  158. 

KaXXtxgdxtjg  XagoniSov  jiaptnxgng  11^  117. 

^tXoSriuog  JvxoxXiovg  EgoidSrjg  11«  117  b.     Larfeld,  Hdb.  90. 

....  xgdxrjg  'A&tjv Bvg  11^  119.     Larfeld  a.  0. 

339/38.     Jt]fiOrt&ipt]g    /lijfioa&ivoifg    üataviivg,    Schaf.,    Dem.   II*  527; 
548 f.;  560. 

JrjfiofiiXtjg  Jr^itavog  Tlmavuig^  Schaf.,  Dem.  11*  557,  5. 

"YntgtlSm  rXavxlnnov  KoXXvxivg,  Schaf.,  Dem.  11*557,  5. 

JivivSag,  Schäf.,  Dem.  II*  557,  5. 

*(wx/wv  l'LptcxiaSng],  Schäf.,  Dem.  U*  559. 
338/37.      YneguStjg  FXavxinnov  KoXXvxevgy  Schäf.,  Dem.  111^9. 

Avxoigyog  Avxoqgovog  BovrdStjg,  Schäf.,  Dem.  III*  7,  2. 

JfjfAoa&ivrjg  Arj^oöd-ivovg  Uaiaviet'g,  Schäf.,  Dem.  UI*  12;  80,  4. 

ArjfidSng  Afjfiiov  üatavitvg,  Schäf.,  Dem.  111*27.  2;  33. 

'Hyr^ffinnog  *IJyfj(TiOv  SSovpuvg  II  *  121. 

NavaixXi,g  KXtdgxov  'Of,&iv,  Schäf.,  Dem.  lU'-  79,  3. 


I^ngraphische  Beiträge  zur  sozml-politischen  Geschichte  Athens.      6ä 

Maxlvtiq  ^Atqo(a^tov  Ko9taxlSnQ,  Schaf.,  Dem.  II«  527,  2. 
337/36.     ^ihnnldmy  Hyper.  IV  6.    Blass,  Att.  Ber.  TU'  2,  77—79. 

KTf]ai(p£v,  Schaf.,  Dem,  HI«  88,  2. 

McxlvnQ  *ATgofir,TOv  Ko&toxidtig,  Schäf.,  Dem.  III«  84,  2. 

Jt]fidSfjg  Jfifiiov  ücaavuvs  11^  124;  127. 

Jioyarrog  ^gaaixktlSov  Mvg^^vovaiog  U^  125;  126. 
336/35.    *EmxQattiQ,  Lykurg,  frg.  25.    WiL-MöD.,  Arist  u.  Athen  I  194. 

*Araalag H«  128  b.H. 

'Innoxäeng Aktonixr&ev  n«  128  b.  III. 

fbdiag  ^dovavtov  naXXnvdg  H^  128c. 
k.  V.  335/34.    'Hyfifiuiv  11  «808  b.  156.    Boeckh,   Seeurh.  63;    Kirchner, 

Ath.  ARU.  XXIX  247. 
335/34.    eiodufQ n*  128b.I. 

JflfAoa&ivrig  JtjfÄoa&ivovg  üaiavuvg,  Schäf.,  Dem,  III*  135,  3. 

/Ififiddfjg  Jtjfiiov  Ilaiavievgj  Schäf.,  Dem,  IIP  136;  142. 

'Agiaxovixog  Maga&uiVLog  n«804B.b.  38. 

Avxov^og    AvxotpQovog   BovvaStig    11«  804  B.b.   38;    II  ^  162. 
Schäf.,  Dem.  IH«  192. 

KfjtpiaoSoTog,  Schäf.,  Dem.  HI«  192,  4. 

IIoXvtvxTog  :S(pr^TTiog,  Schäf.,  Dem,  III«  192. 
V.  334/33.     jivaixkrjg  IP  804 B.b.  69. 
334/33 6g>Qovog  AaxidSng  II  ^  2301. 

Avxovgyag  Avxoqgopog  BovTaSrjgj   Vit.  Xor.  844  a. 

^wxltav  ['Itptartädfjgl  Schäf.,  Dem.  III«  174. 

Jriiioa&ivng  Jtjfioa&ivovg  Haiavuig,  Schäf.,  Dem,  III«  174. 

'YntQd^ng  riavxinnov  KoXXvrevg,  Schäf.,  Dem,  in«  174. 
833/32.     AvxovQYog  Avxotpgovog  Bovvddng  11^  168 II. 

XaiQitavlSrjg  Avaaviov  ^Xv$vg  H^  169 b.I. 
332/31.     IIoXvevxTog  2:wargäTov nU83I. 

Avxovgyog  Avxotpgovog  BovtdSriq  II*  173. 

^Agiör6\%vog  Ktjtpiaoäotov «tV  11*  173  b. 

JijfuiSrig  JtjfAtov  Ilataviavg  IP  17411. 

/ffifiritgiog  EixxtifAovog  ^Atpidvalog^  Ditt.  SylL^  638. 

^avodri^og  JivXXov  Ovfiairddrjg  YII  4252. 
331/30.     noXvivxTog JStpr^ruog  n*  115b.,  vgl.  P.  A.  11950. 

No&mnog   Avaiov   JiofiUBvg   Tl^  add.    175b.     Larfeld,   Hdb. 
Anh.  938. 
336—30.     Jfjfittdfjg  JrifAiov  Ilauivivug  11  >  193  b. 
y.  330/29.     JfifidSfjg  Jti/i^ov  Ilaiapitvg  11«  807  b.  48. 
V.  330.     Avxovgyog  Avxotpgovog  Bovrddtig^  "Rf.  Xor.  852  b.  f.,  vgl.  P.  A 

9251. 
330/29.     Avxovgyog  Avxotpgovog  BovraSng  11^  176. 

Sandwall,  Spigraphiieli«  B«itrig«  nr  SoiialpoUtlk  Athens.  5 


66  J,  Sundwall, 

k.  n.  330.     üoXvivxtog  Kvdavxidm,  Hypereid.  ÜI  15. 

V.  329/8.     AvxovQYoq   AvxotfgovoQ  BovraSijg  11  *  add.   834  b.   coL   111; 

col.  n  90. 
329/28.     Jvfiddvg  Jtjuiov  Ilmaviivg  HU 78. 

TfiUfjiaxos  OearyHov  ^Axagvtvg  II»  179  b.  HI,  I. 

Jt]fÄoa&ivfK  JfjfioxXiovg  Aaunrgtvg,  Ditt.  Syll.^  639. 
328/27.     nQoxUidijg  HavtaXiovroq  kx  K$Qafii(av  n»  178  b. 
330—26.     Jt]^oa9ipf3g  Jt]fMO(f&ivovg  Ilmuvttvg,  Schaf.,  Dem,  HI«  296,  4. 

AvxovQyog  Avxoygovog  Bovvddtjg  11»  180  b,  s.  oben  S.  25. 

BgaxvkXog  Ba&vUov  "Egz^vg  11^  ü»  196,  s.  oben  S.  25. 
326/25.     IIolvevxTog  KvSavtiSm  11  «808  a.  38. 

Jrj/Äadfjg  Jiifiiov  üaiavuvg  11^  808  c.  10. 
338 — 25.    ^AgiötoyÜTVüv  KvSifidxov,  ScMf.,  Dem.  ß.  114. 
325/24.     Avxovgyog  Avxoq^govog  BovtaSrjg  Yl^  180. 

//f]fidSt]g  Jt]fiiov  Uaiavuvg  U«  809  b.  116;   c.  48;  Schaf.,  Denu 
m«  313. 

nvd-iag,  Schaf.,  Dem.  HI*  314. 

Jfifioa&ivfjg  JtjfioxXiovg  AafAnrgivg  U»  179  b.  V. 

Kfjtpiaoqfäiv  Avaitfwvxog  XoXagyevg  11*  809  a.  170. 

*Ayvuivi8t]g  Ntxo^ivov  ÜBgyaaij&ev  11*  809  a.  14. 

'Yntg%i8rig  Fkavxinnov  KoXXvvBvg,  Schaf.,  Dem,  111-308. 

Jf]fioad-iv7]g  Jfjfioa&ivovg  Haiavievg,  Schaf.,  Detn,  111*307,  3; 
310,  1. 
324/23.     JtjfAOif»ivf]g  /l^ßoad'ivovg  ümavievg,  Schaf.,  Dem.  HI*  318;  323. 

dfifiddm  JrjfAiov  Ilaiavutg,  Schaf.,  Dem,  III*  319,  1. 

Aem&ivfjg  KicpaXrj&Bv,  Schäf.,  Dm.  III*  357,  2. 

'Yntgd8i]g  rXavxinnov  KoXXvtevg,  Schäf.,  Dem,  111*357,  2. 

^wxiatv  [*l(piaTid8fjgl  Schäf.,  Dem,  111*358. 
V.  323/22.     Ji(piXog  [Jiomi&ovg  S^owim]?  11*  811  d.  36;   Schäf.,  Dem. 

m*  296,  4. 
323/22.    'Ifiegalog  ^avoorgdrov  ^aXt^gevg,  Atlu  Mitt  XXIII  369  f. 

'EnitiXfjg  2mv6fA0v  IlBgyaöij&iv  IC^  181. 

/tfjftoffiXog  Jf]iioq>iXov 'Axagvevg  II*  811  d.  177. 

dvigov^Mehtivg  IV  182. 

EvtfiXfjTog  Ev(fiXritov H»  231b. 

ndpLtfiXog  EitfiXi^Tov II»  231  b. 

Jriiiiav  JfjfiOfAeXovg  Tlaiavuvg,  Schäf.,  Dem,  111*370,  1. 

^'rgaroxXijg  Eid-vdtjfiov  Jiofiievg,  Plut.,  Demetr.  11;  praec  ger. 
reip,  c.  3. 
y.  322.     üoXvevxTog  KvSavtidng  11  ^  184  b. 

322.     /tt]fioxdgrjg  Adx^tog  AevxovoUg,  Schäf.,  Dem.  111*387. 

Irjf^ddtjg  /t^f^iov  üaiapiivg,  Schäf.,  Dm.  III*  388;  393,.  1. 


Epigraphische  Betrage  tut  aogiul'poUtisehe'n  Gpschiehie  Athens,       iM 


Begütf^rt  sind: 

IIigiavdifo<i  Ilolta^ärov  Xalagyn^j  lYierarch  um  357/6  (rP798f,  19), 

'IJrrfCavd^ag  'Hytiahv  -i'ovweiv,  aus  einer  vermögenden  Familie  (s, 
zu  seinem  Bruder  Hegesippos  S,  61).    Er  selbst  iniuknQov  yafui^  AiscL  1 95. 

Ti/ao^iog  Kovtapas  'AvafpkvöTiog^  s,  z.  d.  Strategen  S*  26. 

\ioiaToqÜp\iutaTo^avQt^i'ACi}viti^;  «ein Sohn  Trierarch  (11^  794 i  28), 
Bein  Bruder  rafttag  Ugwy  xgw*^^^^  (11*643). 

'Hyrtfinnos  'Hyiioiov  ^vtttetgj  s,  z.  d,  Gesandten  S.  61. 

IJolvivxtog  2.qrjTTiog^  s.  z.  d.  Gesandten  K  61. 

A^nthiiq  Isc  Koihjgf  a  z.  d,  Schatzmeistern  der  Göttin  8.  43  A,  1, 

'Avdgon'tup  "A-ivS^MVog  ragyrittiog^  S,  z.  Rate  S.   15. 

Muöiag  Ktitftcoduigov  \ivayvgdaiog,  8.  z.  d.  Kultusbeamten  S.  40. 

Aioml&ng  Atonä&ot)^  ^(fiituog^  Trierarch  (ll*802b). 

EtßovXog  linivd'dQQV  JJgoßaXhwgj  s.  z,  d.  Finanzbeamten  8,  43. 

^Hluiiädtig  flnkoargäTov  Ilalktjvittg,  Sein  Groijsvater  'EkXfiVotafiiag 
425/21   (1259). 

JrjfAoa&lpfig  /ffifioad-ivovg  Ilmavavg^  8.  z.  Eate  8.  15, 

Kf}(fi<io(fW¥  KaXXtßiov  llatavnig,  8.  z.  Rat^  S*  15. 

^Agx^ßiddtjg  JrjfiotiXovg  'Akaiitg;  ein  Bruder  iyyvijT^  tmv  TQttfgmv 
(U«804B.a,  33),  ein  Neffe  Palemarch  dl «  776). 

^Pmxmv  YIffiatidÖfig\  s.  z.  d»  Strategen  S.  29. 

Ti^oxgdtfjg  ^Aputfwvtog  Kgttuug^  »,  z.  d,  Finanzbeamten  S.  43  A.  4, 

J$6<favTog  ^'<ff}Tuogy  s.  z.  d.  Finanzbeamten  S.  43  A.  3. 

MtXdvwnag  Aaxtitog  Allmv^vg^  s.  z.  d.  Strategen  8,  27. 

<PiXoxgätt)g  *Ayp6vmogi  s,  z.  Kate  8*  15. 

Jfjuadijg  Jfifjihv  Umavitifg^  8.  z.  d.  Strategen  S.  28. 

*AnoXX6imQog  Ilammuog  'Axagv^ig,  s.  z.  Rate  8,  15. 

Alff^ivf^g  'Argouritov  Ko&mxiärjgf  n.  oben  8.  62. 

UoXvivxTog  Tifwxgärovg  Kpirnivg^  über  seinen  Vater  s.  oben  S.  4H  A.  4. 

*AXt^ifiaxog  If^ki}^;  einer  der  Vorfahren  rafiiag  tilg  d^ov  418/17 
(P,  A.  15  455). 

0<Ad^i7/toc-4i)TO3fA^i;^*£^oi£i<yi7C, Trierarch aP804B.a.24,b.9O;  812a.  l). 

JtjfiOfiiXf^g  AtifAüivog  Haiavteigj  Trierareh  (11-  793  h.  21). 

'YniQiiSfjg  FXavxtnnov  KoXXvnvg^  s.  z.  Rate  S,  16- 

Avxovgyog  Avxotfgovog  Bovradfig,  s.  z.  d.  Finanzbeamten  8.  43* 

NavmxXtlg  KXiagxov  'O^fty^  s.  z.  d.  Strategen  8,  27. 

Jtötpcfvrog  0ga0ixXiidov  Mvggivovtfiog,  g.  z.  d.  Gesandten  8.  62. 

'Emxgär^t  „or  tfaui  xixrija&m  la Xavratv  i^&xoetwp  ovöiap^j  Lykurg. 

25, 

^AgtaTQnxog  Maga&vivtog  ^Vw^v  rgir^gtj  c.  323  (P.  -4.  2028). 

4>ttp6dr}fAog  JnfXXov  BvftaiTdät^g^  8.  z.  Rate  S.  1&. 

UoXvtvxTog  KvSavfidfig^  s.  z.  Rate  S.  17. 

TtiXifiaxog  O^ayyiXoif  'Axagvu<g.  Sein  gleichnamiger  Oro8^H*f*r 
idgv0afo  to  itfov  xal  röv  ßiMtfiOv  t^  'AcxXtjm^  {P,  A,  13561). 


frg. 


68  j.  Sundwally 

^ma&ivfis  Ketpakfj&evy  s.  z.  cL  Strategen  S.  28. 

JiqtXog  {/lionii&ovq  2ov¥n{si\  Trierarch  (P.  A.  4467,  4487). 

'Ifie^iog  0cnßoatQatov  ^alr^gmig,  s.  z.  seinem  Brader  Demetrios  aus 
Phaleron  unter  den  Strategen  S.  28. 

*EniTÜLtig  ^StatvofAOV  Ileg/aaij&ip,  s.  z.  d.  Naopoien  S.  52. 

Jfjfi6(pilog  JfjfAOifiXov  'AxctQvng,  aus  einer  Trierarchenfamilie  (s. 
P.  A.  3674). 

JrjfÄwv  Jfjfiofiilovg  IIcuavitLq^  s.  oben  zu  seinem  Vater. 

2TQaroxXriq  Ev&vS/jfiov  JiOfMutg,  sein  Grossvater  und  Vater  Trierarchen 
(n«  794  b.  90). 

JfifAoxiQm  ^^XT^og  Aivxovoitg,  ein  Neffe  des  Demosthenes  ans 
Paiania,  also  reich. 

Unter  ungefähr  94  Eednem  sind  uns  etwa  44  aus  begütei-ten,  meist 
sogar  reichen  Familien  bekannt. 

Schliesslich  erübrigt  es  uns  noch  die  Frage  zu  beantworten,  ob  es, 
wie  die  landläufige  Auffassung  ist,  feststeht,  dass  die  Volksversammlungen 
immer  überwiegend  von  den  geringeren  Bürgern,  der  grossen  Masse,  be- 
sucht waren.  Schon  aus  dem  Altertum  selbst  vernehmen  wir  Stimmen, 
die  dahin  deuten,  dass  die  niedrigen  Teile  der  Bevölkerung  sich  nicht 
gerade  zahlreich  zu  den  Volksversammlungen  einfanden.  Plato  sagt 
darüber:^)  Jrjfiog  d'dv  eltj  xgixov  yivogj  oaoi  avvov^oi  t«  xai  angay- 
fAovtg,  ov  navv  noXXd  xixrfjfiivoi'  o  dij  nXtUstov  re  xai  xvgidtatov  tv 
SijfÄOxgariify  otccvntg  a&Qoiöd'^.  Tlaxi  yccg,  iffV*  iikX'  ov  &afid  i&H^i 
noiüv  TovTo,  idp  firj  iiehrog  xi  fiBTakafißdvi^.  Aber  allzu  grosser  Lohn 
winkte  ja  auch  dem  Armen  nicht  für  seine  Beteiligung.  Denn  wie 
Brandis  die  Stelle  bei  Aristoteles'  A&.  nol.  62,  2  einleuchtend  auslegt, 
sind  die  drei  Obolen,  die  Aristoteles  §  41,  3  erwähnt,  wiederum  als  Betrag 
für  die  Teilnahme  an  der  Volksversammlung  zu  verstehen,  und  der  Sold 
von  1  Dr.  und  9  Ob.  wäre  dann  den  Leitern  der  Versammlung  gezahlt 
worden.*)  Wie  notwendig  aber  eine  Kemuneration  für  die  Beteiligung 
war,  bezeugt  Aristoteles:*)  fua&oifogov  d'  ixxXrtoiav  to  fiiv  ngoitov 
dnkyvmaav  noulv  ov  avXXByo(iiv(av  S"  üg  rrjv  kxxXt}aiav,  dXXä  noXkd  aotpi- 
^ofiiputv  rdiv  ngvrdveuiv^  ontug  ngoa^axfjtai,  xo  nk^&og  ngog  xf^v  inixigutiftv 
xijg  x^igoTOviag  t  ngüxov  (liv  ^Ayxggiog  bßoXov  inogtaiv^  ^ixd  öi  xotxov 
'HgaxXeiStjg  6  Kka^ofiiviog  6  ßamkeCg  knixaXovfiBPog  dtdßolow,  ndhv 
y  'Aytggiog  xgmßoXov.  Es  waren  doch  diese  drei  Obolen  zu  gering,  um 
eine  regere  Teilnahme  der  Masse  zu  erzielen  (vgl.  S.  1). 

Die  herrschende  Ansicht  über  den  attischen  Staat  im  4.  Jahrh. 
stützt  sich  besonders  auf  Aristoteles'  Angaben  in  seiner  Politik  über 
die  Demokratie.    Als  die  hauptsächlichsten  Merkmale  der  iaxdxij  dfjuo- 

1)  IloXit.  Vm  565  A. 

2)  S.  zu  *Exidriaia  in  Pauli/' Wissowa  S.  2170. 

3)  'Af^.  noX,  41,  8. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-poliüschen  Geschichte  Athens.      69 

xgatia  führt  er  an,^)  dass  nicht  das  Gesamtvolk  regiert  habe,  sondern 
die  niederen  ungebildeten  Klassen  vermöge  ihrer  Majorität*)  und  unter 
diesen  vor  allem  der  Stadtpöbel,  dass  die  höheren  Klassen,  ohne  allen 
Einfluss  und  gar  noch  Verdächtigungen  ausgesetzt,  sich  völlig  von  den 
Staatsgeschäften  zurückgezogen  hätten,  dass  der  begüterte  Mittelstand 
der  Stadt  und  die  bäuerliche  Landbevölkerung  meist  aus  Sorge  für  ihr 
Eigentum  dem  Beispiel  gefolgt  wären.  Nur  der  Pöbel,  der  für  nichts  zu 
sorgen  hatte,  da  er  nichts  sein  eigen  naunte,  hätte,  durch  ausgiebigen 
Lohn  angelockt,  die  Volksversammlungen  und  Gerichte  gefüllt*)  und  dafür 
gesorgt,  dass  sie  möglichst  stark  in  Anspruch  genommen  waren,^)  da  Ae 
für  ihn  eine  Quelle  des  E^inkommens  und  der  Macht  bedeuteten.  Da  er 
niemand,  selbst  den  am  meisten  demokratischen  Behörden  nicht  traute,*) 
hätte  er  vorgezogen,  alles  durch  eigene  Willkürakte  zu  regeln.*)  Nun 
erheben  sich  aber  gegen  die  Berechtigung,  aus  dieser  Darstellung  Schlüsse 
unmittelbar  für  Athen  zu  ziehen,  mancherlei  Einwände.  Es  kann  näm- 
lich zunächst  nicht  ohne  weiteres  zugestanden  werden,  dass  die  Masse  in 
den  Gerichten  ungehindert  geschaltet  hätte,  wie  auch  Aristoteles^  trotz 
seiner  Abneigung  gegen  die  athenische  Demokratie  gerade  den  attischen 
Gerichten  das  Lob  spendet:  xal  yag  al  rijg  ßovkijg  xgiaBis  eig  xov  S^/aov 
kkrjkv&aüi,  xal  tovxo  öoxovaiv  nomv  og&dig'  €v8tay>9ogwTBgoi  yctg  oXlyoi 
rwv  nokXüv  elöiv  xal  xigSu  xal  x^g^^iv*  In  demselben  Sinne  spricht 
sich  Guiraud**)  bei  Beantwortung  der  Frage,  wie  die  Rechtssprechung  in 
Griechenland  ausgeübt  wurde,  über  Athen  aus.  Brück'«')  nun  bemerkt  mit 
Recht,  dass  es  unrichtig  sei  zu  glauben,  die  besseren  Elemente  hätten 
sich  gänzlich  von  den  Gerichten  femgehalten,  und  führt  dazu  auch  Zeug- 
nisse aus  den  Rednern  an.  Er  hat  mit  dieser  Auffassung  um  so  mehr 
recht,  als  er  den  richtigen  Weg  einschlägt,  aus  den  vorhandenen  Heliasten- 
täfelchen  mehrere  wohlhabende  Bürger  festzustellen.  Angesichts  dieses 
Tatbestandes  wird  dann  die  oben  erwähnte  Stelle  des  Aristoteles  durch- 
aus verständlich.  Immerhin  lässt  sich  natürlich  nicht  bestreiten,  dass  die 
Mehrzahl  der  Richter  aus  den  mittleren  und  unteren  Schichten  der  Bürger- 
schaft hervorging. 

Was  wieder  die  Volksversammlung  betrifft,  so  ist  daran  zu  erinnern, 
dass  man  die  gewöhnlich  in  der  Ekklesia  versammelten  Bürger  auf  den 


1)  Vgl.  V.  Scboeffer  unter  Defnokratia,  Pauly-  Wiss.  Suppl  358,  dem  ich  hier  gefolgt  bin. 

2)  VII  [VI]  1317b.  8. 

3)  VII  [VI]  1319  a.  29. 

4)  VI  [IV]  1293  a.  1  ;  1300a.  1. 

5)  VI  [IVJ  1292  a.  5.  28,  1298  a.  30,  VII  (VI)  1817  b.  29. 

6)  VI  1292  a.  36. 

7)  'Ad:  noX.  41,  2.  Ich  finde  es  nicht  bewiesen,  was  O.  Seeok  in  Beiträge  m.  alt. 
Gesch.  IV,  1904  S.  285  behauptet,  da»  nlmlieh  Ariiloteles  wohl  diese  Stelle  ab- 
geschrieben,  aber  nicht  geaohrieben  haben  kann. 

8)  La  prapriM  fomcOre  m  6Mm  8.  8W£ 


70  J.  Stmdwall, 

fünften  bis  vierten  Teil  der  ganzen  Bürgerzahl  schätzen  kann,  also  für 
das  4.  Jahrh.  auf  eine  Zahl  von  5000  Bürgern  oder  darunter.')  Ob  nun 
die  Bürger,  welche  gewöhnlich  erschienen,  um  ihre  Rechte  auszuüben, 
vorwiegend  zu  den  ärmeren  gehörten,  erscheint  nach  unseren  früheren 
Ausführungen  durchaus  nicht  gewiss. 

Dass  femer  eine  (pvyagxia  unter  den  höheren  Ständen  geherrscht 
hätte,  wie  Aristoteles  sie  ausmalt,  —  und  worin  ihm  Beloch^)  folgt  — 
wird  leicht  durch  alle  ermittelten  Tatsachen  widerlegt.  Sie  erlauben  uns 
im  Gegenteil  die  Behauptung  aufzustellen,  dass  die  besseren  Stände  in 
der  Verwaltung  die  Oberhand  hatten.  Diese  Behauptung  tritt  in  be- 
wussten  Gegensatz  zu  einer  gewissen  modernen  Auffassung  der  sozialen 
Verhältnisse  Athens  in  dieser  Zeit  R.  Pöhlmann  hat  von  einem  in- 
dustriellen Proletariat  gesprochen,  das  vom  Kapitalismus  aus- 
gebeutet worden  wäre  und,  durch  sozialistische  Tendenzen  geleitet  und 
von  gewissenlosen  Demagogen  gehetzt,  immer  im  Gegensatz  zu  den 
Kapitalisten  gestanden  hätte.  So  hätte  es  bald  seinerseits  gelernt,  wie 
man  auf  dem  Wege  der  Bestechung,  durch  Missbrauch  der  Justiz  u.  dgL 
die  Stimmenmehrheit  ausnützen  könnte,  um  das  Geld  der  Reichen  in  die 
eigene  Tasche  hinüberzuleiten.^  Die  Konstruktion  eines  industriellen 
Proletariats  in  Athen  hat,  wie  mir  scheint,  Francotte*)  endgiltig  zer- 
trümmert. Ich  glaube  auch  auf  anderm  Wege  einen  Grund  dagegen  ge- 
funden zu  haben.  ^)  Auch  Beloch*)  macht  Front  gegen  die  Auffassung 
von  einer  Grossindustrie  in  Athen  und  weist  darauf  hin,  dass  es  dort 
wenigstens  bis  in  die  Zeitalter  Alexanders  einen  zahlreichen  Mittelstand 
gab,  der  aus  Grundbesitzern  und  Kaufleuten,  aber  auch  aus  Gewerbe- 
treibenden bestand.  Eine  „Invasmi  des  Kapitah  in  den  Bodenbesitz^^ 
welche  Pöhlmann  als  charakteristisch  für  die  Grundverhältnisse  Attikas 
im  4.  Jahrb.  annimmt,  entspricht  ebensowenig  den  Tatsachen.  Im  Gegen- 
teil hat  Guiraud  „im  regime  de  petite  propriete^  im  5.  u.  4.  Jahrh.  fest- 
gestellt.^ Ja  Pöhlmann  selbst  muss  im  Anbetracht  der  grossen  Zahl  auf- 
gefundener Hypothekensteine  aus  dem  4.  Jahrh.  zugeben,  dass  sie  keines- 
wegs immer  Symptome  wirtschaftlichen  Niedergangs,  sondern  ebensowohl 
auch  der  Verbesserung  und  Ausdehnung  des  Betriebes  sind.^) 

Was  Pöhlmann  überhaupt  über  eine  bewusste  sozialistische  Lehre 
ausführt,  trifft  kaum  auf  griechische  Verhältnisse  zu.")    Wie  dem  auch 


1)  Vgl.  Bnick  a.  0.  408  u.  Anin. 

2)  AU.  Pol  132  u.  Anm.  1. 

3)  Gesch.  d.  ant  Kommunismus  und  Sozialismus  II  274. 

4)  L'industrie  dans  la  Grece  ancienne. 

5)  S.  oben  z.  d.  Deinen  S.  55. 

6)  Zeitschrift  für  Sozialwissenschaft  1899,  S.  22. 

7)  A.  0.  392  f. 

8)  A.  0.  S.  181  A.  1. 

9)  Vgl.  Adler,  Die  Soeialreform  im  Altertum  in  Handwörterbuch  d,  Staatstciss.  III,  98, 


EpigraphiBche  Beiträge  zur  soziaUpolitmheu  Geschichte  Athem.      71 

sein  mag,  sicherlich  hahen  in  Athen  die  Vorbedingungen  dafür  während 
dieser  Zeit  gefehlt.  Was  Aristoteles')  sagt:  ^j)  ä€  niula  cidatv  ifinoui 
Kai  xaKovQriau^*  ist  für  Athen  nicht  zu  bezeugen;  ebensowenig  heran- 
zuziehen ist  in  diesem  Falle  die  Stelle  bei  Poljb.  XV*21,  die  Pöhlmann 
im  Kapitel  ..Allgtmieifier  Verlauf  drr  sosiuJcn  Bevolutiotr  anführt.^*} 
Krisen  hat  Athen  natürlich  auch  in  dieser  Zeit  häufig  durchgemacht, 
aber  wie  Freese-')  bemerkt  s^chwiegen  die  Kämpfe  um  die  Verfassung 
und  man  widmete  sich  nur  der  Verwaltung,  welche  die  Leistungen 
der  Einzelneu  bestimmte.  Und  in  der  Verwaltung  haben  die  hrdieren 
Stftnde  ohne  Zweifel  das  Übergewicht  behalten,  wie  aus  meinen  Aus- 
führungen erhellt.  Beaclitenswert  ist  die  Bemerkung  Cauers,*)  dass  man 
nach  den  SmnmeUj  über  die  das  Volk,  der  Rat  oder  die  Beamten  ohne 
weiteres  verfügten,  deren  Einiluss  am  besten  bestimmen  könnte.  Diese 
Summen  sind  nun  allerdings  nicht  festzustellen,  aber  schon  die  Tat- 
Sache,  dass  dem  Volke  ein  unbeschränktes  Verfilgungsrecht  über  die 
staatlichen  Fonds  nicht  zustand,  erlaubt  den  Schluss,  dass  mit  nichten 
eine  zufällige  —  aus  den  iirmeren  Bürgern  bestehende  —  MajüriUlt 
auf  der  Agora  die  Staatsleitung  behen-schte.  Kine  Auffassung  der 
VerliiUtnisse  in  Athen,  wie  v.  8choeft'er  sie  ausmalt  (a,  0.):  »^(Jerade  die 
gebildeteren  Klassen  hielten  sich  von  der  Staatsleitnng  ge- 
flissentlich fern  oder  besassen  den  geringsten  Einfluss  auf  die- 
selbe und  die  Entscheidung  lag  bei  der  grossen  Menge'\  müssen 
wir  folglich  als  verfehlt  zurückweisen. 

Prdüniann  und  andere  wie  Kaerst  finden  eine  Bestätigung  ihrer  Auf- 
fassung in  dem  Xiedergan;,'  «b^r  atlienischen  Macht  im  Kampfe  gegen  die 
makedonische  Monarchie  und  in  den  lilerbei  zu  Tage  tretenden  Partei- 
Verhältnissen.  Wie  sie  ausführen,  hätten  die  j?ozial revolutionären  Ten- 
denzen die  bedrohten  Besitzenden  zu  (junsten  einer  friedlichen  Verstän- 
digung mit  Philipp  stark  beeinüusst,'*)  Diese  Ansicht  steht  aber  im 
Widerspruch  zu  den  uns  liekannten  peT-sönliclien  Verhältnissen  der  den 
verschieilenen  Parteien  angeliörigen  Politiker.  Was  Beloch*)  von  Demos- 
thenea  sagt:  *,Dass  er  keineswegs  den  Kreisen  angehörte,  aus 
denen  die  Demagogen  der  extremen  Partei  sich  zu  rekrutieren 
pflegen",  kennen  wir  aus  ebenso  guten  Gründen  von  den  übrigen  Leitern 
der  antimakedonischen  Partei  behaupten.  Die  ausser  Demosthenes  als 
solche  bekannten,  Lykurgos  ans  Butadai,  Hypereides  aus  Kollytos,  Poly- 


1)  Po?i*.  11  3,  7,  12e5b.  12. 

2)  D*>r  obf*u  geoaDatc  Gelehrte  hat  meiner  Ansicht  uuch  uicht  imitier  genug  dio 
Bedi^utqng,  dii^  den  einzelnen  KutwickcUiiig*phtP*eD  verschiedener  Staaten  gebührt»  in  Ik- 
(rächt  gebogen.  Dagegen  hiit  aie  v.  rScboelTer  {JrmoKQitjlu  Pault/-  H'iss,]  vortrefflich  betont. 

3)  iMr  Parteikampf  der  HeichtH  umlArtnen  in  Athen  ^.  Zeit  (l  Demolraiie  1848»  **^.  OO, 

4)  Wochenitchr.  f,  KL  Phü.  I9u4.  316, 

5)  PöhlmÄon,  Oriech.  Gtsch,,  fTdb,  rf.  kl  AUwiu,  Hl,  V  S.  222;  Kmni,  Oach, 
iL  hdhnist  Ztüalt.  l  tm. 

6}  AH.  PoL  Uli 


72  «7.  Sundwäll, 

euktos  aus  Sphettos,  Hegesandros  und  Hegesippos  aus  Sunion,  Diotimos 
aus  Euonymon,  Nausikles  aus  Oä,  Diopeithes  aus  Sunion,  Chares  aus 
Angele,  Ephialtes,  Thrasybulos  aas  Erchia,  Charidemos  aus  Achamai, 
Stratokies  aus  Uiomeia,  Himeraios  aus  Phaleron,  Demophilos  aus  Achamai, 
Leosthenes  aus  Eephale,  Aristonikos  aus  Marathon,  Demochares  aus 
Leukonoe*)  sind  sämtlich  aus  reichen  und  angesehenen  Greschlechtem. 
Welcher  Riss  diese  von  der  Partei  der  Besitzenden  trennte,  was  Beloch 
betreffe  Demosthenes  zu  erklären  versucht,  ist  nicht  zu  ei-sehen.  Auch 
von  Demosthenes  sagt  Beloch,  dass  er  niemals  seinen  Ursprung  aus  den 
höchsten  Schichten  der  Gesellschaft  zu  verleugnen  vermochte.*)  In  der 
Tat  war  Demosthenes  niemals  ein  echter  Demagog.  Plutarchs  Eraählung*) 
von  seiner  Klage,  dass  Seeleute  und  Unwissende  leichter  Gehör  beim 
Volke  fänden,  zeigt  wenigstens,  dass  er  sich  nicht  zu  der  grossen  Masse 
zählte.  Ob  seine  Standesanschauungen  an  Stellen,  welche  Angriffe  gegen 
die  Reichen  enthielten  (XIX,  295;  XXI,  98,  159,  211,  213;  HI,  29; 
XXUI,  206),  wirklich  zum  Ausdruck  kommen,  kann  man  füglich  bezweifeln. 
Sie  sind  von  dem  jedesmaligen  rhetorischen  Zwecke  hervorgerufen.  Einen 
Gleichheitssinn  zeigt  er  wenigstens  nicht  XVIII,  129  f.*)  Entscheidend 
in  dieser  Frage  ist  sein  Symmoriengesetz.  Dadurch  hat  er  sich  mit  Erfolg 
um  die  Anerkennung  des  reicheren  Mittelstandes  bemüht  (XVIII  102 — 107). 
Auch  ein  so  radikaler  Staatsmann  wie  Hypereides  will  nichts  von  einer 
Pöbeljurisdiktion  wissen,  sondern  tritt  energisch  für  die  Rechte  der  Be- 
sitzenden ein.^)  Welche  Leute  durch  Demosthenes'  Politik  sich  in  ihren 
Interessen  geschmälert  sahen,  zeigt  uns  Hypereides. ß)  Wir  sehen,  dass 
es  die  grossen  Geschäftsleute  und  Bankiers  waren,  ein  Phormion,  ein 
Pasikles,  die  einzig  kommerzielle  Interessen  hatten.  Andererseits  sagt 
Demosthenes  selbst  ausdrücklich,  dass  es  unter  den  Reichsten  eine  Partei 
gab,  die  streng  patriotisch  war.")  Von  den  nur  kommerziell  Interessierten 
spricht  auch  der  pseudodemosthenische  Redner  XVII  23:  „avroi  ^  oi 
vionkovTOi  fAOPOi   xaratfQovBlv   vuag   i'iiüv  avriZv   avayxä^ovaiv ,    tu  fiiv 

Ihnen  hat  der  Gegner  des  Demosthenes  Eubulos  seine  Politik  dienst- 
bar gemacht  in  derselben  Weise,  die  Ed.  Meyer *^)  für  andere  grosse  Städte 
nachgewiesen  hat,  nämlich  die  ärmeren  Bürger  in  einer  solchen  finanziellen 


1)  Vgl.  Schaf.,  Dem.  11«  314  f.  u.  Belocb,  Att.  VoJ. 

2)  Att.  Pol.  183. 
8)  Demosth.  7,  1. 

4)  Diese  Tatsache  als  Zeugnis  für  die  damalige  Anschauungsweise  hat,  wenn  auch 
mit  starker  Übertreibung,  J.  Schvarcz  richtig  hervorgehoben  {Die  Demokratie  von 
Athen  I,  Einl.  LVU). 

5)  III  38-37. 

6)  XLII  xara  TIccaixXhovg  frg.  134. 

7)  XVni  171. 

8)  Die  wirtschaßl  Enttcickelung  d.  Altert.,  Jhrh.  f.  Nationalökon.  u.  Statistik 
III.  Folge,  9.  Bd.,  S.  717  f. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      73 

Abhängigkeit  zu  halten,  dass  keine  Opposition  anf kommen  kann,  in  der 
Weise  wie  das  Sprachorgan  der  Partei,  Isokrates,  es  im  Areopagitikos  dar- 
zustellen beliebt.  Tatsächlich  hat  Eubulos  nicht  nur  das  Theorikon  ver- 
teilt, sondern  auch  dem  Mittelstand  der  Handwerker  durch  Bauten  Arbeit 
und  Verdienst  verschafft*)  und  so  dessen  Interesse  für  seine  Politik  gewonnen. 
Hätte  er  es  nicht  auf  die  Machtstellung  seiner  Partei  allein  abgesehen, 
so  hätte  er  durch  höhere  Besoldung  regeren  Anteil  der  unteren  Klassen 
an  den  Staatsgeschäften  erzielen  können.  Nun  aber  hat  er  durch  das 
Theorikon  die  Leitung  des  Staates  den  Wohlhabenden  gesichert.  Auch 
Demosthenes  hat  nichls  gegen  das  Theorikon  einzuwenden,  wenn  er 
Kriegsgelder  anders  woher  zu  bekommen  glaubt.^) 

Seitdem  die  politischen  Gegensätze  nicht  von  aussen  her  bedingt  waren, 
konnten  sich  auch  die  Führer  der  politischen  Parteien  verständigen,  wie 
die  „Kompromiss-Regierung"  zur  Zeit  Alexanders  zeigt,  eine  Ver- 
ständigung, die  unmöglich  gewesen  wäre,  wenn  die  Parteien  sich  mit 
dem  Gegensatz  zwischen  Besitzenden  und  Nichtbesitzenden  gedeckt  hätten. 

Ed.  Meyer  sagt  von  Eubulos,  dass  die  Reichen  unter  ihm  den  auf 
die  Dauer  vergeblichen  Versuch  machten,  das  Übergewicht  zu  behalten, 
und  auch  Beloch  vertritt  diese  Auffassung.  Aber  wenn  wir  die  ver- 
schiedenen Wege,  die  die  damalige  Politik  eingeschlagen  hat,  betrachten, 
so  kommen  wir,  gerade  auf  Belochs  Attische  Politik  gestützt,  zu  einem 
andern  Ergebnis.  Er  sagt  von  den  Verhältnissen  des  J.  360  (a.  0.  162): 
„Kallistratos'  Sturz  hatte  das  Übergewicht  der  besitzenden 
Klassen  nicht  zu  brechen  vermocht.  Ja,  es  war  diese  Partei 
oder,  wenn  wir  lieber  wollen,  es  war  die  Coterie  der  Gross- 
grundbesitzer, Grosshändler  und  Grossindustriellen,  die  den 
hauptsächlichsten  Vorteil  von  der  letzten  Krise  gehabt  hatte." 
Ob  nun  gerade  während  der  kurzen  Verwaltungstätigkeit  des  Aristophon 
die  niedrigen  Volksklassen  zur  Herrschaft  kamen,  daran  kann  man  mit 
Recht  zweifeln.  Aristophon  selbst  gehörte  einer  mehr  gemässigten  Rich- 
tung an.**)  Und  Eubulos'  Verwaltung  ging  ja  nach  Beloch*)  auf  das 
Ziel  den  Einfluss  der  konservativen  Elemente  im  Staate  zu  stärken  aus. 
Welche  Stellung  die  leitenden  Staatsmänner  späterer  Zeit  einnahmen, 
habe  ich  soeben  festzustellen  versucht. 

Beloch  gibt  im  Bezug  auf  die  Zeit  nach  dem  Königsfrieden  zu,^) 
„dass  die  Besitzenden  sehr  wohl  im  Stande  waren  auf  die 
Leitung  des  Staates  entscheidenden  Einfluss  zu  üben", 
und  wenn  er  auch  hinzufügt :  „wenn  sie  nur  wollten",  warum  hätten 


1)  Beloch,  Att,  Pol.  S.  177. 

2)  Vgl.  Or,  Phil  IV  u.  Körte,  Bh.  Mus.  \jX  405. 
8)  Beloch  a.  0.  167. 

4)  A.  0.  S.  174. 

5)  A.  0.  8.  138. 


74  «7.  Sundwall. 

sie  es  auch  nicht  später  gewollt?  Und  wann  hätte  nun  die  Ära  der 
unteren  Klassen  begonnen? 

Um  das  wichtigste  Ergebnis  meiner  Ausführungen  noch  einmal  za 
betonen:  der  politische  Einflnss  der  besitzenden  Klassen  Athens  ist 
während  der  Zeit  des  Demosthenes  keineswegs  geschmälert  worden. 

In  den  wichtigsten  Verwaltungszweigen,  im  Rate,  als  Strategen  oder 
Finanzbeamte  haben  die  Besitzenden  die  Oberhand  gehabt.  Selbst  die 
Redner  und  Politiker  gehörten  durchweg  zu  den  höheren  Schichten  dw 
Bürgerschaft.  Die  politischen  Parteien  waren  nicht  aus  dem  Gegensatz 
der  Besitzenden  zu  den  Nichtbesitzenden  hervorgegiEingen,  sondern  aus  ver- 
schiedenen Anschauungen  betreffs  der  äusseren  Politik  und  der  damit  in  Zu- 
sammenhang stehenden  ökonomischen  und  persönlichen  Interessekonflikte. 


Die  folgenden  Untersuchungen  gehören  zwar  nicht  direkt  zu  der  Auf- 
gabe, die  ich  mir  in  dieser  Arbeit  gestellt  habe.  Ich  gebe  sie  aber  doch 
hier  als  Ergänzungen  zu  meinen  Ausführungen  über  die  Asklepiospriester 
(S.  47  f.)  und  über  die  Demen  (S.  53  f.).  Sie  enthalten  einige  Beiträge  zur 
Kenntnis  der  Phyleneinrichtungen  und  deren  Bedeutung  in  Attika,  und 
im  Grunde  sind  auch  alle  derartige  Kenntnisse  von  grösster  Wichtigkeit 
für  unser  Verständnis  und  unsere  Auffassung  der  attischen  Demokratie. 


9.   Die  Asklepiospriester. 


Jahr. 

Name. 

Phylcl      iMchrift  tt.  Zeitangabe. 

A.4^ahrli. 

Ev&xSriiMe  'EXtvaino^. 

vm. 

U»  1651.    Anf.  4.  Jahrh. 

4  i 

Ntxödijftoe 

— 

U«  1440.           400--350. 

'Eknlvrie       

— 

U«  1446. 

Mtvktrqaxoe  'ÄyriX^d-tv. 

m. 

n«  1447,  1448.       „ 

'Aqictaqxog  Ko&wxldrs^. 

VI. 

U>  1466,  1468.   4.  Jahrh. 

i 

Tiumv 

— 

U»  1473. 

3 

^ 

KrtjaixXfie  'Ayvoiatos- 

V. 

n«  148L 

'OXtfuuxoe  KvSa&ri»mtvg. 

m. 

n«1491.    4.  od.  3.  Jahrh. 

348/47. 

MtXapunoe  XoXaQ/tte- 

V. 

U«  1472.                c.  360. 

347/46. 

VL 

346/45. 

Qovyivrie 

VIL 

U*add.766b.       c.  343/42 

345/44. 

nävatxoe  \IEXtv<fipioe\.^) 

vni 

„        „  ;n«1461.    „ 

344/43. 

IX. 

343/42. 

X. 

342/41. 

L 

341/40. 

£ivixi8t}e  'AXaitve. 

IL 

U»  766,  7.              c.  340. 

340/39. 

JtoxXije  Mv^voxaioe.*) 

III. 

„       3.  9.        340/39. 

339/38. 

UoXtUvoe 

IV. 

„       7.  19.       339/38. 

388/37. 

niaias  lKtyttXi}9tv].') 

V. 

„       29.           338/37. 

337/36. 

VI. 

336/35. 

TtUaiae  ^XvtCs. 

VIL 

„       3.  66.    k.  n.  338. 

335/34. 

VIIL 

334/33. 

jivai&toe  TQixoQvetoe. 

IX. 

U»1469;U»767,19.  c.330. 

333/32. 

X. 

1)  Es  liegt  bei  der  Ungewöhnlichkeit  dieses  Nameni  auf  der  Hand,  das  Demoiikon 
nach  P.  A.  11679  su  eigäosen.  Wahrscheinlich  sind  diese  Priester  vor  348/2  im  Amte 
gewesen,  weil  in  11*766  schon  von  841/40  an  andere  genannt  werden.  Unordnung  in 
der  Reihenfolge  ist  in  diesen  Veneichnissen  gewöhnlich. 

2)  Dees  der  Z.  8  genaanle  Jundi^g  Mvffiva^ötos  mit  dem  Z.  9  erwähnten  Priester 
jdwtü^  ideBtisek  M,  erheill  ene  dem  ganaen  Zasamnienhang.  Der  an  derselben  Stelle 
erwUmle  TÜMktg  kl  mamOUk  wmik  dendbe,  der  Z.  66  der  Priester  des  Asklepios 
mim  mmm.  el^M^i^  ^^  f>  dir.  Priester  889/8  ist  (vgl.  Knmaniidis  daro). 

D  *-»iaie  anweisen,  y^.  P.  A.  18479. 


76 


J.  Sundwall, 


Jahr. 

332/31. 

331/30. 

330/29. 

329/28. 

328/27. 

327/26. 

326/25. 

325/24. 

324/23. 

323/22. 

322/21. 

321/20. 

320/19. 

319/18. 

318/17. 

317/16. 

316/15. 

315/14. 

314/13. 

313/12. 

312/11. 

311/10. 

310/9. 

309/8. 

308/7. 

307/6. 

306/5. 


Name. 


Phylc.       Inschrift  n.  Zeitangabe. 


Jiiftwv  Jt]/iofiiXovg  Jlaiavuve. 

'AvdQOxX^g tx  KtQafieur. 

0iXoxXr,g  SvntTcutLv. 

Qto 

EvfivrjaTog . 

0av6fiaxog 


EidlSaxTog  '[uiaftnTgivg].-) 

^ikoxTtjfUitv . 

JiD^eiOT/g 

^aldqmnog  ['  Yßädi^g'\.^) 

'Aqx^fQttTog       _        ^ 

Avalag 

üv&ovixog 

'EntXQäTTjg      _  .     _^  . 


^iXoxuQijg  'Oa&ev. 
0lXinnoe 


QQttOißovXog 

XaQlvog  \raQyii%Tios\*) 
'OvfiXWQ  MsXiTtig. 


I. 
II. 

!  in. 

IV. 
V. 
VI. 
VU. 
VIIL 
IX. 
X. 

I. 
II. 

lU. 
IV. 
V. 
VL 
VU. 

vm. 

IX. 
X. 

I. 

IL 
III. 
IV. 
V. 

I. 
u. 


U«  1654. 


n*  178  b. 


n.  350. 


328/27. 


n»  1475.  «/,4.  Jahrh 

n«835i)a.b.  23. 
„     0-1 3.4.11.41.45 

6.  44.  50. 

16.17.37:60. 

19. 

29. 

37  .n»  1480. 

38. 

39.  59. 

49. 

50. 

61. 


74. 

78. 
84. 
84. 
73.  84. 


4) 


cc 


1)  Nach  der  Ansicht  Köhlers  ist  die  Inschrift  um  320—17  eingemei&selt  worden.  Ich 
möchte  dagegen  einwenden :  erstens  ist  die  Anzahl  der  Priester  schon  so  gross,  dass  wir 
von  317  an  bis  340  hinauf  kommen  würden,  womit  aber  die  anderen  Verzeichnisse  gar 
nicht  stimmen,  namentlich  wenn  man  annehmen  wollte,  dass  der  Z.  38  erwähnte  'Av-^  mit 
'AvägoTtXfig  tx  Kigafiiaiv  328/7  identisch  wäre.  Zweitens  ist  im  Präskript  von  dem  Archen  tat 
des  E[v—  die  Rede,  und  da  wir  nach  Euthykritos  328/7  erst  305/4  Euxenippos  finden,  hat  sich 
wahrscheinlich  die  Revision  über  diesen  Zeitraum  erstreckt,  was  sehr  wohl  mit  meinen 
Berechnungen  stimmt.  Über  die  in  dieser  Insclirift  erwähnten  Priester  vgl.  die  Tabelle 
in  B.  C.  H.  II  445.  Dass  die  Reihenfolge  häufig  zusammen  geworfen  wurde,  ist  erklär- 
lich ;  daher  beansprucht  auch  meine  Zeitbestimmung  der  ohne  Domotika  vorkommenden 
Priester  keine  absolute  Giltigkeit,  sondern  ist  mehr  ein  Versuch,  diese  aneinander  zu  reihen. 
Warum  Larfeld,  Hdb.  S.  130  die  Inschrift  dein  Ende  d.  3.  Jahrh.  zuweist,  verstehe  ich  nicht. 

2)  Wilhelm  {Jahrheft  d.  äst.  arch.  Inst.  VII 125)  ist  geneigt,  diesen  mit  dem  EvdLdaxrog 
.i«nrrr(»ft'5?,  (UQt^tlg  M  rb  fiavT&iov  slg  JtX(povs  352/1   (IP104ji.  88),  zu  identifizieren. 

i^"}  Vielleicht  könnte  man  an  dies  Demotikon  denken,  auf  Grund  eines  ^aidgm- 
rrldr^g  '  Tßddrig  (Z^  A.  13946). 

4)  Meiner  Ansicht  nach  eine  sehr  wahrscheinliche  Ergänzung  des  Demotikons 
y^s.  zu  F.  A,  15448). 


Hpigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      77 


Jahr.                                   Name. 

Phyle.i      Inschrift 

u.  Zeitangabc. 

305/4. 

iri. 

, 

304/3. 

IV. 

303/2. 

V. 

302/1. 

VL 

301/00. 

vn. 

300/299. 

VUI. 

299/98. 

IX. 

298/97. 

X. 

297/96. 

XL 

296/95. 

XIL 

295/94. 

L 

294/93. 

U. 

293/92. 

ni. 

292/91.   ! 

IV. 

291/90. 

V. 

290/89. 

VI. 

289/88. 

vu. 

288/87. 

VUI. 

287/86.     Nixwvl8r,e  ^Xvtvg. 

IX. 

U«  1495. 

Anf.  3.  Jahrb. 

286/85.     ^Xtvg  XatQlov  'Ekevoivioe. 

X.     U^add.  567b.    tni'Tgaiov 

\ 

%•') 

285/84. 

XL 

284/83. 

xn. 

283/82. 

L 

282/81. 

?2ifivkog  NixoffTQceTov  kx  KoiXijg. 

u. 

U»1500. 

3.  Jahrh. 

281/80. 

UI. 

280/79. 

IV. 

279/78. 

V. 

278/77. 

?  Ev&uöf]fiog  \iPTixUovg  k^  Olov, 

VI. 

U='  1496. 

3.  Jahrb. 

277/76. 

VII. 

276/75. 

VUI. 

275/74. 

IX. 

274/73. 

?Evävöt]fiog'AvTixXiovg  k^  Olov. 

X. 

U»  1496. 

3.  Jahrb. 

273/72. 

XI. 

272/71. 

XU. 

271/70. 

L 

270/69. 

IL 

269/68. 

EL 

268/67. 

IV. 

267/66. 

V.  ! 

1)  y.  Schoeffer  (anter  Ärehonies,  Paüfy-  Wiss.)  und  Kolbe  (Äth,  MiU.  XXX 107)  setzen 
Isaios  in  d.  J.  285/4;  Kirchner  (P.  Ä,)  in  d.  J.  288/7.  Mit  meinem  Ergebnis  ttinunt 
aber  die  Annahme  Belochs  {Ot,  Oeseh,  III  2,  59)  you  d.  J.  286/5. 


78 


.7.  Sundwall, 


Jahr. 

Name. 

Phyle. 

Inschrift  tt.  Zeitangkbe. 

266/65. 

'Afiuv                                  -  . 

VL 

U»836 

,11.             1 

265/64. 

TtfioxXijg  E[lTtttioey) 

VU. 

» 

16. 

264/63. 

vm. 

263/62. 

jivaixXte  2vnaXiqxuog. 

IX. 

n 

18.  22. 

262/61. 

JlQoxXije  Hugattis. 

X. 

n 

22. 

261/60. 

Avxiag  'Pauvovatog. 

XI. 

w 

27.  35. 

260/59. 

<fl^t}g  'AXmntx^tv. 

XU. 

34. 

259/58. 

Nixoftaxog  [Ilatavtsvg'].*) 

L 

» 

33. 

258/57. 

Avaavlag  [Mi\Xi{ttig).^) 

u. 

f) 

33. 

257/56. 

2fiixv&og  'Avayvqäaiog. 

lU. 

w 

34 

256/55. 

IV. 

255/54. 

Avxoiii^Stig  Kov&vX^&tv. 

V. 

n 

35. 

.? 

254/53. 

2ovvitig. 

VI. 

n 

36. 

^ 

253/52. 

^tXiag  ElTtaloe. 

VU. 

n 

36. 

u 
» 

252/51. 

Svntxalav.*) 

vm. 

IX. 
X. 

19 

36. 

i 

251/50. 

|U>aad.373b.c.250J«) 

j- 

250/49. 

-^ 

249/48. 

StvoxqiTog  'AyiSvalog. 

XL 

W 

35. 

1 

248/47. 

KaXXiaSrjg  AlyiXtivg. 

XU. 

fi 

40. 

247/46. 

Qtoitvog  IleQyaa^d-ev. 

L 

n 

44. 

246/45. 

QtöSwQog  MiXtuvg. 

IL 

n 

55. 

245/44. 

og  Evmwiitivg. 

m. 

n 

56. 

244/43. 

^iXtnnog  'IwviStjg. 

IV. 

n 

61. 

243/42. 

AiTOxXrjg  'Oa&tv. 

V. 

n 

67.  81. 

242/41. 

^iXoxQÖTtjg  'ExaXij&ev. 

VL 

n 

73.  80. 

241/40. 

IlQa^tTiXfje  ElQißiötjg. 

VIL 

rt 

82. 

240/39. 

KTfj<ttüvi3i]g . 

vm. 

« 

88.  93. 

239/38. 

Botaxog  ^Xvtvg. 

IX. 

» 

95. 

238/37. 

X. 

237/36. 

XI. 

1)  Ini  Corpus  sind  ein  deutliches  £  und  Spuren  von  J  vorhanden,  und  meine  Er- 
gänzung gewinnt  noch  an  Wahrscheinlichkeit,  weil  derselbe  Name  bei  einem  teifUag 
xf]g  J&soij  423/2  vorkommt  (vgl.  P.  A.  13738). 

2)  Wahrscheinlich  mit  dem  Nixönaxos  üaucvuvg  identisch,  der  um  215/4  als  cifi}- 
fiivog  inl  xriv  xad^aigtöiv  xal  t^v  ini.<f%tvf}v  x&v  iv  xa>  'Acxlr^nuitp  erwähnt  wird  (II*  880). 

8)  Die  Ergänzung  ist  ganz  sicher.    Von  M  ist  noch  eine  Spur  übrig. 

4)  Ich  schalte  in  die  Lücke  diesen  Priester  ein.  Daraufhin  wäre  vielleicht  der 
Archon  Lysiades,  unter  dem  das  2.  Dekret  IP  add.  873b,  27  verfasst  ist,  in  dai 
folgende  Jahr  250/49  zu  setzen. 

5)  Das  Psephisma  betreffend  diese  Bechnungsablage  ist  unter  dem  Archon  Dio« 
medon  verfasst.  Wie  mir  scheint,  passt  es  zu  meiner  Bestiuunung  am  besten,  diesen 
Archon  in  d.  J.  234/8  zu  setzen,  wie  auch  Beloch  getan  hat  (^Gr.  Gesch,  III  2,  61). 
Die  Reihenfolge  der  Priester  ist  nicht  immer  in  dieser  Inschrift  streng  durchgeführt, 
besonders  für  die  älteren  Jahrgänge,  auch  finden  sich  Lücken  darin. 


Eingraphisehe  Beiträge  eur  soeial-poHtischen  Geschichte  Athens.      79 


Jahr. 


Name. 


Phyle, 


Inschrift  u.  ZiCitangabe. 


236/35. 
235/34. 
234/33. 
233/32. 
232/31. 
231/30. 
230/29. 
229/28. 
228/27. 
227/26. 
226/25. 
225/24. 
224/23. 
223/22. 
222/21. 
221/20. 
220/19. 
219/18. 
218/17. 
217/16. 
216/15. 

216/14. 
214/13. 
213/12. 
212/11. 
211/10. 
210/9. 

166/64. 

163/52. 

152/51. 
151/60. 
160/49. 
149/48. 
148/47. 
147/46. 


EvaTfuToe  Olvaloe.*) 


^OQfUwv  'HSvkov  'EXtvaiviog. 


ÜQiüTaj'ÖQae  NtKriTOV  niQyaari&ev. 


XU 
I. 
U. 

m. 

IV. 
V. 
VL 
VU. 
VIU. 
IX. 
X. 
XL 

xn. 
xm. 

L 
IL 

m. 

IV. 

V. 

VL 

VIL 

vm. 

IX. 

X. 

XL 

XIL 

xm. 
I. 

L 
IL 

m. 

IV. 

V. 

VL 

VIL 


n«839,4.    inlJtoxXittve 

Sex-') 


00  1504.    £nde3.Jahrh. 
U«1506.    £nde3.Jahrh. 


n>add.477b.  ininOonoe 
»9X- 


1)  Hier  bleibt  alles  ansicher.  Dieter  Piietter  gehörte  der  Ptolemaii  an,  denn 
wir  haben  noch  vom  Binde  des  3.  Jahrh.  2  Priester  aus  XI.  nnd  XII.  Den  Arehon 
Diokles  setse  ich,  wie  auch  Beloch,  in  d.  J.  216/5;  dann  kann  man  annehmen,  daas  am 
Ende  der  Phylenreihe  228/2  die  Ptolemais  eing^eschaltet  wurde  und  im  folgenden  Jahre 
die  neue  Reihe  begann. 


80 

J.  Stmdwah 

i 

Jahr. 

Name. 

Phyle. 

vm. 

Inschrift  tt.  Zeitangabe. 

146/45. 

Zrivav  MtXtTivg. 

n''1204.   med.  8.  IL  (P.^ 

6222.) 

146/44. 

IX. 

144/43. 

X. 

143/42. 

XI. 

* 

142/41. 

xn. 

141/40. 

L 

140/39. 

IL 

139/38. 

m. 

138/37. 

IV. 

137/36. 

<^Xvevs. 

V. 

madd.453b.  inlTiftagxov 

» 

«W-») 

129/28. 

L 

117/16. 

I. 

116/15. 

II. 

115/14. 

UI. 

114/13. 

IV. 

113/12. 

j^eiüviSrjq  ^Xviig, 

V. 

U«840.  k.v.Ende2 Jahrb.«) 

A.l.  Jahrb. 

2i^ocfOxkfig  ^iXwTov  Hovvtevg. 

xn. 

Ath.  Mut.  XXI  296  f. 

63/62. 

StaxQaxYiQ  üaganlwvog  Ktjynauvg. 

I- 

U«958,  5. 

62/61. 

QeodwQog   Xagidilfiov    ky   Mv^^y- 

u. 

„       8.  ini'ÄQUtxalov 

votxxtig. 

«PX- 

51/50. 

Jioxkijg  JioxXiovg  Kti^iöitig. 

I. 

II>add.489b.  kniAvaiaSov 

1)  Kirchner  seilt  den  Archon  Tiniarchos  in  d.  J.  138/7  (s.  P.  A,  add.  18626), 
was  jedoch  ganz  unsicher  bleibt 

2)  In  derselben  Inschrift  wird  das  Archontat  des  Pleintainos  erwähnt.  Vielleicht 
kann  man  es  in  d.  J.  111/10  verweisen  (s.  Kirchners  Archontenverzeichnis,  P.  A,), 

3)  Da  der  Archon  Aristaios  sicher  in  das  Jahr  62/1  zu  setzen  ist  (vgl.  P.  A, 
1636),  ist  hiermit  auch  die  Datierung  des  Lysiades  gesichert  (vgl.  P.  A.  9337  :c.  a.  51/50). 
Die  Keihenfolgc  wurde  wohl  i.  J.  103/2  abgebrochen,  wie  es  auch  in  diesem  tlahre  für 
die  Batsschreiber  und  Sarapispriester  bezeugt  ist  (vgl.  Ferguson,  Beiträge  z.  alt.  Omeh, 
IV,  1904,  S.  6). 


10.   Domen  und  Phylen  nach  den  Pryt^nen- 
verzeichnissen. 

1.   Die  Demen. 

Ich  gebe  hier  eine  Übersicht  aller  bisher  bekannten  Verzeichnisse  der 
Prytanen,  einschliesslich  derer,  welche  meiner  Ansicht  nach  als  Prytanen- 
verzeichnisse  anzusehen  sind,  während  sie  im  Corpufi  als  „ungewisse  Frag- 
mente" bezeichnet  sind  (s.  oben  S.  11  Anm.  2). 


*EQ6x»9ldog  L 

[II 2  996 -HP  995  b.  1- 
400—850. 


-2]. 


c^)  Ktjy>iöUig    . 
c     üegyaö^g  in. 
b    ^AvayvQaöioi 
a     Qviiiaxtig 
c?   ^ijyovöiOi    . 


?+3 
.  3 
.     9 


Ath.  Mitt.  XXIX  244. 
885/84. 


b  Evonnffitig  .  .  . 

c  ütQyaaüe  ■  ■  ■ 

c?  ^i^ovaioi  .  .  . 

a  ßt]fiaxsls  .  .  . 

Aiytldog  IL 

[n»995b,  3—24]. 
400—850. 

b    'OrgpiFiJ^.     .     . 
b    'A^y>^ioi  .     . 


2 
2 
1 
1 


2 
3 


a    'AyxvX^tv 

.    1 

b    Ihjj'alije .    .    . 

.    6 

b?  c?  Kvdavridm      . 

.    2 

h?'EQixuiie.    .    . 

.    1+? 

U«870. 
c.  350. 


Kol.  I. 


b 
c 
b 
b 


Kol.  U. 


0iXat3a$ 

'Akaiiig  . 
^riyathg 


a  ^AyTCvXiid'iv 

a  ix  KoXwvov 

a  B{mjg    .    . 

b  *AQayjivioi  . 


KoLUL 


c 

c 


raqy^xtun 

Itkm&fiig 


3 
2 
5 
4 

2 
1 
2 
2 
2 

4 

1 


l)  Fur  die  Zuf^börigkeit  su  den  Trittyfn  wwfnd«  ich  ij#  «Leu  B*  54  Auttt.  2 
eiilllierteu  Bt'Keielmuogro. 


82 

Ji  Sundwall, 

U«872. 

b?  c?  KvSanlSai     . 

.    2 

341/40. 

c 

nXud-tlg     .     . 

.    1 

Kol.  I.  c    'EQx^'ts  .... 

6 

a 

JtOfitieis     .     . 

.    1 

c     raQytJTTioi      .    . 

4 

b     ^XatSai     .    .    . 

3 

n 

avSioviSog  III. 

b?  c?  KvöavTidai     .    . 

2 

n«  865.«) 
400-388. 

c     IwvlSai  .... 

(2)^) 

K0I.U.  c     Ixaqiäg  .     .     .     . 
a    'EoTiauüg    .     .    . 
a     Bärtig    .    .    .     . 
a     ix  KoXuvov    .    . 

5 
1 

1 
2 

Kol.  L  b 
b 
b 
b 
KoL  U.  a 
b 

'Ayyelijg .     .     . 
Jlgaaifig .     .     . 

7 
.    3 
•    3 

n 

a     KoXXvTtitg .     .     . 
c     nXw&sig     .     .     . 
b    'OtQVVtig     .     .     . 
b?  'EQixtilg  .     .     .     . 
Kol.  m.  b    'AlauJe  .... 

3 
1 
1 

1 
5 

2>TBlQlf]g 

KvSad-fjvcuBig . 
ÜQoßaXlffioi    . 

3 

12 

5 

Kol.  III.  c 
c 
c 

üaiavifjg    .     . 
IlaittVifjg  xa&, 
Kov&vkiSai    . 

11 
1 
1 

c     Tti&gdaioi.    .    . 
b     0t3yateie     .     .     . 

4 
3 

c 

'Slaiijg     .     .     . 

4 

50 

b    'Aqaipi^vioi  .     .     . 

2 

VV 

b?c?iy  Mv^tvovTTtjg. 

1 

IP871. 

a    *i4yxi;il^^«» .     .     . 

1 

348/47. 

a     Jiofiutig     .    .     . 

1 

c 

üaiavulg  xa&,   . 

1 

a    'Ayxvkfi&iv     .     . 

1 

c 

üaiavulg  in. 

4  +  ? 

50 

Ath.  Mitt.  XXIX  244.2J 

IP871b. 

835/84. 

k.  n.  350. 

Kol.  I.  c 

üaiapi^ijg 

12 

a    'Eariatüg    .     .     . 

1 

c 

*ilmrig     .     .     . 

4 

b    'ÜTQVvttg     .    .     . 

1 

c 

Kov&vXidat     . 

1 

h?'EQtxuslg     .     .     . 

1 

Kol.  IL  b 

Mv^Qivovaioi'   . 

6 

a     BaTr,g    .... 

1 

b 

"AyytXuf.g    .     . 

3 

1)  Hauvette-Besnault  {B.  C.  H.  V  365 ,  6)  glaubt  hier  noch  Spuren  von  einem 
zweiten  Prytanen  zu  finden,  im  Gegensatz  zu  Kollob  (Wiener  Studien  III  214).  Jeden- 
falls muss  hier  Platz  für  2  Prytaneu  gewesen  sein,  obwohl  der  zweite  nicht  ver- 
zeichnet wurde. 

2)  Wenn  man  die  Länge  der  Kolumnen  in  der  durchaus  regelmässig  angeordneten 
Inschrift  vergleicht,  kann  man  eine  ganz  genaue  Feststellung  der  Anzahl  der  in  jeder 
Kol.  verzeichneten  Demen  wagen,  zumal  diese  Anzahl  für  mehrere  Phylen  mit  früher 
bekannten  Verzeichnissen  stimmt,  wie  ich  unten  zeigen  werde.  Bei  einer  solchen  Ver- 
glcichung  fallen  nun  auf  die  Aigeis  nur  18  Demen  gegen  20  in  IP  872,  ausserdem  ist 
dort  'AyxvXi]  doppelt.  Wir  müssen  also  annehmen,  dass  2  Demen  335/4  nicht  im  Rate 
vertreten  waren,  und  'AyxvXri  nicht  doppelt  verzeichnet  war. 

3)  Über  die  Ergänzung  der  Demotika  s.  Löper,  Ath.  Mitt.  XVll  374.  Derselbe 
hat  für  IlQoßccXiaioi,  6(?),  doch  kann  man  nur  5  annehmen,  weil  die  Phyle  sonst 
51  Prytanen  gestellt  hätte.     Die  Mittelkolumne  muss  folglich  die  kürzeste  gewesen  sein. 


Epiffra2)hi8(Jie  Beiträge  zur  aozial'jmlitischen  Oeschichte  Athens.     S3 


b?  Kv&^i^oi  . 

.     2 

Kol.  m. 

c     üi^Xfjxig. 

2 

b     IlQMing      .     . 

.     3 

c?  'Yßddm  . 

2 

b     UruQiije     .    . 

.    3 

a?  i5  Otov  . 

1 

Kül.  IIL  a     Kvda&fjvcu^g  . 

.  11 

■ 

c     'ExaXufjg 

1 

b     IlqoßaXiöiOi    . 

.    5 
60' 

c     KgutniSat^ 
c     üaiovldai 
c     £vnvgida$ 

1 
3 
2 

Ath.  Mut.  XXIX  244.1) 

c     Al&aXiSm 

2 

835/34. 

c?   /CoiUtfV^ff 

2 

.  . . . 

ou 

-?  +  4 

b     2!T€iQ$j^g     .     . 

.    3 

U  5  872  b. 

c     üaiavulg  xa& 

.    1 

KoLL 

400-350. 

U«873. 

v  +  3 

V.  307/6. 

b    ^guiggioi    ...    8? 

Kol.  L  c     üautvislg   , 

.  10 

Kol.  U. 

c     Kov&vXlSai.    . 

.    1 

9  +  2 

c    'Oä&w   .    .    . 

.    3 

b     üqaöulg     .     . 

.    2 

Ath.  Mut.  XXIX  244.«) 

Kol.  IL  b     Aryaag     .    . 

.    3 

885/84. 

b    Mv^ivovaioi  . 

.    5 

• 

b     JSxHQUig     .    . 

.    3 

V  +  1 

b    ÜQoßaXiaioi  ?  . 

.    4 

u    'Altftovnoi.    .    .    3 

c     EvnvfiSat  . 

.    2 

^                           f   tt                T17 

c?  ÄoAwyAff    . 

.    2 

jiBdDvtidog  IV. 

TT  a    O/»  J 

a?  JToiiUJJat   .     . 

.    2 

n^  864. 
V9  4.  Jahrh. 

a?  IIoTttfuoi  in. 
a?  <|  Ofov  .    .    . 

.    1 
.    1 

Kol.  I.  a?   Ktixuoi  .     .     . 

.    3 

a    *AXifiovaioi .     . 

.    3 

^tt.  iß«.  X  106.») 

a?  üoTaiiioi  xa&. 

.    2 

c.  880. 

a?           „         in. . 

.    1 

KoLL 

c     naiovidai,  .  [l?J  +  2 

a     JSxafißwvidai . 

.    3 

c     Eimvqiditt  ...     2 

a?  jiivxovotfjg 

.    3 

c     {Al&aU8at\    .    .    2 

a?  -XbüiyÖai   .     . 

.    2 

c?  [Kohovfjs^  ...    2 

Kol.  U.  b    0QuiQgu}$    .    . 
b     2!ovpif}g .    .    . 

.    9 

2 

.    4 

b    JugaSiutrai 

.    2 

KolU. 

b    ({>p«r^io(    ...    8? 

b    üoräfnai    .     . 

.    2 

b     2oimn3rs . 

4 

1)  Scheint,  wie  11^  871b,  10  Demeo,  darunter  Paiania  doppelt,  gehabt  zu  haben. 

2)  Die  Demensahl  ist' 20  wie  in  11*864. 

3)  Über  meine  Ergänzungen  der  ersten  Kol.  s.  Beitr.  s.  aJU.  Gesch.  V,  1905,  283.  Wenn 
Jlaiovidai  und  ^Qsd^Qi'Oi  im  Anfang  der  Kolumnen  gestanden  haben,  so  muss  entweder 
üaiovldai  4  oder  ^edfftoi  8  Pry tauen  gestellt  haben;  das  letztere  ist. wahrscheinlich, 
vgl.  II*  872  b. 

6* 


84 


/.  SundwaU, 


b    IIoTa/itoi  Juq. 


'Axa/tavTidoe  V. 
n«  867. 

378,77. 

KoLILb    [Qofixtoi]?     . 
KoLUL  c     'Ayvovauu  .    . 


Ath.  MM.  XXIX  244. 
885,34. 


2  a?  Oi^&ep  . 

—  Kol.  IIL  c     'Axa^Ptjs 


n*868b. 
c  350. 

Kol.  L  c     \^Axagvf/e]  . 
Kol.IL  a?  [Oll?*«»]    . 

a     ütgi&dlSat 

a     BovtaSeu   . 

a     Acauadiu    . 

a?  AovevTß.    . 

a?  nteieaaioi. 

a?   TvQuüSat   . 

a    'Enixtj^icuM 


6 
22 


3  +  ? 

4  +  ? 


50 


15+? 
5?i) 
3 
1 
3 
1 
1 
1 
1 


c  IlQoonalTtoi  , 
a  Tg/tiiM  .  .  . 
a     Eigtaldtti    .     . 

OlvriiSog  VI. 

[U«  997]. 
V,4.  J»hrh. 

a?  uiovgtfje  .  . 
b  ^iUwfOt  .  . 
b    Bgmaun .    .    . 


.?  +  2 
.  5 
.  2 
.    1 


Ath.  Mut.  XXIX  244.*) 
335  34. 


1 

3 

4  +  t 


n*868. 

ß60/59. 

Kol.  I.  a  'EntxTjyiatoi 
b  ^Xaeioi 
a?  IlTtXuiaioi . 
a?  'InnoTOfiüdai 
a  Aaxialiai  . 
a  BovräSai  . 
a?  AovctTjg.  . 
a     Iltgt&otSai 

KoLU.  b?  Ko&uxiSat. 
b    QQiiciot .    . 


2 
2 
1 
1 
2 
1 
1 
3 
2 
7 


a     IleQi&otdcu 

KtXQoniSos  Vn. 

n*866. 
>/t4.  Jahrb. 

Kol.  I.  c     *Awf^      .     .     . 


.?  +  6 
.     3 


Kol.  U.  b    'AKatijs 
Kol.  m.  a     ifcAtr^ff 


2+? 
4+? 
5+? 


LH«  1006  A.]. 
c.  350. 


KoLL 


a     [^MMrotovec] .    .     2+? 


Kol.  IL  a     [Mthryts   . 
c     [^Avijs]  .     . 


(13)? 
.    3+V 


1)  VgL  Löper,  '£qp.  &(%.  1893,  205. 

2)  Hier  12  Demen  wie  11*868.    Es  fand  also  ein  Turnus  zwischen  '/^xoroftätfca 
und  Tvinutäai  statt;  wahrscheinlich  gehörten  beide  der  Stadttrittys  ao. 


Epigraphisehe  Beiträge  zur  sozial-poliHsehen  Oesehiehte  Athens.      85 


[B.  C.  H.  XXm  352]. 
c.  875-50. 


c     [4>it;^]?     . 
b?  AlXmvl^  ■    ■ 


v+3 
.  4 
.    6  +  ? 


Ath.  MM.  XXIX  244. 
885/84. 


?  +  2 

c  2vnakritTioi  .  .  2 
c  /7i^e7€  ....  3 
c     Jm8aXlScu ...    1 

'Inno&uvriSoe  VIII. 
[n*996]. 


400-850. 


Kol.  I.  c?  a?  'ACv^m  .  ■ 

a     KuQwiai  . 
b     KonQUOi 

c?  'Avaxtu^i  . 


Kol.  II.    a     [/7a(paM7c]. 
b?  'E[XtuoiaiOi 


[U*1006B.]. 
c.  850. 
c?  a?  'A^ipn^  .  . 
c?  'AvaxaiiK  . 
c  Jexekt^ .  . 
b  ?  'Elatovatot . 
a?  '.^/ta£avT«e7c 
b?  'AxigSovctoi 


3 
3 
3 

4+? 

11  +  ? 
1 


2 
3 
4 
1 
1 


Ath.  Mut.  XXIX  244. 
385/84. 


c     ^<x<A<^.     .     .     . 
cV  'Jvaxatiis    .     .     . 

AlavxiSoi  IX. 

Ath.  Mut.  XXIX  244. 
385/84. 


4 
3 


?  +  3 


'AvttoxiSoe  X. 

n«869. 
c.  850. 


Kol.  I. 


b 
b 
b 
b 
KoLU.  b 


Kol.  UL  a 
c? 


'AvaifXvarioi 

'AnytrgonatlK 
Btjaat^i . 
'ATtivijs  . 
AlyiXtffi 
QoQturts  . 
IIa3iXi]vi}s 

'AltMtX^ 

Kgtu^e  ■ 
c?  KoXwv^e 
c?  Eirtalot. 
c  'EgotäSai 
c     2t)fiaxi9at 


10 
2 
2 
3 
6 
4 
7 

10 
1 
2 
1 
1 
1 

50 


Ath.  Mitt.  XXIX  244.») 
885/84. 


0?  EiTiaiot.    . 


V+ö 
.    2 


1)  Hier  sind  14  Demen  gegen  13  in  II'  869.    Vielleicht  könnte  man  an  den  Demo* 
Iluneli^  denken,  der  lowohl  fUr  das  5.  wie  3.  Jahrb.  beteogt  ist. 


86  J.  Sundwally 

2.  Yersuch  einer  yerToU8tändig:img  yon  Prytanenyerzeicliiiissen. 

Weil  wir  nur  für  5  Phylen,  Aigeis,  Pandionis,  Leontis,  Oineis,  Anti- 
ochis,  vollständige  Piytanenverzeichnisse  haben,  habe  ich  eine  Hekon- 
stroktion  solcher  Verzeichnisse  für  die  übrigen  Phylen  hier  versucht. 
Dabei  habe  ich  bezüglich  der  Demenzahl  die  Buleutenliste  Ath.  Mitt. 
XXIX  244  zu  Grunde  gelegt  Für  die  Bestimmung  der  Prytanenzahl 
habe  ich  mich  an  Milchhofers  Berechnungen  gehalten  (Abh.  d.  Berl.  AJcad, 
1892,  S.  8  f.),  welche  zwar  nicht  immer  zu  richtigen  Ergebnissen  führen, 
doch  aber  eine  gute  Grundlage  darbieten.  Auch  habe  ich  an  seiner  Ein- 
teilung der  Demen  in  grösste,  grosse,  mittelgrosse,  mittlere,  kleinere  und 
kleine  festgehalten. 

'EQBx&iiSog  I. 
Da  wir  13  Demen  in  der  oben  genannten  Buleutenliste  haben  und 
Pergase  dort  ungeteilt  ist,  kann  nur  noch   Syhridai  verzeichnet  ge- 
wesen sein. 

a     Ofifiaxelg    .......  1 

a    *AyQvkij&ev  xad-.^)  ^  p-, 

a    *AyQvXr,&BP  in.       f        '    '  ^  ^ 

b    Evunrvfiuq 2 

b    *AvayvQaaioi (9) 

b     jiafinTQBlg  xa&.^)y  g, 

b     jiafinTQilg  im,       i    '     '     '  *-     -* 

b    bt  Kn8w^) [3] 

b    na/ißoiTdSai^) [2] 

c     IlefyaaBig 2 

c     Kfj(piöUig^) [11] 

c?  ^i}YOVcioi 1 

c?  2vßqidai^) [1] 

50 

^AxafiavT  Idog  V. 
Diese  Phyle  zählte  hier  13  Demen,  also  können  wir  Kyrtiadai  aus- 
schliessen. 

a     EitMloi^) [2] 

a     lyiatidSai^) [1] 

a    "Egiiuoi 2 

a     ElQBöidai 1 

a     ix  Kegajiiwv^) [6]  . 

1)  Dieser  Demos  gehörte  nach  Milchhöfer  den  mittelgrossen  Demen  an.  Die 
Zahlen  in  eckigen  Klammern  habe  ich  selbst  ergänzt,  die  in  runden  Klammem  be- 
zeichnen die  der  Frg.  incerta  im  Corpus. 

2)  Einer  der  grössten  Demen.  —  3)  Kleinerer  Demos.  —  4)  Kleiner  Demos.  — 
5)  Einer  der  grössten  Demen.  —  6)  Kleiner  Demos.  —  7)  Teil  eines  mittleren  D.  — 
8)  Kleinerer  D.  —  9)  Grosser  D. 


Epigraphisehe  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      87 

a  XoXaQy%iQ^)   ....*.       [5] 

a?  noQioi') [1] 

b  OoqIxioi^) [5] 

b  KifpaXBlg^)     ......       [6] 

c  JS'jo^fmoi*)    . ' [8] 

c  ^Ayvovcioi^) [5] 

c  nQOöfidXrioi 5 

c?  Kixvpvalg'')    ....    .^ [3]  _ 

50 

K%XQoniios  VIL 
Hier  sind  12  Demen  verzeichnet  gewesen,  also  auch  Kikynna.    Ob- 
wohl Löper  diesen  Demos  der  Kekropis  abgesprochen  hat  {Ath.  Mitt. 
XVn  409,  2),  ist  er  doch  nach  11-  944  sicherlich  auch  dieser  Phyle  zu- 
zuweisen. 

a    MikiT^ .     (13) 

a     SvniTmovig^) [3] 

b?  All^t^fig^) [10] 

b    'AXmiig 4? 

c     *Äw5ftf»o) [6] 

c?  'EmuxlSm^') [1] 

c    *A&fiov6lg^^) [4] 

c     Hi&BJg 3 

c     JSvnaXriTTiOi 2 

c     Tgivi/uilg^^) [2] 

Q     JaidaXiSai 1 

c?   KixvwvBig [1] 

6Ö 

'Inno&dDVT idog  VIII. 
Diese  Phyle  hatte  hier  nur  14  Demen,  also  müssen  wir  einen  Turnus 
zwischen  einigen  kleinen  Demen  annehmen,  vielleicht  zwischen  Thymai- 
ta<Iai,  Hamaxanteia,  Acherdus  und  Auridai  (11*  184  b),  und  vielleicht 
gehörten  die  beiden  ersteren  der  Stadttrittys,  die  letzteren  der  Küsten- 
trittys  an. 

a     nuQauIg (11)? 

a     KBiQiaSai (3) 

a     kx  KoiXrjg'*) [4] 

a?  *AfAa^avT6ig (1) 

a?  'EgoMdai^^) [2] 

c?a?'ACvviiig (2) 

1)  Mittelgnwser  D,  —  2)  Kleinerer  D.  —  8)  Mittelgrower  D.  —  4)  Grosser 
D.  —  5)  Grosser  D.  —  6)  Mittelgrosser  D.  —  7)  Mittlerer  D.  —  8)  Mittelgroeser  D. 
—  9)  Einer  der  gröMten  D.  —  10)  Einer  der  grossten  D.  —  11)  Kleiner  D.  —  12)  Grosser 
I).  —  13)  Kleinerer  D.  —  14)  Mittlerer  D.  —  15)  Kleinerer  D. 


88  J.  Sn/ndwall, 

b    'EkBvalvioi^) [8] 

b     Olvaioi^) [4] 

b     Konquoi (3) 

h?  *EXmovaio^^) (1) 

b?  *Ax^QdovaiOi [IJ 

c     Jtxiktiig 4 

c     ilOiw^) [3] 

c?  'Avaxcuijg 3 

5Ö 

AlavTiSos  IX. 

Aiantis  hat  hier  nur  5  Demen,  also  war  Oinoe  noch  nicht  vertreten ; 
erst  später  313/2  kommt  ein  Proedros  vor  (IT*  236). 

a     ^aXfiQBlg^) [8] 

b     MaQa&dviOL^) [12] 

b    'Pafivovcioi'^) [9] 

b     Tgixogvaioi^) [5] 

c     *A<piSvaioi^) [16] 

50 


3.  Zur  Zusammensetzung  der  Antigonis  und  der  Demetrias  und  zum 
StärkeyerhSltnls  der  kleisthenisehen  Fhylen  im  4.  Jahrh. 

Die  Zusammensetzung  der  Antigonis  und  der  Demetrias  wollen  wir  zu 
bestimmen  versuchen  nach  der  Stärke  der  in  ihnen  vertretenen  Demen. 
Zuerst  prüfen  wir  die  zu  diesen  Phylen  zugeschlagenen  Demen  nach  den 
bisherigen  Untersuchungen.*^) 

Antigonis. 

Der  Demos  Agryle,  der  zweigeteilt  war,  gehörte  sowohl  der  Anti- 
gonis wie  der  Erechtheis  an.  Welcher  Teil  an  die  erstere  kam,  ist  un- 
gewiss. Nach  Milchhöfer  (a.  0.)  ist  A.  den  mittelgrossen  Demen  zu- 
zuweisen; ich  habe  dafür  5  Pryt.  berechnet.  Man  könnte  also  für  den  zur 
Antigonis  gehörigen  Teil  2  Prytanen  ansetzen. 

Lamptrai  war  auch  zweigeteilt.^*)  Als  einen  der  grössten  Demen 
stellte  L.  nach  meiner  Berechnung  ungefähr  13  Pryt.,  von  denen  viel- 
leicht 7  auf  die  Antigonis  fielen. 


1)  Grosser  D.  —  2)  Mittlerer  D.  —  3)  Kleiner  D.  —  4)  Mittlerer  D.  —  5) 
Grosser  D.  Stellte  c.  50  (IT*  874)  8  Pryt.  —  6;;  Einer  der  grössten  D.  —  7)  Grosser 
D.  —  8)  Mittelgrosser  D.  —  9)  Einer  der  grössten  D. 

10)  Vgl.  Kirchner,  Bh,  Mus.  LIX294ff.  und  die  Literatur  dazu  ebenda. 

11)  Bates  {The  five  post-Kleisth.  tribes  S.  7)   nimmt  an,   dass  Aaunzgal  naQolai 
II  ^  960  mit  A.  vn.  identisch  war. 


Epigraphische  Beiträge  zur  soziul-j^olitischim  Geschichte  Athens.      89 

Paiania  kam  auch  nur  mit  einem  Teil  an  die  Antigonis.  Bates 
(a.  0.  S.  12)  vermutet,  dass  dieser  der  kleinere  Teil  war,  also  /I.  xad-. 
Das  lässt  sich  tatsächlich  feststellen.  Unter  den  Pryt.  des  //.  vn.  (11*  865) 
kommt  nämlich  ein  ^iktnniSfig  vor^  dessen  gleichnamiger  Nachkomme 
&e6fio»iTJjg  224/3  für  die  Pandionis  ist  (11«  859  a.  61,  vgl.  P,  A,),  Also 
gehörte  U.  xu&,  der  Antigonis  an.    Dieser  Teil  stellte  einen  Pryt. 

Pergase  stellte  335/4  nur  2  Prytanen,  also  ist  für  den  Teil,  der  zur 
Antigonis  kam,  ein  Pryt.  zu  rechnen. 

Potamos.  Dieser  Demos,  dessen  Zugehörigkeit  zur  Antigonis  Tod*) 
erst  kürzlich  nachgewiesen  hat,  ist  wohl  nur  mit  einem  Teil  darin  ver- 
treten, und  wir  können  Tod  zustimmen,  dass  es  wahrscheinlich  Potamos 
Deiradiotes  war,  der  2  Pryt.  stellte.  Dagegen  ist  kaum  an  Deiradiotai 
festzuhalten,  wie  Kirchner*)  aus  11  *  859 d.  19  schliessen  will,  nicht  ein- 
mal an  Potamos  Deiradiotes  ist  hier  wegen  des  Raumes  zu  denken.  Auch 
kann  die  Liste  hier  wohl  mit  der  6.  Phyle  angefangen  haben,  weil  der 
erste  Thesmothet  101/0  11«  985  der  9.  Phyle  angehörte. 

Kydathenaion  mit  11  Pryt. 

Gargettos  mit  4  Pryt. 

Aithalidai  mit  2  Pryt. 

Ikaria  mit  5  Pryt. 

Eitea  X  nimmt  Kirchner  für  die  Antigonis  in  Anspruch  (a.  0.  298), 
also  mit  2  Pryt. 

Besä  mit  2  Pryt. 

Kirchner  rechnet  zur  Antigonis  noch  einen  Teil  von  Amphitrope 
(a.  0.  S.  298)  nach  Ditt.  Syll^  181,  2.  Diese  Stelle  ist  jedoch  zu  un- 
sicher, um  daraus  Schlussfolgerungen  zu  ziehen,  zumal  da  es  nicht  ganz 
wahrscheinlich  ist,  dass  die  Erwähnung  der  11.  Prytanie  der  Akamantis 
(Z.  13)  nur  als  eine  Parenthese  zu  betrachten  ist.  Ich  folge  also  hier  der 
Ansicht  Bates',  der  diesen  Demos  ganz  der  Antiochis  zuweist. 

D  V  m  e  f  r  i  n  s, 

KothoMdai  mit  2  Pryt. 
H\ppotomadai  mit  1  Pryt. 
Thorai  mit  4  Pryt. 
Ateiie  mit  3  Pryt. 

KoUe  hat  nach  meiner  Annahme  gegen  4  Pryt.  gestellt. 
Bäte  mit  1  Pryt. 
Diomeia  mit  1  Pryt. 

Ard'i/le.  Da  die  Hälfte  der  Antigonis  zugeschlagen  wurde,  bleibt  nur 
1  Pryt. 

Hagnus  stellte  nach  meiner  Berechnung  gegen  5  Pryt. 
Xypete  berechne  ich  zu  etwa  3  Pryt. 

1)  An.  of  ihe  BHL  School  at  Athens  IX  157  f. 

2)  Rh.  Mus,  XLVII  554.  .... 


90 


J.  Sundwall, 


Ausserdem  schlägt  Kirchnec  noch  Anakaiu  vor.')  Ich  finde  jedoch 
die  Bemerkung  Bates'  (a.  0.  S.  23  f.)  beachtenswert,  dass  der  Polemarch 
in  derselben  Liste  schon  ans  der  Demetrias  ist,  und  dass  dieselbe  Phyle 
nicht  mit  zwei  Archonten  vertreten  zu  sein  pflegt.  Ich  rechne  den 
Demos  deswegen  nicht  zur  Demetrias. 

Ich  gebe  hier  eine  Übersichtliche  Zusammenstellung: 


Antigonis. 

III.       f  Eydathenaion 

I.       l  Agryle  .    .    . 

I.       rLamptrai  .    . 
Vf.   b  {  Potamos  (Deir.) 

X.       Ißesa.    .    .    . 
IV. 

I. 
II. 

n. 

X. 

m. 


c  < 


Aithalidai 
Pergase 
Ikaria   . 
Gargettos 
Eitea     . 
Paiania . 


11 

[2] 
[7] 

2 

2 

2 

1 

5 

4 

2 

1 
39" 


vm. 
vn. 
vn. 

IL   a 
IL 
IL 
VI. 
X. 


Demetrias. 

Koüe [4] 

Xypete [3] 

Melite (13) 

Ankyle 

Diomeia 

Bäte 

Hippotomadai     .    .    . 
Atene 


X.   b  \  Thorai  .    . 

VI.       l  Kothokidai 

V.   c     Hagnus.    . 


2 

[5] 
38 


I. 
U. 

TU. 

IV. 

\. 

VI. 


=  10. 
=  12. 
=  12. 
=   4. 

=  5. 
=   3. 


1)  hh.  Mus.  XLVII  5.S6. 


Epigraphische  Beiträge  zur  sozial-politischen  Geschichte  Athens.      91 

Vn.  =  16. 

vm.  =    4. 

IX.  =  — . 

X.  =  11. 

Die  annähernde  Gleichheit  der  neuen  Phylen  gibt  uns  den  Beweis 
dafür,  dass  die  Neubildung  ein  Versuch  war  die  Unterschiede,  welche  sich 
seit  Kleisthenes  unter  den  Phylen  ausgebildet  hatten,  auszugleichen. 
Femer  gibt  uns  die  verschiedene  Stärke  der  Teile,  die  die  einzelnen 
alten  Phylen  den  neugebildeten  abgaben,  ein  Bild  von  der  durchschnitt- 
lichen Stärke  der  Phylen  im  4.  Jahrh.  Diese  Stärkeverhältnisse,  die  be- 
reits Milchhöfer  (a.  0.)  statistisch  zu  berechnen  versucht  hat,  werden 
durch  unsere  Zahlen  in  ein  richtigeres  Licht  gerückt.  Die  Zusammen- 
stellung ergibt  nämlich,  dass  Erechtheis,  Äigeis,  Pandionis,  Äntiochis 
ziemlich  gleich  stark  waren,  vielleicht  ein  wenig  über  dem  Durchschnitt 
von  ^/lo  der  Gesamtbevölkerung,  während  Leontis,  Akamantis,  Oineis  und 
Hippothontis  ihn  nicht  erreichten.  Die  grösste  war  Kekropis,  die  kleinste 
Äiantis. 


Berichtigungen. 

S.  1  Z.  10  steht:  4.  Jahrh.,  Ues:  5.  Jahrh. 

8.  5  Z.  14  V.  u.  ergänze:  ßeüräge  e.  aU.  Gesch.  1905  S.  282. 

S.  8  Z.  12  V.  u.  steht:  'Enmifaxf\g  ^ikoyXiovg  'AyyiXffihv,  lies:  Hgoxleldrig   0tX.  'Ayy. 

S.  89  A.  1  statt  468/2  lies:  408/2. 

S.  48  Z.  14  steht:  IP  104b,  lies  IP  104a. 


84 


Jl  Sundwall, 


b      IIoTlifttOt   JtIQ. 


'Axa/iavT iSog  V. 

n«  867. 

878/77. 

Kol.n.  b     [eoQixioi]?     . 


Kol.  III.  c     'Ayvovaioi 


3  +  ? 

4  +  ? 


Ath.  Mut.  XXIX  244. 
885,84. 


?  +  2 

c     IJQOonäXTioi  .    .    5 


a  '^Qnttot  .  .  . 
a     EiQtaldai.    .    . 

OlvriiSog  VI. 

[H«  997]. 
V,4.  Jahrb. 

a?  Aowsirie  .  . 
b  0vXtiaioi  .  . 
b    Ogidatot .    .    . 


2 
1 


1 
3 

4  +  ? 


n«868. 
[860/59. 

Kol.  I.  a  'Emx^yiaioi 
b  ^Xdmoi 
a?  ÜTtltäaioi . 
a?  'InnoTO/iäSat 
a  uiaxtadai  . 
a  BovtäSat  . 
a?  Aovai^g.  . 
a     IltQi&oJSat 

Kol.n.  b?  Ko»uxi8cu. 
b    QQiieioi .    . 


2 
2 
1 
1 
2 
1 
1 
3 
2 
7 


a?  Ol^i^«!»  ....    6 
Kol.  m.  c     'Axagvijs     ...  22 


n5  868b. 
c.  860. 

Kol.  I.  c     fjj^apvw]  • 
Kol.  n.  a?  [Ol^ev]    . 

a     IleQt&oJSat 

a     BovtaSai   . 

a     AaxiMitti    . 

a?  Aovetrfi,    . 

a?  IlttUacioi . 

a?  TvQutSSai  . 

a    'Entxtjyiaioi 


50 


15+? 
5?i) 
3 
1 
3 
1 
1 
1 
1 


^<Ä.  Jlß«.  XXIX  244.«j 
885/84. 


a     IltQt&diSai 

Kixqonidos  VIL 

n2  866. 
Vi  4.  Jahrh. 

Kol.  I.  c     <Piww      .     .     . 


.?  +  6 
.    3 


Kol.  U.  b    'AXairts 
Kol.  m.  a     Mthx^s 


2  +  ? 

4  +  ? 

5  +  ? 


[H»  1006  A.]. 
c.  350. 


KoLL 


a     [SvntTtti6vti\ .    .    2  +  ? 


Kol.  U.  a     [MehT]^e   ■ 
c     [^ii/jjc]  .     . 


.(13)? 
.    3+? 


1)  Vgl  Löper,  'E<p.  &qX'  1^93,  205. 

2)  Hier  12  Deinen  wie  II*  868.    Es  fand  also  ein  Turnus  zwischen  'Innoxondöcu 
und  TvQiuldai  statt;  wahrscheinlich  gehörten  beide  der  Stadttrittys  an. 


Epigraphisehe  Beiträge  zur  sozial-politischen  Oesehiekte  Athens.      85 


[B.  0.  H.  XXm  352]. 
c.  875—50. 


c     [<PAww]?     • 
c     SvitaXfiXtuu 
b?  Äi%m)iis  .     . 


?  +  3 
.  4 
.    6  +  ? 


Afh.  Mitt.  XXIX  244. 
885/84. 


?  +  2 

c  2vnaXfßttOi  .  .  2 
c  tlt&eie  ....  3 
c     JmSaklSai .  1 


'Inno&avxiSos  VIII. 
[n«996]. 
400-860. 

KoL  I.  c?  B?  'Ai;rivt^i  .... 
a  KtiQiddat  .  .  . 
b  Konguoi  .  .  . 
c?  'Avaxatijg    .    .    . 


Kol.II.    a     [IJuQauSe]. 
b?  'E[Jimovatoi 


[Un006B.J. 
c.  350. 

c?  a?  'A^tjvifje  ■  ■ 
c?  'Avaxai^  . 
c  Jexels^e .  . 
b?  'Elaiovatoi . 
a?  'Afta^avTUtle 
b?  'Axtgiovctot 


3 
3 
3 

4  +  ? 

11  +  ? 
1 


2 
3 
4 
1 

1 


Ath.  Mitt.  XXIX  244. 
385/34. 


c     Jextlttjs.     .    .    . 
c?  'AvaxaiiK    ■     ■     ■ 

AlttvxiSoi  IX. 

Ath.  Mitt.  XXIX  244. 
885/34. 


4 
3 


?  +  3 


'Avttoxiüoi  X. 

n«  869. 
c.  350. 


Kol.  I. 


b 
b 
b 
b 

KoLU.  b 
b 
c 

Kol.  m.  a 


'Ava(fXv<itioi 

'AftytTQonailK 

Brjaai^g . 

'Arijvfis  . 

Alytkifii 

Oopatffi  . 

naXXijvije 

'AXwatx^ 
c?  Kgiu^e  . 
c?  Kolutnje 
c?  Elrtaioi. 
c  'Egotadat 
c     JStjfiaxlSat 


10 
2 
2 
3 
6 
4 
7 

10 
1 
2 
1 
1 
1 


50 


Ath.  Mitt.  XXIX  244.') 
885/84. 


c?  ElTeaiot .    . 


.    2 


1)  Hier  sind  14  Demen  gegen  13  in  II*  869.    Vielleicht  könnte  m«n  an  den  Demoi 
ünntlij  denken,  der  sowohl  flir  das  5.  wie  3.  Jahrh.  beteugt  ist. 


Sachregister. 


Aischines  aus  Kothokidai  50,  58,2,  60  f.,  68  f. 

Androtion  aus  Gargettos  15,  43,  59  f.,  62  f 

Antigonis  88  f. 

Antragsteller  56  f.,  62  f. 

Archontat:  d.  Isaios  77,  Lysiades  78,  Dio- 

medon  78,   Diokle«  79,  Timarchos  80, 

Lysiades  80. 
Aristophon  aus  Asenia  27,  62  f.,  78. 
Asklepiospriester  47  f.,  75  f. 

Besoldung:  d.  Rates  If.,  d.  Strategen  80, 
d.  Diaiteten  84,  d.  Gesandten  59,  d.Volks- 
sammlung  68. 

Bnleuten  14  f. 

Chares  aus  Angele  21  f.,  27,  72. 
Charidemos  aus  Achamai  22  f.,  27,  72. 

Demades  aus  Paiania  28,  25,  28,  41,  49, 

60  f.,  68  f. 
Demarchen  56. 
Demen  2,5,  58/8,  81/8.    Turnus  d.  D.  im 

Rate  87. 
Demetrias  89  f. 
Demostkenes  aus  Paiania  15,  42  f.,  50,  58, 

60  f.,  68  f.,  71  f.  zur  Ilaucvla  xa^wteg^sv 

gehörig  58,8. 
Diaiteten  82/4. 

Diopeithes  aus  Sunion  22  f.,  27,  72. 
Diotimos  aus  Euonymon    28  f.,  27,  80,  72. 

Epheben  82. 

*EniiuXrstal  t&v  veatgUov  85  f. 

'Eniatatai  *EXhvaiv6»ev  46  f. 

'Emetdxris  BgavgiavUv  45. 

'Esrl  rj}  dioixfiCH  42. 

Eubulides  aus  Halimus  15,  57. 

Eubulos  aus  Probalinthos  42  f.,  62  f..  72  f. 

Gerichte  69. 
Gesandte  59/62. 

Hegesippos  aus  Sunion  60  f.,  62  f.,  72. 
Hypereides   aus    Kollyto«   16,   38,2,  60  f., 
64  f.,  71  f. 


UgBvgi  d.  Asklepios  47  f.,  75  f.,  d.  Pandion 

48,  d.  Poseidon  48. 
Ugoykvri{H4iVB9  50. 
Ug(yjioi.oL  48  f. 

Kommissionen  42/3. 

Lykuigos  aus  Butadai  20 f.,  41  u.  A.  3, 
42  f.,  49,  60  f.,  64  f.,  71  f. 

vaoitoiol  51  f., 

Nausikles  aus  Og  22  f.,  27,  60  f.,  64  f.,  72. 

Philokrates  aus  Hagnus  15,  60.,  68  f. 

Phokion  22  f.,  29,  60  f.,  64  f. 

Phylarchen  81. 

Phylen:  Leistungsfähigkeit  2,  bei  der  Stra- 
tegenwahl 19,  Musterrollen  d.  Ph.  82,  bei 
Bestellung  der  'Eniat,  'EXsva,  47,  bei  der 
Losung  des  Asklepiospriest.  48,  74  f.,  bei 
d.  Wahl  d.  Hieropoen  49,  Verschiebung 
d.  Bevolk.  in  d.  Ph.  55,  Stärkeverhält- 
niBse  91 ,  Antigonis  und  Demetrias  88  f. 

Polyeuktos  aus  Sphettos  60  f.,  62  f.,  71  f. 

Proletariat,  industrieller  55,  70. 

Prytanen Verzeichnisse  11,2,  81/8. 

nvlayogai  50  f. 

Rat  1/18,  85  u.  A.  3,  71. 
Ratschreiber  17  f. 

Schatzungsklassen,  solonische  2,4,  82. 
Strategen  19/81. 
Symmorien  2,  20  u.  A.  8. 

xaiuai, :  xfis  ^eof^  89,4,  42  u.  A  3,  f  oi^  ^totg 

47. 
xa)Liag:  tgi^tigonoinAv  89 f.,   ilg  rtt  vitugia 

89  f.,  (fXQCcvuatix&v  41  f. 
Taxiarchen  31. 
Theorikon  78,  ol  inl  d.  42  f. 
Thrasybulos  aus  £rchia  28  f.,  27,  72. 
Timarchos  aus  Sphettos  ^5,  48  f.,  60  f. 
Trittyen  88,  53  f. 
Tyrannen,  die  dreissig  53,4. 

Volksversammlung  68. 


Dmok  voo  O.  Kreysiog  io  Leipstg. 


Der  römische  Gutsbetrieb 

als  wirtschaftUcher  Organismns 

nach  den  Werken 

des  Cato,  Varro  nnd  Golnmella. 

Von 

Herman  Gnmmeras. 


Leipzig 

Dieterich'sche  Verlagsbuchhandlung 

Theodor  Weicher 
1906. 


Vorwort. 


Indem  ich  hier  die  ersten  Resultate  meiner  Studien  in  der  römischen 
Wirtschaftsgeschichte  vorlege,  ist  es  mir  eine  ehrenvolle  Pflicht  meinen 
hochgeschätzten  Lehrern,  Herrn  Prof.  F.  Gustafsson  an  der  Universität 
zu  Helsingfors,  Finnland,  der  meine  ersten  Schritte  auf  dem  Gebiete 
der  klassischen  Philologie  geleitet  hat,  und  Herrn  Prof.  Eduard  Meyer, 
dessen  historischem  Seminar  zu  Halle  ich  im  J.  1901  als  Mitglied  an- 
gehörte, und  der  zuerst  durch  seine  geistvollen  Aufsätze  mein  Inter- 
esse für  das  Wirtschaftsleben  des  Altertums  erweckt  hat,  ebenso  den 
Herausgebern  der  Beiträge  zur  alten  Oeschichte,  den  Herren  Professoren 
0.  F.  Lehmann-Haupt  und  E.  Kornemann,  die  mir  bei  der  Veröffent- 
lichung meiner  Abhandlung  als  Beiheft  dieser  Zeitschrift  durch  Rat  und 
Tat  behülflich  gewesen  sind,  meinen  herzlichen  Dank  auszusprechen. 
Herr  Dr.  Gustav  Schmidt,  Helsingfors,  hat  mein  Manuskript  auf 
sprachliche  Verbesserungen  durchgesehen,  wofür  ich  ihm  dankbar  ver- 
bunden bin. 

Helsingfors  im  Dezember  1905. 

Der  Yerfasser. 


Inhalt. 


Seite 

Einleitung 1—14 

Die  drei  Wirtschaftsstafen  der  Menschheit  nach  Bücher  und  Röscher.  — 
Rodberttti*  Lehre  von  der  Autarkie  des  antiken  Hauses.  —  Seine  Oiken- 
wirtschafftstheorie  von  BUcher  erneuert.  Kritik  dieser  Theorie.  —  Die 
Ansicht  der  Büchersehen  Schule,  dass  die  geschlossene  Hauswirtschaft  im 
Altertum  vornehmlich  da,  wo  die  Sklavenwirtschaft  vorherrschte,  zur  Aus- 
bildung gekommen  sei.  —  Ist  diese  Ansicht  richtig,  so  ist  die  höchste  Aus- 
bildung der  geschlossenen  Hauswirtschaft  im  Altertum  in  den  landwirt- 
schaftlichen Sklavenbetrieben  bei  den  Römern  zu  suchen,  weil  dort  die 
antike  Sklaverei  ihren  Höhepunkt  erreichte.  —  Die  fortschreitende  wirt- 
schaftliche Isolierung  des  romischen  Gutsbetriebs  nach  Max  Weber.  — 
Eine  Spezialuntersuchung  über  diese  Frage  hat  erstens  darzulegen,  welche 
Arbeitskräfte  für  die  landwirtschaftliche  Urproduktion  verwendet  wurden, 
zweitens,  wie  die  für  den  Gutsbetrieb  erforderlichen  Konsumtionsguter, 
namentlich  die  ErzeugniiMe  der  gewerblichen  Produktion,  beschafft  wurden. 
—  Die  Aufgabe  vorliegender  Abhandlung  ist,  die  landwirtschaftlichen 
Werke  des  Cato,  Varro  und  Columella  von  diesen  Gesichtspunkten  aus 
einer  Spezialanalyse  zu  unterwerfen   —  Methode  der  Untersuchung. 

Kap.  I.    Der  römische  Gutsbetrieb  nach  Cato 15—49 

Der  hohe  Wert  der  Schrift  de  agri  cultura  als  Quelle  für  die  römische 
Wirtschaftsgeschichte.  —  Catos  Vorschriften  über  den  Gutsbetrieb  beziehen 
sich  auf  zwei  bestimmte  Mustergüter.  Der  Wein-  und  Olbau  die  Grund- 
lage des  Gutsbetriebs.  Die  ökonomischen  Grundsätze  des  catonischen  Be- 
triebssystems. Gute  Kommunikationen  eine  Hauptbedingung  der  Renta- 
bilität des  Gutes.  —  Die  landwirtschaftliche  Urproduktion  ruht  auf  der 
Sklavenarbeit.  Daneben  werden  freie  Lohnarbeiter  regelmässig  heran- 
gezogen. Dienstmiete.  Werkverdingung.  Verkauf  des  Ertrages  im  voraus. 
Die  polüio.  Die  Parzellenpacht  nicht  erwähnt  —  Die  Beschaffung  der 
Konsumtionsguter,  besonders  die  der  Grewerbserzeugnisse.  Die  gewerbliche 
Eigenproduktion  des  Gutes  auf  wenige,  leichte  Handwerksarbeiten  be- 
schränkt. Die  Kleider  der  Sklaven  nicht  zu  Hause  gemacht,  sondern  ge- 
kauft. Grössere  Bauarbeiten  in  Verding  gegeben.  Leichtere  Hobs-,  Flecht- 
und  Seilerarbeiten  durch  die  Gutssklaven  ausgeführt.  Alle  Töpfer-  und 
Metallwaren  dagegen  in  den  Nachbarstädten  gekauft  und  jede  auf  dem 
Gute  nötige  Metallarbeit  einem  gedungenen  Handwerker  überlassen.  Der 
Kauf  einer  Ölquetschmaschine.  —  Zusammenfassung. 


—    vin   — 

Seite 

Kap.  IL    Der  römische  Gutsbetrieb  nach  Varro 50 — 72 

Yarros  Vorgänger.  Die  Quellen  seiner  rerum  rusticarum  libri  tres.  Sein 
Werk  ist  als  Quelle  für  die  Wirtschaftsgeschichte  nur  mit  Vorsicht  zu 
benutzen.  —  Varro  hat  nicht,  wie  Cato,  ein  bestimmtes  Mustergut  im  Auge. 
Er  berücksichtig  zunächst  italische  Verhältnisse.  Auch  bei  ihm  erscheint 
die  Wein-  und  Olproduktion  als  die  Grundlage  der  Bodenwirtschaft  Die 
Grösse  des  Gutsbetriebs.  Die  Stellung  des  Gutsbetriebs  in  dem  allgemeinen 
Wirtschaftsleben.  Kommunikationen.  —  Die  ländlichen  Arbeiter  in  Sklaven 
und  Freie,  diese  wieder  in  Kleinbauern,  Tagelöhner  und  Schuldknechte 
geteilt.  Obaerati  nicht  als  coloni  au&ufassen.  Die  Kleinpächter  unter  den 
Gutsarbeitem  nicht  erwähnt.  —  Die  gewerbliche  Produktion  des  Gutes, 
wie  bei  Cato,  auf  Holz-,  Flecht-  und  Seilerarbeit  beschränkt.  Dorfhand- 
werker auf  dem  Gute  beschäftigt  Auf  sehr  grossen,  abgelegenen  Gütern 
hält  man  sich  jedoch  eigene  Handwerkssklaven.  Töpferei  und  Weberei 
als  landwirtschaftliche  Nebengewerbe.  —  Zosanmienfassung. 

Kap.  III.    Der  römische  Gutsbetrieb  nach  Columella 78—93 

Columellas  Werk  rei  rtiaticae  libri  duodecim  ist  für  die  Wirtschaftsgeschichte 
eine  zuverlässige  Quelle.  —  Auch  Columella  berücksichtigt  zunächst  italische 
Zustände.  Auch  ihm  gilt  der  Wein-  und  Ölbau  als  die  Grundlage  der 
Bodenwirtschaft  Er  schreibt  in  erster  Linie  fUr  Grossgrundbesitzer.  Seine 
ökonombchen  Prinzipien.  Produktion  für  den  Absatz.  Konununikationen. 
—  Die  Arbeitsorganisation  ruht  fast  ausschliesslich  auf  der  Sklavenarbeit, 
obwohl  freie  Lohnarbeiter  nicht  ganz  entbehrt  werden  können.  Die  Klein- 
pächter, coloni  j  werden  als  selbstverständlicher  Teil  der  Gutsinsassen  be- 
trachtet, sind  aber  zu  Frohnden  auf  dem  Hoflande  nicht  verpflichtet  — 
Die  gewerbliche  Betätigung  der  Gutssklaven  auf  leichtere  Holz-  und 
Flechtarbeit  beschränkt.  Das  Spinnen  und  Weben  kommt  als  gelegent- 
liche Hausbeschäftigung  der  Sklavinnen  vor,  aber  die  Kleider  der  Haus- 
leute werden  doch  grösstenteils  gekauft.  Unter  den  Gutssklaven  befinden 
sich  auch  einige  Handwerker,  die  aber  hauptsächlich  nur  die  Reparaturen 
zu  besorgen  haben.  Das  ergasttüum  ist  nicht  als  industrielle  Werkstatt 
aufzufassen.  —  Zusammenfassung. 
Schluss:  Allgemeine  Ergebnisse 94—97 


Einleitung. 


Die  wirtschaftsgeschichtliche  Erforschung  des  klassischen  Altertums 
hat  in  den  letzten  Jahren  einen  grossen  Aufschwung  genommen.  Das 
immer  gewaltiger  anwachsende  inschriftliche  Material  gewährt  uns  jetzt 
in  das  wirtschaftliche  Leben  der  antiken  Völker  einen  sehr  erweiterten 
Einblick.  Was  mit  Hilfe  dieses  Materials  auf  dem  Gebiete  der  Wirtschafts- 
geschichte erreicht  werden  kann,  zeigen  z.  6.  H.  Francottes  glänzende 
Untersuchungen  über  die  griechische  Industrie.  Die  Papyrusforschung 
schenkt  uns  mit  jedem  Jahre  neue  Dokumente  über  die  sozialen  und 
ökonomischen  Zustände  Ägyptens  während  der  ptolemäischen  und  der 
römischen  Zeit.  Die  im  Laufe  der  letzten  Dezennien  entdeckten  grossen 
nordafrikanischen  Inschriften  haben  auf  unsere  Anschauung  über  die  Ent- 
stehung des  römischen  Kolonats  geradezu  umgestaltend  eingewirkt.  Ähn- 
liche Fortschritte  kann  man  auf  vielen  anderen  Gebieten  beobachten. 

Aber  ebenso  stark  wie  durch  die  Entdeckung  neuen  Materials  ist 
die  antike  Wirtschaftsgeschichte  dadurch  gefördert  worden,  dass  man 
schon  bekannte  Tatsachen  unter  neuen  Gesichtspunkten  zu  betrachten  be- 
gonnen hat.  Man  hat  aufgehört  die  wirtschaftlichen  Zustände  bei  den 
alten  Völkern  nur  als  „Privataltertttmer**  zu  behandeln.  Man  begnügt 
sich  nicht  mehr  diese  Zustände  isoliert  zu  untersuchen,  man  will  sie  in 
ihrem  Zusammenhang  mit  der  geschichtlichen  Entwickelung  und  im  Lichte 
der  modernen  Nationalökonomik  und  Soziologie  erklären. 

Besonders  befruchtend  hat  in  dieser  Beziehung  die  vor  einigen  Jahren 
zwischen  Ed.  Meyer  und  Karl  Bücher  und  ihren  Anhängern  geführte 
wissenschaftliche  Fehde  gewirkt.  Der  Gegenstand  des  Streites  ist  be- 
kannt. Bücher  hatte  ^)  die  ganze  materielle  Kultur  des  klassischen  Alter- 
tums in  die  Epoche  der  sogenannten  „geschlossenen  Hauswirtschaft**,  der 
„reinen  Eigenproduktion",  der  „tauschlosen  Wirtschaft",  in  welcher  „die 
Güter  in  derselben  Wirtschaft  verbraucht  werden,  in  der  sie  entstanden 
sind",  hineinzwängen  wollen.    In  dem  „Verhältnis,  in  welchem  die  Pro- 


1)  In  seinem  berühmten  Werke:  Die  Entstehung  der  VolkswirtscJuift,  erste  Aufl. 
1893,  zweite  1898,  dritte  1901,  vierte  1904. 

O ammeras,  Der  römitohe  Qutobetrieb.  1 


2  H.  OummeruSy 

duktion  der  Güter  zur  Konsumtion  derselben  steht",  in  der  „Länge  des 
Weges,  welchen  die  Güter  vom  Produzenten  bis  zum  Konsumenten  zurück- 
legen", i)  hatte  nämlich  Bücher  einen  Gesichtspunkt  gefunden,  nach  welchem 
er  die  drei  Wirtschaftsstufen  der  Menschheit,  die  der  geschlossenen  Haus- 
wirtschaft, der  Stadt  Wirtschaft  und  der  Volkswirtschaft  feststellen 
konnte.  Diese  drei  Stufen,  denen  fünf  gewerbliche  Betriebssysteme :  Haus- 
werk, Lohnwerk,  Handwerk,  Verlagssystem  und  Fabrik,  entsprechen,  folgen 
—  so  lehrte  Bücher  —  in  der  Geschichte  der  Menschheit  zeitlich  auf  ein- 
ander. Die  Hauswirtschaft  erhielt  durch  die  Sklaverei  des  Altertums  ihre 
höchste  Ausbildung;  im  Mittelalter  war  die  Stadtwirtschaft  vorherrschend; 
erst  in  der  neueren  Zeit  hat  die  Entwickelung  die  Stufe  der  Volkswirt- 
schaft erreicht. 

Gegen  diesen  offenbar  einseitigen  Schematismus  wendete  sich  Ed. 
Meyer.  *)  Er  suchte  —  vielleicht  nicht  ohne  Übertreibungen  in  einzelnen 
Punkten  —  nachzuweisen,  dass  die  Völker  des  Altertums  alle  jene  drei 
Wirtschaftsstufen  durchgemacht  haben. 

Die  Ansicht,  dass  die  antike  Wirtschaft  von  der  modernen  wesentlich 
verschieden  gewesen  sei,  ist  unter  den  Nationalökonomen  nicht  neu.  Schon 
W.  Röscher  hatte  sie  ausgesprochen.  ^)  Auch  er  wollte  in  der  wirtschaft- 
lichen Entwickelung  jedes  höher  gebildeten  Volkes  drei  Perioden  unter- 
scheiden. In  der  frühesten  Periode  tritt  der  erste  Faktor  der  Produktion, 
die  Natur,  mächtig  hervor,  in  der  zweiten  wird  der  Faktor  der  menschlichen 
Arbeit  immer  bedeutender,  in  der  dritten  Periode  endlich  tritt  der  des 
Kapitals  in  den  Vordergrund.  Das  eigentümliche  der  alten  Volkswirt- 
schaft sei  nun,  dass  sie  nie  sehr  weit  über  die  zweite  Stufe  hinaus- 
gekommen ist.*)  Die  Ursache  dazu  lag  in  dem  Vorherrschen  der  Sklaverei, 
die  namentlich  das  Aufkommen  der  Industrie  und  des  Handels  hinderte. 
„Viele  unserer  bedeutendsten  Handwerke  —  sagt  Röscher  s)  —  konnten 
im  Altertume  schon  deshalb  nicht  existieren,  weil  jedes  ansehnlichere 
Haus  die  betreffende  Arbeit  hausmässig  von  seinen  Sklaven  verrichten 
liess."  Weil  es  an  einer  Kundschaft  für  geringere  Erzeugnisse  des  Ge- 
werbefleisses  fehlte,  war  die  Industrie  immer  nui'  „eine  lialbe  Luxus- 
industrie." —  „Die  wichtigeren  Gewerbserzeugnisse,  welche  damals  von 
einem  Lande  in  das  andere  geführt  wurden,  waren  fast  sämtlich  Luxus- 
artikel." Dies  hing  auch  mit  der  UnvoUkommenheit  der  alten  Kom- 
munikationsmittel zusammen,  „welche  den  Transport  für  geringere  Waren 
allzu  sehr  verteuerte." 

1)  Entst.  d.  Volksw.,  4.  Aufl.  S.  107. 

2)  Zuerst  in  seinem  Vortrage:  Die  wirtschaftl.  Entwickelung  d.  Altertums^  Jena  1895. 

3)  In  seiner  Abhandlung:  Über  das  Verhältnis  der  Nationalökonomie  zum  klassi- 
schen Altertum.  Ansichten  der  Volkswirtschaft  aus  dem  geschichtlichen  Standpunkte. 
2.  Aufl.  1861,  S.  1—46,  ursprünglich  aber  schon  1849  in  den  Ber,  d.  SäcJis.  Ges.  d. 
Wiss.  hist.'phil,  Klasse  erschienen. 

4)  a.  0.  S.  15. 

5)  a.  0.  S.  24. 


9fi^rmii^f*h*^  Gut^betrieh 


Noch  schärfer  formuliert  und  ausführlich  begriiudet  wirde  diese  Auf- 
fassung von  K.  Kodbe.rtus,  ^)  „Die  (irnudbesitzer  —  sagt  er  hinsiclitlich 
der  Wirtschaft  der  Völker  des  Altertums  —  welche  durch  ihre  Sklaven 
die  Eohproduktitinsarbeit^n  vornehmen  liessen,  bewirkten  auch  gleich 
selbst  durch  andere  Sklaven  an  den  Rohprodukten  die  F'abrikations- 
arbeiten,  ja  bei  denjenigen  Produkten,  die  überhaupt  von  ihnen  in  den 
Handel  gebracht  wurden,  auch  sogar  die  Transportationsarbeiten,  m  dass 
also  das  Nationalprodukt  im  Laufe  seines  ganzen  produktiven  Prozesses 
niemals  den  Besitzer  wechselte,"*)  Die  Grundlage  der  GiUerproduktion 
war  also  das  Haus»  der  otjfog.  Alle  Gebrauclisgüter  wurden  innerhalb 
des  Oikos  hergestellt.  Diese  innere  wirtschaftliche  Helbstgeniige  jedes 
einzelnen  Haushalts  nennt  Rodbertus  ,, Autarkie'*/*')  Die  antike  Wirt- 
schaft wird  somit  als  ,,Oikenwir tschaft''  bezeichnet 

Für  eine  selbständige  Handwerker-  und  Fabrikantenklasse  gab  es  in 
einer  so  organisierten  (tesellsehaft  keinen  Kaum.  t^Weil  jetzt  (im  Alt^r* 
tum)  Rohproduktion t  Fabrikation  und  Handel,  und  zwar  in  aUen  ihren 
verschiedenartigen  Zweigen,  in  jeder  einzelnen  Haushaltung  zusammen 
betrieben  wurden,  wurde  auch  die  ganze  Nationalproduktion  in  die  Haus- 
wirtschaften verlegt  und  es  dadurch  unmöglich  gemacht,  dass  sich  die 
einzelnen  Ärbeit^szweige  ausserlialb  des  Hauses  zu  besonderen  selbständigen 
Gewerben  und  Betrieben  in  älaUicher  Weise  wie  in  der  heutigen  Gliede- 
rung zusammenschliesseu  konnten."*)  Die  in  den  Quellen  vorkommenden 
artificen  waren  zum  grössten  Teil  Sklaven,  die  für  die  Rechnung  ihrer 
Herren  da«  eine  oder  das  andere  Gewerbe  trieben.*) 

Der  oben  geschilderte  Zustand,  den  Rodbertus  fi-eilich,  wie  er  selbst 
zugesteht,  „in  grösserer  Schärfe  skizziert  hat  als  ihn  die  Gescliichte  ver- 
wirklicht hat***)  —  dieser  Zustand,  sagt  (»r,  begann  sich  gegen  den  Ausgang 
der  römischen  Republik  xu  ändenh  Der  Kapitalbesitz,  bisher  mit  dem 
Grundbesitz  vereinigt,  sonderte  sich  allmählich  davon  ab.  „Banquier- 
geschäft,  Glosshandel  und  Kränierei  strebten  schon  damals,  sich  von  der 
einheitlichen  Ökonomie  abzulösen  und  selbständig  zu  werden.  * . .  Auch  die 
B^abrikation  begann,  wenn  auch  noch  nicht  selbständig  für  eigene  Rechnung 
zu  arbeiten,  doch  mehr  und  mehr  sich  lokal  von  der  Roh]  '  *  ion  zu 
scheideUj  indem  sie  sicli  von  der  Villa  in  die  Rintrmaueru  <  f  zog, 


1)  Zucrut  in  scirnTii  AutsiaUe:  Zur  Oeschtchtc  'H  Knlwu'kclung 
BotM  unier  dtn  Kaisern  ^  Jahrbücher  für  Nattonal  4ik^  B.  H»  ha- 
*onder*  S,  267,  dann  utiÄftihrlichcr  in  ihr  Abhiiiidliiiig:  Zur  (re9cMcht€  der  rimiicheH 
IVibuUieuem  aeit  Au^wfius^  B.  IV,  V,  u.  VI  11  denclben  Zeitschrift. 

2)  Jb,  f.  NiU,  u.  St,  IV  a  843. 

8}  Dt!r  Ausdruck  stammt  von  ArUtoiele«^  der  anerdingi  nur  von  der  avrtiQxtm 
der  n6lt^  s|meht     S.  Mfy^r,  tk,  O.  8.  3  A. 

4)  Jb.  f\  NaL  u.  St.,  K  V  S.  280. 

5)  B,  Vlli  S.  S89ff.,  wo  RodbortUB  leüie  kühnen  HtthnaptUBgen  mit  einlgcTti,  aU«*r 
dingB  wUlktlrUch  ftusgcrwählten  Quellenbi*logen  zu  t.'rhllrten  iueht, 

6)  11  IV  S,  345  A.G. 


4  n,  Chjummems, 

wo  sie  freilich  noch  immer  in  dem  Besitz  desselben  Possessor  betrieben 
ward,  der  zugleich  unter  dem  Kolonat  die  Landwirtschaft  vor  den  Toren 
der  Stadt  betrieb."  ^)  Diese  Entwickelung,  im  engsten  Verhältnis  zu  dem 
Aufkommen  des  Kolonats,  habe  ihren  Anfang  schon  im  ersten  Jahr- 
hundert der  Kaiserzeit  genommen.  Eodbertus  glaubt  ihre  Spuren  in  der 
Steuergesetzgebung  der  Kaiserzeit  verfolgen  zu  können.  Aber  obgleich 
somit  die  Fabrikation  im  Laufe  der  Kaiserzeit  sich  von  dem  Ackerbau 
sonderte,  blieb  sie  doch  in  den  Händen  der  Grundbesitzer.  Gener e  und 
loco  waren  die  agrikole  und  gewerbliche  Tätigkeit  schon  unterschieden 
—  possessione  und  iure  wurden  sie  es  erst  während  der  germanischen 
Städtezeit,  als  ein  freier  Handwerkerstand  hervortrat.  2)  Diese  Ent- 
wickelung umfasste  ungefähr  tausend  Jahre,  von  Augustus  bis  zu  den 
salischen  Kaisem. 

Rodbertus'  Auffassung  blieb  in  der  Folgezeit  unter  den  National- 
ökonomen die  vorherrschende.  So  spricht  auch  Ad.  Wagner^)  von  der 
„einheitlichen  Oekenwirtschaft"  der  antiken  Welt,  von  der  „agrarisch- 
industriellen Wirtschaftseinheit  des  Oikos"  und  von  ihrer  späteren  Auf- 
lösung mit  dem  Siege  des  freien  Verkehrs.  —  In  derselben  Weise,  ob- 
gleich mit  grösserer  Vorsicht,  drückt  sich  G.  v.  Schönberg  aus:*)  „Die 
isolierte  Produktion  erhält  sich  dort  (im  Altertum)  bei  den  Reichen  in 
einem  sehr  viel  grösseren  Umfange  als  hier  (in  der  Gegenwart).  Die  Haus- 
wirtschaft dieser  Klasse  beruht  im  Altertum  auf  dem  Besitz  von  Sklaven, 
und  die  Reichen  auf  dem  Lande  wie  in  den  Städten  hielten  sich,  auch 
nachdem  die  Völker  Gewerbe-  und  Handelsvölker  geworden,  wie  vorher 
in  grosser  Zahl  Gewerbs-  und  Handelssklaven,  die  ihnen  einen  grossen 
Teil  der  Gewerbe-  und  Handelsprodukte,  die  sie  in  ihrer  Wirtschaft  ge- 
brauchten, beschafften."  Wie  Wagner  beruft  sich  auch  v.  Schönberg  auf 
Rodbertus.  *) 

Dagegen  stellten  sich  die  Philologen  vom  Fach  ablehnend  zu  Rod- 
bertus' Ausführungen.  In  der  Tat  konnten  seine  generalisierenden  und 
übertriebenen  Behauptungen  einer  genauen  Quellenprüfung  nicht  Stand 
halten.  Dass  im  Altertum  kein  freier  Handwerkerstand  existiert  habe, 
dass  die  ganze  gewerbliche  Produktion  innerhalb  des  Oikos  vor  sich  ge- 


ll B.  V  S.  301. 

2)  B.  V  S.  306. 

3)  Grundlegung  der  polüischen  Ökonomie  3.  Aufl.  1892,  I,  1,  S.  357;  vgl.  440. 

4)  Handbuch  der  polüischen  Ökonomie,  4.  Aufl.  1896,  I,  1  S.  44  A.  71. 

5)  Die  Rodbertussche  Oikenwirtschaftstheorie  begegnet  auch  iu  kulturhistorischen 
Werken  der  jüngsten  Zeit.  So  sagt  z.  B.  G.  Grupp  in  seiner  Kulturgeschichte  dtr 
römischen  Kaiserzeit  (München  1903)  B.  I  S.  267 :  „Im  Altertum  herrschte  im  wesent- 
lichen das  System  der  Haus-  und  Naturalwirtschaft:  jedes  Haus  und  jeder  Hof  war 
möglichst  selbstgenügsam  und  erzeugte  selbst,  wessen  es  bedurfte,  gemäss  dem  Grund- 
satz, möglichst  wenig  zu  kaufen.  Da  konnte  der  Handel  und  das  Gewerbe  nie  ganz 
selbständig  werden  und  war  immer  verknüpft  mit  andern  Unternehmungen,  und  damit 
wurde  auch  das  Geld-  und  das  Kreditsystem  nicht  selbständig/' 


Der  römische  Outsbetrieh.  5 

gangen  sei,  kann  nur  der  behaupten,  der  die  Augen  absichtlich  gegen 
längst  bekannte  Tatsachen  verschliesst.  Wenn  Rodbertus  in  der  römischen 
Kaiserzeit  in  der  Organisation  der  gewerblichen  Produktion  eine  Ver- 
änderung wahrnehmen  zu  können  glaubt,  so  hat  er  sich  hierin  aller- 
dings nicht  getäuscht  —  nur  schlug  diese  Veränderung  gerade  die  ent- 
gegengesetzte Sichtung  von  der  ein,  die  Bodbertus  annahm. 

Es  musste  deshalb  nicht  wenig  befremden,  dass  ein  Forscher  von 
K.  Büchers  Rufe  die  Rodbertussche  Oikenwirtschaftstheorie  ohne  alle 
Einschränkung  wieder  aufzunehmen  schien.  Seine  Aussprüche  stehen  den- 
jenigen von  Rodbertus  an  kategorischer  Schroffheit  in  keiner  Weise  nach. 

„Aus  der  wirtschaftlichen  Autonomie  des  sklavenbesitzenden  Hauses 
—  sagt  Bücher^)  —  erklärt  sich  die  ganze  soziale  und  ein  guter  Teil 
der  politischen  Geschichte  des  alten  Rom.  Es  gibt  keine  produktiven  Be- 
rufsstände, keine  Landwirte,  keine  Handwerker.  ...  Es  gibt  kein  Unter- 
nehmungskapital,  das  Arbeit  um  Lohn  kaufte,  es  gibt  keine  Industrie 
ausserhalb  des  geschlossenen  Hauses.  Die  artifices  der  Quellenschriften 
sind  keine  freien  Gewerbetreibenden,  sondern  Handwerkssklaven,  welche 
aus  den  Händen  der  Acker-  und  Hirtensklaven  das  Eom,  die  Wolle,  das 
Holz  empfangen,  um  sie  zu  Brot,  zu  Kleidung,  zu  Geräten  zu  verarbeiten." 
Kein  Wunder,  wenn  diese  kühnen  Behauptungen  bei  Historikern  und 
Philologen  lebhaften  Widerspruch  hervorriefen. 

Aber  man  darf  doch  Büchers  Auffassung  nicht  nach  einzelnen  über- 
triebenen Ausdrücken,  die  offenbar  von  dem  Bestreben  veranlasst  sind, 
die  drei  Wirtschaftsstufen  möglichst  scharf  von  einander  zu  scheiden,  be- 
urteilen. Selber  betont  er,  dass  er  jede  Wirtschaftsstufe  „in  ihrer 
typischen  Reinheit"  zu  erfassen  strebt,  ohne  sich  „durch  das  zufällige 
Auftreten  von  Übergangsbildungen  oder  von  einzelnen  Erscheinungen  be- 
irren zu  lassen,  die  als  Nachbleibsei  früherer  oder  Vorläufer  späterer 
Zustände  in  eine  Periode  hineinragen  und  in  ihr  etwa  historisch  nach- 
gewiesen werden  können.  "^  Es  wird  sogar  zugestanden,  dass  sich  auch 
bereits  im  Altertum  Ansätze  der  Stadtwirtschaft  nachweisen  lassen."*) 
In  der  zweiten  Auflage  seines  Werkes  glaubt  er,  um  die  heftigen  gegen 
ihn  gerichteten  Angriffe  einigermassen  abzuwehren,  folgende  Anmerkung 
beifügen  zu  müssen:  „Für  nationalökonomisch  gebildete  Leser  brauche 
ich  wohl  kaum  zu  sagen,  dass  es  sich  im  folgenden  nicht  darum  handelt, 
einen  Abriss  der  antiken  Wirtschaftsgeschichte  zu  geben,  sondern,  wie 
der  Zusammenhang  ergibt,  lediglich  um  ein  Paradigma  der  höchst- 
entwickelten Hauswirtschaft,  wie  sie  sich  beim  Sklavenbetrieb  der  Alten 
findet."*)    In  dem  der  dritten  Auflage  beigefügten  Anhang  will  er  die  An- 


1)  Entst.  d.  Volksw.,  S.  117. 

2)  a.  O.  S.  108. 

3)  a.  0.  S.  135. 

4)  2.  Aufl.  S.  65. 


6  H,  Oummerus, 

griffe  seiner  Gegner  nur  auf  bewusste  oder  unbewusste  Missverständnisse 
zurückführen. 

Wie  sich  Bücher  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  bei  den  Römern 
im  einzelnen  vorstellt,  setzt  er  in  seiner  Abhandlung:  Die  Diokletianische 
Taxordnimg  vom  Jahre  301^)  auseinander.  In  der  Zeit  —  heisst  es  — 
wo  das  Edikt  erlassen  wurde,  bestand  „noch"  die  auf  dem  Grundbesitz 
beruhende  geschlossene  Hauswirtschaft.«)  Aber  neben  dem  „Hauswerk"  er- 
scheint als  gewerbliches  Betriebssystem  auch  das  „Lohnwerk",  und  zwar 
in  seinen  beiden  Ausgestaltungen:  als  „Stör"  (Arbeitsmiete,  locatio  con- 
ductio  operarum)  und  als  „Heimwerk"  (Werkverdingung,  locatio  conductio 
operis),^)  Ausser  der  „dauernden  Arbeitsvereinigung" ,  die  durch  die 
Haussklaven  ermöglicht  wird,  braucht  der  Oikos  noch  die  „temporäre", 
indem  für  einschlägige  Arbeiten  fremde  Arbeiter,  freie  oder  unfreie,  ge- 
mietet werden.  Das  Lohnwerk  erscheint  sogar  als  die  vorherrschende 
Form  des  römischen  Gewerbebetriebs.  Dies  findet  Bücher  durch  die  Tax- 
ordnung bestätigt.  Aber  in  einigen  Gewerben  sei  die  Entwickelung  noch 
weiter  gekommen.  Neben  dem  Lohnwerk  erscheint  in  der  Textilindustrie, 
in  der  Bäckerei,  in  der  Wagnerei  die  Produktion  für  den  Verkauf,  das 
„Handwerk"  im  eigentlichen  Sinne,  das  in  der  Lederindustrie  und  in 
einigen  kleineren  Gewerben  das  Lohnwerk  fast  vollständig  verdrängt  hat.*) 

Die  Methode,  nach  welcher  Bücher  in  seiner  Untersuchung  verfährt, 
ist  keine  sichere.  Das  zeigt  schon  das  Resultat,  dass  z.  B.  in  der  Metall- 
industrie das  Lohnwerk  vorgeherrscht  habe,  in  der  Lederindustrie  da- 
gegen die  Produktion  für  den  Verkauf.  Wenigstens  in  der  früheren  Zeit 
lagen  für  diese  beiden  Gewerbe  die  Dinge,  wie  wir  unten  (S.  40  ff.)  sehen 
werden,  gerade  umgekehrt.  Schon  aus  rein  praktischen  Gründen  musste 
in  der  Lederindustrie  das  Lohnwerk  länger  als  in  der  Metallindustrie 
sich  erhalten.  Das  Rohmaterial  für  die  Lederfabrikation,  die  Häute, 
konnte  jeder  Bauer  aus  eigenem  Gute  liefern.  Die  Metallwaren  dagegen 
waren  viel  bequemer  und  auch  billiger  vom  Handwerker  in  fertigem 
Zustande  zu  kaufen,  anstatt  das  Rohmaterial,  das  man  nicht  selbst  pro- 
duzieren konnte,  zuerst  zu  kaufen  und  dann  dem  Handwerker  zur  Ver- 
arbeitung zu  übergeben.*) 

Auch  andere  Einwände  könnten  gegen  Büchers  Beweisführung  er- 
hoben werden.  So  spricht  er  wiederholt  von  Zuständen,  welche  in  der 
Abfassungszeit  des  Edikts  „immer  noch"  bestanden  hätten.  Aber  die 
für  die  Untersuchung  sehr  wichtige  Frage,   „ob  in  der  späteren  Kaiser- 


1)  In  Zeitschrift  f,  d.  gesamte  StaatswissenscJuift,  B.  50  (1894)  S.  189—219,  672-698. 

2)  a.  0.  S.  199. 
8)  a.  0.  S.  676. 

4)  a.  0.  S.  694. 

5)  Das  gilt  vornehmlich  von  den  minderwertigen  Metallen,  Kupfer,  Eisen  u.  a. ;  die 
Edelmetalle  dagegen  wurden,  wie  aus  zahlreichen  Rechtsfällen  bei  den  Juristen  hervor- 
geht, vom  Besteller  selbst  geliefert  und  dem  Goldschmiede  zur  Verarbeitung  gegeben. 


Der  römische  Outsbetrieb.  7 

zeit  eine  Rückkehr  von  einer  mehr  geldwirtschaftlichen  Art  der  Be- 
dürfnisbefriedigung zur  vorwiegenden  Naturalwirtschaft  stattgefunden 
hat",  wird  einfach  „dahingestellt."^) 

Jedenfalls  ist  Büchers  Darstellung  in  dieser  mehr  historischen  Unter- 
suchung doch  von  dem  dogmatischen  Schematismus  seines  Hauptwerkes 
frei.  Unter  dem  Einfluss  der  Polemik  ist  gleicherweise  der  Ton  und  die 
Ausdrucksweise  auch  in  dem  von  Bücher  verfassten  Artikel  Gewerbe  in 
dem  Hmidwörterbuch  der  Staatsm^senschaften^)  vielfach  moderiert.  All- 
zu schroffe,  generelle  Behauptungen  sind  hier  vermieden  und  der  kultur- 
historischen Entwickelung  des  Altertums  Rechnung  getragen. 

Auch  Büchers  eigene  Anhänger  geben  zu,  „dass  seine  Typen  häufig 
den  Dienst  versagen,  dass  er  das  Bewusstsein  davon  manchmal  zu  ver- 
lieren scheint,  dass  verschiedene  Formen  zeitlich  neben  einander  bestehen 
konnten".'^)  H.  Francotte  hat  nachgewiesen,  dass  nicht  die  Hauswirt- 
schaft, sondern  die  Stadtwirtschaft  in  der  Blütezeit  der  Griechen  die 
vorherrschende  gewesen  ist.^)  Dass  die  römische  Kaiserzeit  mehrere  Kenn- 
zeichen der  ausgebildeten  Volkswirtschaft  aufzuweisen  hat,  kann  trotz 
der  Widersprüche  von  Bücher*)  kaum  geleugnet  werden. 

Die  Behauptung,  dass  die  antike  Wirtschaft  über  die  Stufe  der  ge- 
schlossenen Hauswirtschaft  wesentlich  nicht  hinausgekommen  sei,  dürfte 
wohl  jetzt  allgemein  auch  von  Bücherscher  Seite  aufgegeben  sein.  Nur 
darauf  wird  immer  noch  bestanden,  dass  da,  wo  im  Altertum  die 
Sklavenwirtschaft  vorherrschte,  Produktion  und  Konsumtion  im 
Rahmen  der  geschlossenen  Hauswirtschaft  vor  sich  gingen.^') 

Die  Frage  nach  der  Bedeutung  und  Ausbreitung  der  geschlossenen 
Hauswirtschaft  im  klassischen  Altertum  steht  also  —  um  auf  den  Ge- 
dankengang der  Verfechter  der  Rodbertusschen  Oikenwirtschaftstheorie 
einzugehen  —  im  engsten  Zusammenhange  mit  der  Frage  nach  der  Be- 
deutung und  Ausbreitung  der  Sklaverei.  Nun  steht  es  fest,  dass  die 
Sklaverei  im  ganzen  Orient  niemals  eine  grössere  Bedeutung  gewonnen 
hat.^)    In  Griechenland  und  dann  in  den  hellenistischen  Staaten  war  die 


1)  a.  0.  S.  198. 

2)  2.  Aufl.  Band  IV,  (1900). 

3)  L.  M.  Hartmann  in  der  Zeitschrift  für  Sozial-  und  WirtschaftsgeschicIUc,  IV 
(1896)  S.  158. 

4)  II.  Francotte:  Vindustrie  dans  la  Grhce  ancienne  I,  289. 

5)  Entst,  d.  Volksw.,  3.  Aufl.  Anhang  S.  449. 

6)  Vgl.  den  oben  S.  5  zitierten  Ausspruch  von  Bücher  in  der  zweiten  Auflage 
seines  Werkes.  Dem  entsprechend  sagt  W.  Lexis  in  Handwörterbuch  der  Staatswissen- 
Schäften^  2.  Aufl.,  Art.  Naturalwirtscluift ,  B.  V  S.  964:  „Auch  die  antike  Sklaven- 
wirtschaft der  späteren  Zeit  hatte  noch  den  Charakter  der  von  Rodbertus  sogenannten 
„Oiken Wirtschaft'*  und  behält  noch  eine  starke  Beimischung  des  naturalwirtschaftlichcn 
Elements,  wenn  die  mit  gewerblichen  Arbeiten  für  den  Markt  beschäftigten  Sklaven 
aus  den  Erträgen  der  Landwirtschaft  des  Besitzers  unterhalten  werden." 

7)  Ed.  Meyer,  Die  Sklaverei  im  Altertum y  Dresden  1898,  S.  26.  In  Ägypten, 
auch  in  der  römischen  Zeit,  herrschte  die  freie  Arbeit  vor,  U.  Wilcken,  Ostraka^  I,  703. 


8  H,  Gummerus, 

Zahl  der  Sklaven  zwar  bei  weitem  grösser,  aber  auch  hier  vermochte  die 
unfreie  Arbeit  nie  die  freie  Arbeit  in  erheblicherem  Masse  zu  verdrängen, 
weder  auf  dem  Gebiete  der  landwirtschaftlichen  noch  der  gewerblichen 
Produktion.  Erst  bei  den  Römern  finden  wir  den  Sklavenbetrieb  als  die 
vorherrschende  Produktionsform.  In  Italien  haben  nach  dem  hanni- 
balischen  Kriege  aus  bekannten  Ursachen  die  Bauernhöfe  grossenteils  vor 
dem  gewaltig  anschwellenden,  mit  Sklaven  bewirtschafteten  Grossgrund- 
besitz weichen  müssen.  Die  Sklavenwirtschaft  konnte  um  so  rascher 
emporkommen,  weil  die  nur  schwach  entwickelte  Industrie,  welche  in  den 
italischen  Städten  niemals  zu  derselben  Bedeutung  wie  im  Orient  und  in 
den  griechischen  Städten  gelangt  ist,  der  freien  Arbeit  nur  geringe  Stütze 
gewährte.  Mit  Recit  bezeichnet  Ed.  Meyer  das  erste  Jahrhundert 
V.  Chr.  als  den  Höhepunkt  der  antiken  Sklaverei.  „Damals  sind  die  Zu- 
stände zu  voller  Entwickelung  gelangt,  welche  die  populäre  Auffassung 
als  typisch  für  das  gesamte  Altertum  betrachtet.  Da  treten  neben  die 
agrikole  Sklaverei  die  gewaltigen  Sklavenscharen  des  Hauses,  die  teils 
zu  persönlicher  Bedienung  verwendet,  teils  mit  raffinierter  Arbeitsteilung 
für  alle  möglichen  Aufgaben  der  Hausindustrie  verwertet  werden.  Da- 
mals konnten  die  Haushalte  von  ungeheueren  Dimensionen  entstellen,  die 
so  ziemlich  ihren  ganzen  Bedarf  an  Lebensmitteln  wie  an  Fabrikaten 
selbst  beschafften".') 

Es  ist  klar,  dass  solche  Zustände  für  die  Entwickelung  oder,  richtiger 
gesagt,  das  Wiederaufleben  und  die  weitere  Ausbildung  der  geschlossenen 
Hauswirtschaft  der  primitiven  Zeit  den  denkbar  günstigsten  Boden  bilden 
mussten.  In  diesen  Zuständen  fand  auch  Rodbertus  und  nach  ihm  Bücher 
für  seine  Theorie  die  beste  Stütze.  Die  allbekannten  Geschichten  von  den 
riesigen  Sklavenherden  der  römischen  Magnaten,  die  Tatsache,  dass  sich 
unter  ihren  Hausleuten  auch  Handwerker  von  verschiedenen  Berufen  be- 
fanden,-) Aussprüche  wie  der  oft  zitierte  bei  Petronius  über  den  reichen 
Emporkömmling  Trimalchio:  7iec  est  quod  putes  illmn  quicqttam  entere, 
omnia  domi  nascuntur^)  —  alles  schien  darauf  zu  deuten,  dass  in  dieser 
Zeit  die  „Autarkie  des  Oikos"  zu  ihrer  höchsten  Ausbildung  ge- 
kommen war.*) 

Am  reinsten  musste  die  Oikenwirtschaft  natürlich  auf  dem  Lande, 
auf  den  Villen  und  Plantagen  der  Grossgrundbesitzer  zum  Vorschein 
kommen.  Wir  stellen  uns  gern  ein  römisches  Herrengut  als  ein  kleines, 
in  sich  geschlossenes,   alle  seine  Bedürfnisse  durch  Eigenproduktion  be- 


1)  Die  Sklaverei  im  Altertum j  S.  46. 

2)  J.  Marquardt,  Das  Privatlehen  der  Bömer,  S.  156. 
8)  Petron.  Satir.  38. 

4)  „Jeder  grosse  Haushalt  —  sagt  0.  Seeck  io  seiner  GeschiclUe  des  Untergangs 
der  antiken  Welt,  2.  Aufl.  I,  333  —  besass  unter  den  Tausenden  von  Sklaven,  die  er  be- 
schäftigte auch  Weber,  Schneider,  Schuster  und  jede  andere  Art  von  Handwerkern, 
die  fUr  die  Bedürfnisse  der  Herrschaft  und  ihrer  Mitsklaven  arbeiten  mussten." 


Der  römische  GuLsbetrich,  9 

friedigendes  Gemeinwesen  vor.  Ein  Teil  der  familia  rufitica  besorgt  als 
Feldarbeiter  die  Urproduktion,  ein  anderer  Teil,  die  Handwerker,  ver- 
arbeitet die  erzeugten  Rohstoffe  zu  allerlei  Bedarfsartikeln.  „Auf  jedem 
grösseren  Landgut  —  so  schildert  die  Zustände  Bücher^)  —  ist  ein  Ver- 
walter und  ein  Unterverwalter  mit  einem  Stab  von  Aufsehern  und  Werk- 
meistern, welche  über  eine  ansehnliche  Schar  von  Feld-  und  Weinbergs- 
arbeitern, Hirten  und  Viehwärtem,  Küchen-  und  Hausgesinde,  Spinnerinnen, 
Webern  und  Weberinnen,  Walkern,  Schneidern,  Zimmerleuten,  Schreinern, 
Schmieden,  Arbeitern  zum  Betrieb  der  landwirtschaftlichen  Nebengewerbe 
gebieten".  Der  Grundeigentümer,  sagt  Bücher,  ist  der  Produzent  schlecht- 
hin, 2)  weil  er  alle  Konsumtionsartikel  durch  eigene  Hausleute  beschaffen 
lässt.  Die  Autarkie  des  Oikos  besteht  somit,  trotz  der  hochentwickelten 
Kultur,  der  verfeinerten  Lebensbedürfnisse  der  Zeit,  mit  Hilfe  der  Sklaven- 
arbeit, die  innerhalb  des  Haushaltes  eine  fast  unbegrenzte  Arbeitsteilung 
ermöglicht,  unversehrt  fort.  — 

Viele  Züge  in  diesem  Gemälde  finden  in  der  Tat  in  den  Quellen  ihre 
Bestätigung.  Nun  fragt  es  sich  aber:  dürfen  wir  diese  Zustände  als 
etwas  für  das  römische  Wirtschaftsleben  Typisches  betrachten?  Denn 
auf  das  Typische  kommt  es  in  der  Wirtschaftsgeschichte  doch  haupt- 
sächlich aus.  Die  wirtschaftliche  Entwickelung  eines  Volkes  darf  nicht 
nach  den  Lebensgewohnheitep  einiger  weniger  reichen  Magnatenfamüien 
beurteilt  werden.  Zweitens  gilt  es  zu  untersuchen,  inwiefern  man  in 
diesen  Verhältnissen  eine  geschichtliche  Entwickelung  beobachten  kann. 
Gelingt  es  diese  Entwickelung  klarzulegen,  so  gewinnen  wir  für  die  Be- 
urteilung der  antiken  Wirtschaft  überhaupt  einen  nicht  zu  unterschätzen- 
den Masstab.  Denn,  wie  gesagt,  in  den  landwirtschaftlichen  Sklaven- 
betrieben bei  den  Römern  hatte  die  geschlossene  Hauswirtschaft  einen 
günstigeren  Nährboden  als  sonst  irgendwo  im  Altertum.  Die  Ausbreitung 
und  der  Grad  der  Vollkommenheit,  welchen  dieses  System  der  Güter- 
versorgung hier  erreichte,  muss  also  als  das  Maximum,  über  das  man 
im  Altertum  nicht  hinausgekommen  ist,  betrachtet  werden. 

Der  erste,  der  es  unternommen  hat,  die  immer  fortschreitende  wirt- 
schaftliche Isolierung  des  römischen  Gutsbetriebes  darzustellen,  ist 
Max  Weber  in  seiner  Bönmchen  Agrargeschichte,^)    Nach  einer  kurzen, 


1)  Entst.  d.  Volksw.,  S.  118. 

2)  Handw.  d,  Staatsw.,  IV  S.  365. 

3)  Max  Weber,  Die  römische  Agrargeschichte  in  ihrer  Bedeutung  fikr  das  Staats- 
und  Frivatrecht.  Stuttgart  1891.  Besonders  Kap.  IV :  Die  rönUsehe  Landwirtsehaft  und 
die  Grundherrschaften  der  Kaiserseit,  S.  220—278.  —  Eine  kune  ZnuBmineiifiMiiing 
seiner  Ansichten  gibt  er  in  dem  Artikel  Agrargeschichte  im  ersten  Bftnde  dm  Hmi 
Wörterbuchs  der  Staatswissenschaften,  2.  Aufl.  Das  Leben  auf  einer  gronea.  fSadi 
ViUa  schildert  Weber  anschaulich  in  dem  Vortrage:  Die  mmMm  Gf 

gangs  der  antiken  Kultur^  pnblisiert  in  der  ZeitechrUI  Die  If 
S.  57—77. 


10  H,  Oummerus, 

aber  sehr  instruktiven  Daxstellung  der  römischen  Landwirtschaft,  wie 
sie  bei  den  Agrarschriftstellem  geschildert  ist,  wird  das  Verhältnis 
zwischen  Gross-  und  Kleinwirtschaft  erörtert.  Klar  und  bündig  werden 
die  Ursachen,  welche  den  Grossgrundbesitzer  veranlassten,  grössere 
oder  kleinere  Teile  des  Gutes  parzellenweise  zu  verpachten,  dargestellt. 
Die  prekäre  Stellung  der  Kleinpächter,  eoloni,  wird  treflfend  charak- 
terisiert. 

Mit  dem  Abschnitte :  Die  ländlichen  Arbeiter  (S.  236  ff.)  kommt  Weber 
auf  die  Frage  zu  sprechen,  die  uns  hier  zunächst  interessiert:  die  Be- 
wirtschaftung des  unter  der  eigenen  Regie  des  Gutsherrn  befindlichen 
Areals.  Sehr  richtig  wird  auf  Grund  der  Aussprüche  bei  Cato,  Varro 
und  Coluraella  nachgewiesen,  dass  der  Besitzer  sein  Gut  nicht  ausschliess- 
lich mit  Sklaven  bewirtschaften  konnte.  Besonders  in  der  Erntezeit 
konnte  man  freie  Arbeiter  nicht  entbehren.  Teils  vergab  man  die  ganze 
Ernte  —  vornehmlich  die  Wein-  und  Ölernte  —  an  Unternehmer,  re- 
demptores,  teils  mietete  der  Grundherr  auf  eigene  Rechnung  die  erforder- 
lichen Tagelöhner,  operarii.  Dennoch  war  man  gezwungen  eine  grössere 
Zahl  von  Sklaven  zu  halten,  als  man  zu  jeder  Jahreszeit  mit  den  laufen- 
den landwirtschaftlichen  Arbeiten  beschäftigen  konnte.  Dieser  Umstand, 
sagt  Weber  (S.  240),  steigerte  die  Tendenz,  „tunlichst  alle  Bedürfnisse 
im  eigenen  Betriebe  herzustellen  und  die  Produkte  marktfertig  selbst  her- 
zustellen, da  auf  diese  Weise  die  sonst  überschüssigen  Arbeitskräfte  in 
den  übrigen  Monaten  verwertet  werden  konnten".  In  dem  auf  jedem 
grösseren  Gute  befindlichen  ergastulum  sieht  Weber  eine  Werkstatt,  wo 
verschiedene  Handwerksarbeiten  von  den  gefesselten  Sklaven  verrichtet 
wurden.  Daneben  begann  man  immer  allgemeiner  auf  den  Gütern  eigene 
Handwerkssklaven  zu  halten.  Ganz  kurz  —  und  nicht  ohne  Irrtümer  — 
wird  angedeutet,  wie  man  diese  fortschreitende  Entwickelung  bei  den 
Agrarschriftstellem  beobachten  kann. 

„Allein  —  fährt  Weber  fort  (S.  243)  —  dem  eigentlichen  Bedürfnis 
nach  Erntearbeitern  war  doch  auch  dadurch  nicht  abgeholfen.  Denn 
diese  gewissermassen  industrielle  Entwickelung  forderte,  sollte  sie  nicht 
mit  Verlusten  verknüpft  sein,  handwerksmässig  ausgebildete  Sklaven,  wie 
wir  sie  in  der  Kaiserzeit  auch  finden,  dagegen  war  jenes  rein  landwirt- 
schaftliche Bedürfnis  auf  billige  ländliche  Arbeitskräfte  gerichtet".  Im 
Anfang  der  Kaiserzeit,  wo  der  bisherige  ständige  Zufluss  von  Kauf- 
sklaven infolge  der  allgemeinen  Pazifizierung  stockte,  wurde  der  Arbeiter- 
mangel besonders  akut.  Diese  Krisis  hatte,  meint  Weber  (S.  244),  die 
Folge,  dass  die  Kleinpächter,  die  Kolonen,  zur  Ergänzung  der  fehlenden 
Arbeitskräfte  bei  der  Enite  mit  Hand-  und  Spanndiensten  herangezogen 
wurden.  Die  bekannte  Columellastelle:*)  avarius  opus  ex'igat  (sc.  domi- 
nus a  colonls)  quam  pensiones  und  die  Tatsache,  dass  in   Afrika  die 

1)  Colum.  I,  7,  1. 


Der  römische  Ouisbetrieh,  11 

Kolonen  zu  einer  gewissen  Zahl  von  Hand-  und  Spanndiensten,  operae 
et  iuga,  verpflichtet  waren,  werden  für  diese  Vermutung  als  Stützen  an- 
geführt. So  wurde  in  der  „Organisation  in  Gutswirtschaften  mit  frohn- 
denden  Kolonen"  eine  „angemessene  Lösung  der  ländlichen  Arbeiterfrage" 
gefunden  (S.  247).  —  Die  rechtliche  Stellung  der  Kolonen  der  Kaiserzeit 
wird  dann  eingehend  besprochen. 

Am  Schluss  der  Darstellung  (S.  272  ff.)  schildert  Weber  die  weiteren 
Schicksale  des  ländlichen  Arbeiterstandes.  Die  Arbeitsteilung  auf  dem 
Gutshofe  schreitet  fort.  Die  Sklaven  werden  bei  Columella  nach  den 
officia,  den  Arten  der  Arbeitsleistungen  gegliedert.  „Noch  schärfer 
musste  die  Scheidung  werden,  als  man  auf  den  grösseren  Gütern  eigne 
Handwerker  zu  organisieren  begann."  Die  ländlichen  Arbeiterabteilungen, 
officia,  wurden  von  den  Handwerkerabteilungen,  artifida,  scharf  ge- 
schieden. Die  gutsherrlichen  Werkstätten  begannen  für  den  Markt  zu 
produzieren.  „Die  Autarkie  der  Grundherrschaften"  wurde  das  Resultat 
dieser  Entwickelung. 

Webers  bleibendes  Verdienst  ist,  dass  er  zuerst  die  landwirtschaft- 
lichen Schriftsteller  ftir  die  römische  Sozial-  und  Wirtschaftsgeschichte 
in  ausgiebigerer  Weise  herangezogen  hat,  zweitens,  dass  er  in  seiner  Dar- 
stellung die  historische  Entwickelung  stets  im  Auge  behält.  —  Das 
letztere  gilt  auch  in  gewissem  Masse  von  den  betreffenden  Abschnitten 
in  M.  Voigts  Römischen  Privataltertümeni})  Doch  verfährt  Voigt  in 
der  Benutzung  der  reichlich  herangezogenen  Quellenzitate  allzu  schema- 
tisch, ohne  die  Beweiskraft  der  einzelnen  Stellen  in  hinreichender  Weise 
zu  prüfen.  —  In  Marquardts  Handbuch'^)  findet  man  ebenfalls  eine  Menge 
wertvoller  Notizen  gesammelt,  die  jedoch  ohne  wahres  historisches  Ver- 
ständnis zusammengetragen  sind. 

An  einer  Spezialuntersuchung  über  die  oben  angedeutete  Frage  fehlt 
es  bis  jetzt.  In  den  älteren  und  neueren  Darstellungen  der  antiken  Land- 
wirtschaft ist  der  wirtschaftsgeschichtliche  Gesichtspunkt  nur  wenig  be- 
achtet. Die  rechtliche  und  politische  Entwickelung  der  römischen  Grund- 
herrschaften ist  durch  eine  ganze  Reihe  tüchtiger  sowohl  juristischer 
als  histoiischer  Arbeiten  auf  Grund  der  neuesten  Inschriftenfunde  be- 
leuchtet worden, 5)  aber  da  diese  Arbeiten  die  wirtschaftliche  Entwicke- 
lung nur  nebensächlich  berühren,  können  sie  über  unseren  Gegenstand 
keine  genügende  Belehrung  geben.  Der  allgemeine  Gang  der  Ent- 
wickelung: die  allmähliche  Abschliessung  des  römischen  Gutsbetriebes 
nach  aussen  und  seine  immer  deutlicher  hervortretende  innere  wirtschaft- 


1)  MuUers  Handbuch  lY,  2,  2.  Aufl.  1893. 

2)  J.  Marquardt,  Dca  Privatleben  der  Bömer,  2.  Aufl.  von  A.  Mau,  1886. 

3)  Als  zwei  von  den  wichtigsten  sind  lu  nennen  die  bekannten  Arbeiten  von 
A.  Schulten,  Die  römischen  Grundherrschaften,  Weimar  1896,  und  E.  Beaudouin,  Lee 
grands  domaines  dans  Pempire  ramain  dapria  des  travaux  rieentSf  Paris  1899. 


12  H,  Gummerus, 

liehe  Selbstgenüge  steht  zwar  in  seinen  grossen  Umrissen  fest.  Aber  wie 
sich  diese  Entwickelung  im  einzelnen  vollzogen  hat,  namentlich  wie 
sich  der  Gutsbetrieb  von  der  städtischen  Industrie  und  der  Waren- 
zirkulation allmählich  losgelöst  hat,  darüber  sind  wir  noch  sehr  im 
Unklaren. 

Eine  Untersuchung  über  diese  Fragen  hat  zweierlei  zu  beobachteiL 

ens  gilt  es  darzulegen,  inwieweit  in  den  römischen  Gutsbetrieben  die 
neu  Arbeitskräfte  für  die  landwirtschaftliche  Urproduktion  ausreichten, 
und,  wo  dies  nicht  der  Fall  war,  in  welchem  Umfange  auswärtige  Ar- 
beiter herangezogen  wurden.  Zweitens  fragt  es  sich,  ob  die  für  den  Guts- 
betrieb erforderlichen  Konsumtionsgüter,  namentlich  diejenigen,  die  durch 
Stoffumwandlung  und  Stoffveredelung  herzustellen  waren,  durch  die  eigenen 
Sklaven  des  Gutsherrn  allein,  oder  daneben  auch  durch  fremde  Arbeits- 
kräfte produziert  wurden.  Und  zwar  gilt  es  klarzulegen,  ob  das  letztere 
in  der  Form  des  Lohnwerks  geschah,  indem  der  Gutsherr  die  betreffenden 
Gebrauchsgüter  aus  eigenem,  selbstproduziertem  oder  gekauftem  Rohstoff 
durch  fremde  Handwerker  verfertigen  liess,  oder  ob  er  fertige  Waren 
von  den  Handwerkern,  Fabrikanten  oder  Händleni  kaufte.  Es  wird  sich 
somit  zeigen,  ob  der  römische  Grundeigentümer  wirklich,  wie  Bücher 
meint,  „der  Produzent  schlechthin"  war.  Der  römische  Grossbetrieb  ruhte 
von  Anfang  an  auf  der  Sklavenarbeit.  Bestätigt  sich  die  Auffassung  der 
Bücherschen  Schule,  welche  die  Sklavenarbeit  als  ein  Mittel  zur  Auf- 
rechterhaltung der  auf  früheren  Kulturstufen  waltenden  geschlossenen 
Hauswirtschaft  betrachtet? 

Als  Hauptquellen  für  die  Beantwortung  dieser  Fragen  bieten  sich 
in  erster  Linie  die  lateinischen  Agrarschriftsteller,  dann  auch  die  Juristen 
und  die  Inschriften  dar.  Vereinzelte  Notizen  finden  sich  natürlich  über 
das  ganze  Gebiet  der  römischen  Literatur  zerstreut. 

Zu  einer  derartigen  Untersuchung  will  vorliegende  Abhandlung  eine 
Vorarbeit  sein.  Es  schien  dem  Verfasser  zweckmässig,  die  Agrarschrift- 
steller einer  eingehenden  Spezialanalyse  zu  unterwerfen,  bevor  auf  die 
Frage  in  ihrem  ganzen  Umfange  eingegangen  wird.  Der  Umstand,  dass 
diese  Schriftsteller  von  dem  einheitlichen,  durch  keine  fremden  Rück- 
sichten getrübten  Gesichtspunkte  des  Fachmannes  aus  die  Dinge  be- 
trachten, gibt  ihren  Angaben  eine  erhöhte  Zuverlässigkeit.  Man  könnte 
dagegen  einwenden,  dass  die  scriptores  rei  ruMicae  sich  nur  teilweise  auf 
persönliche,  praktische  Erfahrung  stützen,  dass  sie  öfters  ihre  Vorgänger 
ziemlich  unkritisch  ausschreiben,  und  dass  ihre  Arbeiten  deshalb  als 
historische  Quellen  nur  mit  Vorsicht  benutzt  werden  dürfen.  Allein  diese 
Unselbständigkeit  macht  sich  hauptsächlich  nur  in  technischen  Detail- 
fragen bemerkbar.  Mag  der  einzelne  Schriftsteller  in  solchen  Fragen  von 
seinen  Vorgängern  noch  so  abhängig  sein  —  wo  er  in  seiner  Darstellung 
die  allgemeinen  ökonomischen  Voraussetzungen  der  Landwirtschaft  be- 
rührt, da  muss  er  unter  dem  Einfluss  von  dem  stehen,  was  er  selbst  mit 


Der  römische  Gutsbetrieb.  13 

eigenen  Augen  gesehen  hat,  von  den  Verhältnissen,  unter  welchen  er  lebt. 
Es  wird  die  Aufgabe  unserer  Untersuchung  sein,  das  Bild,  welches  jeder 
Verfasser  sich  von  der  Wirtschaftsorganisation  eines  römischen  Guts- 
betriebes macht  und  welches  er  bei  der  Abfassung  seiner  Arbeit  bewusst 
oder  unbewusst  vor  Augen  hat,  zu  rekonstruieren. 

Daraus  ergiebt  sich  auch  die  Methode  der  Untersuchung.  Jeder 
einzelne  von  den  Agrarschriftstellem  muss  für  sich  behandelt  werden. 
Zuerst  haben  wir  den  allgemeinen  Charakter  seines  Werkes,  den 
Grad  seiner  Glaubwürdigkeit,  seine  Quellen  und  die  Art  und  Weise, 
wie  er  sie  benutzt  hat,  festzustellen,  um  für  die  Beurteilung  der 
von  ihm  mitgeteilten  Tatsachen  den  richtigen  Masstab  zu  finden.  Der 
Masstab  wird  für  jeden  einzelnen  Verfasser  ein  verschiedener  sein. 
Aus  diesen  Tatsachen  haben  wir  dann  das  gesuchte  Bild  zusammen- 
zustellen. 

Die  Einteilung  der  Untersuchung  nach  den  einzelnen  behandelten 
Autoren  könnte  weniger  zweckmässig  scheinen,  da  sie  in  der  Darstellung 
Wiederholungen  notwendig  macht.  Dieser  Nachteil  wird  jedoch  reichlich 
dadurch  aufgewogen,  dass  wir  den  historischen  Entwickelungsgang  besser 
beobachten  können.  Bei  jedem  Schriftsteller  gewinnen  wir  sozusagen 
einen  Querschnitt  der  Entwickelung. 

Der  erste  unter  den  römischen  Agrarschriftstellem  ist  bekanntlich 
der  alte  M.  Porcius  Cato,  der  sein  Buch  de  agri  cultura  —  zugleich  die 
älteste  uns  erhaltene  lateinische  Prosaschrift  —  gegen  die  Mitte  des 
zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  verfasst  hat.  Dieses  Werk  gewährt  uns 
einen  Einblick  in  die  Wirtschaftsorganisation  eines  römischen  Landgutes 
mittlerer  Grösse  gerade  in  der  Zeit,  wo  der  Gross-  und  Sklavenbetrieb 
in  Italien  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen  hat.  In  M.  Terentius 
Varros  rerum  rusticarum  lihri  tres  spiegeln  sich  die  Zustände  der  aus- 
gehenden Republik,  in  L.  Junius  Moderatus  Columellas  rei  rusticae  Ixbri 
diwdecim  diejenigen  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  ab.  Auf 
diese  drei  Schriftsteller  wird  sich  unsere  Untersuchung  beschränken. 
Der  letzte  in  der  Reihe  der  scriptores  rei  rusticae,  Palladius,  eignet  sich 
für  sie  weniger,  teils  weil  dieser  Verfasser  in  hohem  Masse  unselbständig 
ist  und  seine  Vorgänger  sklavisch  kompiliert,  teils  und  hauptsächlich, 
weil  er  in  einer  Zeit  schrieb  —  im  vierten  Jahrhundert  n.  Chr.  —  wo 
sich  die  Verhältnisse  der  späteren  Republik  und  der  früheren  Kaiserzeit, 
wie  sie  bei  Varro  und  Columella  zum  Vorschein  kommen,  gänzlich  ver- 
schoben hatten.  Um  Palladius'  Werk  richtig  aufzufassen,  müsste  man 
die  eigentümliche  Entwickelung,  die  die  Agrarzustände  in  dem  Zeiträume 
von  300  Jahren,  welcher  diesen  Schriftsteller  von  Columella  scheidet,  erst 
klarlegen,  eine  Aufgabe,  die  ausserhalb  des  Rahmens  vorliegender  Ab- 
handlung liegt. 

Eine  sichere  Unterlage  für  unsere  Untersuchung,  soweit  sie  Catos 
und  Varros  Arbeiten  berührt,  bietet  H.  Keils  grosse  kritische  Ausgabe 


14  H.  Gummer  US. 

mit  Kommentar  und  Indices.  Einen  weiteren  Fortschritt  bezeichnet  die 
kleine  Teubnersche  Textausgabe,  wo  Keils  im  Kommentar  vorgeschlagenen 
Emendationen  in  grösserem  Umfange  als  in  der  grossen  Ausgabe  beachtet 
worden  sind.  Was  Columella  betrifft,  so  müssen  wir  uns  leider  immer 
noch  mit  der  alten  Schneider'schen  Ausgabe  begnügen,  da  von  der 
neuen  lange  erwarteten  kritischen  Edition  von  W.  Lundström  bis 
jetzt  nur  wenige  vereinzelte  Bücher  erschienen  sind. 


Kap.  I. 

Der  römische  Gutsbetrieb  nach  Cato. 

Catos  Schrift  de  agri  cultura^)  ist  nicht  ein  systematisches  Lehr- 
buch der  Landwirtschaft,  sondern  eine  ziemlich  ungeordnete  Sammlung 
von  Vorschriften  über  verschiedene  mit  der  Landwirtschaft  in  Verbindung 
stehende  Gegenstände.  Da  ausserdem  die  Sprache  des  uns  erhaltenen 
Textes  viele  Ungleichmässigkeiten  aufzuweisen  hat,  stellte  schon  Gesner 
die  Hypothese  auf,  dass  die  Schrift,  die  wir  besitzen,  nicht  direkt  von 
Cato  herrühre,  sondern  eine  spätere  Umarbeitung  des  ursprünglichen 
Originals  sei.  Diese  Hypothese  ist  von  den  meisten  späteren  Heraus- 
gebern und  Interpreten  angenommen  worden  und  hat  durch  H.  Keil*)  ihre 
wissenschaftliche  Begründung  erhalten.  P.  Weise')  hat  sogar  den  Ver- 
such gemacht,  die  späteren  Zusätze  aus  unserem  Text  auszusondern  und 
die  alte  Reihenfolge  der  Kapital  wiederherzustellen.  Seine  kühnen,  oft 
scharfsinnigen  Kombinationen  ruhen  jedoch  auf  zu  lockerem  Grunde,  um 
zu  sicheren  Resultaten  führen  zu  können.  Max  Ihm,  der  dies  dargetan 
hat,*)  spricht  für  seinen  Teil  die  Vermutung  aus,  dass  Catos  Schrift  in 
ihrer  jetzigen  Gestalt  aus  ungleichartigen,  vielfach  modifizierten  Exzerpten, 
Fragmenten  und  Zitaten  von  einem  unbekannten  Kompilator  zusammen- 
gestellt worden  ist. 

Indessen  hatte  schon  R.  Klotz ^)  darzulegen  versucht,  dass  nichts 
im  Wege  steht,  unseren  Text  als  Original  anzusehen,  und  seine  Ansicht 
gewinnt  in  neuerer  Zeit  wieder  Anhänger.*)    Die  lockere  Anordnung  des 

1)  Der  früher  allgemein  angenommene  Titel  de  re  rustica  wird  jetzt  wieder  toh- 
Haoler  verteidigt. 

2)  H   Keil,  Observationes  critieae  in  CaUmem  et  Varranem,  Halia  1849,  S.  65£ 

3)  P.  Weiae,  Quaestümum  CaUmiarum  capüa  V.  Gottingae  1886,  S.  171.      

4)  In  seiner  Besprechung  von  Weises  Dissertation  im  Philoh  Afueiger  XVII 
(1887)  S.585. 

5)  R.  Klotz,  Über  Ckitos  Schrift  de  re  mstica  in  Neue  Jahrbücher  f(kr  Philologie 
und  Pädagogik,  X.  Supplementband  (1844)  8.  5—78. 

6)  L.  Dietze:  De  sermone  CatonianOf  Anklam  1870,  8.4;  O.  Sehoendoerffer:  De 
genuina  Catonie  de  agri  euUura  Ubri  forma,  Königsberg  1BB&\  besonders  aber  £.  Haoler: 
Zu  Caios  Schrift  ikber  daa  Landweim^  Wien  189«. 


16  H,  OummeruSy 

Materials  und  die  vielen  Wiederholungen  werden,  sagt  man,  verständlich, 
wenn  wir  die  Schrift  als  ein  „Wirtschafts-  und  Notizbuch"  betrachten, 
„das,  vielleicht  ursprünglich  gar  nicht  zur  Herausgabe  bestimmt,  jeden- 
falls aber  vom  Verfasser  allmählich  zusammengetragen  und  in  der  letzten 
Form  nicht  mehr  durchgesehen,  unter  die  Leute  kam."^)  Die  Ab- 
weichungen unserer  Überlieferung  von  der  ursprünglichen  Sprachform, 
auf  welche  namentlich  Weise  baut,  lassen  sich  leicht  durch  häufiges 
Abschreiben  und  die  Angleichung  an  die  lebende  Sprache  erklären  (Hauler). 
Die  Zitate  bei  späteren  Schriftstellern  stimmen  in  den  meisten  Fällen 
mit  dem  jetzigen  Texte  des  Schriftchens  überein.  Wörtliche  Ab- 
weichungen erklären  sich  durch  die  ungenaue  Zitierweise  der  Alten.  Die 
wenig  zahlreichen  Zitate  landwirtschaftlichen  Inhalts,  welche  wir  im 
liher  de  agri  cultura  nicht  wiederfinden,  können  aus  anderen  uns  nicht 
erhaltenen  catonischen  Werken  entlehnt  sein.  Dass  das  Buch  in  seiner 
gegenwärtigen  ungeordneten  Gestalt  schon  den  Alten  vorlag,  zeigen 
ausserdem  direkte  Aussagen  von  Plinius  und  Plutarch.-) 

Die  Notizbuch-Hypothese  hat  gegenüber  der  Exzerpten-Hypothese  den 
Vorzug,  dass  sie  die  überaus  lose  Anordnung  des  Stoffes,  besonders  in  der 
zweiten  Hälfte  des  Buches,  in  genügender  Weise  erklärt.  Offenbar  hat 
Cato  während  seines  langen  Lebens  Aufzeichnungen  gemacht,  welche  er, 
wenn  er  einmal  zur  Abfassung  des  Buches  schritt,  als  Material  benutzen 
wollte.  Aber  ehe  er  dieses  Material  gesichtet  und  geordnet  hatte,  ereilte 
ihn  der  Tod.  Nur  den  Anfang  des  Werkes  hatte  er  einigermassen  aus- 
gearbeitet. Aus  seinem  Nachlass  ist  dann  das  unvollendete  Werk  ver- 
öffentlicht worden,  mit  grosser  Pietät,  aber  mit  wenig  literarischem  Ge- 
schick.   Steckte  doch  die  römische  Prosaliteratur  noch  in  ihren  Anfängen. 

Nimmt  man  dagegen  an,  dass  die  Schrift  in  ihrer  jetzigen  Gestalt 
aus  Fragmenten  der  ursprünglichen  vollständigen  Redaktion  zusammen- 
gestellt ist,  wie  soll  man  dann  diese  Zertrümmerung  erklären?  Die 
Zitate  bei  Varro,  Columella,  Plinius  und  anderen  Schriftstellern  zeigen, 
wie  gesagt,  dass  schon  die  Alten  aus  dem  Buche  nicht  mehr  herauslasen, 
als  wir  es  tun.  Die  Zertrümmerung  der  Schrift  muss  also,  wenn  über- 
haupt jemals,  spätestens  ein  Jahrhundert  nach  dem  Tode  des  Verfassers 
stattgefunden  haben.  Aber  vergeblich  fragt  man  nach  Gründen,  weshalb 
dieses  in  der  beginnenden  Blütezeit  der  römischen  Literatur  viel  gelesene 
Buch  ein  solches  Schicksal  gerade  damals  getroffen  habe.  Aus  Fragmenten 
ist  das  Buch  zweifellos  entstanden,  aber  diese  Fragmente  —  so  müssen 
wir  glauben  —  stammen  von  Catos  eigener  Hand.  Ihms  scharfsinniger  Nach- 
weis, wie  der  angebliche  Kompilator  durch  einzelne  Worte  und  neben- 
säcliliche  Äusserungen  in  den  ihm   vorliegenden  Fragmenten  veranlasst 

1)  Hauler  a.  O.  S.  6,  vgl.  Klotz  u.  0.  S.  18.  —  Schou  Gesncr,  Praefatio  p.  XXV, 
vermutete,  dass  Cato  ut  quidquid  ^isti  venu  aut  mefnoriam  suhiit,  ita  in  chartam  subieciL 

2)  Hauler  a.  0.  S.  5  u.  7. 


Der  römische  Outsbetrieh.  17 

werden  konnte,  inhaltlich  ganz  heterogene  Bruchstücke  zu  verbinden,  hat 
seine  Gültigkeit  auch  für  den  ursprünglichen  Redaktor  des  catonischen 
Nachlasses. 

Unter  allen  Umständen  steht  es  fest,  dass  die  Schrift  de  agri  cultura 
—  mag  sie  als  Original  oder  nur  in  Exzerpten  vorliegen  —  von  Cato  selbst 
herrührt.  Von  späteren  erheblicheren  Zusätzen  kann  schwerlich  die  Rede 
sein.  Sie  muss  also  für  die  Beurteilung  der  volkswirtschaftlichen  Verhält- 
nisse im  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  einen  sehr  hohen  Wert  besitzen. 

Dieser  Wert  wird  dadurch  noch  erhöht,  dass  Cato  sich  offenbar  fast 
ausschliesslich  auf  die  eigene  Erfahrung  oder  auf  mündliche  Mitteilungen 
seiner  Zeitgenossen  stützt.  Zwar  beruft  er  sich  einmal*)  auf  einen  ge- 
wissen Manius  Percennius  aus  Nola  und  dreimal')  auf  L.  Manlius,  aber 
allem  Anschein  nach  waren  diese  keine  literarischen  Gewährsmänner, 
sondern  praktische  Landwirte  aus  Campanien,  auf  deren  Erfahrungen 
Cato  Bezug  nimmt.') 

Geographisch  ist  Catos  Erfahrungskreis  auf  Mittel-  und  Süditalien 
beschränkt.  K.  W.  Nitzsch*)  glaubte  sogar  dartun  zu  können,  dass  Cato 
ein  bestimmtes  Gut  im  Auge  gehabt  habe,  dessen  Besitzer  der  eben  ge- 
nannte L.  Manlius  gewesen  wäre.  Dieses  Besitztum  habe  aus  drei  Teilen 
bestanden.  Den  ersten  Teil  bildeten  die  zwei  Haupthöfe,  die  auf  ager 
2)rivatm  lagen:  eine  Olivenpflanzung  von  240  iitgera  (60  Hektaren)  im 
Gebiete  von  Venafrum  und  eine  Weinpflanzung  von  100  iugera  (25  Hek- 
taren) in  der  Nähe  von  Casinum.  Den  zweiten  Teil  bildete  das  Getreide- 
land, von  Pächtern  bestellt,  den  dritten  ein  grosses  Stück  ager  puAlicus, 
das  wahrscheinlich  zwischen  der  Wein-  und  der  Olivenplantage  lag  und 
als  Weideland  benutzt  wurde. 

In  der  Tat  lässt  es  sich  nicht  leugnen,  dass  Cato  vielfach  seine  Vor- 
schriften für  ein  räumlich  bestimmtes  Gut  zu  geben  scheint.  So  be- 
rechnet er  die  Transportkosten  für  eine  im  Suessanischen  oder  in  Pompeji 
gekaufte  Oliveuquetschmaschine,  trapetm,  offenbar  von  einem  bestimmten 
Punkte  aus.*)  Dass  dieser  Punkt  gerade  der  c.  144,2  und  145,2  ge- 
nannte fundus  L.  Manli  war,  dass  dieses  Gut  bei  Venafrum  lag/)  und 

1)  c.  151,  1  Senien  cupressi  quo  modo  legi  seri  propagarique  oporteat  .  .  .  Manius 
Percennius  Nolanus  ad  hunc  modum  monstravit. 

2)  c.  144,  2  ex  fundo  L.  Manli;  —  arbitratu  L,  Manli.  c.  145,  2  de  fundo  L. 
Manli,  c.  152  De  scopis  virgeis  q(uem)  a{d)  tn(odum)  Manlii  manstraverunt.  Der  Plaral 
deutet  vielleicht  auf  einen  älteren  und  einen  jüngeren  L.  Manlius,  wie  Sasemaey  pater 
et  filius,  Varro  r.  r.  I,  2,  22. 

3)  P.  Reuther,  De  Catonis  de  agri  cuUura  libri  vesiigiis  apud  Graecos,  Lipsiae 
1903,  S.  46 fi.  sucht  nachzuweisen,  dass  Cato  griechische  Quellen  benutzt  hat.  Seine 
Beweisführung  wirkt  jedoch  wenig  überzeugend. 

4)  K.  W.  Nitzsch :  Über  Catos  Buch  vom  Landbau,  Zeitschrift  für  die  Altertums- 
wissenschaft 111  (1845)  No.  62—64. 

5)  c.  22,  3. 

6)  c.  146,  1  in  fundo  Venafro,  vgl.  c.  136  in  agro  Casinate  et  Venafro,  Die  Ent- 
fernung von  Venafrum  bis  Suessa  Aurunca  ist  ungefähr  '/,  der  Entfernung  von  Vena- 

Oammerns,  Der  römiaehe  Gntobetrieb.  2 


18  ff.  Qummerus, 

dass  es  mit  dem  im  c.  10  beschriebenen  olivetum  von  240  iicgera  identisch 
ist,  ist  jedenfalls  sehr  wahrscheinlich.  Nicht  unmöglich  ist  auch,  dass 
wir  uns  die  im  c.  11  beschriebene  vinea  von  100  iugera  als  ein  be- 
stimmtes Weingut  in  der  Nähe  von  Casinum  zu  denken  haben.  ^) 

Dagegen  ist  es  sehr  ungewiss,  ob  diese  zwei  Mustergüter  mit  irgend- 
welchen dazwischen  liegenden  Gebieten  eine  einzige  zusammenhängende 
Besitzung  bildeten.  Nitzsch'  Ansicht,  dass  das  im  c.  136  besprochene 
Getreideland,  das  einem  politor  zui:  Bestellung  überliefert  wird,  und  das 
Weideland,  von  dessen  Verpachtung  im  Winter  an  fremde  Herdenbesitzer 
in  c.  149  die  Rede  ist,  Teile  jenes  grossen  Gutsbesitzes  waren,  ist  nur 
eine  unbegründete,  wenn  auch  anregende  Hypothese. 

Wie  dem  auch  sei  —  ganz  unmöglich  ist  es,  dass  Cato  alle  seine 
Vorschriften  auf  ein  einziges  bestimmtes  Gut  bezöge.  Der  Abschnitt 
c.  6 — 9,  wo  der  für  die  verschiedenen  Kulturen  am  meisten  geeignete 
Boden  —  nicht  etwa,  wie  Nitzsch  meint,  „die  Verteilung  des  Landes 
zu  den  verschiedenen  Kulturen"  —  kurz  besprochen  wird,  ist  ganz  all- 
gemein gehalten  und  kann  nicht  leicht  auf  ein  einziges  Gut  bezogen 
werden.  2) 

Nur  soviel  darf  behauptet  werden,  dass  Cato  überall,  wo  er  nicht 
über  technische  Details,  sondern  über  den  Gutsbetrieb  im  allgemeinen 
Vorschriften  gibt,  eben  jene  zwei  Musterplantagen,  das  olivetum  im  c.  10 
und  die  vinea  im  c.  11  im  Auge  hat.  Das  beweist  u.  a.  die  ganze  Dar- 
stellung in  c.  1 — 3,  welche  über  den  Ankauf  des  Gutes,  seine  Inspizierung 
durch  den  Besitzer  und  die  Anwendung  der  ersten  Wirtschaftsjahre 
handeln.  Der  Käufer  soll,  heisst  es  c.  1,  4,  sich  merken,  vasa  torcula 
et  dolia  multane  sient:  ubi  non  erunt,  scito  pro  ratione  fructvm  esse. 
Also,  der  Ertrag  des  Gutes  besteht  hauptsächlich  in  Öl  oder  Wein.  — 
Wenn  der  dominus  seine  villa  besucht,  hat  ihm  der  Verwalter,  vilicusy 
Eechenschaft  abzulegen.  Mit  diesem  soll  man,  heisst  es  c.  2,  5,  ratianes 
putare  argentariam,  frumentariam ,  pabuli  causa  quae  parata  sunt; 
rationem  vinariam,  oleariam,  quid  venierit,  quid  exactum  siet,  quid  reli- 
quum  siet,  quid  siet  quod  veneat  Wein  und  Öl  sind  also  hier  die  eigent- 
lichen Verkaufsartikel,  wogegen  über  das  Getreide  nur  eine  Art  von 
Kassenbuch-^)  über  den  taglichen  Verbrauch  geführt  wird.  Ebenso  stehen 
unter  den  in  §  7  aufgezählten  Verkaufsgegenständen  Öl  und  Wein  obenan. 
Getreide  soll  nur  noch  verkauft  werden,  wenn  Überschüsse  vorhanden 
sind.  —  patrem  familiae,  heisst  es  weiter  c.  3,  2,  villam  rusticam  bene 
aedificatam  habere  expedit,   cellam  oleariam,  vinariam,   dolia  multa,  uti 

frum  bis  Pompeji.  Diesem  Verhältnis  entspricht  es  ziemlich  gut,  dass  die  Transport- 
kosten von  Suessa  auf  72  Sesterzen,  die  von  Pompeji  auf  280  Sesterzcn  veranschlagt 
werden. 

1)  S.  Nitzsch  a.  0.  S.  494;  497. 

2)  Vgl.  z.  B.  die  Erwähnung  des  fundus  »uburbanus  c.  7,  1 ;  8,  2. 

3)  So  M.  Weber,  Agrargeachichte  S.  223  treffend. 


Der  römißche  Outsbetrieh.  19 

li4heat  caritatem  expectare.  Man  sieht,  auf  den  Öl-  und  Weinkellern  ruht 
die  ganze  Ökonomie  des  Gutes.  —  Ähnliche  Stellen  Hessen  sich  zur  Be- 
stätigung der  obigen  Behauptung  das  ganze  Buch  hindurch  aufweisen. 

Wir  sehen  also,  dass  Cato  den  Wein-  und  Ölbau  als  den  Schwer- 
punkt der  italischen  Landwirtschaft  betrachtet.  Dem  widerspricht  nicht, 
dass  er  an  der  berühmten  Stelle,  c.  1,  7,  wo  er  die  verschiedenen  Kul- 
turen nach  ihrer  Rentabilität  klassifiziert,  zwar  dem  Weinbau  den  ersten, 
aber  dem  Ölbau  nur  den  vierten  Platz  zuweist  praedium,  sagt  er,  quod 
primum  siet,  si  me  rogabis,  sie  dicam:  de  omnibiis  agris  opümoque  loco 
iugera  agri  eentum,  vinea  est  prima,  <^i  vino  bondy  vel  si  vino  mtdto 
est,  sccundo  loco  hortus  inrigutcs,  tertio  salidum,  quarto  oletum,  quinto 
pratum,  sexto  campuß  frumentariiLS,  sepümo  silva  caedtia,  octaro  arbustum, 
nono  glandaria  silva.  H.  Nissen^)  schliesst  hieraus,  dass  der  Ölbau  in 
Italien  zu  Catos  Zeit  noch  nicht  die  Bedeutung  hatte,  die  er  später  an- 
erkanntermassen  besass.  Aber  das  heisst  die  Stelle  falsch  verstehen.  Es 
mag  sein,  dass  in  der  Nähe  der  Stadt  der  Gartenbau ,^)  auf  sumpfigem 
Boden  die  Weidenpflanzung'')  eine  höhere  Bodenrente  ergab  als  eine  Oliven- 
pflanzung des  gleichen  Areals  —  an  wirtschaftlicher  Bedeutung  konnten 
sich  jene  beiden  Kulturarten  mit  dem  Ölbau  gar  nicht  messen.  Der 
Ölbau  spielt  bei  Cato  vielleicht  eine  noch  grössere  Rolle  als  der 
Weinbau.*) 

Mit  der  dominierenden  Stellung,  welche  Cato  dem  Öl-  und  Weinbau 
zuerkennt,  ist  auch  die  von  vielen  bezeugte  Tatsache,  dass  der  alte  Poli- 
tiker und  Schriftsteller  die  Weidewirtschaft  als  die  am  besten  sich 
rentierende  Kapitalanlage  betrachtete,*)  keineswegs  unvereinbar.  Hier 
—  in  dem  Buch  über  den  Ackerbau  —  handelt  es  sich  nicht  um  die 
Weidewirtschaft,  sondern  um  die  Landwirtschaft  im  engeren  Sinne,  wie 
sie  von  einer  villa  aus  betrieben  wird.  Seiner  Schätzung  der  relativen 
Rentabilität  verschiedener  Arten  von  Bodenbenutzung  legt  Cato  ausdrück- 
lich ein  Areal  von  nur  100  Morgen  zu  Grunde,  was  die  Weidewirtschaft 
von  vornherein  ausschüesst. 

Neben  dem  Öl-  und  Weinbau  hatten  auf  den  catonischen  Muster- 
gütern die  übrigen  Kulturarten  nur  noch  eine  sekundäre  Bedeutung. 
Getreide  und  Futterkräuter  wurden  zwar  auf  diesen  Gütern  auch  ge- 
baut"), aber  nur  für  den  eigenen  Bedarf.^)  Zuchtvieh  wurde  auf  dem 
Gute  selbstverständlich  gehalten,  schon  der  Düngung  wegen,  aber  nur  der 

1)  H.  NiBseo,  Italische  Landeskunde  II  S.  92. 

2)  c.  8,  2  9ub  urbe  hortum  omne  genus, 
8)  c.  9. 

4)  Weber,  a.  0.  S.  224. 

5)  Cic.  de  off,  U.  89,  Colum.  VI  praef.  4.  PUn.  n.  h.  XVIU,  29. 

6)  Unter  dem  Gutsinventar  werden  im  c.  10  u.  11  auch  falces  faenariae  and 
strameniariaA  sowie  ein  labrum  lupmarium  genannt 

7^  An  Getreide  wird  vom  Gute  nur  verkauft  „was  übrig  bleibt"  c.  2, 7.  Vgl.  oben  S.  18. 

2» 


20  H.  Oummerus, 

Ertrag  der  auf  dem  Ölgute  gehaltenen  Schafherde  von  100  Köpfen  kam 
für  den  Absatz  in  Betracht.^) 

Dieser  Umstand,  dass  der  Wein-  und  Ölbau  die  Grundlage  des  Guts- 
betriebes ist,  wie  er  in  Catos  Buche  hervortritt,  entspricht  den  all- 
gemeinen wirtschaftlichen  Verhältnissen  des  damaligen  Italien.  Wie  die 
geschichtliche  Entwickelung  seit  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts 
V.  Chr.  und  besonders  nach  dem  hannibalischen  Kriege  einen  allgemeinen 
Eückgang  des  Getreidebaues  in  Italien  und  damit  den  Ruin  der  kleinen 
Grundbesitzer  verursachte,  ist  bekannt.-)  Ausgedehnte,  ehemals  mit 
Bauernhöfen  besetzte  Bodenflächen  wurden  in  Weiden  verwandelt,  auf 
welchen  grosse  Schaf-  und  Rinderherden  gehalten  wurden.  Aber  andere 
Gegenden  Hessen  sich  mit  grösserem  ökonomischem  Gewinn  intensiv  be- 
wirtschaften. Der  Gartenbau  in  der  nächsten  Umgebung  der  grösseren 
Städte  konnte  auch  ohne  grosses  Kapital  in  kleinem  Masstabe  getrieben 
werden  —  der  Wein-  und  Olivenbau,  wie  etwas  später  die  intensive 
Wiesenkttltur,  die  einen  grösseren  Kapitalaufwand  forderten,  waren  ohne- 
hin der  Grosswirtschaft  überlassen,  und  hier  Hess  sich  durch  rücksichts- 
lose Ausbeutung  der  Sklaven  auf  dem  für  Baumkultur  sehr  passenden 
italischen  Boden  eine  hohe  Rente  erzielen.-^)  Allzu  grosse  Flächen  konnte 
man  jedoch  bei  der  intensiven  Reben-  und  Olivenkultur  nicht  von  einem 
einzigen  Gutshofe  aus  bewirtschaften.  So  erklärt  sich  auch  die  verhältnis- 
mässig geringe  Grösse  der  catonischen  Musterwirtschaften. 

Suchen  wir  jetzt  die  allgemeinen  ökonomischen  Grund- 
sätze des  catonischen  Betriebssystems  festzustellen. 

Die  Landwirtschaft  ist  für  Cato  lediglich  eine  Kapitalplazierung. 
Er  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  der  i)atet'  famiUas  ein  beliebiges 
Gut  zu  kaufen  beabsichtigt.*)  Das  Ziel  seiner  Ausführungen  ist  zu  be- 
lehren, wie  sich  aus  dem  angelegten  Kapital  die  höchste  Rente  heraus- 
wirtschaften lässt.  Zu  diesem  Zwecke  muss  die  vorhandene  Bodenfläche 
immer  auf  die  ausgiebigste  Weise  ausgenutzt  werden,  je  nach  der  Natur 
des  Bodens  und  der  Lage  des  Gutes  (c.  6  ff.).  Dass  Cato  dabei  vor  einer 
intensiven  Bodenwirtschaft  nicht  zurückschreckt,  geht  schon  daraus 
hervor,  dass  er  mit  Hinsicht  auf  die  RentabiHtät  unter  den  verschiedenen 
Kulturen  dem  Weinbau,  wie  wir  sahen,  die  erste,  dem  Gartenbau  die 
zweite  Stelle  gibt. 


1)  c.  10,  1  oves  C.  Unter  den  Verkaufsartikeln  c.  2,  7 :  oves  ddiculas,  lanamy  pelles. 
Vgl.  c.  150. 

2)  S.  über  diese  Entwickelung  die  neueren  Bearbeitungen,  z.  B.  Mommen  R,  G. 
8.  Aufl.  I,  839  fF.,  Weber,  Ägrargesch.  S.  230  ff. 

3)  „Italien  tritt  in  die  historische  Überlieferung  des  flinften  Jahrhunderts  als 
Kornland  ein,  um  sich  in  ein  Wein-  und  Olland  umzuwandeln:"  H.  Nissen,  Italische 
Landeskunde,  1,450.  Auch  gegenwärtig  nimmt  der  Weinstock  6,  3P/n,  der  ()lbaum 
3,  04%  der  Gesamtfläche  Italiens  ein,  a.  0.  S.  455. 

4)  c.  1,  1  Praedium  quom  parare  cogitabis,  et  q.  s.  Dasselbe  gilt  auch  von  den 
übrigen  scriptores  rei  rusticaey  Weber,  a.  0.  S.  225. 


Der  römische  Outshetrieh,  21 

Da  eine  hohe  Rente  das  Ziel  der  Wirtschaft  ist,  ist  auch  die  ganze 
Produktion  auf  den  Absatz  gerichtet.  Aus  allem  soll  möglichst  viel  Geld 
gemacht  werden.  Die  hauptsächlichen  Verkaufsartikel  sind  natürlich 
Wein  und  ÖV)  daneben  auch  Getreide,  quod  supersit,^)  Häute  und  Wolle,*) 
Weidenruten  und  Holz*)  u.  s.  w.  Ja  Cato  verschmäht  es  nicht  sogar  das 
verbrauchte  Guteinventar,  wozu  mit  bezeichnender  Rücksichtelosigkeit 
auch  kränkliche,  arbeiteunfähige  Sklaven  gerechnet  werden,*)  loszuschlagen. 
Der  Verkauf  scheint  gewöhnlich  an  Ort  und  Stelle  stattgefunden  zu  haben.*) 
Der  Käufer  hatte  den  Transport  der  gekauften  Produkte  selber  zu  be- 
sorgen.') 

Um  eine  hohe  Rente  zu  erzielen,  muss  natürlich  der  Landwirt  die 
Produktion  zu  der  grösstmöglichen  Höhe  hinauftreiben.  Zu  dem  Zwecke 
soll  er  die  vorhandene  Arbeitekraft  auf  das  rücksichteloseste  ausbeuten. 
Immer  aufs  neue  mahnt  ihn  Cato  die  Sklaven  niemals  unbeschäftigt  zu 
lassen.  Wenn  das  Wetter  die  Feldarbeit  nicht  zulässt,  soll  er  den 
Knechten  Hausarbeit  zu  verrichten  geben.®)  Das  Verbot  der  Religion 
während  der  Ferien  zu  arbeiten  umgeht  er,  indem  er  für  die  Ferientage 
solche  Arbeiten  vorschreibt,  welche  nicht  ausdrücklich  verboten  waren.'**) 
„Man  soll  bedenken,  dass  wenn  nichte  getan  wird,  die  Wirtechaft  nichte- 
desto weniger  Geld  kostet ".^^) 

Andrerseite  aber  strebt  Cato  danach  die  Produktionskosten  auf  ein 
Minimum  herabzudrücken.  Er  warnt  vor  allzu  kostepieligen  Inventarien : 
videto,  quam  minimi  instrumenti  sumpttiosusque  ager  ne  siet  scito  idem 
agrum  quod  hommem,  qimmvis  quaestuosus  siet,  si  sumptuosus  erit,  relin- 
qui  non  multum,^^)  Die  Tagesrationen  der  Sklaven  sollen  vermindert 
werden,  so  oft  diese  durch  Erkrankung  arbeiteunfähig  sind.^-)  Der  junge 
Landwirt  soll  sich  hüten  sich  auf  geldraubende  Neubauten  einzulassen, 
bevor  die  Äcker  in  musterhaftem  Stande  sind,^0  u.  s.  w. 

Ein  Ausdruck  für  diese  weit  getriebene  Sparsamkeit  ist  der  be- 
rühmte, von  den  Späteren  immer  von  neuem  wiederholte  Grundsatz: 
„viel  verkaufen,  wenig  kaufen" ,  patrem  familias  vendacem,  non  emacem 

1)  c.  2,5;  7.148. 

2)  c.  2,  7. 

3)  c.  2,  7.  150. 

4)  c.  7,  1.  9.  38,  4. 

5)  c.  2,  7  plastrum  vetus,  ferramenUi  velera^  servutn  senenif  scrvum  tnorbosum. 
Vgl.  Plut.  Cato  maior  4,  5. 

6)  c.  2,  7  auciionem  uti  faciat  (sc.  pater  familias). 

7)  Dies  wird  wenigstens  für  den  Weinverkauf  erwähnt:  c.  148,  2  si  ante  tion  de- 
portaverit  (sc.  emptor  vinum),  dominus  vino  quid  volet  faciet. 

8)  c.  2,  3.  23,  1.  39, 1. 

9)  c.  2,  4.  138. 

10)  39,  2  cogitatOf  si  nihil  fiet,  nihilo  minus  sumptum  futurum. 

11)  c.  1,5  f. 

12)  c.  2,4. 

13)  c.  3,  1. 


22  n,  Gummerus, 

esse  oportet^)  Dasselbe  wird  in  einem  anderen  von  Seneca  zitierten 
catonischen  Ausspruche  gesagt:  emas  non  quod  opus  est,  sed  quod  ne- 
cesse  est;  quod  opus  est  asse  carum  est^) 

Dass  die  Sparsamkeit  eine  Hauptregel  der  catonischen  Landwirt- 
schaft war,  war  auch  die  Auffassung  von  Plinius  dem  Älteren.  Er 
fasst  Catos  wirtschaftliche  Grundsätze  so  zusammen:  summa  omnium  in 
hoc  spectando  fuit,  ut  fructus  is  maxume  proharetuvy  qui  qu^m  minumo 
inpendio  constaturics  esset^)  Ein  altes  Sprichwort,  sagt  Plinius,  rät  die 
Äcker  malis  bonis  zu  bestellen.  Dies  aber  sei  nicht  misszuverstehen, 
denn  das  Wort  malis  stehe  hier  im  Sinne  vilissimis.  Das  Sprichwort 
schreibe  also  nicht  eine  „schlechte"  Wirtschaft,  sondern  eine  besonnene 
Sparsamkeit  vor.*)  Aus  diesem  Prinzip  —  die  Ausgaben  so  viel  als 
möglich  einzuschränken  —  erklären  sich  auch,  sagt  Plinius  (§  40),  einige 
andere  alte  Bauernregeln :  inde  illa  reliqua  ex  oraculo :  nequam  agricolam 
esse,  quisquis  enieret  quod  praestare  ei  fundus  posset,  malum  patretn 
familias,  quisquis  interdiu  faceret  quod  nodu  posset,  nisi  in  tempestate 
caeli,  peiorem  qui  profestis  diebus  ageret  quod  feriatis  deberet,  pessimum 
qui  sereno  die  sub  tedo  potius  operaretur  quam  in  agro.  Fasst  man  die 
viel  zitierten  Worte  nequam  . . .  fundus  posset  in  ihrem  richtigen  Zu- 
sammenhange auf,  so  besagen  sie  keineswegs,  dass  Plinius  eine  möglichst 
selbstgenügsame,  „geschlossene"  Hauswirtschaft  als  ein  Kennzeichen  des 
Gutsbetriebes  der  catonischen  Zeit  betrachtet.  Kaufen  soll  man  aller- 
dings nach  diesem  Spruche  nur  das,  was  auf  dem  Gute  nicht  produziert 
werden  kann,  d.  h.  was  sich  nicht  mit  ökonomischem  Vorteil  daselbst 
herstellen  lässt,  aber  wir  werden  sehen,  dass  auf  den  catonischen  Muster- 
gütern die  Eigenproduktion,  namentlich  die  gewerbliche,  nur  auf  einen 
verhältnismässig  kleinen  Teil  der  Bedarfsartikel  beschränkt  ist. 

Der  Grundsatz :  „viel  verkaufen,  wenig  kaufen"  hat,  wie  Ed.  Meyer  richtig 
hervorhebt,  zu  allen  Zeiten  im  Altertum  wie  gegenwärtig  für  jede  Bauem- 
wirtschaft  gegolten.^)    Mit  der  „Autarkie  des  Oikos"  hat  er  nichts  zu  tun. 

Als  eine  Hauptbedingung  für  die  Rentabilität  des  Gutes  nennt  Cato 
die  Nähe  einer  bedeutenden  Stadt,  oder  auch  gute  Kommunikationen  zu 
Wasser  oder  zu  Land :  oppidum  validum  prope  siet  aut  mare  aut  amnis, 
qua  naves  ambulant,  aut  via  bona  celebrisque,^)  Verkehrt  ist  die  Er- 
klärung von  M.  Weber,  0  die  Nähe  des  Meeres,  eines  schiffbaren  Flusses 


1)  c.  2,  7. 

2)  Sen.  epist.  94,  27.    Vgl.  Plut.  Cato  maior  4,  6. 

3)  Plin.  n.  h.  XVIII,  30. 

4)  a.  0.  §39:  Quonam  igitur  modo  utilissime  coluntur  agri?  ex  oraculo  scilicety 
malis  bonis.  sed  defendi  aequom  est  abavos,  qui  praeceptis  suis  prospexere  vitae ;  nam- 
que  cum  dicerent  maliSj  inteüegere  voluere  vilissimos.  summum  providentiae  ülorum 
fuit,  ut  quam  minumum  esset  inpendi. 

5)  Ed.  Meyer,  Die  wirtsch.  Entwickelung  des  Altertums  S.  4. 

6)  c.  1,  3.    Vgl.  Gelliuß  X,  26,  8. 

7)  M.  Weber,  a.  0.  S.  224. 


Der  romisthfi  Gntshetrieh, 


28 


oder  einer  belebten  Strafe  werde  „mehr  im  Zusamtnenhau^  mit  der 
MöjErlichkeit,  Arbeiter  zur  Ernte  herans^iiziehen'*  als  vorteilhaft  erwähnt. 
Denn  die  Worte  aiä  mare  aut  amnw  ,  , ,  aut  via  bona  celebrisque  sind 
durch  mehrere  Worte  von  den  vorhergehenden  operariomm  ropia  ge- 
schieden und  stehen  mit  diesen  in  keinem  unmittelbaren  ^Josammenhang. 
Der  Sinn  ist  ganz  klar:  um  die  Produkte  de^  Gutes  mit  Vorteil  absetzen 
zu  k%nen,  war  die  Nähe  einer  volksreichen  Stadt  oder  auch  gute  dahin 
fahrende  Verkehrswege  für  die  Rentabilität  des  Gutes  von  grossem  Gewicht. 

Ohne  die  Möglichkeit  die  Produkte  des  Gutes  leicht  und  zu  guten 
Preisen  zu  verkaufen  waren  ja  diese  so  gut  wie  werth)s,  Polybios')  er- 
zählt, dass  zu  seiner  Zeit  (um  150  v.  Chr.)  in  der  fruchtbaren  Poebene 
bei  guter  Ernte  der  sizilische  Medimnns  (=  ß  römische  modii)  oft  mir 
4  Obolen  (35  oder  47  Pfennige),«)  eine  Metreta  (P,r  röm.  amphom) 
Wein  nur  2  Obolen  (18  oder  23  Pfennige)  galtJ^)  Mit  Recht  sieht  Nissen*) 
die  Ursache  zu  diesen  niedrigen  Preisen  in  den  schlechten  Kommunikationen 
der  Polandschaft  zu  dieser  Zeit.  Erst  der  Ausbau  der  Strassen  gestattete 
eine  vorteilhaftere  Verwertung  der  Erzeugnisse. 

Aber  nicht  nur  um  des  Absatjses  willen  sind  gute  Verkehrswege  not- 
wendig, (Vdumella,  der  sich  über  die  Nützlichkeit  guter  Kommunikationen 
auf  Cato  beruft,  fügt  hinzu,  dass  solche  sowohl  ad  invehenda  als  ad 
twportanda  utemilia  nötig  sind/')  In  der  Tat  —  unsere  Untersuchung 
wird  zeigen,  dass  fiir  die  catoniseheu  Mustergüter  ein  grosser  Teil  der 
Bedarfsartikel  (ArbeitsgerÄte ,  Kleiderstoffe  o,  s.  w.)  aus  der  Stadt  be- 
schafft wurde.*)  Dass  dem  Verwalter  verboten  wird,  ohne  die  Erlaubnis 
seines  Herrn  irgend  etwas  zu  kaufen'),  ist  nur  eine  Vorsichtsmassregel 
gegen  verschwenderisclie  Einkäufe.  Zu  den  Geschäften  des  Verwaltei*s  ge- 
hört nicht  nur  zu  be^rgen,  qtme  in  fundo  fieri  oportet,  sondern  auch  qmie 
emi  pararique  oportet^)  __ 

1)  Polyii.  U,  15,  1. 

2)  Je  nachtlt'm  iiihu  l  Obol  =  2  Am  oder  */^  Denar  •efttt\  Polybio»'  Aiigtiboii  in 
d\tm*T  HiiiMcht  sciiwanken,  ».  Fr.  HulUi?!»,  MHrolOffie  S-  25S. 

8)  Zum  Vorgleich  kanti  »iigeftihrt  werden,  dntm  ta  dieser  Zeit  der  hiLnpUftMümih^* 
MJtielpreis  für  l  mfMiius  Weiien  4  SciU^ntoo  (75  PL)  war  (Momtnueo  IC  G.  1»  841  A) 
und  djuw  um  die  MJite  den  erati^n  Jahrhiindcrtfi  n.  Chr.  eint*  amphora  W«nii  mimloKtiin» 
15  Seüersen  (2  M,  «5  Pfj  kottete  (300  Srst.  für  40  nrnae,  Colum,  111,8,  10), 

4)  Ttal  LandeBkumie  II,  5«. 

5)  Colum,  I,  S.  8  vgl  I,  2,  8, 

6)  W^nii  ÄL  Voigt  in  »viucn  rdmutchen  l^vaiaUertümtrn,  Midier»  Handbuch  IV,  2 
S.  879  A.  2  in  Hexug  auf  duA  c.  185  bei  Ciito  äussert:  ,,Eb  ist  Dicht  aiitcunolimen ,  düMt 
lolcbc  Praxis  »Ugemeiner  geübt  wurde :  die  Traasportkosteu  rou*etim  viel  su  boeb  »ich 
iteUen,"  m  yergiKst  er.  dtuis  für  Cato  die  Spamatnkeit  da*,  oberste  lVui«ip  der  Wirt- 
■cb&fl  bt.  Sehwerlicli  h?iH**  er  »«iiiien  Le«ern  gerateu,  die  Miiutel  in  Hom,  die  Eisru- 
gerUte  in  Cale*  uud  ^'  die  nnrnfo-  und  Seilerwaren  in  Capua  lu  kaufen^  wenn 
man  auf  »einen  kami  <  ^tli«<t»'^trilte^u  dies  nidit  aU  ökonoint«cb  vorteübaft  or* 
probt  bätte. 

7)  c  h,  4. 

8)  e.  142. 


24  H,  Gummerus, 

Gehen  wir  jetzt  auf  das  catonische  Betriebssystem  im  einzelnen  ein. 
Unserer  Aufgabe  gemäss  haben  wir  zunächst  zu  untei-suchen,  mit  welchen 
Arbeitskräften  die  landwirtschaftliche  Urproduktion  auf  den 
beiden  Mustergütern  betrieben  wurde. 

Man  hat  in  Cato  den  Typus  eines  altrömischen  Bauern  sehen  wollen. 
Dies  ist  nicht  ganz  zutreffend,  denn  trotz  seiner  in  manchen  Beziehungen 
echt  bäuerlichen  Anschauungsweise  ist  Cato  mehr  Kapitalist  als  Bauer. 
In  seinen  jüngeren  Jahren,  ehe  er  noch  seine  politische  Laufbahn  be- 
gonnen hatte,  mag  der  rüstige  Bauemsohn  aus  Tusculum,  wie  sein  Freund 
und  Nachbar  Valerius  Flaccus  erzählte,  sein  kleines  Gut  mit  eigenen 
Händen  in  der  Mitte  seiner  Sklaven  bestellt  haben.')  In  dem  Buch  über 
die  Landwirtschaft  aber  stellt  Cato  den  pater  familias  nicht  mehr  als  den 
schlichten  Bauern  dar,  sondern  als  den  vornehmen,  reichen  Grundbesitzer, 
der  meistens  in  der  Stadt  wohnt  und  sein  Gut  oder  vielmehr  seine  Güt^r 
durch  einen  Verwalter  aus  dem  Sklavenstand,  vilicus,  mit  Scharen  von 
unfreien  Arbeitern  bewirtschaften  lässt.  Selbst  macht  der  dominus  nur 
dann  und  wann  eine  Inspektionsreise  dahin.  0  Die  Sklaven  Wirtschaft  er- 
scheint vollständig  ausgebildet  und  zwar  nicht  mehr  in  der  alten  patri- 
archalischen Weise,  sondern  mehr  oder  weniger  plantagenmässig  organisiert. 

In  c.  10  und  11  zählt  Cato  alles  auf,  was  an  Arbeitskräften  und 
Inventarien  in  seinen  beiden  Musterwirtschaften,  der  Oliven-  und  der 
Weinplantage,  erforderlich  ist.  Ein  olivetum  von  240  iugera  (60  Hektaren) 
bedingt  demnach  ein  Arbeitspersonal  von  13  Personen:  den  Verwalter, 
vilicus,  und  seine  Frau,  vilica,  fünf  gewöhnliche  Knechte,  operarii,  drei 
Ochsentreiber  oder  Pflüger,  bubulci,  einen  Eseltreiber,  asinarius,  einen 
Schweinehirt,  subulcus,  und  einen  Schafhirt,  ojnHo.  Die  m7iea  von 
100  iugera  (25  Hektaren)  fordert  16  Personen:  vilici^s,  mlica,  zehn  operarii, 
einen  bubulcus,  einen  asinarius,  einen  salictarius  (für  das  salictum,  wo 
die  den  Weinreben  als  Stützen  dienenden  Weidenruten  gezogen  wurden, 
angestellt)  und  einen  subulcus. 

Die  Zahlen  sind  auffallend  niedrig.-^)  Besonders  befremdet  es,  unter 
dem  Gutspersonal  ausser  der  vilica  keine  Sklavinnen  zu  finden.  Offen- 
bar hat  man  Catos  Angaben  als  das  Minimum  von  Arbeitskräften,  mit 
welchen  man  auf  Gütern  dieser  Grösse  überhaupt  auskommen  konnte,  zu 
betrachten.  Die  beiden  Güter  können  somit  nicht  als  Grossbetriebe  be- 
zeichnet werden.  Dennoch  findet  man  auf  ihnen,  wie  gesagt,  die  Sklaven- 
wirtschaft vollständig  ausgebildet.  Das  abscheuliche  System,  die  Sklaven 
auf  den  Weinbergen  gefesselt  arbeiten  zu  lassen,  gilt  Cato  als  ganz 
geläufig.*) 

1)  Plut.  Cato  maior  3,  2. 

2)  c.  2,  1 :  pater  familias  ubi  ad  viüam  ventt^  et  q.  s. 

3)  Weber,  Agrargesch.  S.  223,  neunt  Catos  HcchnuDg  „äusserst  p:ünstig". 

4)  c.  56  und  57.  Die  conpediti  erhalten  grössere  Rationen  als  die  übrigen  Sklaven. 
Die  Arbeitsmaschinen  mussten  natürlich  gut  im  Stande  gehalten  werden ! 


Der  römische  OuUhetrieh,  25 

Dieses  ständige  unfreie  Arbeitspersonal  mag  für  die  gewöhnlichen 
laufenden  landwirtschaftlichen  Arbeiten  ausgereicht  haben  —  in  der  Ernte- 
zeit und  überhaupt  für  jede  grössere  Arbeit  mussten  die  Hausknechte 
durch  auswärtige  Hilfsleute  verstärkt  werden.  Und  zwar  bediente  man 
sich  teils  der  Form  der  einfachen  Dienst-(Arbeits-)Miete,  teils  der 
Form  der  Werkverdingung. 

Die  Hauptstellen  bei  Cato  über  die  land\v1rtschaftliche  Dienstmiete 
sind  folgende: 

C.  1,  3  wird  als  eine  Hauptrücksicht  beim  Ankauf  eines  praedium 
reichlicher  Zugang  von  Arbeitern  genannt:  operariorum  cojiia  s^iet  — 
C.  4  heisst  es :  vicinis  bonus  esto  . .  .  si  te  libenter  vimiitas  v^idebit,  faci- 
Uu8  tua  vendes,  opera  (codd.  operas)  facilius  locabis,  operarios  facilius 
conduces:  st  aedifimbis,  operis,  iume^itis,  materie  adiuvabunt  —  C.  5,  4 
wird  dem  mlicus  vorgeschrieben:  operarium,  mercemiarium ,  politoreni 
diutius  eu7idem  ne  hubeat  die. 

Die  locatio'condtictio  operarum  nach  römischem  Recht  umfasst  be- 
kanntlich die  Miete  sowohl  von  freien  als  von  unfreien  Arbeitern.  Es 
fragt  sich,  welche  von  diesen  beiden  Formen  der  Dienstmiete  Cato  im 
Auge  hat.  0.  Seeck^)  glaubt,  dass  die  von  Cato  genannten  operarii 
„wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  so  doch  vorzugsweise"  als  gemietete 
fremde  Sklaven  aufzufassen  sind.  Am  deutlichsten  trete  dies  in  c.  4 
hervor.  Allein  wenn  man  die  Stelle  aufmerksam  liest,  so  wird  es  klar, 
dass  nur  die  Worte:  si  aedificabis,  oj^eris,  iumentis,  materie  adiuvabmit 
(sc.  vicini)  auf  das  Leihen  oder  Mieten  fremder  Sklaven  bezogen  werden 
können.  Dass  sich  die  Nachbarn  auf  diese  Weise  gegenseitig  zu  unter- 
stützen pflegten,  sagt  Cato  auch  anderswo.-)  Aber  weit  kam  man  auf 
diesem  Wege  nicht.  In  der  Erntezeit  z.  B.,  wo  das  Bedürfnis  an  Hülfs- 
arbeitern  besonders  dringend  war,  konnte  kein  Gutsbesitzer  seine  Sklaven 
entbehren.  Will  man  dennoch  die  Worte  operarios  facilius  conduces  als 
„Mieten  von  fremden  Sklaven"  auffassen,  so  kann  man  also  nur  an  Unter- 
nehmer denken,  die  das  Vermieten  von  Sklaven  als  Geschäft  trieben. 
Aber  von  solchen  Geschäften  finden  wir  bei  Cato  keine  Spur.  Dagegen 
wird  sowohl  bei  ihm  als  in  anderen  Quellen  von  Unternehmern  gesprochen, 
die  mit  Scharen  von  freien  Arbeitern  herumziehen,  und  denen  grössere 
landwirtschaftliche  Arbeiten  in  Akkord  gegeben  werden.  So  sind  die 
leguli  und  factores,  durch  welche  die  Olivenernte  und  Ölbereitung  aus- 
geführt werden,  freie  Leute,  denen  der  Käufer  der  hängenden  Früchte 
ihren  Lohn  zahlt.') 

Nun  sind  zwar  die  in  c.  10  und  11  genannten  operarii  Sklaven. 
Aber  operarius  wird  von  Cato  auch  der  freie  Tagelöhner  genannt,  wie 


1)  0.  Seeck,  Geschichte  des  Untergangs  der  antiken  H'eUj  2.  Aufl.,  I  Anhang  S.  ^59. 

2)  c.  5,  3 :  duas  aut  tres  familias  habeat  (sc.  vilicus),  unde  utenda  raget  et  quibus 
det,  praeUrea  nemini, 

8}  e.  146, 8  «t  tjmpior  legtUis  et  factoribus  . . .  non  solverit^  cut  dari  oportebit,  etc. 


26  H.  Gummerus, 

aus  c.  145,  1  hervorgeht:  si  operarii  conducH  enmt  (sc.  a  domino)  ad 
oleam  faciendam.  Diese  operarii  sind  eben  jene  factores,  die  wir  als 
freie  Tagelöhner  bezeichnet  sahen.  Wir  müssen  daher  analog  auch  die 
in  c.  1,3  und  c.  4  genannten  operarii  als  freie  Leute  auffassen.  Es 
waren  diese  ohne  Zweifel  Kleinbauern  —  Eigenbesitzer  oder  Pächter  — 
die  sich  auf  diese  Weise  einen  Nebenverdienst  verschafften.  Man  würde 
sich  nämlich  irren,  wenn  man  in  den  vicini  nur  Grossgrundbesitzer 
sehen  wollte. 

Kommen  wir  so  zu  der  umstrittenen  Stelle :  operarium,  mercennarium, 
politorem  diutius  eundetn  ne  habeat  die.  Was  operarius  und  mercennarius 
bedeutet,  ist  nach  dem  oben  gesagten  klar.  Wie  man  aber  den  politor 
aufzufassen  hat,  darüber  können  sich  die  Erklärer  nicht  einigen.  Schneider 
will  mercenimrium'politorem  verbinden  und  interpretiert:  mercennarius 
politor  igitur  h.  l.  esse  debet,  qttem  agri  poliendi  causa  mercede  condu- 
dmus.  Aber  politor  kommt  c.  136  auch  ohne  das  Attribut  mercennarius 
vor,  und  zwar  als  eine  Art  von  Unternehmer,  der  die  Ackerbestellung 
gegen  eine  bestimmte  Fruchtquote  übernimmt.  Man  hat  daran  Anstoss 
genommen,  dass  hier  der  politor  mit  gewöhnlichen  Tagelöhnern  zusammen- 
gestellt wird,  während  er  dort  eine  Stellung  einnimmt,  „die  ihn  dem 
Grundherrn  mehr  annäherte".')  Die  Schwierigkeit  erledigt  sich,  wenn 
man  annimmt,  dass  politor  nicht  ein  fester,  unbeweglicher  Begriff  ist, 
sondern  dass  es  politor  es  „in  den  verschiedensten  Schattierungen  gibt".*) 
Zutreffend  definiert  das  Wort  H.  Keil:^)  politor  est  is  cui  post  sementim 
factam,  ut  videtur,  cura  agrorum  usque  ad  messim  mandatur  vel  certa 
mercede  ad  singula  opera  facienda  conductits  vel  parte  fncctuum  pro 
universo  opere  constituta.  In  der  Tat,  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  die 
politio  selbst  gegen  bar  als  Verdingungsvertrag  eingegangen  werden 
konnte.*)  Waaser  glaubt,  dass  gerade  der  in  c.  5,  4  genannte  politor 
gegen  eine  merces,  pecunia  numerata,  arbeitete,*)  was  allerdings  nicht  zu 
beweisen  ist.*) 

Schwer  sind  auch  die  Worte  diutitis  eundem  ne  habeat  die  zu  er- 
klären. Unmöglich  kann  der  praktische  Landwirt  vorschreiben  wollen, 
dass  man  jeden  angeworbenen  Tagelöhner  nur  einen  Tag  im  Dienst  be- 
halten soU.^  Keil  'interpretiert  die  Stelle  folgendermassen :  immo  hoc 
praedpitur,  ne  vilicus  operarium  vel  mercennarium  vel  politorem  eundem 
plus  uno  die  mercede  conductum  habeat,  h,  e.  ne  eidem  homini  in  longius 


1)  A.  Pernice,  Parerga  1,  Zeitschr,  für  Bechtsgeschichtey  Roman,  Abteilung  1882, 
S.  58.    Vgl.  Derselbe,  Amoenüates  iuris,  in  derselben  Zeiteehr.  1886,  S.  100. 

2)  M.  Waaser,  Die  colonia  pariiaria,  Berlin  1885,  S.  74. 

3)  Zu  c.  186. 

4)  Pernice,  Amoenitates  iuriSj  a.  0.  S.  102. 

5)  Waaser  a.  0.  S.  78. 

6)  Über  den  politor  als  partiarius  s.  unten  S.  82. 

7)  Allerdings  trägt  0.  Seeck  a.  a.  0.  kein  Bedenken  die  Vorschrift  so  zu  verstehen. 


Der  römische  Outsbetrieh,  27 

temporis  spatium  mercedefn  promittat  Der  Sinn  wäre  dann,  dass  der 
Tagelöhner  jeden  Abend  kündbar  sein  muss,  für  den  Fall,  dass  der 
Arbeitsgeber  mit  seiner  Leistung  unzufrieden  ist  —  der  denkbar  un- 
günstigste Arbeitsvertrag  für  den  ersteren,  aber  sehr  vorteilhaft  für  den 
letzteren.  Annehmbarer  ist  die  Interpretation  von  Gesner:  ne  vilicus 
operas  die  dicta  diutius  habeat,  ne  studio  opus  trahant  et  ducant  mer- 
cennarii,  si  conditio  ipsis  producatur.  So  versteht  die  Stelle  auch 
Waaser :  „Nicht  wird  geraten  den  politor  jeden  Tag  zu  wechseln,  sondern 
nur,  ihn  nicht  längere  Frist,  als  mit  ihm  verabredet  worden  war,  nicht 
über  den  Termin  hinaus  zu  belassen."^)  Eine  derartige  Vorschrift  hat 
gerade  in  Bezug  auf  den  vilicus  einen  guten  Sinn.  Für  den  Verwalter 
muss  es  angenehm  und  verlockend  sein,  die  gemieteten  Leute  so  lange  als 
möglich  zu  behalten,  um  dadurch  die  Arbeit  der  Eigenen  und  somit  auch 
seine  eigene  Mühe  zu  erleichtem.  Das  Bedenken,  das  Pemice^)  gegen 
diese  Auslegung  erhebt  —  sie  sei  mit  dem  Ausdruck  eundem  völlig  un- 
vereinbar — ,  ist  nicht  von  grösserem  Belang.  — 

Aus  den  zitierten  Stellen  geht  hervor,  dass  Cato  die  freien  Tage- 
löhner als  einen  wesentlichen  Teil  der  auf  dem  Gute  beschäftigten  Arbeiter 
betrachtet.  Welche  Stellung  die  freien  Leute  neben  den  Gutssklaven 
hatten,  ob  sie  mit  diesen  gemischt  oder  von  ihnen  gesondert  unter  eigenen 
Aufsehern«)  arbeiteten,  ist  weder  aus  Cato  noch  aus  anderen  Quellen  zu 
ermitteln.  Sicher  ist  nur,  dass  auch  sie  dem  unfreien  Verwalter,  vilicus, 
untergeordnet  waren.*) 

Natürlich  wurden  die  freien  Hilfsarbeiter  besonders  für  die  Ernte 
gemietet.  Auch  für  andere  grössere  Arbeiten,  wie  Neurodungen,  Neu- 
bauten u.  s.  w.  konnte  man  sie  nicht  entbehren.  Mitunter  aber  muss  es 
sich  für  den  Eigentümer  vorteilhafter  gezeigt  haben,  diese  grösseren 
Arbeiten  einem  Unternehmer  zu  verdingen,  statt  sie  mit  eigenen  unzu- 
reichenden oder  auswärtigen,  oft  vielleicht  schwer  zu  beschaffenden 
Arbeitern  zu  besorgen.  Das  opus  locare  ist  Cato  ebenso  geläufig  wie 
das  operas  conducere.  Es  ist  die  Sache  des  pater  familias  zu  verordnen, 
quae  opera  fieri  velit  et  quae  locari  velit^)  Um  ohne  Schwierigkeit 
Arbeitsuntemehmer  finden  und  Tagelöhner  mieten  zu  können,  soll  man 
zur  Nachbarschaft  gute  Beziehungen  zu  erhalten  versuchen.*) 

Namentlich  forderte  auf  den  catonischen  Gütern  die  Oliven-  und 
Weinlese  sowie  die  Öl-  und  Weinbereitung  eine  grössere  Arbeitsintensität. 
Sowohl  für  das  Lesen  als  für  das  Pressen  der  Trauben  und  Oliven  musste 
bei  guter  Zeit  alles  Inventar   —  Körbe,  Winzermesser ,  Taue,  Kelter, 


1)  V^aaser  a.  0.  S.  73. 

2)  Pernice,  ÄmoenüaUs  iuris,  a.  0.  S.  101. 

3)  Vielleicht  ist  der  in  c.  56  genannte  epistata  ein  solcher  Aufseher. 

4)  c.  5,  4. 
6)  c.  2,  6. 

6}  c.  4.    S.  oben  S.  25. 


28  H,  Ghummerus, 

Fasse  u.  s.  w.  in  Ordnung  gebracht  werden.^)  Aber  daneben  musste  man 
Vorbereitungen  treffen,  um  die  Hilfsarbeiter  aufnehmen  und  ernähren  zu 
können:  far  molatur,  maenae  (=  Salzfisch)  emantur,  oleae  caducas  sal- 
liantur,  uvas  misccUas,  vinum  praeliganeum,  quod  operarii  biba7it,  tibi 
temptis  erit,  legitor)  In  dem  Ausdruck  operarii  sind  hier  offenbar  sowohl 
die  freien  als  die  unfreien  Ernteleute  zusammengefasst.  Sie  werden  sonst 
bald  leguli^)  oder  Stridores,^)  bald  fadoresj^)  genannt,  je  nachdem  sie  als 
Leser  oder  als  Kelterer  im  torcularium  benutzt  werden.  Für  das  wich- 
tige Geschäft  des  Ölpressens  werden  ctistodes  (Aufseher)  oder  capulatores 
(Küfer)  angestellt.^  Von  den  custodes  heisst  es  ausdrücklich,  dass  zwei 
von  ihnen  freie  Leute  sein  sollen,  der  dritte  ein  Unfreier.') 

Über  das  Vergeben  der  Ernte  und  den  Verkauf  der  Früchte  handeln 
die  vielbesprochenen  Kapitel  144—150.^)  Keil  glaubt,  dass  diese  Kapitel, 
wie  sie  uns  erhalten  sind,  nicht  von  Catos  eigener  Hand  herrühren,  sondern 
dass  einiges  von  Späteren  geändert,  einiges  zugefügt  worden  ist.  Diese 
Ansicht  rauss  als  hyperkritisch  zurückgewiesen  werden.  Trotz  einzelner 
verderbter  Stellen  haben  wir  hier  wie  sonst  die  eigenen  Worte  des  alten 
Schriftstellers  vor  uns.  Das  Bedenken,  das  durch  die  wenig  concise  Form 
dieser  leges  entstehen  kann,  erledigt  sich,  wenn  man  sie  nicht  als  fertige 
Vertragsformulare  auffasst,  in  welche  die  Kontrahenten  nur  Namen  und 
Zahlen  einzusetzen  hatten,  sondern  nur  als  Ratschläge  des  erfahrenen 
Landmanns  an  jüngere  Kollegen,  nach  welchen  diese  in  vorkommenden 
Fällen  sich  zu  richten  haben.-') 

In  c.  144  gibt  Cato  Vorschriften  über  die  Verständigung  mit  einem 
redemj)tor,  der  die  Olivenlese  in  Akkord  nimmt.  Dieser  muss  sich  ver- 
binden, die  nötige  Zahl  von  Arbeitern  zu  stellen,  sonst  kann  der  Eigen- 
tümer auf  eigene  Kosten  die  erforderlichen  Arbeiter  dingen :  si  non  prae- 
buerit,  quanti  condudum  erit  auf  locatum  erit,  deducatur:  tanto  minies 
debebitur  (§  3).  Die  Zahl  der  Arbeiter  wird  für  den  fundus  L,  Manli  zu 
50  festgesetzt,  von  welchen  zwei  Drittel  strictores  sind,  ein  Drittel  leguli 
(nach  Keils  Interpretation):    adsiduos  homines  L  praebeto,  diias  partes 


1)  c.  28,  1.  26.  31,  1.  68. 

2)  c.  28, 1  f. 

8)  c.  64,  1.  144,  8.  146,  8. 

4)  c.  144,  8;  4;  über  die  Bedeutung  vgl.  Keil,  Oomm,  p.  151. 

5)  c.  18,  1.  64,  1  u.  ö. 

6)  c.  66.  67. 

7)  c.  18,  1. 

8)  Auaführlich  handeln  über  die  Stellen  Usener,  Rfiein.  Mus.  1864,  S.  141  ff.  vom 
textkritiflchen  und  E.  J.  Bekker,  Zeitschr,  f.  Rechtsgeschichte,  B.  111  (1864)  S.  428  ff.  vom 
juristischen  Standpunkte  aus. 

9)  Bekker  a.  0.  S.  438.  Den  hohen  Wert  dieser  leges  für  die  Beurteilung  der 
wirtschaftlichen  Zustände  der  älteren  Zeit  hebt  mit  Recht  M.  Voigt,  Rom,  Rechts- 
geschichte,  I  637  A.  28  hervor. 


mfshetrieh. 


29 


strietorum  praebeto  (§  '!).')  Die  Arbeiter  werd(>n  natürlich  vom  redentptar 
bezahlt.  Der  Eigentümer  gibt  ihnen  nur  als  aecc^-iiiofies  ein  gewisses  Mass 
von  gesalzenen  Oliven,  Öl  und  Essig.  Die  Arbeit  wird  vom  dominn.^ 
selbst  überwacht  oder  auch  von  einem  dazu  verordneten  ci4sto$  oder  dein 
Käufer,  wenn  die  ganze  Frucht  auf  dem  Stocke  verkauft  worden  ist. 

ÄJinlich  wird  der  Kontrakt  abgeschlossen,  wenn  der  Unternehmer  auch 
die  Zubereitung  des  Öles  libernimmt  (c.  J45).  Er  hat  die  nötigen  opet^arii 
oder  faetorva  zu  st-elleu.  Wird  der  Eigentümer  gezwungen  die  Arbeiter 
selbst  zu  mieten,  genchieht  es  auf  Kosten  des  Hntemehmei^s:  y»  operani  ron- 
ducti  vrnnt  avt  fannuin  Incata  cnmt^  pro  eo  rrsofvito^  avt  diduveUir  (§  1).') 

1)  UnentT  und  Hekkrr  machcu  auf  deu  Widerapriich  iitifmevkflaai^  das«  es  vorher 
legntoi^  quot  opfisi  rrttnt^  prnebeio  et  strictoren  h^Unti  während  hier  eine  bestimmte  Zahl 
der  Arbeiter  fcstgotcnt  wird,  ÜÄener  betrachtet  darum  den  letzteren  Passus  aU  eitieii 
spj&teren  Ztiaat«.  Die  Schwierigkeit  erledigt  sich  ulcht^  wenn  man  auch  das  Zahlwort 
L  streicht  und  einfach:  admäuos  hominea  pracbtio  liest.  Denn  die  Anomalie  bleibt 
bestehen,  dass  die  Vorschriften  über  die  vom  conductftr  lu  sieilend^jn  leguli  und  stric- 
Uirrs  nicht  unmittelbar  aufeinander  folgen,  sondern  durch  andere  KlausHn  geschieden 
sind.  Indessen  hindert  um  nichts  anzunehmen^  daju  jener  Zusata  von  Cato  setbU  hrr- 
rUhrt.  Zu  dt*n  üblichen  Kontraktsbestimmungen,  wie  sie  die  römische  Geschärt«praJiis 
ausgt'bildet  hattt*,  hat  er  —  oder  sein  Gewährsmann  L.  Manlius  —  Punkte  hinzugefügt 
die  sich  spesiell  auf  da»  Olgut  de«  leUtereu  belogen  (so  auch  Bekker  a.  0.  S.  4^0). 
DasB  dadurch  die  Ordnung  der  Verl ragabestiaimun gen  gestört  worden  i«t,  entaprieht 
der  ziemlich    nachlÄs«igen  Abfaasung« weise   dieses   landwirtschaftlichen  ,,Noti«buches*'. 

2)  Die  unmittelbar  vor  dieser  Klausel  eingeschobenen  Worte  trapeh  factto  will 
Keil  in  trapetum  facito  ändern  und  bezieht  demnach  die  angeführte  Vorschrift  auf  das 
im  c.  20  be*chr»cbene  Verfertigen  und  Aufstelh'n  der  Olivenquetschmaschine,  trapetuM, 
Aber  wenig  wahrscheinlich  ist»  dtus  der  Unternehmer  auch  diese  vorbereitend*^  Arbeit 
aa  verrichten  hatte,  Ü«sr  trapetus  gehörte  ja  «um  luven! ar  des  Toreulariaraa  (c,  12), 
War  die  Mas4^hine  einmal  gekauft  (c.  22,  8)  oder  an  Ort  und  8telle  verfertigt  (e.  20  ff% 
•D  war  sie  noch  jahrelang  brauchbar,  bis  die  Steine^  orben^  abgenutzt  wareu^  und  auch 
dann  konnten  zu  der  alteu  Maschine  neue  Steiue  gekauft  werdeu  (c.  22,  4  «i  orbes  in 
vetei'tu  trapttm  parahü).  Allem  Anschein  nach  hatte  der  Unternehmer  nur  für  die 
Aj-beit,  die  Olbereitung,  «u  sorgen-  der  Eigentümer  lieferte  Am  nötige  Inventar,  wie 
dies  ausdrürklieh  im  folgenden  Kapitel ^  wo  vom  Verkauf  der  ganse»  Frucht  auf  dem 
Stocke  die  Rede  ist»  erwÄhnt  wird:  (c.  \i%  Ü)  paaa  U^rcuUi,  fknu,  icalas,  trapeiot  et 
n^id  aitut  datum  ertt,  Malm  rede  reddito  (sc.  emptor).  Die  Lesart  des  Archetypus  frapeh^ 
wüä  Schneider  als  Ablativ  statt  trnpete  aus  einer  Nebenform  (rapete^^  -üt  (Nom,  plur. 
trapetts  Varro  L  l  V,  \BS\  davon  Dat.  trapctihua  Cato  c.  IH,  2)  erklitrt,  ist  darum  vor- 
luiieheUf  wenn  man  nicht  statt  dessen  trapeiis  lesen  wilL  Die  Vorschrift  frapeU/'^cv'a 
ist  wohl  ao  lu  deuten,  das  der  Uateroehmer  die  Oliven  mit  dem  Trapetus  und  nicht 
auf  irgend  eine  andere  Weise  eu  verquetschen  hatte «  etwa  weil  diese  Maachinc  nach 
Cato*  Ansicht  die  beste  Arbeit  lieferte,  (Die  verschiedenen  Maschinen  mm  Malen 
oder  Zerquetschen  der  Oliven  beschreibt  II.  Bltlmner,  Tec^hnohfjie  und  Termtnoh(/ie 
der  Gewerbe  und  KUnMe^  I,  ^.  330  ff,)  Vielleicht  liegt  in  der  Vorschrift  zugleich  eine 
Hindeutung  auf  die  ohne  Zweifel  in  älterer  Zeit  gebräuchliche  Weisen  d»e  Oliven  wie 
die  Weintrauben  mit  den  Füssen  zu  zerstampfen.  Für  die  Griechen  ist  di<*acr  Gebrauch 
mit  Biemllcher  Wahricheinlichkeit  besengt  (Schneider ,  De  trapeto  torculario  et  preJö 
CatontA,  Eatcurs  zn  CommtmL  »n  rVifowrm,  S»  610),  In  Suilien  cxistieric  dieser  Gebrauch 
noch  in  neuerer  Zeit.  Da«  Wort  trapetu»  u*\\nt  ist  von  dem  griechischen  Wrhum 
tQfxntIv  abgeleitet,  da«  bei  Homcros  und  Hesiodos  In  der  Bedeutung  unas  in  tticu 
catcarf  t't  t!j:primrrt  vorkommt. 


30  H.  OummeruSy 

Das  Verhältnis  des  Unternehmers  zum  Grundherrn  in  diesen  Ver- 
trägen ist  klar:  es  ist  eine  Verdingung,  eine  locatio  operis.  Unklar  da- 
gegen ist,  wie  die  Arbeiter  zum  Unternehmer  stehen.  Schwerlich  sind, 
wie  Lastig  und  Pemice  glauben,^)  unter  den  in  den  Formularen  genannten 
socii'^)  des  Unternehmers  die  von  ihm  beschäftigten  Arbeiter,  die  legidi 
und  factore$y  zu  verstehen.  Wahrscheinlicher  ist,  dass  diese  socii  Mit- 
unternehmer des  redemptor  sind.*)  Dem  steht  nicht  entgegen,  dass  wir, 
wie  Pernice  glaubt,  an  eine  Art  von  Emtegenossenschaften  zu  denken 
haben,  analog  den  Genossenschaften  von  ländlichen  Arbeitern,  die  man 
des  Sommers  in  ganz  Mitteldeutschland  antreffen  kann.  „Ein  Meister 
oder  Vorschnitter  steht  an  der  Spitze:  mit  ihm  allein  hat  der  Grund- 
besitzer zu  tun;  er  schafft  soviel  Leute  herbei,  als  für  die  zu  leistende 
Arbeit  erforderlich  sind,  und  zahlt  sie  aus." 

Es  fällt  auf,  dass  Cato  nur  von  der  Verdingung  der  Oliven  ernte 
redet.  Denn  dieselben  Grunde  sprachen  dafür  auch  die  Weinlese  in 
Akkord  zu  geben.*)  Wie  im  folgenden  der  lex  oleae  pendentis  vendundae 
eine  lex  vini  pendentis  vendtmdi  folgt,  so  erwartet  man  neben  der  lex 
oleae  legendae  auch  eine  lex  vini  legendi.  Man  hat  darum  geglaubt,  dass 
die  letztgenannte  lex  in  dem  Buche  Catos  in  seiner  jetzigen  Gestalt  aus- 
gefallen ist.  Die  Spuren  dieser  verlorenen  lex  möchte  M.  Voigt^)  bei 
Plinius  finden.  Vindemiam  —  sagt  Plinius^)  —  antiqui  numqtcam  eans- 
tvmavere  maturam  ante  aequinoctium  . . .  leges  ita  se  habent:  uvam 
calidam  ne  legito  . . .  uvam  rorulentam  ne  legito  etc.  Dass  Plinius  diese 
leges  von  Cato  hat,  schliesst  Voigt  daraus,  dass  jener  an  einer  anderen 
Stelle^)  die  lex  oleae  legendae  Catos  zu  zitieren  scheint  Allein  es  ist 
keineswegs  gesagt,  dass  Plinius  jene  leges  gerade  bei  Cato  gelesen  hat. 
Allem  Anschein  nach  hat  Cato  seine  „Gesetze"  nicht  selbst  entworfen. 
Sie  hatten  ihren  Ursprung  offenbar  in  der  römischen  Geschäftspraxis*) 
und  waren  sowohl  zu  Catos  Zeit  als  später  zweifellos  allgemein  im  Ge- 
brauch. Plinius  hat  die  von  ihm  zitierten  Bestimmungen  in  einem  juris- 
tischen Handbuch  lesen  können,  wenn  er  sie  nicht  aus  eigener  praktischer 
Erfahrung  kannte.  Die  Erwähnung  von  leges  vini  legendi  in  der  ange- 
führten Pliniusstelle  beweist  nur,  was  schon,  wie  gesagt,  von  vornherein 
wahrscheinlich  war,  dass  die  Verdingung  der  Weinlese  den  Römern  ebenso 
geläufig  war  wie  die  der  Olivenernte.    Sagt  doch  Varro,  dass  für  die 


1)  Lastig  in  Zeitschr.  f,  das  gesamte  Handelsrecht  y   1879,  S.  411.    A.  Pernice, 
Parerga^  I,  a.  0.  S.  50. 

2)  c.  144,  4.  145,  3. 

3)  Bekker  a.  O.  S.  431.    Mommsen  R.  G.  I,  852  A 

4)  Mommsen  R.  G.  I,  835  A.  2. 

5)  M.  Voigt,  Römische  Rechtsgeschichtet  I,  638  A.  81. 

6)  Plinius  n.  h.  XVIII,  315. 

7)  XV,  11  quippe  olivarUibus  lex  antiquissima  fuit:  oleam  ne  stringüo  neve  verbe- 
rata.    Vgl.  Cato  c  144,  1. 

8)  Voigt  vermutet,  dass  Cato  sie  der  Tripertita  des  P.  Aelius  entnommen  hat. 


Der  ronmehe  Gut^etrieh 


31 


Weinlese  fremde  Arbeitskräfte  o^emietet  werden  nmssteu.»»  Dass  Catu 
den  Verdinpuni^svertra^  tür  die  Weinlese  in  sein  „Notizbuch "*  nicht  ein- 
getragen hat,  mag  darauf  beruhen,  dass  diese  Art  die  Weinerate  zu  be- 
sorgen auf  seiner  Musterfarm  nicht  in  Anwendung  gekommen  war. 

Noch  bequemer  als  die  Ernte  zu  verdingen  war  es  für  den  (»nind- 
herrn  die  Friidite  auf  dem  Stamme  zu  verkaufen. 

In  c*  146  wird  eine  Ua^  almie  pmdentis  vmiUmdae  mitgeteilt.  Für 
die  Zahlung  der  Kaufsumme  hat  der  Käufer  eine  Frist  von  zehn  Monaten 
vom  ernsten  November  ab.  Nur  die  Kosten  der  Ernte  und  der  Ulbereitung 
soll  er  den  nUclisten  Idus  zalilen,  sei  es,  dass  der  Verkäufer  oder  der 
Käufer  diese  Arbeiten  durch  gedungene  Leute  verrichtet.'-)  In  dem  letzteren 
Falle,  wenn  der  Käufer  den  von  ihm  beschäftigten  Arbeitern  ihren  Lohn 
nicht  gibt,  kann  der  Eigentümer,  wenn  er  dazu  geneigt  ist,  jenen  das 
Geld  auszahlen  und  den  Käufer  dafür  belasten.'') 

Dieselbe  lej-  gilt  nach  c.  147  in  allem  wesentlichen  auch  in  dem 
Falle,  dass  man  den  Wein  auf  dem  Stocke  verkauft 

Diese  Art  der  Verwertung  der  Früchte  —  der  Verkauf  des  Ertrages 
im  voraus  an  einen  Spekulanten  —  scheint  zu  Catos  Zeit  beliebt  gewesen 
zu  sein.  In  c.  150  wird  eine  hx  fnirtus  ovium  vf^dundi  mitgeteilt.») 
Nach  dieser  wird  der  Ertrag  einer  Schafherde,  d,  h.  Wolle,  Milch,  Käse 
ujid  neugeborene  Lämmer,  für  die  Zeit  eines  Jahres  einem  Unternehmer, 
conducior^  verkauft.  Ans  dem  Wortlaut  des  Kontraktes  8<;heint  hervor- 
zugehen, dass  es  sich  um  eine  bestimmte  Kopfzahl  der  Herde  handelt. 
Sehr  walirscheinlich  ist,  dass  Cato  die  im  c.  10,  1  erwähnte,  100  Schafe 
s&blende  Herde,  die  auf  dem  Ulgute  zu  halten  ist,  im  Auge  liat  Die 
Wolle  und  die  Lämmer  hat  der  conductor  im  Laufe  von  10  Monaten  zu 
verkaufen;  während  dessen  wird  die  Herde  von  dem  Hirten  des  Besitzers 
—  dem  im  c  10  erwähnten  opilio  —  offenbar  der  Kontrolle  we^^en,  ge- 
hütet. In  den  zwei  letzten  Monaten  des  Pachtjahres,  April  und  Mai, 
hat  der  cmidudör  einen  eigenen  Hirten  anzustellen.  Dei'  iirund,  warum 
der  Besitzer  den  Ertrag  seiner  Schafe  nicht  selbst  verwerten  kann  oder 
will,  ist  natürlich  der,  dass  dies  auf  einer  Plantage,  wo  die  Olivenkultur 
die  Hauptsache  ist,  wenig  vorteilhaft  wäre. 

Aber  nicht  nur  die  Ernte,  8<»nderu  überhaupt  je4e  landwirtschaftliche 
Arbeit  wurde  eventuell  in  Verding  gegeben.    So  die  sogenannte  jwliüq, 

Madi  c.  136,  wo  dies  besprochen  wird,  erhält  der  poHior  eine  je  nach 

1)  Varro  f,  r.  1,  17,  2. 

2)  Die«  i»t  der  Siuti  der  Worte  (§  2y.  du«  ar^ento  e»  IL  N&v,  mewtum  X  ültiu 
kgendar  facimdoB  t^tae  heata  4»l,  et  si  empior  hcarii,  idibu»  äotvito,  S,  Keil  su  der 
Siülle  und  B«kker  a.  O.  8,  428. 

3)  §  c^:  ffi  0npior  leguUä  et  factoribuSt  qui  iüic  opuw  fecetini,  mnsolverii,  eui  dari 
oportebii^  m  dominus  volet,  äolvat.    empt^tr  ämnino  debtto,  et  q,  », 

i)  Hierüber  A  Bndorff,  Berliner  Index  leciionum  164^141  (M.  VoLgi,  Hörn.  JUdiU* 
beschichte,  l,  666,  xiiiert  fuhieh  LAL^Lumun;.  F,  Olck,  Uü  Kalmdtrdaitn  in  Catos 
Schnft  de  agn  cuUurn,  N.  Jahrb.  /,  PhiL  ISUü  S,  5öV>  tf. 


32  H.  Oummerus, 

der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  und  der  Art  der  Vermessung  wechselnde 
Quote  des  geemteten  Getreides.  Seine  Stellung  in  dieser  Hinsicht  ist 
wohl  dieselbe  wie  die  des  partiaHus  im  folgenden  Kapitel ,  dem  die  Be- 
stellung des  Weinberges  überlassen  wird.*) 

Wie  hat  man  aber  die  poliüo  und  den  politor  aufzufassen? 

Nonius-)  erklärt politiones  als  agrorum  cultus  dUigentes,  ut  polita  omnia 
dicimus  ea-cultu  et  ad  nitorem  dediccta,  welche  Definition  er  durch  einige 
Zitate  erhärtet.  Aber  weder  aus  diesen  noch  aus  anderen  von  den  Neueren 
angeführten  Belegen  geht  notwendig  hervor,  dass  polire  agrum  „ein  Kunst- 
ausdruck für  eine  besonders  feine  Herrichtung  des  Ackers" ,  also  „mehr 
als  blosses  colere  (bestellen)  sei".*)  Polire  ist  in  diesem  speziellen  Falle 
nur  so  viel  als  perficere,^)  d.  h.  „fertig  machen",  und  agrum  polire  be- 
zieht sich  offenbar  auf  „Handarbeiten  von  Vollendung  der  Pflugsbestellung 
ab  bis  zu  dem  Einbringen  der  Ernte".*) 

Der  Umstand,  dass  Cato  in  seinem  Buche  den  Cerealienbau  so  wenig 
berücksichtigt,  obwohl,  wie  wir  sahen,  auf  seinen  beiden  Musterplantagen 
das  Getreide  für  den  eigenen  Bedarf  tatsächlich  gebaut  wurde,  macht 
es  wahrscheinlich,  dass  es  gerade  auf  diesen  Plantagen  Brauch  war,  die 
politio  der  Getreidefelder  einem  partiarius  zu  überlassen.  Dass  der  Öl- 
oder  Weingutebesitzer  die  Bestellung  der  Getreidefelder  des  Gutes  gern 
von  sich  abwälzte,  versteht  sich  ohne  weiteres.  Welche  Bedeutung  für 
den  Gutebetrieb  die  Überlassung  der  vinea  curanda  an  einen  partxaritis 
hatte,  wollen  wir  nicht  entscheiden. 

Den  politor  als  Gutearbeiter  haben  wir  bereite  kennen  gelernt. •) 
Über  die  Stellung  des  hier  genannten  politor  lässt  sich  vielleicht  schliessen, 
dass  er  ein  Kleinbauer  ist,  der  die  Bestellung  der  Gutsäcker  zusammen 
mit  den  eigenen  übernimmt.  Der  Ausdruck  eorhi  dividat  scheint  nämlich 
den  Fall  vorauszusetzen,  dass  der  politor  seinen  Anteil  der  Ernte  auf 
eigener  Scheune  drischt. 

Auf  die  juristische  Streitfrage,  ob  die  politio  gegen  Fruchtvergütung 
als  Verdingung,   locatio  opeiis')  oder  als  societas'^)  aufzufassen  ist,  kann 

1)  c.  137  vineam  curandam  pariiario.  Mit  Recht  liest  deshalb  Keil  die  Über- 
schrift des  vorhergehenden  Kapitels:  politionem  quo  pacto  (^partiarioy  dari  oporteat. 
Dass  pariiario  hier  und  c  16:  ealcem  partiario  coquendam  Substantivam  ist,  nicht 
^dverb,  wie  Gesner  glaubte,  steht  fest. 

2)  Nonius  p.  66,  27. 

3)  A.  Pernice,  Amoenitates  iuris,  a.  0.  S.  100. 

4)  Vgl.  Fest,  ep,  p.  71,  20  depoUtum,  perfectum. 

5)  M.  Voigt,  Hörn.  Frivataliertümtr  S.  369.  Vgl.  Keils  oben  S.  26  angeführte  De- 
finition des  Begriffes  politor, 

6)  Oben  S.  26. 

7)  So  Bekker  a.  0.  S.  421  f.,  M.  Voigt,  Bvrn.  Recht syeschichte  I,  666. 

8)  So  A.  Pernice,  Parerga  I,  a.  0.  S.  58  f.  Derselbe,  Amoenitates  iuris ^  a.  O. 
S.  121.  P.  Brunn,  Die  colonia  partiaria^  Berlin  1897,  S.  21.  C.  Crome,  Die  partiari- 
schen Eechtsgeschöfte  y  Freiburg  1897,  S.  57.  M.  Waaser,  a.  0.  S.  75,  der  den  politor 
schlechthin  als  colonus  partiarius  und  diesen  als  socitis  de»  Grundherrn  bezeichnet. 


Der  römische  OuUhetr\eh,  33 

hier  nicht  eingegangen  werden.  Jedenfalls  steht  Catos  politor-parti" 
arius,  besonders  der  in  c.  137  genannte,  dem  colonus-partiaritis  schon 
ziemlich  nahe.  Um  ihn  zn  einem  solchen  zu  machen,  brauchte  man  nur 
die  betreffende  Parzelle  ihm  dauernd  zur  Bewirtschaftung  zu  Überlassen. 
Ob  er  dann  auch  zum  Pächter  wurde,  oder  ob  sein  Verhältnis  zum 
dominus  noch  als  sodetas  zu  bezeichnen  war,  fällt  wenig  ins  Gewicht. 
Wir  sahen  oben,  dass  der  politor  mit  einem  gewöhnlichen  operarius 
und  mercennarim  zusammengestellt  wurde.  Je  nach  dem  Umfang  der 
von  ihm  zu  leistenden  Arbeit  mag  er  bald  dem  Lohnarbeiter,  bald  dem 
Pächter  näher  stehen. 

Vom  Verpachten  im  eigentlichen  Sinne  einzelner  Parzellen  des  Gutes 
spricht  Cato  nirgends.  Daraus  darf  man  nicht  schliessen,  dass  dies  zu 
seiner  Zeit  überhaupt  nicht  vorgekommen  ist.  Im  Gegenteil  ist  die  Klein- 
pächterwirtschaft bei  den  Römern  sehr  alt.»)  Treffend  sagt  Mommsen:-) 
„Der  Eolonat  an  sich,  das  heisst  die  bäuerliche  Kleinpacht,  ist  so  alt  und 
so  jung  wie  Italien  und  war  und  ist  unter  König  Romulus  wie  unter 
König  Humbert  wesentlich  gleichartig  beschaffen".  Aber  soviel  ist  klar, 
dass  die  Kleinpächter,  falls  sie  überhaupt  auf  den  catonischen  Muster- 
plantagen existierten,  für  die  Bewirtschaftung  der  unter  der  eigenen  Regie 
des  GrundheriTi  stehenden  Teile  des  Gutes  noch  keinerlei  Bedeutung  als 
Hilfsarbeiter  hatten. 


Stand  also  der  catonische  Gutsbesitzer  schon  als  Produzent  wirt- 
schaftlich keineswegs  isoliert  da,  so  war  er  es  noch  weniger  als  Kon- 
sument. Untersuchen  wir  jetzt,  inwiefern  auf  den  catonischen  Villen 
bei  der  Beschaffung  der  Gebrauchsgüter  der  Grundsatz  „viel  verkaufen, 
wenig  kaufen"  befolgt  wurde. 

Alles  was  zur  Nahrung  der  Hausleute  gehörte,  wurde  natürlich  in 
der  Regel  auf  dem  Gute  produziert  und  zubereitet.  Als  Nahrungsmittel 
der  Sklaven  kam  in  erster  Linie  das  Getreide  in  Betracht.^)  Es  wurde 
auf  dem  Gute  sowohl  gebaut,  wie  schon  bemerkt,  als  gemahlen*)  und 
gebacken.  Ebenso  wurde  der  von  den  Sklaven  getrunkene  schlechte 
Wein,^)  das  Öl')  und  der  Essig')  zu  Hause  produziert,  wie  natürlich 


1)  Nach  dem  zu  Ciceros  (oder,  wie  andere  meinen,  AugoBtus^  Zeit  lebenden  Jorinten 
und  Antiquar  L.  Cincius  (bei  Joannes  Laurentius  Lydus,  de  mensibuSy  ed.  Wuensch, 
IV,  144)  wurde  der  Monat  November  von  den  Alten,  nagä  tolg  naXaiolg,  Mercedinus 
genannt,  weil  in  diesem  die  Pächter,  ol  iLia^attoij  ihre  Zinsen  zahlten. 

2)  Hermes  XV  (1880)  S.  408. 

3)  c.  56. 

4)  Als  stehendes  Gutsinventar  wird  sowohl  die  Esel-  als  die  HandmUhle  genannt: 
c.  10,  4.  11,  4.    Ein  pistrinum  wird  c.  136  erwähnt. 

5)  Treberwein,  lora^  c.  25.  57,  vgl.  c.  104.    vinum  praeliganeum  c.  23,  2. 

6)  c.  58. 

7)  c.  58.  104. 

Qammernt,  D«r  rdmitehe  Ontebetrieb.  3 


34  H.  Chummertis^ 

auch  die  Feigen  und  Oliven J)  Nur  die  gesalzenen  Fische,  maenae^)  oder 
hallex,^)  die  eine  gewöhnliche  Speise  der  Armen  bildeten,*)  raussten  an- 
gekauft werden.  Dazu  kam  natürlich  das  Salz,  wovon  jeder  Sklave  einen 
modius  pro  Jahr  erhielt. 5)  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  hier  nur  die 
Massenkonsumtion  der  Sklaven,  nicht  die  für  die  gutsherrliche  Tafel  be- 
stimmten Speisen  in  Betracht  kommen. 

Ebenso  wurde  natürlich  das  Futter  für  das  Vieh  wo  möglich  von 
eigenen  Äckern,  Wiesen  und  Waldungen  gewonnen.  Überhaupt  darf  man 
wohl  behaupten,  dass  was  von  den  Gebrauchsgütem  in  unverarbeiteten 
Rohmaterialien  bestand,  durch  Eigenproduktion  beschafft  wurde,  soweit 
nur  die  Bodenverhältnisse  dies  ermöglichten.  Der  Kauf  kam  hier  nur  als 
„Lückenbüsser^'ö)  in  Betracht.') 

Zu  denjenigen  Waren,  welche  auf  dem  Gute  nicht  hergestellt  wurden, 
weil  der  nötige  Rohstoff  fehlte,  gehörte  das  in  der  Landwirtschaft  der 
Alten  so  wichtige  Pech,  womit  die  grossen  Wein-  und  Ölgefässe  be- 
strichen wurden.®)  Es  wurde,  wie  bei  uns,  aus  dem  Harze  der  Kiefer, 
die  in  Italien  nur  in  Gebirgsgegenden,^)  wie  in  Bruttium,  vorkam,  gekocht. '<^) 
Unter  den  Einfuhrwaren  des  Gutes  spielte  es  eine  nicht  unwichtige 
RoUe.^*)  Nach  Columella  brauchte  man  für  ein  dolium,  das  IV2  culletis 
(=  7,859  Hektoliter)  hält,  25  Pfund  Pech.^«)  Auf  Catos  Musterwein- 
plantage von  100  iugera  hielt  man  Dolien  mit  einem  Gesamtinhalt  von 
800  culleij  berechnet  für  den  Ertrag  von  fünf  Jahren,*^)  was  160  ciiUei 
pro  Jahr  macht.  Zu  der  Verpichung  dieser  Gefässe  brauchte  man  also 
jährlich  mehr  als  2600  Pfund  Pech. 


1)  c.  56.  58. 

2)  c.  23,  1  maenae  emantur  (für  die  Erntearbeiter),  vgl.  c.  88,  2  mena  arida. 

3)  c.  58.  haüex  (oder  alleCy  halex,  die  Handschriften  schwanken)  ist  hier  nicht, 
wie  sonst,  die  als  Rückstand  bei  Bereitung  des  garum  gewonnene  schlechte  Fischsauce, 
sondern  ein  Gemisch  aus  kleinen,  wertlosen  Seefischen  oder  Fischresten  (A.  Marx  in 
Pauly  -Wissowas  Eealenct/dop.  zu  cUlec),  was  schon  Schneider  zu  der  Stelle  richtig  be- 
merkt hat:  Judecem]  salsum  piscem. 

4)  J.  Marquardt,  Privatlehen  der  Römern  S.  441. 

5)  c.  58. 

6)  K.  BUcher  gebraucht  das  Wort  als  Bezeichnung  für  den  römischen  Handel  über- 
haupt, Zeitschr,  /*.  die  gesamte  StOMtswiss.,  1894  S.  201. 

7)  c.  2,  6 :  siquid  desit  in  annfim,  uti  paretur. 

8)  dolia  picare,  Cato  2,  3.  39,  1  u.  ö. 

9)  Nissen,  Italische  Landeskunde,  I,  426. 

10)  Plin.  n.  h.  XVI,  53. 

11)  Verg.  Georg,  I,  273  ff.; 

saepe  oleo  tardi  costas  agitator  aseüi 

vilibus  aut  onerat  pomiSy  lapidemque  revertens 

inctisum  aut  atrae  massam  picis  urhe  reportat. 

12)  Colum.  XII,  18,  7.  —  Palladius  X,  11,  1   dagegen   rechnet  auf  ein  dolium  zu 
200  congii  (=  6,55  Hl.)  nur  12  Pfund  Pech. 

13)  c.  11,  1    dolia  ubi  quinque  vindemiae  esse  possint  culleum  DCCC.    Vgl.  Varro 
r.  r.  I,  22,  4. 


Dei'  römische  Chitshetrieh.  35 

Das  Kochen  des  Peches  steht  schon  auf  der  Grenze  zu  der  gewerb- 
lichen Tätigkeit.  Von  den  Gewerbserzeugnissen  im  gewöhnlichen  Sinne 
des  Wortes  konnten  nur  wenige  auf  dem  Gute  produziert  werden,  weil 
die  Herstellung  eine  technische  Fertigkeit  erforderte,  welche  die  Guts- 
sklaven  nicht  besassen.  Von  berufsmässig  ausgebildeten  Handwerkssklaven 
findet  man  nämlich  auf  Catos  Mustergütern  keine  Spur. 

Unter  solchen  Umständen  musste  der  Kreis  des  sogenannten  „Haus- 
werks" auf  diesen  Gütern  ziemlich  beschränkt  sein. 

Wie  oben  bemerkt,  ist  Cato  eifrig  bemüht,  immer  eine  produktive 
Beschäftigung  für  die  Gutssklaven  zu  erfinden,  seinem  Grundsatze  getreu, 
die  vorhandene  Arbeitskraft  so  intensiv  wie  nur  möglich  auszunutzen. 
Immer  aufs  neue  kommt  er  auf  die  Frage  zurück :  wie  soll  der  Gutsherr 
seine  Sklaven  beschäftigen,  wenn  das  Wetter  oder  die  Jahreszeit  die 
Feldbestellung  hindert? 

cum  tempestates  2>l^^(f'^  fiterint  —  sagt  er  —  quae  opera  per 
imbrem  fieri  potuerint,  dolia  lavari,  picari,  villam  purgari,  frumentum 
transferri,  stercus  foras  effhri,  stereilinum  fieri,  semen  purgari,  funes 
sarciri,  novos  fieri;  centones,  cuculiones  familiam  oportuisse  sibi  sar- 
cire.  ^)  —  Ubi  tempestates  malae  erunt,  cum  opu^  fieri  non  poterit,  stercus 
in  stereilinum  egerito,  bubile,  ovile,  cohortem,  villam  bene  purgato.  dolia 
plumho  vincito  vel  materie  quemea  +  virisicca  (die  Lesart  ist  verdorben, 
Keil  konjiziert  bene  sicca,  Hauler  vere  sicca)  alligato  . . .  Per  imbrem  in 
mlla  qiuierito  quid  fieri  possit  ne  cessetur,  munditius  fadto.  cogitato, 
si  nihil  fiet,  nihilo  minus  sumptum  futurum J)  —  Per  hiemem  lucu- 
bratione  haec  facito.  ridicas  et  palos,  quos  pridie  in  tecto  posueris,  siccos 
dolato,  faculas  facito,  stercus  egerito.^)  —  Namentlich  soll  man  für  die 
Weinlese  alles  bei  guter  Zeit  vorbereiten:  vasa  laventur,  corbulae  sar- 
ciantur,  picentur,  dolia  quae  opus  sunt  picentur.  quom  pluet,  quala 
parentur,  sarciantur,  far  molatur,  maenae  eynantur,  oleae  caducae  sal- 
liantur.^) 

Als  Hausarbeit  der  Sklaven  erscheint  hier  also,  neben  gewöhnlichen 
Haushaltsbeschäftigungen,  das  einfache  Behauen  der  für  die  Weinreben 
als  Stützen  erforderlichen  Pfähle  und  das  Schnitzen  von  Fackeln,  femer 
Seiler-  und  Korbflechtarbeit  und  das  Ausbessem  der  Dolien,  schliesslich 
das  Flicken  der  Arbeitsröcke,  centones.  Ausser  diesen  in  den  Mussestunden 
zu  verrichtenden  Arbeiten  mögen  wohl  auch  einige  andere  leichtere  gewerb- 
liche Arbeiten  in  der  Regel  durch  die  Gutssklaven  ausgeführt  worden  sein. 
Aber  in  Ermangelung  bemfsmässig  ausgebildeter  Gutshandwerker  musste 
der  grösste  Teil  der  Gebrauchsgegenstände  von  aussen  bezogen  werden. 


1)  c.  2, 3. 

2)  c.  89,  1  f. 

3)  c.  37,  3. 

4)  c.  23,  1.    Die  Streichungen  der  kleinen  Teubner- Ausgabe  sind  UDuotig.    Hauler 
a.  O.  S.  20. 

3* 


36  M.  Ghimmerus, 

und  für  jede  schwierigere  auf  dem  Hofe  zu  leistende  gewerbliche  Arbeit 
mussten  auswärtige  Handwerker  gemietet  werden. 

Wie  sich  in  den  einzelnen  Gewerben  das  Verhältnis  zwischen  der 
Eigenproduktion  des  Gutes  und  der  selbständigen  Industrie  gestaltete, 
wird  jetzt  der  Gegenstand  der  Untersuchung  sein. 

Das  Spinnen  der  von  den  eigenen  Schafen  erzeugten  Wolle  und  das 
Weben  und  Zuschneiden  der  Kleider  für  die  Hausleute  war  bei  den 
Römern,  wie  es  in  modemer  Zeit  noch  vor  kurzem  auf  den  Bauernhöfen 
der  Fall  gewesen  ist,  eine  Hauptbeschäftigung  der  Hausfrau  und  ihrer 
Mägde.  ^)  Aber  in  dieser  wie  in  vielen  anderen  Hinsichten  bemerkt  man 
bei  Cato  eine  Auflösung  des  altpatriarchalischen  Hauses. 

Zwar  kommt  unter  den  Inventarien  der  villa  auch  der  Webstuhl, 
tela  togalis,  vor.*)  Auffallend  ist  es  aber,  dass  im  c.  143,  wo  die  Pflichten 
der  Wirtschafterin,  vilica,  aufgezählt  werden,  das  Spinnen  und  Weben 
nicht  erwähnt  wird.  Es  erklärt  sich  dies,  wenn  wirklich,  wie  aus  c.  10 
und  11  hervorzugehen  scheint,  die  vilica  unter  dem  Gutspersonal  die  einzige 
Frau  ist.  Die  Sklavinnen  —  denn  solche  konnten  in  der  familia  eines 
vermögenden  Gutsbesitzers  nicht  fehlen  —  wurden  offenbar  nicht  zu  der 
familia  rtcstica,  sondern  zu  der  familia  urbana  gerechnet  und  standen 
unter  der  unmittelbaren  Aufsicht  der  Hausfrau  selbst.'^)  Wird  doch  als 
selbstverständlich  vorausgesetzt,  dass  der  Grundherr  nicht  auf  dem  Gute 
residiert,  sondern  nur  gelegentlich  besuchsweise  dahin  kommt.  ^) 

Wie  dem  auch  sei,  so  scheint  es  doch,  dass  auf  den  catonischen 
Mustergütern  die  Kleider,  wenigstens  der  Sklaven,  nicht  im  Hause  ver- 
fertigt, sondern  gekauft  wurden.  Als  vestimenta  familiae  werden  in  c.  59 
eine  tunica  und  ein  Mantel,  sagum,  erwähnt,  die  alle  zwei  Jahre  den 
Sklaven  gegeben  werden  und  welche,  wenn  sie  abgenutzt  sind,  zu  Flick- 
röcken, centones,  gemacht  werden.  Die  letzteren  werden  unter  den  Guts- 
inventarien  ausdrücklich  genannt.*)  Als  Fussbekleidung  dienen  Holz- 
schuhe, sculponeae. 

Im  c.  135,  wo  Cato  verschiedene  mittelitalische  Städte  als  Bezugsorte 
für  etwaige  Gebrauchsgegenstände  aufzählt,  heisst  es  nun  (§  1):  Bamae 
tunica^,  togas,  saga,  centones,  sculponeas  (sc.  emito):  CalihiLS  et  Minturnis 
cuculliones  (Kapuzen,  die  an  den  Mänteln  befestigt  und  zum  Schutze 
gegen  die  Sonne  über  den  Kopf  gezogen  wurden).  Schwerlich  würde 
Cato  diesen  Rat  gegeben  haben,  wenn  jene  Kleidungsstücke  noch  mit 
Vorteil  zu  Hause  hätten  verfertigt  werden  können.    So  erklärt  es  sich 


1)  Die  Belege  bei  Marquardt,  Privatleben,  S.  58  A.  2.  Plautus,  Merc.  396,  zählt 
unter  den  Beschäftigungen  des  Dienstmädchens  sowohl  das  Spinnen,  pensum  facere^  als 
das  Weben  auf. 

2)  c.  10,  5.  14,  2. 

3)  Die  domtna  wird  nur  einmal,  c.  143,  1,  iu  Catos  Buche  erwähnt. 

4)  S.  oben  S.  24  A.  2. 

5)  c.  10,  5.  11,  5  centones  pueris  VI. 


Der  römische  Gutsbetrieb.  37 

auch,  warum  die  auf  dem  Gute  erzeugte  Wolle  nicht  an  Ort  und  Stelle 
verarbeitet,  sondern  verkauft  wurde. ^)  Gern  verkaufte  man  Jahr  für 
Jahr  den  ganzen  Ertrag  der  Schafherde  —  Milch,  Käse,  Wolle  und 
Lämmer  —  einem  Unternehmer.  ^)  Offenbar  hatte  die  städtische  Industrie 
auf  dem  Gebiete  der  Textilindustrie  das  Hauswerk  der  alten  Zeit  zu  be- 
einträchtigen begonnen.  Nur  das  Flicken  der  centones  und  cuculliones 
wird  noch  als  Hausarbeit  der  Sklaven  genannt.'')  Die  pila  fullonica,  die 
in  dem  Gutsinventar  vorkommt,*)  diente  vermutlich  nur  zum  Reinigen  der 
getragenen  Kleider,  nicht  zum  Verfilzen  neuer  Wollstoffe. 

Ob  auch  die  mannigfachen  in  c.  10  und  11  erwähnten  Decken,  Kissen, 
Matratzen  u.  s.  w.  (operimenta,  instrata,  instragula,  pulvini,  culcitae,  cet.) 
zu  Hause  verfertigt  oder  gekauft  wurden,  wird  nicht  gesagt.  Wahr- 
scheinlich ist  das  letztere. 

Cato  rät  dem  jungen  Landwirt  sich  nicht  sogleich  auf  Neubauten 
einzulassen,  sondern  damit  lieber  zu  warten,  bis  die  Äcker  in  gutem 
Stande  sind.*)  In  der  Tat  erforderte  der  Aufbau  einer  villa  mit  den 
nötigen  Vorratshäusern  einen  bedeutenden  Geldaufwand,  um  so  mehr  als 
man  mit  den  eigenen  Arbeitskräften  nicht  fertig  wurde,  sondern  die 
Arbeit  durch  gedungene  Handwerker,  fabri,  ausführen  lassen  musste. 
Denn  die  Mauerarbeit,  die  grosse  Präzision  erforderte,  konnte  den  un- 
kundigen Gutsklaven  nicht  übergeben  werden.  Deshalb  zog  man  es  oft 
vor,  die  ganze  Bauarbeit  einem  faber  in  Verding  zu  geben. 

In  c.  14  werden  die  zwischen  dem  Bauherrn  und  dem  Unternehmer, 
condudor,  festzustellenden  Kontraktsbedingungen  erörtert.  Dieser  hatte 
nicht  nur  die  betreffenden  Baukonstruktionen  aus  Stein  und  Holz  aus- 
zufühi-en,  sondern  wenigstens  teilweise  auch  die  Einrichtung  zu  liefern: 
Bänke,  Stühle,  Webstühle,  Walkmühlen  u.  s.  w.  Jener  hatte  für  die  Arbeit 
alles  Material  zu  stellen:  Bauholz,  Steine,  Kalk,  Mauersand,  Wasser, 
Lehm  u.  s.  w.  Ausserdem  sollte  er  eine  Säge  und  eine  Richtschnur,  lineüj 
geben.«)  Es  scheint  diese  Sitte  ein  Überrest  aus  älterer  Zeit  zu  sein, 
wo  der  Handwerker  vom  Arbeitsgeber  nicht  nur  das  Material,  sondern 
auch  Werkzeuge,  wie  hier  die  schwer  transportable  grosse  Säge,  erhielt. 

Ebenso  wird  nach  c.  15  der  Aufbau  von  Mauern,  maceriae,  und 
Hauswänden  in  Verding  gegeben,  wobei  der  Bauherr  wieder  den  Kalk 
zu  liefern  hat.  Auch  das  Kalkbrennen  kann  einem  partiarim  übertragen 
werden.  ^    Offenbar  hatte  das  catonische  Mustergut  seinen  eigenen  Kalk- 


1)  c.  2, 7. 

2)  c.  150,  vgl.  oben  S.  81. 

3)  c.  2,  8. 

4)  c.  10,  5.  14,  2. 

5)  c.  3, 1. 

6)  c.  14,  3.    Der  verdorbene  Text  ist  von  Keil  durch  eine  einfache  Umstellung 
verständlich  gemacht  worden. 

7)  c.  16. 


38  H.  OummeruSy 

ofen,  fomax.  ^)  Ob  auch  die  Ziegel,  lateres,  an  Ort  und  Stelle  gestrichen 
wurden,^)  ist  nicht  auszumachen.«)  Es  mag  dies  durch  lokale  Verhält- 
nisse bedingt  gewesen  sein.  Die  gebrannten  Dachziegel,  tegulae,  nach 
deren  Zahl  beim  Hausbau  dem  faAer  conductor  die  Akkordsumme  be- 
rechnet wird,*)  kauft  man  am  Besten  in  Venafrum.*)  Sonst  wurde  be- 
kanntlich die  Ziegelei  bei  den  Römern  mit  der  gröberen  Töpferei  ver- 
einigt. Ziegel  und  rohe  Töpfe  für  Keller  und  Küche,  namentlich  die 
grossen  Dolien,  gingen  unter  dem  gemeinsamen  Namen  optui  doliare.^) 

Während  für  die  Stein-  und  Mauerarbeit  in  der  Regel  auswärtige 
Handwerker  herangezogen  wurden,  konnte  alle  nötige  Holzarbeit  meistens 
von  den  Gutsarbeitem  selbst  ausgeführt  werden.  Das  Holz,  niateria,  er- 
hält der  dominics  aus  dem  eigenen  Walde.  ^  Auch  soll  er  längs  der 
Wege  und  Ackerraine  Ulmen  und  Pappeln  pflanzen.^)  Zu  geeigneter 
Zeit  soll  er  dann  die  Bäume  fällen.^)  Die  so  gewonnene  mateHa  wird 
zu  verschiedenen  Zwecken  verarbeitet:  zu  Pfählen,  ridicae,  pali,  für  den 
Weinberg,*^)  zu  Hebebäumen,  vedes,  für  die  Ölpresse*^)  u.  s.  w.  Auch 
werden  in  den  Mussestunden  Kienspäne  geschnitzt.^*)  Alles  Brennholz, 
ligna,  wird  natürlich  vom  Gute  selbst  beschaflft.  Zu  diesem  Zwecke 
werden  von  den  Weinbergen  und  den  übrigen  Baumpflanzungen  alle  ab- 
gehauenen Stämme  und  Zweige  und  alle  Wurzeln  sorgfältig  in  Haufen 
gesammelt.^*)  Wo  Überfluss  an  Brennholz  vorhanden  ist,  wird  es  ver- 
kauft oder,  wenn  kein  Absatz  zu  finden  ist  und  es  in  Ermangelung  von 
Kalkstein  auch  nicht  zum  Kalkbrennen  benutzt  werden  kann,  werden 
Kohlen  daraus  gebrannt.^*) 

In  welchem  Umfange  sonst  die  nötige  Zimmermanns-  und  Tischler- 


1)  c.  38,  wo  der  Bau  einer  fornax  cälcaria  beschrieben  wird. 

2)  In  der  republikanischen  Zeit  wurden  die  Bauziegel  gewöhnlich  nicht  gebrannt. 
H.  Blümner,  Technologie  und  Terminologie  der  Gewerbe  und  Künste  bei  den  Chriechen 
und  Bömem,  II  S.  12. 

3)  c.  88,3  haben  die  Handschriften  ubi  fcudcts  lateres^  was  Keil  mit  Recht  in 
IcUere  ändert ,  denn  es  ist  hier  nicht  vom  Ziegel-,  sondern  vom  Kalkbrennen  die  Rede. 

4)  c.  14,  4,  wo  die  von  Keil  vorgenommene  Umstellung  im  Texte  des  Archetypus 
nicht  vom  Inhalte  gefordert  wird.  Die  von  Cato  vorgeschriebene  Berechnungsweise  wird 
jetzt  durch  die  aufgefundenen  Fragmente  des  Stadtrechtes  von  Tarent  bestätigt.  S. 
Hauler  a.  0.  S.  19. 

5)  c.  135, 1  tegulae  ex  Venafro. 

6)  Marquardt,  Privatleben^  S.  685. 

7)  c.  1,  7  Silva  caedua. 

8)  c.  6,  8. 

9)  c.  17,  1.  31,  2. 

10)  c.  37,3.  —  Auch  in  den  alten  Bauernkalendern,  Menologia  rustica,  erscheint 
dies  als  eine  Hausarbeit  der  Winterzeit.  CIL,  1, 1,  Ed.  2  S.  280  Menologinm  rusticum  Colo- 
tianum,  Jan.  11:  palus  aquitur,  scdix  harundo  caeditur.    Men.  rust.  VaUense  Jan.  12. 

11)  c.  31,  1. 

12)  c.  37,  3  faculas  facito. 

13)  c.  37,  5.  50,  2.  55. 

14)  c.  7,  1.  38,  4. 


Dei'  römische  Gutsbetrieb, 


89 


arbeit  von  den  eigenen  Leuten  ausgeführt  werden  mochte,  und  was  an 
hölzernem  Inventar  von  aussen  gekauft  wurde,  lässt  sich  nicht  leicht  ent- 
scheiden. Es  musste  sich  dies  je  nach  der  Anzahl  und  Gewandtheit  der 
Sklaven  verschieden  gestalten.  C.  18—22  wird  die  Einrichtung  der 
Ölkelter,  torcularium ,  mit  der  dazu  gehörigen  Quetschmaschine,  trapetus, 
und  der  Wein-  und  Ölpresse,  prelum^  von  Cato  in  allen  ihren  Einzelheiten 
genau  beschrieben.  Er  scheint  dabei  vorauszusetzen,  dass  die  Holzarbeit 
von  den  eigenen  Leuten  ausgeführt  wird,  während  man  die  Eisenkonstruk- 
tionen dem  Schmiede,  faber,  überlässt.') 

Neben  der  Holzarbeit  bildet  die  Anfertigung  von  allerlei  Flecht- 
werken eine  Hauptbeschäftigung  der  Hausleute  in  den  Mussestunden. -) 
Namentlich  werden  für  die  Oliven-  und  Weinlese  die  erforderlichen  Körbe 
zu  Hause  geflochten  und  zu  dem  Zwecke  die  Weidenruten,  vimina,  sorg- 
fältig aufbewahrt.») 

Aber  nicht  alle  Flechtwaren  konnte  man  zu  Hause  herstellen.  Be- 
sonders die  fiscinae,  die  aus  Binsen,  Eibischruten  oder  spanischem  Pfriemen- 
gras, spartum,  geflochten  wurden,  und  worin  die  Oliven  und' Trauben 
unter  dem  prelum  gepresst  wurden,^)  musste  man  von  den  städtischen 
Handwerkern  kaufen.  *)  Vermutlich  war  dies  auch  mit  vielen  der  übrigen 
aus  Flechtwerk  gemachten  Bedarfsartikel  der  Fall,  die  unter  den  Guts- 
inventarien  vorkommen:  crates,  fiscellae,  sportae,  »irpeae,  urnae  und  am- 
lihorae  sparteae,  quala  sataria  u.  a.  Ob  die  corbulae  amerinae^)  wirklich 
aus  Ameria  in  Umbrien  bezogen  wurden,  wie  Magerstedt  annimmt,  ^  oder 
ob  corbulae  ameiinae,  wie  fiscinae  romanicae  und  campanicae ,  nur  eine 
gewisse  Qualität  von  Körben  bezeichnet,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 
Auch  später  war  Ameria  durch  seine  Weidenruten  berühmt.'') 

Seile  und  Stricke  wurden  entweder  aus  spartum  oder  aus  Riemen 
gedreht.^)  Dass  diese  Arbeit  von  den  Hausleuten  ausgeführt  werden 
konnte,  zeigt  die  schon  öfters  zitierte  Stelle  c.  2,  3,  wo  als  Beschäftigung 


1)  c.  21,  5. 

2)  c.  23, 1  corbulae  sarciantur  .  . .  quala  parentur^  aarciantur. 

3)  c.  31,  1  vimitia  maturaj  salix  per  tempua  legatur,  uti  sit  unde  corbulae  fiant 
et  veter  es  aarciantur.  c.  33,  5  vimina  ^  unde  corbulae  fiant ,  conservato.  Vgl.  c.  23,  1. 
26.  68:  fiacinaCy  eorbulaef  quala, 

4)  Bltimner,  Technologie  I,  338. 

5)  An  der  verdorbenen  Stelle,  c.  135,  2 f.  heisst  es:  fiacinae  campanicae  -f  eame 
utilea  aunt.  funea  aubductarioa,  apartum  omne  Capuae:  fiacinaa  romanicaa  Sueaaae,  Caaino 
*  optimae  eruni  Bomae,  Die  verschiedenen  Verbesserungsversnche  der  Herauigeber 
sind  sämtlich  ansicher.  Am  besten  begründet  ist  die  Konjektur  Pontederas:  fiacinae 
campanicae  oleariae  utilea  aunt.  Welches  inatrumentum  ruaticum  vor  optimae  genannt 
gewesen  ist,  ist  nicht  ausKomachen. 

6)  c.  11,5. 

7)  A.  Fr.  Magerstedt,  BOder  aua  d.  räm.  Landwirt$ehaft^  1, 176.  Das  flelMige  Werk 
lässt  an  Gtoaoigkeit  dar  Zitate  und  philologischem  VentimUiit  viel  su  wünschen  übrig. 

8)  Jmerim  müix,  Golam.  lT«aO»i.    Ftta.  «.  h.  XVI,  177.  . 
i)  c*  8,  5  funfM  h^r^i  und  itparieu 


40  H.  Gmnmep'us, 

der  Sklaven  an  Regentagen  auch  funes  sarciji,  novos  fieri  genannt  wird. 
Die  Qualität  der  zu  Hause  gedrehten  Seile  mag  jedoch  nicht  allzu  gut 
gewesen  sein.  Es  wurden  Stricke  von  allen  Sorten  in  Capua  gekauft.^) 
Dies  erklärt  sich  um  so  leichter,  als  das  Rohmaterial,  spartum,  in  Italien 
nicht  einheimisch  war,  sondern  importiert  wurde,  hauptsächlich  aus 
Spanien,  2)  wo  es  noch  jetzt  unter  dem  Namen  eaparto  bekannt  ist.=0 

Zu  den  funes  lorei  dagegen  erhielt  man  das  Rohmaterial,  die  Häute, 
vom  Gute  selbst.  Es  mag  sein,  dass  die  einfachen  Riemen,  lora,  teilweise 
zu  Hause  verfertigt  wurden,  wie  es  noch  hie  und  da  bei  den  Bauern  ge- 
schieht. Gewöhnlich  aber  überliess  man  die  Arbeit  einem  Seiler,  restio. 
Es  geht  dies  aus  c.  135,  3 — 5  hervor.  Cato  rät  hier  die  funes  lorei,  be- 
sonders den  für  die  Ölpresse  erforderlichen  funis  torculus,  aber  auch  zu 
anderen  Zwecken  bestimmte  Seile  (in  plostrum,  ad  aratrum  u.  s.  w.)  durch 
den  Seiler  L.  Timnitis  zu  Casinum  oder  C,  Mennius  L.  filim  in  Venafrum 
zusammendrehen  zu  lassen.  Die  Häute,  coria,  die  man  dem  Seiler  gibt, 
muss  man  erst  gerben  lassen.  Diese  Arbeit  war  in  der  älteren  Zeit  „eine 
häusliche,  nicht  gewerbmässige  Tätigkeit,  welche  auf  dem  Lande  in  allen 
grösseren  Wirtschaften  ausgeübt  wurde."*)  Jedoch  trat  die  Gerberei  bei 
den  Römern  schon  früh  als  besonderes  Gew  erbe  auf.  Die  Gerber,  coriarii, 
kommen  schon  unter  den  ältesten  Handwerkerzünften,  denen  des  Numa, 
vor. 5)  Es  ist  darum  anzunehmen,  dass  auch  das  Gerben  der  vom  Gute 
gewonnenen  Häute  einem  städtischen  Handwerker  überlassen  wurde. 

Wir  kommen  jetzt  zu  Gebieten,  auf  denen  der  Gutsbesitzer  nach 
Catos  Darstellung  ausschliesslich  auf  das  städtische  Gewerbe  angewiesen 
ist,  der  Töpferei  und  der  Metallindustrie.  Unter  den  in  c.  10 
und  11  aufgezählten  Gutsinventarien  nehmen  die  Gefässe  und  Geräte  aus 
Ton  und  Metall  einen  bedeutenden  Raum  ein. 

Die  Arbeit  in  Ton  gehört  zu  den  ältesten  Gewerbszweigen.  Ur- 
sprünglich wurden  die  Gefässe  kunstlos  mit  der  Hand  geformt.  Gefässe 
dieser  Art  hat  man  in  der  altlatinischen  Nekropole  am  Albanersee  und 
in  den  Gräbern  auf  dem  Esquilin  gefunden.^)  Sie  sind  ohne  Hilfe  der 
Drehscheibe  gemacht  und  nur  unvollständig  gebrannt.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  die  Töpferei  auf  diesem  Stadium  noch  als  Hauswerk  betrieben  \^Tirde. 
Die  Alten  selbst  waren  dieser  Ansicht")  Aber  sehr  früh  muss  sich  ein 
besonderer  Stand  von  berufsmässigen  Töpfern  gebildet  haben.  **)    Unter 

1)  c.  185,  3  funes  subductarios,  spartum  omne  genus  Capuae. 

2)  Strabo  IIT,  4,  9 :  tt^v  axoivoTtXoxixriv  tpvov  anagtov  i^ayoiyriv  fxovöav  tig  ndvxu 
t6nov  xal  ^idXtöta  sig  rr}V  'ItaXiav. 

3)  Blümner,  Technologie,  I,  294. 

4)  Blumner,  Technologie,  I,  256. 

5)  Plut.,  Numa  17  axvrod^'tpai  neben  (xxvrordfioi,  Schuster. 

6)  W.  Heibig,  Die  Italiker  der  Poebene,  S.  82  ff. 

7)  Tib.  I,  1,  39:      Fictilia  antiquus  primum  sibi  fecit  agrestis 

pocula  de  facili  composuitque  luto. 

8)  Vgl.  E.  Wezel,  De  opificio  opificibusque  apud  veter  es  Romanos,  Berlin  1881,  S.  22  ff. 


Der  römische  Outsbetrieh,  41 

den  ältesten  Handwerkerzünften  befand  sich  auch  diejenige  der  Töpfer, 
figuli.^)  Zu  Catos  Zeit  hatte  sich  die  Töpferei  gänzlich  von  der  Haus- 
wirtschaft losgemacht.^)  Die  vielen  verschiedenartigen  tönernen  Gefässe, 
die  bei  Cato  als  Gutsinventarien  vorkommen,  in  erster  Reihe  die  grossen 
Wein-  und  Ölgefässe:  seriae,  dolia,  lahra,  amphorae,  dann  eine  ganze 
Menge  kleinerer  Gefässe,  wie  umae,  urcei,  lagonae,  caUces,  concue, 
aulae  (oder  ollae) ,  sowie  Lampen ,  lucemae  u.  s.  w.  wurden  in  der  Stadt 
gekauft.  Die  grossen  Wein-  und  Ölfässer  soll  man,  sagt  Cato,  in  der 
Hauptstadt  selbst  kaufen.'*)  Sonst  aber  wurde  das  Tongeschirr  zweifel- 
los aus  den  campanischen  Städten  bezogen,  obwohl  Cato  dies  nicht  aus- 
drücklich bezeugt.*)  Denn  die  einfachen  campanischen  Töpferwaren, 
Campana  supellex,^)  waren  gerade  als  Küchengeschirr  sehr  beliebt.^») 
Besonders  in  Cumae  und  Cales  blühte  diese  Industrie.')  Auch  Varro 
kannte  den  guten  Ruf  des  calenischen  und  cumanischen  Geschirrs.^) 

Als  Hausarbeit  bleibt  also  auf  diesem  Gebiete  nur  das  Ausbessern 
und  Kitten^)  wie  das  Auspichen  der  Dolien/**)  das  durch  die  Hausleute 
an  Ort  und  Stelle  ausgeführt  wird. 

Wie  die  Töpferei  gehört  auch  die  Met  allarbeit  zu  den  Gewerben, 
die  am  frühsten  von  der  Hauswirtschaft  losgelöst  wurden.  Unter  Numas 
Handwerkerzünften  befanden  sich  auch  die  fabri  aerarii^^)  Ob  mit  dieser 
Benennung  nicht  nur  die  Erzschmiede,  bez.  Erzgiesser,  sondern  auch  die 
Eisenschmiede,  fahrt  ferrarii,  bezeichnet  worden  sind,  *')  sei  dahingestellt. 

1)  Plut.  Numa  17:  xtgatulg.    Plin.  n.  h.  XXXV,  159. 

2)  Wenn  M.  Voigt,  Die  XIL  Tafeln,  I,  S.  27  A.  45  zu  der  eben  angeführten 
Tibullus-Stelle  sagt:  ,Mit  Rücksicht  hierauf  behandelten  die  Sasernae  die  Töpfer- 
fabrikation als  Stück  der  res  rustica*,  so  hat  er  die  SteUe  bei  Varro,  r.  r.  I,  2,22 
falsch  verstanden.  Wenn  einige  Grundbesitzer  Ziegeleien  und  Töpfereien,  figlinae^ 
auf  ihren  Gütern  anlegten ,  so  geht  dies  keineswegs  auf  die  alte  Zeit  der  Hanswirt- 
schaft zurück,  wo  der  Landwirt  sein  Töpfergerät  selbst  anfertigte,  sondern  zeigt  gerade 
umgekehrt  den  Reim  der  neuen  kapitalistischen  Betriebsform  der  römischen  Töpfer- 
industrie. 

3)  c.  135,  1  Romae  dolia^  labra.  Vielleicht  ist  jedoch  zu  lesen:  Albaej  Ramae  dolia, 
labrttf  s.  unten  S.  44.  —  Vgl.  die  Grabschrift  des  M.  Manneius  M,  l  Apeüa  cuUearius 
aus  Rom,  CIL.  VI,  83846. 

4)  Die  umae  und  urceiy  welche  man  nach  c.  135,  2  in  Capua  kaufen  soll,  sind 
nicht  tönerne,  sondern  eherne  Gefässe,  s.  unten  S.  43  A.  8. 

5)  Hör.  Sai.  I,  6,  118. 

6)  H.  Blümner,  Die  gewerbliche  Tätigkeit  der  Völker  des  klassischen  Altertums, 
S.  115  ff. 

7)  Marquardt,  Privatleben,  S.  659.  661  A.  2.    Blümner  a.  0.  S.  116.  118. 

8)  Varro  bei  Nonius  545,2  (Müller):  Calenas  obbas  et  Oumanos  calices.  Irrig 
zitiert  Hülsen  (Pauly-Wissowa,  III,  1852)  Cato  c.  135  als  Beleg  für  die  calenische  Ton- 
industrie.    Es  wird  da  nur  von  calenischen  Met  all  waren  gesprochen. 

9)  c.  89,  1 :  vincire,  aUigare  oder  sarcire. 

10)  c.  2,  3.  23,  1.  39,  1:  picare.    Auch  in  den  Bauemkalendem :  Menol.  rust.  a.  O., 
Sept.  13:  dolea  picantur. 

11)  Plin.  n.  h.  XXXIV,  1.    Plut.  Numa  17:  xaXxhlg. 

12)  So  L.  Beck,  Die  Geschichte  des  Eisens,  I,  483. 


42  H.  Oummerus, 

Wahrscheinlich  ist  es  allerdings.  Das  griechische  Wort  ;^ailxei;^  hat 
sowohl  bei  Homer  als  bei  späteren  Schriftstellern  diese  doppelte  Be- 
deutung.^) Dass  Eisenschmiede  sehr  früh  bei  den  Römern  vorgekommen 
sein  müssen,  geht  aus  allen  Zeugnissen  hervor,  es  sei  denn,  dass  die 
Kömer  ihren  Bedarf  an  Metallgeräten  lange  Zeit  grösstenteils  durch  Import 
von  den  Etruskern  befriedigten.  2)  Auf  die  alte  Streitfrage,  ob  das  Kupfer, 
bez.  das  Erz,  oder  das  Eisen  bei  den  Griechen  und  Römern,  wie  bei  den 
europäischen  Völkern  überhaupt,  älter  ist,  können  wir  hier  nicht  ein- 
gehen.»)  Sicher  ist,  dass  die  Eisenschmiede  in  Rom  von  alters  her  als 
selbständige  Handwerker  existierten,  was  übrigens  schon  in  der  Natur 
der  Sache  liegt    Genannt  werden  die  fabri  ferrarii  zuerst  von  Plautus.*) 

Cato  erwähnt  den  fabe}-  mit  dem  ausdrücklichen  Epitheton  ferrarim 
nur  einmal,  und  da  nur  gelegentlich.  Er  rät  die  Trauben  in  der  Schmiede 
aufzuhängen:  ad  fahrwni  ferr avium  pro  passis  eae  (sc,  uvae)  rede  servan- 
tur.^)  Cato  scheint  es  also  als  selbstverständlich  anzunehmen,  dass  der 
Schmied  in  der  Nähe  des  Gutes  wohnt.  Dass  dieser  Schmied  nicht  zu 
den  Gutssklaven  zu  rechnen  ist,  zeigt  die  oben  zitierte  Stelle,®)  wo  Cato, 
nachdem  er  den  Bau  der  zu  dem  traj)etiii<  gehörenden  cuj^a  beschrieben 
hat,  sagt:  fe^'rum  factum  quod  opus  ent  uti  idem  faber  (d.  h.  derselbe 
der  das  Eisen  geschmiedet  hat)  figat:  ifBLX  opus  sunt  [cum]  plumbum 
<m>  cupam  emito  HS  IUI.  cupam  qui  concinnet  et  modiolos  qui  indut  et 
plumbet,  o^peras  fabri  dumtaxat  SB  VIII:  idem  trapetum  oportet  accom- 
modet.  summa  sumptti  HB  LXXII  praeter  adiutores.  Der  mit  dieser 
Arbeit  beschäftigte  faier  ist  somit  ein  auswärtiger,  nicht  zu  dem  unfreien 
Gutspersonal  gehörender  Handwerker,  dem  der  Gutsbesitzer  Tag  für  Tag 
seinen  Lohn  zahlt.  Wenn  er  mit  dem  in  c.  7,  2  erwähnten  faher  ferrarius 
identisch  ist,  so  haben  wir  ihn  wohl  als  einen  Dorfschmied  zu  betrachten, 
der  seine  eigene  Schmiede  hat  und  von  Zeit  zu  Zeit  auf  den  umher- 
liegenden Höfen  gegen  Tagelohn  arbeitet.  Er  gehört  offenbar  der  Klasse 
der  freien  ländlichen  Handwerker,  welche  Varro  amiiversarii  vicini,  jähr- 
lich wiederkehrende  Nachbarn,  nennt.') 

Es  scheint  also,  dass  für  alles,  was  an  Metallarbeit  auf  dem  Gute 
nötig  war,  auswärtige  Handwerker  gedungen  wurden.  Dazu  stimmt,  dass 
nach  Catos  Darstellung  alle  metallenen  Geräte,  und  zwar  sowohl  die 
kupfernen  (bronzenen)  als  die  eisernen,  in  der  Stadt  gekauft  wurden. 

1)  BlUmoer,  Technologie,  IV,  822. 

2)  Beck  a.  0.  S.  485. 

3)  S.  hierüber  die  besonoeneD  Erwägungen  von  BlUmner,  Technologie,  IV,  38ff.^ 
sowie  die  etwas  gefärbte  Darstellung  bei  Beck  a.  0.  S.  85  ff. 

4)  Plautus  Rud,  581. 

5)  c.  7,  2.  Auch  Plinius,  w.  h.  XIV,  16  sagt,  dass  der  Rauch  der  Schmiede, 
fumus  fabrilis  (nach  Silligs  Lesart;  Mayhoff  koojiziert:  fahriUs  uvas,  was  denn  doch  zu 
kühn  scheint)  den  Trauben  guten  Geschmack  gibt. 

6)  c.  21,  5,  oben  S.  39. 

7)  Varro  r.  r.  1,  16,  4.     Darüber  unten  S.  68. 


Der  römische  GuUhetrieh.  43 

Die  kupfernen  Gefässe,  vasa  ahenea,  waren  als  Küchen-  und  Wirt- 
schaftsgeräte in  jedem  römischen  Haushalte  unentbehrlich.  ^)  Bekanntlich 
wurden  viele  Gegenstände,  die  in  unserer  Zeit  aus  Eisen  gemacht  werden, 
im  Altertum  aus  Kupfer  oder  Bronze  hergestellt.  Nach  Cato  werden 
die  vasa  dheiiea^)  am  besten  aus  Capua  und  Nola  bezogen:  hamac, 
wnae  oleariae,  urcei  aqtmrii,  umae  vinariae,  alia  vasa  ahenea  Capuue, 
Noiae,  ^) 

Die  Metallindustrie  Campaniens  datiert  wahrscheinlich  aus  den  Zeiten, 
wo  Capua  und  Nola  etruskische  Städte  waren.  Auch  später  hatten  die 
Bronzewaren  von  Campanien,  und  zwar  vornehmlich  diejenigen  aus  Capua, 
einen  guten  Ruf.*)  Ein  L.  Ävius  . . .  aerarius  aus  Capua  vetus  ist  aus 
einer  Inschrift  bekannt.  *) 

Der  Handel  mit  bronzenen  Gefässen  war  recht  einträglich,  was  die 
Grabschriften  vieler  negotiatores  aerarii^)  oder  vascularii,'^)  von  denen  nicht 
wenige  vermögende  und  angesehene  Männer  gewesen  sein  müssen,  zeigen. 
Eine  Vorstellung  von  der  Art  und  Weise,  wie  die  vascularii  ihren  Handel 
trieben,  gibt  uns  u.  a.  ein  aus  Herculaneum  stammendes  Wandgemälde, 
auf  dem  Szenen  aus  dem  Marktleben  einer  kleineren  Stadt  dargestellt 

1)  Marquardt,  Privatleben,  S.  709. 

2)  c.  66,  1.  95, 1.  122.  135, 2.  einfach  dheneum  oder  ahenum:  c.  10, 2.  11, 2.  u.  ö.  aula 
cihenea:  c.  81;  truUa  ahenea:  c.  13,  2,  und  was  sonst  an  kupfernen  Geräten  genannt 
wird,  bes.  c.  10—13. 

3)  c.  135,2.  Die  hier  genannten  umae  oleariae  und  vinariae  sowie  die  urcei 
aquarii  werden  oft  als  tönerne  Gefässe  aufgefasst,  und  die  SteHe  wird  zitiert  als  Be- 
weis für  die  Bedeutenheit  der  Töpferindustrie  in  Capua,  wo  sie  allerdings  naoh  den 
Funden  zu  schliessen  eine  nicht  geringe  Blüte  erreicht  haben  muss.  (So  B.  Büchsen- 
schütz,  Die  HauptstätUn  des  Gewerbfleisses  im  kkuaischen  Altertum ^  S.  24  A.  6. 
J.  Beloch,  Campanien,  2.  Aufl.,  S.  340  A.  27.  Nissen,  Ital  Landeskunde,  II,  703.  A.  8; 
Allein  diese  Auffassung  ist  nicht  richtig.  Zwar  kommen  die  umae  und  urcei  meiit 
als  tönerne  GefÜsse  vor  (Marquardt,  Privatleben ,  S.  648  f.).  Cato  spricht  c.  13,  3  aus- 
drücklich von  urcei  fictües.  Aber  die  in  c.  11,8  erwähnten  urcei  aquarii  sind  bronzene 
Gefässe,  wie  das  ahenum  coculum  und  die  nassitema,  wie  es  Varro,  der  diese  Stelle  zitiert 
(f.  r.  1, 22,  8),  ausdrücklich  bezeugt:  ex  aere  ahenea,  urceos,  nassitemam,  item  alia.  Auch 
umae  aus  anderem  Material  als  Ton  sind  nicht  unbekannt.  Cato  c.  11,  2  erwähnt 
umae  sparteae  sowie  amphorae  sparteae.  Hama  (Feuereimer)  schliesslich  ist  wie  die 
römischen  Eimer  überhaupt  (Marquardt  a.  0.  S.  656  A.  8)  ohne  Zweifel  von  Bronze. 
Man  hat  also  mit  Marquardt  a.  0.  S.  714,  H.  Blümner,  Die  gewerbliche  Tätigkeit, 
S.  118  A.  6  und  Hülsen,  bei  Pauly -Wissowa  III,  1558  alle  jene  aufgezählten  GefäMe 
als  vasa  ahenea  au&ufassen  und  die  angeführte  SteUe  so  zu  übersetzen:  «Feuereimer, 
Ol-,  Wasser-  und  Weinkrüge  sowie  andere  eherne  Gefässe  (nicht  etwa:  «ausserdem 
eherne  Gefässe*  oder  «und  andere  Gefässe,  auch  eherne*,  was  allerdings  grammati- 
kalisch unantastbar  wäre)  aus  Capua  und  Nola.* 

4)  PHd.  n.  h.  XXXIV,  95.    Vgl.  BlUmner,  Gewerbl  Tätigkeit,  S.  118. 

5)  CIL.  X,  3988.    Ein  aerarius  aus  Benevent:  IX,  1723. 

6)  CIL.  VI,  9664  negotiator  aerarius  et  ferrarius  (Rom). 

7)  «Händler  mit  verschiedenen  Gebrauchsgeschirren*  (Marquardt,  Privatleben, 
S.  696).  Vascularii  in  Inschriften:  CIL.  VI,  1065.  3592.  9138.  9952—58.  33918— 19a 
(Rom);  IX,  1720  (Beneventum) ;  X,  7611  (Sardinien);  XIV,  467  (Ostia). 


44  H.  Oummertis, 

sind.    Man  sieht  hier  einen  Kupferschmied,  der  seine  Gefässe,  Schalen 
und  Kessel  einem  Käufer  feilbietet.*) 

Ebenso  wichtig,  ja  noch  wichtiger  wie  die  vasa  ahenea  sind  für  den 
Landwirt  die  Eisengeräte,  ferramenta.  Solche  von  guter  Qualität  zu 
haben  war  der  Stolz  jedes  umsichtigen  jyater  familias,*)  Es  gehörten 
dazu:  Spaten  und  Schaufeln,  j^ate,  bipalium,  rutrum;  Hacken,  ligo,  rastrum, 
mrculum,  ferrea;  Hippen,  falces,  besonders  die  Garten-  und  Winzermesser, 
falculae  arborariae,  mneaticae;  Äxte,  secures;  Sägen,  serrae;  Messer, 
scalprum,  culter,  u.  a.  Werkzeuge  und  Hausgeräte.^)  Sehr  wichtig  war 
es  natürlich  Pflugscharen,  vomeres,  aus  gutem  Eisen  zu  haben.*)  Noch 
gehört  hierzu  der  Arbeitswagen,  plaicstrum  (bei  Cato  x>^ostrum\  den  Varro 
zu  den  instrumenta  rustica  rechnet,  die  aus  Eisen  und  Holz  gemacht 
werden.  *) 

Alles  dieses  Eisengerät  kaufte  man  in  den  Städten:  (c.  185, 1)  Cali- 
hus  et  Minturnis  cuculliones,  ferramenta,  falces,  palas,  ligones,  secures, 
omamenta,  murices,  catellm:  Venafro  palas,  Suessae  et  in  Lucanis  plos- 
tra,  treblae  albae.  ...  (§2)  aratra  in  terram  validum  romanica  bona 
erunt,  in  terram  pullam  campanica,  .  .  .  vomei'is  indutilis  ojHimus  erit  .  .  . 
claves,  clostra  Bomae. 

Die  omamenta,  murices  und  catellae  sind  verschiedenes  Geschirr  für 
das  Zugvieh.®)  Ob  man  mit  Keil  treblae  albae  zu  verbinden  hat,  ist 
zweifelhaft,  treblae  ist  wohl  als  Appellativ  aufzufassen,  denn  schwerlich 
darf  man  an  die  kleine  Stadt  Trebula  nördlich  von  Capua  denken. ')  Die 
gewöhnliche  Deutung  treblae  =  tribulae ,  Dreschwagen ,  ist  annehmbar, 
obwohl  aus  Mangel  an  Parallelstellen  unsicher.  Aber  „weisse  Dresch- 
wiBigen"  ist  Unsinn.  Vielmehr  müssen  wir  mit  den  älteren  Herausgebern 
das  Wort  albae  als  Städtenamen  auffassen  und  zum  folgenden  ziehen. 
Die  Interpunktion:  Suessae  et  in  Lucanis  plostra,  treblae.  Albae,  Romae 
dolia,  labra  ist  deshalb  wohl  die  richtige.  Alba  ist  die  bekannte  Stadt 
am  Fucinersee.  —  So  viel  ist  klar:  zu  Suessa  und  in  Lucanien  kauft 
man  am  besten  die  Arbeitswagen.  Wo  die  Pflüge  und  die  dazu  gehörenden 
einfügbaren  Scharen,  vomeres  indutiles,  zu  kaufen  sind,  sagt  Cato  nicht, 
denn  die  Attribute  romanica  und  campanica  bezeichnen  nur  verschiedene 


1)  Reproduziert  ist  das  Bild  von  Jahn,  AbhantU.  d,  Sachs.  GeseÜsch.  d.  Wissensch.^ 
phil'hist  Kl,  1868,  Taf.  II,  1,  nach  ihm  von  Blümner,  Technologie,  IV  S.  252. 

2)  Vgl.  die  Anekdote  von  dem  braven  Landwirt  and  Freigelassenen  C,  Furitis 
Chresimus ,  der  seine  ferramenta  egregie  facta ,  gravis  ligones ,  vomeres  ponderosos  als 
Beweismaterial  vor  Gericht  brachte  (Plinius  XVIII,  41  ß.). 

3)  S   das  Inventar  in  c.  10  und  11. 

4)  c.  5,  6:  aratra  vomeresque  facito  uti  bonos  habeas. 

5)  Varro  r.  r.  I,  22,  8. 

6)  S.  Schneider,  Conm.  S.  52  u.  172. 

7)  Nissen,  Ital  Landesktinde,  II,  800.  —  CIL,  X,  4553—69  und  dazu  Mommsen  ebd. 


Der  römische  Outshetrieh.  45 

Pflugtypen.  0  —  Eom  wird  nur  für  Schlüssel  und  Schlösser  als  Bezugs- 
ort genannt') 

Die  hier  als  Bezugsorte  für  Eisenwaren  namhaft  gemachten  Städte 
waren  selbstverständlich  keineswegs  die  einzigen  in  dieser  Landschaft, 
wo  solche  verfertigt  wurden.  Jede  Stadt  hatte  natürlich  ihre  fahri 
ferrarii,  ferramentarii,  falcarii,  cultrarii,  clostrarii,  cluvarii,  u.  s.  w.*)  Ein 
Q.  Tiburtius  Q.  l  Menolavus  cultrarius  zu  Capua  aus  republikanischer 
Zeit  ist  inschriftlich  bekannt.*)  Ein  OnesimtLs  act(pr)  ferr(ariarum)  aus 
Cumae^)  scheint  Aufseher  einer  Schmiedewerkstatt  gewesen  zu  sein. 
Sulmo  im  Paelignerland  war  später  durch  seine  guten  Stahlwaren  be- 
rühmt. *)  In  Pompeji  hat  man  die  Werkstatt  eines  Grobschmiedes  (ferrarius) 
oder  eines  Wagners  (jplaustrarit^)  aufgefunden,  worin  sich  ausser  ver- 
schiedenen Schmiedewerkzeugen  auch  Wagenachsen  und  die  Felge  eines 
Rades  befanden.^ 

Diese  Handwerker  hatten  natürlich  auch  ihre  Verkaufstätten.  Ein 
auf  der  Via  Nomentana  in  Rom  gefundener  grosser  dppm  stellt  in  zwei 
Reliefs  die  Werkstatt  und  den  Laden  des  Messerschmiedes  (cultrarius) 
L.  Cornelius  Atimetus  dar.*^)  Die  an  der  Ladenwand  ausgehängten 
krummen  Werkzeuge,  die  Jahn  als  chirurgische  Instrumente  auffasste, 
sind  vielmehr  allem  Anschein  nach  Gartenmesser,  falculae  arhorariae, 
vir^aticcLe.^)  Auch  Händler  mit  fertigen  Eisenwaren,  negotiatores  ferrarii,^^) 
kamen  vor.  Wahrscheinlich  ein  Grosshändler  in  dieser  Branche  war  der 
F,  Caulius  Coeranus  negotiator  ferrariarum  et  vinariariae  zu  PuteplL^^) 

Alles  Eisen,  das  in  den  italischen  Städten  verarbeitet  wurde,  musste 
importiert  werden,  denn  die  Apenninen  sind  bekanntlich  —  mit  Aus- 
nahme des  „toscanischen  Erzgebirges"  —  arm  an  Metallen.*^)  Eine  un- 
erschöpfliche Quelle  in  dieser  Beziehung  war  von  jeher  die  kleine  Insel 

1)  Keil,  Obaervationes  ciiticae  S.  57,  glaubte,  dass  der  Name  der  Stadt,  wo  der 
vomeriSf  oder  wie  er  damals  Doch  las,  romis,  gekauft  werden  sollte,  ausgefialleD  sei,  was 
sich  jedoch  nicht  annehmen  Ifisst. 

2)  Die  Notizen  bei  Buchsenschutz,  Hauptsiätien ,  S.  45  (Nägel  in  Nola)  und  bei 
Blumner,  Gewerbl  Tätigkeit,  S.  119  (Schlüssel  und  Körbe  aus  Nola)  beruhen  teils  auf 
tiüchtiger  Lesung  {claves  als  clavi  Übersetzt),  teils  auf  unrichtiger  Interpunktion  {Noiae 
ad  Rufri  maceriam  daves  . . .  Nolae  fiacinae  CampanicM  in  Schneiders  Edition). 

8)  Über  die  Spezialge  werbe  s.  Marquardt,  Privatlebeny  S.  715. 

4)  CIL.  I,  1218  =  X,  8984.    Ein  zweiter  cuUrariua  in  Capua  X,  3987. 

5)  CIL,  X,  1913. 

6)  Plin.  n.  Ä.  XXXIV,  145. 

7)  Overbeck,  Pomp^,  4.  Aufl.  8.  380. 

8)  Zuerst  abgebildet  und  beschrieben  von  0.  Jahn,  Berichte  d,  Sächa.  Gea.  d.  Wiaa. 
Phil'Hiat.  Kl.,  1861  S.  328  ff.;  Amelung,  Sculpt.  d.  vat  Mua,  I  S.  275 ff.,  Taf.  30  No.  147. 

9)  Guhl  und  Koner,  Leben  der  Griechen  und  Römer,  6.  Aufl.  S.  779.  S.  Reinach 
bei  Daremberg-Saglio,  Dictionnaire  dea  ÄnHquitiSt  I,  1584,  Art.  culier. 

10)  CIL.  VI,  9664—66  (Rom);  II,  1199  (Hispalis  in  Baetica). 

11)  CIL,  X,  1981. 

12)  Nissen,  a.  0.  I,  221 


46  H,  OummeriiSf 

Elba  (Hva,  Al&dXua)  an  der  etrurischen  Küste,  deren  reiche  Eisengruben 
sehr  früh,  wie  einige  behaupten,  schon  seit  dem  8.  oder  sogar  10.  Jahrh. 
V.  Chr.,  von  den  Etruskem  betrieben  wurden.*)  Von  dieser  Insel  wurde 
das  Eisen  in  rohem  Zustande  nach  den  Hafenstädten  des  Festlandes,  nament- 
lich Puteoli  (Dikaiarchia),  geführt,  wo  es  von  den  Grossindustriellen  auf- 
gekauft und  in  ihren  Werkstätten  teils  zu  „vogelähnlichen"  Masseln, 
teils  zu  Hacken,  Sicheln  und  anderen  Werkzeugen  geschmiedet  wurde. 
Die  puteolanischen  Eisenwaren  wurden  dann  von  Kaufleuten  über  das 
ganze  Land  verbreitet.  Die  Masseln  wurden  wohl  an  die  Handwerker  der 
Binnenstädte  verkauft.^)  Der  oben  genannte  Eisenhändler  P.  Caulius 
Coeranus  hatte  sich  offenbar  durch  das  Geschäft  bereichert,  da  er  in  der 
Inschrift  als  Patron  eines  Freigelassenen  erscheint. 

Ehe  wir  das  Gebiet  der  Metalle  verlassen,  ist  noch  die  Verwendung 
des  Bleies  bei  Cato  zu  besprechen.  Bleierne  Öl-  und  Weingefässe 
waren  bei  den  Römern  neben  den  ehernen  im  Gebrauch,  besonders  im 
torcularium^)  Solche  wurden  von  den  Bleiarbeitem,  plumbarii,  gemacht, 
die  ausserdem  die  Bleiröhren ,  fistulae  plumbeae,  für  die  Wasserleitungen 
verfertigten.*)  Sonst  erwähnt  Cato  die  Anwendung  von  Blei  noch  bei 
dem  Aufbau  des  prelum  im  Kelterhaus,*)  bei  der  Zusammenfügung  des 
trapetus^)  und  zum  Dichten  und  Ausbessern  der  Dolien.')  Das  Blei,  das 
man  zu  diesen  Zwecken  kaufte,^)  kam  wohl  meist  aus  Spanien,  wo  sich 
reiche  Bleigruben  befanden.")  Von  da  wurde  es  in  grossen  Blöcken  nach 
Italien  importiert.  Solche  Blöcke  mit  Stempeln  aus  republikanischer 
Zeit  hat  man  in  Spanien  an  mehreren  Orten  gefunden.*^) 


1)  L.  de  Laonay  bei  Daremberg-Saglio,  Dict  des  Ant.,  II,  S.  1084,  Art.  ferrum. 

2)  Diodor.  Y,  18,  dazu  L.  Beck,  Geschichte  des  Eisens,  I,  476.  —  GrosaiDdustrielle : 
taiha  &h  tä  (poQtUx  tivkg  ojvoviibvoi  xal  tsxvlx&v  xaln^av  nlffiog  Scd-goi^ovreg  xattg- 
ydiovrai.  —  Das  rätselhafte  ögv^tov  tvnovg  erklärt  Beck  als  , beiderseits  spitz  zulaufende 
Masseln,  ein  Halbfabrikat,  in  welcher  Form  das  Eisen  entweder  verhandelt  oder  direkt 
weiter  verarbeitet  wurde*.  Die  Konjekturen  der  Herausgeber  (onlatv,  tdgvojv  oder  ö^xav) 
sind  also  überflüssig.  —  Die  Beschreibung  bei  Diodor  stammt  von  Timaios  (K.  Mülleuhoff, 
Deutsche  Altertumskunde,  2.  Aufl.  1, 452.  Job.  Geffcken,  Timaios'  Geographie  des  IVestens^ 
Philol,  Untersuch,  von  Riessling  und  von  Wilamowitz-Moellendorff,  H.  XIII,  S.  65  f.), 
stellt  also  die  Verhältnisse  des  3.  Jahrh.  t.  Chr.  dar,  hat  aber  ohne  Zweifel  ihre 
Gültigkeit  auch  für  eine  spätere  Zeit.  Denn  die  Blüte  von  Dikaiarchia  begann  doch 
eigentlich  erst,  nachdem  die  Stadt  im  J.  194  y.  Chr.  eine  römische  Kolonie  mit  dem 
Namen  Puteoli  geworden  war  (Beloch,  Campanienj  S.  90.). 

3)  c.  66,  1 :  cortina  plumbea.  Vgl.  Col.  XII,  19,  6.  20,  4.  52, 10:  plumbeum,  sc.  vas. 
Als  Weingefäss:  Cato  c.  105,  1.  107,  1:  in  aheneum  auf  in  phimbeum,  c.  122:  in  vaso 
aheneo  vel  in  plumbeo. 

4)  Marquardt,  Privatleben,  S  716  ff. 

5)  c.  18,  4. 

6)  c.  20,1;  2.  21,5. 

7)  c.  39,  1  doUa  plumbo  vincito,  als  Beschäftigung  bei  schlechtem  Wetter. 

8)  c.  21,  5:  plumbum  in  cupam  emito. 

9)  Blümner,  Technologie,  IV,  S.  89  f. 
10)  CIL.  U.  Suppl   S.  1001. 


Der  römische  Chüshetrieb,  47 

Es  kann  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  alle  von  Cato  erwähnten  Ge- 
brauchsgegenstände in  die  Untersuchung  hineinzuziehen.  Das  würde  uns 
zu  viel  auf  technische  Einzelheiten  führen,  ohne  dass  dennoch  Vollständig- 
keit erreicht  würde.  Denn  schwerlich  konnte  Cato  alles  ohne  Ausnahme 
aufzählen,  was  in  der  Haushaltung  an  Eonsumtionsartikeln  nötig  war. 
Wir  wollen  nur  noch  eine  landwirtschaftliche  Maschine  besprechen,  über 
die  Cato  besonders  ausführliche  Aufschlüsse  gibt,  den  trapetm,  worin  die 
Oliven,  ehe  sie  unter  die  Presse,  prelum,  kamen,  erst  zerquetscht  wurden. 

Die  Hauptteile  des  trapetics,  der  wie  das  prelum  im  Kelterhaus, 
torcularium ,  stand,  waren  ein  runder  Mörser,  mortarium,  aus  hartem, 
vulkanischem  Gestein,  und  die  beiden  Quetschsteine,  orhes,  die  sich  in  dem 
Mörser  um  einen  eisernen  Zapfen  drehten.^)  Diese  Maschine  kaufte  sich 
der  Ölplantagenbesitzer  in  der  Stadt.  Nach  Cato  konnte  man  sie  aus 
Suessa,  Pompeji,  Nola  oder  Rufrium  beziehen.*)  Über  die  Einkaufskosten 
macht  Cato  in  c.  22,  3;  4  genaue  Angaben.  Zu  Suessa  zahlte  man  für 
einen  trapetus  400  Sestertien  und  50  Pfund  Öl  (=  25  Sest).  Die  Zu- 
sammenfügung kostete  60,  der  Transport  mit  Ochsenwagen  72,  die 
„Büchse",  cupa,^)  72,  alles  zusammen  629  Sest.  Zu  Pompeji  kostete  ein 
trapetm  ornatus  384  Sest.,  der  Transport  davon  280,  die  Zusammen- 
fügung am  Bestimmungsorte*)  60,  zusammen  724  Sest.  Auch  konnte 
man  für  alte  Maschinen  neue  Quetschsteine  kaufen.  Sie  kosteten  in 
Rufrium  oder  in  Pompeji*)  180  Sest,  die  Montierung  der  Steine  30  Sest. 

Diese  Kostenberechnungen  sind  von  grossem  Interesse.  Der  verhält- 
nismässig hohe  Preis,  der  für  eine  komplette  Ölquetschmaschine  bedingt 
wird,  zeigt,  dass  die  verbesserte  Technik  der  Ölbereitung,  welche  die 
Erfindung  dieser  Maschine  mit  sich  führte,  nur  dem  kapitalstarken  Grund- 
besitzer zu  Gute  kommen  konnte.  Denn  schwerlich  vermochte  der  Klein- 
bauer die  für  den  Ankauf  eines  trapetus  nötige  Summe  aufzubringen,  er 

1)  S.  die  BeschreibuDg  bei  BlUmner,  Technologie j  I,  S.  338  ff.  and  die  Erläatening 
des  zu  Stabiac  ausgegrabeDen  Kelterhauses  S.  346. 

2)  c.  22,  3.  135,  2.  Die  letztere  SteUe  haben  die  Herausgeber  miMverBtanden. 
Schneider  interpungiert :  Trapeti  Pompeüs,  Nolae  ad  Rufri  maceriam  elaves,  Clostra 
Romae,  Keil  dagegen:  trapeti  Pompeis,  Nolae  ad  Rufri  maceriam:  daves,  clostra  Romas, 
was  sicher  das  richtige  ist.  Nur  sollte  er  nicht  ad  Rufri  maceriam  zu  Nolae  ziehen, 
wie  wenn  hier  von  irgend  einem  Platz  in  dieser  Stadt  die  Rede  wäre.  Ad  Rufri  ma- 
cerias  findet  sich  auch  c.  22,  4,  und  zwar  ohne  die  Zusammenstellung  mit  Nola.  Dies 
verbietet  uns  an  einen  Handwerker  (Steinhauer)  Rufirius  zu  denken,  wozu  sonst  die 
Inschrift  aus  Trebula  (nördlich  Ton  Capua)  CIL.  X,  4563:  Ä.  Rufrius  Thamyr{us\ 
A.  Rufrius  Eleg[ans]  Augustales  einladen  würde.  Es  ist  klar,  dass  hier  die  alte 
Samniterstadt  Rufrium,  später  Rufrae  oder  ad  Rufras  genannt,  gemeint  ist  (Mommsen 
in  CIL,  X,  1  S.  475.  Nissen,  Bai,  Landeskunde,  TT,  2  S.  797).  Sie  lag  im  nürdUchen 
Campanien,  südlich  von  Venafmm  auf  dem  Wege  von  Casinum  nach  Teanum. 

8)  Über  diesen  Maschinenteil  s.  Blümner  a.  0. 

4)  Vgl.  c.  135,  7:  trapetum  übt  arvectum  erit,  ubi  statues,  ibi  accommodato  con- 
cinnatoque.    Diese  Zusammenfügung  wird  in  c.  20.  21.  22,  1;  2  genau  beschrieben. 

5)  Die  Steine  wurden  aus  der  harten  Lava  der  benachbarten  Berge  gehauen. 


48  H.  Onmmertis, 

niusste  bei  der  alten  primitiven  Ölbereitungsmethode  stehen  bleiben.  Nach 
dem  Ausspruche  des  in  der  Zeit  Traians  lebenden  Juristen  Neratius 
Priscus  sollte  der  Gutsherr  seinem  Pächter  u.  a  Gutsinventarien  auch 
einen  trapetus  geben.*)  Der  Grund  ist  klar:  der  kleine  Pächter  konnte 
diese  Maschine  nicht  auf  eigene  Kosten  anschaffen.  Wie  dieser  Umstand 
zu  Gunsten  der  Grosswirtschaft  wirken  musste,  ist  klar. 

Zweitens  beweisen  diese  Berechnungen,  dass  man  trotz  der  hohen 
Transportkosten  —  für  die  in  Pompeji  gekaufte  Maschine  belaufen  sie 
sich  auf  2/5  der  Gesamtkosten  —  kein  Bedenken  trug,  auch  sehr  schwer- 
transportable Waren  auf  dem  Landwege  selbst  längere  Strecken  zu 
schleppen.^) 

Drittens  gilt  es  Cato  zwar  als  vorteilhafter  die  Maschine  erst  am 
Bestimmungsorte  zusammenfügen  zu  lassen  {domi  melius  condnnatur  et 
accommodatur);  aber  fast  ebenso  gewöhnlich  war  es  offenbar,  dass  die 
Montage  am  Bezugsorte  von  dem  Verkäufer  besorgt  wurde. 


Fassen  wir  die  Ergebnisse  unserer  Untersuchung  zusammen. 

Der  Umstand,  dass  Cato  in  seiner  Darstellung,  soweit  sie  nicht 
technische  Detailfragen  berührt,  zwei  bestimmte  Musterplantagen,  ein 
Ölgut  von  240  iugera  und  ein  Weingut  von  100  itigera  im  Auge  hat, 
gewährt  uns  in  die  Organisation  des  Gutsbetriebes  einen  klaren  Einblick. 
Die  Produktion  auf  diesen  Gütern  ist  auf  den  Absatz  gerichtet,  wobei 
natürlich  das  Öl  bez.  der  Wein  das  hauptsächlichste  Verkaufsobjekt  ist. 
Das  Ziel  der  Wirtschaft  ist  eine  hohe  Rente  aus  dem  angelegten  Kapital 
herauszuwirtschaften.  Um  die  Produkte  mit  Vorteil  absetzen  zu  können, 
soll  man  auf  gute  Verbindungen  mit  dem  Absatzorte  Gewicht  legen.  Andrer- 
seits soll  man  die  Betriebskosten  soweit  als  möglich  herunterzudrücken  ver- 
suchen. Die  vorhandene  Arbeitskraft  soll  man  methodisch  auszunützen 
wissen,  direkte  Ausgaben  möglichst  vermeiden,  nach  dem  Grundsatz:  viel 
verkaufen,  wenig  kaufen. 

Alle  dauernd  auf  dem  Gute  angestellten  Leute  gehören  dem  Sklaven- 
stande an.  Aber  daneben  beschäftigt  das  Gut  regelmässig  auch  freie 
Tagelöhner.  Wo  man  nur  eine  geringere  Anzahl  Hilfsleute  braucht,  be- 
dient man  sich  der  einfachen  Dienstmiete.  Wo  aber  eine  grössere  Arbeits- 
intensität erforderlich  ist,  wie  bei  der  Olivenlese  und  der  Ölbereitnng, 
vergibt  man  lieber  die  ganze  Arbeit  an  einen  Unternehmer,  der  sie  mit  an- 
geworbenen Tagelöhnern  ausführt.  Auch  kommt  es  vor,  dass  man  die 
Früchte  auf  dem  Stocke  verkauft,  wobei  man  den  Käufer  auch  mit  der 
Ernte  beauftragen  kann.  Die  Bestellung  der  Getreideäcker  überlässt 
man  auf  diesen  Gütern,   wo  die  Baumkultur  die  Hauptsache  ist,   einem 


1)  Dig.  XIX,  2,  19,  2:  ...  dolia  utique  colono  esse  praestanda  et  praelum  et  tra- 
pettim  instructa  funihus, 

2)  Die  Entfernung  von  Pompeji  bis  Venafrum  ist  110—120  KilomeU^r. 


Der  römische  Outshetrieh,  49 

sogen,  politor  gegen  ein  gewisses  Prozent  des  Ertrages.  Auch  die  Be- 
stellung des  Weinbergs  vergibt  man  an  einen  partiartus,  wenn  man  sie  aus 
irgend  einem  Grunde  nicht  mit  eigenen  Kräften  besorgen  kann  oder  will. 
Die  Parzellenpacht  im  eigentlichen  Sinne  dagegen  erwähnt  Cato  nicht. 
Berufemässig  ausgebildete  Handwerker  gibt  es  unter  den  Gutssklaven 
nicht.  Infolgedessen  können  nur  gewöhnliche  Zimmermanns-  und  Tischler- 
arbeiten sowie  leichtere  Flecht-  und  Seilerarbeiten  durch  die  eigenen 
Leute  des  Gutes  verrichtet  werden.  Für  die  schwierigeren  auf  dem  Hofe 
vorkommenden  gewerblichen  Arbeiten  dagegen  müssen  fremde  Handwerker 
gemietet  werden,  wenn  man  es  nicht  vorzieht  die  betreffende  Arbeit, 
wie  den  Hausbau,  einem  Unternehmer  in  Akkord  zu  geben.  In  anderen 
Fällen  überlässt  man  die  auf  dem  Gute  erzeugten  Rohstoffe  dem  städtischen 
Handwerker  zur  Verarbeitung.  Aber  die  meisten  Erzeugnisse  der  gewerb- 
lichen Produktion  werden  in  fertigem  Zustande  von  den  Handwerkern 
und  Händlern  der  Nachbarstädte  gekauft.  So  alle  Töpfer-  und  Metall- 
waren, die  feineren  Körbe  und  Seile,  die  Arbeits-  und  Dreschwagen  u.  s.  w. 
Sogar  die  Tuniken,  Mäntel  und  Flickröcke  der  Sklaven  werden  nicht  zu 
Hause  verfertigt  —  lieber  verkauft  man  die  erzeugte  Wolle  roh  — 
sondern  aus  Rom  bezogen. 


Gnmmeras,  Der  römiiche  Ontobeirieb. 


Kap.  n. 

Der  römische  Gutsbetrieb  nach  Varro. 

Cato  hat  die  Landwirtschaft  in  die  römische  Literatur  eingeführt. 
Aber  sein  Büchlein  konnte  den  gesteigerten  Ansprüchen  der  Zeit  nicht 
lange  genügen.  Es  machte  sich  das  Bedürfnis  geltend  die  Resultate, 
die  die  Kunst  der  Agrikultur  bei  anderen  Völkern  schon  längst  erreicht 
hatte,  auch  für  die  römische  Landwirtschaft  zu  verwerten.  Zu  diesem 
Zwecke  wurde  kurz  nach  der  Eroberung  von  Karthago  das  grosse  Werk 
des  Karthagers  Mago,  der  28  Bücher  über  die  Landwirtschaft  verfasst 
hatte,  auf  Veranstalten  des  Senats  ins  Lateinische  übersetzt.^)  Mommsen-) 
hat  die  Bedeutung  dieser  Massnahme  eingesehen.  In  Italien  vollzog  sich 
gerade  damals  der  grosse  wirtschaftliche  Umschwung,  infolgedessen  der 
bäuerliche  Kleinbesitz  von  dem  Grossgrundbesitz  grossenteils  aufgesogen 
wurde.  ^)  Allein  Latifundienbesitz  ist  noch  nicht  Latifundien  Wirt- 
schaft. Die  Kunst,  grosse  Flächen  von  einem  Zentralhofe  aus  mit  ge- 
waltigen Sklavenmassen  zu  bewirtschaften,  kannten  die  Römer  noch  nicht. 
Die  Gutsbetriebe,  die  Cato  in  seiner  Darstellung  im  Auge  hat,  sind,  ob- 
wohl auf  Sklavenarbeit  basiert,  .doch  keine  Plantagen  im  grossen  Stile. 
Dagegen  fand  man  bei  Mago  die  Plantagenwirtschaft,  wie  sie  von  den 
karthagischen  Kaufleuten  in  Nordafrika  betrieben  worden  war,  voll  und 
fertig  entwickelt.*)  Wenn  jemand,  konnte  er  die  römischen  Kapitalisten 
belehren,  wie  man  aus  grossen  Arealen  grosse  Profite  herauswirtschaftet 

Dagegen  ging  das  zweite  einheimische  Werk  auf  dem  Gebiete  der 
Landwirtschaft,  die  libri  de  agri  cultura  der  beiden  Sasernae,  Vater 
und  Sohn  —  die  Abfassungszeit  kann  nur  annäherungsweise  um  100  v. 
Chr.  bestimmt  werden  —  nach  den  spärlichen  erhaltenen  Überresten  zu 


1)  Plin.  n.  h.  XVIII,  22. 

2)  R.  G.  II,  80. 

3)  Vgl.  oben  S.  20. 

4)  Ein  interessantes  Beispiel  gibt  uns  das  bei  Varro  r.  r.  I,  17,  3  ff.  erhaltene 
Bruchstück  des  von  Cassius  Dionysius  verfassten  Auszuges  aus  dem  magonischen  Werke, 
worüber  unten  S.  57. 


De^'  römische  Gutsbetrieb,  51 

urteilen  auf  dem  von  Cato  eingeschlagenen  Wege  weiter.  ^)  Das  in  Gallia 
cisalpina  belegene  Gut,  auf  welchem  die  Sasemae  ihre  Erfahrungen  ge- 
macht hatten,*)  kann  kein  grosses  gewesen  sein.*)  Obwohl  der  Gnts- 
betrieb  bei  ihnen,  wie  es  scheint,  hauptsächlich  auf  dem  Getreidebau 
beruhte,^)  so  haben  sie  doch  nach  Catos  Muster  auch  dem  Öl-  und  Wein- 
bau Rechnung  getragen.^)  Varro  tadelt  die  Sasemae,  dass  sie  in  ihrem 
Werke  Gegenstände  behandelt  haben,  die  mit  der  Technik  der  Landwirt- 
schaft im  engeren  Sinne  nicht  in  unmittelbarem  Zusammenhange  ständen.^) 
Gerade  diesem  Umstände  verdanken  wir  zwei  für  unsere  Untersuchung 
wertvolle  Notizen,  die  eine  betrefifend  die  Parzellenpacht,')  die  andere 
das  Vorkommen  von  Ziegeleien  auf  den  Landgütern.^) 

Auf  die  beiden  Sasemae  folgen  in  der  Reihe  der  scriptores  rei 
riLsticae  C.  Licinius  Stolo®)  und  Cn.  Tremellius  Scrofa.  Über 
die  Abfassungszeit  ihrer  Schriften  lässt  sich  nur  so  viel  erschliessen,  dass 
sie  vor  dem  Jahr  37  v.  Chr.,  wo  Varro  sein  Werk  verfasst  hat,  ver- 
öffentlicht worden  sind.  *^)  Das  wenige,  was  wir  durch  Zitate  bei  späteren 
Schriftstellern  über  den  Inhalt  ihrer  Schriften  erfahren,  hat  für  unseren 
Gegenstand  keine  Bedeutung. 

Gehen  wir  zu  dem  zweiten  uns  erhaltenen  lateinischen  Werke  auf 
dem  Gebiete  der  Landwirtschaft  über,  zuM.  Terentius  Varros  rerum 
ricsticarum  libri  tres. 

Seine  landwirtschaftlichen  Kenntnisse  hat  Varro,  wie  er  selbst  sagt, 
aus  drei  Quellen  geschöpft:  aus  der  eigenen  Erfahmng,  aus  literarischen 
Studien  und  aus  dem,  was  er  aus  dem  Munde  von  Sachkundigen  vemahm.  ^^) 


1)  R.  Reitseistein ,  De  scriptorum  rei  rusticae  qui  intereedutU  inter  Catonem  et 
Columellam  libris  deperditis.    Diss.  Berol.  1884,  S.  5. 

2)  Varro  r.  r.  I,  18,  6. 

8)  Die8  darf  man  wohl  daraus  schliessen,  das«  sie  bei  ihren  Berechnungen  der 
Zahl  der  auf  dem  Gute  zu  haltenden  Zugochsen  von  einem  Areal  von  nur  200  iugera 
ausgehen,  Varro  I,  19,  1. 

4)  Varro  r.  r.  I,  19,  1 :  ad  jugera  CC  arvi. 

5)  Colum.  I,  1,  5. 

6)  Varro  1,2,  22j28. 

7)  Colum.  I,  7,  4. 

8)  Varro  a.  0. 

9)  Mit  Recht  rechnet  Reitsenstein  a.  0.  S.  8  auch  ihn  zu  den  landwirtachaftlichen 
Schriftstellern,  obwohl  die  Nachrichten  Über  ihn  sehr  spärlich  sind. 

10)  R.  Heinze,  Anmadversiones  in  Varronis  rerum  rusticarum  Uhros,  Camment 
phil  in  hon.  0.  Bibbeckii^  Lipsiae  1888,  S.  438,  glaubt  auch  den  terminus  post  quem 
bestimmen  zu  können.  Das  Gespräch,  worin  Varro  den  Scrofa  auftreten  lästt,  ist  ins 
Jahr  59  verlegt.  Weil  nun  Varro  das  Werk  von  Scrofa  nirgends  ausdrücklich  er- 
wähnt, mufls  es,  meint  Heinze,  zu  diesem  Zeltpunkte  noch  nicht  verfasst  gewesen  sein. 
Aber  ebenso  wohl  erklärt  sich  diese  Tatsache  daraus,  dass  Varro  sowohl  Stolo  als  Scrofa, 
die  ja  seine  Zeitgenossen  waren,  nicht  als  literarische  Gewährsmänner,  sondern  ledig- 
lich als  mündliche  Ratgeber  auftreten  lässt. 

11)  Varro  I,  1, 11:  ex  radicibus  triniSf  et  quae  ipse  in  meis  fundia  oolendo  ammad- 
verti,  et  quae  legi,  et  quae  a  peritis  audii. 

4* 


52  H,  Oummeriuf, 

Um  den  Wert  seiner  Ausführungen  für  die  Wirtschaftsgeschichte  beurteilen 
zu  können,  ist  es  vor  allem  nötig  festzustellen,  welche  diese  seine  litera- 
rischen Quellen  gewesen  sind  und  wie  er  sie  benutzt  hat.^) 

An  den  Anfang  seiner  Darstellung  stellt  Varro  ein  Verzeichnis  von 
Schriftstellern,  bei  welchen,  wie  er  sagt,  seine  Gattin  Fundania,  der  er 
sein  Buch  gewidmet  hat,  Aufschlüsse  über  das,  was  sie  in  ihm  nicht 
finde,  zu  suchen  habe.*)  Zuerst  zählt  er  eine  ganze  Reihe  griechischer 
Autoren  auf:  Philosophen,  Naturforscher,  landwirtschaftliche  Schriftsteller 
vom  Fache  und  Dichter.  Dann  wird  als  eine  Hauptquelle  die  berühmte 
Arbeit  von  Mago  sowie  ihre  griechische  Übersetzung  und  Umarbeitung 
von  Cassius  Dionysius  und  die  verkürzte  Ausgabe  von  Diophanes  erwähnt 

Dieses  Autorenverzeichnis  darf  man  nicht  als  ein  Quellenverzeichnis 
im  gewöhnlichen  Sinne  auffassen.  Varro  selbst  gibt  diese  Autoren  mit 
den  angeführten  Worten,  welche  er  dem  Verzeichnis  vorausschickt,  seinen 
Lesern  nur  als  eventuell  heranzuziehende  Hilfsquellen  an.  Es  ist  sehr 
fraglich,  ob  er  sie  alle  selbst  gelesen  hat.  Von  den  in  das  Verzeichnis 
aufgenommenen  griechischen  Namen  zitiert  Varro  im  Laufe  seiner  Dar- 
stellung, soweit  wir  die  Spuren  verfolgen  können,  ausdrücklich  oder  still- 
schweigend nur  wenige.^)  Auffallend  ist  auch,  dass  diejenigen  in  dem 
Verzeichnis  erwähnten  Verfasser,  welche  von  Varro  nicht,  wohl  aber  von 
Plinius  angeführt  werden,  von  dem  letzteren  durchweg  für  solche  Gegen- 
stände zitiert  werden,  über  die  Varro  entweder  schweigt  oder  sich  in  ganz 
abweichender  Weise  ausspricht.*)  Andrerseits  hat  Varro  Autoren,  wie 
Dicaearchus  und  Archelaus,  auf  welche  er  sich  in  seinem  Buche  mehr- 
mals beruft,  in  das  Verzeichnis  nicht  aufgenommen.  Aus  diesen  Gründen 
ist  anzunehmen,  dass  Varro  die  Liste,  welche  später  Columella*)  und 
Plinius«)  mehr  oder  weniger  vollständig  wiederholten,  irgend  einem  der 
aufgezählten  Autoren  entlehnt  hat,  vielleicht,  wie  E.  Oder^)  glaubt,  Cas- 
sius Dionysius,  von  welchem  Varro  sagt,  dass  er  das  magonische  Werk 
„aus  den  oben  angeführten  griechischen  Autoren  ergänzte."^) 


1)  Die  neueste  Untersuchung  über  diesen  Gegenstand  ist  die  Abhandlung  von 
Guido  Gentilli,  De  Varronis  in  libris  rerum  rusticarum  auctoribua.  Estratto  dagli 
Studi  itäliani  di  Filologia  classica.    Vol.  XI,  Firenzc  1903. 

2)  I,  1,  7:  in  quis  (sc.  sermonibus  nostris)  quae  non  inerunt  et  quaeres^  indicabo  a 
quibus  scriptoribus  repetas  et  graeds  et  nostris, 

8)  Besonders  häufig  Aristoteles  und  Theophrastus,  Gentilli  a.  O.  S.  104  ff.,  115  ff. 

4)  a.  0.  S.  142  A.  6. 

5)  Colum.  I,  1,  7  ff. 

6)  In  den  Quellenverzeichnissen  zu  Buch  VIII,  X,  XIV,  XV,  XVII  und  XVIII. 

7)  Bei  F.  Susemihl,  Geschichte  der  griechischen  Literatur  in  der  Alexandriner- 
zeit,  Leipzig  1891,  B.  I,  S.  830  A.  6.     Vgl.  Gentilli  a    O.  S.  142. 

8)  I,  1,  10:  in  quae  volumina  de  graeds  libris  eorum  quos  dixi  adiecit  non  pauca 
et  de  Magonis  dempsit  instar  Ubrorum  VIII.  Irrtümlich  erklärt  Gentilli  S.  153  die 
letzten  Worte  so,  dass  dasjenige,  was  Dionysius  von  Mago  herübergenommen  hat,  nur 
acht  Bücher  in  seiner  Arbeit  umfasst  habe ,   während  die   übrigen  zwölf  auf  die  von 


Der  ramisrhe  GuUbeMeb. 


53 


Mago  und  seine  Übersetzer  und  Epitomatoren  VaiTO  als  eine 
Hauptquelle  gedient  haben,  steht  fest*)  B.  Heinze^  suchte  sogar  durch 
eine  VergleichunR  derjeniisren  Quellen,  bei  denen  Yarro  mit  Columelln  und 
den  griechischen  «teuponikeni  übereinstimmt,  nachzuweisen,  dass  Varro  für 
einen  grossen  Teil  des  zweiten  und  dritt^^n  Buches  Mago-Dionysius- 
Oiophanes  als  au^sschlieKsliche  Quelle  benutzt  habe,  und  dass  er  sich 
ihnen  nicht  nur  inhaltlich,  sondern  so^ar  "wörtlich  angeschlos.sen  habe. 
Diese  Behauptung  ist  jedoch  von  (ientilli^*)  schlagend  widerlegt  worden. 
Die  Ansicht,  dass  Varro  —  der  grosse  Literaturkenner  —  irgend 
einen  Schriftsteller  fiir  irrossere  oder  kleinere  Teile  seine-s  Werkes  als 
ausschliessliche  Quelle  benutzt  hätte,  ist  ja  schon  an  sich  unwahr- 
scheinlich, (reset^t  auch,  dass  Varro  nicht  alle  von  ihm  aufgezählten 
griechischen  Autoren  selbst  gelegen,  sondern  die  Liste  einfacli  von  Cassius 
Dion^'sius  entlehnt  hat,  so  zeigt  doch  eine  genaue  Quellenuntersuchung, 
dass  die  grosse  Belesenlieit  des  l»eriihmten  Polyhistors  auch  auf  diesem 
Gebiete  nicht  versagt  hat  Nur  setzt  uns  der  Umstand,  dass  der  grusste 
Teil  seiner  (^uellenschiiften  verloren  gegangen  ist,  ausser  stände  den 
Uang  seiner  Studien  zu  verfolgen. 

Nach  der  Aufzählung  der  ausländischen  Autoren  erwartet  man  nach 
Varros  oben  angeführten  eigenen  Worten  eine  km*ze  Erwähnung  der 
einheimischen.  Statt  dessen  geht  Varro  sogleich  zu  der  Exposition  seiner 
eigenen  Arbeit  über*)  und  lässt  dann  das  Gespräch  beginnen.  Man  hat 
ilaher  bald  eine  Lücke  in  den  Handschriften,  bald  einen  Lapsus  de-s  Ver- 
fa^ers  angenommen.  Weder  das  eine  noch  das  andere  ist  notig.  Varro 
hat  diesen  Sprung  in  der  Darstellung  offenbar  absichtlich  gemacht  Er 
begnügt  sich  nicht  damit,  die  lateinischen  Autoren  wie  die  giiechischen 
einfach  aufzuzählen,  sondern  er  will  sie  jeden  für  sich  ausführlicher  be- 
sprechen,'*^) Üici?  tut  er  in  dem  einleitenden  üc»spräche.  Nachdem  hier 
Fundanius  die  Rentalulität  der  italischen  Landwirtsrhaft  en'irtert  hat, 
fährt  er  fort  (I^  2,  9) :  sed,  opinor,  qui  haec  eommörfiujf  otttetidere  jwssint 
adsunt.  tmm  C.  Licinium  Stolonem  d  Cn,  TnmicUium  Scrofiim  video 
venirt\  Diese  beiden  Autoritüten  werden  dann  näher  charakterisiert, 
und  rv%ar  nicht  als  Schriftsteller,  sondern  als  praktische  Landwirte,  weil 
sie  nur  als  solche  an  dem  Gespräch  teilnehmen  sollen.  In  den  darauf 
folgenden  Auseinandersetzungen  ober  die  richtige  Abgrenzung  des  Gegen- 
standes findet  Varro  Gelegenheit  auch  die  älteren  römischen  landwirt- 


ihm  brniitften  grirchJsf^hen  Autoreti  xttrückgingi'tj.  Viirro  niigi  riclmehr^  du««  Dicjtiynius, 
obgU*ich  er  AUi  griecbi^tchen  Qm*llr*n  vieles  In  «eiiit*  l'^bt'rM'tzung  bitieintnig,  ileniiocb 
die  28  Bücher  dea  puniAcbeQ  OrigitiHU  um  acht  verringertt  konnte, 

1)  IHe  nach  t*r  kenn  baren  Zitat«  b«i  GeutUli  H,  1*^7  ff. 

2)  a-  O.  8.  484  C 

3)  Gt'iiliUi  Ä.  O.  S.  141- IM. 

4)  I,  1,  11:  quo  (ik*.  Diophan«')  hretim  dt  ea  f€  conor  tribui  UbrU  esfinmere^  (*tc* 

5)  Heia««  a,  0.  S.  4ai 


54  H,  Oummerus, 

schaftlichen  Schriftsteller,  Cato^)  und  die  beiden  Sasernae,^)  zu  be- 
sprechen. 

Von  diesen  seinen  lateinischen  Vorgängern  hat  Varro  besonders  reich- 
lich —  am  meisten  im  ersten  Buche  —  Cato  benutzt.  Daneben  zitiert 
er  oft  Sasema,  um  Catos  Vorschriften  zu  ergänzen  und  zu  berichtigen. 
Wie  viel  den  Werken  oder  den  mündlichen  Mitteilungen  des  Licinius 
Stolo  und  des  Treraellius  Scrofa  entnommen  ist,  und  wie  viel  von  dem, 
was  Varro  ihnen  in  den  Mund  legt,  ihre  eigenen  Ansichten  sind,  ist  nicht 
auszumachen.") 

Aus  einer  Vergleichung  der  noch  feststellbaren  Zitate  bei  Varro  geht 
hervor,  dass  er  seine  literarischen  Vorlagen  ziemlich  nachlässig  benutzt.*) 
Teils  holt  er  seine  Notizen  oft  aus  minderwertigen  Auszügen,  obwohl  ihm 
auch  die  primäre  Quelle  bekannt  sein  musste,^)  teils  lässt  er  sich  nicht 
selten  schwere  Missverständnisse  und  Verwechselungen  zu  Schulden 
kommen.  Überhaupt  zeigt  sich  Varro  in  seinem  ganzen  Werke  mehr 
als  Stubengelehrter  denn  als  praktischer  Landwirt.  Besonders  im  ersten 
Buche  scheint  das,  was  er  auf  dem  landwirtschaftlichen  Gebiete  im  engeren 
Sinne  aus  eigener  Erfahrung  mitteilt,  ziemlich  unbedeutend  zu  sein. 
Gegen  seine  Vorgänger,  Cato  und  die  Sasemae,  steht  er  in  dieser  Hin- 
sicht entschieden  zurück,  wie  sehr  er  sich  auch  über  ihre  unmethodische 
Darstellungsweise  und  ihren  kindischen  Aberglauben  lustig  macht.  Wie 
unselbständig  sein  Urteil  in  Wirklichkeit  ist,  wird  sich  unten  bei  der 
Besprechung  einzelner  Stellen  zeigen.  Nicht  ohne  Grund  fragt  sich 
darum  Gentilli,  an  quidquam  agri  cvltura  Varroniano  opere  profecerit^ 
Erst  im  zweiten  und  dritten  Buche,  die  über  die  Viehzucht  und  die 
pastio  villatica  handeln,  verrät  Varro  grössere  praktische  Kenntnisse. 
Wenn  darum  Heinze  behauptet,  dass  Varro  gerade  in  diesen  Büchern 
ad  fontes  stios  rebus  verbisqtie  se  applicasse,  so  gilt  davon  eben  das 
Gegenteil. 

Die  Ergebnisse  seiner  ebenso  gründlichen  wie  besonnenen  Unter- 
suchung fasst  Gentilli  so  zusammen  (S.  163):  Hac  dissertatione  illud  mani- 
feste apparet  eum  (sc.  Varronem)  plerumqtte  a  Oraecis  vel  a  Catone  pen- 
dere,  haud  tarnen  tarn  presse  sicos  fontes  adüsse,  ut  nihil  novi  adiungeret, 
nihil,  qtiod  Uli  experti  non  essent,  temptaret.  Wenn  diese  Schlussfolgenmg 
richtig  ist  —  und  daran  ist  kaum  zu  zweifeln  —  so  muss  man  bei  der 
Benutzung  von  Varros  Werk  für  eine  Untersuchung,  die  die  historische 
Entwickelung  im  Auge  zu  behalten  sucht,  sehr  vorsichtig  sein.  Es  gilt 
in  jedem  Falle  zu  entscheiden,  ob  der  Verfasser  aus  eigener  Erfahrung 


1)  1, 2, 28. 

2)  I,  2,  22  ff. 

3)  Gentilli  S.  100  ff.     R.  Reitzenstein  a.  O.  S.  8  ff.,  12  ff. 

4)  Gentilli  S.  154. 

5)  So  zitiert  er  II,  8,  5  und  III,  11,  4  Archelaus  statt  Aristoteles. 

6)  A.  0.  S.  158.  —  Ganz  anders  urteilt  über  Varro  Reitzensteiu  a.  0.  S.  2. 


D^  römische  Outshetrieh. 


55 


bricht,  oder  ob  er  mehr  oder  weniger  unselbständisr  seine  Quellen  aus- 
sebreibt* 

Aas  dem  oben  gesagten  ist  klar,  U^iäs  wir  aus  Varros  Werk  ein 
einheitliches  Bild  eines  römischen  Gutsbetriebes,  wie  es  uns  Catos  Schiift 
gewährt,  nicht  erhalten  können.  Dans  Varro  ein  bestimmtes  Mustergut 
im  Auge  gehabt  hätte,  lässt  sich  nicht  nachweisen.  Zwar  sagt  er  in  der 
Vorrede  zum  ersten  Buche,  dass  die  äussere  Veranlassung  seines  Werkes 
der  Wunüch  seiner  Gattin  Fundania  gewesen  sei,  für  die  IkwirtschaHung 
eines  von  ihr  jüngst  angekauften  Gutes ')  einen  Leitfaden  zu  haben.  Aber 
nichts  deutet  darauf  hin,  dass  ihm  bei  der  Abfassung  seiner  Vorschriften 
immer  zunächst  jenes  Gut  vor  Augen  gestanden  liätte* 

Soviel  ist  aus  Varros  Darstellung  zu  ersehen,  dass  er,  obwohl  er 
griechische  Quellen  in  grosser  Ausdehnung  benutzt  hat,  zunäclist  italische 
V^erhältnisse  berücksichtigt,  ctder  doch  berücksiclitigen  will.  Oas  zeigt 
am  deutlichsten  die  Frage,  womit  Agrasius  das  (besprach  im  ersten  Buche 
einleitet  (I^  2,  3) :  Vos,  qui  multm  peramhulmüs  terrm,  ecquam  mlHorefn 
Italia  vuii^tis?  Die  Antwort  des  Agrius:  Eijo  rcro  nathtm  arlniror  essi% 
qunr  tnm  tota  »it  nüta  wird  dann  durch  Beispiele  erläutert  (§  4 — 7)*  Aus- 
einanderzusetzen, welche  Grundsätze  die  italischen  Landwirte,  lialid 
homines^  (§  8)  befolgt  haben,  wird  die  Aufgabe  des  Gespräches  sein.  Zu 
diesem  Zwecke  lässt  Varro  zwei  von  den  angesehensten  Landwirten  des 
damaligen  Italien*  die  oben  besprocheneü  Litinius  Stolo  und  Tremellius 
Scrofa,  als  Hauptredeführer  auftreten.  Freilich  ist  Varro  im  Laufe  seiner 
Darstelluni?  dem  Grundsätze,  in  erster  Linie  auf  italische  Zustände  Rück- 
sicht zu  nehmen,  nicht  immer  treu  geblieben,  was  sich  aus  der  Art 
seiner  Ciuellenbenutzung  erklärt.  Ebenso  kann  man  sich  nicht  immer 
darauf  verlassen,  dass  VaiTo  die  zu  seiner  Zeit  tataftclilich  waltenden 
Verhältnisse  schildert. 

Wenn  wir  dennoch  den  allgemeinen  Charakter  des  damaligen  römischen 
Gutubetriebs  nach  Varros  Darstellung  zu  bestimmen  suchen,  so  zeigen  sich 
ziemlich  dieselben  Züge,  die  wir  bei  Cato  haben  wahrnehmen  können.  Die 
Wein-  und  Ol  Produktion  bleibt  die  Grundlage  des  Betriebes.  Dem  ent^ 
sprechend  erscheinen  die  cella  vitiariu  und  okaria  als  obligatorische  zu 
der  mlta  ruAtica  gehiirende  Wirtschaftsgebäude.-)  Als  während  des  Ge- 
spräches im  dritten  Bucht»  einer  der  Teilnehmer  ein  Landgut  erwähnt,  auf 
dem  keine  torcida  vasa  tnndemiatona,  keine  Heriae  olmriae  und  trapvteii  zu 
sehen  gewesen  seien,  fragt  ein  anderer  ganz  erstaunt:  Quid  igitur  eat  ida 
vilhf  si  nee  urhana  hahet  ornanwuta  wqHv  rudica  mcmhraf'^  Die  Knt- 
Wickelung,  welche  It^ilien  aus  einem  Komland  in  ein  Wein-  und  Ölland 
verwandelte,*)  hatte  offenbar  seit  Catos  Zeiten  noch  weitere  Fortschritte 


1}  Vgl*  1, 15:  ««runr  alii  aireum  ptnott  u'  habet  ujm-  in  Sabmü, 

8)  i,  13,  1;  6;  7.    Ebeotto  Wi  VitruviuM  VI,  6,  2\  8. 

8}  111,2.9. 

4)  &  oben  S*  20* 


56  H.  Oummerus, 

gemacht,  non  arboHbus  consita  Italia,  ut  tota  pomarium  videatur?  lässt 
y arro  den  Fundanius  ausrufen.  ^)  Hatten  doch  zu  dieser  Zeit  die  italischen 
Weine  und  das  italische  Öl  schon  ihren  Weltruf  erlangt.  Bekannt  ist 
das  Verbot  jenseits  der  Alpen  neue  Wein-  und  Ölpflanzungen  anzulegen, 
welches  nicht  lange  vorher  erlassen  worden  war, ')  offenbar  um  italischem 
Wein  und  italischem  Öl  den  gallischen  Markt  zu  sichern. 

Neben  dem  Wein-  und  Ölbau  tritt  stärker  als  früher  die  teils  auf 
Wiesenkultur  und  intensiven  Futterbau,  teils  auf  Weidewirtschaft  ge- 
gründete Viehzucht  hervor.  Die  Wiesenkultur  betrachtet  Tremellius 
Scrof a  sogar  als  die  einträglichste  Bodenbenutzung. ^)  Getreide  dagegen 
wird,  wie  vorher,  nur  für  den  eigenen  Bedarf  gebaut,*)  daneben  natür- 
lich Gartengewächse,  welche  auf  den  städtischen  Märkten  Absatz 
finden.^)  Neu  ist  bei  Varro  die  ausserordentlich  entwickelte  sogenannte 
pastio  villatica,  unter  welcher  Benennung  man  die  Einrichtung  von  Ge- 
flügelzüchtereien ,  omithones,  Wildparken,  leporaria,  und  Fischteichen, 
Piscinae,  zusammenfasste. 

Über  die  Grösse  des  Gutsbetriebes  sagt  Varro  ganz  allgemein, 
offenbar  an  Cato  anknüpfend,«)  dass  man  die  Wirtschaftsgebäude  im  Ver- 
hältnis zu  der  Ausdehnung  des  Gutes  weder  zu  gross  noch  zu  klein  auf- 
führen solle.')  Wie  gross  er  sich  aber  ein  gewöhnliches  Gut  denkt,  lässt 
sich  nicht  bestimmen.  Soviel  ist  wohl  klar,  dass  er  sein  Werk  hauptsächlich 
für  Grossgrundbesitzer  schreibt.  Er  selbst  besitzt  mehrere  Landgüter,^)  so- 
wie bedeutende  Schäfereien  und  Eselzüchtereien.*)  Allein  über  die  faktische 
Grösse  des  Betriebes  gibt  uns  Varro  keinen  sicheren  Au&chluss.  Seine 
Vorschriften  über  die  Einrichtung  einer  villa  rustica  mit  den  zugehörigen 
Gebäuden ^^)  sind  allzu  allgemein  gehalten,  um  irgendwelche  Schluss- 
folgerungen in  dieser  Beziehung  zu  gestatten.  Man  merkt  nur,  wie  sich 
der  Verfasser  bestrebt,  bei  seinen  Vorschriften  den  Bedürfnissen  kleinerer 
sowohl  als  grösserer  Güter  gerecht  zu  werden.*^)  Ebenso  wenig  lässt 
sich  aus  den  Auseinandersetzungen  in  c.  18  schliessen,  wo  Varro  die 
Angaben  Catos  und  Sasemas  über  das  für  den  Gutsbetrieb  erforderliche 
stehende  Arbeitspersonal  kritisiert.    Es  beisst  hier  u.  a.  (§  4) :  mitto  illtü. 


1)1,2,6. 

2)  Cic.  de  rep.  III,  16. 

8)  Varro  I,  7,  10. 

4)  I,  69,  1 :  Korn  wird  nur  noch  ad  cibatum  und  ad  satümem  aus  den  Magazinen 
geholt. 

5)  I,  16,  3  8ub  urbe  hortos.    Vgl.  Cato  c.  8,  2  sub  urbe  hortum  omne  genus. 

6)  Cato  c.  8,  1  ita  aedißces^  ne  viUa  fundum  quaerat  (neve  fundus  viünm}. 

7)  I,  11,  1. 

8)  I,  15:  u<  ego  habui  in  Vemvio.     III,  3,  8;  13,  1 :  fundus  Tusculanus. 

9)  II  pr.  6 :  ipse  pecuarias  fiabui  grandes,  in  Apulia  oviarias  et  in  Reatino  equarias. 

10)  I,  13. 

11)  a.  0.  §  3:  cohortes  m  fundo  magno  duae  aptiores  ...  §  5  nubilarium  . .  .  magni- 
tudine  pro  modo  fundi. 


[)rr  rötnijirh^  Ouhhpfr'tplK 


57 


quod  madum  fwque  unum  ner.  modicum  proposmf  (sc.  Cttto)  CCXL  itigt- 
rum  (mmhetis  mim  cenfutifi,  et  ea  CC  iw/erum),  aber  das  sagt  Varro, 
wie  das  folgende  2eigt,  nur  ans  rein  formalen  Rücksichten*  Eine  Be- 
rechnung der  ArbeitÄkräfte  hUtt«  von  dem  Normalareal  einer  eefituria 
ausgehen  müssen,  wenn  man  nicht ,  wie  Varro  e^  vorgezogen  hätte,  mit 
Sasema  das  Areal,  da»  von  einem  Arbeiter  bestellt  werden  kann,  zu 
bestimmen  versucht.  Die  Fälle,  welche  Varro  voraussetzt  —  dass  ein 
Ölgut  weuigei*  als  240  iugera  oder  doppelt  so  viel  oder  noch  mehr  be- 
triigt,  dass  ein  beliebiges  Gut  100  ingeia  Weinberg.  100  higira  Öl- 
pflanzung  umfaßt  —  sind  nur  hypothetisch  und  gründen  sich  offenbar 
nicht  auf  konkrete  Beispiele» 

Aus  dem  I imstande,  dass  sich  Varro  bei  diesen  Berechnungen  wie 
überhaupt  im  ei-sten  Buche  in  so  hohem  Masse  auf  Cato  stützt,  köuute 
man  jedoch  schliessen,  dass  er  vornelnnlicli  Güter  von  mittlerer  Grossem 
im  Auge  hat.  Dies  scheint  aurh  aus  der  Darstellung  in  dem  unten  zu 
besprechenden  c.  10  hervorzugehen,  dimtum  copiom  agri  ac  mllae  kanmien 
hier  in  Betracht  nur  als  Ab^atzorte  für  die  Produkte  <iej<  Gutes  oder  als 
Bezu^nrte  für  gelegentlichen  Bedarf  an  InventarieiL  *)  Aber  hierin  ist 
Van*n  keineswegs  konsequent,  In  dem  darauf  folgenden  interessanten 
17.  Kapitel,  wo  die  Feldarbeiter,  da»  instrumentum  roeale,  be^sprochen 
werden,  finden  wir  ein  längeres  Zitat  aus  Cassius  Diunysius,  dem  Kpito- 
mator  des  Mago,  Seine  Ausfüliruntren,  wie  man  die  Sklaven  auswählen 
luid  behandeln  soll,  tragen  alle  Züge  der  typischen  Latifundien-  und 
Plantagenwirtsfhaft  mit  Uundeilen  von  unfreien  Arbeitern »  di(^  von  den 
Antreibern  mit  Peitschenhieben  zur  Arbeit  getrieben  werden,  und  die  aus 
verseliitMlcnen  Nationalitäten  ausgewählt  sein  mttssen,  um  Aufstünden 
möglichst  vorzubeugen.  Es  zeigt  sich  gerade  hier  besonders  deutlich, 
dass  Varros  Werk  nicht  ein  einheitlirlies,  auf  eigener  Erfahrung  auf- 
gebautes Ganzem*  ist.  Die  Grosse  des  Gutsbetriebes,  der  dem  Verfasser 
vorschwebt,  muss  daher,  soweit  es  nur  angeht,  m  jedem  einzelnen  Falle 
bestimmt  werden. 

Suchen  wir  uns  jetzt  klarzumachen ,  wie  sich  Varro  die  Stellung 
des  Gutsbetriebes  in  dem  allgemeinen  Wirtschaftsleben  denkt» 

Schon  bei  Cato  haben  wir  beobachten  können,  wie  eng  die  Land- 
wirtschaft mit  dem  städtischen  Handel  und  Gewerbe  verknüpft  war,  und 
von  welcher  Bedeutung  deshalb  gut^  Kommunikationen  für  den  Guts- 
besitz waren.  Von  vornherein  kann  man  annehmen,  dass  sich  zu  Varros 
Zeit  die  Verhältnisse  in  dieser  Kiehtiing  noch  mehr  entwirkelt  hatten^ 

Im  16,  Kapitel  des  ersten  Buches  gibt  Varro  hierüber  interessante 
Aufschlüsse,  welrhe  um  so  buhere  Bedeutung  beanspruchen  können,  ak 
ihnen  offenbar  die  eigene  Anschauung  des  Verfassere  zu  Grunde  liegt, 
AllerdingH   ist  m  mdglieh,  dass  Varro  den  Gegenstand  schon   bei  den 


l)I,aa;4. 


58  H,  Gummen^, 

Sasernae  behandelt  vorfand.  Diese  hatten,  wie  oben  bemerkt,  in  ihr 
Werk  vieles  aufgenommen,  was  zwar  mit  der  Gutswirtschaft  im  Zu- 
sammenhange stand,  aber  der  Landwirtschaft  im  engeren  Sinne  fremd 
war.  Es  ist  darum  nicht  ausgeschlossen,  dass  sie  die  Frage,  ob  der  Guts- 
besitzer eigene  Handwerker  halten  soll  oder  nicht  (c.  16,  4),  auch  erörtert 
hatten.  Auf  Cato  scheint  die  Bemerkung  über  die  Handelsgärtnerei  in 
der  Stadt*)  zurückzugehen.  Aber  alle  diese  Erörterungen  sind  deT  Art, 
dass  sie  von  jedem  Manne  mit  praktischem  Blicke  gemacht  werden  konnten. 
Wenn  Varro  hier  irgend  etwas  seinen  Vorgängern  entlehnt,  so  tut  er  es 
nur,  weil  es  mit  den  ihn  umgebenden  Verhältnissen  im  Einklang  stand. 

Vier  Faktoren,  beginnt  er,  können  von  aussen  auf  die  Ertragsfähig- 
keit des  Gutes  ungünstig  einwirken  (§  1):  si  vicina  regio  est  infesta  (d.  h. 
von  Räubern  beunruhigt) ;  si  quo  neque  frudus  nostros  exportare  expedxat 
neque  inde  quae  opus  sunt  adportare;  tertium,  si  viae  aut  fluvii,  qua 
portetur,  aut  7ion  sunt  aut  idonei  non  sunt;  quartum,  siquid  ita  est  in 
confinihus  fmidis,  ut  nostris  agris  prosit  aut  noceat  —  Der  zweite  Punkt 
wird  ausführlich  erörtert  (§  Ö):  quae  vicinitatis  invectos  habent  idoneos, 
qtme  ibi  nascuntur  ubi  vendanf,  et  illinc  (codd.  illic)  invectos  opportunos 
qu^ae  in  fundo  opus  sunt,  propter  ea  fruduosa.  Trotz  der  gekünstelten, 
echt  varronischen ,  mit  archaistischen  Wendungen  und  Wörtern  —  in- 
vedus,  -i  statt  -us  —  gezierten  Ausdruckweise  ist  der  Sinn  vollkommen 
klar,  wie  auch  Keil  richtig  erklärt:  ad  utilitatem  villae  pertinet,  ut  et 
indnitas  ei  commodum  invedum  praebeat  ad  vendenda  ea  quae  in  fundo 
natu  sunt,  et  ipsa  ex  vicinitate  ad  se  opportunum  invedum  habeat  eorum 
quae  in  fundo  opus  sunt.  —  multi  enim,  fügt  Varro  hinzu,  habent,  in 
praediis  (so  ist  nach  der  kleinen  Teubnerschen  Ausgabe  und  Keils  Kom- 
mentar zu  interpungieren)  quibus  frwmentum  aut  vinum  aliudve  quid  desit, 
inportandum,  was  wiederum  Keil  richtig  erklärt:  multi,  quibus  in  praediis 
frumentum  aut  vinum  aut  quid  aliud  desit,  id  habent  a  vicinis  inpor- 
tundum.  —  Varro  fährt  fort  (§  3) :  itaque  sub  urbe  colere  hortos  late  ex- 
pedit  (d.  h/lucrum  maximum  a/ferf),  sie  violaria  ac  rosaria,  item  multa 
quae  urps  recipit,  cum  eadem  in  longinquo  praedio,  uhi  non  sit  quo  de- 
ferri  possit  venale,  non  eocpediat  colere,  item  si  ea  (d.  h.  solche)  oppida 
aut  mci  in  vicinia  (so  Keil  nach  §  4  statt  aut  viciniae  der  Handschriften) 
aut  etiam  divitum  copiosi  agri  ac  villae,  unde  non  eure  etnere  possis 
quae  opus  sunt  in  fundum,  quibus  quae  supersint  venire  possint,  ut 
quibusdam  pedumenta  aut  perticae  aut  harundo,  fructuosior  fit  fundus, 
quam  si  longe  sint  inportanda,  non  numquam  etiam,  quam  si  colendo 
in  tuo  ea  parare  possis. 

Es  ergibt  sich  aus  dem  angeführten,  dass  nach  Varros  Ansicht  ein 
römischer  Gutsbesitz  mittlerer  Grösse,  im  Gegensatz  zu  den  grossen  Villen 


1)  §  3:  itaque  stib  urbe  colere  hortos  late  expedit;  Cato  8,2:  sub  urbe  horium 
omne  genus. 


Der  römische  Outshetrieh,  59 

der  reichen  Magnaten,  keineswegs  wirtschaftlich  isoliert  dastand,  sondern 
in  erheblichem  Masse  in  das  Verkehrsleben  hineingezogen  war.  Nicht 
nur,  dass  eine  Stadt,  ein  Dorf  oder  eine  grössere  Villa  in  der  Nähe  des 
Qntes  dem  Besitzer  als  Absatzorte  für  seine  Produkte  wichtig  waren  — 
das  ist  ja  ohne  weiteres  selbstverständlich.  Dass  man  die  Kultur  den 
Bedürfnissen  der  Umgegend  anpassen  und  in  der  Nähe  der  Stadt  Handels- 
gärtnerei treiben  soll,  weiss,  wie  gesagt,  schon  Cato.  Sondern  ebenso 
wichtig  ist  es,  was  man  auf  dem  Gute  braucht,  qiuie  opus  sunt  in  fundum, 
in  der  Nähe  leicht  und  billig  kaufen  zu  können.  Und  zwar  umfasst  die 
„Einfuhr^  des  Qutes  nicht  nur  Erzeugnisse  der  städtischen  Industrie  oder 
Produkte,  die  nur  durch  den  Handel  beschafft  werden  konnten:  auch 
Getreide  und  Wein  musste  man  auf  vielen  Gütern  kaufen.  Oft  war  es 
sogar  vorteilhafter  Produkte  zu  kaufen,  die  man  wohl  auch  auf  eigenem 
Boden  hätte  erzeugen  können. 

Unter  solchen  Umständen  ist  es  klar,  dass  Varro,  wie  vorher  Cato, 
auf  gute  Verbindungswege  mit  dem  Gute  grosses  Gewicht  legen  muss 
Der  dritte  unter  den  am  Anfang  des  Kapitels  genannten  vier  Punkten, 
der  sich  auf  die  Kommunikationen  bezieht,  wird  in  §  6  weiter  ausgeführt. 
eundem  fundum,  heisst  es,  fruduosiorem  faciunt  vedurae,  si  viae  sunt, 
qtm  plaustra  agi  fädle  possint,  aut  flumina  propinqua,  qua  navigari 
possit,  quibus  utrisque  rebus  evehi  atque  invehi  multa  ad  praedia  scimus, 

Varro  macht  also  hier  keinen  Unterschied  zwischen  Land-  und  Fluss 
transport.  Es  ist  dies  M.  Weber  gegenüber  hervorzuheben.  Seine  Be 
hauptung,  dass  „ein  Landtransport,  sobald  irgend  beträchtliche  Ent- 
fernungen in  Frage  kamen,  nicht  zu  erschwingen  war,"^  stützt  Weber 
auf  eine  Varrostelle,*)  aus  der  zu  schliessen  sei,  dass  ein  Gut,  das  am 
Meere  lag,  fünfmal  mehr  abwarf,  als  ein  Gut  ohne  Wasserverkehr.  Aber 
diese  Stelle  beweist  keineswegs,  was  Weber  aus  ihr  herausliest.  Varro 
erzählt  hier,  dass  L.  Abuccius  nach  seinen  eigenen  Worten  auf  seinem 
albanischen  Gute  jährlich  nur  10000  Sesterzen  durch  den  Ertrag  der 
Äcker  verdiente,  durch  die  pastio  villatica  dagegen  mehr  als  20000: 
agrum  enim  miyius  decem  milia  redde^e,  villam  plus  mcena.  idem,  fährt 
er  fort,  secundum  mare,  quo  loco  vellet,  si  parasset  villam,  se  supra  cen- 
tum  milia  e  viUa  recepturum.  Erstens  sagt  Varro  nicht,  dass  die  Villa, 
welche  Abuccius  am  Meere  kaufen  wollte,  ebenso  gross  gewesen  wäre, 
als  der  fundus  Älhanus.  Zweitens  geht  aus  dem  folgenden  hervor,  dass 
Abuccius  nur  aus  dem  Grunde  aus  jener  am  Meere  belegenen  Villa  so 
viel  höhere  Renten  herauswirtschaften  zu  können  glaubte,  weil  er  dort 
grossartige  Fischteiche,  piscinae,  anlegen  konnte.  Gerade  in  dieser  Zeit 
begann  man  solche  am  Meere  anzulegen,^)  weil  Meerflsche  viel  höher  ge- 

1)  AffrargesehichU  S.  224. 

2)  r.  r.  in,  2, 17. 

8)  III,  8, 10:  8ic  nastra  aetas  . . .  piidna»  protülä  ad  «lar«.    YrL  kkr^  • 

quardt,  Privatleben,  S.  483. 


60  H.  Gummerus, 

schätzt  wurden  als  Sttsswasserfische.  Zwar  sagt  Varro,  dass  jene  mari- 
timae  piscinae  nobilium  oft  magis  ad  oculos  perünent,  quam  ad  vesicatn, 
et  potiics  marsippium  domini  exinaniunt,  qtuim  inplentA)  Aber  wenn  die 
Meerfischteiche  einen  geringen  Ertrag  lieferten,  so  lag  der  Grund  dazu 
nur  in  der  eitlen  Liebhaberei  der  Besitzer.*)  Denjenigen,  die  derartige 
Teiche  als  Erwerbsquelle  hielten,  warfen  sie  einen  hohen  Gewinn  ab.*) 
Wenn  darum  eine  Villa  am  Meere  einen  fünfmal  so  hohen  Gewinn  durch 
die  pastio  villatica  sicherte  als  diejenige  im  Binnenland,  so  beruhte  dies 
nicht  darauf,  dass  der  Transport  der  Produkte  zu  Lande  so  unerschwing- 
lich teuerer  gewesen  wäre  als  zur  See,  sondern  darauf,  dass  sich  die  mari- 
timae  piscinae  ausserordentlich  gut  rentierten. 

Es  ist  eine  ganz  verkehrte  Ansicht,  dass  die  grossen  römischen  Land- 
strassen für  den  Warentransport  wenig  in  Betracht  gekommen  wären. 
Varro*)  erzählt  selbst,  dass  aus  Apulien  und  dem  Gebiet  von  Brundisiam 
nicht  nur  Öl  und  Wein,  sondern  sogar  ein  so  wohlfeiles  Produkt  wie 
Getreide  von  Kaufleuten  auf  dem  Eselsrücken  zum  Meere  hinab  ge- 
führt wurde.  Treffend  sagt  Nissen:^)  „Militärischen  und  politischen 
Erwägungen  verdankt  das  römische  Strassennetz  seinen  Ursprung,  wirt- 
schaftlichen Erwägungen  seine  andauernde  Erweiterung  und  Vervollkomm- 
nung."«) Der  fortschreitende  Ausbau  des  Strassennetzes  hat  auf  die 
Entwickelung  der  Städte  des  Binnenlandes  grossen  Einfluss  gehabt.  Ihr 
Gedeihen  wurde  von  ihrem  Verhältnis  zu  den  grossen  durchlaufenden 
Verkehrsadern  abhängig.^ 

Zwar  ging  der  Transport  zu  Lande  bei  weitem  langsamer  von  statten 
als  zur  See.  Nach  den  Berechnungen  von  W.  Götz  war  die  Transport- 
schnelligkeit zu  Lande  für  Waren  geringeren  Wertes  nur  6  bis  8  geo- 
graphische Meilen  pro  Tag,  mit  gewöhnlichen  Handelsschiffen  dagegen 
durchschnittlich  21  bis  22  Meilen.^)    Aber  die  Langsamkeit  des  Transports 

1)  III,  17, 2. 

2)  Von  deo  Torheiten  des  Hortensius  und  Lucullus  in  dieser  Hinsicht  erzählt 
Varro  III,  17,  5  ff. 

8)  Nach  dem  Tode  des  Lucullus  verkaufte  der  Vormund  seines  minderjährigen 
Sohnes,  Cato  der  jüngere,  aus  seinen  Teichen  Fische  für  40000  Sesterzen  (Varro  r.  r. 
III,  2,  17).  Über  die  ungeheuren  Preise,  die  für  Fische  bezahlt  wurden,  s.  Marquardt, 
Privatleben^  a.  0.  Columella  VIII,  16,  6  nimmt  es  als  selbyerständlich  an ,  dass  die 
Fischteiche  am  Meeresufer  angelegt  werden,  und  zwar  nicht  aus  Liebhaberei,  sondern 
als  eine  gute  EinnahmequeUe :  ex  mari  reditum  constüuat.  Nur  kostbare  Meerfische 
wie  turdif  murenae  u.  a.  lohnt  es  sich  zu  halten,  nam  vile  ne  captare  quidem,  nedum 
cUere  conductt  (Col.  VIII,  17,  8). 

4)  r.  r.  11,6,5. 

5)  Mal  Landesk,  II,  55. 

6)  Dieselbe  Auffassung  spricht  schon  Strabo  V,  3,  8  aus:  törgaoav  6h  (sc.  ol 
'Ptofialoi)  xal  tag  xara  tiiv  %üaQuv  ödovg  .  .  .  oiCxt  rag  ccQ^ia^d^ag  d^x^ad'aL  nogO'iuuov 
(fOQtia. 

7)  Nissen  a.  O.  S.  58. 

8)  W.  Götz,  Die  Verkehrswege  im  Dienste  des  Welthandels.    Stuttgart  1888,  S.  511. 


Der  rSnmrhe  Outsbetrieb. 


wurde  durch  die  grrössere  Sicherheit  und  Bequemlichkeit  weuigstens  teil- 
weise aufgewogen.  ^) 

Betrachten  wii'  nun  den  Gutsbetrieb  im  Einzelnen,  wie  er  bei  Varro 
in  die  Krscheinung  tritt  Wie  im  vorliergehenden  Kapitel  haben  wir 
zuerst  die  Arbeitskräfte  zn  mustern,  mit  welchen  da«  Gut  bewirt- 
schaftet wui^de. 

Über  die  ländlichen  Arbeiter  handelt  VaiTo  im  17.  und  18.  Kapitel 
des  ersten  Ruches.  Die  zwei  ei-^ten  Panigi^aphen  des  c.  17  sind  ohne 
Zweifel  Varro  selbst  zuzusprechen.  Die  wunderliche  Einteilung  des  Guts- 
inventars in  in^itrtinienii  gefius  vocalc  d  semlvocale  d  muium  hat  er  wohl 
nicht  selbst  erfunden,  und  die  Bemerkung  im  §  2  ftber  die  Verwendung 
der  merfTniiarii  auf  ungesundem  Boden  kann  auf  iSaserna  zuriiekgehen, 
der  die  ländliche  Arbeiterfiage  eingehend  behandelt  zu  haben  scheint-) 
Offenbar  aber  redet  Varro  hier  auch  aus  eigener  Erfahrung,  Könnt«  ja 
auch  ein  Nichtfachmann  die  Kategorien  der  Feldarbeiter  untei-scheiden. 
Die  Erwähnung  der  obatmti  verrät  auch  deutlich  den  römischen  Antiquar 
(s.  unten  S.  Ö3).  Der  Rest  des  Kapitels  von  §  3  an  enthält  den  oben 
berührten  Auszug  aus  Cassius  Dionysius.  Nur  einige  unbedeutende  Be- 
merkungen»  die  in  oratio  recta  geschrieben  sind^  dürften  wohl  von  Varru 
selbst  staniuien. 

Im  18.  Kapitel  behandelt  Varro  die  Frage  nach  der  Zahl  der  auf 
dem  Gute  zu  luiltenden  Sklaven,  Hier  zeigt  sich  besonders  deutlich^  wie 
unselbständig  er  seinen  \'orgängern  gegenübersteht.  Er  kritisiert  zwar 
die  Angaben  von  Cato  und  Saserna,  aber  seine  Einwände  sind  nur  formaler, 
oberrtäch lieber  Natur,  wie  sie  von  jedermann  gemacht  werden  konnten: 
dass  sieh  die  Zahl  der  Knechte  nach  der  Grfisse  und  der  Naturbeschaffen- 
lieit  di's  Gute«  richten  müsse;  dass  der  mlicus  und  die  vilim  unter  dem 
Arbeitspersonal  nicht  hätten  einberechnet  werden  dürfen;  das»  Cato  für 
sein  ofivetum  ein  unpassendes* Mass  gewählt  liabe,  weil  man  die  Zahl  der 
iiufera  (240)  nicht  durch  die  ZalJ  der  Arbeiter  (13)  dividieren  könne 
und  80  die  Ackerfläche,  die  durch  einen  Arbeiter  bestellt  werden  kann, 
nicht  auszumachen  sei  u.  s.  w.  Eine  auf  eigene  Erfahrung  gekündete 
Ansicht  über  diesen  Gegenstand  hatte  Varro  offenbar  nicht,  ebensowenig 
wie  iiber  die  Zahl  der  auf  dem  Gute  erforderlichen  Zugtiere,  die  er  im 
folgenden  Kapitel^  wieder  nach  Cato  und  Saserna,  erörtert.^) 

Kehren  wir  zu  c.  17  zurück,  omm-^  aijri,  sagt  Varro  (§  2),  coluntur 
hominibus  senns  aut  liberis  aut  utriiique:  libt^^risr  aut  cum  ipn  m/wnf,  ut 
pkrique  pauperctäi  cum  suu  progenicj  aiU  mercennurii^,  emn  conducliem 


1)  \n  GaUien  trarde  fttr  den  Waren verkohr  d^  WngentraiiFport  wogtiti  d«^r  griUiNsren 
ßequemUrlikeit  dem  FluMitr&iii»port  iitcht  »elteü  vorgesogeo,  Btrabo  IV,  1,14;  ^gl. 
IV,  6,  10.  Vn,  5/^  (WageotraQ^port  von  AqnUein  nach  dem  NordcD). 

2)  Cohim.  l,  7,  4. 

8)  S^in6  ITfikeoiitDu  gesteht  Varro  selbst  ei»,  c,  19, 1 :  s*  Soi^ma  dieit  venm  .  , . 
«I  Cato  , . . 


62  H,  Oummenis, 

liberortmi  operis  res  maiores,  ut  vindemias  ac  faenisicia,  administrant, 
iique  qtios  obaeratos  nostri  vocitarunt,  et  etiam  nunc  sunt  in  Äsia  atque 
Aegypto  et  in  Illyrico  conplures.  de  quibtis  universis  hoc  dico,  gravia 
loca  utiliKS  esse  mercennariis  colere  quam  servis,  et  in  saluhribus  quoqtie 
locis  opera  rvstica  maiora,  ut  su/nt  in  condendis  fructibus  mndemiae  aut 
messis. 

Die  Feldarbeiter  werden  also  hier  erst  in  unfreie  und  freie  eingeteilt, 
dann  wieder  die  letzteren  in  drei  Kategorien.  Die  erste  umfasst  die 
armen  Leute,  pauperculi,  die  ihre  Äcker  mit  ihren  Kindern  selbst  be- 
stellen. Damit  sind  ohne  Zweifel  die  Kleinbauern  gemeint,  von  deren 
kümmerlichem  Dasein  in  jener  Zeit  die  Quellen  berichten.  Ob  zu  dieser 
KAtegorie  auch  die  Kleinpächter  gerechnet  werden,  lässt  sich  nicht  mit 
Sicherheit  entscheiden;  wahrscheinlich  ist  es  allerdings. 

Der  Kategorie  der  Kleinbauern  wird  dann  die  der  freien  Arbeiter 
entgegengestellt,  die  die  Äcker  der  Grossgrundbesitzer  bestellen,  und 
zwar  einerseits  die  mercennarii,  andrerseits  die  obaerati:  liberis,  aut  ... 
pauperculi  . . ,  aut  mercennarii  . . .  iique  quos  obaeratos  nostri  vocitarunt 
Die  mercennarii  sind  gewöhnliche  freie  Tagelöhner  und  entsprechen  den 
operarii  und  mercennarii  bei  Cato.^)  Wie  man  aber  die  obaerati^)  auf- 
zufassen hat,  ist  eine  umstrittene  Frage. 

Fustel  de  Ck)ulanges^)  hat  es  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht^  dass 
mit  dieser  Benennung  Kleinpächter,  coloni,  bezeichnet  werden,  die  Pacht- 
rttckstände  halber  im  Schuldverhältnis  zum  Eigentümer  standen.  Er  iden- 
tifiziert die  obaerati  mit  den  von  Columella  erwähnten  im  Schuldverhält- 
nis zu  den  Latifundienbesitzem  stehenden  freien  Bürgern,  nexus  civium, 
welche  die  Äcker  ihrer  Gläubiger  zu  bestellen  hatten.*)  Da  nach  römischer 
Rechtspraxis  der  Pächter  das  Gut  nicht  verlassen  durfte,  ehe  er  alle 
Pachtrückstände  bezahlt  oder  Kaution  für  die  Bezahlung  gestellt  hatte,^) 
betrachtete  der  französische  Gelehrte  jene  obaerati  als  die  Vorläufer  der 
an  die  Scholle  gebundenen  Kolonen  der  späteren  Zeit.  Dieser  Auf- 
fassung pflichtet  auch  A.  Schulten  beL^) 

Dass  sich  die  zitierte  Columellastelle  auf  das  Kolonatsverhältnis  be- 
ziehe, machte  schon  Huschke  geltend,  7)  und  ist  auch  an  sich  wahrschein- 
lich. Jene  fines  gentium,  welche  die  Besitzer  occupatos  nexu  civium  et 
ergastulis  tenent,  erinnern  lebhaft  an  die  afrikanischen  saltus,  die  teils 
von  Kolonen,  teils  von  Sklaven  bestellt  wurden.    Der  Ausdruck  nexus 

1)  S.  oben  S.  25. 

2)  So  ist  nach  Varro  de  ling.  Int.  VII,  105  zu  lesen,  nicht  obaerarii. 

3)  Fustel  de  Coulanges,  Le  colonat  Romain  (Recherches  sur  quelques  problhnes 
d'histoire,  Paris  1885,  S.  1—186),  S.  19. 

4)  Colum.  I,  3,  12. 

5)  Le  colonat  Romain  S.  17. 

6)  Historische  Zeitschrift  B.  LXXVIII  (1897),  S.  7. 

7)  Ph.  Ed.  Huschke,  Über  den  Census  und  die  Steuerverfassung  der  früheren 
Römischen  Kaiserzeit,  Berlin  1847,  S.  159  A.  342. 


Der  romische  GiäsbetrielK 


03 


nvium  passt  aiif  jene  in  engem  Abhängigkeit.sverhältni$  zum  Grundherrn 
stehenden  Kleinpächter  sehr  gut.  Aber  damit  ist  nicht  gesagt  ^  dass  die 
obaetnH  bei  Van*o  als  Kolonen  aufzufassen  wären,  Vielmehr  ist  Wer,  wie 
von  den  meisten  Erklärern  angenommen  wird,  von  der  altrömischen 
Schuldknechtschaft,  nexus^  die  Rede.  Varro  selbst  sagt:  Über  qui  iium 
Qpürüiy  m  aerriiiiteni  dat  pro  peeunia  quam  dehebal^  dum  solvcret,  nexiis 
vacaiur,  ut  ab  aere  obaeratm^)  Der  nexus,  obaeratus  entspricht  dem  addictug 
des  älteren  rümiselien  Rechts,  der  nach  dem  Zwölftafelgesetz  entweder 
get4)tet  oder  verkauft  werden  musste,  welche  barbarische  Bestimmung 
spätrer  dahin  gemildert  wurde,  dass  der  iiddidus  seine  Schuld  durch 
Zwangsarbeit  bei  dem  Gläubiger  zahlen  sollte.-)  Dass  die  Schuldkuechte 
hauptsächlich  als  Äckerarbeiter  benutzt  wurden ,  geht  aus  den  Quellen 
hervor^*)  und  ist  auch  bei  den  wirtschaftlichen  Zuständen  der  älteren 
Zeit  von  vomhepein  walirscheinliclL  Zwar  war  die  Schuldhaft  zu  Varros 
Zeit  faktisch  schon  ausser  (Jebraurh  gekommen,  wenn  auch  nicht  recht- 
lich, da  ja  die  Pei-sonalexekution  definitiv  erst  von  Diocletian  aufgehoben 
wurde,*)  Aber  Varro  —  der  gelehrte  Antiquar  —  gedenkt  anch  der 
Institution  offenbar  nur  als  einer  Antiquität:  vociiarunty  nicht  voritant^i 
D%m  er  die  obaerati  imter  den  landwirtschaftlichen  Arbeitern  noch  nennt, 
begründet  er  in  dem  folgenden,  wenn  er  sagt,  dass  eine  dem  altrömischen 
nt^m  ähnliche  Form  der  8chuldkneclitschaft  noch  (etinm  nunc)  in  Asien, 
Ägypten  und  IlIjTien  existiere.'^)  Dass  unter  den  ohavnttif  wo  sie  noch 
als  Ackerarbeiter  verwendet  wurden,  auch  kleine  Pächter,  die  für  ihren 
ÜeJdzinB  in  Schuld  hafteten,  vorkommen  konnten,  wird  nicht  bestritten, 
Aber  die  Juristen  der  Kaiserzeit  kennen  als  Sicherheit  des  Grundherrn 
far  die  Pachtgelder  der  Kolonen  nur  die  V^erp fändung  des  beweglichen 
Eigentums  der  letisteren.')  Dass  die  verst^huldeten  Kolonen  ihre  Parzellen 
nicht  verlassen  durften,  ehe  sie  die  Pachtrilckstände  bezahlt  oder  Kantion 
dafür  gejitellt  hatten,  macht  sie  nicht  zu  obaerati,  denn  sie  hafteten  für 
die  Pachtgelder  offenbar  nicht  durch  ihre  Arbeit,  sundern  durch  ilir  Eigen- 
tum, und  Varro  definiert  den  obaeratm  ausdrücklich  als  denjenigen,  qui 
»um  operas  in  set^^itutem  dat 


i)  Varro,   dt  l  l  Vir,  105,    VgL  Liv,  XXVI,  40,  17:   qmam»r  rnäia 
wmnt^  mixti  ea:  omni  canluviofnif  exuier,  ühnemti.    Dott.  in  Ter.  PkorwL  If ,  2,  90 :  9^m§* 
raft,  quum  tolrmdo  fton  tiui€nt,  ijmi  manu  cupieiMintur, 

2)  Qttint.  DfcL  311:  quid  enim  Ux  dicitf  'addiciui,  dön$e  mleerit^  aeruiat'.  Über 
Mt  ächuldknecht^haft  vgL  &L  Vuigt,  ifber  die  Oßschicht^  deJi  römischen  KxekuiionM^ 
r^ehiu.    Ber,  d.  Sachs.  Gcs,  d.  Jiiw.  Phiihiit  Kl  ld82,  a  76—120 

g)  Vaigt  iL  O.  S.  92. 

4)  Voigt  a.  0.  a  118. 

b)  VgL  B.  Hewterber^k,  Die  Enmehung  de»  KohmUf,  S.  24. 

6)  Für  Asieo  kt  dies  aueb  aotiat  bcrseugt:  Voigt  a.  (),  S,  120  A.  60  mit  Beleg* 
gtoU<$tt.  VgL  Cmesar,  de  ö*  O,,  I,  4»  2»  wo  toh  den  eUentu  uuil  oba^raii  des  Orgetorix 
Ifttproehcn  mird, 

7)  Gaiiu,  IfutL  IV,  147  wul  die  Ubrigiii)  von  Fiaslet  tlti  CoaUnges  a.  O.  S.  16  ma* 
g^lülirtcn  Stellen. 


64  H.  Gfummerus, 

Es  steht  also  fest,  dass  Varro  in  seiner  Aufzählung  der  verschiedenen 
Kategorien  der  ländlichen  Arbeiter  die  Kleinpächter  nicht  ausdrücklich  nennt. 
Daraus  darf  man  selbstverständlich  nicht  schliessen,  dass  die  Kleinpacht 
zu  seiner  Zeit,  wenn  auch  nicht  ganz  fehlte,  so  doch  noch  ziemlich  selten 
gewesen  ist.^)  Es  scheint  vielmehr,  dass  die  Klein-  oder  Parzellenpacht 
seit  Cato  in  dem  Betriebssystem  der  Römer  immer  mehr  Boden  gewonnen 
hatte.  Columella  erwähnt,  dass  schon  Sasema  die  Frage  behandelt  habe, 
ob  es  für  den  Gutsbesitzer  vorteilhafter  sei,  das  Gut  an  coloni  zu  ver- 
pachten oder  es  selbst  zu  bewirtschaften.*)  Aus  der  Gegenüberstellung 
des  urhanus  colontis,  qui  per  familiam  mavult  agrum  quam  per  se  colere 
—  Cato  hätte  ihn  conductor  genannt  —  und  der  rttstid  et  assidui  coloni 
geht  hervor,  dass  Sasema  die  Parzellenpacht  grundsätzlich  der  Gross- 
pacht vorgezogen  hat.  Dagegen  ist  es  nicht  klar,  ob  er  die  Verpachtung 
des  ganzen  Gutes  oder  nur  einzelner  Parzellen  desselben  im  Auge  hatte. 
Columella,  der  ihn  anführt,  scheint,  wo  er  selbst  über  Verpachtung  an 
Kolonen  spricht,  bald  das  eine,  bald  das  andere  Pachtsystem  zu  berück- 
sichtigen. Welche  Bedeutung  in  Sasemas  Zeit  die  Kolonen  für  den  unter 
der  eigenen  Regie  des  Grundherrn  gebliebenen,  mit  Sklaven  bestellten 
Teil  des  Gutes  —  das  „Hofland"  —  haben  mochte,  ist  aus  dieser  Stelle 
nicht  zu  erschliessen. 

Auch  der  Umstand,  dass  schon  Sasema  das  Wort  colonusj  „Bebauer'^, 
in  der  Bedeutung  „Kleinpächter"  verwendete,  beweist,  dass  die  Parzellen- 
verpachtung zu  seiner  Zeit  allgemein  verbreitet  war.  Zu  Varros  Zeit 
hatte  diese  Benennung  sogar  juridische  Gültigkeit  bekommen,  wie  aus 
zwei  Stellen  bei  Varro  selbst  hervorgeht.^) 

Aber  warum  hat  Varro  in  seiner  Aufzählung  der  verschiedenen  Land- 
arbeiterkategorien die  Kleinpächter  nicht  erwähnt?    Offenbar  weil  sie 

1)  Diesen  Fehlschluss  zieht  0.  Seeck,  Gesch.  des  Unterganges  d.  antiken  Welt, 
I,  Anh.  S.  565.  Büt  Recht  bemerkt  E.  J.  Bekker,  Zeitschrift  f,  Rechtsgesch.,  1864,  S.  420, 
dass  man  aas  dem,  was  Cato  und  Varro  nicht  anführen,  nicht  zu  dreist  auf  das,  was 
sie  nicht  gekannt,  schliessen  dürfe. 

2)  Colum.  I,  7,  4.  Die  Stelle  lautet:  Saserna  dicebat  ab  eiusmodi  homine  (id  e. 
ab  urbano  colono,  qui  per  familiam  mavult  agrum  quam  per  se  colere)  fere  pro  mer- 
cede  Utem  reddi:  propter  quod  operam  dandam  esse^  ut  et  rusticos  et  eosdem  assiduos 
coUmos  retineamuSy  cum  aut  nobismet  ipsis  non  licuerity  aut  per  domesticos  colere  non 
expedierit.  Dazu  fügt  ColumeUa  folgende  Bemerkung:  quod  tarnen  non  evenit,  nisi  in 
his  regionibus,  quae  gravitate  caeli  solique  sterilitate  vastantur. 

8)  Varro  r.  r.  I,  2,  17:  leges  colonicas  toüis^  in  quibus  scribimus,  colonus  in  agro 
surculario  ne  capra  natum  pasccU.  II,  8,  7 :  in  lege  locationis  fundi  excipi  solet ,  ne 
colonus  capra  natum  in  fundo  pascat.  In  den  Rechtsquellen  wird  diese  Benennung 
zuerst  von  Servius  Sulpicius  (f  48  v.  Chr.),  zitiert  von  Ulpianus,  Dig.  XIX,  2,  15,2, 
und  Alfenus  Varus  (Schüler  des  Sulpicius) ,  Dig.  tit.  cit.  80,  4,  verwendet  Nur  wird 
an  diesen  Stellen  der  coUmus  nicht  bestimmt  als  Kleinpächter  bezeichnet.  Der  von 
Cicero  pro  Caec.  94  genannte  colonus  ist  kein  Kleinpächter,  sondern  ein  conductor 
fundi.  —  Dagegen  zeigt  die  bekannte  SteUe  bei  Caesar  de  6.  c.  1 ,  34 ,  2 :  profectum 
Domitium  ad  occupandum  Massiliam  navibus,  quas  servis,  libertis,  coUmis  suis  com- 
pleveratf  die  Kolonen  als  wahre  Untergebene  des  Gutsherrn. 


Dpt  römische  Gutßhdnrb, 


65 


als  Gutsarbeiter  im  eigentlichen  Sinne  nicht  in  Betracht  kamen.  Wenn  ein 
b'ntsbesitzer  gi*össere  oder  kleinere  Teile  seiner  Liegenschaften  parzellen- 
weise veri>acht€tc,  so  waren  die  von  den  I'ächtern  zu  zahlenden  (Teld- 
zinsen  das  einzige  Band,  das  sie  mit  dem  Gute  vereinigte.  Für  die  Gnts- 
vvirUschaft  im  engeren  Sinne  waren  die  Pächter  von  keiner  Bedeutung. 
Hätte  man  sie  regelmässig  neben  den  mircennarii  als  Gutsarbeiter  be- 
nutzt, 80  hätte  Varro  sie  ohne  Zweifel  aurh  besondei*s  erwähnt.  Statt 
dessen  fasste  er  nun  sowohl  die  Kleinbesitzer  als  die  Kleinpächter 
in  der  gemeinsamen  Kategorie  panpercuU,  qui  ipd  colimt,  cum  sim 
proyenie  zusammen. 

Tmmei'liin  sieht  man,  dass  VaiTo  die  eigenen  Arbeitskräfte  des  Gutes 
—  die  Sklaven  —  als  nicht  hinreichend  betrachtet  Zu  grösseren  Arbeiten, 
Opera  rusiicu  muiara,  werden  regelmässig  freie  Tagelöhner  gedungen. 
,,Grössere  Arbeiten"  sind  namentlich  die  Getreide-  und  Heuernte  sowie 
die  Weinlese.  l)ass  Varro  die  Verwendung  freier  Arbeiter  bei  der  Krnte 
als  selbstvemtÄndlich  voraussetzt,  zeigt  auch  eine  gelegentliche  Notiz 
über  die  Ährenlese«  i^pinletfium.  Wenn  die  Arbeitslöhne  hoch  sind, 
sagt  er.  ist  es  oft  besser  die  Ährenlese  ganz  zu  unterlassen  und  die 
Acker  einfach  abweiden  zu  lassen.  \)  Nach  einem  von  Nonius  mitgeteilten 
Varrofragment  wurde  bisweilen  auch  die  mrritio  (das  Behacken  der 
Saaten)  durch  gemietete  Leute  ausgeführt.-)  Auf  ungesundem  Boden 
aber  soll  man  die  ganz«^  Ackerbestellung  freien  Tagelulmern  überlas.sen, 
natttrlich  um  das  in  den  Gut^sklaven  steckende  Kapital  nicht  zu  gefährden. 

Ob  der  Grundeigentümer  diese  Hilfsarbeiter  selbst  mieten  oder  ob 
er  die  ganze  Arbeit  einem  redemptor  in  Akkoi-d  geben  soll,  mit  anderen 
Worten,  ob  er  sich  der  Fotin  der  einfachen  Dicn.stmiete  oder  der  Werk- 
verdjjigung  bedienen  soll,  darüber  gibt  VaiTo  keine  Vorschriften.  Dass 
aber  die  Verhältnisse  sich  in  dieser  Beziehimg  seit  C;atos  Zeiten  nicht 
verändert  hatten,  ist  anzunehmen.  Hueton  ei-zählt,  dass  der  Grossvater 
des  Kaisers  Vespasianus  ein  mancepa  {yptrarum  gewesen  sei,  der  alljähr* 
lieh  Scharen  von  freien  Leuten  aus  Uinbrien  in  das  Sabinerland  zu  führen 
pflegte»  „um  die  Äcker  zu  bestellen'',  (ujrorum  colendorum  cnumJ)  I*ass 
das  „Verkaufen**  der  Krnte,  das  bei  Cato  eine  so  giosse  Rolle  spielt,  auch 
Varro  als  geläutig  gilt,  zeigt  die  angeführte?  Stelle  über  die  Ährenlese 
(spiciletpmn  vt^nire  oporUd), 

Die  nngleiclie  Verteilung  der  Feldarbeit  auf  die  verschiedenen  Jalu^es* 
Zeiten  machte  es  notwendig,  das  stehende  Arbeit6i>ersonal  zeitweise  durch 
angeworbene  freie  Tagelöhner  zu  verstärken.  Dagegen  beschäftigte  die 
Viehzucht  die  dazu  verwendeten  Leute  idemlich  gleiehmässig  das  ganze 


1)  1,53:  mejtsi  fticUi  spietltginm  vefure  opariet  aut  dorn  teuere  ttipulam  aut^  9i 
fiHtC  9picae  rarae  et  aperae  carae^  conpasct. 

2)  NouiuN  S.  8,  l:   uirfim  <a  fPi«>  merceditn  accipit  i$t  qui  n^eas  venU  segtits  tU 
9anal^  an  e^  ab  iUo** 

8)  Säet  V€iip,  \ 


66  H.  Oummerus, 

Jahr  hindurch.  Es  ist  wohl  dies  die  Ursache  davon,  dass  die  Hirten  ohne 
Ausnahme  Sklaven  sind.*)  Zwar  zeigt  Caesars  Verordnung,  dass  die 
Herdenbesitzer  den  dritten  Teil  ihrer  Hirten  aus  erwachsenen  Freien 
rekrutieren  sollten,*)  dass  man  sich  auf  diesem  Gebiete  die  Verwendung 
freier  Arbeiter  noch  denken  konnte.  Aber  schwerlich  ist  diese  Ver- 
ordnung durchgedrungen. 

Die  für  die  pastio  villatica  verwendeten  Leute  waren  wohl  ebenfalls 
meist  Sklaven.  Man  hielt  sich  sogar  eigene  Vogelfänger,  Jäger  und 
Fischer,  um  die  Vogelhäuser,  Wildparke  und  die  Stauungen  für  die  Fische 
immer  voll  zu  haben,  wenn  man  nicht,  was  auch  vorkam,  die  Vögel,  Tiere 
und  Fische  kaufte,  um  sie  dann  auszufüttern.^) 

Über  die  Versorgung  des  Gutes  mit  Konsumtionsartikeln,  soweit 
sie  in  Lebensmitteln  und  sonstigen  Bohmaterialien  bestanden,  gibt 
Varro  nur  wenigen  Aufschluss.  Dass  die  römischen  Gutsbesitzer  nicht 
allzu  rigoros  auf  die  Regel  hielten,  wo  möglich  alles  auf  dem  Gute 
selbst  zu  produzieren,  bezeugt  Varro,  wenn  er  sagt,  dass  viele  Guts- 
besitzer das  Getreide  oder  den  Wein  von  aussen  zu  kaufen  pflegten.*) 

Über  die  Beschaffung  der  Erzeugnisse  der  gewerblichen  Pro- 
duktion dagegen  finden  wir  bei  Varro  interessante  Notizen. 

Wir  haben  oben  gesehen,  wie  ängstlich  Cato  besorgt  ist,  im  Winter 
und  auch  sonst,  wenn  das  Wetter  die  Feldarbeit  nicht  zulässt,  für  die 
Gutssklaven  immer  eine  geeignete  produktive  Arbeit  zu  finden.  Auch 
Varro  gedenkt  der  Beschäftigung  der  Sklaven  im  Hause  öfters.  Im 
Winter,  sagt  er,  sind  während  der  Morgendämmerung  die  Hausleute  in 
der  Küche  (die  zugleich  als  Ess-  und  Versammlungszimmer  dient)  mit 
der  Anfertigung  verschiedenartiger  Dinge  beschäftigt.^)  Cum  in  agri^s 
opus  fieri  non  potest,  heisst  es  an  einer  anderen  Stelle,®)  qtiae  suh  tecto 
possunt  tunc  conficienda  antelucano  tempore  hibemo. 

Von  welcher  Art  diese  Hausarbeit  ist,  erhellt  aus  c.  22  des  ersten 
Buches,  wo  das  Gutsinventar  im  eigentlichen  Sinne,  das  instrumefitum 
mutum,  besprochen  wird.  Der  Wortführer  ist  im  Anfang  des  Kapitels 
Tremellius  Scrofa,  womit  freilich  nicht  gesagt  ist,  dass  die  Vorschriften 
aus  seinem  eigenen  Munde  oder  auch  aus  seinem  landwirtechaftlichen 
Werke  stammen.  Dann  wird  in  §§  3—5  Cato,  c.  10  und  11  zitiert, 
wozu  im  §  6  Scrofa  einige  Bemerkungen  hinzufügt.  Es  ist  nicht  zu  be- 
zweifeln, dass  jene  Vorschriften  den  Zeitverhältnissen  Varros  durchaus 
angepasst  sind. 

1)  Varro  r.  r.  n,  10. 

2)  Suet.  Caes.  42. 

3)  III,  8,  4,  dazu  Keil;  III,  17,  ^ipiscatores.  Vgl.  Scaevola,  Big.  XXXIII,  7,  27,  pr: 
Fraedia  maritima  .  .  .  legavit,  qua^üum  est,  an  servi  piscatoreSj  qui  solebant  in  mintsterio 
testatoris  esse  . . .  legati  esse  videantttr, 

4)  I,  16,2;  oben  S.  58  f. 

5)  I,  13,2:  ibi  (sc.  in  cuÜDa)  hieme  antelucanis  temporibus  aliquot  res  o(mficiuni%»r. 

6)  I,  36. 


Der  römische  Outsbetrieb.  67 

De  reliquo  instrumento  muto,  beginnt  das  Eapite],  in  quo  sunt  cor- 
bidae,  dolia,  sie  alia,  haec  praecipiefida.  qicae  7iasci  in  fundo  ac  fieri  a 
domesticis  potermit,  eorum  nequid  ematur,  *)  ut  fere  sunt  quae  ex  mmini- 
bus  et  nmteria  rustica  fiunt,  ut  corbes,  fiscincte,  tribula,  valli,  rastelli;  s^ic 
quae  fiunt  de  cannabi,  Uno,  iunco,  pulmo,  scirpo,  ut  funes,  restes,  tegetes. 
Also  auf  Flecht-,  Tischler-  und  Seilerarbeit  beschränkt  sich  hauptsächlich 
die  häusliche  gewerbliche  Produktion  -r-  ganz  wie  wir  es  bei  Cato  ge- 
funden haben.  Das  Rohmaterial  wird  natürlich  wo  möglich  auf  dem  Gute 
selbst  gewonnen:  et  alio  hco  (^oirgultay  serenda,  sagt  Varro,  ut  habea^ 
rimina,  unde  vieiulo  quid  faeias,  ut  sirpeas,  vallus,  crates:  alio  loco  ut 
seras  ac  cola^s  silvam  caeduam,  alio  ubi  aucupare,  sie  ubi  canyiabim, 
linum,  iuncum,  spurium,  unde  necta^  bubus  soleas,  linea^%  restis,  funes.^) 

Die  Körbe  {corbes,  corbulae,  fiscinae)  werden  in  der  Getreide-  und 
Weinernte  gebraucht.  Die  shpeae  sind  wohl  mit  den  sirpeae  stercorariae 
(Düngerkörbe)  bei  Cato  c  10  und  11  identisch;  crates  (Flechtwerk) 
brauchte  man  zu  verschiedenen  Zwecken ;  ^)  vallus  {=  vamius)  ist  die 
Getreideschwinge;*)  tribulum  ist  bei  Varro  ein  mit  Steinen  oder  Eisen- 
spitzen versehenes  Brett,  das  als  Dresch wagen  dient ;^)  rastelli  lignei 
werden  auch  von  Ciolumella  erwähnt.®)  Selbstverständlich,  obwohl  Varro 
dies  nicht  ausdrücklich  sagt,  werden  iie  perticae,  pali  und  ridicae  für 
den  Weinberg,^  die  pali  zu  den  hölzernen  Einhegungen, ^)  die  hölzernen 
Bienenkörbe,^)  und  was  derartiges  mehr  ist,  zu  Hause  geschnitzt.  Über- 
haupt hat  man  wohl  alle  leichtere  Holzarbeit,  soweit  es  nur  Zeit  und 
Arbeitskraft  gestatteten,  zu  Hause  ausgeführt.  —  Aus  Hanf,  Flachs,  Binsen, 
Schilf  und  Spartum  werden  ausser  Stricken  und  Seilen  verschiedener 
Stärke  (lineae,  restes,  funes)  auch  Decken  {tegetes)^  Fussohlen  für  die 
Zugochsen  (bubus  soleae^^)),  Körbe ^^)  und  Netze**)  verfertigt. 

1)  Die  Stelle  Ut  eine  gate  lUuBtratiou  zu  Catos  Kegel:  patrem  fanUlüu  vendaeem^ 
non  emacem  esse  oportet ^  und  su  dem  alten  von  Plinius  mitgeteilten  Sprichwort:  nequam 
agricolam  esse,  quisquis  emeret^  quod  praestare  ei  fundua  poaset.    S.  oben  S.  22. 

2)  I,  23,  5.  Die  Stelle  ist  erst  durch  Keils  Kmendation  verständlich  geworden. 
Die  Vorschrift  geht  offenbar  auf  dieselbe  Quelle  wie  die  vorher  angeführte  surück. 

3)  c.  ficariae ,  Cato  c.  48,  2.  crates  aut  retia ,  quibus  cohortes  in  eolitudine  faciant 
(sc.  pastores),  Varro  II,  2,  9.  Dagegen  werden  die  c.  stercorariae  bei  Cato  c.  10,3.  11,4 
e  ligno  et  ferro  gemacht,  Varro  I,  22,  3. 

4)1,52,2. 

5)  I,  52, 1. 

6)  Colum.  II,  12,  6. 

7)  Varro  I,  8,  2—4. 
8)1,14,2. 

9)  m,  16, 15. 

10)  Die  Handschriften  haben  paleas,  was  die  Herausgeber  im  Hinblick  auf  Colum. 
VI,  12,  3,  Galen,  de  alimerU.  faculL  1,9  und  Vegetius  IV,  9,  2;  4  in  soleas  geändert 
haben.    Über  die  soleae  s.  Schneider,  Index  zu  soleae. 

11)  II,  2,  14:  fisceUae  e  iunco. 

12)  in,  5, 11 :  retis  cannabina. 

5* 


68  jHI  Gummerus, 

Man  sieht,  dass  das  Gebiet  des  eigentiichen  gewerbiichen  Hansfleisses 
bei  Varro  wie  bei  Cato  ein  ziemlich  beschränktes  bleibt.  Der  grösste 
Teil  der  hergehörigen  Bedarfeartikel  muss  gekauft  werden. 

Hierüber  sagt  Varro  (I,  22,  2):  quae  e  fundo  sumi  non  poterunt, 
ea  si  empta  erunt  potius  ad  utilitatem  quam  ob  speciem,  sumptu 
fructum  non  extenuabunt:  eo  magis,  si  inde  empta  erunt  poüssimum,  uhi 
ea  et  bona  et  proxime  et  tilissimo  emi  poterunt  Nach  Cato  werden  dann 
die  verschiedenen  auf  einem  Gute  nötigen  Geräte  aufgezählt. 

Berufsmässig  ausgebildete  Handwerkssklaven  hält  man  sich,  ¥de  zu 
Catos  Zeit,  in  der  Regel  nicht  Statt  dessen  werden  für  jede  erforderliche 
Arbeit,  die  yon  den  Gutsknechten  nicht  ausgeführt  werden  kann,  fremde 
Handwerker  gemietet 

Varros  Auseinandersetzungen  über  diese  Seite  der  Gutswirtschaft 
sind  von  hohem  Interesse.  Nachdem  er  in  dem  bereits  besprochenen  c.  16 
die  Vorteile  guter  und  naheliegender  Absatzorte  erörtert  hat,  fährt  er 
fort  (§  4) :  itaque  in  hoc  genus  coloni  potius  anniversarios  habent  vicinos, 
qu/ihus  imperenty  medicos,  fuUones,  fabros,  quam  in  villa  suos  habeant, 
quorum  non  numqum  unius  artificis  mors  toUit  fundi  fructum. 

Statt  in  hoc  genus  coUrni  will  Keil  hoc  genus  coloni  lesen.  Diese 
Emendation  ist  zwar  sprachlich  unantastbar,^)  aber  inhaltlich  wenig  an- 
nehmbar. Keils  Erklärung:  hoc  genus  coloni  =  coloni,  qui  oppida  aut 
vicos  aut  copiosos  divitum  agros  in  vicinia  habent,  mutet  wenig  an.  Die 
ursprüngliche  Lesart  in  hoc  genus  lässt  sich  ohne  Zwang  mit  „für  Be- 
dürfnisse dieser  Art"  (d.  h.  Bedürfnisse,  die  nicht  an  Ort  und  Stelle  mit 
eigenen  Arbeitskräften  vorteilhaft  befriedigt  werden  können)  wiedergeben, 
was  Keü  nicht  ganz  genau  ausdrückt,  wenn  er  in  hoc  genus  als  opera, 
ad  qtme  vicini  adhiberi  solent^  erklärt. 

Dann  ist  die  Interpunktion  von  Keil  und  Schneider  (in  seinem  Kom- 
mentar): iHcinos,  quibus  imj)erent,  medicos,  fullones,  /a6ro6- derjenigen  der 
älteren  Ausgaben:  vicinos,  quibus  imperent  medicos,  fullones,  fabros  vor- 
zuziehen, „nam  medici  fullones  fabri  sunt  vicini ,  quos  anniversarios 
(d.  h.  „jährlich  wiederkehrend",  nicht  in  annum  meirede  conductos,  wie 
Schneider  erklärt)  habent  coloni,  ut  iis  imperent^  (Keil). 

Es  geht  aus  Varros  Worten  hervor,  dass  es  auf  dem  Lande  eine 
Klasse  freier,  von  Hof  zu  Hof  ziehender  Handwerker  gab,  die  an  jedem 
Ort  80  lange  blieben,  bis  sie  die  ihnen  übertragenen  Arbeiten  verrichtet 
hatten.  Als  Gewerbetreibende,  die  man  somit  von  Zeit  zu  Zeit  mietete, 
werden  Arzte,  Walker  und  Bauhandwerker  verschiedener  Art  (fahri)  ge- 
nannt. Aber  gewiss  galt  dasselbe  auch  von  Töpfern,  Schmieden,  Malern  u.  a. 
auf  dem  Gute  notwendigen  Handwerkern.  Den  Grund,  warum  kleinere 
Grundbesitzer  gewöhnlich  eigene  Handwerker  nicht  hielten,  gibt  Varro 


1)  Vgl.  I,  29,  2:  in  Apulia  et  id  genus  praediis;  I,  14,  3:  ?ioc  genus  snepes;  II,  10,  1: 
quot  et  quod  genus  sint  habendi  pastores,  a.  s.  w. 


Der  römische  G-uUhetrieh 


69 


richtig  an:  das  in  einem  gewerbekundigen  Sklaven  liegende  Kapital  war 
zu  gross,  als  dass  mau  es  der  Gefahr,  duicli  einen  zu  frulieu  Tod  vernichtet 
7M  werden,  hätte  aussetzen  wollen. 

Soweit  stimmt  Varros  Darstellung  vollkommen  ru  den  Verhältnissen. 
die  wir  auf  den  catouisciien  Mustergutern  beobachten  konnten.  Abt^r 
während  Cato  seine  Vorschriften  fast  ausschliesslich  nach  den  Bedarf- 
ni88en  jener  beiden  verhältnismässig  kleinen  Plantagen  abmas»,  wollte 
Varro,  wie  wir  schon  bemerkt  liaben,  aucli  die  Grosswirtschaft  im  eigent- 
lichen Sinne  berürksichtigen.  Er  fügt  daher  m  den  zitierten  Wurt^n 
folgende  Bemerkung:  quam  parietn  lau  fundi  divites  dom^Mieae  coptae 
mandun'  solimi,  ^  ('nim  a  fmuhi  Umgina  ahmnt  oppida  aui  nici^  faln'o» 
parant^  quon  habeant  in  vdla,ific  crteroii  uücei^mrioii  ar(  t  ftc^Mt^  ne  dr  fundo 
familia  ah  opere  dwcmlat  ac  profentiH  diehaa  amhidet  ffTUUa  pothut,  quam 
opere  faeiendo  agrum  fruettiosiorem  r^ddat  itaqiw  idf^o  Saan^nfte  id^er 
pt'ttreipit^  nequU  de  fundo  iKcmi  pnudrr  vtUciim  f*t  promum  ft  unum, 
qu*-m  rUiruH  legal. 

Wie  man  sieht,  stellt  Varro  die  Grossgrundbesitzej*,  lafi  fumli  dirites^ 
in  (tegeuÄatz  zu  den  Gnmdbesitzern  überhaupt.  Auf  sehr  grussen  Gütern, 
sagt  er,  pHegt  man  für  dieselben  Arbeiten,  welche  sonst  durrh  gemietete 
Handwerker  verricht»*t  werden,  eigene  Handwerkssklaven  zu  halten.  Aber 
-^  das  miiSH  hervorgehoben  werden  —  nicht  auf  allen  grossen  Gutem 
ohne  rnterschied,  Sfjndern  vornehmlich  auf  denjenigen,  die  so  weit  von 
Städten  und  DörtVrn  entfernt  liegen,  dass  nur  mit  fiilübarem  Verlust  an 
Zeit  und  Arbeit  Handwerker  von  dort  geholt  weiden  könnten.  Der  Zu- 
satz: ne  de  fundo  familia  ah  opfere  dhcedat  etc.  hebt  den  doppelten 
rbelstand  hervor,  den  da*«  .^hhängigsein  von  der  städtischen  Industrie 
für  grosse,  entlegene  (ititer  mit  sich  bringt:  einmal  kann  die  Arbeit  nicht 
mit  der  erforderliehen  Kontinuität  vor  sich  gehen,  und  zweitens  muss 
man  unaufhi^rliche  Statitreisen  machen,  was  zeitraubend  ist  und  dabei  auf 
die  als  Boten  verwendeten  Sklaven  eine  sclileclite  Einwirkung  ausübt, 
eine  Erfahrung,  die  schon  der  alte  Sasema  gemacht  hatte. 

Welche  Gewerbe  unter  den  Gutssklaven  vertreten  waren,  sagt  Varro 
nicht.  Er  spricht  nur  im  allgemeinen  von  fahrig  womit  wohl  zunächst 
„Bauleute**  gemeint  sind.  *)  In  der  Tat  mussten  solche  auf  einem  grösseren 
Gute  andauernde  Beschäftigung  finden.  Neubauten-)  wurden  wohl,  wie 
wir  bei  Cato  sahen,  einem  redempim-  in  Akkord  gegeben ,  aber  daneben 
gab  es  wohl  immer  Reparatuien  an  den  Wirtschaftsgebäuden  und 
andere  kleinere  Bauarbeiten,*)  für  welche  Maurer  und  Zimmerleute  nötig 
waren*    Ob  unter  den  fahrt  auch  die  ohne  Zweifel  vorkommenden  fahrt 


X)  faber    wird    jeder    Haiidwt?rker    geniioiit,    der    iö    barti;m    MatcnAl    urbeittflf 
H,  Biümoiir,  7'ecknologi€f  II,  16d;  Koni« 'mann  bi!i  Pimly-Wiswjwa  Jt-E^  Art,  fahri. 

2)  I^  11,2:  viüa  aedificanda. 

3)  So  die  AueTithntii^^   %m\  maceriae^  iMrelche  Viirru  dcHltiüb  nach  fabrik  »aept- 


70  Ä  OummeruSy 

ferrarii,  Schmiede,  einbegriffen  sind,  sei  dahingestellt.  Die  übrigen  be- 
werbe werden  unter  ceteri  necessarii  artifices  znsammengefasst. 

Nun  wird  allerdings  für  ein  Kapitel  der  Oeoponiea,^)  wo  vorge- 
schrieben wird,  Zxi  x^kxiag  xcu  tixTOvag  xai  xBQafAiag  ky  roig  dygolg 
ix^iv  del,  Varro  als  Gewährsmann  angegeben  (Bdgwvog).  Aber  offenbar 
hat  der  Kompilator  dieses  Sammelwerkes  das  varronische  Original  nicht 
selbst  gelesen,  sondern  schöpft,  wie  öfters,  das  Zitat  aus  sekundären  Quellen, 
in  welchen  Varros  Vorschriften  durch  spätere  Zusätze  ergänzt  waren. 
Noch  der  Anfang  des  Kapitels  gibt  Varros  Gedanken  unversehrt  wieder: 

T6  iig  rag  noleig  rijg  xataoxevfjg  tvtxa  raiv  k^yaXdwv  rovg  ynogyoifg 
igXM&cch  ctavfKfogov,  tj  n  yag  rwv  kQyaXüwv  XQ^^^  awBx^Q  vn^n&üaa 
kfinoälau  roig  ytatQyolg,  rj  r<  ilg  tr/v  noXiv  avyexVS  kniStjfiia  agyoTBgov 
noufi.  (§  2)  Sio  xQ^  ;^aAxia^  xai  rixvovag  i}  hf  avrolg  fx^'^  ^^^  ayQolg  ^ 
nkfjölov.  fabri  bei  Varro  wird  ganz  korrekt  mit  x^^^^*^  ^^  Tixrovig 
übersetzt.    Aber  das  folgende  ist  nicht  aus  Varro  genommen: 

(§3)  avayxttioxaxov  Si  xai  xigafiiag  ix^iv  ndvrmv  hftxa^  mniia- 
uivwv  Ott,  hv  ncufy  rp  yg  Hatw  svQiiw  xigafiixffV  ytiv,  f  yäg  kn$n6kaiov, 
V  iv  ßd&tkf  i]  iv  anoxexgvjAfiivoig  fjUgiOi  xai  xonoig  tov  x^^ov  knirrfiüav 
yrpf  ngog  xaraoxeviiv  xtgdfuav  ivgr^aug. 

Dieser  Zusatz  über  die  Töpferei  stammt  vielleicht  aus  dem  Sammel- 
werke des  Vindanios  Anatolios  von  Berytos,'-^)  das  dem  Kompilator  der 
Oeoponica  als  eine  Hauptquelle  gedient  hat.  Eine  andere  Stelle,  die 
über  die  Anfertigung  von  Dolien  handelt,  wird  ausdrücklich  diesem  Autor 
zugeteilt.«)  Interessant  ist,  dass  dieselbe  Vorschrift,  Schmiede,  Zimmerleute 
und  Töpfer  auf  dem  Gute  zu  halten,  sich  auch  bei  Palladius  findet,  und 
zwar  mit  derselben  Motivierung:  ferrarii,  lignarü,  doUorum  cuparumque 
factores  necessario  habendi  sunt,  ne  a  labore  solenni  rw^ticos  causa  desi- 
derandae  urhis  avertat*)  Dass  Vindanios  dem  Palladius  hier  als  Quelle  vor- 
gelegen habe,  ist  nicht  anzunehmen.  Wahrscheinlich  hat  Palladius  die  Vor- 
schrift demselben  Autor  entnommen,  den  Vindanios  hier  ausschreibt^) 
Allem  Anschein  nach  hat  dieser  unbekannte  Autor  zuerst  Varros  allgemeine 
Vorschrift  über  die  Gutshandwerker  zitiert,  dann  die  spezielle  Bemerkung 
über  die  Töpferei  selbst  hinzugefügt  Vielleicht  folgte  in  seinem  Werke 
unmittelbar  darauf  das  Kapitel  über  die  Anfertigung  von  Dolien,  obwohl  es 
in  unserem  Sammelwerke  einen  anderen  Platz  erhalten  hat  Palladius  hat 
die  Vorschrift  mit  gewohnter  Kürze  in  sein  Lehrbuch  herübergenommen. 
Ob  die  ungenaue  Übersetzung  rixiovtg  =  fabri  Ugnarii  Palladius  oder 

1)  Oeoponica  II,  49. 

2)  Er  ist  wahrHcheiiilieh  mit  dein  Vindanios  Anatolios  von  Berytos  identisch,  der 
unter  Kaiser  Julian  diente  und  im  J.  364  n.  Chr.  starb,  W.  GemoU,  Untersuchungen  über 
die  (Jiiellen,  den  Verfasser  und  die  Abfassungszeit  der  Oeoponica  (Berliner  Studien  f. 
class.  Phil  u,  Archaeol  B.  I,  J.  1884,  S.  1-280),  S.  228. 

3}  Oeop.  VI,  3 :  Tltgl  xatuGxfvfjg  nld'CDv.  'AvaroXlov. 

4)  Palladius  I,  6,  2. 

5)  Gemoll  a.  O.  S.  218. 


Der  römische  Outsbetrieb. 


71 


Vindanios  zuzuschreiben  ist,  ist  nicht  auszumachen^  da  wir  nicht  wissen, 
ob  ihre  gemeinsame  Quelle  lateinisch  oder  griechisch  geschrieben  war. 

Bei  Varro  findet  man  die  figuli  nicht  ausdrücklich  als  Gutshand- 
werker erwähnt.  Wohl  aber  hatten  schon  zu  Sasernas  Zeit  viele  Grund- 
besitzer auf  ihren  Gütern  Töpfereien,  figlinae,  eingerichtet.  Anne  ego, 
fragt  sich  Varro,  sequar  Sasemurum  patrls  et  fili  libros  ac  magis  jmteni 
pertmere,  figlinas  quem  ad  modum  exerceri  ojwrteat^  quam  argenti  fodinas 
auf  alia  metalla,  quae  sine  dubio  in  aliquo  agro  fiunt?  sed  ut  neque 
lapididnae  neque  harenariae  ad  agri  culturam  2)f^'tin(mt,  sie  figlinae.^) 

Von  der  Töpferei  als  einem  Teil  der  Hauswirtschaft  ist  hier  nicht 
die  Rede,-)  sondern  von  Ziegeleien  und  Töpfereien,  die  als  landwiitschaft- 
liche  Nebengewerbe  betrieben  wurden  und  für  Absatz  arbeiteten.  Das 
beweist  der  Zusatz:  neque  ideo  non  in  quo  agro  idoneae  possunt  esse 
[non  del.  Gesner,  restit.  Keil]  exercendae  (sc.  flglinae),  atque  ex  iis  ca- 
piendi  fructus.  Varro  vergleicht  in  dieser  Beziehung  die  Figlinen 
mit  den  taheniae  deoorsoriae ,  Herbergen,  welche  die  Grundbesitzer  an 
den  Verkehrsstrassen  aufbauten,  und  aus  welchen  sie  einen  grossen  Ge- 
winn zogen.  Er  sagt  ausdrücklich,  dass  er  sowohl  von  denjenigen  land- 
wirtschaftlichen Nebengewerben  spreche,  die  um  des  Gutes  willen  be- 
trieben wurden,  als  von  denen,  die  zwar  auf  dem  Gute  ihren  Platz  hätten, 
aber  in  keinem  näheren  Verhältnis  zum  Gutsbetriebe  ständen:  siquid 
propter  agrum  aut  etiam  in  agro  profectus  domino.  Zu  der  letzteren 
Kategorie  von  Einkunftsquellen  rechnet  er  offenbar  die  Figlinen. 

Ebensowenig  als  die  figuli  dürfen  die  kurz  vorher  (§  21)  genannten 
textores,  Weber,  den  Gutsarbeitem  im  eigentlichen  Sinne  zugezählt  werden. 
Es  heisst  hier:  nam  sie  etiam  res  aliae  diversae  ab  agro  erunt  adsume^idae, 
ut  si  habet  (sc,  q\m)plures  in  fundo  textores  atque  institutos  histonas, 
sie  alios  artifices.  Das  griechische  Wort  latwv  bezeichnet  „den  Ort, 
wo  der  Webestuhl  (lavog)  steht  und  wo  gewebt  wird**,  also  „Weberei", 
Dieser  Terminus  sowie  das  zu  textores  gefügte  Attribut  plures  zeigen, 
dass  nicht  von  einzelnen,  für  den  Gutsbedarf  arbeitenden  Webern,  sondern 
von  Werkstätten,  die  als  industrielle  Betriebe  anzusehen  sind,  die  Rede 
ist,  und  dass  wir  es  also  hier  nicht  mit  dem  Betriebssystem  des  „Haus- 
werks" zu  tun  haben.*) 

Damit  ist  nicht  gesagt,  dass  auf  vielen  grösseren  Gütern,  wo  es 
brauchbare  Tonerde  gab,  nicht  ebendaselbst  die  Ziegel  für  Bauzwecke 
gestrichen  und  die  von  den  eigenen  Schafen  gewonnene  Wolle  von  den 
Gutssklaven  gesponnen  und  gewoben  worden  wäre,  um  die  Haudeute  mit 


1)  1,2,22;  23, 

2)  a  oben  S.  4L 

3)  Wenn  diena  l»iidllclii*ti  Werkutiilte»  ihn.^  Er%migtii«ii*  dtirch  einen  stadUntshrn 
Kau^atiu  abflc;tztcii,  m  hUlk'U  wir  Uler  mn  B«iii]ild  um  ,  V^rljigMjitcm»'  (K.  Biielittr, 
EnM.  d.   Voltm^  S*  301  ff.)- 


72  Ä  Oummerus, 

Kleidern  zu  yersehen.    Bestimmte  Aufschlüsse  hierüber  gibt  uns  Varro 
nicht. 

^  Auf  die  einzelnen  Gewerbe  ins  Detail  einzugehen,  wie  wir  bei  Cato 
verfahren  sind,  würde  sich  bei  Varro  nicht  lohnen.  Wir  schliessen  hier 
unsere  Untersuchung  ab,  um  nur  auf  die  Ergebnisse  einen  kurzen  Rück- 
blick zu  werfen. 


Weil  Varros  Werk  mehr  auf  literarischen  Studien  als  auf  der  persön- 
lichen Erfahrung  des  Verfassers  ruht,  ist  es  oft  schwer,  aus  seiner 
Darstellung  auf  die  tatsächlich  waltenden  wirtschaftlichen  Zustände  zu 
schliessen.  Ein  einheitliches  Büd  des  römischen  Gutsbetriebes,  wie  er 
zu  Varros  Zeit  typisch  hervortrat,  Hess  sich  nicht  gewinnen.  Je  nach 
der  Art  der  Quellen,  welche  er  benutzt,  nimmt  Varro  bald  auf  kleinere, 
bald  auf  grössere  Gutsbetriebe  Rücksicht.  Doch  können  folgende  Züge 
festgestellt  werden. 

Nach  wie  vor  erscheint  als  die  Grundlage  des  italischen  Gutsbetriebes, 
wo  er  nicht  auf  die  rationelle  Viehzucht  oder  die  sogenannte  pastio 
villatica  gerichtet  ist,  der  Wein-  und  Ölbau.  Die  Betriebsweise  unter- 
scheidet sich  nicht  wesentlich  von  der  zu  Catos  Zeit  üblichen.  Catos  ökono- 
mische Grundsätze:  die  Bedarfsartikel  so  weit  als  möglich  aus  eigenen 
Rohmaterialien  und  mit  eigenen  Arbeitskräften  herzustellen,  auf  leichte 
Verbindungen  mit  dem  Absatzorte  Gewicht  zu  legen  u.  s.  w.,  werden  von 
Varro  wiederholt.  Obwohl  die  Wirtschaft,  wie  vorher,  auf  die  unfreie 
Arbeit  gegründet  war,  konnte  man  doch  auch  zu  dieser  Zeit,  wo  ja 
die  Sklavenzufuhr  überaus  reichlich  war,  die  freie  Arbeit  nicht  entbehren. 
Für  grössere  landwirtschaftliche  Arbeiten,  namentlich  für  die  Enite, 
wurden  freie  Tagelöhner  gemietet.  Dagegen  deutet  noch  keine  Spur 
darauf  hin,  dass  die  Kleinpächter,  coloni,  die  um  diese  Zeit  eine  giössere 
Bedeutung  gewinnen,  als  Gutsarbeiter  herangezogen  worden  wären. 

Die  gewerbliche  Produktion  auf  Gütern  gewöhnlicher  Grösse  blieb 
auf  einige  leichtere  Zweige,  namentlich  wie  bei  Cato  auf  Holz-,  Flecht- 
und  Seilerarbeit  beschränkt.  Die  Gewerbserzeugnisse  wurden  zum  gi-össten 
Teil  gekauft.  Ebenso  wui'den  für  etwaige  auf  dem  Gute  erforderliche 
Handwerksarbeiten  auswärtige  Arbeiter  gemietet.  Nur  auf  gi'ossen,  ent- 
legenen Gütern  begann  man  jetzt  handwerkskundige  Sklaven  zu  halten. 
Auch  fing  die  Einrichtung  von  Manufakturen  auf  dem  Lande,  wie  Webereien 
und  Töpfereien,  an  auf  die  wirtschaftlichen  Zustände  Einfluss  auszuüben. 


Kap.  III. 

Der  römische  Gutsbetrieb  nach  Columella. 

Die  in  die  Zeit  ZT\ischen  Varro  und  Columella  fallenden  landwirtschaft- 
lichen Schriftsteller:  C.  Julius  Hyginus,  A.  Cornelius  Celsus,  Julius 
Atticus  und  Julius  Graecinus,')  die  lediglich  durch  Zitate  bei  den 
Späteren  bekannt  sind,  kommen  für  unseren  Gegenstand  nicht  in  Betracht. 

L.  Junius  Moderatus  Columellas  uns  erhaltenes  Werk:  rei  rusticae 
Jihri  duodecim*)  ist  bekanntlich  eine  spätere  Umarbeitung  und  Erweite- 
rung einer  früheren  Arbeit,  von  der  wir  nur  das  eine  Buch  de  arhorihus 
besitzen.  In  jener  späteren  Umarbeitung  ist  das  Werk  im  Laufe  des 
siebenten  Dezenniums  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  entstanden.^ 

Abw^eichend  von  Varro  —  dem  Polyhistor  —  ist  Columella,  obgleich 
er  auch  über  andere  Gegenstände  geschrieben  hat,  vor  allem  landwirt- 
schaftlicher Schriftsteller.  Und  zwar  kann  er  sich  immer  auf  eigene  Er- 
fahrungen und  Beobachtungen  stützen.^)  Er  ist  Pi'aktiker  aus  Prinzip.^) 
Schon  in  jungen  Jahren  von  seinem  Oheim,  dem  tüchtigen  spanischen 
Landwirt  M.  Columella,  in  die  Landwirtschaft  eingeführt,*)  hat  er  sich 
auf  seinen  italischen  Gütern,  die  alle  in  der  Nähe  von  Rom  lagen,')  als 
praktischer  Landwirt  gründliche  Kenntnisse  erworben.  So  kann  er  sich 
wiederholt  auf  die  eigene  Erfahrung  berufen:  über  die  Behandlung  der 


1)  Colum.  I,  1, 13  ff.    KeitzeDttein  a.  0. 

2)  So  ist  nach  den  besten  Handschriften  der  Titel  zu  schreiben.  —  Die  neueste 
Monographie  Über  Colamella  gibt  Wiih.  Becher:  De  Lucii  Junii  Moderati  ColumeUae 
vUa  et  scriptis,  Diss.  Lips.  1897.  Was  wir  über  ihn  und  sein  Werk  wissen,  bat 
M.  Schans  in  seiner  Geschichte  d.  röm,  Literatur  (Müllers  Handbuch  Ylll,  2, 2,  S.  387  ff.) 
in  trefflicher  Weise  zusammengesleUt. 

3)  Das  Werk  kann  erst  naeh  65  n.  Chr.,  dem  Todesjahr  des  Seneca,  voUendet 
worden  sein.  J.  Häimner,  Die  hamdäckriftUdie  Überlieferung  des  Columelia,  Progr. 
Kariamhe  1889. 

4)  £.  BL  Ue^n,  GmtkkkU  Ar  BekmikU,^.    Sehana  a.  0.  &  889. 

d>  1|  1^  Ul.    i*a(i.s  t't  e^pirktUiu  domtnmUur  in  arühus.     IV,  U, 'i:  fiu*  auiem  ma* 
giMer  üHutm  docuit  usus^ 
0)  Becher  *k  O*  S*  B. 
7;  In  o^i  (Jarretan^t  sirdcfiHmr,  i*ar^*t<ilum*^  AlimntK    Bechur  a.  (U 


74  H.  Oummerus, 

Sklaven,^)  über  die  Beurteilung  der  Ackererde,®)  über  die  Aussaat*)  u.s.w. 
Besonders  häufig  tut  er  es  in  den  Abschnitten,  in  welchen  er  den  Wein- 
bau behandelt.*)  Den  interessanten  Kalkül,  wodurch  er  die  Rentabüiät 
des  Weinbaus  zu  beweisen  sucht/)  stützt  er  ausschliesslich  auf  eigene 
Erfahrungen.  Für  das  Impfen  der  Weinstöcke  hat  er  einen  neuen  Bohrer, 
terebra,  erfunden^)  oder  zu  diesem  Zwecke  zuerst  benutzt.') 

Nun  hat  Columella  allerdings  auch  literarische  Quellen  in  grossem 
Umfange  herangezogen.^)  Selber  zählt  er  eine  ganze  Menge  Schrift- 
steller auf.*)  Zwar  hat  er  diese  Reihe  lediglich  aus  Varro  ausgeschrieben, 
offenbar  ohne  dass  er  alle  angeführten  Autoren  selbst  gelesen  hätte.'®) 
Aber  aus  seinen  eigenen  Zitaten  geht  doch  hervor,  dass  er  einem  sehr 
umfassenden  Quellenstudium  obgelegen  hat.*^)  Vieles  hat  er  auch  still- 
schweigend seinen  Vorgängern  entlehnt.^^)  Besonders  reichlich  hat  er 
die  lateinischen  Schriftsteller  benutzt.  Ausser  Cato.  Varro,  den  beiden 
Sasemae ,  Tremellius  Scrofa ,  Hyginus ,  Vergil  und  dem»  der  lateinischen 
Literatur  einverleibten  Mago  hat  er  auch  seine  Zeitgenossen,  Atticus, 
Celsus  und  Graecinus,  welche  er  in  der  ersten  Auflage  seines  Werke» 
noch  nicht  kannte,**)  herangezogen. 

Aber  diese  Quellenbenutzung  war  keine  unselbständige,  wie  wir  sie 
bei  Varro  haben  beobachten  können.**)  Columella  steht  seinen  Quellen 
gegenüber  stets  auf  einem  kritischen  Standpunkt.*^) 

Zwar  ist  er  in  seinen  Zitaten  nicht  immer  genau.  So  ist  schon  öfters 
darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass  seine  Vergilzitate  vielfa(*Ji  von 
dem   uns   erhaltenen   Georgica-Text   abweichen.**^)     Dies  mag  in   vielen 


1)  I,  8,  15:  praecepia^  qtme  me  custodisse  non  poenitet. 

2)  II,  2,  18 :  satis  expedita  nobis  ratione. 
3;  II,  9,  1 :  docuit  noster  usus. 

4)  III,  10,8:  nos  autem  primum  rationem  secuti,  nunc  etiam  langt  temporis  ex- 
pertmentum.  V,  6,  23:  me  autem  longus  docuit  usiif<.  XI,  2,  69:  optimum  est,  quod  nos 
facimus  u.  s.  w. 

5)  III,  3.  8  ff. 

6)  IV,  29,  16:  nos  terehram,  quam  Gaüicam  dicimuSy  ad  hancinsttionem  commenii. 

7)  De  arb.  8,  4 :  aptavimus.  —  Geopon,  IV,  13,  2  wird  ein  t^QttQov  ru  xaXov^fvov 
rdXXixov  genannt. 

8)  Eine  eingehende  Untersuchung  über  die  QueUcn  Columellas  fehlt  noch.  Er- 
möglicht wird  eine  solche  erst,  seitdem  uns  die  neue,  leider  sehr  verspätete  Ausgabe 
von  Lundström  einen  saverlässigen  Text  geschenkt  hat 

9)  I,  1,  7ff, 

10)  Vgl.  oben  S.  52. 

11)  Becher  a.  O.  S.  43. 

12)  So  besonders  von  Aristoteles  und  Theophrastus,  Gentilli  a.  O.  S.  154  A.  1. 

13)  H.  Stadler,  Die  Quellen  des  Plinius  im  19.  Buche,  Diss.  München,  1891,  S.  \S. 
Becher  a.  O.  S.  39. 

14)  Schanz  a.  0.  S.  391. 

15)  Den  polemisierenden  Zug  seines  Werkes  hebt  mit  Reclit  J.  Hänssner  a.  O. 
S.  8  hervor. 

16)  Becher  a.  O.  S.  48  ff. 


Ar  i%misehe  Out^bf^indi. 


75 


. FjUleti  »laiant  I)ernhen,  (l;iss  entwcMler  Cohimella  ein  It^hlerhiiKe.s  Kxeniplftr 
de?*  Ver^'il  benutzt  hat,  uder  dass  die  Abschreiber  den  Text  bei  Cülutiielbi 
verdi>rben  hnben.  In  anderen  Fällen  hat  Ccdnmella  abHirbtIirh  oder  nur 
aas  Fblrlitiofkeit  die  Worte  VeT'tril>«  verändert.  Oline  Zweifel  beruhen 
die  Abweiebun^ren  bisweilen  darauf,  dass  (^ulumeUa  Verg-il  aus  dem  Ge- 
dächtnis zitiert.')  Auch  in  den  Zitaten  aus  ('ato  und  \'arro  lassen  sieh 
viele  Ungenau! jrkeiten  nachweisen.^) 

Das  un;renaue  Zitieren  liat  jedüch  Cnlnmellu  mit  den  meisten  Autoren 

'den  Altertums  i^emein.  Was  aber  hier  in  Betiaelit  kummt,  ist,  dass  die  Kritik. 

der  Coluniella  seine  VorjjÄn^er  unt€rwirft,  keine  bloss  foiinale  oder  dileitan- 

ilisehe,  wie  oft  diejenige  Varros,  sondern  eine  auf  genaue  faolirallmiiselie 

Kenninisse  gestützte  ist.    Bald  [loleniisiert  er  gegen  ältere  Autoren,*)  babl 

[gegen  Zeitgenussen,*)  stets  mit  (Ttiinden,  die  er  ans  der  eigenen  Erfalining 

[f  ehült  hat.    Mit  ganz  besonderer  Selbständigkeit  äussert  er  sieh,  wie  ge- 

Uafjft,  auf  dem  Gebiet  des  WeinbaiLs.     Mit  gr(»sser  Sicherheit  fällt  hier  in 

I  alten  Streitfragen  seine  Ent.Heheidung.  •}    Er  srhe.ut  sieli  nieht,  iie^en  eine 

allgemein  verbreitete  Ansieht  zu  Felde  zu  ziehen.*^)    (»b  er  immer  richtig 

[urteilt,   mögen  Fachleute   entscheiden.     Für   unseren  Gegenstand  genügt 

[es  zu  konstatieren,  dass  Crduniella  seinen  Stoff  nicbr  unkritisch  dem  einen 

'oder  dem  anderen  genannten  oder  ungenanruen  Verfasser  entlehnt*  sondeni 

—  auch  auf  Gebieten,  wo  er^  wie  auf  dem  der  Viehzucht,  weniger  selb- 

LStftiidig   isf)   *—   alles    nach   Kiäften    wo    mr»glicli    durch    eigene    Kr- 


I)  O.  Ribbeck,  Prole0.  ad   Vetff.  S.  20L 

2i  GeotilU  a,  0.  H.  lo6  A.  4.  So  zitiert  ColumeUa  l,  8,  l  f,  CaU)  irrtiimlich  statt 
TiOTO  1,2,  s^  d(*«8t'ii  Würl<*  er  «temUcb  frei  wiedergibt.  In  §  3  der  angrt.  SU»Ue,  wo 
steh  CoIumeUa  ebeofaUi  ainf  Cato  hcnift,  sind  die  Hauptgedanken  —  viam  et  aquam 
rt  riWfiuiM  —  wirklieb  diesem  entiKiinm«*i»  (e.  l,  2f),  nielit  aber  die  Form  und  dio 
näbere  Aasfüliruug»  welche  ColutufUa  teilweise  Varro  l,  I*J  verdankt.  IntereiAant  irt, 
da«a  sieh  dieselbe  Foniiuliening  der  t'«toni»cheii  Gedanken  aucb  bei  Plitiiui  n.  A* 
XVI IL  26  wjed erfindet:  mjrum  paraturoH  ant^  amnia  intut^ri  ttporfet  tniuam,  viam,  i^ici'^ 
nwKL  Pliniua  gibt  Cato«  Worte  in  der  Form  yüii  kurxen  Detikaprüchen  wieder.  Gab 
et  vieUeicht  in  Pliniua'  Zeit  eine  Sammlung  eatonj»cher  Sprüche«  welche  dieser  hier 
statt  der  < >riginalichrlft  benutzt  hat?  —  III,  3,  2  titiert  Columella  ebenfalls  irrtümlieh 
f  ChIo  »Utt  Varrn  i,  2,  7.  —  Daa  Zitat  lU,  2,  «Sl  findet  flieh  in  dem  unn  erhaltenen  l'alo^ 
'  texte  nicht  wieder.  Mit  Unrecht  behaupt»it  GentUÜ  dasselbe  von  der  Stelle  I,  H^  7,  Die 
Worte:  amhulator  emc  non  dehet  entaprecheD  Catot  c.  5,2:  ne  mi  ambulator.  Wa» 
darauf  bei  Columetla  folgt,  braucht  nicht  als  Zitat  aufgeßiut  au  werden. 

8)  II,  8,  4  u.  III,  10,  l ;  tetefta  auctores.  IV,  II,  1:  Vergilmß  et  iSaßemn  Slolone»- 
que  €t  Cniimes.     II,  10,  8  Tremeniwt.    XI,  3,  62  H^inm, 

4i  Besonder»  häufig  CorntUun  Celtm  (11,  2,  15;  24,  II,  11,  6.  IV.  I,  K  IX,  6»  3)  und 
Julim  AtUcm  (Hl,  10.  S;  18,  2.  IV,  l,  1). 

5)  l  U ,  1 2, 5 :  isetu»  diMtnuio  (Hasorn a,  T remelli us  äorof a, V^ergi lio*,  Detnociitiis,  M ago). 

6)  JH,  7.  2:  €«*  ntvfirae  Htnitniiae  tcio  pa^ne  omniNm  agrirciarum  diwr$am  eäu 
opinionem. 

T  i  Es  ist  auffallend,  dan  Colum^Ua  tn  den  Abschnitten,  in  denen  er  die  Hanstiere 
und  ihre  Pfie^'^e  behandelt«  «ich  auf  viele  Autoren ,  aber  nar  »ett^n  ausdrüekltcb  atif 
die  eigene  Anschauung  beruft. 


76  Ä  Oummermy 

fahrung  geprüft,  und  dass  er  seinen  Quellen  nichts  entlehnt  hat,  was 
dem  damaligen  Standpunkt  der  Landwirtschaft  oder  den  Zeit-  und  Orts- 
verhältnissen nicht  entsprach.^) 

Es  ist  von  vielen  Forschem  bemerkt  worden,  dass  Coliimella,  obwohl 
in  Spanien  geboren,  zunächst  italische  Zustände  berücksichtigt.  Aus- 
drücklich sagt  er  dies  von  dem  Abschnitt  über  den  Weinbau  im  dritten 
und  vierten  Buche:  haec  de  vineis  Italids  vinearumque  instrumentis .  . . 
disserui,  mox  agricolarum  provincicUitmi  vineaticos  nee  minus  nostratis 
et  Oallici  arhusti  cultus  traditurus.^)  Diesem  Hinweis  gemäss  bespricht 
er  dann  im  fünften  Buche,  c.  4  u,  5,  den  Weinbau  der  Provinzen,  c.  6 
das  arbttstum  ItcUicum,  c.  7  arbustum  Oallicum. 

Aber  auch  in  den  anderen  Abschnitten  sind  die  italischen  Verhält- 
nisse für  Columellas  Darstellung  massgebend.    Ein  suhurbanum  praeAium, 
das  man  leicht  und  schnell  von  der  Hauptstadt  aus  besuchen  kann,  gilt 
ihm  als  das  Ideal  eines  Landgutes.*)    Ausdrücke  wie:  maxime  in  Italia,^) 
jyraesertim  in  Italia,^)  in  hae  ipsa  Itdlia,^  si  modo  non  provindalis  sed 
Itdtieus  ager  est,'')  maiore  quidem  parte  Italiae,^)  ipsa  quoque  Italia,^) 
suburbana  regione  Italiae,^^)  circa  urbem^^)  u.  s.  w.  beweisen,  dass  Colu- 
mella  seine  Erfahrungen  als  Landwirt  hauptsächlich  in  Italien  nnd  zwar, 
wie  gesagt,  auf  seinen  Gütern  in  der  Nähe  der  Hauptstadt  gesammelt  hat. 
Das  schliesst  nicht  aus,  dass  er  auch  die  Provinzen  in  den  Bereich 
seiner  Betrachtungen  zieht.^^)    Oft  wird  auf  die  Verhältnisse  einer  ein- 
zelnen Provinz  Rücksicht  genommen.    Die  Provinz  Baetica  kannte  Colu- 
mella  durch  Autopsie,  ebenso  Kilikien  und  Syrien.^*)    Überhaupt  sucht  er 
den  geographischen  Verschiedenheiten  möglichst  gerecht  zu  werden.   Schon 
Tremellius  Scrofa. hatte  davor  gewarnt,  alles,  was  die  punischen  Schrift- 
steller speziell  für  Afrika  vorgesclirieben  hatten,  ohne  weiteres  auf  Italien 
zu  übertragen.!*)    Nach  dem  oben  angeführten  sind  wir  also  berechtigt, 


1)  Vgl.  1, 1, 6. 

2)  IV,  33,  6. 

3)  I,  1, 19.    Als  GregtusAtjt:  longinqua  ne  dicam  iransnmrina  rura. 

4)  I,  6,24.    Gegensatz:  tn  tranwnarinis  quibusdam  regionibua. 

5)  II,  2,  24.    Gegensatz:  Numidia  et  Aegyptus. 

6)  in,  2,  30. 

7)  m,  3,  11. 

8)  lU,  3,  4. 

9)  VI,  1,  1.    Gegensatz:  diversüas  provinciarutn. 

10)  XI,  2,  61. 

11)  XII,  45,  1. 

12)  Vgl.  ausser  den  bereits  zitierten  Stellen  z.  B.  I,  6,  15:  transmarinis  quibusdam 
provinciis;  111,13,1:  cum  lUüici  generis  futuris  agricolis,  tum  ettam  provincÜLltbua; 
IV,  1,  5:  vix  etiam  provincialibus  agricoUs;  XI,  2,  50:  qutdam  in  provinciis  transmari- 
nis; XI,  3,  54:  plurimis  provinciis  u.  s.  w. 

13)  II,  10,  18. 

14)  I,  1,  6. 


Der  römische  OuUhetr'ieh,  77 

überall,  wo  Columella  nicht  ausdrücklich  von  übei-seeischen  Verhältnissen 
spricht,  die  Darstellung  auf  Italien  zu  beziehen. 

Columellas  Werk  hat  einen  zusammenfassenden  f'harakter  und  er- 
strebt demzufolge  eine  möglichst  grosse  Vollständigkeit.  Keinen  Zweig 
der  Landwirtschaft  will  es  unberücksichtigt  lassen.  Es  ist  aber  klar,  dass 
alle  Zweige  nicht  oder  nur  selten  in  einem  und  demselben  Gutsbetrieb 
vertreten  sein  konnten.  Je  nach  dem  Boden,  dem  Klima  und  der  Lage 
musste  auf  der  Villa  bald  der  eine,  bald  der  andere  Betriebszweig  in 
den  Vordergrund  treten.  Es  ist  deshalb  nicht  leicht,  ein  einheitliches 
Bild  von  dem  Gutsbetrieb,  welcher  Columella  bei  seiner  Darstellung  vor- 
schwebte, zu  gewinnen.  Nur  die  allgemeinen  Umrisse  lassen  sich  mit 
einiger  Sicherheit  ziehen. 

Wie  sich  Columella  die  Bodenbenutzung  auf  einem  Normalgute  denkt, 
erhellt  aus  I,  2,  3  ff. :  campus,  in  prata  et  arva  salictaque  et  harundineta 
digesttis,  aedificio  subiaceat  colles  alii  vacui  arhoribt4s,  ut  solis  segetibua 
serviant  . . .  alii  deinde  colles  olivetis  vinetisque  et  eorum  futuris  peda- 
mentis  vestiantur,  materiam  (maceriam  Sang.)  lapidernque,  si  necessitas 
aedificandi  coegerit,  nee  minus  pecudihus  pascua  praebere  possint  tum 
rivos  decurrentes  in  prata  et  hortos  et  salicta.  . . .  nee  absint  greges  ar- 
mentorum  ceterarumque  quadrupedum  cvlta  et  dumeta  pascentium. 

Die  Grundzüge  unterscheiden  sich  nicht  wesentlich  von  denjenigen  bei 
Cato  und  Varro.  Wie  vorher  erscheint  der  Wein-  und  Ölbau  als  die 
Grundlage  der  italischen  Bodenwirtschaft  „In  Italien,"  sagt  Columella, 
„ist  der  Boden  mit  Baumweingärten  und  Olivenwaldungen  bepflanzt."*) 
Unter  den  Wirtschaftsgebäuden  befinden  sich  hier  wie  bei  Varro  die 
obligatorische  cella  olearia  und  vinaria^)  Selbst  widmet  sich  Columella, 
wie  oben  bemerkt,  mit  besonderer  Vorliebe  dem  Weinbau,  dessen  Renta- 
bilität er  mit  Eifer  verficht.  Die  arborum  cura  gilt  ihm  als  2>(^^^  ^^'i 
rusticae  vel  maxima:^)  —  Die  Viehzucht  ist  wie  bei  Varro  von  dem 
Ackerbau  getrennt;  doch  wird  auf  der  Villa  regelmässig  Viehzucht  ge- 
trieben, namentlich  wegen  der  Düngimg,*)  auf  welche  Columella  grosses 
Gewicht  legt.^)  Deshalb  wird  auch  dem  Futterbau,  besonders  der  Hülsen- 
fruchtkultur,*) grosse  Sorgfalt  gewidmet. 

Wenn  Cato  in  seinem  Werke  nur  auf  Güter  geringeren  Umfangs 
Rücksicht  nimmt,  Varro  daneben  auch  diritum  copiosi  agri  ac  villae  in 
Betracht  zieht,  so  schreibt  Columella  fast  ausschliesslich  für  Gross- 
grundbesitzer. 

1)  II,  2,  24:  in  Italia,  übt  arbustü  atque  olcis  consitus  ager. 

2)  1,6,9;  11;  18. 

3)  m,  1,  1.    De  arh,  1, 1. 

4)  VI  pr.  2. 

5)  II,  1,  7.  13.  14. 

6)  II,  10.  Vgl.  Weber,  Agrargesch.,  S.  226.  —  Eine  eingehende  Charakteristik 
der  Bodenkultur  bei  CJolumella  zu  geben  liegt  nicht  in  der  Absicht  des  Verfassers, 


78  H.  OummeruSy 

Zwar  warnt  er,  wie  alle  verständigen  Landwirte,  grössere  Guter  zu 
erwerben,  als  man  mit  Vorteil  bewirtschaften  kann,  nee  dubium,  sagt 
er,*)  quin  minits  reddat  laxus  ager  non  rede  cultm  qicam  angwftus 
eocimie.  ...  (§  12)  modtcs  ergo,  qui  in  omnibtis  rebus,  etiam  parandis 
agris  adhibebitur.  Die  ungeheuren  Latifundien,  die  von  ihren  Besitzern 
teils  der  Verödung  preisgegeben,  teils  mit  Scharen  von  gefesselten  Sklaven 
und  armen  freien  Untergebenen  notdürftig  bestellt  werden  —  quos  pro- 
culcandos  pecudibus  et  vastandos  feris  derelinquunt  aut  occupatos  nexu 
civium  et  ergastulis  tenent  —  sind  ihm  ein  Greuel.  Das  aber  hindert 
ihn  nicht,  ständig  auf  die  Grosswirtschaft  Bücksicht  zu  nehmen.  So 
fügt  er  zu  dem  Rat,  das  Beschneiden  der  Weinstöcke,  wenn  der  Winter 
streng  ist,  bis  Mitte  Februar  aufzuschieben,  die  Worte  hinzu:-)  atque  id 
licebit  facere,  si  erit  exiguus  possessionis  modus,  nam  uhi  ruris  vastitas 
eledionem  nobis  temporis  negat,  etc.  Seine  Vorschriften  über  die  Ein- 
richtung und  Betriebsweise  der  Villa  tragen  durchweg  das  Gepräge  einer 
Plantagenwirtschaft  im  grossen  Stile.  Die  Menge  der  Vorratshäuser  und 
Magazine*)  scheint  auf  eine  grossartige  Produktion  zu  deuten.  Dem  ent- 
spricht die  grosse  Zahl  der  Sklaven,  für  welche  eine  magna  et  aUa 
culina*)  erforderlich  ist.  Die  durchgeführte  Arbeitsteilung,^)  die  Ein- 
teilung der  Sklaven  in  dasses  von  je  zehn  Arbeitern,  decuriae,  mit  ihren 
monitores^  und  magistri  operum"*)  oder  ma^istri  singulorum  offidorum^) 
das  ergastulum  für  die  gefesselten®)  mit  den  Aufsehern,  ergastularii^^^)  — 
alles  das  deutet  auf  eine  vielköpfige  familia.  Während  sich  das  Gutspersonal 
bei  Cato  auf  einige  wenige  männliche  Hausknechte,  neben  welchen  die 
Wirtschafterin,  mlica,  die  einzige  Frau  ist,  beschränkt,  bildet  die  famil'm 
bei  Columella  ein  ganzes  Gemeinwesen,  in  dem  die  Sklaven  Weib  und 
Kind  haben  dürfen.*^) 

Die  Grösse  des  Gutsbetriebes  auch  nur  annäherungsweise  zu 
bestimmen,  ist  nicht  leicht.  Columella  sagt,  dass  eine  Ackerfläche  von 
200  iugera  zwei  Paar  Zugochsen,  zwei  Ochsentreiber  und  6  Acker- 
knechte erfordert.  Befinden  sich  auf  dem  Gute  auch  Baumpfianzungen, 
kommen  noch  drei  Arbeiter  hinzu.^*^)  Aber  diese  Angabe  hat  Columella 
von  Sasema.    Selber  setzt  er  eine  weit  grössere  Fläche   voraus.    Das 


1)  1, 8, 9. 

2)  IV,  23,  2. 

3)  I,  6,  9ff. 

4)  1,  6,  3. 

5)  I,  9,  6 :  separandi  sunt  aratores  a  vinitaribus  iique  a  mediastinis, 

6)  I,  9,  7. 

7)  1,8,  17;  9,1. 

8)  I,  8,  11.  XI,  1,  27. 

9)  I,  6,  3.  8,  16.  XI,  1,  22. 

10)  I,  8,  17. 

11)  I,  8,  19. 

12)  II,  12,  7. 


Dn   fömiinchv  Gufiitwtneh, 


70 


Verbot  der  lai:  Licinia,  iiielir  als  50U  infj^-m  zu  l>e.sitztni,  gilt  ihm  offeu- 
liar  schon  als*  eine  bedeut*^uile  Bt^M'hräiikuit^J)  0,  Seeek  bemerkt,  dass 
die  Dt'karienemteiltiüj?  eine  Arl)eitsj^tärke  von  mindesten«  30  Mann  be- 
dinge« ,,Nun  rerlinet  Cato  {i\  10  lu  11)  auf  240  Morgen  Öhvaldun^ 
13  Sklaven,  auf  10<»  Morgen  Weinberg  16.  Die  (TÜter,  welche  dem 
i'oliiniella  voi*schweben»  müssen  danach  mehr  als  500  Morgen  Ölpflanzung 
oder  200  Morgen  \\>inland  umfassen.*' •)  In  der  vcUa  olmrui,  ilie  Colu- 
mella  beschreibt,  befinden  sich  drei  Reihen  (ivtlla  hhra,  in  welche  das 
ausgepre-Söte  Ol  von  dem  gi'ossen  rotundum  Inhrum  ^  dem  es  von  der 
Presse  xuerst  :fiuflieust,  geschöpft  wird,  „Für  jede  Reihe  sind  30  lahm 
genug,  wenn  nicht  die  Pflanzung  ausgedehnt  ist  und  eine  grössere  Zalil 
fordert,****)  IMes  niaclu  im  ganzen  W  Itthm  in  der  oiku  l>\m^  labra 
sind  wohl  mit  den  htbra  ofmria  XJIIl  in  der  eeUa  oleariu  bei  l'ato*) 
identisch,  «'atos  Ölpflanxung  umfas^te  240  huierrh  Nehmen  wir  au,  daj*s 
die  Zahl  der  lahm  bei  rolnmeHa  in  demselben  Verh^lltnisse  zu  derGri)sse 
des  Betriebes  sieht,  wie  bei  Cato,  go  würde  die  Ölpttanzung^  die  er  hier 
im  Auge  hat,  mehr  abi  1500  iugefa  (val  400  Hektar)  tnnfasst  haben.  Und 
doch  betrachtet  rohniieHa,  wie  sieh  aus  den  angeführten  Worten  ergibt, 
iliese  ölptlanzung  nuj*  als  ein  Gut  vou  Mittelgrösse.  Jedenfalls  erkennt 
man  gegenüber  den  Verhältnissen  zu  ('atoa  Zeit  eine  bedeutende  Zunahme 
in  der  Grösse  des  landwiHschaft liehen  Betriebes. 

Die  ökonomischen  Prinzipien,  die  der  Wirtschaft  zn  Grunde 
liegen,  sind  dieselben,  welche  wir  bei  <'atx)  und  N'airo  wahrgenommen  haben. 
Die  Produktion  ist  für  den  Absatz  bei*eehnet,  die  höchstmögliche  Rente 
aus  dem  rinmd  uu<l  iJoden  lierauszupressen  gilt  als  das  Ziel  des  Land- 
wirts. Doch  scheut  sich  (  ollnniella  weniger  vieHeieht  als  ("ato  vor  einer 
grösseren  Kapitalanlage.  I>ic  Hauptsiiche  ist  ihm,  die  Kultur  zu  der 
höchsten  Intensität  hinaufzutreiben.  So  rÄt  er  vor  allem,  einen  guten 
Winzer  zu  kaufen,  auch  wenn  man  für  ihn  einen  Ijohen  Preis  (80U0  Sest.) 
zahlen  müsse.  Die  meisten  Weinbergsbesitzer  freilich  begnügten  sieh,  mit 
dem  ersten  bebten  Sklaven,  der  für  geringes  Geld  zu  haben  wai'.^)  Ebenso 
legt  t'ulumella  Gewirht  darauf,  dass  gi^osse,  krJiftige  Zugochsen  gekauft 
werden,  uui  den  Boden  in  hinreichender  Tiefe  aufpflügen  zu  können.  Ki- 
tadelt Cornelius  Celsus,  der  aus  Furclit  vor  den  grösseren  Kosten  nur 
leichte  Pflüge  und  kleine  Zugtiere  venvenden  wollte,  u/norams,  jdufi  es^e 
rMtuü  hl  uhcrtitk'  friigum  quam  imptndii,  si  nuilora  merccmur  armüntaJ) 

Die  Verkauf  8 artikel  des  Gutes  wechseln  natürlich  je  nach  den 


2)  O.  8€eck,  Geick,  ä.  Unier^an^  ä.  antiken  Wdt,  I  Anhaog  8.  562. 
Z)  Xn,  52,  12:  mt  frU  auUm  in  aingulis  ordimbux  irkenti  componi  lafßra^  nitfi  »i 
ü€Hta  fuertfit  oltvrta  et  maiarem  nimiertiiii  äfMderavtrint. 
4)  Cato  c  13.  2.     Vgl,  c,  10,  4:  hbra  XII. 
^)  lU,  3,  Ö. 
6;  11,  2,  24. 


80  7/.  Gummerus, 

Kulturarten:  bald  Wein  und  Ol,  bald  Getreide  und  Hülsenfrüchte,  bald 
Obst  und  Gartengewächse,  bald  Fleisch,  Milch,  Käse,*)  Häute  u.  s.  w.  Da 
Columellas  Werk,  wie  gesagt,  eine  Enzyklopädie  der  Landwirtschaft  sein 
will,  können  wir  uns  aus  ihm  keine  Vorstellung  darüber  bilden,  wie  sich 
auf  einem  beliebigen  Gute  der  Absatz  regelte. 

Es  bedarf  kaum  der  Erwähnung,  dass  Oolumella,  wie  vorher  C-ato 
und  Van-o,  auf  gute  Kommunikationen  viel  Gewicht  legt.  Spielt  doch 
für  jedes  Gut,  auf  dem  die  Produktion  auf  den  Absatz  gerichtet  ist,  die 
Leichtigkeit  des  Transportes  bei  der  Rentabilität  eine  grosse  Rolle.  Man 
soll,  sagt  Columella,  wenn  man  ein  Landgut  kauft,  auch  darauf  sehen,  dass 
es  nicht  weit  vom  Meere  oder  von  einem  schiffbaren  Flusse  liegt,  auf 
welchem  die  Produkte  ausgeführt  und  Waren  eingeführt  werden  können: 
nee  procul  a  mari  aut  navigabili  flumine,  quo  deportari  fructiis  et  per 
quod  merces  invehi  j^ossintJ)  Aber  nicht  nur  Wasserwege,  sondern  auch 
gute  Landstrassen  können  dem  Warentransport  dienen.  Oolumella  beruft 
sich  hierin  auf  Cato,  dessen  Vorschriften  er  näher  ausführt:^)  multum 
conferre  agris  iter  commodum:  primuni,  quod  est  ynaximum,  i2)sam  i)rae- 
sentiam  dommi,  qui  libentius  commeaturus  sit,  si  vexationem  viae  non 
reformidet  deinde  ad  invehenda  et  exportanda  utensilia,  quae  res  frugi- 
hus  conditis  äuget  pretium  et  minuit  impen^as  rerum  invectarum:  qui 
minoris  apiwrtentur  eo,  quo  facili  nisu  perveniatur, 

Dass  die  Behauptung  M.  Webers  über  die  Unerschwinglichkeit  der 
Trausportkosten  zu  Lande  unhaltbar  ist,  haben  wir  oben  (S.  59)  gesehen. 
Wenn  Weber  in  Bezug  auf  Columella  I,  5,  6  äussert:  „('olumella,  der  die 
Nähe  des  Meeres  und  grosser  Flüsse  noch  erwähnt  als  den  Austausch 
der  Rohpi-odukte  gegen  Waren  erleichternd,  hält  die  Nähe  grösserer 
Strassen,  der  Einquartierung  und  des  Ungeziefers  der  Vagabunden  wegen, 
für  nicht  erwünscht,"*)  so  versteht  er  die  Stelle  ganz  falsch,  ('olumella 
sagt  nicht,  dass  das  Gut  von  grösseren  Verkehrsstrassen  entfernt  sein 
müsse,  sondern  dass  man  die  Villa  nicht  so  aufführen  solle,  dass  die  v\a 
militaris  dicht  vorüberstreicht:  7iec  paludem  quideni  ricinam  esse  oportet 
aedificii^,  nee  iunctam  militareni  viam  . . .  (§  7)  haec  autem  2)raetereu7itium 
viatorum  populationihus  et  assiduis  devertentium  hospitlis  infestat  rcni 
fanüljarem. 

Betrachten  wir  die  Arbeiterorganisation  des  Gutsbetriebes, 
so  fällt  sofort  in  die  Augen,  dass  die  Wirtschaft  noch  mehr  als  bei 
(■ato  und  und  VaiTO  auf  Sklavenarbeit  gegründet  ist. 

Überall  wird  bei  Columella  vorausgesetzt,  dass  die  landwirtschaft- 
lichen Arbeiten    durch    die   Gutssklaven    allein    verrichtet   werden.     So 

1)  Käse  wurde  auch  ftir  den  Export  zubereitet:  VII,  8,  6:  ?wc  genm  casei  potest 
etiam  Irans  maria  permitU. 

2  I,  2,  3.     Vgl.  Cato  c.  1,3  und  oben  S.  22. 

3  I,  8,  3.     Über  die  Stelle  s.  oben  S.  23. 
4)  Weber  a.  0.  S.  224. 


/er  römtsrnfi 


schreibt  er  z.  B.  vor,  dasn  die  Zahl  der  verschiedenartigen  Arbeitsgeräte, 

/l"r  V'.    dopi^elt    80   gross   sein   sali   als   die  Zahl   der  Sklaven» 

dui  ^nam  jiamenis  aervorum  ea^qiU)    Die  ganze  Arbeitsorganisation, 

wie  sie  in  c.  8  und  9  des  ersten  Bnches  dargestellt  ist.  passt  nur  für 
c^in  Personal  von  ausschliesslirh  unfreien  Arbeiteni, 

Dennoch  ist  die  Anwendtmg  freier  Ijolmarbeiter  auch  bei  Columella 
nicht  ausgesclilossen.  Zwar  werden  solche  nirgends  ausdrücklich  genannt, 
Nttr  in  der  Vorrede  erwÄhnt  ('olumella,  dass  äimere  (Gutsbesitzer  statt 
eines  Sklaven  einen  freien,  freilieh  zu  diesem  Berufe  unfähigen  Lohn- 
arbeiter als  inlieufi  anzustellen  pflegten.*)  Ojterarius  bedeutet  bei  ('ohi- 
mdla  nicht  Tagelöhner,  sondern  Arbeiter  überhaupt*)  Aber  von  vorn- 
herein nuL^is  man  annehmen,  dass  auch  auf  Columellas  Nonnalgnt  in 
ge\iissen  Fällen  auswärtige  Arbeiter  gemietet  wurden. 

Diese  Annahme  wird  in  der  Tat  durch  zwei  Stellen  bestätigt*  Die 
eine  bezieht  sich  auf  die  Weinlase.  Man  soll,  sagt  ( lolumella,  den  Wein- 
berg mit  verschiedenen  Varietäten  liepflanzen,  welche  nicht  gleichzeitig 
zur  Seife  gf*langen.  Sonst  entsteht,  wenn  der  ganze  Weinlierg  auf  einmal 
in  kurzer  Zeit  abgeerntet  werden  muss,  eine  furchtbare  Eile,  die  den 
Besitzer  nötigt,  zu  jedem  Preise  mehr  Kmtearbeiter  zu  mieten:  cagitque 
plun^  Opera 8  qiumhcumque  prdio  conducere^) 

An  der  anderen  Stelle'')  wird  vom  Roden  eines  steinigen  Bodens  ge- 
sprochen. Columella  rät  u.  a,  die  Steine  in  tiefe  Furchen  eingraben  zu 
lassen.  Dies  aber  soll  man  nur  dann  tun,  wenn  die  Niedrigkeit  der 
Arbeitüh'ihne  dazu  rät:  quod  tarnen  da  faciendum  erit,  .vi  suadehil 
aperarum  vilitas. 

Also  für  die  Krnte  und  für  Neubrüche  kann  der  (tiiisbe«itzer  ge- 
mietete Leute  verwenden,  braucht  es  aber  nicht  (ierade  an  der  erst- 
genaimten  Stelle  will  fülumella  seine  Leser  belehren,  wie  man  bei  der 
Weinlese  fremde  Arbeitskräfte  entbehren  kann. 

Dass  diese  Hilfsarbeiter  freie  Leute  waren,  nicht  Sklaven,  die  von 
ihren  Herren  vermietet  wurden,  lässt  sich  mit  ziemlicher  Wahrscheinlich- 
keit aus  dem  schliessen,  was  Varro  über  die  fftr  opera  rtistica  maiora 
gedungenen  freien  mercemtani  mitteilt*')  Auch  die  Verdingung  jener 
^grösseren  Arbeiten^'  ist  Columella  nicht  unbekannte  So  erwähnt  er  den 
Fall,  dasij  die  pmtinatio,  die  Behaekung  des  Weinbergs,  einem  canductor 
bberlassen   wird.^)    Die  Stelle   IIL  3,  13,  wo   der  coi  Sang.:  etmi  lucro 

1)  1,8»  8»  vgl,  Xl.  1,20, 

2)  I,  pr,  12:  itx  mercemmriiM  aHquem^  tam  recuJiantan  quoUdianum  iUud  tributwm* 

5)  Bo  Xt  2,  40.  —  Die  XI,  t  4;  Iß;  25  gutiimaicti  operarii  sind  aU  UüttiTgebene 
d«i  mUeiM  aicber  SkUiT«ii,  wie  bfi  QmXo  c  10,  t  11,  1. 

4)  m,  21, 10 

6)  n,  2, 12. 

6)  OlMJO  9.  65. 

7)  III*  18,  12:  »k  compoHium  or^ttnum.  cum  in  fukum  dmUsmm  tit ,  läem  dornt m 
et  cmducicris  #me  iniuria  diducü.    Der  §  10  und  13  genaunte  ß^eactar  opem  Ut  wohl 


82  H,  Ghummer'uSj 

redemptorum  erit  hat,  ist  vielleicht  korrupt,  aber  es  scheint  daraus  doch 
hervorzugehen,  dass  hier  von  der  Verdingung  der  Weinernte  die  Bede  ist. 
Nicht  ausgeschlossen  ist  es  also,  dass  unter  den  foenisicde,^)  messores*) 
und  vindemiatores^)  auch  auswärtige  Hilfsarbeiter  einbegriffen  sind. 

Dagegen  scheint  der  Verkauf  der  ganzen  Wein-  und  Ölemte  auf  dem 
Stocke  auf  Columellas  Gütern  nicht  gebräuchlich  gewesen  zu  sein.  Zwar 
war  diese  Art  die  Früchte  zu  verwerten,  die  wir  bei  Cato  im  Grebrauch 
fanden,  auch  in  der  Kaiserzeit  üblich,^)  und  es  mag  sein,  dass  sie,  wie 
M.  Weber  glaubt,*)  die  Grundlage  der  Rentabilitätsberechnung  Columellas 
bildet.  Aber  die  ganze  Einrichtung  des  Gutes,  wie  er  sie  in  seinem  Werke 
darstellt,  zeigt,  dass  die  Wein-  und  Ölbereitung  für  die  Rechnung  des 
Besitzers  selbst  in  seinen  eigenen  Keltern  durch  die  von  ihm  dafür  an- 
gestellten torcularii^)  geschieht.  Nicht  die  hängenden  Früchte,  sondern 
das  fertige  Produkt  wird  aus  den  ceUae  oleariae  und  vinariae  verkauft.') 

Immerhin  scheint  die  freie  Arbeit  bei  Columella  eine  weit  bescheidenere 
Rolle  als  bei  Cato  und  Varro  zu  spielen.  Die  Ursache  ist  klar:  die 
Grösse  des  Gutsbetriebs  und  damit  der  familia  macht  die  Wirtschaft, 
was  die  Feldarbeiten  betrifft,  von  auswärtiger  Hilfe  ziemlich,  wenn  auch 
nicht  ganz,  unabhängig. 

Nun  tritt  aber  bei  Columella  die  Kleinpächterwirtschaft  mit 
ganz  anderer  Bestimmtheit  und  Stärke  als  bei  den  älteren  Schriftstellern 
hervor.  Die  Annahme  liegt  nahe,  dass  die  coloni  auf  Columellas  Gütern  in 
erheblichem  Masse  als  Hilfsarbeiter  auf  dem  Hoflande  herangezogen  wurden. 
Man  erwartet  unter  ihren  Lasten  auch  eine  Anzahl  jährlich  zu  leistender 
Tagewerke.  Eine  eingehende  Analyse  der  in  Frage  kommenden  Stellen 
wird  jedoch  diese  Annahme  nicht  bestätigen. 

Die  wichtigste  von  diesen  Stellen  ist  das  siebente  Kapitel  des  ersten 
Buches.  Nachdem  Columella  in  den  vorhergehenden  Kapiteln  die  Ein- 
richtung der  Villa  beschrieben  hat,  fährt  er  fort: 

Sie  Omnibus  ita  vel  acceptis  vel  compositis,  praecipiia  cura  domini 
requiritur,   cum  in  ceteris  rebus,   tum  maocime  in  hominibus,    aique  hi 

der  vom  dominus  angestellte  Kontrolleur,  wie  der  custos  bei  Cato  c.  144, 1.  145, 1.  —  Vgl. 
Dig,  XLIII,  24,  15,  1  (Ulpianus):  it  cui  fundumpastinandum  locaveras.  Durch  die  Ver- 
wendung gemieteter  Arbeitskräfte  mussten  die  Kosten  der  pastinatio  in  die  Höhe  gehen  : 
qui  pastinationis  impensam  reformidant  etc.,  Colum.  III,  18,  4. 

1)  n,  17, 5. 

2)  n,  12, 1. 

3)  III,  21,  6.  IV,  17,  8.  Xn,  18,  2  u.  ö. 

4)  Plin.  ep.  VIII,  2,  1 :   vendideram  vindemias  ceriatim  negotiatoribus  ementibus. 

Dig.  XVin,  1, 39, 1  (Julianus) :  qui  fructum  olivae  pendentis  vendidisset,  XIX,  1, 25  (idem) : 
qui  pendentem  vindemiam  emit.  Plinius  n.  h.  XIV,  50:  CCCÜ  M  nummum  emptori  ad- 
dicta  pendente  vindemia. 

5)  Ägrargesch.  S.  229. 

6)  XII,  52,  3. 

7)  I,  6,  9:  vinum  aut  oleum  venale.    XII,  52, 14:  dolia  autem  et  aeriae,  in  quib%u 

oleum  reponitur,  . . .  ubi  fuerint  a  mercatore  vacuata.  . . . 


Dtr  rSmisehf*  (hitshefriek 


83 


vel  rt^||pg^r<iiTt  9unt,  soluH  atd  vinäH,    comiter  agät  emn  colonw 
facUemque  se  praebeat    avarht^B  opus  exigat  quam  peiisiones^  quoniam  et 
minus  id  o/fenäit  et  ianten  in  univet'mim  ma^is  prodesL    nam  übt  sedulo 
rolitur   ager.  jüerumque  Cömpendiunif   numquam  (nim  si  catli  maior  vis 
aut  praedonis   tncessit)   detrimentt4m   affi*rt   eoqne   renmsiom^i   coloiws 
pet^e  HÖH  audet    (§  2)  sed  nee  dominue  in  unaquaque  re,  cum  cohnum 
obligaverit,   tmax  esse  iuris  sui  debet,   sicfd  in  diebus  pemniariim,   ut 
liff7ii$  et  ceteris  parvis  atcessionibus   exlgendts,   quarum  eura  maiorefn 
molestiam  qtmm  impensam   rmticis   afferf.     Weiter  gibt   Coltimella  den 
Rat,  häufige  Verpachtung  zri  vermeiden.    Da^  beste  sei,  wenn  die  Kolonen 
auf  dem  Gute  jrebaren  sind,  mlmii  indigenat.    Columella  benift  sich  in 
dieser  Beziehiiiipr  auf  einen  Ausspruch  des  reichen  Ronsulars  L.  Volusiua 
and  auf  den  alten  Saserna,*)    Dann  wird  die  Frage  erörtert,   wann  und 
wo  man  den  Grund  und  Boden  an  Kolonen  verpachten  soll.    Auf  einem 
nur  leidlich  fruchtbaren  Boden  werde  der  einsichtige  Landwirt,  der  sein 
Out  selbst  mit  eigrenen  Sklaven,  domeMid,  bewirtschaftet,  immer  einen 
^sseren  Gewinn  erzielen  als  durch   Veri)achtunjB:.     Auch  da,   wo  der 
dominus  die  Wirtschaft  nicht  persönlich  leitet,   werde  ein  guter  mlicm 
mehr  herauswirtschaften  können  als  der  Pächter.    Aber  auf  unfrucht- 
barem oder   ungesundem  Boden   oder  auf   abgelegenen  Gütern,  wo  die 
Misiistlnde    der  Sklavenwirtschaft  infolge  der  Schwierigkeit  der  Über- 
wachung besonders  arg  hervortreten  müssen,  da  sei  die  Verpachtung  an 
Kolonen  anzuraten,  namentlich  wenn  das  Gut  in  Getreideäckern  besteht, 
nicht  in  Weinpflauxungen,  die  von  Pächtern  leicht  verdorben  w*erden  können. 
Das  Wort    colonm   kommt    In  der   Bedeutung   ^Kleinpächter"   bei 
Cohimella  nur  liier  und  nachtrage  weise  c,  9,  9  vor.    Sonst  >\ird  cohmus 
immer  nur  als  Synonym  für  agricofa,  agrl  cultor,  msiitus,  arator  u,  s,  w, 
gebraucht^    An  der  Stelle  T,  pr,  17  sind  die  W^orte;  administrarentve 
Opera  cühnonim  sicher  Glossera.    Irrig  erklärt  M,  Weber  ^*)  und  nach  ihm 
A.  Kaeder*)  die  Stelle  II,  9,  17,  wo  jener  aus  den  W^orten:  multis  rc- 
gionibm   eibariis  eorum  (sc,  panici  et  niüii)   eoloni  snistininitur  schliesst. 
„daas  die  Kolonen  vom  Gute  aus  mit  Speise  versorgt  wurden."     Die  an- 
geführten Worte  besagen  nur,  dass  in  einigen  Gegenden  die  Jjandleute 
{eolmii  =^  riistici)  von  Hirse  leben.    Ans  Hirse  wurde  nämlich  eine  gute 
puh  zubereitete)    A.  Pemice,'*)  der  jedoch  die  hier  genannten  cohmi  mit 
^Pächter"  übersetzt,  kann  aus  der  Stelle  nur  herauslesen,  dass  ,.tlie  Pächter 
sich  von  Hirse  nähren,"  keineswegs  aber,  daas  sie  „vom  Gute  mit  Speise 


1)  »,  hbraber  oben  S.  64. 

2)  %.  B.  I,  1,  6j  3,  2;  4,  4.  11,  l,  3;  5j  15,  2,  lU,  5,  2;  7,  3   VI  pr.  4.  X\,  1.  14. 
8)  Ä^fxrstich,,  8.  246. 

4)  Nordisk  tidsskHft  far  Füüh^  1897-96,  S.  27. 

5)  Colum.  II,  9,  19. 

6)  A.   Peniic«»   Parer^   VITI,    Über  teiritchaflUche  Varamsttnmgm 
Etchtumt,  Z€imkf.  f.  MtchUgesüL,  Ittman,  Aht,^  IBm,  S,  91  A.  4. 

6* 


84  H.  Gfvmmertis, 

versorgt  wurden  während  der  Zeit,  wo  sie  für  den  Herrn  zu  arbeiten 
hatten"  (Weber). 

Eines  anderen  Missverständnisses  macht  sich  0.  Seeck^)  schuldig« 
Aus  der  Stelle  XI,  1,  14:  pltmmum  enim  refert  colonos  a  primo  mane 
opus  aggredi,  nee  lentos  per  otium  pigre  procedere  schliesst  er,  dass 
der  vilictts  die  Kleinpächter  zum  Frühaufstehen  zu  veranlassen  hatte. 
coloni  hat  auch  hier  einfach  die  Bedeutung  rustici. 

Mehr  Bedenken  erweckt  die  Stelle  I,  6,  21.  Es  ist  hier  von  den 
auf  einem  wohlgeordneten  Gutshofe  nötigen  Gebäuden  die  Rede:  circa 
villam  deinceps  haec  esse  oportehit:  fumum  etpistrinum  qtuintum  ftUunis 
numertcs  colonorum  postulaverit ,  cet.  A.  Raeder^)  will  daraus  folgern, 
dass  man  bei  dem  Aufbau  einer  villa  auf  die  Kolonen  als  einen  festen 
Teil  der  Gutsarbeiter  rechnete.  Aber  schwerlich  sind  die  hier  genannten 
coloni  mit  den  in  c.  7  erörterten  Kleinpächtern  zu  identifizieren.  Warum 
sollte  die  Grösse  des  Backofens  oder  der  Mühle  nur  nach  der  künftigen 
Zahl  der  Pächter  berechnet  worden  sein?  Selbstverständlich  wird  mit  der 
Benennung  coloni  das  ganze  Gutspersonal  bezeichnet  Dass  zu  den 
„Bebauem"  des  Gutes  hier  auch  die  Pächter  gerechnet  werden,  ist  mög- 
lich, da  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  diese  nicht  nur  die  Mühle,  wie 
der  partiarius  politor  bei  Cato  c  136,  sondern  vielleicht  auch  den  Back- 
ofen des  Gutshofes  benutzten.  Aber  zu  den  Gutsarbeitem  im  eigentlichen 
Sinne  brauchten  sie  darum  nicht  gezählt  zu  werden. 

Die  schon  besprochene  Stelle  (1,3,  12),  in  der  Columella  von  den 
Latifundien  spricht,  die  die  reichen  Magnaten  proculcandos  pecudihus  et 
vastandos  feris  derelinquunt,  aut  occupatos  nexu  dvium  et  ergastiUis 
tenent,  mag  sich  auf  grosse  salttis  wie  die  afrikanischen  beziehen.  Dass 
mit  dem  Ausdruck  nexu  dvium  Kolonen  bezeichnet  werden,  ist  oben 
wahrscheinlich  gemacht  worden.*)  Irgendwelche  Schlussfolgerungen  über 
die  Stellung  der  Kolonen  kann  man  jedoch  aus  dieser  Stelle  allein  nicht 
ziehen. 

Kehren  wir  zu  dem  siebenten  Kapitel  zurück.  Die  Existenz  freier 
Kleinpächter  auf  dem  fvmdus  wird  hier  als  selbstverständlich  angenommen.*) 
Ausser  dem  gewöhnlichen  Geldzins  (merces,  pensiones),  den  die  Kolonen 
in  bestimmten  Terminen  (dies  pecv/niarum)  zu  zahlen  haben,  werden  noch 
einige  „Nebenleistungen",  accessiones,  z.  B.  Holzlieferungen,  genannt. 
Soweit  ist  alles  klar.  Aber  was  haben  die  Worte:  avarius  opus  exigat 
quam  pensiones  zu  bedeuten? 

1)  Pauly-Wissowa,  Realencykl.  IV,  488  (Art  colonatus). 

2)  A.  0.  S.  65. 

3)  Oben  S.  62. 

4)  Dass  Columella  die  Parzellen  der  Kolonen  als  integrierende  Teile  des  Gutes 
betrachtet,  zeigt  vielleicht  auch  der  Ausdruck  colonia,  den  er  einmal  gebraucht,  um 
das  ganze  Gutsgebiet  zu  bezeichnen  (XI,  1,23:  neque  enim  coloni ae  8U(u  terminas 
egredi  debet,  sc.  vilicus).    Bei  den  Juriskonsuiten  bedeutet  colonia  immer  .Pachtgat*. 


Der  römische  Outshetrieh.  85 

M.  Weber  will  diese  Worte  dahin  erklären,  dass  den  Kolonen  ausser 
der  Bestellung  des  erpachteten  Landes  auch  ^Scharwerk  bei  der  Ernte 
und  der  Feldbestellung"  oblag,  „was  tatsächlich  wohl  darauf  hinaus  kam, 
dass  die  Pächter  jeder  einen  bestimmten  Teil  des  Herrenlandes  mit- 
zubestellen  und  abzuernten  hatten."^)  Ihm  folgt  neuerdings  M.  Voigt, 
allerdings  ohne  nähere  Begründung. ') 

Aber  eine  genauere  Prüfung  der  Stelle  bestätigt  diese  Interpreta- 
tion nicht 

Mit  dem  Ausdruck  opus  exigat  will  Columella  offenbar  nichts  anderes 
sagen,  als  dass  der  Dominus  seine  Kolonen  streng  anhalten  soll,  dass  sie 
ihre  eigenen  Parzellen  gut  bestellen.  „Denn  —  sagt  er  —  wo  die  Äcker 
fleissig  bestellt  werden,  werden  sie  meist  einen  Gewinn,  niemals  Verlust 
einbringen  (wenn  nicht  Naturereignisse  oder  Räuber  die  Frucht  zerstören), 
und  dann  wagt  der  Pächter  nicht  um  Nachlass  zu  bitten."  Der  Sinn  ist 
vollständig  klar.  Die  regelmässige  Zahlung  des  Geldzinses  bleibt  für  den 
Grundherrn  die  Hauptsache;  sie  sich  zu  sichern  muss  seine  Hauptaufgabe 
sein.  Vor  allem  gilt  es  die  häufigen  Pachterlasse,  remissionesj^  möglichst 
zu  vermeiden.  Um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  ist  der  sicherste  Weg,  sagt 
('Olumella,  nicht  ein  rigoroses  Festhalten  an  den  Zahlungterminen,  viel- 
mehr muss  man  dafür  sorgen,  dass  die  Kolonen  den  höchstmöglichen  Er- 
trag aus  ihren  Parzellen  herauswirtschaften.  Wenn  der  Pächter  seine 
Äcker  mit  Fleiss  und  Umsicht  bestellte,  musste  er  meistens  das  nötige 
Geld  aufbringen  können,  um  die  Pachtsumme  zu  zahlen,  und  konnte  dann 
schwerlich  um  Erlassung  bitten.  Aber  gerade  die  Bewirtschaftung  der 
Parzellen  muss  viel  zu  wünschen  übrig  gelassen  haben.  Es  muss  vor- 
gekommen sein,  dass  die  Kolonen  die  Reben  oder  Fnichtbäume,  die  auf 
ihren  Parzellen  wuchsen,  durch  ihre  Nachlässigkeit  zu  Grunde  gehen 
Hessen  (§  6).  Darum  rät  C'olumella,  die  Bewirtschaftung  der  Parzellen 
zu  überwachen,  und  die  Kolonen  zur  Arbeit  anzuhalten.  Eine  solche 
Überwachung  war  zu  dieser  Zeit  nichts  Ungewöhnliches.  Als  Plinius  d.  J. 
die  Geldpacht  auf  seinen  Gütern  in  Teilpacht  umwandelte,  stellte  er  eigene 
operis  exadores,  custodes  fructibus  an,  um  die  Arbeit  der  Pächter  zu 
überwachen,^) 

Die  Überwachung  liegt  allerdings  bei  der  Teilpacht  näher,  hat  aber 
auch  bei  der  Geldpacht  nichts  Auffallendes.  Hatte  doch  der  dominus  seinem 
colonus  einen  guten  Teil  des  instrumentum  fundi  zur  Verfügung  zu  stellen.^ 

1)  M.  Weber,  Ägrargesch.,  S.  245. 

2)  M.  Voigt,  Römische  Rechtsgesch.,  11  (1899),  8.  934  A.  48. 

3)  In  Plinius'  Briefen  erscheinen  sie  als  eine  wahre  Plage  des  Grundbesitzers. 

4)  Plin.  ep.  IX,  37,  3.  —  Nach  der  lex  Manciana.  col.  111 1.  16  gehört  eine  solche 
custodia  zu  den  Lasten  der  Kolonen  selbst.  —  Mit  Unrecht  wird  Cic.  pro  Caec.  94 
als  Beleg  fUr  die  custodia  zitiert.  Dass  Caecina  von  seinem  Pächter  Rechenschaft 
empfing,  rationes  a  colono  aecepit,  braucht  durchaus  nicht  eine  Überwachung  von 
Seiten  des  Ersteren  vorauszusetien. 

5)  Dig.  XIX,  2,  19,  2;  oben  S.  48. 


86  H.  Ghimmerus, 

Es  lag  also  im  Interesse  des  Grandherrn,  auf  die  Wirtschaft  des  Pächters 
ein  aufmerksames  Auge  zu  haben.  In  den  Pachtkontrakt  pflegte  man 
die  Klausel  einzuführen,  dass  der  Pächter  alle  landwirtschaftlichen  Arbeiten 
zur  rechten  Zeit  vornehmen  solle,  damit  er  nicht  durch  unzeitige  Kultur 
das  Gut  schlechter  mache.*)  Natürlich  war  es  die  Sache  des  Grundherrn, 
darüber  zu  wachen,  dass  diese  Bestimmung  auch  befolgt  wurde. 

Auch  Weber  gibt  die  Möglichkeit  zu,  „dass  es  sich  bei  diesem  ,opus' 
um  die  Bestellung  des  erpachteten  Landes  des  Kolonen  handeln  sollte," 
aber  „dass  es  sich  nur  um  das  Pachtland  handeln  sollte,"  findet  er 
„wenig  wahrscheinlich."  Allein  wenn  man  in  dem  „opus^  auch  Frohn- 
arbeit  auf  dem  Herrenlande  mit  einbegreift,  wird  die  Erklärung  des 
folgenden  sehr  schwierig,  ja  unmöglich.  Warum  durfte  der  colonus  um 
keine  Erlasse  mehr  bitten,  weim  der  Ertrag  des  Hoflandes  grösser  wurde? 
Sehr  gesucht  ist  Webers  Erklärung,  dass,  wenn  das  Feld  des  Herrn  gut 
getragen  habe,  der  Kolone  nicht  wegen  angeblichen  Misswachses  auf 
seinem  Feld  Remission  fordern  könne. *)  Übrigens  widerspricht,  wie 
A.  Pemice  mit  Recht  hervorhebt,')  dieser  Erklänmg  der  Ausdruck  opus 
—  es  müsste  operas  exigat  heissen. 

Es  scheint  also  festgestellt  zu  sein,  dass  die  Kolonen  bei  Columella 
keine  Frohnbauem  sind,  sondern  noch  die  Kleinpächter  der  republikanischen 
Zeit,  die  für  ihre  Parzelle  nur  einen  Geldzins  erlegen. 

Damit  ist  natürlich  nicht  gesagt,  dass  die  Kolonen  niemals  als  zu- 
fällige Hilfsarbeiter  herangezogen  worden  wären.  Nichts  hindert  uns  dies 
anzunehmen,  obwohl  Columella  darüber  schweigt.  Der  Umstand,  dass  er 
die  Verwendung  fremder  Arbeitskräfte  offenbar  nur  als  Ausnahme  er- 
wähnt, macht  diese  Annahme  sogar  wahrscheinlich. 

Das  Resultat  unserer  Untersuchung,  dass  die  Kolonen  bei  Columella 
noch  keine  operae  auf  dem  Hoflande  kontraktmässig  zu  leisten  hatten, 
wird  dadurch  bestätigt,  dass  solche  ojyerae  unter  den  Lasten  des  Pächters 
in  den  älteren  Rechtsquellen  nirgends,  in  den  jüngeren  nur  selten  und 
mit  sehr  undeutlichen  Worten  erwähnt  werden.  Wie  sich  damit  die 
Tatsache  verträgt,  dass  auf  den  grossen  afrikanischen  Domänen*)  die 
Kolonen  jährlich  zu  einer  gewissen  Zahl  von  Hand-  und  Spanndiensten 
verpflichtet  waren,  ist  eine  Frage,  auf  die  wir  liier  nicht  eingehen  können. 

Wir  haben  in  der  Arbeitsorganisation  bei  Columella  das  Bestreben 
wahrzunehmen  geglaubt,  für  die  landwirtschaftliche  Urproduktion 
möglichst  mit  eigenen  Arbeitskräften  auszukommen.  Macht  sich  dieses 
Bestreben  auch  in  Betreff  der  Beschaffung  der  Konsumtionsgüter, 
besonders  der  Erzeugnisse  der  gewerblichen  Produktion,  geltend? 


1)  Dig.  XIX,  2,  25,  3  (Gaius). 

2)  a.  0.  S.  246  Anm.  57. 

S)  A.  Pemice  a.  0.  S.  91  A.  1. 

4)  Nicht   bloss  auf  den   kaiserlichen,   sondern   auch  auf  den  privaten.    Die  viel- 
besprochene lex  Manciana  ist  für  ein  Privatgut  abgefasst. 


Der  rommht'  Gutjihelrivft 


Wie  Cato  und  Varro  ermahnt  auch  (blnmeüa  deii  pat^  familim  diö 
Zeit  der  Morgen-  und  Abenddämmenmg  zu  Hansarbeiten  verschiedener 
Art.  auszunutzen,  num  tnuHa  ^unt,  sagt  er/)  qiuie  in  lucuhmfione  rede 
ftguntur.  mn*  enim  vin^'as  possidefnus,  pnli  ei  ridicae  pomunt  dolnri 
estaeuiqt^:  m-e  regia  ferutas  vel  cortici»  ferax  e$tf  apibtis  alvearia  fieri 
dehent:  sive  palmae  spartive  femimla  est^  fiseinae  sjtoriaeque:  mu  mr- 
ffuHorum^  carbm  ea?  vimine,  (§  91)  ac  ne  cetera  nmie  perseqtmr,  nulla 
re^  non  aUfjuid  affert,  qtwd  ad  lucubrationein  confid  possit  . . .  (§  92) 
, , ,  tum  etmtn  per  lurnhationem  ferramenta  aciiere  et  ad  en  facere^  vel 
facta  mannlria  apiare^  quorum  optima  sunt  ilignea,  deinde  carpinen^ 
post  haec  frax'mea. 

Als  gewerbliche  Hausbeschäftigung  der  Sklaven  erscheint  also  auch 
hitr  haüptsäclüldi  leichtere  Holz-  und  Flechtarbeit,  Im  Winter,  im 
Januar,  werden  am  besten  die  für  den  Weinberg  erforderlichen  Pfähle 
zugehauen.*)  Ein  Arbeiter  kann  100  pali  oder  60  ridicae  im  Tage 
schnitten,  ausserdem  in  der  Abenddäramerung  10  pali  oder  5  ridicae^ 
ebenso  viele  in  der  Morgendämmerung*')  Von  sonstiger  Holzarbeit  er- 
wähnt Oüluraella  speziell  diis  Verfertjjren  von  Handgriffen,  nmnabria,  für 
die  Eisengeräte*)  Das  Korbflechten  dauert  auf  grossen  Weingütern  das 
ganze  Jahr  hindurch:  si  aj/er  amplu.^  aut  mnefn  auf  arhtista  grandia 
$iitü\  perenne  fahricandae  dmttnmodiae  et  IrimodlaA}^  et  fisceUae  tcxendae 
et  picnndäe^)  Über  da3  Verfertigen  von  Hienenkttrben  sagt.  (*olnmella: 
alrenrm  fahricanda  sunt  pro  conditiane  regionis  (aus  Binde,  Pfriemen- 
gi^as,  Weide  oder  Holz)/) 

Wie  man  sieht,  hat  ColumeUa  in  Betreff  der  gewerblichen  Betätigung 
der  Guts8klaven  zu  dem,  was  seine  Vorgänger  hierüber  vorschrieben, 
kaum  etwas  Neuei«  hinzuzufügen/)     Der  Umutand,  dass  ColumeUa  das 

i    XI,  2,  90, 

2)  XI.  2,  U.  Wenn  man  die  PAihle  und  Weid^omteo  nicht  auf  d^m  ^igeueo  Bodrtt 
*liefvarbrln|r«!ti  katiii^  mo  ist  es  nach  ColumeUa*  An«icbl  be«iier,  kotn<!iu  Wcitigurtön  an* 
sulegeii,  dt»üii  «it?  su  kaufen  lohnt  web  nicht  (IV,  80,  1).  Nicht  alle  Landwirti»  waren 
jedoch  diewr  Ännidit.  Der  Verkauf  von  derartigen  Stützen,  pedamcnta,  von  einem 
Gute,  wo  an  »»olcben  Überflu««  war  (Varro  I,  10,3^^  muw*  rreht  ^MntrSi^lTch  ^'eweien 
•Hn.  Man  leiste  Hucb  mbctat  mlvae  p€dare$  und  harumiinrta  für  üU(^chlit'8Mtie}i«'  Vcr^ 
KuHM^rutig  an,  Düf  VII,  l,y,  7  Die  WeideDpilanzung  •ti^llte  «chon  Cato  im  Hinblick 
auf  die  HcnUbilität  uuter  dcu  verscbiedeuen  Bodenkultiin^a  an  die  dritte  Stelle  Ott 
Handel  mit  p^dammta  worda  au  einem  be«ood6rt*n  Bcnifi^:  CIL.  Yl,  9672:  3t  Lid* 
nia  MoMcho  nnffotianit  pcrtieario. 

8)  XI,  2/12. 

4)  Er  folgt  hierin  Hyginu» ,  der  nach  Fljti.  XVI,  2S0  wumuMa  ru»Heis  earpineot 
»%H<i,  ctrrra  zu  verfertigen  riet, 

5)  XI  r,  18,  2. 

6)  IX,  ö,  1.  Vgl  Varro  lll,  lÖ,  15.  Verg,  Georg.  II,  452  f.:  mc  non  et  apeA  ejeamina 
ttmdunt  Cmticihus^e  cavis  mtiosaeque  ilids  atveo, 

7)  Die  groite  Überein stimm nng  der  scr'^  in  die»er  Hin^icljt  »eigt 
deb  auch  in  dem  kompnaloriflcbeu  Werke  *i^  t  e»  in  ».  Ä,  XV IH,  288: 
wmima€  eaed^ndae  iftnpus  hoc  (te.  |H^r  bminain^   dtdmMt;  rtiiqua  opera  nacturtui 


88  H.  Oummertcs, 

Drehen  von  Seilen  und  Stricken,  das  bei  Cato  und  Varro  als  eine  Haus- 
beschäftigung vorkommt,  nicht  erwähnt,  beruht  vielleicht  nicht  auf  Zufall, 
sondern  darauf,  dass  der  erfahrene  Landwirt  die  hausgemachten  Seile 
wegen  ihrer  schlechten  Qualität  als  unbrauchbar  erkannt  hatte. 

Oben  (S.  78)  wurde  bemerkt,  dass  bei  Columella  unter  dem  Gutspersonal 
auch  das  weibliche  Element  vertreten  war.  Es  fragt  sich,  welche  Rolle 
in  seinem  Betriebssystem  das  Spinnen  und  Weben,  die  uralte  Be- 
schäftigung der  Hausfrau  und  ihrer  Sklavinnen,  spielt. 

In  der  Von^ede  zum  zwölften  Buche,  wo  die  Geschäfte  der  vilica 
behandelt  werden,  gedenkt  Columella  mit  Sehnsucht  der  guten  alten 
Zeit,  wo  die  Hausfrau  selbst  den  inneren  Haushalt  besorgte,  und  wo  in- 
folge dessen  keine  Wirtschafterin  nötig  war.  Er  beginnt  mit  einem  Aus- 
zuge aus  Xenophons  Oeconomicus^)  in  Ciceros  Übersetzung,  wo  die  wirt- 
schaftliche Bedeutung  der  Ehe  als  einer  Art  Arbeitsteilung  zwischen 
Mann  und  Frau  dargestellt  wird.  So  wie  Xenophon  die  Verhältnisse 
schildert,  fährt  Columella  fort,  waren  sie  auch  bei  unseren  Vorfahren: 
(§  7)  tisque  in  patrum  nostrorum  memoriam  fere  domesticus  labor  matronalis 
fuit  ...  (§9)  nunc  vero,  cum  pleraeque  sie  luocu  et  inertia  diffluant,  ut  ne 
lanificii  quidem  curam  suscipere  dignentur,  sed  domi  confectae  vestes 
fdstidio  sint,  pei'^versaque  cupidine  maocime  placeant,  quae  grandi  pecunia  et 
totis  paene  censibu^  redimuntur,  nihil  mirum  est,  easdem  ruris  et  instrunwn- 
torum  agrestium  cura  gravari,  sordidissimumque  negotium  ducere  paucorum 
dierum  in  villa  moram.  So  ist  es,  sagt  Columella,  notwendig  geworden, 
auf  dem  Gute  eine  vilica  als  Stellvertreterin  der  Hausfrau  anzustellen,  wie 
ja  auch  der  vilicus  in  die  SteUe  des  abwesenden  Hausvaters  getreten  ist. 


maxime  vigtUa  constentj  cum  sint  noctes  tanto  ampliores:  quatos,  cratis,  fiscinas  ttxere, 
faces  inciderey  ridicaa  praeparare  interdiu  XXX,  pcUos  LX  et  in  luctihratione  vesper- 
tina  ridicas  F,  palos  X,  totidem  antelucana.  Teilweise  geht  die  Stelle  auf  Colum. 
XI,  2,  12  zurück ,  aber  das  Zitat  ist  ungenau ,  die  Ziffern  wohl  korrumpiert.  —  §  236 
heisst  es  weiter:  antelucanis  ferramenta  neuere ,  manubria  aptare^  dolia  quaasa  sarcire 
ipsorumque  lamnas  seabendo  purgare.  Ob  Plinius  hier  Columella  benutzt  hat  oder  ob 
die  Übereinstimmung  auf  einer  gemeinsamen  Quelle  beruht,  (vielleicht  Hyginus,  s.  oben 
S.  87  A.  4),  wollen  wir  nicht  entscheiden.  —  Vgl.  auch  Verg.  Georg  1,259  ff.: 

frigidus  agricoJam  si  quando  continet  imber, 

durum  procudit  arator 

vomeris  obtunsi  dentem;  cavat  arbore  Untres  -  — 

exacuunt  alii  vallos  furcasque  bicarniSj 

atque  Ämerina  parant  lentae  retinacida  viti. 

nunc  facilis  rubea  texatur  fiscina  virga 

V.  291  f.:  et  quidam  serös  hiberni  ad  luminis  ignis 

pervigilat  ferroque  faces  tnspicat  acuto 

1)  Xen.  oecon.  c.  7,  18—28.  Columella  zitiert  nicht  wörtlich,  sondern  gibt  nur 
den  Inhalt  in  gekürzter  Form  wieder.  Wörtlich  dagegen  ist  das  unten  zu  erörternde 
Zitat,  XII,  3,  1—4.  —  Überhaupt  hat  Columella  im  elften  und  zwölften  Buche  und  in 
den  entsprechenden  Abschnitten  des  ersten  Buches  über  die  Pflichten  des  vilicus  und 
der  vilica  Xenophon  stark  benutzt. 


Der  römische  Outshetrieb.  89 

Diese  Klage  über  den  bekannten  „Absentismus"  der  römischen  Gross- 
gnindbesitzer  und  über  die  Faulheit  der  Matronen  interessiert  uns  hier 
nur,  insofern  sie  das  Spinnen  und  Weben  als  Beschäftigung  der  Frauen 
berührt.  Sucht  man  nach  dem  faktischen  Kern  der  rhetorischen  Phrasen, 
so  ergibt  sich,  dass  auch  auf  diesem  Gebiete  die  gewerbsmässige  Kon- 
fektion den  Hausfleiss  zu  beeinträchtigen  begonnen  hatte.  Es  zeigte  sich 
ökonomisch  vorteilhafter,  die  Stoffe  fertig  zu  kaufen,  statt  sie  im  Hause 
selbst  zu  weben.  Columella  setzt  diese  Erscheinung  zwar  auf  die  Rechnung 
der  Faulheit  und  Prunksucht  der  Römerinnen,  aber  es  wird  sich  zeigen, 
dass  in  der  Regel  nicht  einmal  die  grobe  Kleidung  der  Sklaven  zu  Hause 
verfertigt  wurde. 

Das  dritte  Kapitel  desselben  Buches  beginnt  gleichfalls  mit  einem 
wörtlichen  Auszuge  aus  Xenophons  Oeconomicus,  In  dem  entsprechenden 
Abschnitt  des  Originals^)  lässt  Xenophon  den  Ischomachus  erzählen,  wie 
er  und  seine  Frau  das  häusliche  Inventar  systematisch  geordnet  hatten. 
Unter  anderen  Gerätschaften  nennt  Ischomachus  (oecon.  1.  c.  §  7):  raXa- 
atovgyixä  ogyapa,  was  Cicero  (CoL  1.  c.  §  1)  mit  instrumenta  quibus  ad 
lanificia  utuntur  übersetzt.  Und  zwar  gehören  diese  ogyava  zu  den 
Gerätschaften,  die  täglich  von  den  Sklaven  gebraucht  werden :  (§  9)  Zcoig 
ixiv  TÜv  öxivdiv  xa&  ruAiqav  ^giÜvTai  oi  oixitai^  quibus  quotidie  servuli 
utuntur  (Col.  1.  c.  §  3). 

In  der  Tat  nimmt  es  Xenophon  als  selbstverständlich  an,  dass  die 
auf  dem  Gute  erzeugte  Wolle  an  Ort  und  Stelle  gesponnen  und  zu  Kleidern 
für  die  Hausleute  gewoben  wird.^)  Wie  aber  Columella  die  Sache  ansah, 
geht  aus  den  Bemerkungen  hervor,  die  er  zu  Xenophons  Ausführungen 
hinzufügt.  Die  sorgfältige  Aufbewahrung  des  Gutsinventars,  sagt  er 
(1.  c.  §  5),  gehört  bei  uns  zu  den  Pflichten  der  vilica.  Aber  sie  hat  auch 
anderes  zu  tun:  (§  6)  plumis  vero  diebus,  vel  cum  frigoribus  aut  pruinis 
mulier  sub  dio  rusticum  opus  obire  non  poterit,  ut  ad  lanificium  redu- 
catur,  praeparatae  sint  et  pectitae  lanae,  quo  facilius  iusta  lanifido 
persequi  atque  exigere  post^it  nihil  enim  7iocebit,  si  sibi  atque  actoribus 
et  aliis  in  honore  servulis  vestis  domi  confecta  fuerit,  quo  minus  patriS' 
familias  rationes  onerentur. 

Die  Sklavinnen,  *)  natürlich  soweit  sie  nicht  im  Haushalte  beschäftigt 
waren,  arbeiteten  also  wie  die  Männer  gewöhnlich  im  Freien.  Nur  bei 
schlechtem  Wetter  blieben  sie  zu  Hause  und  hatten  dann  ihre  Arbeits- 
pensa, iusta,  durch  Spinnen  und  Weben  —  ganz  wie  die  Männer  in  dem- 


1)  Xen.  oecon.  c.  9,  6—10. 

2)  Xeo.  oecon.  c.  7,  86:  xal  3tav  iffia  slötvtx^fj  00t,  imiuXritiov  ontog  oU  ^tl 
indtia  ylpnriffai.    Vgl.  auch  §§  6  o.  41. 

8)  muUer  ist  koUeküv  anfiafaaseii.  Das  Wort  kann  sich  nicht  auf  die  vilica  be- 
sieheD,  denn  diese  hatte  nur  die  Arbeit  der  Weberinnen  in  überwachen  und  sie  in 
ihrer  Beschlf^gong  in  miterriditen:  (§  8}  oil  Mtm  debeM  aecedere  ac  iiquid  melius 
$cicU  doeere. 


90  Ä  Gummeruß, 

m\hm  Falle  dnrrrh  llBcliler-  und  Fleditarbeit  —  za  erfilkiL  ..Es 
Mrhadet  nlmlich  nicht«  warn  sie  for  skh  sdbst^  and  fir  die  Aiifaghei' 
iaiifn-«^,  danmter  wohl  vUieus,  procurator,  magigter  peeoris  n.  a.)  osd 
andere  ange^^ehenere  Sklaren  die  Kleider  Terfertigen.  damit  die  Kasse 
des  Haoj»Taters  weniger  belastet  werda''  Man  sieht  Colnmella  sagt  nicht. 
AsLUü  die  Kleider  der  Sklaven  anbedingt  zn  Hanse  gemacht  warden.  s<»deni 
nnr.  da^  die  Sklavinnen  ihre  freie  Zeit  anf  diese  Arbeit  verwenden  soDen 
fider  kennen.  Und  zuar  werden  anf  diese  Weise  nnr  die  Crntsbeamten 
nnd  die  angeseheneren  Sklave»  mit  Kleidern  versorgt  Der  grossen  Mdir- 
zahl  der  Sklaven  dagegen  —  so  ist  notwendig  der  Gedankengang  ab- 
znschliessen  —  kaoft  der  Hausvater  ihre  jßelles  manlcatae^  centones  ond 
mit  Kapnzen  (eucuUi)  versdienen  gaga.^ 

So  viel  lässt  sich  ans  Colnmellas  Darstellung  über  die  gewerbliche 
Betätigung  der  gewöhnlichen  Gntssklaven  ermitteln.  Gab  es  aber  auf 
seinen  Gütern  in  der  familia  ruMica  auch  berufsmässig  ansgelernte 
Handwerker? 

Bestimmte  Aufschlüsse  hierüber  gibt  Columella  nicht  Er  zitiert 
eine  Stelle  aus  Xenophons  Oeconomicus ,  wo  Sokrates  den  Ischomachos 
fragt,  utrumne,  si  res  familmris  denderasset,  mereari  vilicum  tamquam 
fafjrum,  an  a  se  instituere  consueverit')  Selbst  gibt  er  die  Antwort: 
C§  9)  tarn  doeendus  est  futurus  vilicus,  quam  futurus  figulus  aut  faber. 
Aber  daraus  ist  über  unsere  Frage  nichts  zu  erschliessen.  Möglich  ist 
dass  bei  Xenophon  der  zu  kaufende  xkxxiav  als  Gutshandwerker  auf- 
zufassen ist,  aber  mit  dem  futurus  figuius  aut  faber  meint  Columella 
offenbar  nur  einen  Handwerker  im  allgemeinen,  mag  er  für  das  Gut  in 
Betracht  kommen  oder  nicht 

Mit  spezieller  Rücksicht  auf  den  Gutsbetrieb  wird  der  faber  XI,  2,  13 
genannt  Es  wird  hier  über  das  Fällen  und  Behauen  des  Bauholzes  (in 
aedificia  succidere  arhorem  §  11)  gesprochen:  materies  si  roborea  est^  ab 
umx)  fahro  dolari  ad  unguem  per  quudrata  debet  pedum  XX:  haee  erit 
vehis  una.  Ob  aber  dieser  faber  zu  den  Gutssklaven  zu  rechnen,  oder 
ob  er  ein  gemieteter  Zimmermann  ist,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Zwar 
sagt  Oolumella:  (jui  aedificare  velint,  fabros  et  architedos  advocent,*) 
allein  diese  Bemerkung  braucht  nicht  speziell  auf  das  Aufführen  ländlicher 
Gebüiide  bezogen  zu  werden.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  eine 
grössere  Bauarbeit  einem  Baumeister^  in  Akkord  überlassen  wurde.  Dies 
aber  hindert  nicht,  dass  es  unter  den  Gutssklaven  einen  oder  ein  paar 
berufsmässig  ausgebildete  Maurer,  Steinhauer  oder  Zimmerleute  geben 
konnte,  welche  die  vorbereitenden  Arbeiten  ausführten.    Das  Baumaterial 

1)  So  ist  wohl  8thi  zu  verstehen,  wenn  damit  nicht  die  vilica  gemeint  iit. 

2)  1,8,  9.  XI,  1,21. 

8)  XI,  1,  5.    Xen.  oecon.  c.  12,  3:  d)vela&at,  maTisg  orav  r^tovog  dsri^g 

4^  I,  pr.  4. 

T);  Wie  der  faber  conductor  b<»i  Cato  c.  14. 


Der  römische  Outshetrieh.  91 

nahm  man  natürlich  wo  möglich  vom  Gute  selbst.*)  Wo  gute  Töpfererde 
zu  haben  war,  hat  man  wohl  auch  die  Ziegel  selbst  gestrichen,  wie  es 
später  zu  Palladius'  Zeit  geschah, 2)  ohne  dass  man  dafür  handwerks- 
kundige „Töpfer"  gebraucht  hätte. 

Schliesslich  werden  fahrt  noch  XII,  3,  9  erwähnt.  Die  Wirtschafterin 
soll,  heisst  es,  imistere  atriensibus,  ut  supelledilem  eayponanty  et  feiTa- 
menta  detersa  nitidentur  atque  rubigine  liberentur  ceteraque,  quae  re- 
fectionem  desiderant,  fabris  concinnanda  tradantur.  Hier  sclieint  es  in 
der  Tat,  dass  CJolumella  unter  den  fdbri  gutsangehörige  Handwerkssklaven 
versteht.  Sie  werden  in  dieser  Eigenschaft  den  atrienses  gegenübergestellt. 
Auch  der  Plural  fabri  scheint  anzudeuten,  dass  nicht  von  dem  „Schmiede" 
des  Dorfes,  sondern  von  den  Schmieden  (oder  Handwerkern  überhaupt) 
des  Gutes  die  Rede  ist.  Erinnern  wir  uns,  dass  Columella  stets  ein 
grösseres  Gut  im  Auge  hat. 

Natürlich  wurden,  wie  vorher,  die  ferramenta  in  der  Stadt  gekauft. 
Nur  die  Reparaturen  überliess  man  den  Gutshandwerkem.  Das  Schärfen 
der  Eisengeräte  war,  wie  wir  sahen,  eine  Beschäftigung  der  Sklaven  in 
der  Abend-  und  Morgendämmerung.^) 

Stand  die  gewerbliche  Produktion  des  Gutes  in  irgend  einem  Zu- 
sammenhang mit  dem  ergastulum,  das  ('olumella  als  erster  unter  den 
scriptores  rei  ricsticae  erwähnt  und  beschreibt?*)  M.  Weber ^)  macht  die 
Ansicht  geltend,  dass  das  ergastulum  ein  Gefängnis  gewesen  sei,  „in 
welchem  die  gefesselten  Sklaven,  Schuldner  und  noocii  arbeiteten  imd 
schliefen."  Er  spricht  von  der  „Gefängnisarbeit",  welche  da  von  den 
Eingesperrten  hergestellt  worden  sei,  einer  Arbeit  freilich,  die  „nicht 
immer  zufriedenstellend  gewesen  sein  wird."  Das  ergatitulum  wäre  also 
eine  Art  von  industrieller  Werkstatt  gewesen. 

Ob  diese  Auffassung  irgend  einen  Grund  für  sich  hat,  wollen  wir 
nicht  entscheiden.  In  Columellas  Darstellung  findet  sie  keine  Stütze. 
Vielmehr  scheint  aus  der  Beschreibung  I,  8,  16 — 18  hervorzugehen,  dass 
die  Gefesselten  ^^ie  die  übrigen  Sklaven  auf  den  Feldern  arbeiteten.  Sie 
waren  nicht  bloss  den  ergastularii,  sondern  auch  den  magistri  operum, 
den  Leitern  der  Feldarbeiten,  unterworfen.  Der  dominus  erkundigt  sich 
nach  ihrer  Lage,  indem  er  die  Nichtgefesselten ,  soluti,  fragt,  an  ex  sua 
constitutione  iusta  percipiant,  was  voraussetzt,  dass  beide  Kategorien  zu- 
sammen arbeiten.  Dass  überhaupt  die  gefesselten  Sklaven  als  Feldarbeiter 
beschäftigt  wurden,  sagt  Columella  ausdrücklich,**)  und  dasselbe  ist  durch 


1)  I,  2,  4:  matertam  lapidemque,  si  necessitas  aedificandi  coegerii. 

2)  Palladius  VI,  12.  VII,  8.  X,  15. 

8)  XI,  2,  92.    XU,  18,  2:  (ad  vindemiam)  falculae  et  ungues  ferrei  quam  plurmi 
panmäi  €l  exaeuendi  sunt,    parare  hat  hier  offenbar  die  Bedeutung  kaufen. 
«J,  8, 16.  XI,  1,22. 
5)  Airmrgmk^  8.  840. 
6}  1|  9|  i.    YÄ  4ii^  AmAniok:  fiM$  gtniium  occupatos  ergastulis  tenent,  1,  3, 12. 


92  H.  Oummerus, 

zahlreiche  sonstige  Notizen  bezeugt.  Plinius')  setzt  ausdrücklich  die 
ergastula  mit  der  Ackerbestellung  in  Zusammenhang.  Dass  im  ergastulum 
irgend  eine  gewerbliche  Arbeit  betrieben  worden  wäre,  daraufhin  ist  bei 
den  scriptores  rei  rusticae  keine  Andeutung  zu  entdecken. 


Am  Anfang  unserer  Untersuchung  haben  wir  darauf  aufmerksam 
gemacht,  das  Columellas  Werk  einen  encyklopädischen  Charakter  zeigt. 
Sein  Bestreben  ist,  alle  Zweige  der  Landwirtschaft  möglichst  erschöpfend 
zu  beleuchten.  Insofern  dürfen  wir  seine  Darstellung  nicht  auf  ein  einziges 
bestimmtes  Gut  beziehen.  Aber  im  Gegensatz  zu  Varro  hat  Columella 
seine  Arbeit  zum  grossen  Teile  auf  der  persönlichen  Erfahrung  aufgebaut, 
einer  Erfahrung,  die  er  als  eifriger  Landwirt  auf  seinen  eigenen  Gütern 
in  der  Nähe  der  Hauptstadt  erworben  hat.  Seine  Darstellung  der  inneren 
Organisation  des  Gutsbetriebes  ist  deshalb  nicht  aus  verschiedenartigen, 
bald  diesem  bald  jenem  Autor  entlehnten  Zügen  zusammengestellt,  sondern 
die  einheitliche,  lebendige  Anschauung  des  Verfassers  liegt  ihr  zu  Grunde. 

Nach  dieser  Darstellung  hat  der  römische  Gutsbetrieb  seit  Gates 
Zeiten  an  Umfang  bedeutend  zugenommen.  Eine  Olivenpflanzung,  auf 
welche  er  Bezug  nimmt,  zählt  mindestens  1500  iugera.  Die  ganze  Guts- 
einrichtung ist  für  die  Grosswirtschaft  berechnet.  Sonst  aber  geht  die 
Wirtschaft  in  den  alten  Bahnen  weiter.  Unter  den  verschiedenen  Kultur- 
arten spielt  auch  bei  Columella  die  Baumkultur,  namentlich  der  Wein- 
bau, die  Hauptrolle  und  wird  als  sehr  lohnend  dargestellt. 

Die  Sklavenwirtschaft  ist,  der  Grösse  des  Betriebes  entsprechend, 
noch  höher  ausgebildet  als  bei  Cato.  Das  Kasemensystem  hat  man  jedoch 
fallen  lassen:  unter  dem  Gutspersonal  werden  auch  Sklavinnen  genannt. 
Es  wird  vorausgesetzt,  dass  in  gewöhnlichen  Fällen  die  stehenden  Arbeits- 
kräfte des  Gutes  für  die  Ackerbestellung  ausreichen.  Nur  noch  als  Not- 
behelf werden  für  die  Ernte  Hilfsarbeiter  gemietet,  ebenso  gelegent- 
lich für  Neurodungen.  Auch  die  Werkverdingung  scheint  bisweilen 
vorgekommen  zu  sein.  Doch  sind  Columellas  Angaben  allzu  spärlich  und 
unbestimmt,  um  uns  über  diese  Verhältnisse  eine  klare  Anschauung  zu 
gewähren. 

Ausführlich  dagegen  behandelt  Columella  die  Frage  der  Verpach- 
timg grösserer  oder  kleinerer  Teile  des  Gutskomplexes.  Wie  Cato  die 
Bestellung  der  Getreideäcker  einem  politor  überlässt,  so  verpachtet  Colu- 
mella gern  abgelegene  Getreidegüter  an  coloni.  Die  Lasten  der  Kolonen 
bestehen  in  einem  Geldzinse  und  einigen  kleinen  Naturallieferungen. 
Frohndienst  auf  dem  Herrenlande  haben  sie  nicht  zu  leisten.  Wenn 
Columella  dem  Gutsherrn  rät,  grösseres  Gewicht  auf  die  „Arbeit"  als  auf 
die  Geldzahlungen  der  Kolonen   zu   legen,   so  will  er  damit  nur  sagen, 

l)  Flin.  n.  h,  XVUI,  21 ;  36 :  coli  rura  ab  ergaatulia  pesaimum  est. 


Der  römische  Outsbetrieb. 


93 


dass  er  die  Pächter  anhalten  soll,  ihre  Parzellen  mit  Fleiss  und  Umsicht 
zu  bestellen. 

Über  die  Beziehungen  des  Gutsbetriebes  zu  der  gewerblichen  Pro- 
duktion schliesslich  gibt  Columella  keinen  genflgenden  Aufschluss.  Doch 
sehen  wir,  dass  der  Kreis  des  Hausfleisses  im  engeren  Sinne  ziemlich 
derselbe  ist  wie  bei  Cato  und  Varro.  Die  Kleidung  der  Sklaven  wird, 
wie  bei  Cato,  grösstenteils  nicht  zu  Hause  gemacht.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  man  die  meisten  Gewerbserzeugnisse  sich  durch  Kauf  verschaffte. 
Dagegen  scheint  es,  dass  für  gewöhnliche  auf  dem  Gute  erforderliche 
gewerbliche  Arbeiten,  namentlich  Reparaturen  an  den  Arbeitsgeräten, 
eigene  Handwerker  gehalten  wurden. 


Allgemeine  Ergebnisse. 

Es  ist  oben  (S.  24)  bemerkt  worden,  dass  Cato  als  Landwirt  kein  ein- 
facher Bauer  im  altrömischen  Sinne  ist,  sondern  ein  Kapitalist,  der  sein 
Gut  schlechterdings  als  eine  Einnahmequelle,  nicht  wie  der  Bauer  zugleich 
als  seine  Heimat  betrachtet.  In  der  Tat,  sein  landwirtschaftliches  Be- 
triebssystem steht  ganz  im  Zeichen  des  Kapitalismus.  Die  konsequente 
Richtung  der  Produktion  auf  den  Absatz,  die  Abschätzung  der  ver- 
schiedenen Bodenkulturen  nach  ihrer  Rentabilität,  die  Anschauungsweise, 
nach  der  jede  verlorene  Zeit  verlorenes  Geld  ist,  die  rücksichtslose  Aus- 
beutung der  Sklaven,  das  Bestreben,  alle  unproduktiven  Glieder  aus  der 
Wirtschaft  möglichst  zu  entfernen  —  alles  zeigt  den  Kapitalisten,  dem 
die  Landwirtschaft  nichts  ist  als  die  Kunst,  aus  dem  Grund  und  Boden 
mit  Hilfe  gehäufter  Ai-beitskräfte  die  höchstmögliche  Rente  heraus- 
zuwirtschafteh. 

Der  Kapitalismus  war  im  Altertum  unauflöslich  mit  der  Sklaven- 
wirtschaft verbunden.  Aber  diese  Sklavenwirtschaft  ist  nicht  mehr  die  der 
alten  patriarchalischen  Zeit,  wo  der  Bauer  und  seine  Söhne  gemeinschaft- 
lich mit  den  wenigen  Haussklaven  die  Äcker  bestellten.  Die  Sklaverei 
des  Kapitalismus  hat  die  Eigenschaft,  die  freie  Arbeit  aus  den  immer 
grösser  werdenden  Betrieben  zu  verdrängen.  So  ist  bei  Cato  das  stehende 
Gutspersonal  ausschliesslich  aus  Unfreien  zusammengesetzt  Auf  der 
Grundlage  der  unfreien  Ai-beit  ist  das  ganze  Gebäude  seines  Betriebs- 
systems aufgebaut. 

Nach  Büchers  Theorie  müsste  also  auf  den  catonischen  Mustergütern 
—  weil  da  die  Sklavenwirtschaft  zu  voller  Ausbildung  gekommen  war  — 
die  Produktion  und  Konsumtion  im  Rahmen  der  geschlossenen  Hauswirt- 
schaft vor  sich  gegangen  sein.  Aber  unsere  Untersuchung  hat  zu  einem 
ganz  anderen  Resultat  geführt. 

Sie  hat  gezeigt,  dass  der  Gutsbetrieb  bei  (.'ato  keine  isolierte  Produk- 
tions- und  Konsumtionsgemeinschaft  war,  dass  er  vielmehr  in  den  vollen 
Fluss  des  allgemeinen  Wirtschaftslebens  in  mannigfacher  Weise  hinein- 
gezogen war.  Bei  der  Bewirtschaftung  des  Gutes  bemerkt  man  kein  Be- 
streben, unter  allen  Umständen  mit  den  eigenen  Arbeitskräften  allein  auszu- 


Der  römi»cAe  Outsbeirieb. 


95 


komnieiL  Die  Zakl  der  ilÄuenid  aagei^teUten  Gut  r  im  nicht  höher  be- 

rechnet^ als  dass  dieselben  mit  den  laufenden  lij  -  haftlichen  Arbeiten 

das  ganze  Jahr  hindurch  Beschähipung  finden.  Für  jede  grössere  Arbeit 
rieht  man  fremde  Hilfsleute  heran.  Ebenso  lässt  man  die  auf  dem  Gute 
vorkommenden  gewerblichen  Arbeiten  gewohnlich  durch  gemietet«  Hand- 
werker ausführen.  Die  meisten  erforderlichen  Gewerbserzeugnisse  kauft 
man  in  den  benai;hbarten  Städten. 

Das  Ha  US  werk  nach  Biichers  Terminolngic  uuitit^i  auf  Catos 
Gütern  haupUüchlich  nur  leichtere  Holz-,  Flecht-  und  Seilerarbeit.  Das 
Spinnen  und  Weben  g^ichieht  nicht  mehr  zu  Uause^  die  Kleider  werden 
gekauft  Das  Lohnwerk  kommt  in  8einen  beiden  Formen  vor,  als  „Stur", 
mißm  die  Handwerker  im  Dienste  des  <  rutsherrn  arbeiten,  wie  der  Schmied, 
dfir  Banmeister  u.  s.  w.^  und  als  ,.Heimwerk",  indem  z,  B.  die  Häute 
dem  Seiler  ziu*  Verarbeitung  überlassen  werden.  Das  städtische  Hand- 
werk in  !■  '  Sinne  versieht  da.s  Gut  mit  Ton-,  Eisen-  und  Brunze- 
wireii,  A\  •  .  IL  Seilen,  Kurben,  und  wa^  derartigas  mehr  ist. 

Von  einer  geschlossenen  Hauswirtschaft  kann  unter  solchen  Ver- 
hältnissen keine  Rede  sein.  Die  Frage,  ob  wir  es  hier  mit  der  Stadt- 
wirtschaft  oder  der  Volkswirtschaft  zu  tun  haben,  und  ob  neben  dem 
Handwerk  auch  da«  Verlagssystem  oder  die  Fabrik  die  Gutsbetriebe 
mit  den  betreffenden  Waren  versah,  wollen  wir  nicht  ent^scheiden.  E» 
mlttte  erst  der  Stand  der  Industrie  und  des  Hamtete  zu  dieser  Zeit  ein- 
ffdüend  untersucht  werden. 

Wir  sehen  also,  dass  die  ausgebildete  Sklavenwirtschaft  nicht  not- 
wendig mit  der  geschlossenen  Hauswirtschaft  verbunden  sein  rauss.  In 
der  Tat,  der  Kapitalismus,  der  zur  Ausbildung  der  Sklaveu Wirtschaft 
führte,  hat  sich  bei  den  FM^mem  Hand  in  Hand  mit  der  Geld  Wirtschaft 
und  dem  Verkelirsleben  überhaupt  entwickelt.  Dii»  fortnchreitende  Arbeits- 
teilung innerhalb  der  Gest^Uschaft  konnte  nicht  umhin,  auch  die  länd- 
lichen Zustände  zu  beeinflussen.  Wir  können  in  (Jatos  Betriebssystem 
ein  konsequentes  Be^streben  beobachten,  diejenigeji  Arbeiten,  die  nicht 
unnüttelbai*  mit  der  Ackerbestellung  zu  tun  haben,  vom  Gutsbesitzer  ab- 
zuwälzen* So  ausser  den  gewerblichen  .Vrbeiten  auch  die  Ernte,  Sogar 
den  Transport  der  Produkte  über  lässt  man  gern  dem  Käufer.  Der  Ver- 
kauf geschieht  in  der  Regel  an  Ort  und  Stelle,  Das  Untemehmeilum^ 
dft0  im  römischen  Staatshaushalt  gerade  zu  rato«  Zeit  eine  grosse  ße- 
^itung  erhielt,  hat  offenbar  auch  in  die  Privatwirtschaft  Eingang  ge- 
funden.  Wie  der  Staat  die  Zölle  und  Steuern  den  Meistbietenden  ver^ 
steigeH,  so  verkauft  auch  der  Gutsbesitzer  im  voraus  den  Ertrag  j?)eine,s 
Weinberges,  seiner  Ölpflanzung,  seiner  Schafherde  einem  Spekulanten,  Hier 
wie  dort  ist  es  auch  gewöhnlich  der  „Käufer**,  der  die  „Enite"  zu  ver- 
richten hat 

Das  erste  Jahrhundert  v.  Chr.,  da  Varro  seine  Arbeit  über  die 
Landwirtschaft  verfaaatei  wii*d  al^  der  Höhepunkt  der  anükim  Sklaven* 


96  jBT.  Oummertis, 

Wirtschaft  bezeichnet.  Um  so  mehr  fällt  es  auf,  dass  sich  der  Gutsbetrieb 
bei  Varro,  insofern  wir  ihn  erfassen  können,  von  dem  bei  Cato  nur  wenig 
unterscheidet.  Auch  hier  steht  der  Gutsbetrieb  zu  der  Volkswirtschaft 
in  fortwährenden,  vielseitigen  Wechselbeziehungen.  Freie  Arbeiter  werden 
wie  vorher  regelmässig  gedungen,  das  „Hauswerk"  beschränkt  sich  auf 
ebendieselben  Gewerbserzeugnisse  wie  bei  Cato,  die  nötigen  gewerblichen 
Arbeiten  werden  durch  gemietete  Dorfhandwerker  ausgeführt  Nur  auf 
sehr  grossen,  entlegenen  Gütern  hält  man  sich  eigene  Handwerkssklaven. 
Aus  der  Art  und  Weise,  wie  Varro  diese  Tatsache  erwähnt  und  motiviert^ 
scheint  hervorzugehen,  dass  ihm  nicht  sowohl  die  Grösse  des  Betriebes  als 
die  Lage  des  Gutes  das  in  dieser  Hinsicht  entscheidende  Moment  ij3t. 
Aber  zweifelhaft  ist,  ob  Varro  das  richtige  getroffen  hat  Mehr  als  die 
Schwierigkeit,  die  betreffenden  Handwerker  jedesmal  aus  der  Stadt  zu 
holen,  muss  der  Umstand,  dass  auf  einem  grossen  Gute  ein  Handwerker 
das  ganze  Jahr  hindurch  Beschäftigung  finden  konnte,  den  Besitzer  ver- 
anlassen, sich  einen  oder  mehrere  gewerbekundige  Sklaven  zu  kaufen.  Eis 
kann  sich  damit  vor  zweitausend  Jahren  nicht  viel  anders  verhalten 
haben  als  zu  unserer  Zeit 

Schliesslich  erwähnt  Varro,  dass  einige  Besitzer  auf  ihren  Gütern 
Töpfereien  und  Webereien  angelegt  hatten.  Es  wäre  jedoch,  wie  wir  schon 
hervorhoben,  unberechtigt,  diese  industriellen  Betriebe  mit  dem  eigent- 
lichen Gutsbetriebe  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Die  Entwickelung  dieser 
auch  aus  anderen  Quellen  bekannten  ländlichen  Manufakturen  gehört 
mehr  in  die  noch  ungeschriebene  Geschichte  der  römischen  Industrie  als 
in  die  Agrargeschichte. 

Cato  hatte  ausschliesslich  mittelgrosse  Güter  im  Auge  gehabt,  Varro 
daneben  auch  die  Grosswirtschaft  einigermassen  berücksichtigt.  Columellas 
Normalgut  ist  ohnehin  als  Grossbetrieb  zu  bezeichnen.  Weniger  als  bei 
jenen  Schriftstellern  ist  hier  die  Wirtschaft  von  auswärtigen  Lohnarbeitern 
abhängig.  In  der  Klasse  der  Kleinpächter,  die  jetzt  in  den  Vordergrund 
tritt,  hat  der  Gutsbesitzer  eine  neue  Verstärkung  seiner  Arbeitskräfte 
gefunden.  Obwohl  die  Kolonen  nicht  kontraktmässig  zu  Frohnden  ver- 
pflichtet waren,  so  haben  sie  doch  wahrscheinlich  mehr  oder  weniger  frei- 
willig als  Lohnarbeiter  auf  dem  Herrenlande  gearbeitet. 

Entsprechend  der  Grösse  des  Gutsbetriebes  finden  wir  jetzt  unter  den 
Gutssklaven  auch  berufsmässig  ausgebildete  Handwerker.  Allein  allem 
Anschein  nach  haben  diese  Handwerker  nur  die  nötigen  Reparaturen  und 
andere  kleinere  Arbeiten  zu  besorgen.  Sonst  scheint  es,  dass  wie  vor- 
her die  Gewerbserzeugnisse,  wie  es  namentlich  in  Betreff  der  Kleidung 
der  Sklaven  erwähnt  wird,  gekauft  wurden. 

Die  verhältnismässige  Dürftigkeit  der  Angaben  bei  Varro  und  Colu- 
mella  gestattet  uns  nicht,  die  innere  Organisation  des  Gutsbetriebes  im 
einzelnen  zu  verfolgen.  Doch  dürfte  aus  unserer  Untersuchung  her- 
vorgehen, dass,  wenn  wir  bei  diesen  beiden  Schriftstellern  eine  Bewegung 


Der  romische  Ghitshetrieh.  97 

zu  einer  gesteigerten  wirtschaftlichen  Selbstgenfige  des  Gutsbetriebes  be- 
obachten können,  dies  darauf  beruht,  dass  der  durchschnittliche  Umfang 
des  Betriebes  alhnählich  gewachsen  ist 

Aber  ebenso  wenig,  wie  man  die  moderne  Gutswirtschaft  als  wirt- 
schaftlich isoliert  bezeichnen  kann,  nur  weil  das  Gut  seinen  eigenen 
Schmied,  Tischler  oder  Steinhauer  besitzt,  ebensowenig  lässt  sich  dies  von 
dem  römischen  Gutsbetrieb  bei  Varro  und  Columella  sagen.  Die  Bedürf- 
nisse sind  zu  vielseitig,  die  Abhängigkeit  der  Wirtschaft  von  dem  Geld- 
verkehr  ist  zu  gross,  um  nicht  zwischen  dem  Gutsbesitzer  und  dem 
Kaufmanii,  Handwerker  oder  Bankier  lebhafte  Wechselbeziehungen  her- 
vorzurufen, die  in  einem  regen  Warenaustausch  zwischen  Land  und  Stadt 
ihren  Ausdruck  fanden.  Gerade  im  ersten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit 
hatte  das  römische  Wirtschaftsleben  seine  höchste  Höhe  erreicht  Un- 
möglich konnten  sich  die  Gutsbetriebe,  soweit  sie  nicht  in  abgelegenen 
halbbarbarischen  Provinzen  lagen,  der  Teilnahme  an  diesem  Leben  ent- 
ziehen. 

Doch  —  zu  einer  endgültigen  Entscheidung  der  aufgestellten  Frage 
hat  selbstverständlich  unsere  vorbereitende  Untersuchung  nicht  führen 
können.  Sie  hat  m.  E.  nur  den  Weg  gezeigt,  auf  dem  die  Entscheidung, 
soweit  sie  möglich,  zu  finden  ist  Die  allmählich  fortschreitende  wirtschaft- 
liche Isolierung  der  römischen  Grundherrschaften  steht,  wie  in  der  Ein- 
leitung bemerkt  wurde,  in  ihren  grossen  Umrissen  klar  da.  Um  diese 
Erscheinung  zu  verstehen,  müssen  wir  einerseits  die  Entwickelung  des 
landwirtschaftlichen  Grossbetriebs,  andrerseits  die  der  Gewerbe  und  des 
Handelsverkehrs  kennen  lernen.  Als  Einzelfragen,  die  noch  weiter  unter- 
sucht zu  werden  verdienen,  können  die  Umwandlung  der  Kolonen  in  frohn- 
pflichtige  Bauern,  die  Stellung  und  Bedeutung  der  Gutshandwerker,  sowie 
die  Entwickelung  der  ländlichen  industriellen  Betriebe  angegeben  werden. 
Es  ist  die  Absicht  des  Verfassers  demnächst  diesen  Fragen  eine  ein- 
gehende Spezialuntersuchung  zu  widmen. 


Gommerof ,  Der  römiMh«  OoUbttricb. 


Sachregfister. 


Die  Zahlen  verweisen  auf  die  Seiten  der  Abhandlung. 


Absentismus  des  Grundherrn  24,  89. 

aerarii  s.  u.  fabri, 

Arbeitskräfte  des  Gutes  10,  24  ff.,  57,  61  ff., 

80  ff. 
Arbeitslöhne  in  der  Landwirtschaft  25  A.  3, 
•    29,  65. 

artifices  3,  5,  69,  71. 
Aufseher  bei  d.  Ernte  29;  A.  der  Tagelöhner 

27,  der  Pächter  85,  der  Sklaven  78,  90. 
Autarkie  des  Oikos  3  ff.,  22. 

Bauarbeit  auf  Gütern  37  f.,  90. 

Betätigung,  gewerbliche,  der  Sklaven  21, 
35  f.,  66  ff.,  87  ff. 

Betriebssysteme,  gewerbliche,  nach  K.  Bü- 
cher 2. 

Bezugsorte  der  versch.  Bedarfsartikel  23 
A.  6,  36,  39  A.  5,  41,  43  f.,  47. 

capulatares  28. 

Blei,  Verarbeitung  desselb.  zu  Gefässen  etc. 
46. 

Bodenbenutzung  19,  55,  77. 

Bronzeindustrie,  Bronze  waren  s.  u.  Kupfer. 

CassiuB  Dionysius,  Magos  Epitomator  52  f., 
57. 

Catos  Buch  de  agri  cuüura  13,  15  ff.,  .seine 
Abfassung  16,  auf  der  persönlichen  Er- 
fahrung d.  Verfasser»  beruhend  17,  nimmt 
auf  zwei  bestimmte  Mustergüter  Rück- 
sicht 17  f. 

cella  olearia  bei  Columella  79. 

coloni  als  Synonym  für  rustici  83  f. ;  in 
der  Bedeutung  Kleinpächter  10,  62  f., 
82  ff.;  Frohndpu  der  c.  11,  85  f.;  c.  par- 
tiarius  33;  s.  auch  Kolonat 


Ck)lumellas  rei  rusticae  lihri  duadeeim  13, 
73.  C.  als  Praktiker  73,  seine  litermri- 
sehen  Quellen  74,  er  berücksichtig  zu- 
nächst italische  Zustände  76. 

conductor  31,  37,  81. 

custodßs  torctdarii  28,  c.  als  Aufseher  bei 
der  Ernte  29,  c.  fructibus  85. 

Dienstmiete  s.  loc-cond,  aperarum, 
Diophanes,  Magos  Epitomator  52  f. 

Eisenindustrie  und  Handel  44  ff. 
Eisenwaren  44  f.,  91. 
epistata  27  A.  3. 
ergastulum  10,  91  f. 
Erntearbeiter  27,  30,  65,  81. 
exactares  operis  81  A.  7,  85. 

fabn  37  ff.,  41  f.,  68  f.,  90  f.;  f.  aerani  41  f., 
ferrarii  41  f.,  45,  70;  lignarii  70. 

Fabrik  2,  95. 

factores  25  f.,  28  f.,  30 ;  doliorum  cuparum- 
que  f.  70. 

familia  rustica  9,  24,  36,  90. 

ferramenta  44,  81,  91. 

ferrarii  s.  u.  fabri. 

figlinae  71. 

figuli  41,  71,  90. 

Fischteiche  59. 

Flechtarbeit  als  Hauswerk  39,  67,  87. 

foenisicae  82. 

Frohnden  der  Kolonen  10,  85. 

ftiüones  68. 

(iartenhau  lU,  56,  58  f. 
Geflisse,  tönerne  41,  43  A.  3,  kupferne  (bron- 
zene) 43. 


Sachregister. 


99 


GeoponicGj  Sammelwerk,  zitiert  Varro  70. 

Getreidebau  18  f.,  32,  56. 

(TCtreideemte  65. 

Grossbetrieb  8  f.,  20,  57,  69,  78. 

Grundsätze,  ökonomische,  Gates  20,  Colu- 
mellas  79. 

Gutsbetrieb,  der  römische,  nach  M. Weber  9, 
Umfang  des  G.  bei  Varro  56  f.,  bei  Colu- 
mella  78  f.,  wirtschaftliche  Isolierung  des 
G.  9,  11,  bei  Cato,  Varro  und  Columelia 
nicht  merkbar  23,  58  f.,  80. 

Gutsinveutar  24,  66 

Handwerk  (nach  BUchersTerm]nologie)2, 95. 
Handwerker,  freie,  4,  37,  42,  68  f.,  unfreie 
Gutshandwerker  2  f.,  8  f.,  11,  69  f.,  90  f. 
Hauswerk  2,  87,  95. 

Hauswirtschaft,  geschlossene,  2 ff.,  22,  95. 
Häute,  Verarbeitung  der,  40. 
Heimwerk  6,  40,  95. 
Heuernte  65. 
histones  71. 
Uolzarbeit  als  Hauswerk  38  f.,  67,  87,  90. 

Industrie  im  Altertum  2. 

Isolierung,  wirtschaftliche,  des  Gutsbetrie- 
bes, 8.  Gutsbetrieb. 

Italien,  wirtschaftliche  Entwickelung  20; 
italische  Zustände  yon  den  8cr.  r.  r.  vor- 
zugsweise berücksichtigt  17,  55,  76. 

Kapitalanlage  in  der  Landwirtschaft  20,  79. 

Kapitalismus  im  Altertum  94. 

Kauf:  im  Allg.  28,  58  f.,  68,  Kleider  36  f., 
90,  bestimmte  Flechtwaren  39,  Tonwaren 
40  f.,  Kupfer-(Bronze-)waren  43  f. ,  Eisen- 
wan'n  44  ff.,  Olquetschmaschine  47. 

Kleider  der  Hausleute  86  f.,  90. 

Kleinbauern  32,  62. 

Kleinpacht  10,  33,  62  ff.,  82  ff. 

Kolonat  10  f.,  83,  63,  82  ff. 

Kommunikationen,  Bedeutung  für  den  Guts- 
betrieb 22  f.,  59  f.,  80. 

Konsumtion  des  Gutes  12,  33  ff.,  66  ff.,  86  ff. 

Kupfer-(Bronze-)iudu8trie  und  Handel  48  f. 

Kupfer- (Bronze-)waren  43  f. 

Landtransport  59  f.,  80. 

Lebensmittel  33  f.,  66. 

Lederarbeit  6,  40. 

leguli  25,  28,  30. 

lex  oleae  legendae  28  £,  vini  legendi  30, 
oleae  faciundae  29,  dleae  pendeniü  ««n- 
dmndae  81,  vini  pemdenüe  vmidmidi  81| 


Ugnarii  70. 

loeatio-oonductio  aperarum  6,  25  ff.,  65,  81  ff. 
locatiO'ConducHo  aperis  6,  27  ff.,  37  f.,  65,  81. 
Lohnwerk  2,  6,  95. 

Mago,  Agrarschriftsteller  50,  von  Varro  als 

Quelle  benutzt  52  f. 
mediei  68. 

mercennarii  26  f.,  62. 
mesdores  82. 

Metallarbeit  u.  Metallindustrie  6,  41  ff.,  91. 
Mustergüter  Catos  17. 

Nebengewerbe,  landwirtschaftliche  71. 
Neubrüche  81. 
nexus  civium  62,  84. 

obaerati  62  f. 

officia  11,  78. 

Oikenwirtschaft  3,  in  den  römischen  Guts- 
betrieben 8  f. 

Ölbau  18  f.,  55  f.,  77. 

Olivenlese  27  ff. 

oUvetum  Catos  18  f.,  24. 

aperae  11,  25,  65,  81,  86. 

apercNriif  unfreie  24,  als  freie  Tagelöhner 
10,  25  ff.,  29,  in  der  Bed.  Arbeiter  über- 
haupt 81. 

opus  exigere  bei  Columelia  10,  85  f. 

Palladius  13.  Ausspruch  über  Gutshand- 
werker 70. 

partiarius  32  f.,  37. 

pastinatio  81. 

pastio  viüatka  56,  59,  66. 

Pech,Verwendung  in  der  Landwirtschaft  34. 

Plinius  d.  Ä.,  zitiert  Cato  22,  u.  Columelia 
75  A.  2,  87  A.  7. 

polüio  82,  s.  auch  societas. 

politor  26  f.,  31  ff. 

prdum  39,  47. 

Produktion  des  Gutes  21 ,  landwirtschaft- 
liche Urproduktion  12,  24  ff.,  61  ff.,  80  ff., 
gewerbliche  Produktion  12,  35  ff.,  66  ff., 
87 ff.;  P.  für  den  Absatz  23,  59,  79. 

redemptor  10,  28  ff.,  65. 
Reparaturen  69,  91. 

iaUdum  19,  24,  87. 

«arr«fiMi65. 

SaaemayYater  und  Sohn,  Agranchriftsteller, 

60111;  AiMqprOelM  über  Kleiopacht  64, 83, 

«b«r  SketMm  71. 


100 


Sachregister. 


Schmiede  41  f.,  45,  als  Grutshandwerker  70, 
91. 

Scbuldknechtschaft  63. 

scHpiores  rei  ruHicae  als  Quellen  der  Unter- 
suchung 12  f.,  verlorene  8cr,  r.  r.  aus  der 
Zeit  zwischen  Cato  und  Y arro  50  f.,  zwi- 
schen Varro  und  Columella  73. 

ScrofiE^  Cn.  Tremellius,  Agrarschriftsteller 
51  ff. 

Seilerarbeit  39  f.,  67,  88,  als  Heimwerk  40. 

Sklaven,  gefesselte  24,  91. 

Sklavenbetrieb,  Sklavenwirtschaft  5,  7 f., 
24,  61,  65  f.,  78,  80  f.,  94. 

Sklavinnen  36,  ihre  Arbeit  88  ff. 

socii  als  Bütuntemehmer  des  redemptor  80. 

societas,  polüio:  locatio  operis  oder  so- 
cietas?  82. 

Sparsamkeit  als  Wirtschaftsprinzip  21. 

spicilegium  65. 

Spinnen  als  Hauswerk  36  f.,  88  ff. 

Stadtwirtschaft  2  ff.,  95. 

Steinarbeit  87  f. 

Stolo,  C.  Licinius,  Agrarschriftsteller  51  ff. 

Stör  6,  95. 

strictores  28  f. 

Stützen  der  Weinreben  24,  67,  87. 

Tagelöhner,  freie,  10,  25  ff.,  62,  65,  81. 

textares  71. 

Tonwaren  40  f. 

Töpfer  41,  71,  90. 

Töpferei  40  f.,  70  f. 

Töpfereien  auf  den  Landgütern  71. 

tarcularium  (Kelterhaus)  89,  47. 

torcularii  82 

trapetuSf  Ölquetschmaschine,  Etymologie 
des  Wortes  29  A.  2,  Bestandteile,  Preis  47  f., 
Herstellung  39,  Transportkosten  17,  47  f. 

treblaej  tribulatf  Dreschwagen  44. 

Unternehmertum  95. 

Varros  rerutn  rusticarum  libri  tres  18,  51  ff. 
Yarros  Yorgänger  50 f.,  seine  Quellen 
und  die  Art  seiner  QucUenbenutzung  52  ff.. 


er  hat  kein  bestimmtes  Mustergut  im  Auge 
55,  berücksichtigt  zunächst  italische  Yer- 
hfiltnisse  55. 

vaaa  ahenea  43. 

vaseularü  48. 

Yerdingung  der  Olivenlese  28 f.,  der  Öl- 
bereitung  29,  der  Weinlese  80 ff.,  der 
Neubauten  87  f.,  der  opera  ruttica  maiara 
65,  der  pastinaHo  81. 

Yergils  Georgiea,  von  Columella  benutzt 
74  f. 

Yerkauf  des  Ertrages  im  voraus  31,  65,  82. 

Yerkaufsartikel  des  Gutes  18,  21,  79  f. 

Yerlagssystem  2,  95. 

vicini  25,  v.  anniversarii  68. 

Yiehzucht  19,  56,  77. 

vilica  24,  61,  88  f. 

vtUcus  24,  27,  61. 

Yindanios  Anatolios,  Quelle  der  Geoponica 
70. 

vindemiatores  82. 

vinea  Catos  18  f ,  24. 

Yolkswirtschaft  (nach  Büchers  Termino- 
logie) 2,  95. 

Warentransport  47  f.,  59  f.,  80. 
Weben  als  Hauswerk  86,  88  ff. 
Webereien  auf  den  Landgütern  71. 
Weidenpflanzung  19,  24,  87. 
Weidewirtschaft  19,  56. 
Weinbau  18  f.,  56  f.,  77. 
Weinlese  27,  65,  81. 
Werkverdingung  s.  loc.-€ond.  aperis, 
Wirtschaft,  antike,  nach  Bücher  2,  5 ff., 

nach  Röscher  2,  nach  Rodbertus  8,  nach 

Ad.  Wagner  4. 
Wirtschaftsstufen  nach  Bücher  2,  5. 
Wolle,  im  Hause  nicht  verarbeitet  87. 

Xenophons  oeconomieuSy  von  Columella  be- 
nutzt 88  ff. 

Ziegel  88,  71,  91. 

Zimmerleute  als  Gutshandwerker  70,  90. 


Berichtigung. 

S.  65  Z.  11  V.  u. :  Urgrossvater  statt  Grossvater. 


Druck  Ton  G.  Krcyting  in  Loipsig. 


Die  Legionen 


der 


Provinz  Moesia 


von  Aiigustus  bis  auf  Diokletian 


Bogdan  Filow. 


Mit  einer  Karte. 


*^ittjff 


Leipzig 

Dieterich'sche  Verlagsbuchhandlung 

Theodor  Weicher 
1906. 


Vorwort. 

U  nter  den  vielen  Neuerungen,  welche  die  Begründung  der  römischen 
Weltherrschaft  in  den  römischen  Staatseinrichtungen  notwendig  machte, 
und  welche  in  dem  Prinzipat  ihren  Ausdruck  gefunden  haben,  nimmt  die 
Einführung  eines  stehenden  Heeres  zweifellos  den  wichtigsten  Platz  ein. 
Durch  die  grosse  politische  und  kulturgeschichtliche  Bedeutung  der  kaiser- 
lichen Truppen  ist  auch  der  Wert  des  römischen  Heerwesens  der  Kaiser- 
zeit für  das  Verständnis  der  allgemeinen  Keichsgeschichte  bestimmt.  Da 
wir  aber  keine  zusammenfassende  Darstellung  über  dieses  Heerwesen  aus 
dem  Altertum  besitzen,  wie  Polybios  sie  für  die  republikanische  Zeit  ge- 
geben hat,  so  musste  die  wissenschaftliche  Bearbeitung  dieses  Gegenstandes 
an  die  gerade  aus  der  Kaiserzeit  in  Fülle  vorhandenen  Überreste  an- 
knüpfen. Auch  hier  hat  wieder  T  h  e  o  d  o  r  M  o  m  m  s  e  n  den  Weg  gewiesen, 
und  in  unserer  Zeit  haben  namentlich  Alfred  von  Domaszewski  und 
Krail  Ritterling  der  Spezialforschung  mustergültige  Vorbilder  geliefert. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Geschichte  der  Kaiserlegionen. 
Seit  ihrer  für  seine  Zeit  vortrefflichen  Behandlung  duixh  Grotefend  in 
dem  1846  erschienenen  Artikel  legio  in  der  Pauly'schen  Realenzyklopädie 
und  dem  verfrühten  Buche  Pfitzners  (1881)  hat  auch  hier  die  Forschung 
sich  immer  mehr  spezialisiert.  Vor  allem  sind  die  Taten  und  Schicksale 
einzelner  Legionen  eingehend  untersucht  worden,  namentlich  in  einer 
Keihe  Leipziger  Dissertationen.  Dabei  war  man  immer  genötigt,  auch 
die  Geschichte  anderer  Legionen  zu  berücksichtigen,  die  mit  der  be- 
treffenden in  Berührung  gekommen  sind,  sei  es,  dass  sie  zusammen  die 
Besatzung  derselben  Provinz  bildeten,  sei  es  dass  sie  zeitweilig  zu  ge- 
meinsamen Expeditionen  vereinigt  wurden.  So  sind  sehr  viele  Einzel- 
heiten festgestellt  worden,  aber  die  Dürftigkeit  der  Quellen  hat  auch 
viele  Probleme  entstehen  lassen,  deren  Lösung  schon  in  verschiedener 


VI 

Weise  versucht  worden  ist  und  die  trotzdem  bei  genauerer  Betrachtung 
noch  aufgeklärt  werden  können. 

Wer  sich  besonders  darüber  Klarheit  verschaffen  will,  welche  Truppen 
zu  einer  bestimmten  Zeit  in  dieser  oder  jener  Provinz  oder  zu  einem 
Feldzuge  vereinigt  waren,  ist  in  der  Regel  darauf  angewiesen,  die  noch 
immer  sehr  zerstreuten  Zeugnisse  und  darauf  bezüglichen  Ausführungen 
mühsam  zusammenzusuchen.  In  der  vorliegenden  Arbeit  ist  deshalb  der 
Versuch  gemacht  worden,  festzustellen,  welche  Legionen  in  der  Provinz 
Moesia  bis  auf  Diokletian  gestanden  haben,  wie  lange  ihr  Aufenthalt 
dort  dauerte  und  an  welchen  Kriegen  sie  beteiligt  waren.  Auf  die  Ge- 
sphichte  der  einzelnen  Legionen,  soweit  das  nicht  für  den  Zusammenhang 
nötig  war,  bin  ich  ebenso  wenig  eingegangen,  wie  auf  das  System  der 
römischen  Grenzverteidigung  an  der  unteren  Donau. 

Meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Professor  Ernst  Fabricius, 
auf  dessen  Anregung  die  vorliegende  Arbeit  entstanden  ist  und  dessen 
Kats  ich  mich  oft  zu  erfreuen  hatte,  spreche  ich  auch  an  dieser  Stelle 
meinen  besten  Dank  aus. 

Fr  ei  bürg  i.  B.,  November  1905. 

B.  Fllow, 


Inhaltsübersicht. 


8«it« 

LiteratarverzeichaiK  und  Abkürzungen IX 

5}  1.     Die  Provinz  MoeHia 1 

§  2.     Die  mÖBischen  Legionen  bis  zur  Schlacht  bei  Cremona 6 

§  3.    Die  musischen  Legionen  von  der  Schlacht  bei  Cremona  bis  zur  Teilung  der 

Provinz 26 

§  4.    Die  Donaukriege  Doniitians 36 

J^  5.    Die  Zeit  Traians. 

1.  Die  Beteiligung  der  mösischen  Legionen  an  den  Dakerkriegen   ...  47 

2.  Dacia 56 

8.  Moesia  superior 61 

4.  Moesia  inferior 63 

§  6.     Die  mösischen  Legionen  von  Hadrian  bis  auf  Diokletian 72 

1.  Die  grossen  Kriege  um  die  Wende  des  2.  Jahrhunderts 73 

2.  Die  Stellung  d«r  Legionen  an   der  unteren  Donau  nach  Verlust  der 

Provinz  Dacia 81 

8.  Die  Provinz  Scythia 82 

Schlusswort 87 

Chronologische  Übersicht  der  mösischen  Legionen 89 

Verzeichnis  der  behandelten  Stellen  und  Inschriften 90 

Register 90 


Literaturverzeichnis  und  Abkürzungen. 


Um  diis  Verständnis  der  Abkürzungen  zu  erleichtern ,  gebe  ich  in  diesem .  Ver- 
zeichnisse nur  die  wichtigsten  Spczialschriften  an,  welche  bei  der  Arbeit  fortwährend 
berücksichtigt  worden  sind.  Die  uligemein  bekannten  Werke  sowie  die  Literatur  Über 
einzelne  Fragen  sind  jeweilig  an  dem  betreffenden  Orte  angeführt. 

Benehel,  F.    De  legione  Ramanorum  I  Italica.    Diss.,  Lipsiae  1903. 

Borgllest,  B.  Suüe  iscrUioni  ramane  del  Ueno  del  prof.  Steiner  e  mlle  legioni  che 
stanziarano  nelle  due  Germanie  da  Tiberio  fino  a  Gallieno,  Annaii  delV  iMtituio 
1889,  p.  128     180  =  OfMWM  complHes  IV,  Paris  1865,  p.  181—265. 

Cagnat,  R«  Unter  legio  in  Dicliannaire  des  antiquiUs  grecques  et  ronuiines  (Daremherg 
et  Saglio^   III  2  p.  1047—1093. 

CiehorlnSy  V.    Die  römischen  Denkmäler  in  der  Dobrndschu^  Berlin  1904. 

—  Die  Reliefs  der  Traianssäule,  Berlin,  II.  Textband  1890,  III.  Texthaud  1900. 
Begaan,  H.    Inscriptiones  latinae  sdectae,  ßeroliui,  I  1892,  II  1902. 

V.  Bomaazewaki,  A.  Die  Grenzen  von  Moesia  superiar  und  der  iUyrische  Grenzzolly 
Arch.epigr.  Mitf.  XllI  (1890^  129—154.  Als  Ergänzungen  dazu  Patsch,  Rom. 
MiU.  VIll  (1893)    192-200  und   Rostowzew,  Arch.-epyfr,  Mitt.  XIX    137,  16. 

—  Die  Entwicklung  der  Provifu  Moesia,  N.  Heidelb.  Jahrb.  I    1891;   190—200. 

—  Die  Dislocation  des  römischen  Heeres  im  J,  66  n.  Chr.,  Rhein.  Mus.  XL VII  (1892) 

207-218. 

—  Die  Chronohtgie  des  bellum  Germanicum  et  Sarmaticum  16(1 — 175  n.  Chr.,  N.  Heidelb. 

Jahrb.  V  (1895)   107-130. 

—  Die  Religion  des  römischen  Heeres,  U'estd.  Zeitschr.  XIV  (1895)   1—124. 
Urotefend,  C.  L.     Unter  legio  in  Pauly's  Realenzyklopädie  IV,  1846,  S.  868—900. 
Uselly  8t«    Kssai  sur  le  regne  de  Vempereur  Domitien,  Paris  1893. 

Gttndel,  Fr.    De  legione  II  adiutrice.    Diss.,  Lipsiae  1895. 

JOnemann,  A.  De  legione  Romanorum  prima  adiutrice.  Diss.  Lips. ,  I^eipziger 
Studien  XVI   (1894). 

iungj  J.    Fasten  der  Provinz  Dacia^  Innsbruck  1894. 

Marqnardt)  J.  Römische  Staatsverwaltung  II,  2.  Aufl..  besorgt  von  H.  Dessau  und 
A.  V.  Domaszewski.  Leipzig  1884,  S.  443—462. 

Pfltznery  W.  Geschichte  der  rmnischen  Legionen  von  Augustus  bis  Hadrian, 
Leipzig  1881. 

PIcky  B«  Die  antiken  Münzen  Nord-Griechenlands,  hrsg.  unter  Leitung  von  F.  Imhoof- 
Hlumer.  Band  I:  Dacien  und  Moesien,  bearbeitet  von  B.  Pick.  I.  Halb- 
band, Berlin  1899  (enthält  Daeia,  Moesia  superior  und  die  griechischen  Städte 
Kallatis,  Dionysopolis,  Istros,  Markianopolia  und  Nicopolis  ad  Istrum). 


Y.  Premerstetn 9  A.     Die  Anfänge  der  Provinz  Moesien,    Österr.  Jahresh.  I   (1898) 

Beibl.  145-196. 
Proaopographia  imperii  Romani,  ediderunt  Klebs,  Dessau,  de  Rohden,  Berolini  1897 — 98. 
Bappaporty  B.    Die  Einfälle  der  Goten  in  das  römische  Reich  bis  auf  Konstantin, 

Leipzig  1899. 
Ritterling,  £•    De  legione  Romanorum  X  gemina,    Diss.,  Lipgiae  1885. 
—  Zur  römischen  Legionsgeschichte  am  Rhein,  IVestd.  Zeitschr.  XII  (1893)   105 — 120. 

203—234. 
Scliiller,  H.    Geschichte  der  römischen  Kaiserzeit  I,  Gotha  1883. 
Schilling)  0.     De   legionibus  Romanorum  I  Minervia   et  XXX   Ulpia.     Diss.  Lips., 

Leipziger  Studien  XV  (1894). 
Schnitze,  £•    De  legione  Romanorum  XUI  gemina.    Diss.,  Kiliae  1887. 
Trommsdorif,  H.     Quaestiones  duae    ad  historiam  legionum  Romanarum  spectantes. 

Diss.,  Lipsiae  1896. 
Weichert,   A.     Die  legio  XXJI  Primigenia.     Erlauger  Diss.,    M'estd,  Zeitsdir.  XXI 

(1902)  119—158,  XXII  (1903)  U7— 177. 

Die  Inschriften  aus  dem  CIL.  sind  einfach  nach  Band  und  Nummer  zitiert 


U  Die  Provinz  Moesia. 

Dia  EiDziehung  des  Gebietes  der  Provinz  Moesia,  das  ungefähr  das 
'Tieutige  Serbien  und  Nord- Bulgarien  nmfasste,  in  das  römische  Reich  war 
eine  Folge  der  Krobeningspolitik  des  Augustus  auf  der  Balkanhalbinsel 
und  durch  seine  Pläne  für  die  Verlegung  der  nördlichen  Reichsgrenze  bis 
zur  Donau  bedingt.  Die  Römer  hatten  hier  schon  froher  mit  Erfolg 
gekämpft^*)  aber,  obwohl  ihr  Eiutluss  sich  über  die  Grenzen  der  Provinz 
Macedonia  hinaus  geltend  machte.  habt'U  die^e  Feldzüge  keine  wesentlichen 
\'eränderungen  Id  den  dortigen  politischen  Verhältnissen  herbeigeführt. 
Auch  der  dalmatische  Krieg  des  Augustus  (3^1—3;^  v.  Chr.)  hat  die  spätere 
Provinz  Moe^sia  nicht  berührt-)  Jetzt  aber,  bald  nach  der  Schlacht  bei 
Aktium,  noch  im  J.  29  v.  Ohr,,  bekam  der  Statthalter  von  Macedonia 
und  Achaia  M  Licinius  Oassus,  der  Enkel  des  Triumvim,  den  Auftrag, 
die  Völkerschaften  zwischen  Haenms  und  Donau  zu  unterwerfen.^)  Die 
Bastamer,  w^ekhe  nördlich  von  der  l^onaa  wohnten,  in  diesem  Jahre  aber 
bis  nach  Thracia  vorgedrungen  waren,  um  sich  neue  Wohnsitze  zu  suchen. 
gaben  den  Anlass  zu  dieser  Eroberung.  Zwar  zogen  sie  sich  ohne  Wider- 
stand zurück,  als  Crassus  sie  dazu  auffordern  liess,  doch  dieser  folgte 
über  den  Haemus  ihnen  nach,*)  und  bei  dem  Einfluss  des  Ciabrus*)  in  die 
Donau  kam  es  zur  Schlacht,  wobei  das  feindliche  Heer  beinahe  vollständig 
aufgerieben  wurde  und  der  König  Deldo  durch  die  eigene  Hand  des 
Crassus  fiel')    Das  gesamte  mösische  Gebiet  unterwarf  sieh  dem  Sieger. 


1)  So  dfÄDg  der  l*rokoD«ul  von  Mac«^donia.  C,  Scriboniiis  Curio,  der  Nachfol^r 
des  Appius  ClaudiiUf  tm  J.  75  v.  €br.  in  l>ardaDift  bis  zur  Donau  vor.  Eutrop,  VI  2,2: 
n  (d,  h.  C.  ScriboniuA  Curio}  Dnrdnno*  vidi  et  usque  ad  Danuvium  ptnttrai^t  tnufftphum- 
que  meruit,    VgL  Oro».  V  23,  17  aqcj„  Miirt|UJwdt  1*301,  Moromaen  II  G.  Ill  41  f. 

2)  Mommseii  B,  G.  V  9. 

8}  VgL  Ubi^r  dieiea  Peldxug  Marquardt  1*301  f.,  SchUler  1  231,  Moinm«cn  R,  G. 
V  12,  Gardlbaiu**ii  Kai».  Aufj.  \  1052,  Cichoriü«  IHt  Denkmäler  S.  18  ff.,  Pn>tM>p.  L  126. 

i)  Dio  LI  n. 

h)  Ctabru^  »chrt!ibt  Mamiinen  CIL.  HI  p.  1020  nach  Ptoleuiaeiw  111  8,  2;  10,  l : 
KiaßQog  noraii6i,  —  Patsch  bei  Pauljr-Wiüowa  III  1820 1  schreibt  Ctl^rwi,  Der  beulige 
Name  taufet  Tjübiitza 

tS)  Dio  LI  24. 


2  Bogdan  Filow, 

Im  nächsten  Jahre,  als  die  Bastamer  wieder  die  Donau  überschritten  und 
zum  zweiten  Mal  den  römischen  Legionen  unterlagen,  wurden  sie  fttr 
immer  von  dem  rechten  Donauufer  verdrängt,  und  die  römische  Herrschaft 
war  hier  endgültig  begründet.  Viel  Mühe  hat  das  nicht  gekostet.  Von 
dem  Verzweiflungskampfe  eines  um  seine  Freiheit  und  Unabhängigkeit 
auf  Leben  und  Tod  ringenden  Volkes,  wie  das  der  Fall  mit  den  Thrakern 
war,  hören  wir  nichts,  ja  sogar  an  dem  grossen  pannonisch-dalmatischen 
Aufstande,  in  dem  die  Donauvölker  mit  solcher  Hartnäckigkeit  und  Aus- 
dauer ihre  auf  immer  verlorene  Freiheit  noch  einmal  vergebens  zu  erlangen 
versuchten,  haben  sich  die  Moeser  nicht  beteiligt.^)  So  ist  es  sehr  be- 
greiflich, dass  nach  der  Eroberung  keine  römische  Besatzung  in  dem 
neugewonnenen  Gebiete  zurückgelassen ,  sondern  der '  östliche  Teil  mit 
Thracia  vereinigt  und  thrakischeü  Vasallenfürsten  unterstellt,  der  west- 
liche an  mehrere  Gaufürsten  verteilt  wurde,  denen  auch  die  Bewachung 
der  Grenze  übertragen  war.*) 

Als  Provinz  wurde  das  neugewonnene  Land  erst  später  eingerichtet, 
doch  lässt  sich  die  Zeit  der  Einrichtung  nicht  ganz  genau  bestimmen. 
Wie  es  scheint,  geschah  es  schon  unter  Augustus,*)  wahrscheinlich  gleich 
nach  der  Niederwerfung  des  pannonisch-dalmatischen  Aufstandes  im  J.  9 
n.  Chr.,  als  auch  Pannonia  als  selbständige  Provinz  eingerichtet  wurde. 
Jedenfalls  hat  es  in  Moesia  spätestens  seit  dem  J.  9  n.  Chr.  ein  besonderes 
Militärkommando  gegeben,  so  dass  wir  diese  Zeit  zum  Ausgangspunkt 
unserer  Betrachtungen  machen. 

Die  Provinz  stand  unter  einem  kaiserlichen  Legaten  von  konsu- 
larischem Range  und  war  zeitweise  mit  Achaia  und  Macedonia  verbunden, 
erst  seit  dem  J.  44  n.  Chr.  hatte  sie  eigene  Verwaltung.*)    Unter  Domitian, 

Ij  Weder  bei  Dio  noch  bei  Velleios  wird  von  einer  Erhebung  der  Moeser  ge- 
sprochen. Aus  dem  Verlaufe  des  ganzen  Krieges,  soweit  wir  ihn  kennen,  wird  viel- 
mehr ersichtlich,  dass  der  Aufstand  nur  auf  Dalmatia  und  Pannonia  beschrfinkt  war. 
Dass  in  Moesia  kein  Aufstand  ausgebrochen  war,  zeigt  auch  die  Stelle  bei  Dio  LV  80,  4 
(Boissey.)  zum  J.  6  n.  Chr. :  %al  ^utä  taina  tov  te  JSsovrJQOv  ig  triv  Mvciav  duk  ti 
tovg  Jaxovg  xal  9ia  xohg  jMVQOiuctag  noQd'ovvtas  avtriv  &ndQOvtos.  Durch  diesen 
Einfall  der  Daker  und  Sarmaten  und  nicht  durch  einen  Aufstand  in  Moesia  war  Caedna 
an  der  weiteren  Teilnahme  an  dem  Kriege  verhindert.  Vgl.  auch  Gardthausen  Kais. 
Aug.  1 1181,  V.  Premerstein  Österr.  Jahresh,  I  ßeibl.  165  f. 

2)  Mommsen  B.  G,  V  13,  1,  v.  Domaszewski  N.  Heidelh.  Jahrb.  I  193,  v.  Pmner- 
stein  Ösl:err.  Jahresh,  I  Beibl.  180,  Gardthausen  Kais.  Aug.  I  1054. 

8)  Die  Ansichten  über  die  Zeit  der  Errichtung  der  Provinz  gehen  auseinander; 
vgl.  Marquardt  1*302,  Mommsen  R.  G.  V  14  Anm. ,  v.  Premerstein  Österr.  Jahresh,  I 
Beibl.  172  ff.,  Gardthausen  a.  a.  0.  II  786  ff.  Unrichtig  nennt  Dio  LV  29,  8  zum  J.  6 
n.  Chr.  den  A.  Caecina  Severus  6  tfjg  nlriaiox^Qov  Mvalag  &Qxfov.  Bei  Velleius  II 112 
heisst  er  einfach  vir  consularis;  vgl.  Pfitzner  S.  17.  153  und  v.  Premerstein  a.  a.  O. 
S.  172. 

4)  Marquardt  I«302,  Gardthausen  a.  a.  0.  II  787  f.  Über  Martins  Macer,  der 
Moesia  unter  Claudius  als  praetorius  verwaltet  hat,  vgl.  v.  Domaszewski  Slhein.  M%u. 
XLV  (1890)  1  ff.  und  unten  S.  7 


Die  Legionen  der  Provins  Moe^u, 


S 


wahrscheinlich  im  J.  86,  wurde  sie  zur  leirht^^ren  Verteidigung:  fler  iiinMize 
gegen  die  immer  stärker  vordringenden  Iraker  iu  Moe^ia  superior  und 
Moefiia  inferior  geteilt*)  liie  Grenze  zwschen  den  beiden  Teilen  bildete 
aber  nicht  der  Fluss  Ciabrns  (Tzibritza)  in  seinem  ganzen  Laule^  wie  das 
auf  Grund  von  Ptx>lemaeus  (111  i*,  1;  10^  l)  im  allgemeineu  angenommen 
wurde,')  sondern  auch  AJmus  (Lom),  w^estlich  davon,  gehörte  zu  Moesia 
inferior,  80  dass  die  Grenze  ungefähr  in  der  Mitte  zwisrhen  Ratiaria  und 
Almas  war;*^) 

Der  Umfang  der  Provinz  hat  im  Laufe  der  Zeit  sehr  gescliwankt*) 
Dass  die  ui'spriingUche  Provinz  Moesia  nur  aus  der  späteren  Moesia 
superior  und  TrebalHa,  dem  westliehen  Teil  der  späteren  Moesia  inferior, 
bestand  t  zeigt  besonders  die  Inschrift  V  1838  =  Dess,  1341»,  welche 
einen  praef{ecttiH)  nvifatium  Moesiae  et  Trehalline  nennt,*)  Ebenso  ist 
schon  oben  erwähnt  worden,  dass  der  ostliche  Teil  des  neuej-oberten 
Landes,  die  sogenannte  ripa  Thraeia,  den  thrakis€hen  Vasallenfürsten 
unterstellt  war,   welche   auch   rlie  Verteidiguntj:  d^r  Grenze   zu  besorgen 


1)  Marquardt  I«  303.  Schiller  1  :»32,  iiaell  j>.  IH6.  215,  I)«*  früheste  Zcuu^nis  iihcr 
die  TeiUiiig  i»l  dio  Iiiwhrift  III  4013  =  De«»,  1005  (vgl  XI  h1\).  ein  curfiuti  homyrum 
de«  L.  FuüisttUnu«  \'»^ttoniami«  {Prasop.  F  396)^  Irg.  pro  pt\  proinnc.  iMlmatiae  item 
prorinc.  Pannaniae  iUm  Moeniae  superim'is,  Statth&ltcr  von  l'iuiDonia  war  er  tin  J.  H4 
(Dipl  XVI.  CIL,  UI  |K  19631  und  85  Dipl.  XII,  CIL.  111  p.  855  u.  1964),  aluo  fwt 
nach  dnin  J,  85  hat  er  di«  Statlhalt^'rs^haft  von  Moftiii  biij».  «hrrnommen.  ßf*g**ii 
Borrnann  ihierr.  Jahrejth.  I  174,6  vgl.  d^W  p,  186,  H  Du  Küi'^'r  Oouiitiuii  im  J.  86 
idch  in  Mo«!ila  wvgen  de«  Khi'gott  mit  den  Dakeru  »uf^^hulten  hat  iv^L  Dio  LXVU  6.  3 
«im  J.  H6),  »o  i«t  e«^  ».«iir  wabriM^biMtiliehf  daH^i  die  Teilung  Moesioii»  geradi'  in  die««! 
Jahr  flÜh  tind  dai»  L.  Fuiilitulanuii  Vettuniauu»  der  onite  Statthalter  von  Mo«Aia  «up. 
war.     Vgl  auch  Ritltrlmg  Chterr,  Jahrtsh.  \\\    1904}  Beibl.  32 f, 

2)  Marquardt  1*303,  Jung  Grundrüs  der  Geogr.  ron  ItaiieH  und  dtm  Orhü  Homanu« 
8.  182.  G»>U  p.  135. 

3)  Vgl.  CLL.  in  p.  992.  1020  und  .lie  Karte  von  Kieptri  zti  CIL,  III.  Suppl  II 
fMc.5.  —  £ine  WcihinMchrifi  aut  Wmm  MX  7420  lautet:  HercuU  \  pro  salute  |  2\  Vitraai 
Pollion,  %,  Äug.  I  pr»  pr.  \  L.  Mesvius  Primus  |  7  leg.  l  lial.  fr\t*mmUartus).  Dio 
Aiiiv»»flenheit  eine«  cmturw  frum,  drr  Ir^^,  1  Ital,,  welche  in  M«>f»»ia  inf.  ttand,  beweis 
fwaj  noch  nicht,  tbu'*  Almun  in  Moesia  inf.  i^ehftrtc  (v.  Domajtzi'wski  Arch.-epigi',  M»tL 
XllI  I53f.\  wohl  aber  die  Wiihimg  für  den  Legaten  T.  Vitra»iii«  Follio,  w^^lchor  Moeiria 
Inf.  unter  AwtoiiitiUJi  riu»  vej-waltet  hat  (vgl.  III  762  ♦  p.  13^  und  14214'}.  Die  Za* 
gebörigkf  it  vun  Atmufl  zu  Moesia  Inf  Ix^PtHtigt  aueh  ein  Verceiebuis  von  16  principaUß 
derunterinlmincben  leg,  I  Ital,,  weleh«^»  ehi^ntallB  in  Altnus  gefunden  wartlen  tut  i  III  144*39';« 
Die  Annahme  BeueheU  IHs9.  77.4.  da«»  Almu«  tut  Zeil  »len  Ptol**maL'U^  uieht  m«»hr 
itti  MueaiH  inf.  gi>hoiic.  wird  dureh  die  hier  angeführte  Iittichnft  III  7420  widerlegt. 
Die  lnnchrift  111  7421  aus  Almus,  welehe  eineu  r^r.  leg.  VII  Cl.  i'txtt  nttnü  LX  nennt 
iiod  welche  V,  Domassi^wtki  a*  &.  O*  xu  Guiiiteii  drr  Angabe  des  Ptoleinaeu«  aiigi'führt 
hat,  int  nicht  Uewetieud,  weil  tiv  eben  uur  eüien  Veterauea  neniit 

4)  Über  den  Um  fang  dtf  Provinx  Moesi«  vgl.  besonder»  Kiepert  Famtae  arhut 
antiqui  XVII:  JUgrieum  et  Thraeia  ö.  3  des  Texte«,  v,  Premerstttn  Otiterr.  Jahrejth,  l 
BeibL  148  E,  Pick  Üi«  Münien  a  07-^72. 

5)  Vgl.  V.  PrtmeMein  a,  a,  0.  S,  149  f  171  und  Piek  a.  a.  n.  8.  66,  8  gegcu 
Y.  DomaAiewiki  N,  lUidM.  Jakrb.  I  197. 


4  Bogdan  Filoiv, 

hatten.  Nach  der  Umwandlung  von  Thracia  aber  in  eine  römische 
Provinz  im  J.  46  n.  Chr.^)  war  auch  die  ripa  Thracia,  wenigstens  in 
militärischer  Hinsicht,  mit  Moesia  verbunden,*)  wie  ja  T^ada  immer 
militärisch  dem  Statthalter  von  Moesia  unterstellt  war.^)  Ob  der  Haemus 
schon  damals  die  Grenze  zwischen  Moesia  und  Thracia  bildete,  ist  nicht 
mit  Sicherheit  zu  sagen.  Jedenfalls  gehörte  die  von  Traian  zum  Andenken 
an  die  dakischen  Kriege  nördlich  vom  Haemus  gegründete  Stadt  Nicopolis 
ad  Istrum  (das  heutige  Niküp  in  der  Nähe  von  Timovo),  wahrscheinlich 
mit  dem  umliegenden  Gebiete  zu  der  Provinz  Thracia.*)  Dagegen  wurde 
die  sfldlich  vom  Haemus  gelegene  griechische  Kolonie  Mesembria  im 
2.  Jahrb.  zu  Moesia  inferior  gerechnet.^)  Erst  seit  dem  Ausgange  des 
2.  Jahrh.  bildete  der  Haemus  die  Grenze  zwischen  den  beiden  Provinzen 
Moesia  inferior  und  Thracia.^  Die  Abgrenzung  von  Moesia  superior  gegen 
Thracia,  Macedonia  und  Dalmatia  scheint  solchen  Schwankungen  nicht 
ausgesetzt  gewesen  zu  sein.') 

Im  J.  57  wurde  das  Gebiet  der  milesischen  Kolonie  Tyras,  nördlich 
von  der  Donaumündung,  zu  der  Provinz  Moesia  hinzugezogen,^)  und  sogar 
auf  der  Chersonesus  Taurica,  inmitten  des  unter  römischer  Oberhoheit 
stehenden  bosporanischen  Reiches  haben  die  Eömer  festen  Fuss  gefasst^*) 
so  da^  der  Statthalter  von  Moesia  für  den  Schutz  auch  dieser  Land- 
schaften gegen  die  Einfälle  der  Barbaren  durch  Zurücklassung  einer 
römischen  Besatzung  zu  sorgen  hatte,  wie  uns  die  Inschriften  lehren. ^^) 

Ebenso  ist  seit  Traian  die  sehr  schwach  bewohnte  Landschaft  östlich 
vom  Flusse  Alutus  zu  Moesia  inferior  hinzugezogen,  wie  einige  in  Draschna 
de  sus,  nördlich  von  Plo^scht,  gefundene  Ziegel  der  untermösischen  Truppen 
zeigen.i^)    Auch  der  südliche  Teil  der  Theissebene,  westlich  von  Dacia, 

1)  Marquardt  I«  313,  Mommsen  R.  G.  V  193. 

2)  Vgl.  V.  Premerstein  Österr.  Jahresh,  I.  Beibl  188  f.  —  v.  Domaazewski  N,  Heidelb. 
Jahrh,  1  194  ff.  nimmt  an,  die  Abtrennung  der  ripa  Thracia  Ton  dem  thrakiscken 
Fürstentum  sei  schon  unter  Tiberius  erfolgt,  doch  schwerlich  mit  Recht. 

3)  Vgl.  Tacit.  Ann.  II  66.  III  89.  IV  47;  Marquardt  P  314. 

4)  Vgl.  CIL.  III  p.  992  add.  ad  749,  Mommsen  E.  G.  V  282,  1,  Kalopotbakes  De 
Thracia  provincia  romana,  Dis».  Lips.  1893  p.  87,  Pick  Die  Münzen  S.  67,  v.  Premer- 
stein a.  a.  0.  S.  189. 

5)  Pick  a.  a.  0.  S.  67.  71  f. 

6)  Kiepert  Formae  orbis  antiqui  XVII  S.  8  des  Textes,  v.  Premerstein  a.  a.  O. 
S.  189. 

7)  Vgl.  im  allgemeinen  v.  Domaazewski  Arch.-epigr.  Mut.  XIII  129—154.  Die 
beste  Karte  der  mösischen  Provinzen  ist  die  von  R.  Kiepert  zu  CIL,  III  Suppl.  II 
fasc.  5  (1902). 

8)  CIL.  III  781  u.  p.  1009  (Dess.  423),  Ptolem.  lU  10,  8.    Marquardt  P  806. 

9)  Marquardt  P  306  f. 

10)  III  782.  13751  a.b.  14214»*.  14215»-*.  Über  die  Besatzung  von  Chersonesos 
vgl.  unten  S.  14  und  Rostowzew  Beiträge  zur  alten  Gesch.  II  80  ff. 

11)  Im  CIL.  III  unter  n.  12530  zusammengestellt;  vgl.  Kiepert  Formae  orbis  an- 
tiqui  XVIl  S.  3  des  Textes,  v.  Domaazewski  Ärch.-epigr,  MiU.  XIII  137  und  Rhein,  Mus. 
XLVIII  (1893)  242,  Brandis  bei  Pauly-Wissowa  IV  1969  (unter  Daeia). 


i>k'  Li'ffmwn  der  Prorim  Moesia.  Ti 

irde  mit  der  ProTinz  Hoesk  soperior  vereinigt, \)  so  dass  die  neuge- 
gründete Provinz  üaoia  von  drei  Seiten  von  dem  Gebiete  der  Provinz 
Moesia  umfasst  war. 

Grössere  Verändeningen  an  der  unteren  Donau  nach  der  Gründung 
der  Provinz  Dada  sind  erst  während  der  Goteneinfälle  f238— 269)  ein- 
getreten. Schon  im  J.  2B5  unter  Maximinus  scheinen  die  transdanuvischen 
Besitzungen  von  Moesia  inferior  verloren  gegangen  zu  sein,*)  bald  darauf, 
im  J.  256/57,  wurde  auch  die  Provinz  Dacia  verloren,  nur  die  festen 
Plätze  haben  sich  noch  längere  Zeit  gehalten.*)  Das  römische  Heer, 
durch  eine  ununterbrochene  Reihe  von  Bürgerkriegen  vollständig  gelähmt, 
war  nicht  mehr  im  stände  die  Einfälle  der  Barbaren,  welche  zahlreiche 
Plünderuugszüge ,  teils  zu  Lande  über  Moesia,  teils  zu  Wasser  über  den 
Pontus  Euxinus  nach  Griechenland  und  Kleinasien  unternahmen  und  diese 
Gegenden  vollständig  und  dauernd  verwüsteten,  zu  verhindern.  *,WenD 
Moesien  und  Thmcien  auch  nicht  dauernd  von  den  Goten  besetzt  wiu-den, 
so  kamen  und  gingen  sie  doch  hier,  gleich  als  wären  sie  zu  Hause,  und 
streiften  von  da  aus  weit  nach  Macedonien  hinein",*) 

Die  römische  Herrschaft  südlich  von  der  Donau  schien  bei  den 
Zuständen  während  der  Goteneinfälle  sich  ganz  aufzulösen.  Sogar  einzelne 
Erfolge,  wie  der  Sieg  des  Kaisers  Hiilippus  im  .1.  245^)  oder  des  Statt- 
halters von  Moesia,  des  späteren  Kaisers  M.  Aemilius  Aernilianiis/J  waren 
nicht  im  stände  eint^  Besserung  der  Verhältnisse  herbeizuführen.  Erst 
dem  Kaiser  Claudius  (208 — 270),  welcher  einen  glänzenden  Sieg  über  die 
Barbaren  \m  Naissus  in  Moesia  superior  gewonnen  hat,')  gelang  es  die 
r(^misch6  Herrschaft  hier  wieder  aufzurichten  und  den  Raubzügen  der 
Goten  und  ihrer  «teuossen  vorläufig  ein  Ende  zu  machen.  Freilich  war 
die  Provinz  Dacia  für  immer  verluren,  und  so  zog  Kaiser  Aui^lian  alles, 
was  noch  an  rümischen  Bürgern  und  Besatzungen  sich  auf  dem  linken 
Donauufer  befand,  zurück  und  errichtete  im  .1  275  sudlich  von  der  Donau 
zwischen  Muesia  superior  und  inferior  eine  neue  Dacia,  welche  später 


1)  Die  AusfÖhningeD  v.  Homaszewskit  Arck-epigr.  Mut,  XHl  \A^  werden  im 
gÄDieu  richtig  »ein,  wenn  er  im  eioxrlüen  auch  zu  weit  gebt  (vgL  BmiidiB  bei  Puiily- 
WiiMowa  IV  1970),  Für  Samiixegetbu^ijt  hiit  i*r  ■eint*  Ansicht  w'lbiit  [a.  h.  O.  8.  154 1 
modifiziert,  indem  er  dtt'ii«  St«dt  doch  zu  Ducta  rechnet.  Aber  tiuch  Mehadia  wird 
schwerlich  zu  Moeaia  «np.  gehart  haben.  Über  die  Ziegel  der  leg.  IV  Ftav.  aus  diesen 
Orten  vgl  unten  §  5.  2,  über  die  Weihinwihrift  aus  Sarnjixegethui»Ä  III  7^04  (Dew>  2417), 
welche  von  einem  7  le^,  IV.  F.  f.,  exerc{i(ator)  eq{uiium)  ning{uUniHm\  V-  Arndt  Nigrini 
leg.  Äug,  pr.  pr.  ge»etit  Ur,  vgl  Deniaa  su  2417  «dn»  3  und  Jung  Fasten  8,  15, 

2)  Bfmrquardl  V  306,  Mommseo  RG,V  217 1,  Rappaport  3,  27. 

S)  Mart|uardt  1^  512.  Schiller  I  $S3,  6,  Mftmin»eii  K  Q.  Y  220,  Rappaport  ».  51  L 

4)  Mfimm««D  R  0.  V  221 

5)  Schiller  1  aOl,  Rappaport  8.  82. 
ti)  Schiller  I  809,  Rappaport  8.  4«. 

7)  Schiller  l  H4S  f  ^  Mommsen  i?,  G.  V  22<5,  Rappaport  fi  81^ 


6  Bogdan  Filow, 

in  Dacia  ripensis  und  Dada  mediterranea  zerfiel.^)  Die  Donaogr^ize 
war  von  neuem  befestigt  und  gewährte  jetzt  wieder  den  südlich  davon 
liegenden  Provinzen  den  nötigen  Schutz. 


§  2.    Die  mösisohen  Legionen  bis  zur  Schlacht 

bei  Oremona. 

I.  Die  erste  sichere  Nachricht  über  die  mösischen  Legionen  gibt 
uns  eine  in  der  Nähe  von  Bol jetin  (Serbien,  an  der  Donau)  in  den  Felsen 
eingegrabene  Strasseninschrift  aus  dem  J.  33/34  n.  Chr.,«)  der  zufolge  die 
beiden  Legionen  IV  Scythica  imd  V  Macedonicä  an  der  grossen  Heer- 
strässe  auf  dem  rechten  Donauufer  gebaut  haben.«)  Diese  beiden  Le^onen 
standen  also  damals  in  Moesia.  Auch  Täcitus  Ann,  Vf  5  gibt  die 
Besatzung  dieser  Provinz  für  das  J.  23  n.  Chr.  mit  zwei  Legionen  i^, 
worunter  nur  dieselben  Legionen  gemeint  sein  können.  Nicht  so  gmau 
lässt  sich  die  Zeit  bestimmen ,  wann  die  beiden  Legionen  nach  Jloesia 
gekommen  sind,  doch  muss  das  spätestens  nach  d^  Niederwerfiuigrcdes 
großsen  pannonisclr-dalmatischen  Aufstandet  im  J.  9  n.  Chr.,  waches  Jahr 
wir  auch  für  die  Einrichtung  der  Provinz  als  das  wahrscheinlichste  be- 
zeidinet  haben  (S.  2),  geschehen  sein.*)  •  ' 

Aus  der  Zeit  vor  dem  J.  9  n.  Chr.  hat  nur  die  leg.  XX  Spuren  von 
einer  Anwesenheit  in  Moesia  hinterlassen:  HI  7452  (Dess.  2270)  — 
L.  Plinius  Sex.  f.  \  Fah  domo  ]  TVufnplia,  \  mil.  leg.  XX,  \  cmnorum  XLV, 
\.  stipendiorum  XVII,  \  kic  sitiLs  est,  \  testamento  fieri  \  iussit,  \  Sectmdus 
j  L*  Plin.  et  P.  Mestri  \  liberttis  fecit^)  * 


1)  Die  Belege  uDten  zu  §  6,  2.  Vgl.  Marquajdt  I<  312,  Schüler  I  853,  Mommsep 
R:G.  V  220,  Brandis  bei  Pauly-Wissowa  IV  1975  f.  (unter  Dacia).  Für  die  Chrono^ 
logie  Tgl.  Rappaport  S.  99.  Die  Teilung  der  Provinz  erfolgte  nicht  schon  unter  Aureliao^ 
wie  es  zuweilen  angenommen  wurde,  sondern  erst  unter  Konstantin  (Rappaport  8.  100, 2). 

2)  m  13813b  (Dess.  2281):  Ti.  Caesare  Äug.  f,  \  Augusio  imperatar.,  ponL  tnax.^ 
tr.  pot  XXXV.  I  leg.  HU  Seyt,  leg.  V  Maced. 

3)  Diese  Strasse  ist  später  unter  Vespasian,  l'itus  und  Domitian  noch  einmal;  Aus- 
gebaut und  ausgebessert  worden,  wobei  an  derselben  Felswand,  an  der  die  obengenannte 
Inschrift  eingegraben  war,  noch  andere  Inschriften  angebracht  wurden ;  vgl.  lU  13  818. 

4)  Vgl.  Pfitzner  S.  16  ff.  Nach  ihm  standen  die  beiden  genannten  Legionen  in  Syria, 
von  dort  wurden  sie  im  J.  5  n.  Chr.  nach  Europa  geschickt  in  Zusammenhang  mit  der 
grossen  Legionen  Verschiebung,  welche  durch  den  Krieg  des  Tiberius  gegen  Maroboduus 
und  den  pannonisch-dalmatischen  Aufstand  herbeigeführt  war.  v.  Premerstein  österr. 
Jahresh,  I  Beibl.  155  meint  dagegen,  dass  die  leg.  V  Maced.  vor  ihrer  Versetzung  nach 
Moesia  die  Besatzung  von  Macedonia  gebildet  habe.  ' 

5)  «Gefunden  im  Dorfe  Reseletz,  am  linken  Ufer  des  Isker.  zwischen  YratEa  und 
Pleven,  vom  jenseitigen  rechten  Ufer  aus  einer  Monastir  genannten  Huine  herbei- 
geschafft.* 


Die  Leghnen  dt*r  Prmrim  Moej^in. 

Die  leg.  XX  hat  im  J.  6  n*  ChrJ)  unter  Valerius  Messalüius  in 
Uly  neuro  getochteii  (VeUeius  II  112,  2)  und  war  in  dem  paunonisch- 
dahnatischen  Aufstande  nnunterbrochen  tätig**)  dann  aber,  schon  im  J.  9 
n.  ein.,  kam  sie  infolge  dei^  Varusniederlage  nach  Germania.*)  Die  eben 
angeführte  Inschrift  gehurt  also  in  die  Zeit  von  6  bis  9  u.  Chr.  Aber 
so  lange  die  leg.  XX  sieh  in  Ill^Ticum  aufgehalten  hat^  stand  sie  in 
Dalmatia,*)  wo  sie  die  ganze  Zeit  gegen  die  Aufständischen  gekämpft 
haben  wii*d.  Ob  l>ei  solchen  Umstiindeu  aus  der  angeführten  Inschrift 
mit  V.  Premerstein  ^)  auf  eine  Vorpostenstellung  der  Höraer  an  der 
thrakischen  (»i-enze  zu  schliessen  ist,  oder  ob  L.  Plinius  bei  irgend  einer 
Expedition  dort  gestorben  war,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Jedenfalls 
handelt  es  sich  höchstens  um  einen  vorübergehenden  Aufenthalt  in  Moesia 
sei  e^  der  gan/.en  Legion,  sei  es  nur  eine^»  Teiles  von  ihi\  uiitl  deshalb 
können  die  Legionen  IV  Scyth.  und  V  Maced.  mit  Recht  als  die  erste 
Besatzung  von  Moesia  betrachtet  werden.*) 

Du*  Aufenthalt  in  dieser  Provinz  auch  nach  dem  J*  34  n,  (Im  bestätigt 
die  Inschrift  aus  Arreüum  XI  18;^5  (Bess,  061»).  Der  in  der  Inschrift 
genannte  [L.]  Martiun  Macm-  war  U'g.  7\,  naadi  V€^.a[ari9  Aug.  pr,] 
pK  protine^  AheMae  kgi  IV  Scyt[hic^  et  leg,]  V  MacM,,  dann  Prokonsul 
von  Achaia^  hat  also  gleichzeitig  die  Provinz  und  zwar  als  pnt^torius 
verwaltet  und  die  beiden  folglich  noch  damals,  unter  (iaudim^,  dort 
stehenden  Legionen  kommandiert/) 

Die  leg.  \  Maced.  kam  erst  im  J,  62  wegen  des  parthischen  Kriege« 
unter  Nero  ans  Moesia  nach  Syria.**)    Zu  derselben  Zeit  finden  wir  auch 


\}  Sie  lil  Wahn»c1)0inltch  <ei>t  kmi«  vnrhrr  »rricltiiiet  wonlru-  v^i  xMoiinii»! d  Mtm. 
Amc^.*  p,  70  w|«|,,  Hir^cbfeUl  Uemm  XXV  (1890)  353,  lagnat  |)    l<^>^. 

2)  Tacit*  Ann.  \  42:  prmane  ei  %kesima  Ugmifs^   iUUi  ntgm^  a  Tihtrtu  atuyj,ii- 
tu  tat  pn^eliorum  mcta »  tot  prnemu^  aucfa,  han*-  tarn  tiiftgiam  äuct  vejitrö  ijrattam  rr 
fcfUn?    Km  Soldat   der   lig.  XX  \%i  wUlircnd  di'i  puiiuofnMch-diilmjaiwjhen  Aufstmidc*» 
j{  Wim  mal  von  Tflifriiis  dekori(*rt  worden:  V  i^^^i  (!)**««.  t?272);  vgL  v.  DotiiiiJüe«;w»ki  />fV 
Ftihnen  im  fom.  Beert  S.  8H,  2. 

3)  Homi]i»en  CIL,  HI  p.  2öU,  Cn^^nut  j».  1088. 

4)  Momiatt^ii  ft.  a.  <>.,  Iliriühfeld  Hmurs  XXV  Hr»^.  In  U&lmtititi  «nd  3  liiiichnft«ni 
der  Legion  güftiiideu  wordfu:  111  20!^0.  2911  ^  brult!  Vetertitiitigrubstüiuu  iifid  de>«buib 
voll  keiner  bcaondereu  Uedeutuug,  und  2836  (Dt*«».  2851),  welche  ein^^n  ha^ktu/s  prior 
der  Lagion  msont*  Vgl.  iiuch  daii  Fmgiiiftiit  lII  11746.  In  Moeaia  ii4  uiir  die  oben 
angefiilirle  Ineebrlft»  in  Uiumonin  gRr  kein^  gefunden  worden. 

5)  ÖMterr.  Jahresh.  1  BeibL  167,1. 

6)  Die  Annahoic,  daiM  8cbt>n  vor  dem  imnnoni*icb'daliiiatip«chen  ^  in  Moetln 
»wei  Legionen  ^'rutnuden  bab«ji  Monina*i^a  R  G.  S  37,  L  v.  I*reni«^r^!  (\  Jahre*h, 
l  Iteibl,   165  s  katin  »ucb  richtig  «ein,  IM»t  sieb  aln^r  nicht  boweiMen. 

7)  Mo<>tiH  war  bis  zur  UQckgsbe  Achaiiu  an  den  Senat  im  «1.  44  mit  dii'Mr 
Provinx  und  Miikedonien  vi*rcinij|t  und  eine«  konsttlar Eschen  Statthalter  tinttirsteUt 
(MarquArdt  1^302,  (tardthauM*n  KntA.  Äutf,  11  7H7  f ),  dem  ^Lutius  Macer  unter|C^H>rdnet 
g«#Men  «ein  mnss.  V^l.  über  diese»  abnanne  \'erhiütnui  v^  Donmazewski  Hhtin.  Muh. 
XLV  (18W)  l  ff.  unti  XLVll  2a7,$. 

81  Tjicit    Amt.  XV  6. 


8  Bogdcm  Filoxv, 

die  leg.  IV  Scyth.  schon  in  Syria,^)  ohne  dass  über  ihre  Geschichte  bis 
daMn  etwas  direkt  überliefert  ist.  Dagegm  treffen  wir  im  J.  69  in 
Moesia  drei  Legionen :  HI  Gallica,  VII  Clandia  nnd  VIII  Angusta.*)  Die 
leg.  ni  Gall.  ist,  nach  Sueton  Vesp.  6  zn  schliessen,«)  erst  im  J.  67  aus 
Syria  nach  Moesia  gekommen,  die  beiden  anderen  sind  also  an  Stelle  der 
rV.  Scyth.  nnd  V  Maced.  getreten.  Unsere  Angabe  ist,  die  Zeit  nnd 
Reihenfolge  dieser  Verändemngen  g;enan  zn  bestimmen. 

Gewöhnlich  wird  angenommen,*)  dass  die  leg.  IV  Scyth.  unter  Clan- 
dins  aus  Moesia  nach  Germania  gekommen  nnd  in  Moesia  durch  die 
pannonische  leg.  VIII  Aug.  ersetzt  worden  sei  In  solchem  Falle  mttsste 
die  leg.  VII  Claud.  im  J.  62  aus  Dalmatiä  nach  Moesia  an  Stelle  der 
leg.  V  Maced.  getreten  sein. 

Die  Versetzung  der  leg.  IV  Scyth.  aus  Moesia  nach  Germania  kann 
aber  nicht  mit  der  Versetzung  der  leg.  Vm  Aug.  aus  Pannonia  nach 
Moesia  zusammenhängen.  Denn,  wenn  eine  Verstärkung  des  germanischen 
Heeres  nötig  gewesen  wäre,  so  hätte  man  doch  wohl  einfach  die  leg.  Vin 
Aug.  aus  Pannonia  nach  Germania  geschickt  Wir  mflssen  also  zwei 
selbständige  Massregeln  voraussetzen:  die  Versetzung  der  leg.  IV  Scyth. 
nach  Germania  und  die  Versetzung  der  leg.  Vm  Aug.  nach  Moesia. 

Die  Annahme,  dass  die  leg.  IV  Scyth.  nach  Germania  gekommen  sei, 
beruht  lediglich*)  auf  einer  Stelle  aus  Tadtus,  Ann.  Xm  35,  wo  von 
den  Verstärkungen  des  syrischen  Heeres  während  des  parthischen  Krieges 
unter  Nero  die  Rede  ist:  et  hdbiti  per  Oalatiam  Cappadodamque  dilectus, 
adiectaque  ex  Germania  legio  cum  equitibus  alariis  et  peditatu  eohortium. 
Gegen  seine  Gewohnheit  gibt  Tacitus  in  diesem  Falle  die  Nummer  der 
Legion  nicht  an,  so  dass  wir  nur  auf  Vermutungen  angewiesen  sind. 
Borghesi*)  und  Nipperdey^  haben  an  die  leg.  XII  Fulm.  gedacht, 
Grotefrad^)  und  Mommsen®)  zunächst  an  die  leg.  m  Gall.,  dann  aber 
sind  sie  zu  der  Überzeugung  gelangt,  dass  es  sich  hier  nur  um  die 
leg.  IV  Scyth.  handeln  könne.^")  Das  letztere  ist  sicher  richtig,**)  da  von 
allen  Legionen,  welche  an  dem  parthischm  Kriege  bis  zum  J.  62  teil- 


1)  Tacit.  Ann.  XV  6. 

2)  Tacit.  Bist.  II  85,  vgl.  Suet  Vesp.  6. 

3)  hgio  tertia,  qtuie  sub  exüu  Neronis  tranalata  ex  Syria  in  Moesiam  fuerai;  Tgl. 
Tacit.  Eist.  II  74:  (MuciaDus)  tertiam  Ugionem,  quod  e  Syria  in  Moesiam  franftSMl, 
8uam  numerabat. 

4)  Grotefend  Bonn.  Jahrb.  XI  (1847)  82—85,  Pfitzuer  S.  81  ff.  233,  Mommsen 
Man.  Ancyr.^  p.  68,  2,  v.  Domaszewski  Rhein.  Mus.  XLVII  207,  3. 

5)  In  Germania  sind  bis  jetzt  gar  keine  Spuren  von  dieser  Legion  gefanden  worden. 

6)  Oeuvres  IV  229. 

7)  In  seiner  kommentierten  Ausgabe  des  Tacitus  zu  Ann.  XIII  35. 

8)  Paulys  Realenjsykl,  IV  876. 

9)  In  der  ersten  Aufl.  von  Moti.  Ancyr.  46,  2.  Dem  folgt  auch  SchiUer  1  349,  4. 
10)  Grotefend  Bonn.  Jahrb.  XI  (1847)  82-85,  Mommsen  Mon.  Ancyr*.  p.  68, 2. 
m  Vgl.  auch  Pfitzner  S.  31  ff.,  v.  Domaszewski  Fhein.  Mus.  XLVII  207,  3. 


The  Lf\(/tnNf'n  dtr  l*nn  nn   Motsfn. 

genoiiinieri  haben  und  die  wir  ruus  dem  Beridite  des  Tacitiis  gmnw  kennen, 
keine  andere  in  den  Westprovinzen  überhaupt  nachweisbar  ist.  Es 
entsteht  nur  die  Frage,  ob  die  leg.  IV  Scyth.  damals  tatsächlich  auis 
Germania  nach  dem  Orient  gekommen  war,  oder  oh  hei  Tacitus  ein 
Fehler  in  der  Angabe  der  Provinz  vorliegt. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  leg.  TV  Scjnli,  unter  Claudius  noch  in 
Moesia  gelegen  hat  (S.  7)*  Andererseits  finden  ^ir  sie  im  J.  62  schon  in 
Syria  (Tacit  Ann.  XV  6)^  wo  sie  einige  Jahre  früher  angekommen  sein 
mnss  (Tacit  An)}.  XIII  35),  Ihre  Vei-setzung  aus  Moesia  nach  Germania 
könnte  also  nur  unter  Claudius  oder  allenfalls  im  Anfange  der  neronischen 
Zeit  erfolgt  sein.  Aber  gerade  für  diese  Zeit  lässt  sich  ein  Bedürfnis 
nach  Verstärkung  des  germanischen  Heeres  nicht  erkennen.  In  Germanin 
inferior  standen  damals  dauernd  vier  Legionen^)  und,  trotz  der  erfolg- 
reichen Kämpfe  des  <'orbuIo  gegen  die  chauker  im  X  17,*)  hat  die 
Tlegiening  die  Aufgabe  des  rechten  Hheinufers  beschlossen,  woraus  man 
ersieht,  dass  dici^er  Krieg  durchaus  nicht  so  emst  geführt  war,  um  eine 
besondere  Vei-stärkung  de.s  Heeres  aus  der  entferntesten  europäischen 
Provinz  nötig  zn  machen.*)  Höchstens  bei  dem  obergermanischen  Heere 
wäre  Kaum  für  eine  weitere  Legion  gewesen,  denn  dieses  bestand  seit 
dem  J,  46  nur  aus  drei  Legionen ;•)  aber  hier  kann  erst  recl»t  kein  Be- 
dürfnis nach  Vei-stärkung  des  Heeres  nach  dem  .L  46  anerkannt  werden. 
Unter  solchen  Umstünden  erscheint  die  Annahme,  das«  die  l«g.  IV  Scyth. 
luiter  Claudius  aus  Moesia  nach  (Tcnnania  vei-set^t  worden  sei,  sehr 
unwahi-scheinlicli,  und  deshalb  sind  schon  wiederholt  Bedenken  geg'en  die 
Angabe  des  Tacitus,  dass*  die  Legion  gerade  aus  (lennania  nach  Syria 
ge^htckt  worden  sei,  erhoben  worden.^)  Uie  Stelle  des  Tacitus  ist  füj* 
die  ti6schiclit4ä  der  leg.  JV  Scyth,  jedenfalls  nicht  entscheidend. 


1)  Diu  wureii  vor  der  lirrtaiiuiMch^'ii  Etpeüitioii  die  Le^^ionen  1  iGrnD.\  V  Alaild., 
XX  Val.  Victr.  und  XXI  Rtip.  Von  diuxen  vtrr  kam  die  leg.  XX  uftch  Brtlantiiii,  an 
ihre  SteJle  Iral  aber  die  iieugi^bildete  XV  Primig  Vgl  Ritte rliog  Dis$.  81  *»q.^  ('»gtiat 
p.  1087,  VVeicUert  Weatd  ZeiUchr  XXI  I2fi(r  Dir  l.g  XXI  Rä|».  hat  «päter  itimi 
Standort  mit  di*r  leg,  X^''!  Gall  au«  (lermania  »uperior  vertauscht;  vgl,  Cagnat  ]k  lOW* 

2)  8i-hilf.T  I  ft22f.,  Mommj^ii  Ji  (i,  V  114  f 

3)  Wa«  dif^  Entfemunf^  lewiMehf^n  Germania  und  Moeitia  betrifft ,  int  et  atbr 
lyicUtig  lU  beiuzhteii,  das«  datnaU  die  direktvu  Stnuieo  von  den  rheiniMchei)  Lif^ion»- 
lagern  oach  der  Donau  noch  nicht  erbaut  waren.  Erit  Kur  Zeit  Domitians  und  Traiant, 
aJa  die  W*rhlnUting  bester  wurde,  nind  dit'  gernmoUcben  Legionen  biiutiger  icu  den 
Kri  *'n  di*'  Dak«T  iiHch  der  unteren  Donau  herangezogen  wonlea.  V^L  FahriciUM 
Dt'                thmf  Badens  durch  die  Mömer,  UX^S  8.  4t>  f. 

4)  Vor  der  britanoi»chen  Expedition  «tanden  hier  vier  Legionen:  II  Aug.,  Xlll 
Öeoi.,  XIV  Gem.  und  XVI  ftall,  Die  11  Aug.  und  XIV  tiinj,  waren  mit  der  XX  Val 
Victr.  au«  Germasia  tnf  nach  Brltannia  gekomme»  (die  4.  hrltanniiche  t>e^ion«  die 
IX  H)xp.,  wurde  au«  i^annoota  genommen},  au  thra  Steik  ilnd  die  tV  Maced.  auA  Kia- 
|)ania  und  dir  ncuj^ebtldete  XXIl  Frimig.  ^u^unu  Im  J.  4rt  kam  die  leg.  XIII  (jitw. 
nach  l*animnia  i^S.  IS*,  b),  to  <bi  Irui  Legioiven  atatuUn. 

5)  Dltnricer  Bt>nn,  Jahrh, 


10  Bogdan  FUow, 

Wir  wenden  uns  jetzt  zu  dem  zweiten  Punkte  der  hier  kriti8i»i;eii 

Annahme:  dass  die  leg.  VJll  Aug.  im  J.  46  aus  Pannonia  nach  Moesiä 

versetzt  worden  sei.     Für  diese  Versetzung  beruft  man  sich  auf   die 

Inschrift  aus  Castulo  n  3272,  welche  nur  handschriftlich  erhalten  ist: 

q.  corNELlO  MF  GAL   VALERIANO  PRA^.  a2ae  , . , 
. . .  PRAEF   VEXILLARIORVM  -  IN  TR ACHI A  XYaleg 

V  iwaccDONiCA   A  ^  LEG   VTH  •  A  VGVSTA  .  A  •  TRIBVNIS  LAticlacü  et  ,  .  . 

Ä«««rtrIB VS  >)   A  .  PRAEF  CHORTI VM  STAT VIS  CORONI»  donato  ... 
. . .  LONEN  ET  CHORTIS  SERVIAE  IWENALIS  .  . . 
titiaE .  L   F  .  OPTATAE   VXORI  HVIC  •  COLONIA  PATRIaa  . . 

Obwohl  im  einzelnen  die  Erklättmgen  dieser  Indchrift  auseinander 
gehen, ^)  ist  man  doch  darin  einig,  dass  Comölius  Yalerianus  Praefekt 
von  vexillurii  der  leg.  V  Maced.  und  Till  Aug.  in  Thracia  gewesen  sei 
Da  aber  Thracia  militärisch  dem  Statthalter  von  Moesia  unterstellt 
war  (S.  4,3),  so  müssten  die  beiden  Legionen  V  Maced.  und  VllI  Ang. 
zu  der  Zeit,  als  diese  vexiUarii  nach  Thracia  abkommandiert  waren,  in 
Moesia  gestanden  haben.  Das  trifft  nur  für  die  Zeit  von  ca.  43  (S.  7) 
bis  62  zu.  Der  Anlass  für  die  Absendung  eines  besonderen  Eonmiandofi 
nach  Thracia  könnte  in  diesem  Falle  der  Widerstand  der  Thraker  bei  der 
Umwandlung  ihres  Landes  in  eine  römische  Provinz  im  J.  46  gewesen 
sein,«)  woraus  dann  folgen  würde,  dass  die  leg.  VIII  Aug.  schon  im  J.  46, 
vielleicht  sogar  früher^  in  Moesia  gestanden  hat.  Aber,  obwohl  die  Ver- 
setzung dieser  Legion  nach  Moesia  im  J.  46  an  sich  selbst  sehr  begreif- 
lich ist,  scheint  es  mir  doch,  dass  man  diesen  Schluss  durchaus  nicht  aus 
der  hier  angeführten  Inschrift  ziehen  kann.  Die  Zahl  XV  nach  l'RACHIA 
kann  weder  XV  vexUlurn  noch  XV  vexillaiiones  bezeichnen.  Ebenso 
wenig  kann  man  aus  der  Inschrift  ersehen,  dass  die  veAJJarn  den  beiden 
erwähnten  Legionen  entnommen  sind.  Denn  in  solchem  Falle  müsste  es 
nach  Analogie  ähnlicher  Inschriften  heissen:  praef.  vexilJar'ionim  in 
Irachia  leg{ioni8)  V  Maced.  et  (leg)  VIII  Äug.*)  Dass  man  aber  keinen- 
falls  praef.  veodllariorum  .  .  .  a  leg(ione)  V  Maced.  etc.  verbinden  darf, 
zeigt  die  unmittelbare  Anfügung  von  a  tribuni^  laticlavis.  Es  ist  aller; 
dings  schwer  zu  sagen,  wie  die  Inschrift  ursprünglich  gelautet  hat    Ich 

1)  Nach  V,  Domaszewski  Rhein.  Mus.  XL VII  211. 

2)  Über  diese  Inschrift  haben  gehandelt:  Grotefend  Botin.  Jaftrb.  XXXII  (1862) 
45,  Hübner  BuUett.  delV  inst.  1862  p.  184,  Mommsen  CIL.  II  zu  3272,  Pfiümcr  8.  32, 
y.  Domaszewski  Rhein.  Mus.  XLVII  211.  Demselben  Q.  Cornelius  Yalerianus  gehört 
auch  der  cursus  honorum  II  2079,  doch  i§t  dieser  noch  schlechter  erhalten.  Sonst  ist  über 
Heine  Per^ÖDÜchkeit  nichts  bekannt. 

3)  Das  hat  zuerst  Mommsen  Ephem.  epigr.  II  259,  2  vermutet. 

4)  Ein  analoges  Beisjiiel  bietet  die  neuerdings  in  Baalbok  gefundene  Inschrift 
(Sitz.'Ber.  der  Berlin.  Akad.  1903  S.  817  =  Rer.  archeol.  1903  II  p.  467  n.  868):  praef. 
rexiüariorum  leg(ionum)  Villi.  Vgl.  auch  X  5829  (Dess.  2726)  aus  Ferentiniuii:  prioe- 
positus  vexiVationihus  miüiaris  tribus  expeditione  Brtttannica  leg.  VII  Chmm.  VUI-AUß. 
XXII  Vrimig.  Ferner  XI  1196  (Dess.  2284),  III  3200  (Dess.  2478)  u.  a.  m.  EiM  Ab> 
weichung  von  dieser  Ausdrucksweise  ist  mir  nicht  bekannt. 


Die  Let^oneti  der  Prwnn,t  MoesUt, 


II 


glaube  /das»  wir  sie  uns  ungefähr  folg-endermassen  vorzustellen  haben : 
praef.  irejriUariormn  in  Trachia  XV  [  , .  ,  konorato  a  %.  V  Ma€e\donim, 
a  le(f,  VIII  ÄUffu^n,  n  trihunts  fa\titlat?ui  et ,  ,  .  semest7']ibifs,  a  praef* 
chorüum  siatuis  cor&ni[s  •  ^  .*j 

Die  herrschende  Ansicht  (N,  ^i  u^rr  ilie  mösischen  Legionen  üi 
daudisch-neronischer  Zeit  ist  also  anhaltbar,  weil  weder  aus  Tacitus 
Ann,  XIII  8S  bestimmt  auf  eine  Versetzung  der  leg.  IV  Scyth.  aus  Moesia 
nach  Germania  f^^eschlüssen  werden  kann,  noch  aus  der  Inschrift  II  3272 
folgte  dass  die  leg.  MII  Aug.  bereits  im  J.  46  in  Moesia  gestanden  hat. 
Es  bleibt,  bei  Ermangelung  jeder  direkten  Nachricht,  nur  übrig,  auf  l^ni- 
w^en  etwaB  sicheres  ober  die  mösischen  Leonen  dieser  Zeit  zu  ermitteln. 


IL  Es  ist  schon  oben  (S.  8)  ei-wähnt  worden^  dass  ün  J,  67  die 
leg.  ni  Galh  aiis  Syria  nach  Moesia  versetzt  worden  ist,  so  dass  seitdem 
in  Moesia  drei  Iveginnen  standen  (Tacit.  Ilist  II  85,  vgl  Suet.  Ve^p,  6). 
Fasst  man  diese  Versetzung  der  leg.  IIT  Oall  als  eine  Verstärkung  des 
mösischen  Heeres  auf,  s«»  ist  sie  vollständig  unbegreiflich  und  scheint 
sogar  den  damaligen  Zuständen  direkt  zu  widersprechen.  Denn  von 
Unruhen  in  Moesia  wird  für  diese  Zeit  gar  nichts  berichtet,  in  JudjUi 
dagegen  wütete  gerade  der  Aufstand,  Nero  gelbst  war  mit  seinem  Zuge 
gdgen  die  Alanen^)  beschäftigt,  wobei  man  eher  Versetzungen  von 
euroi>äischen  Legionen  nach  dem  Orient  zu  erwarten  hätte,  als  um- 
gekehrt. Nur  bei  der  X'nraussetzung,  dass  durch  die  leg.  IIT  Gall.  ein- 
fach ein  Ersatj!  für  eine  früher  aus  Moeaia  nach  Syria  abkommandierte 
I.<egion  geschaffen  und  dass  dadurch  die  mösische  Besatzung  wieder  auf 
die  Nonnalzahl  von  drei  Legionen  gebracht  wurde,  lässt  sich  die  Ver- 
setzung der  leg.  III  iiall  nach  Moesia  im  .L  r»7  erklären.  Dieser  Um- 
stand aber  legt  die  Vermutung  sehr  nahe,  dass  schon  früher  die  Besatzung 
von  Moesia  nicht  mehr  aus  zwei,  sondern  aus  drei  Legionen  bestanden 
hatv  Wir  müssen  deshalb  sninächst  sehen,  ob  diest*  X^rmutung  auch 
sonst  Bestätigung  findet* 

Schon  Mommsen  bat  einmal  darauf  hinge \^iesen,*)  dass  eine  Ver- 


])  Ich  kenn«*  voti  iDachrift^D,  welch«  die  obige  Aulfniiuiig  der  Inftcbnfk  am  C^asIuIo 
bflitätjgen  kotint<*n,  nur  IT  1086  (Dt*it.  2712)  ^  lUpft  (Bjictica)  —  ,  ,  .  praef,  cok,]  | 
/J  Vas4:4>nnim  equit.f  trib.  milUtum  IrgmniM  II  Aug.^  praef.  |  alat  I  A»turum^  donut 
(kmaio  I  ci^roHa  mttraU  .  .  .  ei  haatin  \  purvi  V,  /tonornto  ab  exerci\iibuii  in 
quibttJt  müiiavii  Öigü  |  auratts  et  statuia  equttttribwf.  \^\.  auch  XMl  1041  iDl*«!». 
26SI)  —  8ailltt^a  —  C  Julia  Aff[«]diPii  f.  VoUimy]a  Macro  \SiMit{öno)  .  .  .  feocai[o] 
'  ^e^äloTKin  DC  Rdetorum  cmtetlo  Ircü^ia,  chpea,  |  eoronift^  aenulig  {9ic)aure^  donato 
a  tammilHoHib{u»)  |  .  ,  .  Diese  IuBclirlft  itammt  wiihrscheiulich  aus  der  Zeil  dos 
Aogustus;  Tgl  fii  Xin  104!.  —  VI  3«17  ^  . .  us  T  L  Numimim  |  \hono\r.  ah  €X4rc 
amm-  aur.  |  .    . 

'2)  Niu^h  MommKün  ü  f?.  V  H^,  I  »ehreilie  ich  Alatmti  anslatt  des  lihUchi^n  Albaiiar; 
irgl  Aüch  Törna»ebi'k  bd  Panl? -WUsawa  I  I2»t. 

Sj  CIL    11  zu  ^TiT'i 


12  Bogdan  Filow, 

mehrung  der  mösischen  Legionen  nnter  Claudius  sehr  wahrscheinlich  sei, 
ohne  auf  die  Gründe  im  einzelnen  einzugehen.  Diese  können  nur  in  den 
damaligen  politischen  Verhältnissen  an  der  unteren  Donau  gesucht 
werden.  Im  J.  46  wurde  Thracia  in  eine  römische  Provinz  umgewandelt^ 
was  nicht  ohne  ernsten  Widerstand  der  Bevölkerung  geschehen  konnte 
und  ein  energisches  Eingreifen  der  Bömer  erforderte.^)  Die  mösischen 
Legionen  sollten  jetzt  auch  die  unterste  Donaustrecke  fiberwachen,  eine 
Aufgabe,  welche  bis  dahin  den  thrakischen  Fürsten  überlassen  war,*) 
und  Thracia  erhielt  selbst  eine  Besatzung  voü  Auxiliartruppen,  welche 
sich  auf  2000  Mann  belief.») 

Zu  derselben  Zeit  haben  die  Bömer  auch  in  die  Angelegenheiten  des 
bosporanischen  Beiches  eingegriffen.  Hier  war  im  J.  41  von  Claudius 
ein  Nachkomme  des  alten,  von  Pompeius  besiegten  Mithridates  mit  dem 
gleichen  Namen  zum  König  eingesetzt  worden.^)  Jetzt  im  J.  46  wurde 
er  von  seinem  Bruder  Cotys  bei  Claudius  angeklagt,  von  dem  rSfaüschen 
Feldherm  A.  Didius  Gallus^)  mit  Gewalt  vertriebe  und  das  Beich  dem 
Cotys  übergeben.^  Dabei  musste  auch  hier  eine  römische  Besatzung 
zurückgelassen  werden,  welche  nur  dem  mösischen  Heere  ratnommen 
worden  sein  kann.^  So  beginnt  mit  dem  J.  46  eine  neue  Periode  in  der 
Entwickelung  der  Verhältnisse  an  der  unteren  Donau. 

Nach  Niederwerfung  des  grossen  pannonisch-dalmatischen  An&tandes 
im  J.  9  n.  Chr.  kann  in  den  letzten  Jahren  des  Augustus  hier  nicht  viel 
geschehen  sein.  Auch  unter  Tiberius  hat  sich  die  Begierung  nur  auf 
der  Unterdrückung  der  Aufetände  in  Thracia  beschränkt.  Anders  wurde 
das  unter  Claudius  nach  der  Eroberung  von  Britannia,  und  es  ist  gewiss 
kein  Zufall,  dass  die  eben  geschilderten  Ereignisse  gerade  in  das  J.  46 

1)  Marquardt  P  818,  Mommsen  ü.  G.  V  193. 

2)  Vgl.  S.  8.  Dass  früber  in  dem  dstllcben  Teil  der  spätereD  Ifoesia  inf.  keine 
römische  Truppen  gestanden  haben ,  zeigt  auch  Ovid  ex  ponto  U  9,  35  und  79  (siun 
J.  12—18  n.  Chr.),  wo  er  sieh  dem  Schutze  des  thrakischen  Fürsten  empfiehlt;  vg^. 
V.  Domaszewski  N.  Heiddb.  Jahrb.  1 198. 

3)  Joseph.  beU.  Jud.  U  16,  4  (§  868  Niese)  zum  J.  66  n.  Chr.  Dass  diese  Be- 
satzung schon  seit  der  Errichtung  der  Provinz  dort  gelegen  hat,  kann  nicht  bezweifelt 
werden ;  vgl.  auch  Mommsen  R  G.  V  198.  Von  Trnppen  in  Thracia  sind  nachweisbar 
coh.  [in]  Breueorum  in  Perinthos  (Jll  7895)  und  coh.  U Lucensium  (Ul  12387+14207" 
vom  J.  196  und  III  12889  vom  J.  217/218). 

4)  Dio  LX  8,  1  zum  J.  41. 

5)  Wahrscheinlich  damals  Statthalter  von  Moesia,  vgl.  Frotop.  D  60.  Tacitus 
Ann.  XII  15  nennt  ihn  einfach  dux. 

6)  Dio  LX  28,  7  Boissev.  mit  den  Anmerkungen  dazu;  vgl.  auch  Nipperdejr  zu 
Tacit.  Ann.  XII  15.  Der  Bericht  über  die  Einsetzimg  des  Cotys  izt  bei  Tacitus  ver- 
loren gegangen. 

7)  Tacit  Ann.  XII  15 ff.;  vgl.  Marquardt  I<  307.  Dass  diese  BesaUung  im  Bos- 
porus dauernd  geblieben  war,  zeigt  deutlich  der  Bericht  des  Tacitus  ^nn.  Xu  15  zum 

J.  49 :  Mithridates poet^am  Didium,  ducem  Bamanutn,  roburque  exereüus  abisse 

cognoverat ,  reUctos  in  novo  regno  Cotyn  iurenta  rudern  et  paucM  cohortinm  cum  Jnlio 
AquiUij  equiie  Bomano regem  Dandaridarum  exturbat  imperioqw  eiu$  potOur, 


Di*'  fA'ffionm  (fer  Provhts  Moesht, 


1;^ 


falleiL  I>eniij  wit  riaudius  die  Pläne  Cäsar»  in  Britannia  verwirklicht 
hat,  80  scheint  er  aach  das  Werk  des  Augnstus  an  der  unteren  Donau 
weiter  geführt  zu  haben. 

unter  Nero  wurde  diese  expansive  Politik  an  der  unteren  Dunan 
fortgesetzt.  Das  zeigt  die  bekannte  Inschrift  des  Ti.  Plautius  Silvanus 
Aelianus  aus  Tihur/)  welche  bei  der  Dürftigkeit  der  Überlieferung  von  un- 
schätzbarer Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Provinz  Moesia  ist.  Da  diese 
Inschrift  uns  auch  später  beschäftigen  wird,  gebe  ich  sie  hier  gleich  wieder; 

TTi.  Plautio  M,  f,  Äni,  Sitvano  AelianOf  pontif.,  sodali  Aug.p  HI 
nhio)  a{erc)  a{r(/eu(o)  n{uro)  f[lando)  f{enunfJo)p  q(uaeMori)  7k  Caesaria, 
hffat  leg,  V  in  Of^nnania,  pr(at4on)  urb{ano)f  legaL  et  comiti  iUmid, 
Caesaris  in  ßritiminiaf  conmlit  pracos*  Asiae^   legat  pro  praet  Moemie, 

in  qua  plura  quam  ctmttint  miU{iä)  ex  numero  TransdaHmHmwr{um) 
nd  j^aestanda  trihuta  cum  conittgiMus)  ac  liberis  et  prinmpihm  auf 
regihus  mis  trnvsduxit:  niotum  (yritmietn  Sarmat^r{um)  comprtis^ii, 
qtmmvis  parie{m)  7nagna(fn)  ejrercitm  ad  expeditionetn  in  Armeniam 
tnwuset;  ignütos  ante  mit  infmims  p{opiäo)  Ii(omano)  reges  dgna  Romana 
adoraiuros  in  ripamj  quam  tuehatur,  perduxit;  regibtis  Bastarnarum  ei 
Rhoxolanorum  filios,  Daeorum  fratrum  (sie)  captoB  aui  hostihus  ereptoB 
remisit;  ab  aliquis  earum  opsides  acc^nt;  per  quem  j^acem  promnciae  et 
confirfnavit  et  protuUt:  Segtharum  quoque  regmi  (sie)  a  Cherronmm 
qftae  est  ultra  BoruMenen  ojmdione  summoto, 

/Yimus  ta-  ea  pf-omncia  magno  tntici  modo  annonam  p{ojtuU) 
li(omam)  ndlevarit.  Hüne  legat  am  in  in  (sie)  Hispaniam  ad  praefev* 
tur{am)  urtm  reminifmn  sefiatm  in  praefedura  triumphalibus  ürnamentis 
honoravit,  auciore  imp>  Caesare  Augmio  VeBpasiatio,  verbis  e.r  orattone 
mu8,  q(mte)  i(nfra)  8{€ripta)  8(tmt):  Moesiae  ita  praefuitj  ut  nmi  debuerit 
in  me  differri  honor  triuwphaUum  eins  omamentoriim.  nisi  quod  latior 
ei  eontigit  mora  titulm  praefecto  urbi^,  Hunc  in  eadmi  praefedura 
urbis  imp.  Caesar  Aug,  Ve^oHanm  itenim  cos*  feeit 

Wenn  auch  in  dieser  Inschrift  nicht  alles  ganz  klar  ist,  gibt  sie 
doch  ein  Bild  der  kriegerischen  Unternehmungen  an  der  unteren  Donau 
zur  Zeit  Neros.-)  Die  Züge  des  Plautius  Silvanus  waren  hauptsächlich 
gegen  die  VöUcerschaften  nördlich  von  der  Donanmündung,  gegen  die 
Bastamer  und  Roxolanen  und  ihre  skytliischen  Stamraesgenossen  gerichtet. 
In  diesem  Zusammenhange  ist  noch  an  zwei  andere  Ereignisse  zu 
erinnern:  die  Einziehung  des  Gebietes  der  Stadt  Tyras  im  .1.  57*)  und 


1)  XIV  3608  =  De«.  988. 

2)  Für  die  Erklärung  der  Inschrift  im  eiozeloeQ  vgl  Deai&u  CIL.  XIV  su  3608, 
MoRiimeo  K  G.  V  1^8,  v.  Domaflsewski  Rhein.  Mm.  XL VII  (1892)  209  f,  Vollmer  ebda, 
Uli  (1898)  686 1 

3)  Vgl,  S.  4.  Ob  dieses  Ereigni*  in  der  luschrift  out  den  Worten  per  quem  pacem  pro- 
vineiae  €t  oonfirmaeü  etproiulä  gemeint  lAt,  wie  Dessau  &,  a.  0.  auoimmt,  mag  dahingeslc^lll 
Uteibeii.    Bei  den  spätereo  Erklürern  hat  diese  Ansicht  keine  Anerkoimiuig  gefunden. 


14  Bogdan  Filoir, 

das  Erscheinen  des  Bildes  des  römischen  Kaisers  auf  den  bosporanischCT 
Eönigsmünzen  aus  der  Zeit  Neros,  was  auf  eine  Einschränkung  dec 
Autonomie  der  bosporanischen  Könige  hinweist*) 

Wie  sehr  die  militärische  Lage  an  der  unteren  Donan  sich  um  die 
Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  in  der  Tat  verändert  hat,  zeigt  aid- 
lieh  Josephus  beU.  Jud.  11 16,  4  (§  366  ffl  Niese)  in  der  Bede  des  Agrippa 
aus  dem  J.  66:  li  x^  Xiyuv  'Hvioxovq  r«  xai  Kolxovs  xai  tö  tüv  Tav^ 
QWß  yvlotf,  Boffnogavovs  ra  xai  xä  nigioixa  xov  IIoptov  xal  r^g  Mcumwi- 
8ög  i&vfj;  nag'  olg  ngip  fiiv  oviT  olxaiog  kyiywviirxiro  Stanot^,  ww  di 
rgiöx^Xioig  onXiraig  inotdaanai^  xai  TMffagäxoyra  vrjtg  fiaxgm  ri}y  ngip 
änXwTov  xal  aygtav  ügtivtvoivai  d^akaaeav  ....  GgqxBs  ol  ni^ti  fiip  ev^og 
inra  di  fitjxog  tifiegiSy  x^9^^  8iuXfiq)6xtQ ,  .  . . .  ovjjfi  SiCxtUoig  *PmfUiimf9 
vnaxatovaiv  ygovgöli; 

Wie  wir  gesehen  haben,  stand  diese  Besatzung  in  Thrada  schon  seit 
dem  J.  46.')  Dagegen  können  die  3000  Hopliten  des  Josephus  mit  de^ 
Besatzung,  welche  wir  im  J.  46  am  Bosporus  fanden,*)  nicht  idratisch 
sein,  denn  dazwischen  liegt  eben  die  Statthalterschaft  des  Plautius  Sil- 
vanus.  Während  bei  Tacitus  {Ann.  Xu  15)  vermutlich  nur  von  Auxiliar- 
truppen  die  Rede  ist,  finden  wir  jetzt  nach  Josephus  im  J.  66  am  nörd- 
lichen Ufer  des  Pontus  Legionssoldaten,*)  welche  ebenfalls  nur  dem 
mösischen  Heere  entnommen  worden  sein  können.^) 

1)  Vgl.  Sallet  Zeüsehr,  für  Numismatik  IV  (1877)  304 ff.,  v.  Domaszewiki  Bhein. 
Mus.  XLVIl  208  f.,  Rottowzew  Bcüräge  ewr  alten  Gesch.  U  81. 

2)  Vgl.  S.  12  mit  Anm.  3. 

3)  Vgl.  8.  12  mit  Anm.  7. 

4)  Wie  auch  RitterÜDg  Diss.  33, 3  annimmt,  sind  bei  Josephus  unter  önUtai  Legion»- 
soldaten  zu  verateben.  Deshalb  bezeichnet  er  auch  die  Besatzung  von  Thracia  nicht 
mit  bnllxai,.  Im  2.  Jahrb.  sind  Legionsabteilungen  in  Chersonesus  sicher  nachweisbar 
(Tgl.  die  folgende  Anm.).  Es  steht  also  nichts  im  Wege  solche  Truppen  dort  schon 
unter  Nero  anzunehmen. 

5)  Die  Zusammensetzung  der  Besatzung  von  Chersonesus  ist  uns  erst  aus  dem 
2.  Jahrb.  genauer  bekannt :  es  sind  ausschliesslich  Truppen  aus  dem  Heere  von  Moesia 
inf.  So  Abteilungen  der  leg.  I  Ital.  (lU  13751a.  14214*'.  14215«),  der  leg.  XI.  Claad. 
(III  782  +  p.  1010  =  Dess.  2352.  III  14215«).  Auch  die  coh.  I  Cilicum,  welche  der  In- 
Schrift  III  13751b  zufolge  eine  zeitlaog  in  Chersonesus  gestanden  haben  muas,  gelidrte 
nach  Dipl.  XLyill  {CIL.  III  p.  878 4- p.  1979)  im  J.  134  zu  dem  Heere  von  Moesia 
inf.  Die  gesamten  Truppen  der  Römer  am  nördlichen  Ufer  des  Pontoa  Enxinus 
scheinen  unter  einem  trilmnus  müitum  gestanden  zu  haben,  und  zwar  gehörte  attch  er 
regelmfissig  einer  untermösischen  Legion  an.  Vgl.  VIII  619  (Dess.  2747)  aus  Mactar : 
irih.  milit,  leg.  I  Italicae,  praepositus  vexilkUionibus  P&nticis  aput  Scythia  (sie)  et 
Tauricam  (Die  Inschrift  stammt  aus  der  Zeit  bald  nach  dem  Markomanenkriege 
M.  Aureis).  III  14214^*  —  Chersonesus,  aus  dem  J.  185  —  . . .  pro  \sdl(tUe)  imp.] 
M,  Ai^r.]  Ant.  Com  modi  Aug.  et  \  Fl.  Sergiani  Sosihi,  \  trih.  mtl.  leg.  I  Jto/.,  iu(p)en.  ' 
reverentissimi ,  8{ub)  c(uius)  c(urä)  e{gi)  \  et  mea  meorumq(ue)j  T.  \  Aur.  T.  /l  Qmi. 
Secun\dus  Rave{nna) ,  tr{ierarchu8)  cQassis)  F(laviae)  Mipesicae),  v.  8.  l,  l  m.  |  Se^umUes 
Matemo  et  Bradua  cos.  Vgl  auch  III 13750  Zeile  36—37.  44  ans  dem  J  .  185/6.  Ein 
{centurio)  leg.  I  It((ä.) ,  prae(positu8)  vex{iUationilm8)  Moes(iae)  inf,  wild,  genuuil  md 
einem  Ziegel  aus  Aj-Tor  III  14215\  :     ,    .r  ,V 


LHt*  Id€gio7veii  der  Protim  Moesia, 


V 


Überblickt  man  die  eben  geschilderten  Ereignisse  unter  Claudius  und 
Nero,  so  zeigt  sich  sehr  deutlich«  welche  neue  Aufgaben  dem  mosischen 
Heere  erwachsen  waren.  Schon  aus  diesem  Grunde  wären  wir  berechtigt 
anzunehmeji,  dass  im  J.  40  eine  cb-itte  Legion  nach  Moesia  gekommen 
iüt.  Aber  as  lässt  sich  auch  direkt  nachweisen^  dass  unter  Claudius  in 
Moesia  drei  Legionen  gestanden  haben. 

In  der  oben  (S.  13)  angeführten  Insrhrift  de.s  Plautius  iSilvanus  heisst 
e^  gleich  im  Anfang  bei  der  8c bilde rung  seiner  Tätigkeit  in  Moesia: 
motum  anentem  Saffnataiinm)  rompre^»it,  quamriH  parte(m)  mapia(m) 
ejrereittis  ad  ej-peditionem  in  Arnu^tiiam  misisset  Da  Plautius  Silvanus, 
wie  aus  der  Inschrift  hervorgeht  die  8tatthalterschaft  von  Moesia  unter 
Nero  bekleidet  hat,  so  ist  die  in  Betracht  kommende  e^tpeditio  der  par- 
thische  Zug  des  Corbulo*  Dass  in  der  hier  angeführten  Stelle  mit 
tnaffna  pars  exercitm  eine  ganze  Legion  gemeint  ist^  lässt  sich  bei  der 
Art,  wie  das  besonders  hervorgehoben  wird,  kaum  bezweifeln.  Auch 
wissen  wir  aus  dem  ausführlichen  Berichte  des  Tacitos,*)  dass  für  Ver- 
stärkung des  syrischen  Heeres  nur  dreimal  Truppen  aus  den  West- 
provinzen herangezogen  worden  sind  und  zwar  immer  nur  ganze  Legionen* 
Es  könnte  sich  nur  fragen,  ob  Plautius  Silvanus  damals  zwei  oder  drei 
Legionen  gehabt  hat,  wenn  nicJit  in  ersierem  Falle  der  Ausdruck 
dimidia  pars  statt  mutpia  pars  zu  erwarten  wäre. 

Wir  wissen^  wie  schwer  es  den  Kämern  war,  mit  ihren  Nachbarn 
nördlich  von  der  Donau  zu  kämpfen.  Die  unwiderstehliche  Macht  der 
aarmatischen  Reiterei  schildert  schon  Tacitus  {Bist  I  79),  Es  war 
damals  nur  ein  Zufall,  wie  Tacitus  selbst  erzählt,  dass  der  Einfall  dei* 
Sarmaten  mit  ihrer  Vernichtung  endete.  Dass  das  richtig  ist,  zeigt  der 
zweite  Einfall  der  Sarmaten,  über  den  Josephus  {belL  Jod,  VII  4,  3) 
berichtet,  und  bei  dem  der  Statthalter  von  Moesia,  Pont  eins  Agrippa, 
trotz  seiner  Tapferkeit  und  seinen  zwei  i^egionen,^]  vollständig  geschlagen 
und  getötet  worden  ist  Erst  seinem  Nachfolger  Kubrius  Gallus  gelang 
es  nach  Heranziehung  von  Verstärkungen  die  Feinde  zu  vertreiben.*) 
Man  muss  dabei  nicht  vergessen,  dass  es  sich  in  diesen  Fällen  immer 
nur  um  Defensive  handelte.  Nicht  mit  grösserem  tilücke  endete  auch  der 
sarmatische  Zug  Domitians.  bei  dem,  wenn  man  Suet  I)qv%.  6  glauben 
will,  eine  ganze  Legion  vernichtet  worden  war,  von  den  dakischen  Kriegen 
desselben  Kaisers  gar  nicht  zu  reden.  Nimnit  man  nun  an,  Plautius 
Silvanus  habe  bei  der  Übernahme  der  Statthalterschaft  von  Moesia  nur 
zwei  I^egionen  gehabt  und  eine  davon  alsbald  abgeben  müssen,  so  wäre 
ihm  nur  eine  Legion  geblieben/)   von  der  er  dann  noch  Truppen  zum 

\)  Ann.  XJIl  8.  ^.  Sa  40  XV  X  6.  I  10.  25.  26. 

2)  Diu  wfircii  )rg.  l  lUl.  und  leg.  V  Alaad.;  vgl  S*  27, 

S)  Vgl.  Über  dtt»cu  Eiofall  S,  31  f, 

A)  OttM  IT  Air  die  abgcgebenti  Lirgioo  suoKehst  keioen  Erstitz  erlmHefi  ünt,  Beigen 

deaUifli  die  Wortt*  der  laechnft  [S.  18):  motum  otieniem  S(trmatar{um)  comprtM^it^ 

itJM  par(€(fii)  magna/jm.  cxercitm  .  . .  mmsset 


18  Bogdan  Filow, 

Man  konnte  bis  vor  knrzan  nur  auf  Pannonia  anter  Nero  als  mmi 
eine  Ausnahme  hinweisen.  D^in  hier  stände  damals  nur  zwei  hegkmemz 
Xm  GeuL  and  XV  ApolL  (S.  19,  6).  Als  im  J.  63  die  leg.  XV  ApoD. 
för  den  parthischen  Krieg  nach  dem  Orient  abkommandiert  war  (Tacit. 
Ann.  XV  25),  blieb  in  Pannonia  nnr  die  leg.  XTTT  Gem.  Aber  wie 
Bitterling  1)  nenerdings  aas  einige  Camantiner  Inschriften  ganz  sicker 
Dachgewiesen  hat,  war  an  Stelle  der  leg.  XV  ApolL  schon  damals  die 
leg.  X  Gem.  aas  Hispania  nach  Pannonia  versetzt  word^L 

Wir  ersehen  daraas,  dass,  abgesehen  von  Hispania  nnd  Dalmatia,  in 
allen  kaiserlichen  konsnlarischen  Provinz^i  immer  mindestens  zwd  LegioneB 
als  Besatzang  gestanden  haben.  Dagegen  war^  alle  kaiserlichen  Pro- 
^vmzea  mit  je  einer  Legion  Besatzang  darchweg  nar  praetorisch»  Statt- 
haltern anterstellt.  SelbstverstHndlich  richtete  sich  die  Zahl  der  Legicmeii 
nicht  nach  dem  Bange  des  Statthalters,  sondern  nmgekehrt*)  Wie  sdir 
aber  der  Bang  des  Statthalters  dnrch  die  Zahl  der  Legionen  einer  Provinz 
bedingt  wurde,  zeigt  der  Umstand,  dass  in  den  Grenzprovinzen  sich  keine 
einzige  Ausnahme  von  der  Begel  findet 

Bei  solchen  Umständen  ist  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  ein 
Statthalter  von  Moesia  jemals  bloss  eine  Legion  befehligt  habe.  Eben 
deshalb  aber  muss  auch  Plautius  Silvanus  drei  Legionen  übemomm^i 
haben;  denn  eine  dauernde  Verminderung  seines  Heeres  konnte  nur  von 
drei  auf  zwei,  nicht  aber  von  zwei  auf  eine  Legion  eintreten. 

in.  Es  bleibt  noch  zu  bestimmen,  welche  diese  drei  Legionen  ge- 
wesen sind.  In  Betracht  kommen  nur  folgende  vier  Legionen:  IV  Scyth., 
V  Maced.,  VTI  Claud.  und  VIII  Aug.  (vgl.  S.  7  f.).  Von  diesen  vier  ge- 
hörte sicher  die  leg.  V  Maced.  dazu,  da  ihr  Aufenthalt  bis  zum  J.  62 
in  Moesia  durch  Tacitus  {Ann.  XV  6)  gesichert  ist.  Andererseits  lässt 
sich  nachweisen,  dass  die  leg.  VII  Claud.  weder  im  J.  46  noch  bald 
darauf  nach  Moesia  gekommen  sein  kann. 

Wir  wissen  aus  Dio  (LV  23,  4;  LX  15,  4),  dass  die  beiden  dalma- 
tischen Legionen  VII  und  XI  im  J.  42  vom  Kaiser  Claudius  den  Ehren- 
beinamen Claudia  pia  fidelis  erhalten  haben,  weil  sie  bei  der  Erhebung 
des  Statthalters  M.  Furius  Camillus  Scribonianus  zwar  zunächst  für  diesen 
gewesen,  aber  schliesslich  doch  zu  ihrer  Pflicht  zurückgekehrt  waren  nnd 
ihre  Verführer  getötet  hatten.  Deshalb  zeigen  auch  die  Inschriften  der 
leg.  VII  teils  die  Benennung  leg.  VU,  teils  leg.  VII  Claud.,  teils  leg. 
VII  Claud,  p.  f.,  wobei  selbstverständlich  die  Inschriften  mit  leg.  VII 
sich  beinah  ausschliesslich  in  Dalmatia  finden.  Von  den  übrigen  aber, 
welche  uns  hier  eigentlich  angehen,  findet  sich  in  Dalmatia  gar  keine 
Inschrift  mit  der  Bezeichnung  leg.  VII  Claud.,  sondern  alle  22  Inschriften 

1)  Rhein.  Mus.  LIX  (1904)  55  ff. 

2)  Vgl.  auch  V.  Domaszewski  Rhein.  Mus.  XLVl  (1891)  600,  1. 


Die  Legione-n  iler  Promm  Moesia, 


19 


dieser  Legion  tragen  dit;  liezeichnung  Ivff,  VII  Claud,  p.  /*.  wobei  nur 
die  sicheren  Le&ung^en  berücksichtig  worden  sind.  Dagegen  haben  von 
den  55  mosischen  Inschriften  40  die  Bezeichnung  leg.  VII  Claud.  und 
nur  15  leg.  VII  Claufl  p.  f.  Daraus  ergibt  sich,  dass  die  Bezeichnung 
leg.  VII  Claud,  p.  f:  die  ältere  und  Irg^  VII  Claud*  die  jüngere  ist,  und 
dass  die  I^egion  weder  im  J.  46  noch  bald  darauf  nach  Moesia  gekommen 
sein  kann.  Denn  die  22  Inschriften  in  Dalraatia  koTinen  nicht  sämt- 
lich auÄ  der  Zeit  vom  J.  42— 4()  oder  50  stammen,  zumal  die  Soldaten 
dieser  Legion  vorwiegend  keine  Dalmatier  waren*)  und  deshalb  auch 
keinen  Anlass  hatten  nach  der  Entlassung  nach  Dalmatia  zurückzukehren,-) 

Die  beiden  anderen  Legionen^  welche  ausser  der  leg  V  Macei  seit 
dem  iL  46  in  Moesia  gestantlen  haben  ^  können  demnach  nur  die  leg.  IV 
Scyth.  und  Vin  Aug,  sein.  Wir  haben  schon  oben  (S.  8  f.)  im  Anschluss 
an  Tacitus  Ann,  XIII  35  gesehen,  dass  eine  Versetzung  der  leg.  IV  8cyth. 
unter  t'laudius  nach  Germania  sehr  unwahrscheinlich  sei.  Jetzt  können 
wir  behaupten^  daüs  diese  Versetzung  ausgeschlossen  ist  und  dass  die  leg. 
IV  Scyth,  auch  nach  dem  J.  46  nur  in  Moesia  gestanden  haben  kann. 
Also  hat  Tacitus  a.  a.  O.  zweifellos  Germania  mit  Moesia  verwechselt^) 

Was  dii/  leg,  VIII  Aug.  betrifft,  so  stand  sie  im  J,  14  n.  Chr.  in 
Pannonia,*)  aber  im  .1  Gt»  linden  mv  sie  in  Moesia.^)  Da  eine  Ver- 
mehrung der  musischen  Legionen  iui  J,  46  sichf^r  stattgefunden  hat*  und 
da  die  dalmatische  leg.  VII  Claud.  damals  noch  nicht  nach  Moesia  vei-setzt 
wurde,  so  muBS  eben  die  leg,  VIII  Aug.  schon  im  J,  46  nach  Moesia 
gekommen  sein**) 


I)  Vgl*  Mouiniien  CIL.  111  p.  281  aq.  1474, 

%  Utitor  den  daltnatiijcheii  Inschriften  der  Ug.  VII  (liiud.  an«  der  Zmt  ooch 
42  n.  Chr.  findet  ticli  keino  sichrr  datirrlmns  Nur  \\l  12794  fUlit  unter  CUudiui. 
Die  KahlrtsJcheii  datierten  Inschriften  aun  MoeAiu  gehören  sunitlich  dem  2.  und  3.  Jalirh.  ati. 

3)  Zur  Rechtferttguug  djeiiei  SeJilusAes  mag  noch  dtLran  erinnert  werden,  dMi 
auch  für  die  ipltteron  VerttÜrkiingcn  de«  ijrUchen  Heeres  im  J,  62  und  63  die  LegioDea 
der  Donau^irovinsen  verwendet  wurdea  und  xwar  erst  auti  der  näheren  Moesia  (Tacit 
Ann,  XV  G)  und  dann  aua  Pannunia  (ebda*  XV  26).  Al*o  wird  auch  die  erste  Ver- 
•Urkung  dem  musischen  und  nicht  dem  germattinchen  Heere  eAtüommea  worden  aeiiu 

4)  Tacit.  Ann.  1  23;  m. 

h)  Tacit,  //M^  I  79;  II  8Ä. 

6)  In  Pannonia  standen  im  J.  14  n.  Chr.  3  l.ogMXiiii  iTacit.  Ann.  I  16);  V'MI  Aug. 
IX  Hisp.  XV  Apoll,  (ebda.  1  23.  30).  Die  leg  IX  Hi^p.  \smy  vom  J.  20—24  i\9xh  Afrika 
geschickt  (ehda.  111  0.  IV  123;,  so  das»  im  J.  23  in  Pannonia  nur  £woi  Lcgioneo  »landen 
(ebda.  IV  5).  Im  J.  43  kum  dann  die  leg.  IX  Ill^p.  nach  ßritannia  und  ist  dort  gebliebeu 
(ebda.  XIY  82),  io  da»»  »«eit  dem  J.  43  in  Pjuinonia  nur  die  beiden  Legionen  VUI  Aug« 
ttßd  XV  Apoll.  gestHiiden  haben,  von  denen  auch  die  leg,  VIU  Aug.  sieb  an  dem 
britannischen  Kriege  beteiligt  su  haben  scheint  (vgl.  XI  6163  =  De*iL  967  ■  Henxen 
BuU.  ileW  hist.  1872  p.  100),  Als  im  J.  46  die  leg.  VIII  Aug.  nach  Moesia  kam,  wurde 
de  in  Pannonia  durch  die  leg.  XIll  Gem.  aus  Germania  uuperior  er»eUt,  Vgl.  Hommaeti 
CIL,  in  p.  482,  Eitterlitig  Diss.  S6  »qiq.  =  v.  Domassewaki  We^td.  Zeä$chr.  XXI  iim2) 
178.  180  FermuU't,  dass  die  leg,  XllI  Gem.  fcchon  vor  dem  J.  46  an  Stelle  der  nach 
BntAn&ia  renetstan  leg.  IX  Hisp.  nach  Pannonia  gekommen  war.     Unhaltbar  ist  da- 


20  Bogdan  Filow, 

Es  standen  demnach  seit  dem  J.  46  in  Moesia  die  drei  Legionen: 
IV  Scytii.,  V  Maced.  und  VHI  Aug.  Von  ihnen  haben  zunächst  die  leg. 
IV  Scyth.  und  die  leg.  V  Maced.  Moesia  verlassen,  denn  wir  finden  sie 
beide  an  den  parthischen  Zagen  unter  Nero  beteiligt,  und  zwar  sagt 
Tacitus  selbst  ausdrücklich  (Ann.  XV  6),  dass  die  leg.  V  Maced.  damals, 
also  im  J.  62,  nach  Syria  gekommen  war.  Dagegen  ist  die  Zeit  des 
Abmarsches  der  leg.  IV  Scyth.  unbestimmt.  Wenn  aber  Tacitus  (Ann. 
XV  6)  zum  J.  62  sagt:  qvurta  et  ditodecima  legiones  addiia  quinta,  quae 
recens  e  Moesis  excita  erat,  so  geht  zunächst  daraus  hervor,  dass  die 
leg.  IV  Scyth.  im  J.  62  schon  im  Orient  stand. 

Als  Corbulo  im  Frühjahr  55^)  die  Statthalterschaft  von  Cappadocia 
übernahm,  befanden  sich  im  Orient  nur  vier  Legionen^):  DI  G^alL, 
VI  Ferr.,  X  Fret.  und  XII  Fuhn.,«)  die  leg.  IV  Scyth.  war  also  damals 
noch  in  Moesia. 

Die  erste  Aufgabe  des  Corbulo  in  seiner  neuen  Stellung  war,  sein 
Heer,  welches  unter  der  nachlässigen  Statthalterschaft  des  Quadrates 
vollständig  demoralisiert  war  und  sich  jeder  kriegerischen  Arbeit  entwöhnt 
hatte,  wieder  in  Ordnung  zu  bringen.  Deshalb  wurden  Aushebungen  in 
Galatia  und  Cappadocia  vorgenommen  und  eine  ganze  Legion,  d.  h.  eben 
die  leg.  IV  Scyth.  aus  Moesia,  herangezogen.*)  Richtig  bemerkt  Nipperdey 
(zu  Tacit.  Ann,  XIQ  35),  dass  alle  diese  Reformen  nicht  im  J.  55  aus- 
geführt werden  konnten,  sondern  der  Hauptsache  nach  die  Zeit  der  Ruhe 
zwischen  55  und  58  ^)  beansprucht  haben.  Jedenfalls,  als  der  Krieg  gegen 
die  Parther  im  Frühjahr  58  endlich  begonnen  hat,  muss  die  leg.  IV  Scyth. 
schon  zur  Stelle  gewesen  sein.*) 

Eine  noch  genauere  Zeitbestimmung  ermöglicht  die  schon  öfters 
herangezogene  tiburtinische  Inschrift  des  Plautius  Silvanus  (S.  13).  £^ 
ist  oben  ausführlich  dargelegt  worden,  dass  Plautius  Silvanus,  als  er 
parte{in)  magna{m)  exercitics  in  Armeniam  misisset,  drei  Legionen  gehabt 
hat.  Deshalb  können  die  Worte  magna  pars  exerdtus  nicht  auf  den  W^- 
gang  der  leg.  V  Maced.  im  J.  62  sich  beziehen,  denn  damals  hat  Plautins 

gegen  die  Ansicht  von  Schnitze  DiM.  85 sqq.,  dass  die  leg.  XIII  Gem.  erst  im  J.  58 
nach  Pannonia  versetzt  worden  sei.  Denn  die  leg.  VIII  Aug.  kam  nach  Moesia  nicht 
erst  im  J.  58,  wie  Schnitze  meint,  sondern,  wie  wir  eben  gesehen  haben,  schon  im  J.  46. 

1)  Vgl.  Nipperdey  zu  Ann.  XIII  9,  Egli  in  Büdingers  Untersuch,  zur  rAn.  Kaiser- 
gesch.  I  (1868)  281. 

2)  Tacit  Jnn.  XIII  8:  copiae  Orieniie  ita  dividuntury  ut  pars  auxiUarium  cum 
duabus  legiontbus  apud  provinciant  Suriam  et  legcUum  eius  Qu(idratum  Ummidium  re- 
maneret,  par  civium  sociorumque  numerus  Corbuloni  esset. 

8)  Von  diesen  vier  Legionen  erwähnt  Tacitus  selbst  die  VI  Ferr.  {Ann.  11  79) 
und  die  X  Fret.  {Ann.  II  57).  Dass  die  anderen  nur  die  leg.  III  GaU.  and  leg.  XII 
Folm.  sein  können ,  hat  schon  Mommsen  Man.  Aneyr.*  68,  2  nachgewiesen.  Vgl.  aach 
S.  8  f.  und  Pfitzner  S.  31.  167. 

4)  Zu  der  betreffenden  Stelle  aus  Tacit.  Ann.  XIII  85  vgl.  S.  8  f.  und  19. 

5)  Vgl.  auch  Egli  a.  a.  0.  S.  849,  1. 

6)  Vgl.  Tacit.  Ann.  XIII  84—86. 


Die  Li'ifioneH  der  Provinz  Moe^w. 


21 


Silvanus,  nachdem  die  leg,  IT  Seyth.  schon  früher  nach  dem  Orient  kam, 
nnr  zwei  Legionen  gehabt')  Diese  Wurte  beziehen  sich  also  auf  den 
Weggang  der  leg.  IV  Scyth.  Nnn  kann  aber  Silvanus  die  Statthalter- 
schaft von  Moesia  nicht  vor  dem  J.  56  übeniommen  haben,  weil  er  das 
nach  der  Inschrift  vorangegangene  Prokonsulat  Asiens  noch  unter  Nero, 
also  wahi^cheinlich  im  Arat^jalire  55  56,  inne*;^eliabt  hat*)  Fttr  die  Abgabe 
der  leg,  rV^  Sc>th.  bleiben  demnach  nur  die  Jahre  56  und  57  übrig. ^^) 
Nach  diesen  Ausführungen  gestalten  sich  die  Veränderungen  in  dem 
Bestände  der  mösischen  Legionen  folgendennassen:  vom  J.  ca.  9  n.  Chr. 
bis  46  stehen  in  Moesia  die  Legionen  IV  Scyth,  und  V  Maced.  Im  J.  46 
kommt  noch  die  leg,  VTII  Äug.  aus  Pannoniy  hinzu  (S.  19),  56  oder  57 
wird  die  leg*  IV  Scyth*  nach  Syria  preschickt  und  zunächst  durch  keine 
andere  ersetzt.  Im  J.  62  ging  auch  die  leg.  W  Maced.  nach  Syria  (Tacit. 
Ami.  XV  6).  an  ihre  Stelle  trat  aber,  weil  in  Moesia  nicht  nur  eine 
Legion  bleiben  konnte,  die  leg.  VII  Claud,  aus  üalniatia  ein.  Diese 
letztere  stnnd   im  J.  42   noch  in   Dalmatia  zusammen   mit  der   leg.  XI 

1)  Die  Jeg.  V  Maced.  kann  iiuch  de»hnlb  nicht  «;eiiieifit  «ei«,  whiI  tili  ihre  StcUf, 
wie  wir  gkicb  sehen  werden,  die  leg,  Vll  Claud.  uub  Dalmatia  getreten  ist,  »o  daw 
PlautiuB  SUvatiUB  keinen  Grund  gehabt  haben  wiirde,  die  Abgabe  der  leg.  V  Maeed. 
lie^Qiiders  hervonu heben. 

2)  Le  Bas-Waddington  VoifOfft  arehM.  111  «*>00*  -  Tralle«  —  MpÄt^tf  KXa[6]dtov 
[KmiaaQft]  Sißaarbp  PtgiiaviKbv  -4t»roK^aT0^a  &i6t>  [6  dii]fi[osr]  0  Kutftagi^itv  iuiitiigmin[vl 
inl  itv&\*itdTm>  [T<^e]^/<>i'  Ulavtlov  I^iXttvavof^  \A(\Xi[a\vov  ^  (ntiitlii^ivtog  [T]ipiQiov 
Klavdiov/ hQonXiovi  [rloö],  KvQtivtt/h^onX^ovg  '^(Jloxa^<rf«c'JO^' *.iv^yoi'?,  inov  n6Xe[tog]* 
\*gj.  WaddinfT^ou  Faste»  de^  provinceif  miatitpi^s  u.  85,  Prosop.  P  «^6B. 

8)  DarauA  ergibt  »ich  zugleit'b.  dai«  Plaufiu»»  8i)THfiüs  die  St»ttbaHer*ebiift  von 
Moeaia  fpät«tt€ni  im  J.  57  angctret^o  hat.  r>ie»er  Funkt  hat  eine  gtoav  Kontroverse 
bOTTOfgemfen.  Naeb  Horgbe*i  OeHvm  IV  2S0  (vgl  VIH  427)  hat  die  StalthaUer- 
ichafit  dra  Flautius  8ilvanui  »ichon  <*«.  55  angefangen,  nach  Henwän  Annuli  dtVt  imL 
1850,  14  ff.  erst  cu.  02.  Dio  letztere  Ansicht,  welche  auch  von  Mommisen  CIL.  111  p  1010 
uud  V.  DomanKCwaki  Wtein.  Mwt.  XLVII  il892}  210  f.  vertreten  wird,  Btüty.t  sich  ledig- 
lieh darauf,  duta  mit  der  moffna  pars  exercüu»  die  leg.  V  Maced.  geineint  sei,  wa» 
«ich  oben  al«  unrichtig  heraiugeiiteUt  hat,  Kine  Vermitt^lung  der  bi-iden  Aniichtrn 
bat  Dtfisau  CIL.  XIV  p.  894  veraicht,  indem  er  unter  ma^na  parn  exercitUM  auch  die 
leg.  y  Maced.  versti^htf  aber  deich  die  Stutthulterichaft  de««  Silvanut  im  J.  57  oder 
M>gar  früher  unBetzt  und  awar  deshalb,  weil  er  die  Stelle  der  lni»cUrift  (S,  IS'i:  per 
qttem  pacem  promnciar  ei  eonfinrnwU  ei  prütuUt  auf  die  Einsiehung  de«  üebiete» 
der  StadI  Tyra»  im  J.  5li/57  bezieht  (%gL  S.  4).  Gag»  diese  AuH'aMun^^  hut  aber 
y.  Domaasewiki  a.  a.  0.  Einspruch  erhoben,  doch  otina  htüfetclictiden  Grund,  Denn 
aacb  bei  der  AuffaMung  Des&uB  braueht  man  nicht  anzunebmenf  daai  die  römisehen 
Waffen  am  Bor>ftheuea  Halt  gemacht  haben.  Da  dir  ZUge  dei  Plautius  Silvanu»  in 
der  Intebrift  offenbar  uiclit  cbronolugiseh,  «oudern  geographisch  vom  Wei»ieu  uttcli  ÜBteo 
aufgezählt  werden,  »o  i«i  e«  ganz  In  der  Ordliling,  dasi  die  Erweitemng  der  Gr»»«zen 
Moesieni  erat  nach  der  Schilderujjg  der  Zilge  ausaiRmeii fassend  erwähnt  wird.  -~  Uo* 
haltbar  ist  die  Aiinahme  Waddti\gtons  Fnstfn  u,  S5,  dnse  FlaviuB  Sabinu»  Moe»ia  bi« 
zum  J.  5S  verwaltet  habe  und  dethalb  Plautius  Silvanu»  eni  nach  dem  *h  58  die 
Staithalt^ntcbaft  von  Moesia  Übernommen  haben  könne.  Taeit  Hut.  IlT  75  »agt  von 
Flavitia  Sabiiiufl  einffteb,  da«s  »eine  Suttbalterscbaft  7  Jahre  geda««»rT  hat.  Vgl, 
Pr<mp.  F  231. 


22 


Bo(fd(in  Mhu\ 


Olaiid./)  im  J.  69  aber  war  dort  nur  die  leg.  XI  (  laud.  (Tacit.  Hist  Uli; 
TTT  50),  die  \e^.  VII  Claud.  dagegen  war  schoo  iß  Moesia  (Tacit  Jlist, 
n  85).  Diese  Versetzoiig  der  Legion  riacli  Moesia  kann  -wegen  der  dal- 
matischen Inschriften  (S.  18  f.)  nicht  bald  nach  dem  J,  42  erfolgt  sein, 
sondern  erst  im  J.  ö2,  als  in  Moesia  nur  eine  Legion  geblieben  war. 
Demnach  standen  nach  dem  J,  62  in  Moesia  die  beiden  Legionen  VII  Claud. 
und  VIII  Aug.,  in  Dalmatia  nur  eine,  die  XI  Cland. 

Diese  Resultate  decken  sich  vollständig  mit  den  Angaben  des  Josephus 

hell,  lud,  II  16,  4  {§  368  ff.  Niese)  zimi  J.  66  nach  €hr;-)    O^^xig 

ovxi  dtg/tklotg'  Fwpiaimp  inaxotovmv  tpgovQolg;  ot  ö^anii  tovtwv  * JkXvQiot 
tiiV  fiix^i  jdctlttariag  änormvouiv^p*  I<5tq(^  xarotKOvrtBg,  ov  Svöiv  ^ovotg 
Tayuaüi  imixovaiVf  fi€i^'   wv  avroi  taq  Jaxmv  uvctxontQvmv  oQ^ag;  ot  äi 
tonavtdxig  ngog  ilivd^egiav  dva^aiTiGavieg  Jalfiarai  ......  »'vi'  ovx  i^f* 

ivi  fäyfiari  '  Pwfiamv  jjöv;(fav  ayovi^tv;  Nur  ist  diese  Steüe  oft  miSS- 
verstanden  wurden.  Man  hat  nämlich  gemeint,  dass  Josephus  unter 
VAAvpioi  auch  die  Pannonier  vei'stehe,  und  dass  deshalb  sowohl  Paunonia 
wie  Moesia  damals  je  eine  Legion  gehabt  haben  müssten.^)  Dass  das  nicht 
richtig  ist,  zeigt  schon  die  Erwähnung  der  Dalmatier,  die  doch  die  eigent- 
lichen Illyrier  im  engeren  Sinne  des  Wortes  waren.«)  Ferner  sagt  Josephus, 
dass  mit  diesen  zwei  Legionen  auch  die  Einfälle  der  Daker  zurückgehalten 
werden  mussten.  Nun  ist  aber  bekannt,  dass  die  Daker  die  Nachbarn 
nur  der  Moeser  und  von  Pannonia  durch  die  sarmatischen  Jazygen  ge- 
trennt waren,*)  so  dass  sie  Einfälle  nur  nach  Moesia  unternehmen  konnten. 

1)  Dio  LV  28,  4;  LX  15,  4  Boisaev.  Vgl  IH  2908  (Urs«.  2280).  9978  t  p.  2278 
(Dm$,  5958>.  2882.  12704. 

2)  Da»B  die  Angaben  dea  .losepbuä  richtig  Biod,  hat  Kulelzt  v.  DomaAzeiraki  Rhein. 
Mm,  XL VII  ri892)  207  ff.  geteigt.  Nur  die  acht  Legionen,  welche  nach  Joseph uft  da* 
mala  in  Cennania  gestandim  bab^o  sollen,  lassen  sich  nicht  nachweiBCti^  denn  die  leg,  X 
Gem.  stand  seit  dem  ,1  m  in  Pannonia.  Vgl.  Ritterling  liheht.  Mm.  LIX  (19041  $5ft., 
besonders  8.  60. 

8)  So  Pfitzner  S.  39.  154,  Ritterling  IHsa,  85. 

4)  Über  die  Bedeutung  des  Wortes  Illyricuna  im  Altertum  vgl.  Appiai»  TUtfv,  1: 
^[IXvQtoi^g  '*ElX7]vt:g  i)yovvTm  roi»?  vm^if  tt  Muntdoviav  xtcl  G^rtuttit'  dwö  JkvtovüiV  nal 
0§iffrffwtmv  inl  nota^^v*ht^ov\    Ebda.  6:  *P(oftatot  6h  ncd  tovßdt  xal  Ualot^ag  fV  aiftatii 

4^  ndrtctg  *IkXv^i4cc  ijyovptai  .  .  .  mai  th  tfXog  r^vät  toav  iO'vtäv,  &nb  ävieiovrog''I(fj^ov 

Vgl.  auch  8uet  Tib,  16:  Äe  perseverantiae  grande  pretium  ttäit,  toto  lUyrico,  quod 
irUer  lUdiam  regnwnque  Noricum  et  Thraciam  et  Maeedoniam  interque  Dnnnbium  flumen 
ei  sinmn  maria  Hadriatici  patet,  perdomito  et  in  ditionem  redacto.  In  späterer  Zeit 
gehört«  auch  Dacia  zu  lUjricum:  Trcbell.  Pollio  vit  tlaud.  15:  dttx  totius  lUtjrici. 
hahct  in  pottsiaiem  ThracwSf  Moesos.  iMimatas,  Ptinnonio»,  Daco9  exercitu9.  Von  der 
neueren  Literatur  vgl  besonders  CIL.  111  p.  279  und  Marqunrdt  1*  295f, 

5)  Darauf  hat  &chon  v.  Domaszew&ki  ühein,  Mus.  XLVll  211  bingcwie«en.  — 
Die  Jazjgeu  kamen  in  die  Theissebene  unter  den  Julischen  Kaisern,  zwischen  20  und 
50  n.  Chr.,  und  verdrängteu  von  dort  die  Daker^  deren  Grenze  früher  im  Westen  bis 
sfiuf  Donau  reichte.     Vgl  v.  l'remerätejn  (.Merr,  Jahresh,  VII  ^1904    227  mit  Aura»  52, 


Die  Legionen  der  Provinz  Moesia,  23 

Schliesslich  aber  zeigt  Josephas  selbst  sehr  deutlich,  was  er  mit  diesen 
IlXvQioi  meint,  denn  er  nennt  sie  äno  toiruiv  (d.  h.  tiHp  00qxwv)  fiixQ^ 
/lalfAuTiaq  anoTifivofiivriV  7arQ(p  xatoixovvxaq,  also  die  Bewohner  Moesiens, 
da  ja  die  Pannonier  ausserhalb  dieses  Gebietes  wohnten. 

Wie  V.  Domaszewski^)  aus  den  Worten  des  Tacitus  Ann.  Xni35: 

legio cum  equitibus  alariis  et  peditatu  cohortium  erschlossen  hat, 

war  mit  der  Versetzung  der  leg.  IV  Scyth.  nach  Syria  eine  dauernde 
Verstärkung  des  syrischen  Heeres  beabsichtigt.  Tatsächlich  ist  diese 
Legion  für  immer  in  Syria  geblieben.  Die  leg.  V  Maced.  dagegen,  wenn 
auch  nach  Syria  abkommandiert,  gehörte  eigentlich  noch  immer  zu  dem 
Heere  von  Moesia.  So  sollte  man  erwarten,  dass  nach  Einstellung  der 
Feindseligkeiten  gegen  die  Parther  diese  Legion  wieder  nach  ihrer  Provinz 
zurückgekehrt  wäre.  Aber  dem  parthischen  Kriege  folgte  der  Aufatand 
der  Juden,  für  dessen  Niederwerfung  auch  die  leg.  V  Maced.  bestimmt 
wurde.*)  Weil  dadurch  ihre  Abwesenheit  sich  noch  mehr  verlängert  hat,') 
wurde  an  ihre  Stelle  die  leg.  III  Gall.  im  J.  67  nach  Moesia  geschickt,*) 
da,  wie  wir  sahen,  zw  ei  Legionen  auf  die  Dauer  in  Moesia  nicht  genügten. 

IV.  Die  grossen  Stürme  des  J.  69  haben  ihre  Einwirkungen  bis 
nach  der  unteren  Donau  geltend  gemacht  und  die  darauf  folgenden 
Bürgerkriege  auch  die  Donaulegionen  dazu  gereizt,  über  die  Geschicke 
des  Staates  zu  entscheiden.  Aus  Tacitus  Eist  I  9  geht  hervor,  dass 
schon  vor  dem  Tode  Neros,  sei  es  einzelne  illyrische  Legionen,  sei  es  nur 
von  ihnen  detachierte  Truppen  nach  Italien  geholt  worden  waren,  welche 
aber,  statt  den  Thron  Neros  zu  schützen,  mit  dem  Statthalter  von  Ger- 
mania superior  L.  Verginius  Ruf us  Verhandlungen  angeknüpft  haben.  Ob 
die  mösischen  Legionen  dabei  beteiligt  waren  und  in  welchem  Umfange, 
lässt  sich  nicht  sagen.*)    Jedenfalls  müssen  die  bei  Tacitus  erwähnten 


1)  Bhein.  Mus.  XLVIl  (1892)  216,  1. 

2)  Vgl.  Joseph.  beU.  Jud.  III  1,  2;  IV  1,  3;  V  2,  3;  VII  1,  3  und  öftere.  Ein 
Centurio  der  leg.  V  Maced.  hat  sich  in  diesem  Kriege  die  dana  müitaria  verdient 
(VI  3580  =  DesB.  2641).  Vgl.  auch  XI  390  (vgl.  391)  —  Ariminum  -  . . .  mil  kg. 
V  Macedan,,  7  ieg,  eiusd,,  7  leg.  eiusd.  II j  7  leg,  VI  VictriciSf  7  leg.  XV  ApoUinar., 

pHm.  leg.  XII[I]  Gemin.,  donis  donato  ab  imp.  Vespasiano  Aug.  beüo  Judaico.  Der 
betreffende  ist  entweder  in  der  leg.  V  Maced.  oder  in  der  leg.  XV  ApoU.  dekoriert 
worden,  da  die  übrigen  Legionen,  in  denen  er  gedient  hat,  an  dem  Kriege  nicht  be- 
teiligt waren  (vgl.  Tacit.  Eist.  Y  1).  Man  wird  sich  aber  eher  für  die  erstere  Legion 
entschliessen ,  da  auch  das  Avancement  innerhalb  der  leg.  Y  Maced.  als  eine  Aus- 
zeichnung in  demselben  Kriege  betrachtet  werden  kann  —  Bei  dem  Zustande,  in  dem 
sich  die  orientalischen  Legionen  immer  befunden  haben,  ist  es  durchaus  nicht  auffallend, 
dass  gerade  die  illyrischen  Legionen  V  Maced.  und  XY  Apoll.  fUr  die  Bekämpfung 
des  Aufistandes  bestimmt  wurden. 

3)  Sie  kehrte  erst  im  J.  71  nach  Moesia  zurück.     Joseph,  bell.  Jud.  Vll  5,  3. 

4)  Ygl.  S.  8,  3. 

5)  Tacit.  Hist.  19:  quies  et  lUyrico,  quamquam  excitae  a  Ncrone  legiones,  dum 
in  Italia  cxnictantur ,    Verginium  Icgationibus  adisseut.     Es  ist  unmöglich  mit  Pfitzner 


24  Bogdan  Filow, 

Truppen  schon  gleich  nach  dem  Tode  Neros  und  der  Proklamierung  Galbas 
nach  ihren  Provinzen  zurückgekehrt  sein. 

Doch  auch  die  Erhebung  Galbas  hat  den  Bürgerkriegen  kein  Ende 
gemacht.  Die  germanischen  Legionen  haben  Vitellius,  die  praetorianischen 
Kohorten  Otho  zum  Kaiser  ausgerufen,  dem  letzteren  haben  auch  die 
Donaulegionen  den  Eid  geleistet,^)  und  so  nahmen  die  Bürgerkriege  mit 
der  Ermordung  Galbas  am  15.  Januar  des  J.  69  ihren  Fortgang.') 

Inzwischen  hatten  die  ßoxolanen,  ein  sarmatischer  Stamm,  welcher 
nördlich  von  der  Donaumündung  wohnte,  im  Winter  68  auf  69  einen 
Einfall  in  Moesia  gemacht.«)  Tacitus  spricht  von  Vernichtung  von  zwei 
Kohorten.  Darunter  sind  nur  Auidliarkohorten  zu  verstehen,  denn  bei 
dem  Zusammentreffen  mit  der  leg.  in  Gall.  wurden  die  ßeiterscharen 
der  Barbaren,  9000  Mann,  wenn  auch  durch  einen  Zufall,  vollständig 
aufgerieben.  Obwohl  dieser  Erfolg  nur  der  leg.  ni  Gall.  und  ihrem 
Legaten  T.  Aurelius  Fulvus  zu  verdanken  war,  hat  Otho  doch  gleich 
die  Gelegenheit  benützt,  auch  die  Legaten  der  beiden  anderen  Legionen 
auszuzeichnen,  und  dem  Statthalter  von  Moesia  M.  Aponius  Satuminus 
sogar  eine  Triumphalstatue  verliehen,  wie  Tacitus  sagt,  laeto  Othone 
et  gloriam  in  se  trahente,  tamquam  et  ipse  felix  hello  et  suis  ducibtis 
suisque  exercitibus  reyn  puhlicam  auxisset^)  Man  ersieht  zugleich  daraus, 
dass  damals,  im  Anfange  des  J.  69,  alle  drei  mösischen  Legionen  in  ihrer 
Provinz  waren  und  dass  die  Donaugrenze  noch  immer  nicht  genug  befestigt 
war,  um  solche  Einfälle  der  Barbaren  zu  verhindern. 

An  der  Schlacht  bei  Bedriacum  (April  69)*)  haben  sich  die  mösischen 
Legionen  nicht  beteiligt,  denn  ihre  Truppen  waren  zu  dieser  Zeit  noch 
nicht  in  Italien  angekommen  (Tacit.  Kist  II  32).  Aber  auch  dieses  Mal 
waren  nicht  die  ganzen  Legionen  unterwegs,  sondern  nur  je  2000  Mann 
von  ihnen. ^)  Wenn  Tacitus  {Hist  n  85)  von  drei  mösischen  Legionen 
spricht,  so  sind  darunter  nur  diese  drei  Abteilungen  zu  verstehen,  denn 
man  wird  an  eine  völlige  Entblössung  der  Provinz  um  so  weniger  denken, 
als  Otho  schon  ohnedies  eine  grosse  Truppenzahl  an  seiner  Seite  hatte. 
Jedenfalls    verweigern   nach  dem   Tode   Othos   die   mösischen    lYuppen 


S.  154  aus  diesen  Worten  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  damals  aUe  mösischen  Legionen 
nach  Italien  gekommen  waren.  Höchstens  sind  es  nur  einzelne  Abteilangen  von  ihnen 
gewesen,  wie  auch  im  J.  69  die  mösischen  Legionen  je  2000  Mann  dem  Otho  nach 
Italien  geschickt  haben  (Suet.  Vesp,  6).  Bei  Tacitus  findet  sich  auch  sonst  für  Legions- 
abteilungen der  Ausdruck  legiones;  vgl.  Hist.  1130;  III  22. 

1)  Tacit.  Hist.  1  76. 

2)  Tacit   Hist.  I  41. 

3)  Tacit.  Hist.  I  79. 

4)  Ebda. 

5)  Mommsen  Hermes  V  (1871)  161—163. 

6)  Suet.  Vesp.  6:  Moesiaci  exercitus  bina  e  trihus  legionihus  miliar  misaa  auxüio 
(Moni. 


Die  Leffionen  dn*  Prumtiz  Mot^ut, 


25 


lern  \  itelliiis  dea  Gehorsam  und  betragen  sich  bei  Aquileia  wie  im 
Feindesland;»!  sie  sind  jedoch  bald  darauf  in  ihni  Provinz  zurück- 
gekehrt. 

Nach  allen  diesen  Vorgängen  ist  ea  selir  begrreiflich,  dass  die  Donau- 
legionen mit  der  Einsetzung  des  Vitellius  zum  Kaiser  gar  nicht  zufrieden 
sein  konnten  und  um  80  lieber  sieh  für  Ve.spasian  erklärten,^)  der  am 
1,  Juli  69  in  Alexandria  zum  Kaiser  ausgerufen  wurde.^  In  dem 
Kriegsrate  zu  Poetovio,.  dem  Winterlager  der  leg,  XIIl  Gemina,  haben 
sich  die  P^ührer  der  Legionen  entschlossen,  hauptsächlieh  durch  Antonius 
Primus  dazu  veranlasst,  sogleich  nach  Italieu  zu  gehen ^  ohne  die  An* 
kunft  der  orientalischen  Legionen  abzuwarten.*)  Auch  M.  Aponius  Sa- 
turninus,  der  Statthalter  von  Moesla,^)  wurde  benachrichtigt  sich  mit 
seinen  Legionen  zu  beeilen,^)  So  haben  alle  drei  mösLschen  Legionen, 
abgesehen  von  den  Besatzungen  der  Lagei^plätze  ,^  im  Herbst  des  J.  69 
ihre  Provinz  verlassen.  I>ie  persönlichen  Interessen  und  der  Ehrgeiz 
der  Einzelnen  ging»  wie  so  oft,  auch  die^ses  Mal  über  die  Interessen  des 
Staates.  Die  Teilnahme  der  mösischeu  Legionen  an  den  Kämpfen  gegen 
die  Vitellianer  im  einzelnen  zu  verfolgen,  liegt  nicht  im  Rahmen  luisei^er 
Aufgabe. 

Die  Legionen  III  GalL  und  VUI  Aug,  sind  nie  wieder  nach  Moesia 
gekommen;  die  eine  kehrt**  aus  Italien  nach  ihrer  alten  Provinz  Syria 
zurück,**)  die  andere  ist  an  den  Rhein  ver'setzt  worden.  Vou  ihnen  sind 
in  Moesia  bis  jetzt  noch  keine  Spuren  gefunden  worden.  Die  leg.  III 
Galt  kommt  allerdings  auf  z^ei  mösischeu  GrabJ^teinen  vor,  aber  diese 
Grabsteine  haben  mit  dem  Aufenthalte  der  Legion  in  Moesia  nichts  zu 
tun.  Der  eine*)  stammt  sicher  erst  aus  di*m  4,  Jahrb.,  als  die  leg,  III 
Gall.  ihr  Haupttjuartier  in  Dauaba  bei  Dama&ku.s  hatte,  ^<*)  womit  dann 
auch  das  Christenemblem  auf  der  Inschrift  stimmen  würde.  Auch  der 
zweite,  erst  neuerdings  in  Viminacium  gefundene  Grabstein'*)  stammt, 
wie  schau  aus  dem  Beinamen  der  Legion  zu  erselien  ist.  erst  aus  dem 


2)  TacJt  Hi$t,  11  85,  Buet,   Fetp.  6;  vgl.  Tacii.  Ifwrt.  II  60.  7i. 
S)  Tiicit.  UiBt.  n  79. 

4)  Tiicit.  Hüft,  IH  1— 3, 

5)  Vgl.  TacU.  /fi«/    I  79;  U  85. 

6)  Tftcit.  Hist.  in  5. 

7)  DuB  gfht  mu  Tueit.  Üiät.  HI  46  hervur, 

8)  T«cit.  WM.  IV  3^. 

9)  III  755  r  p.  ^3  t  p*  l^^  —  AiÄiniun  (Nicopol)  —  J^  |  bonan  memoriae  |  Awrt* 
Hat  Marcd\linae  Otsc.  pientijtsimae  \  f  hai^ns  ifa  liberorum^  fiUae  |  q(ucn)d\(nn)  Maf' 
ceUini  ex  praef.  Ug.  111  \  Gallkae  l^navm  Dama^cOt  I  quat  vtxit  nim*  L^  |  TurrantH* 
humum  praeibttter  cQniugt  benae  merita^  \  mcmmiam  ef  Hbi  ^^vm)  fifleiij, 

10)  Not,  dign.  or  XXXII  31. 

11)  tkterr,  Jahrtsh  VIII  (1905)  BHbt.  6  n.  l4=^Hev.  artMol.  1005  tl  p.48^D.  1^7 
—  ViaüfiEcittm  —  Valerine  Hilttrae  ,  M.  Aurcl(iu8)  IVmofi  7  |  Us0.  III  Oali  S(tiPenanat) 
AlUxandrianac)  c(m\iu{fi  pii4simf  '>lc    poi(juit). 


26  BogihtN  Füow, 

3.  Jahrh.    Diese  zwei  Grabsteine  sind  nur  ein  Zeugnis  für  den  regen 
Verkehr  zwischen  dem  Orient  und  den  Unterdonauländem. 

Wichtiger  ist  eine  Inschrift  aus  Viterbo  (XI  3004  =  Dess.  1002X 
auf  der  die  leg.  VIII  Aug.  bis  Aiigmta  genannt  wird.  Wie  v.  Domas- 
zewskiO  gezeigt  hat,  muss  die  leg.  VIII  Aug.  sich  diese  Auszeichnimg 
während  der  Züge  des  Plautius  Silvanus  (vgl.  S.  13)  erworben  haben. 


§  8.    Die  mösischen  Legionen  von  der  Schlacht 
bei  Cremona  bis  zur  Teilung  der  Provinz« 

Durch  die  Erhebung  Vespasians  zum  Imperator  wurden  auch  die 
bis  dahin  an  den  Bürgerkriegen  noch  unbeteiligten  Legionen  des  Ostens 
in  den  Kampf  hineingezogen,  die  Donauprovinzen  waren  fast  vollständig 
von  ihrem  militärischen  Schutze  entblösst.  Obwohl  in  dfem  Kriegsrate 
zu  Poetovio  gewisse  Massregeln  zum  Schutze  dieser  Provinzen  getroffen 
wurden,*)  konnte  das  doch  nicht  verhindern,  dass  die  Daker,  die  Ab- 
wesenheit der  Legionen  benützend,  einen  Einfall  in  Moesia  machten 
und  die  schwach  besetzten  Winterlager  der  Auxiliartruppen  eroberten.«) 
Schon  schickten  sie  sich  an  auch  die  Legionslager  zu  erstürmen,  als 
gerade  der  Statthalter  von  Syria  Licinius  Mucianus,  der  mit  der  leg.  VI 
Ferrata  und  IZQOQ  veodllarii  der  anderen  orientalischen  Legionen*)  nach 
Italien  marschierte,  in  Moesia  ankam  und  die  Eindringlinge  wieder  ftber 
die  Donau  zurückwarf.^)  Aber  dass  auch  er  seine  Truppen  nicht  in 
Moesia  zurückliess,  sondern  mit  sich  nach  Italien  führte,  sagt  Josephns 
hell,  Jiid.VJ  1,  4:  iiixä  rfjg  arpanäg  ntauai^) 

Sobald  die  Entscheidungsschlacht  bei  Cremona')  geschlagen  war, 
sorgten  die  führenden  Persönlichkeiten  für  die  Wiederbesetzung  der  ver- 
lassenen Provinzen,  um  so  lieber,  als  sich  dabei  die  Gelegenheit  bot,  die 
besiegten  germanischen  Legionen  aus  Italien  zu  entfernen.®)  Das  waren, 
abgesehen  von  den  Abteilungen  anderer,  die  vollen  Legionen  I  Italica, 

1)  mein.  Mus.  XLVII  (1892^  212  f. 

2)  Vgl.  Tacit.  Hi9t.  in  5. 

3)  Tacit.  HiBt  III  46. 

4)  Joseph,  bell  Jud.  V  1,  6;  Tacit.  Eist.  II  83, 
5    Tacit.  Eist.  III  46. 

6)  In  Moesia  siud  bis  jetzt  gar  keiue  Spuren  gefunden,  aus  denen  man  auf  eineo 
längeren  Aufenthalt  dieser  Truppen  schliessen  könnte.  Die  Inschrift  aas  Troeamis 
III  6191:  D(i8')  m(anibu8)  \  [Jüjliae  Urbi\[cae  f]iliae  \  [G.  Juli]  Anto\n%n%  7  Ug.  XII 
Fulj  G.  Julius  I  Theseus  Hber(tu8)  \  Antonini  op  pi\etate  (sie)  faeere  \  euravü  gebort, 
wie  schon  der  Fundort  zeigt,  erst  dem  zweiten,  vielleicht  sogar  dem  dritten  Jahr- 
hundert an. 

7)  Vgl.  über  diese  Schlacht  Mommsen  Hermes  V  (1871)  169—173. 

8)  Tacit.  Eist.  III  35.;  46. 


lyw  Lcyiofu'H  dt'i'  Provinz  Mocsia. 


27 


\*  Aluudae.M  XXI  Kapax  und  XXTI  Pilmigenia.^  Die  le-sr.  XXI  IU\k 
wurde  nach  Viüdonissa  icurückbeordert,^)  die  übrigen  drei  nach  IllyriciiTn, 
d.  k  Pannonia  und  Moesia,  geschickt,*)  Wie  sie  im  einzelnen  verteilt 
waren,  ist  uns  nicht  überliefert.  Die  leg.  I  Ital.  kam  jedoch  sicher  nach 
tfoesia;^)  auch  die  leg,  V  Alaud.  kann  damals  nur  nach  Moesia  gekommen 
seiJi  (S.  3^^  ty  Deshalb  muss  die  leg.  XXIT  Primig.  zunächst  nach  Pannonia 
geschickt  worden  sein,  von  wo  sie  bald  nach  Germania  superior  zurück- 
kehrte.**) Beuchel^  nimmt  allerdings  an,  dass  alle  drei  Legionen  nach 
Moesia  geschickt  worden  seien,  indem  er  sich  auf  den  bald  erfolgten 
Einfall  der  Sarraaten  im  Anfang  des  J.  70  (S.  31  f.)  beruft  Aber  als 
die  Schlacht  bei  Cremona  im  Oktober  t>9*)  gej^chlagen  wurde,  konnten 
die  römischen  Heerführer  diesen  Einfall  nicht  wohl  voraussehen,  mn  alle 
verfügbaren  Truptren  nach  Moesia  abzusenden  und  Pannonia  auch  weiter 
ohne  Besatzung  zu  lassen.  Ausserdem  hätte  Tacitns,  wären  tatsächlich 
alle  drei  Legrionen  nach  Moesia  geschickt  wonlen*  sie  kaum  als  di^perme 
bezeichnen  können,  Ks  ist  deshalb  anzunehmen,  dass  zunächst  nur  die 
beiden  Legionen  I  Ital.  und  V  Alaud.  nach  Moesia  geschickt  wurden.  Sie 
sind  dort  wahrscheinlich  schon  im  November  60  angekommen,  und  zugleich 
hat  auch  Fonteius  Agripi>a,  bis  dahin  Prokonsul  von  Asia.  die  Statt- 
haltei'schaft  von  Moesia  übernonimen.  ^) 

Die  endgültige  Verteilung  der  Legionen  konnte  erst  nach  der  Ein- 
nahme Roms  durch  die  Vespasianer  im  Dezember  69  erfolgen.  R^  ist 
selbstverständlich,   dass  eine    ganz  neue   Verteilung  der   Legionen    vor- 


1)  Zur  Schreibung  vgl.  Cicboriu«  bt*i  Pnuly-Wisftowjii  1  1295. 

2)  Tucit.  fliät.  n  100;  vgl.  II  Ö9,  11122;  l'fitiner  8.  62,  Ritterling  lJü$.  m, 
V.  Df)inius«*w9ki  ArcK-rpitfr.  Mitt.  XV  100,  Weicbert  Uestci  ZHUehr.  XXI  151,  Bcucbel 

S)  Dm  gebt  au»  Tacit.  fM.  IV  70  (vgl.  tV  68]  hervor.  W^nti  die  leg,  XXl 
Hh\},  \on  Vtndoiiiiiaa  her  noch  vor  den  tu  Italien  Mch  auflialteudeu  Levrioueri  nU  emtr 
gegen  Civilis  vorrückt  (Taeit.  HtMt.  IV  70.  »n  kaim  »ie  toswbchen  nicht  nach  lilyricurn 
verlegt  worden  lein. 

4)  Tacit*  n*i(1  IM  35;  VHtar  ktponr^ ,  ne  mantntt  adhuc  eiviU  beUo  amhitfue 
it^erent,  per  JU^tictm  tiisperme,  VgK  111  4ß.  Zu  lllvrieiiin  geborte  nach  Tacitu« 
Bist  176^  11  86  iiucb  DaUiiatia-  Dn  aber  diei**  letiten?  keior  (irenxprovin»  war,  §0 
kann  sie  bei  dleter  Verteiluog  der  Legionen  nicht  in  Betracht  kommen. 

5)  Vgl.  Beuche!  rHss,  88  iq.  69. 

6)  Vgl  aucli  PfiUner  8   «2.  146,271,  RittcrHuj?  Ührm    Mu^   LIX  (1904j  61  f. 

7)  Diu,  R6. 

8)  Mommsen  Hnmrn  V  (1871 1  Ifil    Bruchti  i>i>if  llfi  8<|. 

^  Tacit  llist.  III  46 :  FonttiHM  Agrippa  ex  Amt  {pro  ronnttlr  tarn  provinciam 
autiHO  intperto  tmucrai)  Mamar  praepusüwt  e«i^  additis  cöpiit  r  VittUiann  exereitu, 
d.  h.  den  Legionen  1  Ital.  und  V  Alaud.  Wie  aas  dtettetn  Kapitel  des  Tucitu»  deutlich 
hervorgeht f  war  die  Schlacht  bei  Crt>niuna  «ohon  ge«chlagen,  ala  Mucianut  ilie  Dnker 
Kurückwarf.  Diese»  Ereignis  tlllt  alM)  in  den  Anfang  Kövemben»  60.  Bii»  suni  ^cblu»«»^ 
dieies  Monat»  wenien  «iuch  dio  bet»iegtt!ti  viteniatiischen  l^gioneti  in  Moe«ia  Htigekottimen 
«ein.  I)e«»halb  wird  FonieiUÄ  Agrippa  die  Htaltlialtorscimft  vmi  Moeala  »ehwerlieh  vor 
De«eiiil»er  61*  iit»ernomfnr»ii  habün. 


28  Bogdan  Filow, 

genommen  werden  musste  und  dass  nicht  wieder  dieselben  Legionen  in 
die  einzelnen  Provinzen  znrückyerlegt  werden  konnten,  in  denra  sie 
früher  gestanden  hatten.  Um  zn  sehen,  welche  Legionen  für  Moesia 
bestimmt  wurden,  denn  nur  zwei  Legionen  konnten  dort  auf  die  Dauer 
nicht  genügen,  ist  es  notwendig,  da  sich  dabei  einige  Schwierigkeiten 
herausstellen,  die  Schicksale  der  nach  Italien  zusammengeströmten  Legionen 
etwas  genauer  zu  verfolgen. 

Nach  dem  Abzüge  der  vier  vitellianischen  Legionen  I  Ital,  V  Aland^ 
XXI  Eap.  und  XXII  Primig.  (S.  27)  blieben  noch  in  Italien  ^  abgesehen 
von  den  Praetorianern  und  einzelnen  Legionsabteilungen,  die  pannonischen 
und  mösischen  Legionen :  in  Gall.,  Vn  Galb.,  Vn  Claud.,  Vm  Aug.  und 
XIII  Gem.,  welche  die  Schlacht  bei  Cremona  mitgemacht  hatten.^)  Bald 
kam  auch  die  dalmatische  leg.  XI  Claud.  hinzu,  ^)  ebenso  brachte  Mudanus 
seine  syrische  leg.  VI  Ferr.  mit.*)  Es  befanden  sich  also  in  Italien  die 
Legionen:  IH  Gall.,  VI  Ferr.,  VH  Claud.,  VII  Galb.,  VHI  Aug., 
XI  Claud.  und  Xni  Gem.,  ausserdem  die  neuerrichtete  n  Adiutrix.*) 
Nach  der  Ermordung  des  Vitellius  und  der  Anerkennung  Vespasians,  als 
das  Ziel,  für  welches  alle  diese  Truppen  nach  Italien  gebracht  waren, 
erreicht  war,  mussten  natürlich  diese  acht  Legionen  Italien  wieder  räumen. 
Schon  bald  nach  dem  Eintreffen  des  Mucianus  in  Rom  wurde  die  leg.  YU 
Galb.  nach  Pannonia  versetzt,  um  dadurch  die  Hauptstütze  des  Antonius 
Primus  zu  beseitigen,^)  ebenso  bekam  die  leg.  HI  Gall.  den  Befehl,  sich 
in  ihre  alte  Provinz  Syria  zu  begeben.«)  Auch  die  leg.  VI  Ferr.,  welche 
Tacitus  nicht  mehr  erwähnt,  ist  wahrscheinlich  zu  derselben  Zeit  mit 
den  anderen  syrischen  vexillarn  nach  Syria  zurückgekehrt^  In  Italien 
blieben  also  im  Anfang  des  J.  70  die  fünf  Legionen:  VH  Claud.,  Vm  Aug., 
XI  Claud.,  Xm  Gem.  und  H  Adiutr. 

Damals  erklärte  Civilis,  der  bisher  seine  wahren  Absichten  unter 
dem  Vorwand,  die  Sache  Vespasians  zu  vertreten,  verborgen  hatte,  den 
Krieg  gegen  Rom.^)  Für  seine  Bekämpfung  wurden  nicht  nur  die  in 
Italien    versammelten   Legionen    sondern    auch    die    aus    Hispania    und 

1)  Tacit.  Eist.  UI  21. 

2)  Taoit.  Eist  IH  50. 

3)  Tacit.  Eist.  II  88. 

4)  Die  I  Adiutr.  wurde  schon  nach  der  Besiegung  Othos  von  Vitellius  nach 
Hispania  geschickt.    Tacit.  Eist.  U  67,  vgl.  II  86;  IIE  44. 

5)  Tacit.  Eist.  IV  39 :  igitur  MtunanuSf  quia  propdlam  opprimi  Antonius  nequibat, 
muUis  in  senatu  laudibus  cumulatum  secretis  promissis  onerat,  citeriorem  Eispaniam 
ostentans  discessu  Cluvii  Ruft  vactuim.  Dein  postquam  inanem  animum  spe  et  cupidint 
impleveratf  vires  abolet  dimissa  in  hiberna  legione  septima,  cuius  flagrantissimus  in 
Antonium  amor. 

6)  Tiicit.  Eist.  lY  89  :  tertia  legio,  familiaris  Arrio  Varo  miles,  in  Suriam  remissa. 
Sie  war  zuerst  nach  Capua  geschickt  (Eist.  IV  8),  und  deshalb  ist  es  sehr  möglich, 
dass  sie  zur  See  nach  Syria  zurückkehrte. 

7)  Vgl.  auch  Beuchel  Diss.  51. 

8)  Tacit.  Eist.  TV  54, 


Dir  Leifionfif  drr  l*i'()tihi  Afoemi, 


29 


Britaunia  bp^tinirat.  irerade  hier  fängt  die  Schwierigkeit  an,  denn  die 
Nummern  der  leffitmes  iricMces^  die  aas  Italien  gegen  Civilis  ges*_'-hickt 
wurden,  stehen  zwar  bei  Tacitus  Eist.  IV  68,  sind  aber  in  den  Hand- 
schriften so  entstellt,  dass  man  mit  die^r  Stelle  zunäcitst  nicht  viel 
anfangen  kann.  Nur  in  einem  Punkte  sind  die  verschiedenen  Heraus- 
geber einig,  nämlich  dass  sieh  darunter  die  leg.  VTII  Aug,  und  XI  Claud, 
befanden,*)  wie  ja  in  der  Tat  diese  zwei  Legionen  auch  später  In 
Germania  geblieben  sind.  Die  Züge  der  mediceischen  Handschrift  aber 
weisen  bestimmt  drei  Zahlen  auf:  iiim  jr;  tmj,  also  noch  eine  der  beiden 
übrigen,  VIT  Claud.  oder  XIII  Gem.,  war  dabei  mitgeraeint.  Welche  der 
beiden  aber,  ist  um  so  schwerer  zu  entscheiden,  als  lediglich  eine  zeit- 
weilige VersetiEung  nach  Germania  in  Frage  kommt*  Denn  bald  darauf 
finden  wir  die  beiden  in  Betracht  kommenden  Legionen  in  iliren  alten 
Provinzen,  die  VII  in  Moesia,  die  XIII  in  Pannonia. 

Die  Stelle  der  mediceischen  Handschrift  will  Pfltzner^)  in  VII  Ol, 
XI,  VIII  auflösen,  während  Mommsen»)  die  Legionen  VIII.  XI,  XUl 
darin  sieht.  Wir  wollen  die  beiden  Lesarten  näher  betrachten,  zumal 
Mommsen  seine  Konjektur  durch  keine  Gründe  stützt,  weshalb  sie  auch 
keine  Anerkennung  gefunden  hat. 

Die  Lesart  Pfltzners  erregt  zunächst  dadurch  Bedenken,  dass  die 
fBJltaigende  Reihenfolge  der  Legionsnummern  verletzt  wird.  Denn  es 
sdbefnt,  dass  bei  Aufzählung  einzelner  Legionen  im  Altertum  die  auf- 
steigende Reihenfolge  wenigstens  so  konsequent  durchgeführt  wurde,  wie 
heutisutagc.  Das  ist  nicht  nur  bei  Tacitus  selbst  fast  überall  der  Fall/) 
sondern  auch  auf  den  Inschriften,*)     Auch  Cassius  Dio  LV  23  hat  bei 

1;  Deihnlb  briogcn  mich  die  Auagabea  nar  diene  «wel  Legionea.  Auch  die  leg* 
U  Adiutr.  giüg  uuch  GermtLniB^  da  sie  aber  nicht  *ru  d«n  lefjinntia  victrirfn  gehcVrtc, 
lAt  iie  bei  TiiciIuä  Hiät,  IV  68  getrennt  von  dieftcni  erwjümt. 

2)  A.  a.  O.  8.  6Ö  f.  Diem  Lesari  huben  aut-h  8ehin<*r  l  504.  5,  Ritterling  W&ttd, 
Z4itschr.  XII  (18031  llOfI'  und  Beuchol  IHän.  47  sq.  vtirteidigt.  Die  älteren  Lesarten 
dieier  Stelle  dud  aus  vtTH'hiedeQeD  CSründen  untnügUeb;  vgl.  Ritterling  a.  a,  0. 

8)  Hermes  XIX  (1884)  440,  1;  vgl  »eine  It  G.  V  U5/l. 

4}  Bei  Tacitus  kommen  im  |,runzi«n  88  FUlle  vor,  wo  bei  Anfkäbluiig  von  xwet  oder 
mehreren  Legionen  die  aufatoigende  Reihenfolge  beibehalten  wird:  Ann.  128.81.37 
(S  Mal).  89.  42.  45,  70;  XIV  H7;  XV  6  (2  Mal).  7  26;  HisL  1  18,  55  3  Mal).  Sri;  11  IK 
100  (2  Mal);  HI  7.  10.  18.  14.  27.  29;  IV  35.  80.  37;  V  L  14.  Aii*nahmeD  finden  liob 
nur  an  sechs  Stellen  ^  die  ich  wortlieh  aniiihre:  Ann.  I  31:  unetmcesimanti  quintani»- 
que;  Ann.  XV  26:  sextam  ac  tertiam;  Ilist.  II  67:  undeeuma  ac  itptma;  Hi^L  11  inO; 
unaetvicenfiima  lUipax  et  prima  Italien:  Mist,  ffl  44:  decumam  quoque  ac  i^tartnm; 
IliMt.  y  1 :  duoeivicen»imano»  teriiatwitquf.  Zu  beacbteti  Ut  jedoch^  da^s  an  alten  »tecbs 
Stellen  nur  je  zwei  Legionen  emühut  werden,  während  es  in  unserem  Falle  sich  urn 
drei  Legionen  handelt.  —  Natürlieh  kommen  «olche  Fälle,  wo  die  Aufzählung  der 
Legionen  durch  die  Manseh-  <ider  Schi  ach  toninung  bedingt  ist,  nicht  in  Betracht,  sei 
Am.  I  M.  64;  Xlll  38.  40;  Hut  U  24.  43;  m  2L  22. 

b)  Vgl  t,  B,  III  13  813b  (Üess.  2281),  lU  290«  (Des«,  2280)^  X5821>,  XIV  8602 
(Dcstt  i>50)  u.  s,  w.  Ferner  die  Ziegel  aus  Mirebe^iu  D»»8«.  2285,  wo  ftlnf  Legionen  naeh- 
oinander  zu  IcÄen  sind,  und  die  Inschrift  aus  Baalbek,  Sitz  -Ber.  der  Btrlinrr  Akad. 
1903  S,  817  ^  Bev.  arcMd.  1908  II  p,  467  n.  868,  in  der  acht  Legionen  in  auftteigen- 


30  Bogdan  Filow, 

der  Aufzählung  von  Legionen  an  dieser  Regel  festgehalten.  Nur  wenn 
eine  Legion  bei  Tacitus  einen  Beinamen  fährt,  wird  sie,  wie  auch 
Ritterling  0  bemerkt  hat,  zuletzt  aufgeführt,  auch  wenn  sie  eine  kleinere 
Nummer  hat  ^)  und  nicht  zuerst,  wie  in  der  Konjektur  Pfitzners.  Gerade 
an  dieser  Stelle  eine  doppelte  Ausnahme  von  dem  sonstigen  Sprach- 
gebrauch des  Tacitus  anzunehmen,  scheint  mir  unzulässig. 

Die  Lesung  Mommsens  dagegen  ist  nicht  nur  aus  diesen  formalen 
Gründen  viel  wahrscheinlicher,  sondern  stimmt  auch  allein  mit  der  da- 
maligen und  sich  bald  darauf  ergebenden  Stellung  der  Legionen  nberein. 
Beide  Legionen,  Vn  Glaud.  und  Xin  Gem.,  mussten  nach  Beendigung 
der  Bürgerkriege  von  Italien  entfernt  werden,  und  es  ist  nur  die  Frage, 
welche  der  beiden  nach  ihrer  Provinz  zurückkehren  und  welche  gegen 
Civilis  gehen  sollte.  Nun  haben  wir  gesehen,  dass  sich  zu  dieser  Zeit  in 
Moesia  nur  zwei  Legionen,  I  Ital.  und  V  Aland.,  befanden  (S.  27), 
während  sonst  dort  drei  Legionen  zu  stehen  pflegten.  In  Pannonia  da- 
gegen, wo  seit  Claudius  nur  zwei  Legionen  standen,*)  befanden  sich  schon 
die  leg.  XXn  Primig.*)  und  die  leg.  VII  Galb.*)  Aus  diesem  Grunde 
scheint  mir,  dass  nicht  die  leg.  VII  Claud.,  sondern  die  XTU  Gem.  nach 
Germania  mitgenommen,  die  erstere  dagegen,  wie  sich  auch  sonst  nach- 
weisen lässt,^)  gleich  in  ihre  Provinz  Moesia  zurückgekehrt  ist 

Dann  ist  es  bekannt,  dass  die  leg.  XXII  Primig.  sowohl  vor  wie 
nach  den  Bürgerkriegen  in  Germania  stand.^  Wenn  sie  zeitweilig  nach 
Pannonia  versetzt  wurde,  so  geschah  das  nur  mit  der  Absicht,  ne  manente 
adhuc  dvili  hello  ambigue  agerent,  wie  Tacitus  Hist  HL  35  sagt.  Dagegen 
stand  die  leg.  XIII  Gem.  wie  vor,  so  auch  nach  den  Bürg^kriegen  in 
Pannonia.^)  Man  sieht,  dass  diese  zwei  Legionen  ihren  Aufenthaltsort 
zeitweilig  vertauscht  haben,  und  da  die  leg.  XXII  Primig.  nach  Pannonia 
kam,*)  so  muss  die  leg.  XIQ  Gem.  inzwischen  nach  Germania  geschickt 
worden  sein.  Erst  nach  Niederwerfung  des  Aufstandes  kehrte  sie  wieder 
nach  Pannonia  zurück  und  löste  dort  die  leg.  XXTT  Primig.  ab,  die  jetzt 
nach  Germania  kam.^) 

der  Reihenfolge  aufgezählt  sind.  Eine  Ausnahme  bietet  der  Ziegel  III  8062  (Fundort 
unbekannt):  leg.  XIII  gem.  leg.  I  ad.;  doch  bei  einem  Ziegel,  wo  selbst  die  Schrift 
manchmal  von  rechts  nach  links  geht,  kann  das  nicht  auffallen. 

1)  IVestd.  Zeitadir.  XII  (1893)  112,  20. 

2)  Vgl.  Tacit.  Etat.  II  85:  octava  erat  ac  sepHma  Claudiana;  Hist.  II  86:  tertia 
decuma  legio  ac  septima  Galbiana;  Hist,  III  27:  octava  ac  8eptima  Claudiana, 

3)  Vgl.  S.  19,  6. 

4)  Vgl.  S.  27. 

5)  Tacit.  Hist.  IV  39;  vgl.  S.  28. 

6)  Vgl.  S.  31  f. 

7)  Vgl.  Cagnat  p.  1089,   neuerdings  auch  Weichert  U'estd.  Zeitschr,  XXI  119  ff. 

8)  Vgl.  Cagnat  p.  1086. 

9)  Die  leg.  XV  Apoll.,  welche  im  J.  71  nach  Pannonia  zurückkehrte  (Joseph. 
beü.  Jud.  VII  5 ,  3)  löste  dort  nicht  die  leg.  XXII  Primig.,  sondern  die  VII  Ghdb.  ab, 
welche  seitdem  als  leg.  VII  Gem.  in  Hispania  stationiert  war. 


/>//»  I.rffioimt  der  Pravmi  J/orwi. 


81 


Alis  diesen  Gründen  lese  ich  mit  Mommsen  bei  Tacitus  HinK  IV  1)8 
legiones  tndricm  VIIL  XI.  XIJJ.^) 

Dadurch  fällt  Licht  auf  eine  zweite  Stelle  des  Tacitiis,  welche,  wie 
mx  seheint,  in  unseren  Au8g:aben  unrichtig  wiedergesehen  ist,  Hist  V  14 
zählt  nämlich  Tacitiis  die  kurz  vor  der  Schlacht  bei  (*astra  Vetera  ein- 
getroffenen Legionen  auf,  durch  welche  die  Streitkräfte  des  (*erialis  ver- 
floppelt  wurden.  Die  Handschriften  bieten  ^t/;,  rtuj.  Dass  diese  Zeichen 
nur  XUl  und  XIV  bedeuten  können,  ist  klar.  Trotzdem  haben  alle 
Editoren  das  xuij  in  VI  geändert  und  zwar  wegen  V  16.  Wir  haben 
aber  eben  gesehen,  dass  die  Beteiligung  der  leg,  XIII  Oeni,  an  dem 
Kriege  gegen  Civilis  sehr  wahrscheinlich  ist.  Ich  ß:laube  deshalb,  dass 
wir  an  deni  überlieferten  Zeichen  xuj  nichts  zu  ändern  brauchen,  sondern 
dass  einfach  das  Zeichen  für  die 'VI.  Legion  ausgefallen  ists,  so  dass  wir 
in  Hut  V  14  zu  lesen  haben;  dujdieath  ropiis  adventu  secNt^hv  et 
^e^tae  et  tertiae  dccimac  et  qiiariae  d^nmae  legionumf  was  auch  zu 
dem  Ausdruck  duplimÜH  copiis  besser  stimmen  würde. ^)  Die  beiden 
besprochenen  Stellen  in  den  Hut.  IV  68  und  V  14  ergänzen  und  stützen 
sich  gegenseitig.  Das»  Tacitus  Hht.  V  U»  die  leg.  XIII  Gem.  nicht 
wieder  erwähnt,  kann  nicht  auffallen:  denn  diese  Legion  hat  keine  be- 
sondere Tat  vollbracht,  welche  eine  Hervorhebung  verdient  hätte,  wie 
das  bei  den  drei  übrigen  Legionen  TI  Adiutr.,  VI  Victr.  und  XIV  Gem.  der 
F&U  war.  An  dem  Siege  bei  Cremona  wai'  die  leg,  XUI  Gem.  nur  neben 
den  anderen  beteiligt  gewesen,  ohne  sich  besonders  ausgezeichnet  zu 
haben,  und  wenn  irgend  eine  Legion  ftir  diesen  Sieg  sich  ein  besonderes 
Verdienst  zuschreiben  wollte,  so  war  die  leg.  111  Gall.  die  einzige  dazu 
berechtigte,*) 

Wenn  demnach  die  Verwendung  der  leg,  XIU  Gem.  gegen  Civilis 
als  sicher  betrachtet  werdt^n  kann,  so  lässt  sich  anderei-seits  nachweisen, 
dass  die  leg.  VII  Claud.  in  der  Tat  schon  im  Anfange  des  J.  70  nach 
Moesia  geschickt  wurde.  Josephus  nämlich  berichtet  ausführlich  über 
einen  Einfall  der  Sarmaten  in  Moesia,  dessen  nähere  Zeitbestimmung  für 

1)  Mun  hnt  bf^bAUptet,  da«»  die  Konjrktiir  Pßt«ncr»  mit  den  Zügen  der  fliimi- 
"chrift  l>e«»er  übfnniifiiimm<\  Ditrlibrr  kat)»  öur  defjeoig<i  urteilen,  der  die  HiLudftcbrifl 
«rlbftt  gelben  bat.  Dum  man  über  bt*i  vxxivr  io  vertlorbi^uon  Btellt*  nicht  srbr  \i«*l 
Crewicbl  auf  Ütift^i^re  Ähnlich keit  It'pfcn  kann^  versteht  »ich  von  »^lb«t. 

2)  C^riali»  halft'  damals  fünf  Legionen:  I  Germ.,  IV  Maeed.,  XVI  Oall,  XXI  Rap. 
und  XXH  l'rtini^.  V^dlzähMg  war  nur  die  1«»^.  XXI  Kap.  l>er  Adlor  mit  dein  fcr<^*»ttien 
Teil  dr*r  leg,  XXII  Prioaig.  befand  «ich  damaU,  wie  wir  {^e»eben  baben^  in  Paunonia; 
▼ou  den  itbrlgen  dr^i  waren  t€x(Qatiomu  nach  Italla  genchickt,  welche  die  S<hlacht 
liei  Cremnn»  mitg^einacbt  halten.  Vgl.  aacb  die  Amgabe  de*  Tacitns  von  Baiter-Orclli 
zu  Hiii,  V  14 

Ä)  Vgl,  Tacit,  Hut.  11 1  24  f,  (oach  der  Antpmcbe  de»  Antonius  Priinu»  an  die 
Tnippen):  undique  rlamoTt  tt  aritnt^m  iokm  iüa  in  Suria  mos  etit-j  tertiam  ialutavüre, 
Vagus  inde  an  ammlio  «iucti  subdüus  rumor  ^  ndventäse  Mucianum,  exerdttu  in  mcrm 
mtuttUBe.  DaiMlbe  eraihtt  auch  Dlo  LXIV  H.  3  Bobiaev.  Ein  Soldat  df^r  leg  lll  Gan. 
ifl  aach  lueivt  in  Crtsiuoua  eingedrungen;  Tacit  Riii*  DI  29t 


32  Bogdan  Filow, 

uns  von  grosser  Bedeutung  ist.  Zunächst  sagt  Josephus  selbst,  dass  er 
zu  derselben  Zeit  stattgefunden  habe,  als  auch  die  Germanen  abfielen.^) 
Damit  stimmt  jene  Nachricht  bei  Tadtus  überein,  die  Aufständischen  in 
Germania  seien  dadurch  ermutigt  worden,  dass  sich  das  Gerächt  verbreitet 
hätte,  die  Sarmaten  und  Daker  seien  mit  Erfolg  in  Pannonia  und  Moesia 
eingedrungen.^)  Wenn  uns  auch  von  Vorkommnissen  in  Pannonia  zu 
dieser  Zeit  nichts  überliefert  ist,  so  genügte  doch  schon  der  Einfall  der 
Sarmaten  in  Moesia,  den  wir  aus  Josephus  kennen^  um  das  Entstehen  der 
Gerüchte  verständlich  zu  machen.  Dieser  Einfall  ist  also  spätestens  im 
Anfange  des  J.  70  erfolgt. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  Sarmaten  auch  im  Winter  68  auf  69 
in  Moesia  eingefallen  waren, ^)  ihre  Reiter  aber  damals  durch  einen  fftr 
die  Römer  glücklichen  Zufall  beinahe  vollständig  angerieben  wurden. 
Es  ist  nur  sehr  begreiflich,  dass  die  Sarmaten  diese  schwere  Niederlage 
nicht  ungerächt  lassen  wollten  und  schon  den  nächsten  Winter,  als  der 
gefrorene  Fluss  und  der  Abzug  der  Legionen  ihnen  den  Übergang 
erleichterten,  wieder  einen  Plünderungszug  nach  Moesia  unternahmen. 
Alle  Umstände  weisen  also  darauf  hin,  dass  die  Sarmaten  diesen  zweiten 
Einfall,  von  dem  Josephus  und  Tacitus  sprechen,  im  Winter  69  auf  70, 
wahrscheinlich  im  Januar  *)  des  J.  70  unternommen  haben.*)  Dieses  Mal 
war  das  Glück  zunächst  auf  ihrer  Seite:  die  beiden  Legionen,  I  Ital.  und 
V  Aland.,  wurden  geschlagen,  der  Statthalter  selbst,  Fonteius  Agrippa, 
fand  in  der  Schlacht  den  Tod.«)  Plündernd  durchzogen  jetzt  die  Sar- 
maten das  ganze  Land,  ohne  auf  Widerstand  zu  stossen.  Als  das  in 
Rom  bekannt  wui*de,  übertrug  man  die  Statthalterschaft  von  Moesia  dem 
Rnbrius  Gallus  mit  dem  Auftrage,  die  Sarmaten  zurückzuwerfen.^    Es 


1)  Joseph,  hell.  Jud,  VII  4,  3 :  Tfj  äh  ytQOSiQrnUvtj  Fsqiuxv&v  iacoaxdan  %axa  xks 
aircag  iifiigag  xal  Sxv9'ixbv  tdlurnta  ngbs  *Ponujclovg  aw^dga^uv  %xl, 

2)  Tacit.  Hist.  IV  54:  Galli  sustulerant  anmos,  eandem  uhique  exereüuum  nosirih 
rum  fortunam  rati,  vulgtUo  rumore  a  Sarmatts  Dacisque  Moesica  ac  Fanntmiea  hibema 
circumaederi. 

8)  Tacit.  Eist.  I  79;  vgl.  S.  24. 

4)  Vgl.  S.  35, 1. 

5)  Da  FoDteioB  Agrippa  (vgl.  die  folgende  Anm.)  die  Statthalterschaft  voo  Moesia 
wahrscheiDÜch  erst  im  Dezember  69  angetreten  hat  (S.  27,  9),  so  können  die  Sarmaten 
nicht  vor  dieser  Zeit  in  Moesia  eingefaUen  sein. 

6)  Joseph,  heil.  Jud.  YII  4,  3 :  ol  yocQ  xaXov^voi  Sxvd'&v  Zag^cu  (m.  verstehen 
sind  die  Roxolanen) ,  nolv  niffi-og  övreg ,  ädriloi  fikv  tbv  "largov  insgatMifieav  slg  r^f» 
inirdde,  noXX^  6h  ßla  xal  x^cltnol  äu£  rb  navtanaciv  &viXnictov  xf^g  iq>6dov  ngomtBC^- 
rtg  9rol>loi;9  ^ikv  t&v  inl  rr]g  (pQOvgag  'PmiutUov  icvaigovai.,  xal  tbv  ngiaßevtiiv  tbw 
^cni%bv  ^ovx'qiov  *Aygin7Cav  vnavtidaccvtcc  xagtegätg  luc^diupov  xxüvavci^  x^v  d*  into- 
X6i.fi4vriv  %&gav  unactiv  xaxhgsxov  &yovrtg  xal  (pigovxsg  oxm  nsgmicouv. 

7)  Joseph,  a.  a.  O.  sagt  eigentlich  ObBöitaötavbg  dk  xä  ysyevriiLivtt  . . .  ^v96iU9og 
'Poi^ßgiov  rdiXXov  ixniitTCH  dixriv  ini^aovxa  xolg  Sccgiuxxcug,  doch,  wie  aus  dem  vor- 
hergehenden Kapitel  bei  Josephus  zu  ersehen  ist,  war  Yeapasian  damals  in  Alezandria, 


XHp  Legionen  der  Provitn  Moma. 


33 


ist  aber  sehr  begreiflich,  das^  er  »iiese  Aufgabe  mit  deii  beiden  ge- 
scblagenen  Legionen  nicht  durchführen  konnte,  und  da^s  ei*  frische  Truppen 
mitgebracht  haben  muss,  zumal  in  Moesia  noch  immer  nur  /Avei  Legionen 
standen.  Von  den  fünf  daruals  iu  Italieu  versammelten  Legionen  (S.  28) 
kommen  aber  nur  die  leg.  VII  Ckud.  und  XIII  Gem.  in  Betracht.  Dann 
kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  diejenige  Legion  mit  Rubrius 
Galltts  nach  Moesia  ging,  welche  auch  friilier  dort  get^tanden  hatte,  also 
sowohl  mit  den  Örtlichkeiteu  selbst  wie  mit  der  Kriegsftihrung  der 
Harmaten  vertraut  war,  und  welche  wir  auch  später  in  Moesia  finden* 
nämlich  die  leg.  VII  Olaud.») 

So  standen  seit  dem  Anfange  des  J,  70  in  Moesia  wieder  dm  Leo-ionen : 
I  Ital.,  V  Aland,  and  VII  Oand. 

Man  hat  oft,  auch  in  neuester  Zeit,  die  Vermutung  aui^gebprochen, 
dass  die  leg,  V  Alaud.  von  Vespasian  aufgelöst  wonlen  sei;')  Diese 
Vermutung  ist  aber  unbegründet  und  sclion  endgültig  widerlegt*)  Wie 
jetzt  allgemein  angenommen  wird,  hat  Vespasian  nur  vier  Legionen  auf- 
gelöst: I  (Genn.),  IV  Maced,»  XV  Primig.  und  XVI  Galt*) 

Zweifelhaft  könnte  nur  sein^  ob  die  leg.  V  Alaud.  nach  der  SchlacJit 
bei  Oemona  in  Pannonia  oder  in  Moesia  gestaudeu  hat.  Aber,  wenn 
man  bedenkt,  dass  zu  diesei-  Zeit  <lie  an  Pannonia  grenzenden  Völker- 
schaften meist  in  einem  Klicntelverhältnisse  zu  dem  römischen  Staate, 
standen,^)  dass  in  Pannonia  sowohl  vor  wie  nach  den  Bürgerkriegen  nui' 


und  »o  könnt«  di«^  Nachricht  kHwtn  frUher  eu  Hnn  gC'komnieu  Bt<iii^  nU  unch  Rom. 
Ebenso  wenig  wird  man  daran  dcuki^n  konnei«.  dana  Mueianu«  in  Htym  vni  die  An* 
ordouogeo  Veapa»iaufi  abg«wartcl  hätlr,  iiin  die  V^rbäUnii»»«  iu  Mocuta  su  ordnen. 
Auiserdem  wU»i*n  wir  au«  Tant  HiVf.  II  99,  daa«  ItiibriUB  Gullii»  ficlb»t  damaU  in 
Rom  w»r.  Deshalb  iit  dic^t^  Stelle  den  Josephus  lo  zu  viTsU^hcn,  das»  Kubrin«  <Tallus 
nicht  direkt  vt*u  Vu^pftflUn,  »ondtirn  von  srincm  Vrrtretrr  in  Korn,  drr  ja  alles  im 
Namen  dea  neuen  KaUcri  vor  unner  Ankunft  in  Rom  anordni'ti',  alt  StatthaUer  nach 
Moosia  geM!hickt  wurde. 

1)  £b  int  i«br  mägUcb,  daai  auch  die  leg,  VI  Fcir. ,  falli  iie  damals  noch  in 
Italien  war  (vgL  8,  28)  und  nicht  dt'o  Seeweg  nach  Sjria  «^tngc<»ehJageu  halte  ^  mit 
Rubriu«  Galloa  naeli  Moe«ia  marscbi«Tt  i»t  und  von  dort  die  Kciee  nach  Syria  forijctxte. 

2)  Borghcai  Otmre»  IV  217,  Schiller  l  511.2,  Mommaen  Ephtm,  tpigi\  V  214  und 
H.  G.  V  145,  1,   Udell  p.  16*),  2,   Sceck  lilmn.  Mus.  XLVIII  (1893)  608  f.  und  andere. 

a)  VgL  besonders  Trommjdorff  Di$s.  70, 

4)  Vgl.  Pütmer  S.  69 f»  Ritterling  fHi».  66  »q^  v.  Domaszewaki  Arch^epitjr,  MitL 
XV  1892)  190,  40  und  Jieli^ioH  S.  24.  —  (rf^gcn  Schilling  Diän.  88  »qq.,  dem  auch 
JUnemann  Düttt.  46  darin  beiatimmt,  da«»  die  log.  XV  Primig,  noch  weiter  existiert 
habe,  vgl  jetzt  Tromtmdorff  i>tl«»,  64  sqq,  Ka  mag  noch  hiitEUgefögt  werden,  du«  die 
ViTaet»unm'  der  leg.  XV  l*rimig.  nach  dem  Orient^  wodurch  Schilling  da«  Fehlen  ¥on 
Spuren  dieaer  Legion  erklärt,  nicht  als  Strafe  fUr  die  Beteiligting  an  dem  galliacben 
Aufstände  aitgeachen  wertteu  kann.  Vgl.  Tacjt.  liiM.  II  80:  nihil  aeqtte  provinciam 
rjrercitumque  accenää^  quam  quod  adserretahai  Mucianws^  ttatnisse  VtteUium,  ut  Oer- 
maniea§  kgume^  in  Sun'am  od  milHium  opuienUxm  quiHamquc  tran$ferT€i,  natürlich  um 
lae  fUr  aeine  Erhebung  «um  Kai&t^r  zu  beleih  neu. 

6)  Vgl.  im  atlgemeinen  Mommaen  R  G.  Y  195—197. 

Fllnw    Hirn  l<<«|loaaii  it^r  Worina  MomJ«.  8 


34  Bogdan  Filow, 

zwei  Legionen  sich  nachweisen  lassen/)  und  dass  eine  Änderung  der 
dortigen  Verhältnisse  erst  zur  Zeit  Domitians  eintrat,  so  ist  es  mehr  als 
unwahrscheinlich,  dass  man  nach  den  Bürgerkriegen  gerade  das  pannonische 
Heer  durch  eine  dritte  Legion,  d.  h.  durch  die  V  Alaud.,  verstärkt  hat. 
Andererseits  kann  die  dritte  Legion  des  mösischen  Heeres  zu  dieser  Zeit 
keine  andere  sein,  als  gerade  die  leg.  V  Alaud. 

Von  dieser  Legion  sind  bis  jetzt  noch  gar  keine  Spuren  aus  der 
flavischen  Zeit  gefunden  worden,  weder  in  Moesia  noch  in  einer  anderen 
Provinz.  Man  könnte  deshalb  denken,  dass  sie  bei  dem  eben  geschilderten 
Einfalle  der  Sarmaten  im  Winter  69  auf  70  vernichtet  worden  wäre. 
Aber  dagegen  sprechen  schwerwiegende  Gründe.  Zunächst,  wenn  damals 
tatsächlich  eine  ganze  Legion  vernichtet  worden  wäre,  soJiätte  Josephus, 
der  diesen  Einfall  ausführlich  schildert  *)  und  über  die  römischen  Legionen 
überhaupt  sehr  gut  unterrichtet  ist,«)  nicht  von  dieser  Vernichtung 
schweigen  können.  Dann  aber  ist  nicht  zu  ersehen,  welche  andere 
Legion,  wenn  nicht  die  V  Alaud.,  unter  Domitian  von  den  Dakem  ver- 
nichtet worden  sein  soll.*)  Schliesslich,  wenn  in  Moesia  noch  keine  Spuren 
von  dem  Aufenthalte  der  leg.  V  Alaud.  zu  Tage  getreten  sind,  so  wird 
man  doch  nicht  einen  voreiligen  Schluss  daraus  ziehen  dürfen;  denn,  wie 
bekannt,  sind  überhaupt  die  römischen  Altertümer  in  dieser  Provinz  noch 
sehr  wenig  erforscht. 

Es  ist  von  grosser  Wichtigkeit  für  das  Verständnis  der  gleichzeitigen 
und  später  erfolgten  Veränderungen  in  dem  Bestände  des  mösischen  Heeres 
sich  alle  diese  Einfälle  der  nördlichen  Barbaren  in  Moesia,  mit  denen  wir 
in  diesem  Paragraphen  oft  zu  tun  hatten,  vor  Augen  zu  halten.  Die 
Sarmaten  waren  schon  im  J.  57  unter  der  Statthalterschaft  des  Plautins 
Silvanus  mit  den  römischen  Legionen  in  Berührung  gekommen,*)  sicher 
nicht  zum  ersten  Male,  denn  der  Name  der  leg.  IV  Scythica  weist  deuüicfa 

1)  Id  Pannonia  Blanden  bis  auf  Domitian  folgende  Legionen: 

(9)— 20      n.      Chr.  leg.  VH!  Aug.,  IX  Hisp.,  XV  Apoll. 

20-24      „  „  „  Vin  Aug.,  XV  Apoll. 

24-48      „  „  VIII  Aug.,  IX  Hitp.,  XV  ApoU. 

43-46      „  .,  „  VIII  Aug.,  XV  Apoll. 

46-63      „  „  Xm  Gem.,  XV  Apoll. 

63-68      „  „  „  X  Gem.,  XIII  Gem. 

68-69      „  .,  „  VII  Galb.,  XIII  Gem. 

69  Spätherbst  Durchmarsch  der  leg.  VI  Ferr. 

69  November  .,  XXII  Primig. 

70  Anfang— 70  Herbst  „  VU  Galb.,  XXII  Primig. 

70  Herb8t-71  Herbst  „       VII  Galb.,  XIII  Gem. 

71  Herb8t-88  „       XIll  Gem.,  XV  Apoll. 
Vgl.  S.  18.  19,  6.  27  f.  30,  9. 

2)  Bell  Jud.  VII  4,  3. 

3)  Vgl.  S.  22,  2. 

4)  Vgl.  S.  37  ff. 

5)  XIV  3608  =  Dess.  986  «  S.  18. 


/>i>  Le^ponen  der  Provinz  MoesUi. 


35 


darauf  hin,  dass^  die  Römer  silioii  früher  die  Bekanntschaft  mit  «leu  uönl- 
lieb  von  der  Donauin  iindung  wohnenden  Völkerschaften  gemacht  haben. 
Dann  folgte,  abgesehen  von  solchen  Einfällen,  über  die  uns  nichts  über- 
liefert ist,  und  welche  zweifellos,  nach  den  anderen  zu  schliesseu,  öfterti 
stattgefunden  haben, i)  der  Einfall  der  Roxolanen  im  Winter  68  aul  69 
(8.  24),  Noch  ira  Herbst  09  kamen  auch  die  Daker  ober  die  Donau,  wurden 
aber  von  Mucianus  zurückgeworfen  (S,  26)*  Mit  sichl echterem  Ausgange  ftir 
die  Römer  und  von  grosserer  Bedeutnng  für  die  (iest^ltung  der  Dinge 
in  Moeda  war  der  Einfall  der  Sarmaten  im  Winter  69  auf  70  (8,  31  f.). 
Diese  Zustünde  konnfen  nicht  so  bleiben;  man  dachte  jetzt  ernstlich  «Inran, 
die  Provinz  von  solchen  Übeln  zu  befreien.  Der  neue  Statthalter  Knbrius 
Gallus  hat  die  notigen  Massregeln  augeordnet  Die  Truppeji  wTxrden 
näher  an  den  Flui^  herangeruckt,  bei  den  wichtigen  Übergangsstellen 
sind  wahrscheinlich  Kastelle  errichtet  worden.  Der  Übergang  des  Flusses 
mnsste  den  Barbaren  unmöglich  gemacht  werden,*)  Auch  eine  Verstärkung 
des  Heeres  wird  gerade  für  nötig  gehalten  worden  sein,  als  im  Herbst  ^ 
71  die  le^.  V  Maced.  wiedy^  nach  Moesia  kam,  nachdem  sie  von  Titas 
aus  Älexandria  zusammen  mit  derlei.  XV  Apoll.,  welche  nacli  Pannonia 
marschierte,  entlassen  worden  war>) 

So   stunden   vom  Herbst  71  an  in  Moesia  die  vier  Legionen  l  It-aL, 
V  Alaud.,  V  Maced.  und  VN  riaud,^) 


1)  Diese  EiiifJillc  drr  Sarmuten  und  Diiker  müjaon  zirmlicb  oft  etaltgofiinden 
haben  und  »wiir  Crnit  immer  im  Winttr»  s£wi«chrn  l)f«rmb«T .  und  Fcbrimr  (vgl  v, 
Pivraersteiti  (iaierr,  Jahregh.  1  B<*ibl.  169  f.)  7  <di  di?r  FJu»i  zugefroren  und  leicht  su 
[»lUAiertfii  wftr.  Vgl.  Floru«  II  28:  Dnci  .  .  .  quoiien»  conaretus  gelu  Danuviuii  iunxeral 
ripti8,  decurrefe  soUbant  et  tncina  popuUiri,  Piiniu»  Panegifr,  12:  an  audeani ,  qui 
ieiant  te  adsedme  ferod^^mü  jt>o/>i^/tÄ  io  ip»o  tentfutrt,  quod  amicummum  ülü^  d%ffic%V 
Umum  nohui,  cum  Panultius  rtpoji  (jein  »un<fit  duratusq^te  ffhicte  ingentia  tcrgo  Mla 
tramtportoti  cum  f'fnae  tjtnU»  wo»  itlt^  fRogif  qitmn  ruo  caeto^  mo  wtdere  armantur? 
BeknnntUch  bnhco  die  Daker  und  8armAt<>ii  (tioxolancn)  aticb  im  Winter  101  auf 
102f  wHbrand  des  dukbcbco  KrtegcA^  einen  Einfan  nach  \loeiin  unteraommeo ;  vgl 
Ctchoriui  Die  Traiamsäide  11  150  f. 

2)  Jü»t*jjh.  heU.  Jud.  \'ll  4,  S;  to^o  dh  fp  noX^im  tAo^  im^tlg  6  atgirrfiyog  (d.  h, 
Hubrius  Oudu«)  nal  tfa  t(i  to  ft^lkov  tiOffaXtlag  ^{fOworfOt^  nliioGi  y^Q  ^^^^  ihI^oci 
rpi^Xwtaig  tbv  TQnfyv  dt^^'kufitp,  ci^  *t»*rtr  rof^  ßuQpuQotg  rijV  ditlfiafftv  rhliiag  üdvvcttov. 

S)  Nach  Boacbcl  l^m.  43—45  im  S«*ptemb«r  i^der  apSte^t^ni  im  Oktober  de»  J.  7L 

4)  Joftcph.  htU.  Jud.  Vn  5,  8:  TUog  Ak     .  ,  f/x*F  dg*AX*itivSpttav     .  .  Svotv  avtd» 

fuyiiuTmv   awr^nalov^inot^P   inuttQöi^  Q4^tP  ntQ  itptnto  rrcflir  itnhtuXtv*   fh  l^^t'  ti^v 

b\  Man  bat  früher  iing«!nommt!n,  dasM  auch  die  von  »apasfan  errichtete  leg,  IV 
Flav.  f  weicbr*  ipäter  zu  der  Bc^tzung  von  Moeiia  «upcrior  gehörte,  icbon  jet£t  nach 
Moeidn  gekommen  wäre.  Aber  die  verschiedeaen  jUogBt  in  Daimatia  gefundenen  Ziegel 
dieser  Legion  ,\U  15110)  und  betauder«  der  Orabsteio  eine«  aquiUfer  IIl  14995  — 
Bunium  —  P,  t\irjiidt\o  P,  f,  Gal  (  Calvo  Lugd{uno)  |  aquiUfevo  \  leg.  IUI  F.  f., 
ii«n(M)  ]  XLI  fftip.  XUX,  I  h{ie)  f(i(iai  «(«*))  beweiaen,  da«  die  Irg.  IV  Flav.  suemi 
in  Daimatia  stationiert  wnr.  Vgl.  l^attch  lirm.  Mtttrtl  IX  18^  2^3 C  und  limemch, 
MttUä.  awt  Bo^ntcn  Vli  1900,  79  C,  Beucbel  !>»««.  52  tq,,  Ritterling  ötierr.  Jakruh. 
VU  (1904)  Belbh  m, 

3* 


36  Bogdan  Filow, 

Die  von  Rubrius  Gallus  getroffenen  Schutzeinrichtungen  scheinen 
ihren  Zweck  tatsächlich  erfüllt  zu  haben.  Wenigstens  werden  uns  aus 
der  nächstfolgenden  Zeit  keine  Einfälle  der  Barbaren  in  Moesia  berichtet. 
Es  scheint,  dass  auch  in  diesem  Lande  unter  der  kräftigen  und  energischen 
Regierung  Vespasians  eine  Zeit  der  Ruhe  eintrat.  Erst  unter  Domitian 
haben  sich  hier  Ereignisse  abgespielt,  welche  zu  dauernden  Umwandlungen 
der  Verhältnisse  an  der  unteren  Donau  geführt  haben. 


§  4.    Die  Donaukriege  Domitians. 

Die  Überlieferung  der  Donaukriege  Domitians  ist  sehr  lückenhaft 
und  ungenügend.  Auch  über  ihren  militärischen  Erfolg  oder  Misserfolg 
lassen  sich  meistens  nur  Vermutungen  aufstellen.  Es  empfiehlt  sich 
deshalb  zunächst  festzustellen,  was  in  dieser  Hinsicht  als  sicher  zu  be- 
trachten ist.*) 

Dass  diese  Kriege  sehr  verlustreich  i^aren,  darin  stimmen  alle 
Quellen  überein,^)  und  Sueton  erwähnt  die  Vernichtung  einer  Legion  aus- 
drücklich, ä)  Ritterling  und  Schilling  haben  sogar  die  Vernichtung  von 
zwei  Legionen  unter  Domitian  angenommen :  der  leg.  V  Alaud.  im  Kriege 


1)  Über  die  Donaukriege  Domitians  vgl.  Mommsen  Hermes  III  (1869)  115  ff.  und 
E.  G.  V  200 f.,  Schiller  I  528 ff.,  besonders  die  gründliche  Arbeit  von  GseU  Essai  sur 
le  regne  de  Vempereuv  Domitien  p.  202—231 ,  wo  auch  die  übrige  Literatur  angefUhrt 
ist.  Von  neueren  Arbeiten:  Brandis  unter  Dada  und  Decebalus  bei  Paulj-Winowa 
IV  1966  und  2248,  Mommsen  Sitz.-Ber.  der  Berl  Akad.  1903,  823  f.,  Ritterling  Österr. 
Jahresh.  VII  (1904)  Beibl.  23 ff.,  Patsch  ebda.  70 f.  und  Cich'orius  Die  Denkmäler 
S.  19 — 42.  Einzelnes  bieten  auch  die  Anmerkungen  Boissevains  in  seiner  Ausgabe  des 
Cassius  Dio  Buch  LXVII.  —  Der  Ansicht  Ritterlings  a.  a.  0.,  dass  Domitian  nur  einen 
Krieg  gegen  die  Daker  geführt  habe,  kann  ich  nicht  beistimmen.  Dass  es  zwei  Kriege 
gewesen  sind,  hat  Gseil  a.  a.  0.  gezeigt  (vgl.  auch  Brandis  a.  a.  0.),  und  diese  An- 
nahme findet  ihre  Bestätigung  sowohl  in  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  Suetons  Dom,  6 
wie  in  der  Inschrift  aus  Karthago  VIII  1026  =  Dess.  2127:  Q,  Vilanius  Q,  f,  Vol  Nepos 
Phüippis  7  coh.  XIII  urh,,  donis  donatus  a  Domüiano  oh  bellum  DadcuMy  üem  ab 
eodem  ob  beüum  Germanicumj  item  torquib.  armiüis  ob  bellum  Dacicum.  Die  Erklärung 
dieser  Inschrift,  dass  es  sich  nicht  um  zwei  Dakerkriege  handle,  sondern  dass  der 
Betreffende  die  Dekorationen  vom  dakischen  Kriege  zweimal  erwähne,  scheint  mir 
nicht  annehmbar.  Dass  Vilanius  Nepos  unter  demselben  Kaiser  in  zwei  dakischen  und 
einem  germanischen  Kriege  dekoriert  worden  war,  ist  durchaus  nicht  auffällig.  So 
war  ein  anderer  Centurio  in  den  beiden  dakischen  und  dem  parthischen  Kriege  Traians 
dekoriert  worden  (II  4461  =  Dess.  2661  =  S.  55  n.  11). 

2)  Tacit.  Agr.  41 :  tot  exercitus  in  Moesia  Daciaque  . .  .  et  Pannonia  temeritate 
aut  per  ignaviam  ducum  amissi.  Eutrop.  VII  23,  4 :  a  Dacis  Oppius  Sabinus  eonsularis 
et  Cornelius  Fuscus  praefectus  praetorio  cum  magnis  exercitibus  occisi  sunt.  Orosins 
VII  10,  4:  Domitiantis  ...  de  extinctis  legionibus  triumphavit. 

3)  Suet.  Ikrni,  6:  legione  cum  legato  simul  caesa;  vgl.  Eutrop.  VII  28,4:  in  Sar- 
matia  legio  cum  duce  interfecta  est 


Die  Legionen  der  Provinz  Moesia.  37 

gegen  die  Daker  und  der  leg.  XXT  Rap.  im  Kriege  gegen  die  Sarmaten.«) 
Aber  diese  Annahme,  obwohl  sie  richtig  sein  kann,  findet  in  unserer 
Überlieferung  keine  direkte  Bestätigung;  denn  die  Worte  des  Orösius 
Vn  10,  4:  de  extinctis  legionibim  triiimphavif  können  bloss  eine  rhetorische 
Wendung  sein.') 

Die  Entscheidung  über  diesen  Punkt  hängt  von  der  Feststellung  ab, 
wie  viele  und  welche  Legionen  Traian  von  seinem  Vorgänger  übernommen 
hat.  Der  Beantwortung  dieser  Frage  ist  ein  grosser  Teil  der  Dissertation 
Trommsdorffs  gewidmet,  aber  die  Ergebnisse,  zu  denen  er  gekommen  ist, 
sind  sehr  zweifelhaft,  weil  das  Verschwinden  der  leg.  XXI  Rap.  erst 
unter  Traian  oder  Hadrian  sich  doch  nicht  erklären  lässt.*)  So  viel  ich 
sehe,  ist  bei  der  heutigen  Kenntnis  der  Geschichte  der  römischen  Legionen 
diese  Frage  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  beantworten. 

Nur  so  viel  ist  sicher,  dass  die  leg.  \  Alaud.,  von  der  bis  jetzt  gar 
keine  Spuren  aus  der  Flavierzeit  gefunden  worden  sind,  spätestens  in 
den  Kriegen  Domitians  ihr  Ende  gefunden  hat,  wie  das  auch  von  allen 
Seiten  zugestanden  wird.  Es  kann  entweder  bei  der  Niederlage  des 
(^omelius  Fuscus  im  J.  86  in  Dacia  oder  in  dem  Kriege  gegen  die 
Sarmaten  im  J.  92  geschehen  sein.*)  Wir  wollen  diese  beiden  Kriege 
und  die  Truppen,   welche  sich  daran  beteiligt  haben,  näher  betrachten. 

Der  erste  Dakerkrieg  Domitians  begann  mit  dem  Einfall  der  Daker 
in  Moesia,  wahrscheinlich  schon  im  Winter  85  auf  86.*).  Die  mösischen 
Legionen  wurden  geschlagen,  der  Statthalter  der  Provinz  Oppius  Sabinus 
fand  dabei  den  Tod.")  Auf  die  Nachricht  davon  kam  sofort  Domitian 
selbst  nach  Moesia,')  überliess  aber  die  P'ührung  des  Krieges  dem  Prae- 

1)  Ritterling  n'egtd.  Zeitschr.  XII  (1898^  822  fr.,  SchiUing  Di$s.  20  9q({,  Die^lbe 
Ansicht  vertreten  anch  Jünemann  Diss.  44  8q<i.  und  Gündel  Z>*M.  89. 

2)  Vgl.  aach  Trominsdorff  Diss.  81. 

8;^  Über  die  leg.  TT  Traiana  vgl.  jetzt  auch  Ritterling  Rhein.  Mus.  LVIII  (1908) 
476—480,  welcher  annimmt,  das«  diese  I^gion  schon  zur  Zeit  der  Dakerkriege  Traians 
errichtet  worden  sei.  Freilich  ist  das  nar  eine  Vormatnng,  die  schwerlich  Zustimmung 
finden  wird.     Vgl.  unten  S.  66,  8. 

4)  Die  Vernichtung  der  Tx^gion  wird  gesetzt  in  den  Krieg  gegen  die  T)aker 
von  Ritteriing  Uestd,  Zeitschr.  XU  (1898)  284  und  (isterr.  Jahresh.  VTI  (1904)  Beibl. 
86  f.,  Schilling  Diss.  20  «iq.,  in  den  Krieg  gegen  die  Sarmaten  von  Pfitzner  S.  76. 
134.  157.  287.,  Trommsdorff  Diss.  79  ff.  Vgl.  auch  Grotefend  Paulys  Eecdeneykl.  IV 
(1846^  871,  V.  Domaszewski  Beligian  S.  24,  108.  Auf  beiden  Seiten  handelt  es  sich  nur 
um  Vermutungen.  Die  Zeit  ist  verschieden  angegeben  worden,  weil  auch  die  beiden 
in  Betracht  kommenden  Ereignisse  früher  chronologisch  nicht  genau  fixiert  waren.  — 
Wenn  eine  Legion  in  dem  Kriege  gegen  die  Quaden  und  Markomanen  im  J.  89  ver- 
nichtet worden  war,  so  kann  sie  keine  mÖsische  sein,  weil  diese  damals  gleichzeitig 
siegreich  gegen  die  Daker  kftmpften.    Vgl.  (tsell  p.  216—222. 

5)  Gsell  p  209. 

6)  Suet.  DofH.  6,  Eutrop.  VII  28,  4,  Jordan.  Oet.  Xlll  76. 

7}  Dio  LXVn  6,  8  (Boissev.^  zum  .1.  86:   6  Jofiittavbg  fi^v h  n6Ui  tirl 

Mvaiug  imoiuivieg  vf^Qi^tv. 


38  Bogdan  Filow, 

fectus  praetorio  Coraelius  Fuscus.^)  Diesem  gelang  es  die  Feinde  aus 
Moesia  zu  vertreiben  und  er  folgte  ihnen  über  die  Donau  nach.*)  Die 
Daker  zogen  sich  zunächst  zurück,  um  die  Römer  weiter  in  das  unbekannte 
Land  eindringen  zu  lassen.  Als  schliesslich  die  Schlacht  geliefert  wurde, 
erlitten  die  Römer  eine  schwere  Niederlage  und  auch  der  zweite  römische 
Feldherr  blieb  vor  dem  Feind.  ^) 

Wie  gross  die  Verluste  der  Römer  dabei  gewesen  sind,  lässt  sich 
aus  der  Situation,  unter  der  die  Schlacht  stattgefunden  hat,*)  und  ans 
den  uns  erhaltenen  Nachrichten  schliessen.  Nach  Oix)sius  hat  Tacitus  aus 
Patriotismus  ihre  Höhe  nicht  angeben  wollen/)  und  auch  Eutrop.  VII 23,  4 
berichtet:  a  Dacis  Oppius  Sdbinvs  consvlaris  et  Cornelius  Ftiscus  .... 
cum  magnis  exerdtibris  occisi  sunt  Es  war  dies  die  schwerste  Nieder- 
lage der  Römer  seit  der  Varusschlacht.  Wie  damals  gegen  die  Germanen, 
so  war  es  auch  jetzt  nicht  möglich  die  Offensive  gegen  die  Daker  sofort 
ohne  grössere  Vorbereitungen  wieder  aufzunehmen.  Wenn  schon  aus 
diesen  Umständen  auf  die  Vernichtung  einer  Legion  geschlossen  werden 
kann,  so  kommt  noch  eine  Nachricht  hinzu,  welche  diese  Vermutung 
bestätigt.  Cassius  Dio  berichtet,  dass  Traian  nach  dem  Siege  bei  Tapae 
im  J.  101  bei  der  I<>oberung  der  dakischen  Festungen  unter  den  anderen 
Sachen  auch  das  Feldzeichen,  welches  die  Daker  bei  der  Niederlage  des 
Cornelius  Fuscus  gewonnen  haben,  vorgefunden  hat.®)  Dass  Dio  in  diesem 
Falle  mit  dem  Singular  und  dem  bestimmten  Artikel  rd  atifieloy  einen 
Adler  meint,  hätte  nicht  bestritten  werden  sollen.')    Allerdings  scheint 

1)  Suet.  Dom.  6.  ^ 

2)  GfteH  p.  214. 

3)  Suet.  Dom.  6,  Eutr.  VII  23,  4,  Jordan.  Get  XIII  78. 

4)  Nach  Gsell  ]).  214  fand  die  Schlacht  in  den  Gebirgen  zwischen  Tapae  und 
Sarmizegethusa  statt,  nach  Brandis  (Pauly-Wissowa  IV  1966)  in  der  Gregend  des  Roten- 
turmpasses,  was  viel  wahrscheinlicher  ist.  —  Cichorius  Die  Denkmäler  S.  19 fF.  be- 
zieht sehr  scharfsinnig  den  Grabaltar  von  Adamklissi  (III  14214)  auf  diese  Nieder- 
lage des  Cornelius  Fuscus.  Nach  ihm  wurde  der  letztere  zweimal  geschlagen:  erst  in 
Dacia  selbst  und  dann  entscheidend  in  der  Gegend  von  Adamklissi,  wobei  angeblich 
8800  Soldaten,  eine  ungeheure  Zahl  für  die  damaligen  Verhältnisse,  gefaUen  sein  sollen. 
Doch  vgl.  gegen  diese  Auffassung  v.  Domaszewski  Rhein.  Mus.  LX  (1905)  158  £, 

5)  Orosius  VII  10,  4 :  quanta  fuerint  Diurpanei  Dacorum  regia  cum  Fusco  duce 
proelia  quantaeque  Romanorum  cladeSj  longo  textu  evolverem,  nisi  Comeiius  Tacüus^ 
qui  hanc  historiam  diligentissime  contexuü,  de  reticendo  interfectorum  numero  et  Sal- 
lustium  Crtspum  et  alios  auctores  quam  plurimos  sanxisse  et  se  ipsum  idem  poÜssimMm 
elegisse  dixisset. 

6)  Dio  LXVIIl  9,  3:  6  dh  Tgaucvos  ögri  ts  ivttTtixKfitivcc  ^aßs  xal  iv  ainolg  %a 
rt  onXa  tu  tt  iirixavtiiiata  va  alxfLccXata  ro  rt  arnttiov  rö  i^l  roO  ^otytfxor 
uXbv  svQS. 

7)  In  derselben  Bedeutung  wird  dieses  Wort  auch  bei  Arrian  gebraucht;  vgl. 
hxta^i^  xccT  \iXav&v  §  5  f.:  iWecra  ro  armttov  tf/g  nsvttxaidBxcctris  fpcclayyog,  xai  A^fp' 
cci>Tä)  d  i)yt^ü)v  ti)^  (fdXuyyog  Ovaliig  xal  6  vnagxog  xal  ol  xdlagxoi  ....  'Eni  dk  t^ 
TtsvTfxaLdixdrr]  (pdXccyyi  TfTajr-O'a)  t6  ßriiitlop  Tf}g  StoSfxdrrig  cpaXayyog  xal  xtXutQX^^  ^/*v' 
aixo)  xal  bxccrovTaQxoi.  Vgl.  auch  Ritterling  U'estd.  Zeitschr.  XII  ^33,  Schilling  Divf. 
20  sq.,  v.  Domaszewski  Religion  S.  24,  103,  Mommsen  Sitz.-Ber.  der  Berl  Akad,  1908, 


I}ie  Legionen  der  i\ovmz  Moeüa,  :j9 

der  Verlust  des  Adlers  nicht  immer  die  Auflösung  der  betreffenden 
Legion  zur  Folge  gehabt  zu  haben.  ^)  Gewiss  sind  aber  die  Verluste  an 
Mannschaften  entscheidend  gewesen,  und  gerade  diese  müssen  bei  der 
Niederlage  des  Cornelius  Fuscus  sehr  gross  gewesen  sein.  Hat  dabei  eine 
Legion  auch  den  Adler  verloren,  so  wird  man  bei  der  Bedeutung  eines 
solchen  Verlustes^)  kaum  annehmen  dürfen,  dass  die  betreffende  Legion 
noch  weiter  bestanden  hat.  Das  sind  die  Gründe,  welche  für  die  Ver- 
nichtung einer  Legion  bei  der  Niederlage  des  Ck)melius  Fuscus  im  J.  86 
geltend  gemacht  werden  können. 

Die  Truppen,  welche  dabei  beteiligt  waren,  lassen  sich  noch  bestimmen. 
Zunächst  waren  es  zweifellos  die  mösischen  Legionen  I  Ital.,  V  Alaud., 
V  Maced.  und  VII  Claud.«)  Sicher  ist  auch  die  leg.  IV  Flav.,  welche  wir 
bald  nachher  in  Moesia  superior  finden/)  aus  Dalmatia  herangezogen  worden. 
Schwieriger  ist  zu  sagen,  ob  und  welche  Legionen  von  entfernteren 
Provinzen  für  den  Krieg  aufgeboten  worden  sind.  Ein  Centurio  der 
leg.  II  Adiutrix  hat  sich  in  dem  Dakerkriege  Domitians  die  dona  militarm 
erworben.*)  Diese  Legion  stand  noch  unter  Domitian  in  Britannia,«)  sie 
hat  sich  aber  auch  an  dem  suebisch-sarmatischen  Kriege  dieses  Kaisers 
beteiligt,^  und  bald  darauf  finden  wir  sie  in  Pannonia  inferior.^)  Sie 
ist  also  schon  zu  den  Dakerkriegen  Domitians  an  die  Donau  verlegt 
worden.«)    Doch  kann  das  nicht  schon  im  J.  86  geschehen  sein;  denn 

824,  Cichorius  Die  Denkmäler  S.  83.  41.  -  Was  TrommsdorfF  Diss.  72  »qq.  gegen  diese 
AoffassoDg  des  Wortes  öriiutov  bei  Dio  vorgebracht  hat,  ist  nicht  beweiskräftig.  Überall 
bei  Dio,  wo  er  Signa  beseichnen  will,  steht  örnista  im  Plural  (die  Stellen  sind  von 
Trommsdorff  a.  a.  O.  zusammengestellt).  Die  Anwendung  des  Singulars  in  diesem  einzigen 
Falle  zeigt  deutlich,  dass  er  hier  etwas  anderes  meint.  Nach  Trommsdorff  steht  hier 
der  Singular  abweichend  von  den  anderen  Stellen  deshalb,  weil  der  Leser  schon  aus 
dem  vorhergehenden,  uns  verlorenen  Kapitel  wisse,  was  für  ein  arnulov  gemeint  sei. 
Aber  man  kann  mit  demselben  Rechte  behaupten,  gerade  aus  diesem  Grunde  wendet 
Dio  in  unserem  Falle  nicht  das  bei  ihm  fUr  Adler  Übliche  &trbs  an,  sondern  arnulov. 

1)  Vgl.  Trommsdorff  Diss.  78. 

2)  Vgl.  V.  Domaszewski  Ecligion  S.  19. 

ii)  Für  die  inschriftlichen  Belege  vgl.  S.  47  und  53  ff. 

4)  Vgl.  S.  46. 

T))  lll  10224  —  Sirmium  —  T.  Cominius  |  2\  f.  Volt.  6eve,ru8  Vienna  7  1  leg.  II 
Ädiutric.,  \  donis  donat.  ;  ab  imp.  Caesare  ',  Aug.  hello  Dacieo  \  tor^ibus  armiüis  \  phaleris 
Corona  vdl\larif  vixit  ann.  XXXXV.  \  T.  Caesernius  Macedo  \proc.  Aug.  her.  ex  lest- 
(amento)  p{08uit).     Vgl.  die  Anmerkung  zu  der  Inschrift  auf  S.  48  n.  8. 

6)  Hühner  CIL.  Vll  p.  5,  GUudel  Diss.  85  sqq.,  Cagnat  p.  1077. 

7)  X  185  (Dess.  2719)  —  Potentia  — S[atrio  Q.  f.  Hör.  Sep[.  . .  |  . .  .]to  UU 

vir.  vianim  cur\an\da]rumf  trihuno  militum  l[eg.  |  8ec]undae  Adiutricis  p.  f.,  donis  [miilfj- 
taribtis  hello  Suehico  ii[em  \  Sar]matico  Corona  murali  coro[na  |  va^üari  hastis  puris  duo- 
dus  (sie)  vea:[ill.  |  afjgenteis  duobus,  optioni  tribun[or.  |  le]gionum  quinq.,  quaest.  pro 
[pr.  I  pr]oüinciae  Cretae  et  Cpren\ar.,  |  tr]ih.  plehis^  praetori,  |  [pa]trono  municip[ii  |  ex] 
testamento  fili  eiuSf  \  [l(pcus)]  d(atus)  d{ecreto)  d(ecurionum). 

8)  Vgl.  S.  40  f. 

9)  Mommsen  B.  G.  V  168.  173,  Hübner  Hermes  XVI  (1881)  540,  (iündel  Diss,  41, 
Cagnat  p.  1077,  Ritterling  Österr.  Jahresh.  VII  (1904)  Beibl.  25. 


40  Boydan  Filow, 

nach  der  Niederlage  des  Oppias  Sabinus  handelte  es  sich  um  ein  schnelles 
Eingreifen,  und  so  konnten  damals  nur  die  Legionen  der  näher  liegenden 
Provinzen  in  Betracht  kommen.  Die  leg.  11  Ad.  wird  also  erst  im  J.  88/89 
an  die  Donau  gekommen  sein,  da  für  den  zweiten  dakischen  Krieg  grössere 
Vorbereitungen  vorauszusetzen  sind.  Auch  die  pannonischen  Legionen 
können  für  den  ersten  Krieg  nur  teilweise  herangezogen  worden  sein, 
weil  in  Pannonia  zu  dieser  Zeit  nur  zwei  Legionen  standen.^)  Ob  dagegen 
eine  obergermanische  Legion  an  dem  Kriege  teilgenommen  hat,  ist  nicht 
zu  entscheiden.  Wir  besitzen  wenigstens  keine  Andeutung  dafür.*)  So 
hat  Cornelius  Fuscus  fünf,  höchstens  sechs  Legionen  über  die  Donaa 
geführt:  die  vier  mösischen  I  Ital,  V  Aland.,  V  Maced.,  V'II  Claud.,  die 
dalmatische  IV  Flav.  und  vielleicht  noch  eine  obergermanische  oder  Teile 
der  pannonischen  Legionen.^  Ausserdem,  da  Domitian  selbst  in  Moesia 
war  und  der  Feldherr  die  Stelle  des  Praefectus  praetorio  bekleidete, 
waren  wahrscheinlich  auch  die  Prätorianer  beteiligt.*) 

Bevor  wir  auch  den  suebisch-sarmatischen  Krieg  im  J.  92  in  ähnlicher 
Weise  betrachten,  ist  es  notwendig  festzustellen,  wo  die  leg.  11  Ad.  zu 
dieser  Zeit  gestanden  hat.    In   der  zweiten  Hälfte  des  zweiten  Jahrb., 

1)  Das  waren  die  leg.  XIII  Gem.  und  XV  Apoll.;  vgl.  CIL.  HI  p.  482. 

2)  Die  Beteiligung  der  leg.  I  Ad.  behauptet  Ritterling  Diss.  75,  Westd,  ZeiUchr, 
XII  118  f.  und  Öaterr.  Jahresh.  VIT  Beibl.  27,  5;  doch  es  fehlt  ein  gentigender  Beweis 
dafür.  Es  ist  überhaupt  sehr  fraglich,  ob  die  leg.  I  Ad.  in  den  ersten  RegieruDg»- 
jahren  Domitians  in  Germania  oder  in  Hispania  stand.  Gegen  Ritterling  a.  a.  0  vgl. 
JUnemann  Diss.  35—65.  Sicher  ist,  dass  diese  Legion  unter  Yespasiau  sich  in  Mognn- 
tiacum  aufgehalten  haV  (v.  Domaszewski  CIL.  XIII  p.  303),  aber  möglich  ist,  wie 
Mpmmsen  Hermes  III 119 ff.,  R,  G.  V  59,  1  und  Gsell  p.  179.  195  annehmen,  dass  sie 
wieder  nach  Hispania  zurückkehrte  und  erst  im  J.  89  wegen  des  Aufiitandes  des 
Antonius  Satuminus  endgültig  nach  Germania  superior  kam.  Vgl.  Plin.  Paneg.  14: 
cum  leg  ton  es  duceres.  Haben  wir  es  hier  tatsächlich  mit  einem  wirklichen  Plaral 
zu  tun,  so  müssen  damals  in  Hispania  zwei  liCgionen  gestanden  haben:  I  Ad.  und 
VII  Gem. 

3)  Nach  Ritterling  Österr.  Jahresh.  VII  Beibl.  86  waren  folgende  sechs  Legionen 
beteiligt:  T  Ad.,  I  Ital.,  II  Ad.,  V  Alaud.,  V  Maced.  und  VII  Claud.  Doch  dass  die 
leg.  II  Ad.  schon  damals  aus  Britannia  herangezogen  war  und  die  leg.  IV  Flav.  ruhig 
in  ihrer  längst  befriedeten  Provinz  blieb,  ist  sehr  unwahrscheinlich.  Über  die  leg. 
I  Ad.  vgl.  die  vorhergehende  Anmerkung. 

4)  Auf  die  Beteiligung  der  Prätorianer  au  diesem  Kriege  will  Gsell  p.  212  eine 
stadtrömische  Inschrift  beziehen:  VI  2725  (Dess.  2034)  —  C.  Vedennius  C.  f.  |  Qui, 
Moderaius  Äntio,  \  milit.  in  leg.  X  VI  Gal.  a,  X,  |  tranlat  (sie)  in  coh.  IX  pr,^  \  in  qua 
milit.  ann.  VIII,  \  missiis  honesta  mission.y  \  revoc.  ab  imp.j  fact.  evoc.  Aug.,  \  areiteei. 
armament.  imp.,  \  evoc.  ann,  XXIII,  |  donis  militarib.  donat.  \  bis,  ab  divo  Vesp.  et 
imp.  Doniitiano  Äug.  Germ.  \  Da  aber  die  leg.  XVI  GhH.  von  Vespasian  aufgelöst 
worden  war,  so  kann  sich  Vodennius  Moderatus  an  dem  dakischen  Kriege  Domitians 
nur  als  evocatus  beteiligt  haben.  Die  evocati  hatten  ihren  Platz  im  Marschlager  neben 
den  Praetorianem  (Hygin.  de  mun.  castr.  ed.  Domasz.  eup.  6),  sie  bildeten  aber  eine 
besondere  Truppe  (Marquardt  II*  388  f.),  so  dass  die  hier  angeführte  Inschrift  die  Be- 
teiligung der  Praetorianer  an  den  Kriegen  Domitians  nicht  bestätigen  kann.  Evocaii 
haben   sich  auch  an  den  dakischen  Kriegen  Trainns  beteiligt;   vgl.  III  6359  —  p.  1491 

Dess.  2665). 


wahrscheinlich  seit  dem  J.  120,  stand  sie  in  Aquincum»')  aber  nach 
Ptolemaeiis  n  15,  :^  garnisomerte  die  einzige  Lei^ion  von  Pannonia  inferior 
in  Acuminciim.  Da  diese  Leofion  nur  die  leg,  TT  AtL  sein  kann,  so  inuss 
sie  unter  Traian*  bevor  sie  nach  Aquincnni  kam,  in  Aciiinincum  gestanden 
haben.*)  Es  frag"!  sich  nur,  ob  die  le§r.  II  Ad.  gleich  nach  Beendlgimg 
des  zweiten  Dakerkrieges  Doniitians  im  J.  89,  für  den  sie  aus  Britannia 
an  die  Donau  kam  (S.  39),  in  Acumincum  stationiert  T\Tirde,  oder  ob  sie 
sfunäcbst  in  Moesia  geblieben  war.*)  Gegen  einen  Aufenthalt  in  Sloesia 
spricht  aber  vor  allem  der  Umstand ,  dass  in  dieser  Pmvinz  bis  jetzt 
nicht  eine  einzige  Inschrift  der  leg.  IT  Ad.  gefunden  worden  ist.  Auch 
ist  eine  Verstärkung  der  musischen  Legionen  durch  die  le^.  II  Ad.  nach 
den  Erfolgen  gegen  die  Daker  inj  J.  89  an  sicli  wenig  wahrscheinlirli. 
Dagegen  wird  die  Aufstellung  der  I.#egion  in  Acumincum  schon  unter 
Domitian  um  so  be^eiflicher ,  wenn  man  an  die  grosse  strategische 
Bedeutung  dieses  Ortes  denkt,*)  Von  hiei*  konnte  die  Legion  gleich 
schnell  sowohl  gegen  die  Sannaten.  väid  ge^en  die  Daker  vorgehen.  Erst 
unter  Traian  oder  Hadriaiu  als  Acumincttm  seine  militäiische  Bedeutung 
durch  die  Eroberung  Dakiens  verloren  hatte,  wird  die  L^on  nach 
Aquincum  vorgeschoben  worden  sein.  Jedenfalls  ist  ihr  Aufenthalt  unter 
Domitian  in  Pannonia  indirekt  durch  den  auf  S.  3*.»,  7  angefü lutea  cumw 
hanoruw  aus  Potentia  (X  135  ^  Dess.  27 U>)  gesichert.  Der  Unbekannte 
war  trihmm  militum  der  leg.  U  .\d.  und  als  solclier  in  dem  suebisch- 
samiatischen  Kriege  dekoriert,  dann  ojäw  trihnnontm  Irgiomim  quinqtie, 
welches  Amt  er  demnach  uuj  das  J.  02  bekleidet  haben  muss.^)  Die 
fönf  Legionen   müssen   also   damals   in    einer  Pn»vinz   vereinigt  gewesen 


1)  CIL   in  p.  Al^.AB'J,  Gilodel  IMss   47,  Cagoat  |i.  ii>77. 

2)  Vgl.  Momm»en  CIL.  lll  p,  482,  Ü.  O  V  207.  208,  v.  Domasiewiki  lihein, 
Mwi.  XLVT  (1891)003 f.  qikI  m  Hl  10224  —  Die  Ansicht  Gmidelt  Dm,  41  »cpi.,  dait 
bei  PUflciüäeuü  H  15,  3  die  Legion  irrtümlicb  ku  Acumiucum  iluU  zu  A(|uiticuni  bei- 
gesi'b  rieben  sei,  »cbcirit  mir  ganz  unlrnttbür  Ks  ttt  iif»r  riebt  ig,  das«  Ptolomaeus  in 
vielen  Funkten  die  St<*Unng  der  Legionen  so,  wie  «ift  erst  unter  Htidrian  und  Aatoniottt 
Pitw  WUT,  fuigegebfn  biit  ^i'^gL  Gümlel  IHj».  49  *«i4  ^  ßeucbel  />*>^,  71}^  und  d»tnjiU 
muM  die  leg,  II  Ad.  in  Aquincuin  gestunden  buhen.  Aber  iindererieitfl  bt  aucb  bt** 
kiinnl,  daat  die  Qncneu  des  Plolemaeo«  Ytelf«eh  auf  die  Zeit  Traiana  lu rückgeben, 
und  diLKS  er  ^ie  nur  im  etnzeiueu  ergänzt  und  berichtigt  bat  (vgl.  Ritterling  //üf.  50, 
Y.  Lk)miuzewiki  Rhein.  Mua.  XLVl  605  und  CJL.  IJl  p  :2191,  Piek  hin  Münien  a  67,  1, 
Beucbel  IHüH.  71).  Wenn  iitso  nacb  ihm  die  Legiun  in  Acumincum  »tand,  »o  folgt  nur 
dar  AUS,  dast  er  gerade  für  die  Stellung  der  pannouLscben  Legifinen  eine  ijueHe  aut» 
der  Zeit  Traians  l>enUt<i  bnt.  Dasselbe  bestätigt  auch  seine  Angabe  II  14,  3,  du«»  die 
leg.  XIV  Gem.  In  ud  Flexum  gestanden  Imt,  wa«  ebenso  nur  ftir  die  Zeit  Traians 
p«iat,  Mun  wird  Hchwerlicb  in  diejien  beiden  Fjülen  Versebrei  bangen  annehmen  dürfen^ 
suin:il  auf  einen  Aufentbiilt  drr  leg.  XIV  G«*m,  in  iid  Flexum  aucK  einige  Iiiaebriften 
binweijien.     Vgl.  v,  Donryaszewski  lUUginn  S.  28  und  CIL.  III  p.  2101 

a  Das  letJEtere  behaupten  Pfitxner  8.  74.  138.  225,  Gundel  Dim,  41  sfp|.,  Beuchet 
!Hm.  62,  58, 

4)  Vgl.  V.  Dumasaewski  Sthein.  Mub,  XLVl  (1891;  608  f 

5)  V^.  über  dieses  Amt  Momiusen  zu  X  135  und  bei  Des^uu  xu  27  U>  adn.  2. 


42  Boydan  Filow, 

sein  und  diese  Provinz  kann  nur  Pannonia  sein.^)  Die  Legionen  selbst 
aber  sind  entweder  I  Ad.,  11  Adiutr.,  XIII  Gem.,  XIV  Gem.  und  XV  ApolL 
(so  Ritterling  Österr.  Jahresh.  VII  Beibl.  37)  oder,  da  die  Vemichtang 
der  leg.  XXI  Rap.  unter  Domitian  sehr  fraglich  und  der  Aufenthalt  der 
leg.  I  Ad.  zu  dieser  Zeit  in  Pannonia  nur  eine  Vermutung  ist,*)  die 
Legionen  n  Adiutr.,  Xni  Gem.,  XIV  Gem.,  XV  Apoll,  und  XXI  Rap. 
Von  einem  Aufenthalte  der  leg.  11  Ad.  in  Moesia  kann  deshalb  nicht 
die  Rede  sein.*) 

Der  Krieg  gegen  die  Sueben  und  Sarmaten  im  J.  92  ist,  wie  es  sich 
aus  der  geographischen  Lage  der  genannten  Völker  ergibt,  von  Pannonia 
aus  geführt  worden.  Wie  gegen  die  Daker  die  musischen,  so  waren  es 
jetzt  die  pannonischen  Legionen,  welche  den  Kern  des  Heeres  bildeten. 
Zu  den  beiden  pannonischen  Legionen,  Xni  Gem.  und  XV  Apoll.,  kam 
im  J.  88/89  noch  die  leg.  11  Ad.  hinzu.  Auch  die  beiden  Mainz^  Leo- 
nen, XIV  Gem.  und  XXI  Rap.,  welche  an  der  Erhebung  des  Antonios 
Satuminus  im  J.  89  teilgenommen  haben,  sind  wahrscheinlich  gleich  darauf 
nach  Pannonia  versetzt  worden,*)  so  dass  bei  Ausbruch  des  Krieges  in 
Pannonia  fünf  Legionen  gestanden  haben.  Inschriftliche  Zeugnisse  für 
die  Beteiligung  an  dem  Kriege  besitzen  wir  nur  für  die  leg.  11  Ad.*) 
Es  bleibt  festzustellen,  ob  und  in  welchem  Umfange  sich  die  mösischen 
Legionen  an  diesem  Kriege  beteiligt  haben. 

Den  einzigen  Anhaltspunkt  dafür  bietet  die  Inschrift  aus  Tifemum 
Mataurense  XI  5992: 

L.  Aconio  L,  f.  Clu, ,  Statur ae  j  7  leg,  XI  C{laud.)p.  f.,  leg.  IIIIF(lav.)  f., 
leg.  I  V  Maced.j  leg.  VII  Qlaud)  p.  f.,  doni(s)  \  donato  ab  imp.  Traiano 
Aug.  Oertn.  ob  bellum  Dacic.  \  torquib.  armill.  phalerls  \  corana  vallar.  et 
apriorib.  (sie.)  |  prlndpibus  eisdein    donis  \  donato  ob  bellum  Oerma.  \  et 
Sarmatic,  a  divo  Traiano  \  ex  miUtia  in  equesfretn  \  dignitatefn  translato, 

1)  Moesia  war  spätestens  seit  dem  J.  86  schon  geteilt;  vgl.  S.  3. 

2)  Vgl.  S.  40,  2. 

3)  Demnach  war  Hadrian  Tribun  der  leg.  II  Ad.  weder  in  Moesia  superior,  wie 
Pfitzner  S.  76 f.  nachzuweisen  versucht  hat,  noch  in  Britannia  (Henzen  zu  Borgheai 
IV  206),  sondern  in  Pannonia  und  erst  dann,  extremis  iam  Domüiani  ien^poribus  (Spart. 
Vit.  Hadr.  2)  kam  er  als  Tribun  der  leg.  V  Maced.  nach  Moesia  inferior.  Vgl. 
Spart,  a.  a  0.  und  die  bekannte  athenische  HadrianBinschrift  III  550  =  IG.  III  464  = 
Dess.  308.  Dass  fladrian  die  Tribunenstellen  in  derselben  Reihenfolge  bekleidet  hat, 
wie   sie   in   der  genannten  Inschrift  aufgezählt  sind ,  zeigt  Mommsen  CIL.  III  zu  550. 

4)  Gsell  p.  201. 259,  Ritterling  Westd.  ZeiUchr.  XII  117,  37,  Jünemaun  Diss.  57  sq., 
Kopp  Die  Römer  in  Deutschland  S.  78. 

5)  X  135  =  Dess.  2719  =  S.  39,  7.  Dazu  Gündel  Diss,  53,  Cagnat  p.  1077.  Für 
die  Beteiligung  der  leg.  XIII  Gem.  beruft  man  sich  auf  die  Inschrift  III  6818  =  291 
(Dess.  1017)  -=-.  S.  49  n.  5,  so  Mommsen  CLL,  III  zu  291,  Schnitze  Diss  44,  Cagnat 
p.  1086.  Diese  Inschrift  gehört  jedoch  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  erst  dem  zweiten 
Jahrb.  an.     Vgl.  v.  Domaszewski  Jihein.  Mus.  XLVIII  (1893)247. 


Dir  Letfionrn  der  Ftmnuz  Mo(*:^a. 

Ärlmini  pontif{ici)f  quinq(uennali),  \  Tifirni  Mat{aurensi^)  flamini,  poti- 
tif\ici)p  I  ffuin(f(umnnH),  \  L,  Acofiina  Stnturtt  fil  |  ex  fe^tumento  eifU(. 

Mit  dem  bellum  Gn'm(nnict4m)  t^t  iSarma(ic{uni)  kann  srhon  deshalb 
nidit  ein  einziger  KriejLr  ^^emeint  sein,  weil  L.  Acuniiis  die  militürischei] 
Auszeiclinungeu  von  mehreren,  also  wenigstens  von  zwei  Kaisern  erhalten 
hat^)  Dann  aber  ist  auch  ein  helhint  Gerimimcum  et  Samiaticum  für 
die  Zeit  vor  Traian  nicht  bekannt.^)  Um  heUnm  Sannnticum  unserer 
Inschrift  wird  also  der  suebiscb-sartnatische  Krieg  Domitians  sein/'')  und 
in  dem  hdlnm  OerrnnincMw  .steckt  ein  anderer  gennanischer  Krieg  der 
Zeit  vor  Traian.  Diev^^en  Krieg  aber  kann  L.  Acunias  nur  als  ("enturio 
der  obergerraanischen  leg*  XI  tiaud,*)  mitgemacht  haben,  da  die  Beteiligung 
der  drei  mösiöchen  Legionen  an  einem  germanischen  Kriege  vor  Traian 
vollständig  unbekannt  ist.  Uer  germanische  Krieg  Nervas,  aligesehen 
von  anderen,  chronologischen  liriinden,  kommt  hier  auch  deshalb  nicht 
in  Betraclit,  weil  er,  so  viel  wir  wissen»  inschriftlich  hMum  iSurbieum 
lieisst^)    Auch  der  Chattenkrieg  Domitians  kann  nicht  gemeint  sein,  weil 


1)  Au»  drm  Venchwt?igeü  dt?a  Namtvus  d*»*;  KnUer»  folgt  noch  durcbtiUM  nicht, 
diUi  die  dona  mtlHnrfa  von  eiuein  verurtüUteD  Kaiser  reilieh<>n  worden  sind.  VgU 
8.  17  C,  hcÄonderB  S    68. 

2)  Beilum  Gemmmcum  vi  i'^iartnuticum  hei»»t  erst  der  MarkornnDenkrieg  M^  Aureli- 
(vgl.  VI  ^11806  ^  tit'»?i.  ia27i,  au  d»?M  »elbstvorständlich  uicbt  zu  denken  ist,  — 
Moinmsc'D  Sitt.-]ifi\  thr  ftcrl.  Akafi,  1903,  ?23  «ill  daa  bellum  Germantcum  et  Stimme 
iicum  uöierer  Inschrift  mit  dem  beUum  Suebiettm  et  Sat-mnttcum  unter  Domitian  ideiu 
Itfisier^n.  Aber  dagegen  spricht,  au»a«r  des  oben  angefahrten  Gründen,  »och  der 
Umstand,  dass  der  Name  bellum  Gemmnieum  sich  f\lr  den  snnhisch  sann  atischeu  Krieg 
nicht  nachweUen  lHnst  Die  Bei*piüle,  welche  Momm»eu  a.  a.  O.  für  du«  letztere  nn* 
Itihrt,  ktütten  ^Hne  Annicht  nicht.  In  der  Intchrift  aus  Pen nt hos  HI  7897  rn.  12325 
p.  2816**  (7  Jeff,  XV  Ajiol  itrm  7  leg.  V  Mac^  et  Itfj.  XVI  Fl  fir,  bin  donin  doftatm 
heUo  [hwü\o]  ei  bellet  Germanico  bezeichnet  belhtm  Oermaffteum^  wenn  nicht  den 
rhatlT-nkricg  im  J,  8Ö,  sf»  sicher  den  vom  .!.  83^  an  dem  die  pannoiiitche  leg.  XV  Apoll 
sehr  Wühl  teilgenomn)t!U  haben  kann  ivgL  auch  CIL.  III  sa  12825).  In  der  Inschrift 
aus  Ktirthiig«)  VlII  1026  (Des*,  2127)  steht  donte  donatwt  a  Domititwo  *ih  brlhtm 
Dacicum  item  ah  codeni  ab  bellum  Germunicum  item  t^quib.  arfnilli^  oh  hrlluin  Dacicuw 
Hier  kann  hrllum  Germantcum  »cbon  deshalb  nicht  den  suebfsch  sarmalischi'n  Krieg 
bexeichnen^  weil  der  letitere  jedenfalls  nach  dem  zweiten  dakt sehen  geführt  wurde,  »0 
iiass  er  auf  der  Inschrift  nicht  swisehen  den  beiden  dakischcn  genannt  wenlen  kannte 
<^vgl,  8.  clt),  1;.  Wie  w  Doma»«rwftki  Kon'esjiovdfnthl  drr  Watd.  Zeiiechr.  1892,  114, 
auf  die  Inschrift  VI  1847  g«*stiit4t»  gezeigt  hut,  liCÄcithnet  bellutn  GertHanicum  der  kar- 
tbaginilicu  Inschrift  VIII  102G  den  Krieg  gegen  Antonius  Saturulniis  und  seine  Ver 
bUndeten,  die  Chatten. 

3)  Auch  Suct.  Dom,  Vi  siigt  einfach  de  Sarmatiä  tauieam  utodu  (AipitoHnu  Jovi 
reitulä.  Die  BcEciehnung  dieses  Kriege»  uls  beUum  Sarm^ttieum  bat  also  nichts  an* 
^tÖKiiges  an  »ich. 

4  Sie  kam  nach  Oermunia  iui  J.  TU  wegen  de»-  AMf>*iandc*  den  Civilis  (Tacli. 
Hilft.  IV  68  und  war  in  den  ersten  liegieruiig*»jahn»n  Tmian«  noch  immer  dort;  vgl 
XIU  «2118  (D«».  22&»\  und  HamoAemn  Koritiptmdmsbl.  der  ne$td.  ZeiUchr,  VI 
^,1887)  m(f, 

$)  V  7425  (De«tf.  272U. ;  rfonur  dmialo  ah  imp,  Xerra  Ca^tare  Aug,  Gerw.  htlUi 
Suehic.  eoron.    . . 


44  Boydan  Filow, 

in  diesem  Falle  L.  Aconius  die  dona  militaria  nur  von  einem  Kaiser 
erhalten  haben  würde.  Das  bellum  Oermanicum  unserer  Inschrift  kann 
also  nur  der  germanische  Krieg  Vespasians  vom  J.  73/74  sein.^)  L.  Aconins 
hat  diesen  Krieg  als  Centurio  der  leg.  XI  Claud.  mitgemacht,  den  suebisch- 
sarmatischen  im  J.  92  als  Centurio  der  leg.  IV  Flav.  oder  V  Maced.  und 
den  Dakerkrieg  Traians  als  Centurio  der  leg.  Vn  Claud.  Demnach  hat 
er  ungefähr  30  Jahre  als  Centurio  gedient,  was  gar  nicht  befremdet.*) 
Die  Inschrift  ist  erst  nach  dem  Tode  Traians  gesetzt  worden,  weil  der 
letztere  darin  divits  heisst.  Wenn  also  L.  Aconius  seine  Laufbahn  unter 
Vespasian  mit  20  Jahren  angefangen  hat,  so  war  er  bei  seinem  Tode 
ungefähr  70  Jahre  alt.  Es  ist  aber  nicht  notwendig  anzunehmen,  dass 
er  in  jeder  Legion  die  gleiche  Zahl  von  Jahren  verblieben  ist,*)  und 
deshalb  wird  er  den  suebisch-sarmatischen  Krieg  Domitians  als  Centurio 
der  leg.  IV  Flav.  mitgemacht  haben;  denn  diese  stand  in  Moesia  superior, 
während  die  leg.  V  Maced.  in  Moesia  inferior  weiter  von  dem  Kriegs- 
schauplatze entfernt  war. 

Es  ergibt  sich  also  aus  der  behandelten  Inschrift,  dass  die  leg.  IV  Flav. 
an  dem  suebisch-sarmatischen  Kriege  Domitians  teilgenommen  hat,  sei 
es  vollzählig,  sei  es  mit  einer  veccillaüo. 

Im  ersteren  Falle  wird  man  kaum  annehmen  dürfen,  dass  auch  die 
leg.  V  Alaud.  (vorausgesetzt,   dass  sie  bei  der  Niederlage  des  Cornelius 


1)  Dieser  Krieg  ist  nur  aus  Inschriften  bekannt.  Wir  finden  dafür  die  Ausdrucke 
adveraus  Germanoa  (XI  5210  =  Dess.  990)  und  res  in  Germania  proapere  gestae  (XI 5271). 
Die  übrigen  Zeugnisse  findet  man  in  der  Frosop.  D  107.  148;  P  808.  Über  den  Ver- 
lauf des  Krieges  vgl.  Zangemeister  N.  Heidelb.  Jahrb.  UI  (1893)  9£F.,  Fabricius  Die 
Besitznahme  Badens  S.  84  ff. 

2)  Ein  Centurio,  ebenfalls  aus  dem  ersten  Jahrb.,  hat  48  Jahre  gedient  (DI  2834), 
ein  anderer  40  Jahre  (il  4147),  ein  dritter  45  Jahre  (VIU  2877  =  Dess.  2658).  Ein 
centurio  trecenarius  der  leg.  VII  Claud.  hat  42  Dienstjahre  gehabt  (VI  32709a).  Ein 
Unbekannter  hat  50  Jahre  gedient  und  zwar  46  als  Centurio  in  18  verschiedeuen 
Legionen  (VIII  217  =  Dess.  2658).  Dass  ein  Conturio,  der  schon  unter  Vespasian 
dekoriert  war,  auch  noch  unter  Traian  stark  genug  war,  um  wieder  ausgexeichnet  zu 
werden,  beweist  die  Inschrift  aus  Jader  (Dalmatia)  III  2917  =  Deas.  2647:  Q.  Baeeio 
Q,  f.  Cl.  Bufo ,  p(rimo)  p(ilo)  leg.  XII  Fulm.  trecenario ,  donis  den.  ab  imper.  Vespa- 
sian. et  Tito  imp.  bell.  Jud.j  ab  imp.  Trai(ano)  beü.  Dacic. 

3)  Vgl.  VI  3584  (Dess.  2656):  Ti.  Claudio  Ti.  f.  [G]dl.  Vitali  ex  e^v{i\te  B(pmano\ 
ordinem  accepit  in  leg.  V  [Mac.]j  successtone  \  promotus  [ex]  leg.  V  Ma[e\.  in  leg.  [IB\cil., 
donis  dipnat.)  \  torquib.  armill.  phaler.  Corona  val[l.]  beüo  \  Dacico,  sueeessione  promoi. 
ex  leg.  I  Itcd.  in  leg.  \  I  Miner.j  [it\er.  donis  d(onat.)  torquib.  armil[l.]  phaler.  \  Corona 
val[l.].  beUo  Dacico^  successione  />ro|mof.  ex  leg.  I  Miner.  in  leg.  XX  Ftcf.,  item  prom.  ' 
in  leg.  ead.j  item  successione  promotus  ex  leg.  XX  \  Vict.  in  leg.  IX  [Hfisp.f  suec.  promot. 
ex  leg.  IX  [Htßp.  \  in  leg.  VII  Cl.  p.  /*.,  item  successit  in  leg.  ead.,  \  müit.  7  in  II  (c<>- 
horte)  pr{incep8)  post(erior)  annis  XI,  vixit  annis  XLI  Da  Ti.  Claudius  Vitalis  nur 
41  Jahre  gelebt  hat,  so  hat  er  höchstens  21—23  Dienstjahre  gehabt,  wovon  11  Jahre  nur 
in  der  leg.  Vll  Claud.  Wenigstens  lassen  die  letzten  Worte  der  Inschrift  keine  andere 
Deutung  zu,  weil  Claudius  Vitalis  nicht  nur  11  Jahre  gedient  haben  kann  und  nicht 
immer  in  allen  sechs  Legionen  als  centurio  princeps  posterior  der  zweiten  Kohorte. 


Die  Leii'imieu  dir  Provinz  Moesia,  45 

Fuscus  nicht  ihren  Untergang  gefunden  hätte)  für  den  Krieg  heran- 
gezogen worden  wäre;  denn  die  Wegziehung  von  zwei  ganzen  Legionen 
aus  Moesia  ist  bei  der  Dakergefahr  kaum  denkbar,  zuma]  wenn  die 
Anwesenheit  von  fünf  Legionen  in  Pannonia  vorausgesetzt  werden  darf.*) 
Wenn  aber  die  leg.  IV  Flav.  nur  eine  vexillatio  gestellt  hat,  was  viel 
wahrscheinlicher  ist,  so  kann  auch  die  leg.  V  Alaud.  höchstens  eine 
Abteilung  für  den  Krieg  abgegeben  haben  und  nicht  vollständig  in  diesem 
Kriege  untergegangen  sein. 

Wie  dieser  Krieg  endete,  wissen  wii*  nicht.  Domitian  ist  damals 
zum  22.  Male  zum  Imperator  ausgerufen  worden,*)  und  nach  seiner  Rück- 
kehr fanden  grosse  Feierlichkeiten  in  Rom  statt.»)  Aber  einen  Triumph 
hat  er  nicht  gefeiert,  sondern  nur  einen  Lorbeerkranz  dem  Jupiter  Capi- 
tolinus  dargebracht.*) 

Sueton  (Dom,  6)  berichtet  über  die  Donaukriege  Domitians  folgender- 
massen:  e^rpeditioneff partim  sponte  suscepit, partim  neeessario  . . .  necessario 
tinam  in  Sarmatas,  legio^ie  cum  legato  simul  caesa,  iw  Dacos  duas, 
primam  Oj)pio  Sabino  constdari  opresso,  necundam  Cornelio  Fusco,  prae- 
fecto  cohortium  praetorianarum ,  cui  hellt  summam  commiserat.  Man  hat 
diesen  Bericht  so  aufgefasst,  dass  in  dem  Kriege  gegen  die  SarQiaten  im 
J.  92  eine  ganze  Legion  vernichtet  worden  sei,*)  und  dass  diese  Auf- 
fassung schon  im  Altertum  geläufig  war,  zeigt  auch  Eutrop.  VII  23,  4: 
in  Sarmatia  legio  cum  duce  interfecta  est.  Aber  die  Worte  Suetons 
lassen  auch  eine  andere  Auffassung  zu,  welche  richtiger  zu  sein  scheint.*) 
E^  Lst  ganz  klar,  dass  die  beiden  Expeditionen  gegen  die  Daker  die 
Kriege  im  J.  86  und  89  sind  und  dass  der  Einfall  der  Daker,  bei  dem 
Oppius  Sabinus  getötet  war,  nicht  eine  Expedition  Domitians  sein  kann. 
So  ist  eben  dieser  Einfall  der  Daker  der  Anlass  zum  ersten  Dakerkriege 
und  die  Niederlage  des  Cornelius  Fuscus  der  Anlass  zum  zweiten  gewesen. 
Bleibt  man  bei  dieser  Auffassung,  so  können  die  Wort«  legwne  cum 
legato  simul  caesa  nur  den  Anlass  zum  Sarmatenkriege  enthalten.  Die 
Vernichtung  der  Legion  ist  also  nicht  erst  während  des  Krieges  selbst 
eriolgt,  sondern  muss  ihm  vorausgegangen  sein.  Das  ist  aber  nur  in 
zwei  Fällen  möglich:  entweder  waren  die  Sarmaten  in  dem  Kriege  gegen 
die  Quaden  und  Markomanen  die  Verbündeten  dieser  Völkerschaften,  oder 
sie  waren  die  Verbündeten   der  Daker  im  J.   86.^     Nimmt   man   den 

1)  Vgl.  S.  42. 

2)  GteH  p.  226. 
8)  GseH  p.  229. 

4)  Suet.  Dom,  6:  de  Sarmatia  lauream  modo  CapüoUno  Jovi  retiulü. 

5)  Pfitxner  S.  76.  184.  157.  287,  G«ell  p.  225,  Tmmmsdorff  Dt w.  79  »qq.  und  andere. 

6)  Vgl.  V.  Domasxewski  Religion  S.  24,  108,  Mommsen  SÜM.-Ber.  der  Berl,  Akad, 
1908,  824. 

7)  Unter  Traian  standen  aUerdings  die  Jaxygen  (denn  diese  sind  bei  den  Kriegen 
Domitians  unter  Sarmaten  «u  verstehen)  auf  der  Seite  der  Römer  (vgl.  Dio  LXVIII  10 


46  Bofjdan  F'dow, 

ereteren  Fall  an,  so  kann  die  vernichtete  Legion  nur  eine  pannonische 
sein,  weil  die  mösischen  gleichzeitig  unter  Julianus  siegreich  gegen 
die  Daker  kämpften.*)  Bei  der  zweiten  Annahme  dagegen  bestätigt 
Sueton  nur  den  oben^)  aus  anderen  Zeugnissen  gezogenen  Schluss, 
dass  eine  Legion  bei  der  Niederlage  des  Cornelius  Fuscus  vernichtet 
worden  ist.*) 

Wir  fassen  die  Ergebnisse  dieser  langen  Erörterungen  kurz  zu- 
sammen: bei  der  Niederlage  des  Cornelius  Fuscus  ist  eine  L^on  sicher 
untergegangen,  bei  dem  Kriege  gegen  die  Sarmaten  im  J.  92  lässt  sich 
dagegen  die  Vernichtung  einer  Legion  nicht  nachweisen.  Dann  aber  — 
und  das  ist  das  wichtigste  für  uns  —  bei  der  Niederlage  des  Cornelius 
Fuscus  war  die  leg.  V  Alaud.  sicher  anwesend,  während  für  den  Krieg 
gegen  die  Sarmaten,  wenn  sie  bis  dahin  überhaupt  existiert  hat,  nur  eine 
ve.dllatio  der  Legion  in  Betracht  kommen  könnte.  Die  leg.  V  Alaud. 
kann  also  nur  bei  der  Niederlage  des  Cornelius  Fuscus  im  J.  86  vernichtet 
worden  sein. 

An  Stelle  der  vernichteten  Legion  ist  die  leg.  IV  Flav.  in  Moesia 
geblieben.  Das  ist  zwar  nicht  direkt  überliefert,  lässt  sich  aber  mit 
Sicherheit  erschliessen.  Die  Spuren  der  leg.  IV  Flav.  in  Dalmatia  sind 
sehr  dürftig,  und  deshalb  kann  ihr  Aufenthalt  daselbst  nicht  von  langer 
Dauer  gewesen  sein.  Die  Legion  hat  sich  an  den  Donaukriegen  Domi- 
tians  beteiligt,  und  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  sie  nach  der  ver- 
änderten Lage  an  der  Donau  wieder  nach  Dalmatia  zurückkehrte,  wo 
alles  schon  längst  ruhig  war.  Dagegen  wurde  Moesia  im  J.  86  in  zwei 
konsularische  Provinzen  geteilt,*)  und  deshalb  sind  für  jede  Provinz  wenig- 
stens je  zwei  Legionen  als  Besatzung  vorauszusetzen.*)  Drei  von  diesen 
Legionen  sind  uns  genau  bekannt,*)  die  11  Ad.  kam  erst  im  J.  88/89 
an  die  Donau  und  war  in  Acumincum  stationiert,^)  die  vierte  mösische 
Legion  kann  also  nur  die  leg.  IV  Flav.  sein.  Wie  diese  vier  Legionen 
auf  die  beiden  Provinzen  verteilt  waren,   ist  ebenso  mit  Leichtigkeit 


und  Cichorias  Die  Traian8SäuU  II  150).  Da  sie  aber  unter  Domitian  in  Krieg  mit 
den  Römern  verwickelt  waren,  so  ist  es  ganz  natürlich,  wenn  sie  damals  die  Verbündeten 
der  Daker  waren.  Bei  den  Beziehungen,  welche  Dekebalus  mit  den  umliegenden 
Völkern  angeknüpft  hat  (Dio  LXVIII  8.  11.  12;  Mommsen  R.  G.  Y  201,  Cichorius  a.  a.  O. 
8.  51  ff.),  ist  das  nicht  zu  verwundern. 

1)  GseU  p.  216-222. 

2)  S.  38  f. 

3)  Dass  der  Adler,  obwohl  die  Legion  von  den  Sarmaten  vernichtet  wurde,  in 
den  Händeu  der  Daker  geblieben  sein  kann,  zeigt  v.  Domaszewski  Religion  S.  24,  103 
durch  Beispiele  aus  der  Varusschlacht,  wo  die  Cherusker  die  Sieger  waren,  die  drei 
Adler  aber  in  die  Häude  ihrer  Verbündeten  fielen. 

4)  Marquardt  I*  304;  vgl.  S.  8,  1. 

5)  Vgl.  S.  16  ff. 

6)  1  Ital.,  V  Maced.,  VII  Claud. 

7)  Vgl.  S.  39  ff. 


Die  Legionen  der  Provinz  Moesla,  47 

aus  den  hinterlassenen  Inschriften  zu  ersehen:  es  standen  demnach  seit 
dem  J.  86 

in  Moesia  sup.:  leg.  IV  Flav.  und  leg.  VII  Claud. 

in  Moesia  inf.:  leg.  I  Ital.  und  leg.  V  Maced. 

Das  waren  die  mösischen  Legionen  bei  dem  Ausbruche  der  Daker- 
kriege  Traians. 


§  5.    Die  Zeit  Traians. 

1.    Die  Beteiligung  der  mösischen  Legionen  an  den  Dakerkriegen 

Traians. 

Dass  die  mösischen  Legionen  auch  bei  den  Dakerkriegen  Traians  wie 
bei  denen  Domitians  die  Hauptrolle  spielten,  lässt  sich  nicht  bezweifeln, 
da  in  beiden  Fällen  Moesia  die  Basis  der  Operationen  gegen  die  Daker 
bildete.  Viele  Angehörige  der  mösischen  Legionen  haben  sich  dabei  die 
dona  militaria  erworben,  die  Inschriften  lassen  jedoch  nicht  immer  unter- 
scheiden, ob  es  sich  um  die  Kriege  Domitians  oder  Traians  handelt.  Als 
allgemeine  Eegel  gilt,  dass  solche  Verleihungen  der  dona  militaria,  bei 
welchen  der  Name  des  Kaisers  nicht  erwähnt  ist,  auf  einen  verurteilten 
Kaiser,  also  in  unserem  Falle  auf  Domitian,  zu  beziehen  seien.  Da 
daraus  oft  weitgehende  Schlüsse  gezogen  worden  sind,  wird  es  nicht 
überflüssig  sein,  die  Sprache  der  Inschriften  nach  dieser  Richtung  hin 
zu  untersuchen.*) 

1)  In  der  emt  nach  Abschluss  der  vorlie^nden  Arbeit  erschienenen,  sonst  sehr 
sorgföltigen  Abhaodlung  über  die  dona  müitaria  von  Paul  Steiner  (Bonn.  Jahrb.  1905) 
ist  dieser  Punkt  nicht  berück« chtigt.  Ja  der  Verfasser  scheint  selbst  den  alten  Fehler 
begangen  zu  haben,  wenn  er  Inschriften  wie  III  12411  <=  Dess.  2666b  =  Steiner  n.  62 
und  XII  3167  =  Dess.  1016  =  Steiner  n.  67  ohne  weiteres  auf  Domitian  bezieht 
und  meint,  dass  Sex.  Caesins  Propertianus  (XI  5028  =  Dess.  1447  =  Steiner  n.  40)  die 
dona  müUaria  gerade  von  VitelUus  oder  M.  Stlaecius  Coranus  (VI  8589  =  Des«.  2780 
=  Steiner  n.  88)  gerade  von  Nero  erhalten  habe.  Aach  sonst  ist  Steiners  chronolo- 
gische Einteilung  der  auf  die  dona  militaria  bezüglichen  Inschriften  nicht  immer  ein- 
wandfrei. Der  veteranus  III  9885  (Dess.  2822  =  Stein.  28)  kann  unmöglich  die  d&na 
müiiaria  von  Claudius  erhalten  haben,  weil  die  Inschrift  spätestens  im  J.  42  gesetzt 
worden  ist  (vgl.  S.  51  u.  16).  Die  Inschrift  aus  Poetovio  III  4060  =  Stein.  89^  gehört, 
wie  schon  der  Herausgeber  bemerkt  hat,  der  Zeit  an,  als  die  leg.  VIII  Aug.  noch  in 
Pannonia  war,  d.  h.  vor  46  n.  Chr.,  also  nicht  unter  Nero.  Die  Inschrift  VI  1626 
(Dess.  1885  =  Stein.  55),  welche  Steiner  in  die  Zeit  der  beiden  ersten  Flavier  setzt, 
ist  «eher  nachh adrianisch  (vgl.  S.  50  n.  10).  Die  Inschrift  III  6818  (Dess.  1017  = 
Stein.  73),  von  Steiner  auf  Domitian  bezogen,  wird  eher  um  die  Mitte  des  zweiten 
Jahrh.  anzusetzen  sein  (vgl.  v.  Domaszewski  Bhein.  Mu$.  XL VIII  247).  Überhaupt 
sind  viele  Inschriften  ganz  willkürlich  unter  die  einzelnen  Kaiser  verteilt.  Der  Ver- 
fasser hätte  vielmehr  von  den  sieher  datierbaren  FiUen,  an  denen  ja  kein  Mangel  ist, 
ausgehen,  oder  wenigstens  die  unsicheren  Datiemngen  in  irgend  einer  Weise  andeuten 


48  Bogdan  Fihir, 

Das  Recht  die  donu  militaria  zu  verleihen  kommt  dem  Kaiser  nnd 
dem  Prokonsul  zu,  in  so  weit  der  letztere  ausnahmsweise  zu  einem 
effektiven  Kommando  gelangt.*)  Deshalb  werden  auf  den  Inschriften  in 
der  Eegel  nicht  nur  die  dona  militaria  genannt,  sondern  auch  der  Kaiser, 
von  dem  sie  verliehen  worden  sind.*)  Daneben  gibt  es  ziemlich  zahlreiche 
Fälle,  in  denen  der  Name  des  Kaisers  fehlt  Diese  letzteren,  soweit  ich 
sie  kenne,  abgesehen  von  solchen,  die  sich  auf  die  Dakerkriege  beziehen, 
stelle  ich  in  drei  Gruppen  zusammen. 

A.  Die  dona  militaria  sind  von  einem  verurteilten  Kaiser  verliehen 
worden : 

1.  in  6809  (Dess.  2696)  —  Antiochia  Pisidiae  —  P.  Anicio  \  P.  f.  Ser. 
Maxi\mo  . . .  praef.  eooer\cituJ{8)  qui  est  in  Aegypto,  \  donato  ab  imp. 
donis  I  militaribus  ob  expedi\tionem,  honorato  \  Corona  muraii  et  \  hasta 
pura  ob  bellum  \  Britannic(um)  . . .  Das  zuletzt  erwähnte  bellum  ist 
der  britannische  Krieg  des  Claudius,  so  dass  der  betreffende  die 
ersten  dona  militaria  wahrscheinlich  von  Caligula  erhalten  hat. 
Vgl.  Mommsen  zu  der  Inschrift 

2.  in  143871  —  Baalbek  —  . . .  [hello]  C[o]mmagenico ,  donis  donaio 
a[b  I  i]mperatoribus  Corona  aurea  tof[quibu8  \  a]rmillis  phaleris,  Jumo- 
rat(o)  albat(a)  de€[u]f[8ione  \  a]b  imp.,  primopüo  leg.  HI  [0]c^l]f.  . . 
Das  bellum  Commagenicum  ist  das  unter  Yespasian.  Die  imperatares 
sind  entweder  Nero  und  Vespasian,  oder  Vespasian  und  Titos.  Sicher 
ist  an  der  zweiten  Stelle  Nero  gemeint  (vgl.  HI  14  387  ff  und  den 
Kommentar  zu  den  beiden  Inschriften).  Auf  Nero  bezieht  sich  teil- 
weise auch  No.  17. 

3.  m  10224  —  Sirmium  —  T.  Cominius  \  T.  f.  Volt.  Seve\rus  Vienna 
7  I  leg.  II  Adiutric,  \  donis  donat.  \  ab  imp.  Caesare  \  Au^.  belle  Da^nco 

torquibus . . .  Obwohl  diese  Inschrift  einen  dakischen  Krieg  nennt, 
habe  ich  sie  hier  aufgenommen  wegen  der  charakteristischen  Ans- 
drucksweise.  Die  Umschreibung  imp(erator)  Caesar  Au^(ustus\  anstatt 
den  Namen  des  Kaisei*s  direkt  zu  nennen,  zeigt  deutlich,  dass  es 
sich  um  Domitian  und  nicht  um  Traian  handelt  In  derselben  Weise 
ist  der  Name  Domitians  umschrieben  in  der  Inschrift  aus  Fnlgininm 


müssen.  So  aber  können  die  Folgerungen ,  die  er  auf  S.  78  zieht,  nicht  ohne  weitei« 
Prüfung  angenommen  werden.  Aus  denselben  Gründen  sind  auch  seine  Tabellen  nur 
mit  Vorsicht  eu  benützen.  Die  Inschriften  Bull  deW  Inst  arch.  1868  p.  60  (Dem.  2728 
=■■  Stein.  99)  und  Bull,  comm,  di  Roma  1888  p.  104  (Dess.  1327  =  Stein.  118)  findet 
man  jetzt  auch  CIL.  VI  32938  und  31 856.  Umgekehrt  stehen  X  408  (Stein.  117)  VIII  217 
(Stein.  138)  III  13648  (Stein.  140a)  UI  14187*  (Stein,  140b)  und  VI  8538  (Stein.  171) 
auch  bei  Dessau;  1117.  2658.  2663.  4081.  2729. 

1)  Mommsen  Staaisrecht  IP  266,  Fiebiger  bei  Pauly-Wissowa  V  1528  (unter  dona 
militaria). 

2)  Beispiele  für  die  einzelnen  Kaiser  von  Aug^tus  bis  Septimius  Severus  findet 
man  jetzt  am  vollständigsten  bei  Steiner  a.  a.  0.  S.  47—69. 


Die  Legionen  der  Provinz  Moesia.  49 

XI  5210  (Dess.  990,  vgl,  Prosop.  D  107),  ähnUch  (imp.  Caesar 
Augustm  Oermanicus)  in  der  Inschrift  aus  Baalbek  Site-Ber.  der 
Berlin.  Ahad.  1903,  817  =  Rev.  archdol  1903  II  p.  467  n.  368. 
Vgl.  auch  die  folgende  Inschrift 

4.  XIV  3612  (Dess.  1025)  —  Tibur  —  L.  Roscio  M.  f.  Qui.  \  Aeliano 
Maecio  \  Cderi  |  . . .  |  trib.  miL  leg.  IX  Hispan.  \  veocillarior.  eiusdem  \ 
in  expeditione  Oermanica,  \  donato  ab  imp.  Aug.  \  tnüitarib.  donis 
Corona  |  . . .  Auch  hier  kann  mit  imp.  Aug.  nur  Domitian  gemeint 
sein.    Vgl.  die  Anmerkung  zu  der  vorhergehenden  Inschrift. 

5.  m  6818  =  291  (Dess.  1017)  —  Antiochia  Pisidiae  —  .  .  .  \  R  f. 
Stel.  8osp[i]ti  \  fetiali,  leg.  Aug.  \  pro  pr.provinc.  0€U(atiae)  \  Pisid(iae) 
...  I  Arm(eniae),  leg.  leg.  XIII  Gem.,  \  donat.  don.  militarib.  \  expedit. 
Suebic.  et  Sarm.  \  cor.  mur. . .  Die  Inschrift  bietet  keinen  besonderen 
Anhaltspunkt  für  die  genauere  Zeitbestimmung.  Die  expedit(io) 
Suebie(a)  et  8arm(atica)  könnte  der  suebisch-sarmatische  Krieg 
Domitians  sein  (Mommsen  zu  III  291,  Schnitze  Diss.  44,  Cagnat 
p.  1086).  Doch  vgl.  dagegen  v.  Domaszewski  Rhein.  Mus.  XLVni 
(1893)  247. 

6.  V  3356  (Dess.  2710)  —  Verona  —  [Ti.  Claudio]  Ti.  f.  Quir.  Alpino 
I  praef.  aUie  Oallic,  \  trib.  leg.  II  Aug.,  \  praef.  coh.  II  pr.,  \  don.  don. 
bello  Oerm.,  \  Claudia  Ti.  f.  Marcellina  \  marito  optimo.  TL  Clau- 
dius Alpinus  ist  derselbe  Mann,  welcher  nach  seiner  Adoption  den 
Namen  L.  Bellicius  SoUers  getragen  hat  und  consul  suffectus  unter 
Traian  war  (vgl.  Prosop,  B  85).  Das  bellum  Germ{anicum)  ist  des- 
halb einer  der  beiden  Chattenkriege  Domitians ,  den  Ti.  Claudius 
entweder  als  Tribun  der  britannischen  leg.  IT  Aug.,  oder  als  Präfekt  (?) 
der  coh.  n  pr(aet.?)  mitgemacht  hat  Dass  an  den  Chattenkriegen 
Domitians  auch  die  britannischen  Legionen  beteiligt  waren,  beweist 
die  Inschrift  4.  Die  germanischen  Kriege  unter  Vespasian  und  Nerva 
kommen  deshalb  nicht  in  Betracht,  weil  die  Beteiligung  auswärtiger 
Legionen  oder  der  Praetorianer  an  diesen  Kriegen  sich  nicht  nach- 
weisen lässt 

7.  VI  798  (Dess.  1448)  —  Cn.  Octavius  Titinius  Capito  \  praef.  cohortis, 
trib.  müit.,  donat.  \  hasta  pura  Corona  vallari,  proc.  ab  \  epistulis  et  a 
patrimonio,  iterum  ab  \  epistulis  divi  Nervale,  eodem  au^^tore  \  ex  s.  c. 
praetoriis  omamentis,  ab  ^nstulJ^tio  imp.  Nervae  Caesar.  Traiani 
Au^.  Ger.,  \  praef.  vigilum,  Volcano  d.  d.  Cn,  Octavius  ist  das  erste 
Mal  jeder  W^ahrscheinlichkeit  nach  von  Domitian  dekoriert  worden. 
Vgl.  die  Anmerkungen  im  Corpus  und  bei  Dessau. 

8.  X  135  (Dess.  2719)  —  Potentia  —  . . .  [S\atrio  Q.  f  Hör.  Sep,  . . . 
tribuno  militum  ^eg.  \  sec]unda^  Adiutricis  p.  f.,  donis  [mili]taribus 
bello  Suebico  it[em  \  Sarjmatico  Corona  murali ...  An  beiden  Seiten 
der  Inschrift  sind  nur  einzelne  Buchstaben  ausgefallen;  das  Wort 

Filow,  DU  Ltgionen  dn  Proviat  MomI».  4 


50  Bogdan  Mlow, 

donatus  fehlt.  Es  ist  wahrscheinlich  der  saebisch-sannatische  Krieg 
Domitians  gemeint. 
9.  SitZ'Ber.  der  Berlin.  Akad.  1903,  817  =  Rev.  arcMol  1903  11  p.  467 
n.  368.  —  Baalbek  —  (7.  Velio  8(ji(t\üi  f.  Rufo  . . .  item  donis  donato 
Corona  muräli  \  hastis  dtuibiis  vexiUis  diiobtts  et  bel\lo  Marcommannorum 
QtAodorvm  \  Sarmatarum,  adverstis  qiios  eoopedi\tionem  fecit .  • .  Ei 
handelt  sich  um  den  saebisch-sarmatischen  Krieg  Domitians.  Vgl. 
Mommsen  a.  a.  0.  S.  818  ff.,  Ritterling  Österr.  JahresL  VII  (1904) 
Beibl.  23fl. 

10.  VI  1626  (Dess.  1385)  —  Cn.  Fompeio  ...  p.  p.bis  leg.  11  Aug.  et  leg. 
X  Fretens.,  . . .  |  trih.  coh.  V  pr.,  donis  donato  ab  \  imp.  torq.  phai. 
. . .  proc.  Aug.  provinciae  \  B{ritt]annia^  . . .  proe.  \  Aug.  a  rationibus. 
Die  Inschrift  gehört  sicher  der  zweiten  Hälfte  des  2.  Jahrh.  an,*) 
so  dass  der  betreffende  die  dona  militaria  von  Commodns  erhalten 
haben  kann.    Vgl.  Wilmanns  Exempla  zu  n.  1274. 

B.  Die  dona  militaria  sind  von  nicht  verurteilten  Kaisern  verliehen 
worden : 

11.  V  5832   pess.  2338)  —  Mediolanum  —  P.  Tuülius  P.  f.  0[uf.] 
veter anu^y  sign\ifer\  \  aquilifer   leg.  V  [>-•],  \  cürator  veU{ran.], 
aecepit  ah  imp^irat^  \  praemia  dup^icia\  \  natus  est  A.  Hirtio  [A.  f.  C] 
Vibio  Pansa  cos.,  d€{ces8it]  \  C.  Fufio  Oemino  L.  Ri^bellio]  \  Oemino 
COS.  .  .  .  P.  Tutilius  hat  also  vom  J.  43  v.  Chr.  bis  29  n.  Chr.  gelebt, 
so  dass  der  imperator  entweder  Augustus  oder  Tiberius  ist.     Für 
den  Namen  des  Kaisers  ist  kein  Platz  vorhanden,  da  an  der  rechten 
Seite  der  Inschrift  nur  einzelne  Buchstaben  ausgefallen  sind. 

12.  V  531  (Dess.  989)  —  Tergeste  —  [C]  Calpe[tano]  |  Ränt[w]  \  Qui- 

rindl[i  \  Va]lerio  P.  f.  Pomp.  F[e8to] leg.  pro  praet.  ea^ercit. 

Afri]eae,  cos.,  donato  ab  imper[atore  \  hastis]  puris  Uli  vexiUis  IUI 
co[ronis  \  IIH  v]allari  murali  classica  a[urea,  \  cura]tori  alvei  OTiberis 
et  ripd[rum,  \  pon]tif.,  leg.  Aug.  pro  pr.  provin([iae  \  Pan]noniae  et 
provinc[iae]  \  Hispaniae,  \  patrono  \  plebs  urbana.  Der  betreffende 
war  legatus  exerdtus  Africae  im  J.  69/70  (Tacit.  Eist.  U  98; 
IV  49.  50;  vgl.  Plin.  qnst.  HI  7,  12),  consul  suffectus  im  J.  71 
(XIV  2242),  so  dass  er  die  dona  müitariu  von  Vespasian  erhalten 
hat,  vielleicht  für  seinen  Zug  gegen  die  Garamanten  in  Afrika.-) 
Auch  in  dieser  Inschrift  sind  die  Ergänzungen  sicher,  der  Name  des 
Kaisers  fehlt. 

18.  m  13648  4- 14187-^  (Dess.  2663),  vgl.  14187*  (Dess.  4081).  —  Amastris 
—  Sex.  Vibio  Oallo  tre\cenario,  primijrilalri,  iwaef.  kastror(um)  leg. 

1)  Procuratores  Äugusti  a  rationibus  ritterlichen  Ranges  kommen  erst  seit  Hadrian 
vor.     Vgl.  Marquardt  U«  307  ff. 

2)  Tacit.  Bist.  IV  50;  vgl.  Proaop.  C  184. 


Die  Legionen  der  Provinz  Moesia,  51 

XIII  Oem.y   donis  donato   ab  imperatoribus  \  honoris  viHuti^q(u£)  ; 

causa  torquib.  armilUs vexillis  II.  \  Sex.  Vibitis  Cocceiunus 

patrono  bene  merepiti.  Diese  Inschrift  bietet  gar  keinen  Anhalts- 
punkt für  die  nähere  Zeitbestimmung.  Wegen  der  Namensform  aber 
gehört  sie  schwerlich  in  das  erste  Jahrb.  Andererseits  kann  man 
wegen  des  praefedics  hastrorum  legionis  und  der  dona  militaria  nicht 
über  die  Zeit  des  Septimius  Severus  hinausgehen.  Von  verurteilten 
Kaisern  kommt  deshalb  nur  Commodus  in  Betracht,  und  dass  Vibius 
Gallus  gerade  von  ihm  dekoriert  worden  sei,  ist  sehr  unwahr- 
scheinlich. Deshalb  habe  ich  die  Inschrift  in  dieser  Gruppe  angeführt. 
Die  imperatores  können  vor  allen  M.  Aurel  und  L.  Verus  oder 
Septimius  Severus  und  seine  Söhne  sein,  doch  ist  nicht  notwendig 
anzunehmen,  dass  die  imperatores  gleichzeitig  regiert  haben. 

14.  m  1193  -f  p.  1390  (Dess.  2746)  —  Apulum  —  C.  Jul.  C.  ß.  Thevest  , 
Corinthiano  praef.  \  coh.  VII  Oall.,  tribtm.  \  coh.  I  Britt.  item  ve^iU 
(lationi^)  \  Dacor{um)  Parthic(ae),   cui   ob  virtute  sua  sacra\tissimi 

imper{atores)  eoro\nam  muralem et  vea[il]lum  argent.  insignem 

dederuntj  \  praef.   alae   Campag(o7iiifn)  \    Die  sa^atissimi 

Imperatoren  sind  Septimius  Severus  und  seine  Söhne.  Vgl.  Mommsen 
zu  der  Inschrift. 

15.  X  3886  =  I  624  (Dess.  2225)  —  Capua— C.  Canuleius  \  Q.  f.  leg.  VII, 
evo[cat.,  mort.  est  ann.  not.  \  XXXV,  dmiat.  torq.  armil.  \  paler.  Die 
dona  militaria  hat  C.  Canuleius  entweder  von  Caesar  oder  von 
Antonius  oder  von  Octavian  erhalten;  vgl.  Mommsen  zu  I  624. 

1(>.  m  9885  (Dess.  2322)  —  in  der  Nähe  von  Scardona  palmatia)  — 
M.  Fraxsaniun  Sex.  f.  \  Pol.  domo  Regio  Lepido  \  veterant4S  leg.  XJ, 
eques,  \  annorum  XLIIII,  stipendiorum  XXV,  danatus  \  phaleris  tar- 
quibus  I  armillis,  h.  s.  e.  Die  Inschrift  ist  vor  dem  J.  42  gesetzt, 
weil  die  leg.  XI  den  Beinamen  Claudia  p.  f.  noch  nicht  führt  (vgl  S.  18). 
Die  do7ia  militaria  sind  deshalb  entweder  von  Augustus  oder  von 
Tiberius  verliehen  worden,  weil  unter  Caligula,  der  noch  einzig  in  Be- 
tracht kommen  könnte,  in  Illyricum  keine  Kriege  geführt  worden  sind. 

17.  XI  395  (Dess.  2648)  —  Ariminum  —  M.  Vettio  M.  f.  Ani.  \  Volenti  j  mil. 
coh.  VIII  pr.y  benef.  pra^f.  pr{aetorio),  \  donis  danato  bello  Britan.  \ 
torquihis  armiUis  phaleris,  \  evoc.  Äu^g.,  Corona  aurea  donßt,  \  7  coh. 
VI  vig.  .  .  .  princip{i)  \  praetori  leg.  XIII  Oem.j  ex  tree. ,  [p.  p.] 
leg,  VI  I  M,ctr.j  donis  donato  ob  res  prosper.  \  gest(as)  contra  Astures 
torq.  phaler.  arm.,  \  trib.  coh.  V  vig.  . . .  \tr%b^  leg.  XIIII  Oem.  Mart. 

victr.,  I  proc.   imp.    Caes.  Au^g.  prov.  Lusitan Das    bellum 

Britannicum  ist  sicher  der  Britannische  Krieg  des  Claudius,  von 
dem  M.  Vettius  auch  die  dona  militaria  erhalten  hat.  Als  pri- 
mus  pilus  (?)  der  leg.  VI  Victr.  ist  er  von  Nero  dekoriert  worden 
(Cagnat  p.  1083),  und  insoweit  gehört  diese  Insdirift  auch  zu  der 
ersten  Gruppe. 

4* 


52  Bogdan  Fihw, 

18.  VI  32933   (Dess.  2723)  —  L.  Pacmio  L.  f.  Pal  \  Proculo  |    .  .  .  . 

praef,  vexillation.  eq.  Moesiae  infer,  et  Dadae  eunti  (sie)  |  in 
expeditione  Parthic,  donis  \  militaf[ib.]  donato,  praef.  eq.  \  alae  pr. 
Aug.  Parthorum  |  . . . .  Die  expeditio  Parthica  kann  nur  der  parthische 
Krieg  unter  M.  Aurel  sein  (vgl.  S.  75 f.),  so  dass  der  betreffende 
die  dona  militaria  von  M.  Aurel  und  L.  Verus  erhalten  hat. 

19.  Eev.  arcUol  1893  I  p.  396  n.  88  —  Annuna  (Numidia)  —  [Q.  An- 
üstio  Advento]  Q.  f.  Quir.  Postumio  A^u]ilino  cos.  .  .  .  leg.  Aug. 
at  praetenturam  Italiae  et  Alpium  eocpeditione  Germanica  ....  leg. 
Aug.  leg.  VI  Ferratae  et  secundae  Adiutrids,  translato  in  eam  ex- 
peditione Parthica,  qua  donatu^  est  doni^  militaribu^  eoronis  .... 

vexillis  duobus,  praetori Die  Inschrift  ist  ein  absteigender 

cursus  honorum.  Der  betreffende  war  Konsul  unter  M.  Aurel,  so 
dass  die  beiden  Kriege  der  parthische  und  der  markomanische  dieses 
Kaisers  sind  (vgl.  Prosop.  A  589).  Der  Name  eines  Kaisers  ist  in 
der  Inschrift  nirgends  erwähnt. 

20.  Vm  217  (Dess.  2658)  —  Cillium  (Prov.  Byzacena)  .  ...  T  leg.  XV 

Apoll.,  I  7  leg.  II  Par.,  7  leg.  I  Adiutrids,  \  cansecutus  ob  virtuteni 
in  I  expeditionem  Parthicam  \  eoronam  muralem   vaUarem  \  tarques 

et  phaleras,  agit  in  \  diem   operis  perfecti  annos  LXXX  \ 

Da  der  Unbekannte  auch  Centurio  der  von  Septimius  Severus  gebildeten 

leg.  n  Parth.  war,  ist  entweder  der  parthische  Krieg  dieses  Kaisers, 

oder  der  parthische  Krieg  unter  Caracalla  gemeint.   An  spätere  Kriege 

ist  wegen  der  dona  militaria  nicht  zu  denken. 

C.  Zu  dieser  Gruppe  rechne  ich  solche  Inschriften,  welche  gar  keinen 

Anhaltspunkt  für  die  Bestimmung  des  Krieges  und  des  Kaisers  bieten. 

Die  meisten  davon  sind  Grabsteine,  deren  Angaben  sehr  kurz  und  nur 

auf  das  notwendigste  beschränkt  sind.    Der  Name  des  Kaisew,  der  Titel 

imperator   und   die  Bezeichnung   des  Krieges   fehlen   durchweg.')     Die 

wörtliche  Anführung  dieser  Inschriften  wäre  ganz  überflüssig.    Nur  zwei 

Beispiele  mögen  zur  Charakteristik  der  ganzen  Gmppe  dienen: 

21.  in  14398  —  Iconium  (Lycaonia)  —  Tito  Servaeo  Sabino  \p{rimo) 
2){ilo),  donato  omnihus  \  donis.  L.  Servaeics  \  Säbinus  7  leg.  VI  Vict. 
\patri  suo  fecit. 

22.  IX  1614  —  Beneventum  —  L.  Laeülio  L.  f.  \  Stel.  Rufo  \  trib.  mil 
leg.  XXII,  I  don.  hasta  pura  |  Corona  vallari,  \  aedili,  quaes.,  Ilvir 
;  i.  d.,  praef.  fabrum.  \  Atteia  Q.  f.  Prisca  \  uxor. 

ÄhnUch  sind  noch  folgende  Inschriften:  U  1086  (Dess.  2712).  HI  1664. 
5334  +  p.  1048.  8438  (Dess.  2597).  12  498.  U3b8''\  14  507.  V  930.  7495 

1)  Nur  auf  e'mer  Inschrift,  die  sich   Dicht  genau  datieren  läset,  finde  ich   den 
Titel  imperator:  Epheni.  epigr,  VIII  530  (Dess.  2321)  —  Calea  (Campania)  —  M.  Aemtli 
M.  f.  Pob.  I  Soteriae  equitis,  domo  \  Oscensis,  torquihiis  armiU.  \  phdUrü  ab  impertUore 
donatus,  militis  missici  |  veterani  leg.  Villi  Hispanies.,  \  hie  ossa  sita  sunt.    Jedenfalls 
gehört  die  Inschrift  der  ersten  Hälfte  des  ersten  Jahrh.  an. 


Die  Legionen  der  Promnz  Moesia.  53 

(Dess.  2337).  VI  3539  (Dess.  2730).  3618.  VUI  2786  (Dess.  2659).  5209. 
10605  =  14697  (Dess.  2249).  XI  5028  (Dess.  1447).  Dess.  2638.  Schon 
die  grosse  Zahl  dieser  Inschriften  verbietet  die  Annahme,  dass  die  dona 
militaria  nur  von  verurteilten  Kaisern  verliehen  worden  sind.  Die  Aus- 
lassung des  Namens  des  Kaisers  in  allen  diesen  Fällen  kann  nicht  ab- 
sichtlich sein,  sondern  wird  mit  dem  Stile  ähnlicher  Inschriften  zu- 
sammenhängen. 

Aus  diesen  Zusammenstellungen  ergibt  sich  folgendes: 

1.  Ist  der  Kaiser,  von  dem  die  dona  militaria  verliehen  worden 
sind,  verurteilt  und  die  Inschrift  erst  nach  seinem  Tode  gesetzt,  so 
erscheint  an  Stelle  seines  Namens  entweder  eine  Umschreibung  (3  und  4), 
oder  nur  der  Titel  imperator  (1,  2  und  10),  oder  auch  gar  nichts 
(5  bis  9- und  17). 

2.  Finden  wir  auf  einer  Inschrift  statt  des  Namens  des  Kaisers  nur 
den  Titel  imperator,  so  können  die  dona  militaria  ebensogut  von  einem 
konsekrierten  (11  bis  14),  wie  von  einem  verurteilten  Kaiser  (1,  2  und  10) 
verliehen  worden  sein. 

3.  Steht  auf  der  Inschrift  weder  der  Name  des  Kaisers  noch  der 
Titel  imperator  und  gehört  die  Inschrift  nicht  zu  der  Gruppe  C,  so  können 
trotzdem  die  dona  militaria  von  einem  konsekrierten  (15  bis  20),  wie  von 
einem  verurteilten  (5  bis  9  und  17)  Kaiser  verliehen  worden  sein. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  den  Inschriften,  welche  sich  auf  die 
Dakerkriege  beziehen,  so  ist  es  nach  dem  gesagten  klar,  dass  die 
Inschriften  für  die  Dakerkriege  Domitians  sich  nicht  ausscheiden  lassen, 
wie  das  immer  bis  jetzt  geschehen  ist,  weil  der  Name  des  Kaisers  auch 
ohne  besondere  Absicht  verschwiegen  sein  kann.  Deshalb  habe  ich  alle 
Inschriften,  welche  die  Beteiligung  der  mösischen  liegionen  an  den  Daker- 
kriegen  sichern  können,  an  dieser  SteUe  zusammengestellt. 

leg.  I  Ital. 

1.  XI  3100  —  Falerii  —  [C,  Nu]mmiu8  Hör.  V[eru8]  |  . . .  mprovinciae 
. . .  I  . . .  acorum,^)  praef. . . .  |  [T]hr{acum),  trib.  leg.  I  Itali[cae] ... 
[djo^iw  militaribu[s  donatics  ab\  \  imp.  Traiano  Äug. . . .  |  pontif.  sacr. 
iun.  Cu[rritis  . .  .  ]  |  cellam  caldari[am  pec.  sua  fecit\  \  C.  Nummitut 
( \  f.  H[or. . . .]  patronus  reip.  mu  . . .  \  ex  s.  c.  adi[ecit].  Es  ist  aller- 
dings nicht  sicher,  ob  der  betreffende  gerade  im  dakischen  Kriege 
und  zwar  als  Tribun  der  leg.  I  Ital.  dekoriert  worden  war. 

2.  VI  3584  (Dess.  2656)  =  S.  44,  3.  Obwohl  der  Name  Traians  in  dieser 
Inschrift  nicht  erwähnt  wird,  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  sie 
sich  auf  die  Dakerkriege  dieses  Kaisers  bezieht.  Vgl.  Beuchel 
Diss.  79  sqq. 

1)  Die  übliche  ErgfiDSung  Daeorum  ist  sehr  unsicher.  Da  an  beiden  Seiten  der 
Inschrift  ziemlich  viel  zn  fehlen  scheint,  kann  hier  auch  eine  ala  oder  cohors  (etwa 
Arvacorum,  Rauracorum  oder  MatUticorum)  gemeint  sein. 


54  Boydan  Filow, 

leg.  IV  Flav. 

3.  XI  5696,  vgl.  5697  —  Albacma  —  [C]  Caesio  C.  f.  Ouf.  \  Silvestri 
benef.  \  pr{aef.)  pr{aetorio),  evoc,  Aug.,  \  7  leg.  II  Aug.,  leg.  HU 
F.  [/:],  I  leg.  III  Gall,  leg.  VI  \  Ferr.,  leg.  XXX  U{lpiae)  v{ictr.\ 
p(rifno)  p(ilo),  praef.  castror.  leg,  IUI  F.  |/.],  |  \do]nis  dato  hello  Da- 
cico  Ms  I  [tor]quibics  mtnillis  phale[ris,  \  po]ntifici,  curatoH  [viar. 
et  I  pont]  Umhr.  et  Piceni,  dato  [ah  imp.  \  An]tonino  Aug.  Pio  [p.  p. 
imp.  I  //],  patrono  municipi . . .  |  . . .  erelius ...  \  ...  Ejufintis  cos.  f.  f. 
Diese  Inschrift  bezieht  sich  sicher  auf  die  Dakerkriege  Traians,  weil 
C.  Caesius  auch  Centurio  der  leg.  XXX  ülpia  war  und  noch  um  das 
J.  142  lebte.*)  Wenigstens  das  eine  Mal  ist  er  entweder  als  Centurio, 
oder  als  praef.  castrorum  der  leg.  IV  Flav.  dekoriert  worden.*) 

4.  Auf  die  Beteiligung  der  leg.  IV  Flav.  an  den  dakischen  Kriegen 
Traians  sind  vielleicht  auch  die  in  Mehadia  und  V&rhely  (Sarmize- 
gethusa)  gefundenen  Ziegel  der  Legion  (III  8070  a.  e.  f.)  zu  beziehen; 
vgl.  S.  59. 

5.  Schliesslich  ist  auf  die  Beteiligung  derselben  Legion  an  den  dakischen 
Kriegen  Traians  oder  Domitians  noch  ein  Fragment  aus  Nemausus 
(Gallia  Narbon.)  XII  5899  zu  beziehen,  welches  ich,  abweichend  von 
dem  Herausgeber,  folgendeimassen  ergänzen  möchte: 

trib.  mil.  leg. 

QVARTAe  flaviae,  dort.  don.  ah  . .  .^) 
oh  h  ELLA  •  D ACI  ca  . . .  praepos.  equitibtcs 
auxiLIABlBYS 
Die   gewöhnliche   Reihenfolge   der   Ämter    war  praef ectus  cohortw, 
trihunits  militum  legionis,  praefeetus  alae.*)     Deshalb  ist  es  sehr 
wahrscheinlich,  dass  der  betreffende,  bevor  er  praeposittis  equiiibus 
aumliarihus  wurde,  tribunus  militum  legionis  und  nicht  praefechis 
eohortis  war. 

leg.  V  Maced. 

6.  X  6321  (Dess.  1035)  —  Tarracina  —  Q.  Boseio  Sex.  f  \  Quir.  Coelio 
Murenae  \  Silio   Deciano    Vibullo  \  Pio   Julio   Eurydi   Herdano 
Pompeio  Falconi  cos.,  \  XVvir,  s.  f.,  procos.  provinc.  Asiae,  leg.pr.pr. 


1)  Vgl.  XI  5697 : aüecto  ab  optima  imp.  T.  Äelt[o]  Äntonino  Äug.  Pio  p((Ure) 

p{atriae)  imp:  U und  XI  5694  (Dess.  2666  a)  vom  J.  Ul. 

2)  Die  leg.  II  Aug.  staud  in  Britannia,  die  III  Grall.  und  VI  Ferr.  im  Orient. 
Die  Beteiligung  der  leg.  XXX  Ulpia  als  einer  neugebildeten  ist  sehr  unwahrscheinlich. 

3)  In  der  Lücke  könnte  sehr  wohl  auch  der  Name  Domitians  gestanden  haben; 
vgl.  III  4013  (Dess.  1005) :  donato  [ab  imp.  Domitiano  Äug,  Germanico]  hello  Dacico. 
Der  Name  des  Kaisers  ist  getilgt,  lässt  sich  aber  sicher  erkennen.  Ferner  VI  2725 
(Dess.  2034):  donis  müitarib,  donat.  bis,  ab  divo  Vesp.  et  imp.  Domitiano  Äug.  Germ.; 
VIII  1026  (Dess.  2127) :  donia  donatus  a  Domitiano  ob  bellum  Dacicum. 

4)  Vgl.  II  1086.  III  386  (Dess.  2718).  600  (Dess.  2724).  VI  3538  (De«.  2729).  32983 
(Desa.  2728).  XI  4748.  5959.  6033.  6123  und  öfters;  Marquardt  II«  378,  Hirschfeld  Die 
kaiserlichen  Verwälhmgsbeamten*  S.  418  f. 


Die  Le(/ionen  der  Provinz  Moesia.  55 

imp.  Caes.  Traiani  Hadriani  Aug.  pravinc.  \  Brittanniae,  leg.  pr.  pr. 
itnp.  Caes.Nervae  \  Traiani  Aug.  Oermanici  Dacid  \  \pr]ovinc.  Moesiae 
inferior.,  curatori  \  [via]e  Traianae  et  leg.  Aug.  pr,  pr.  provinc.  i 
[Judaeae  e]t  leg.  X  Frei.,  leg.  pr.  pr.  prov.  Lydae  \  [et  PamphyX\iae, 
leg.  leg.  V  Macedonic  \  [hello  Dadco,  donis  militari]btis  donato.  Da 
Q.  Boscius  Falco  die  Statthalterschaft  von  Jadaea,  welche  er 
ca.  107—109  (vgl.  Prosop.  E  68)  verwaltet  hat,  bald  nach  der 
Legation  der  leg.  V  Maced.,  in  welcher  Stellang  er  dekoriert  worden 
war,  übernommen  hat,  so  hat  er  die  dona  militaria  in  einem  der 
dakischen  Kriege  Traians,  wahrscheinlich  im  ersten,  als  Legat  der 
leg.  V  Maced.  erhalten.^)  Daraus  folgt,  dass  an  dem  ersten  dakischen 
Kriege  Traians  die  ganze  leg.  V  Maced.  beteiligt  war. 

Unbestimmt,  ob  auf  die  Dakerkriege  Domitians  oder  Traians  zu 
beziehen,  sind  noch  folgende  Inschriften: 

7.  m  7397  (vgl.  12325  +  p.  2316«)  —  Perinthos  —  M.  JuUus  Avitus 

UUinia  Beis  ApoUinar.  \  1  leg.  XV  Apol.  item  7  leg.  V  \  Mac.  et 
leg.  XVI Fl.  fir.,  bis  ,  donis  donatus  hello  Da^[o'\  \  et  hello  Oerthanico, 
;  sorores  fratri  \  optitno  [et]  pientissimo. 

8.  m  12411  (Dess.  2666»»)  —  „Gefunden  in  der  röm.  Nekropole  NW 
vom  Dorfe  Nedan"  (Moes.  inf.)  —  d.m.\  L.  Val.  L.  f.  Produs  \  mil 
leg.  V  M(aced.),  {henef.)  lega(ti),  \  opt(io)  ad  spe{m)  ordin{is),  \  7  leg. 
eiusd{em),  d{onat.)  tor.  ar.  \  pha[le]r.  hei.  Dac.^  1  leg.  I  \  BcU.,  7  leg.  XI 
Cl,  7  leg.  I  XX  V(al.)  v{ictr.),  7  leg.  Villi  Hisp.,  \  mis{sus)  h(onesta) 
mis{8ione),  rix.  an.  LXXV,  h.  s.  e. 

9.  XII  3167  (Dess.  1016)  —  Nemausus  —  T.  Julio  Sex.  f.  Volt.  Maximo 
Ma  ...  I  Broccho  Servilian.  A.  Qtuidron[io]  \  L.  Serv^ilio  Vatiae  Cassio 
Cam  ...  1  leg.  Aug.  leg.  IIIIFlaviae,  leg.  Aug.  leg.  IAdiu1[r.,  leg.  Aug?\ 

iuridico  Hisp.  citerior.  Tarraconens., pr{aetori),  a[ed.  cur?,  q{u<iestori)] 
I  provinciae  Hisp.  ulterioris  Baeticae,  don[ato]  \  hello  Dadco  coronis 
murali  et  vallari  h[asta  pura]  \  veodllo,  trib.  mil.  leg.  V  Macedonic, 
seviro  [equitum]  \  Born.  türm.  1,  Xviro  sÜitibus  iudi(![andis],  Cala- 
gurritani  \  ex  Hispania  dteriore  patr[ono]. 

Schiller  I  551,  2  zitiert  für  die  leg.  V  Maced.  noch  Le  Bas- 
Waddington  ni  728,  doch  kann  ich  in  dieser  Publikation  eine  solche 
Inschrift  nicht  finden. 

leg.  Vn  Claud. 

10.  XI  5992  =  S.  42 f.  für  einen  der  dakischen  Kriege  Traians;  vgl.  S.  44. 

11.  II  4461  (Dess.  2661)  —  Aeso  (Hisp.  Tarrac.)  —  L.  Aemilio  \  JL  fil. 
Oal.  I  Patemo p.p.,  \  praef.  fahr.,  D  leg,  VII  0{em.),  \  0  leg.  I M{in.), 

1)  An  die  dakischen  Kriege  Domitians  ist  jedenfaUa  gar  nicht  zu  denken,  weil 
Q.  RoBcius  Falco  im  J.  97  oder  bald  darauf  tribunus  plebis  war  (Plin.  epist.  1 28)  and 
erst  nach  dieser  Stellung  die  Legation  der  leg.  V  Maced.  übernommen  hat;  vgl.  Dessau 
SU  1036. 


56  Bogdan  Filow, 

D  leg.  VII Cl  \p.  f.],  \  J leg.  XIII 0(em.),  Dcoh.X[..  urb.l  D coh. Uli 
pr,,  CCC^)  leg.  II  Au\g^  \  et  p.  p.,  ter  donis  donato  \  ab  imp.  Traiano 
torqui '  bus  armillis  phaleris  \  Corona  vällari,  bis  \  in  Dada,  semel  in 
Parthia,  \  Aülia  L.  fil  Vera  bene  de  se  merito.  Der  betreffende 
wird  sich  die  dona  militaria  in  den  dakischen  Kriegen  Traians  als 
Centurio  der  leg.  I  Min.«)  und  VII  Claud.,  oder  der  leg.  VII  Cland. 
und  Xin  Gem.,  die  in  dem  parthischen  Kriege  als  Centurio  der 
coh.  IV  praetoria  erworben  haben. 

1 2.  Die  leg.  VII  Claud.  scheint  noch  an  der  ersten  entscheidenden  Schlacht 
bei  Tapae  sich  beteiligt  zu  haben,  wie  Cichorius  Die  TraianssätUe 
II  118  aus  dem  Vorkommen  des  Adlers  dieser  Legion  an  der 
betreffenden  Stelle  des  Säulenreliefs  erschlossen  hat. 

13.  Auf  einen  der  Dakerkriege  Domitians  oder  Traians  bezieht  sich 
wahrscheinlich  auch  III  12  498  —  Tomi  —  T,  Valerim  T,  f.  CoUina 
Germantis  Pessennunto  immaginif,  leg,  VII  Qlaud.) p.  f.,  donis  (bis?) 
don,,  I  inxit  an,  LVII,  A.  s.  e.  Heredes  T,  Valeritcs  [J]uli€^n]us  et 
L.  Valerius  [0]e[r]m[an]us  et  Valeria  Germana  et  C[l  J]u\lia  coniun[x] 
b{ene)  [m]e(renti). 

Wichtiger  sind  die  Dakerkriege  Traians  für  die  mösischen  Legionen 
in  einer  anderen  Beziehung  gewesen,  nämlich  dadurch,  dass  seitdem  die 
mösischen  Legionen  teilweise  ihre  Standquartiere  verändern  mussten,  und 
dass  eine  Änderung  in  der  Zusammensetzung  des  mösischen  Heeres  herbei- 
geführt wurde.  Alle  diese  Neuerungen  waren  durch  die  Gründung  der 
Provinz  Dacia  bedingt,  so  dass  es  notwendig  ist,  bevor  wir  weiter  gehen, 
einen  Blick  auf  die  Legionen  der  neuen  Provinz  zu  werfen. 

2.  Daela. 

Nach  Beendigung  des  zweiten  Krieges  im  J.  107  wurde  Dada  als 
prätorische  Provinz  eingerichtet^)  und  ei-st  unter  M.  Aurel  in  eine  kon- 
sularische umgewandelt.^)  Zu  ihrer  Besatzung  bis  M.  Aurel  hat  also 
nur  eine  Legion  gehört,  da  ein  Pi'aetorier  zwei  Legionen  nicht  befehligen 
konnte.*) 

Es  gibt  zwei  Legionen,  welche  zahlreiche  Spuren  von  einem  Aufent- 
halte in  Dacia  hinterlassen  haben:  die  frühere  pannonische  XIII  Gem. 

1)  Über  den  trecenarius  vgl.  Mommsen  Ephem.  epigr.  IV  242  ff.,  v.  Domassewtki 
Religion  S.  93,  Yaglieri  Buüett.  comundle  di  Borna  1899,  46  segg. 

2)  Die  leg.  I  Min.  hat  sich  an  beiden  dakischen  Kriegen  Traians  beteiligt: 
II  2424.  III  550  (Dess.  308).  VI  3584  (Dess.  2656);  vgl.  Spart,  vit.  Hadr.  8,  SchilUng 
Diss.  47  sqq.,  Cichorius  Die  Traiarmäule  II  228.  368  f.,   111171.253. 

3)  Marquardt  I«308f.,  v.  Domaszewski  Bhein.  Mus.  XL VIII  (1898)  248,  Jnng 
Fakten  S.  1  ff. 

4)  Marquardt  P  309  f.,  v.  Domaszewski  a.  a.  O.  S.  244,  Jung  a.  a.  O.  S.  17. 

5)  Mommsen  Staatsrecht  II«  247,  8,  v.  Domaszewski  Bhein.  Mus.  XLV  (1890)  208; 
vgl.  auch  S.  16  ff. 


Die  Legionen  der  Pfvvinz  Moesia.  57 

und  die  mösische  V  Maced.  Welche  von  diesen  die  Besatzung  der  prä- 
torischen  Dada  bildete,  zeigen  die  Inschriften:  unter  denen  der  leg.  V 
Maced.  gibt  es  keine,  welche  in  die  Zeit  vor  M.  Aurel  gesetzt  werden 
kann,  während  die  leg.  Xin  Gem.  schon  unter  Hadrian  in  Dacia  stand*) 
und  auch  nach  dem  bekannten  vatikanischen  Legionsverzeichnisse 
(VI  3492  =  Dess.  2288)  allein  die  Besatzung  der  Provinz  bildete.«) 
Schwierigkeit  macht  nur  die  Zeit  Traians,  denn  für  diese  Zeit  ist  keine 
Legion  in  Dacia  direkt  nachweisbar,  und  so  sind  darttber  verschiedene 
Ansichten  ausgesprochen  worden. 

Jünemann^)  nimmt  an,  dass  zuerst  die  leg.  I  Ad.  die  Besatzung  von 
Dacia  gebildet  habe,  und  der  Abmarsch  der  leg.  XV  ApolL  im  J.  114  aus 
Pannonia  nach  dem  Orient  soll  die  Veranlassung  für  die  Versetzung  der 
leg.  I  Ad.  von  Dacia  nach  Pannonia  und  der  leg.  XIU  Gem.  von  Pan- 
nonia nach  Dacia  gewesen  sein.*)  Wir  wollen  diese  unbegreifliche  Ver- 
schiebung der  pannonischen  Legionen  gelten  lassen  und  die  Gründe,  welche 
für  den  Aufenthalt  der  leg.  I  Ad.  in  Dacia  angeführt  sind,  für  sich 
allein  prüfen. 

Die  beiden  Inschriften  aus  Apulum  sind  Weihinschriften  von  Veteranen 
der  leg.  I  Ad.*)  und  können  deshalb  den  Aufenthalt  der  Legion  in  Dacia 
nicht  beweisen.  Die  erstere  ist  schon  unter  Traian  gesetzt  worden.  Da 
die  Legion  abBr  an  beiden  Kriegen  teilgenommen  hat,")  so  ist  die  An- 
wesenheit ihrer  Veteranen  in  Dacia  gleich  nach  dem  Kriege  sehr  begreif- 
lich. Ebenso  wenig  lässt  sich  aus  dem  Umstände,  dass  ein  Veteran 
der  leg.  I  Ad.  als  magistra{n)$  in  den  Canabae  von  Apulum  erscheint 
(Inschrift  b),  den  Schluss  ziehen,  dass  diese  zu  der  leg.  I  Ad.  gehört 
haben.     Denn  in  den  Canabae    der  einzelnen  Legionen  erscheinen  als 


1)  Vgl.  die  auf  S.  61,  7  besprochene  Inschrift  aus  H^viz  und  III  1061  (Dess.  4006) 
—  Apulttoi  —  Jifivi)  o{ptimö)  m(aximo)  \  et  consesaui  deo\rum  dearumque  \  pro  aalute 
imperii  \  Bomani  et  virtute  \  leg.  XUI  G(em.)  sub  M.  Statio  \  Prisco  eonsule  de\8ign(Uo. 
M.  Statiot  FritcuB  war  Statthalter  von  Daoia  im  J.  158,  cansul  Ordinarius  im  J.  159; 
vgl.  Jung  Fasten  S.  11  n.  15,  Prosop  S  637. 

2)  Pfitsner  S.  85f.  96. 162. 239  hat  dieses  Verzeichnis  missverttanden  und  den  SchloM 
gezogen,  dass  damals  in  Dacia  drei  Legionen  gestanden  haben:  Y  Maced.,  XI  Claad. 
und  XIII  Gem.  Die  Sache  ist  schon  von  Mommsen  Ephem.  epigr.  lY  528,  3  richtig 
gestellt.  —  Das  vatikanische  Legionsverzeichnis  stammt  bekanntlich  aus  der  Zeit 
zwischen  135  und  169  n.  Chr.  (Ritterling  Diss.  50,  1).  Trommsdorff  Dies.  85  hat  ver- 
sucht die  Zeit  naher  zu  bestimmen  und  setzt  seine  Abfassung  unter  Antoninus  Pius 
(188-161). 

8)  Diss,  67—70. 

4)  Junemann  Diss.  72. 

5)  a.  III 1004  —  Dominae  et  d{is)  [oder  dieae)\  |  prosalut.  \  imp. Nerva(e)  \  Traiani \ 
Caes.  Äugu.  \  Ger.  Daci.,  |  L.  AnUmius  \  ApoUin[aris]  \  vet.  leg.  I  Ad.  p.  f. 

b.  III  1008  (Dess.  2476)  —  FoHunae  \  Aug.  sacr.  et  geni\o  canabensium,  \  L. 
Silius  Maximus  |  v[et.]  leg.  I  Ad.  \  p.  f.,  magisUra(n)s  \  primus  in  can(abis),  \  d.  d.,  |  ei 
Silia  Januaria  |  et  Silius  Firwdnus. 

6)  Ygl.  Cichorius  Die  Traianssäule  II  34,  III  56  f. 


58  Bogdan  Filow, 

magistrantes   auch  Veteranen    anderer  Legionen,  wie   auch  solche  der 
Auxiliartruppen.^) 

Bedenken  könnte  eher  ein  Ziegel  (HL  8062  =  1628,  der  Fundort  ist 
unbekannt)  erregen  mit  dem  Stempel: 

LEG  Xm  G  ET  I  AQI 
Gestützt  auf  dieses  Zeugnis  haben  auch  Mommsen^)  und  Schiller^) 
angenommen,  dass  zuerst  diese  beiden  Legionen  in  Dacia  gestanden 
haben. ^)  Denn  es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  das  Vorkommen 
von  Militärziegeln  in  einer  Provinz  den  Aufenthalt  der  betreffenden 
Truppe  in  der  Provinz  sichert.  Aber  welche  Schlüsse  man  aus  den 
Ziegelfunden  ziehen  kann,  das  werden  uns  am  besten  eiüige  Beispiele 
zeigen.*^) 

In  Dacia  (Szent-Mihily)  ist  ein  Ziegel  mit  dem  Stempel  LEG  •  VI  • 
ElSijfana)  gefunden  worden  (HI  8069),  mehrere  Ziegel  derselben  Legion 
auch  in  Pannonia  inferior  (Eszek,  III  3754).  Es  kann  nur  die  leg.  VI 
Victr.  gemeint  sein.  Sie  stand  zuerst  in  Kispania,  dann  von  Vespasian 
bis  Hadrian  in  Germania  inferior,  und  unter  dem  letzteren  Kaiser  wurde 
sie  nach  Britannia  versetzt,  wo  sie  dauernd  geblieben  ist.')  Da  es  sehr 
unwahrscheinlich  ist,  dass  diese  Legion  jemals  aus  Britannia  an  die  Donau 
kam,  so  können  die  angeführten  Ziegel  nur  aus  der  Zeit  der  Dakerkriege 
Traians  stammen.  Denn  ein  längerer  Aufenthalt  der  leg.  VI  Victr.  an 
der  Donau  und  zwar  in  zwei  Provinzen  (Pannonia  inferior  und  Dacia) 
ist  ausgeschlossen.  Wohl  aber  kann  eine  veocillatio  der  Legion  an  einem 
der  Dakerkriege  teilgenommen  und  während  dessen  einige  Bauten  in 
Pannonia  inferior  und  Dacia  ausgeführt  haben.') 

Noch  lehrreicher  sind  die  Ziegel  der  leg.  IV  Flav.,  welche  bis  zum 
J.  86  in  Dalmatia,  seitdem  immer  in  Moesia  superior  gestanden  hat 

1)  a.  m  11584-p.  1015  (Desa.  2477)  —  Apulum  —  Victariae  |  Äug.  |  L.  JuL  T. 
[/*.]  OdUr,  I  Leuganus  Clunia  vet.  leg.  \  XIIII  G{em.)  M(artiae)  v{ictrieis\  atdis  \  custoB 
c(%viutn)  R(ftmanorum)  leg.  XHI,  \  nomine  suo  et  \  C.  Jtd.  PtUemi  fUi  \  tut  d.  d. 

b.  m  1100  (Des8.  7171)  —  Apulum  —  Pro  aalute  Aug.,  m^atri)  d(eum)  m{agnae) 
sanctumy  \  T.  Fl.  Langinus  vet.  ex  dec.  al(ae)  II  Pann(oniorum),  |  dee.  ooL  Dae(icae\ 
dec.  mun.  Nap(ocae) ,  dec.  kanab(arum)  \  leg.  XTTT  G(em.\  et  Cl.  Candida  caniunx  et 
Fkm  I  Langinus  Clementina  Marcellina  fil.  \  ex  imperio  pecunia  sua  fecer(unt).  L^oeua) 
d(atu8)  d(ecreto)  d(ecurionum).    Vgl.  Mpmmsen  Die  röm.  Lagerstädte,  Hermes  YII  814^ 

2)  CIL.  unter  n.  1628. 

3)  A.  a.  0.  I  558. 

4)  Dieselbe  Ansicht  vertreten  auch  v.  Domaszewski  Ärch.-epigr.  Mitt.  XHI  (1890) 
144,  82,  Religion  S.  24,  98  und  Jung  Fasten  S.  88  n.  4. 

5)  leb  gebe  auf  diese  Dinge  desbalb  ausfUbrlicber  ein,  weil  die  unricbiige  Auf- 
fassung der  Ziegelfunde  oft  grosse  Verwirrung  verursaebt  hat  Man  vergleiche  b.  B. 
Jung  Fasten  S.  16  und  S.  141,  4.  Weder  Sarmizegethnsa  bat  jemals  su  Moesia  superior 
gehört,  noch  stand  die  leg.  IV  Flav.  unter  dem  Statthalter  von  Dacia. 

6)  Vgl.  im  allgemeinen  Cagnat  p.  1083. 

7)  Ist  das  richtig,  so  müssen  auch  andere  untergermanische  Legionen  veanUaiiones 
für  den  Krieg  gestellt  haben. 


Die  Legionen  der  Provinz  Moesia.  59 

Ziegel  von  dieser  Legion,  abgesehen  von  Dalmatia  und  Moesia  superior, 
sind  an  folgenden  Orten  gefanden  worden:  1.  in  Dacia  und  zwar  in 
MehadiaO  und  in  Sarmizegethusa,^)  2.  am  linken  Donanufer  und  zwar 
mehrere  Exemplare  in  Zsidowin  (zwischen  Temesv&r  und  Viminacium)^) 
und  in  Szerb-Poszeszena  (in  der  Nähe  von  Viminacium),^)  3.  in  Pannonia 
inferior,  mehrere  Exemplare  in  Sirmium*)  und  zwei  in  Aquincum.«) 
Dass  die  ganze  leg.  IV  Mav.  an  allen  diesen  Orten  sich  nicht  dauernd 
aufgehalten  haben  kann,  ist  klar  und  bedarf  keiner  weiteren  Erörterung. 
Die  dakischen  Ziegel  können  aus  den  Dakerkriegen  Traians  herstammen, 
die  pannonischen  dagegen  etwa  aus  dem  Markomanenkriege  M.  Aureis; 
denn  an  beiden  Kriegen  hat  die  Legion  sich  sicher  beteiligt.^)  Diejenigen 
aber,  welche  am  linken  Donauufer  in  der  Nähe  von  Moesia  superior 
gefunden  worden  sind,  beweisen,  dass  diese  Gegend  administrativ  zu 
Moesia  superior  gehörte.^) 

Im  Museum  zu  Eszeg  befinden  sich  Ziegel  der  leg.  V  Maced.  und  der 
leg.  Xin  Grem.,  welche  nur  in  Pannonia  inferior  gefunden  sein  können.*) 
Auch  die  leg.  VII  Claud.  hat  sowohl  in  Dacia  wie  in  Pannonia  inferior 
Ziegel  hinterlassen,i<>)  obwohl  sie  immer  in  Moesia  superior  gestanden  hat. 
Es  wird  doch  Niemand  deswegen  annehmen  wollen,  dass  alle  diese  Legionen 
zu  irgend  einer  Zeit  zum  Heere  von  Pannonia  inferior  gehört  haben, 
obwohl  ihre  oder  ihrer  vexiüationes  Anwesenheit  dort  auf  kurze  Zeit 
sich  nicht  bezweifeln  lässt.  Schliesslich  hat  auch  die  leg.  XI  Claud., 
welche  seit  dem  J.  101  in  Moesia  inferior  gestanden  hat,^^)  einige  Ziegel 
in  Pannonia  hinterlassen  und  zwar  wieder  in  den  Hauptlagem  Aquincum") 
und  Brigetio,^'*)  ausserdem  noch  in  Oedenburg,**)  welche  ebenfalls  nur  auf 
einen  vorübergehenden  Aufenthalt  dieser  Legion  in  Pannonia  schliessen 
lassen,  sei  es  zur  Zeit  Traians,  sei  es  zur  Zeit  der  Markomanenkriege. 
Auch  die  Ziegel  der  leg.  VIEL  Aug.  aus  Aalen  in  Raetia  (III  11991),  wo 
bis  M.  Aurel  keine  Legionen  gestanden  haben,  mögen  in  diesem  Zusammen- 
hange erwähnt  werden. 

Die  hier  angeführten  Beispiele  zeigen  ganz  deutlich,  dass  von  Legio- 
nen oder  abkommandierten  Abteilungen  von  ihnen,  die  während  eines 

1)  III  8070  a. 

2)  111  8070  e.  f. 

3)  ni  8070  b.  c. 

4)  U18070d. 

5)  III  10664a.  b.  c. 

6)  11110668  a.  b. 

7)  Für  die  Dakerkriege  vgl.  S.  54,  für  den  Markomanenkrieg  S.  76. 

8)  Vgl.  S.  5,  1. 

9)  III  15 174.  p.  232«»'  ad  n.  8064,  10. 

10)  1118071b  aus  Mehadia;  10666  (Tgl.  p.  2828^«'*)  aus  Sirmium. 

11)  Vgl.  S.  65flF. 

12)  11111361a. 

13)  11111351b. 

14)  III  p.  2828*«  ad.  n.  11351. 


60  Bogdan  Filow, 

Feldzuges  in  einer  fremden  Provinz,  zu  deren  Besatzung  sie  nicht  ge- 
hörten, sich  aufgehalten  haben,  häufig  Ziegel  gebrannt  worden  sind. 
Es  ist  gewiss  kein  Zufall,  dass  gerade  in  Dacia  und  Pannonia,  den 
grössten  Kriegsschauplätzen  des  zweiten  Jahrhunderts,  Ziegel  der  ver- 
schiedensten Legionen  gefunden  werden,  während  z.  B.  in  Moesia,  Oermania 
oder  Britannia  die  Ziegel  auf  die  einheimischen  Legionen  beschränkt 
sind.  Dass  unter  solchen  Umständen  auch  der  oben  angeführte  Ziegel  der 
leg.  Xm  Gem.  und  I  Ad.  (TU  8062)  den  dauernden  Aufenthalt  dieser 
Legionen  in  Dacia  nicht  beweist,  liegt  auf  der  Hand.  Man  könnte  daraas 
höchstens  den  Schluss  ziehen,  dass  die  beiden  Legionen  sich  an  den 
dakischen  Kriegen  Traians  beteiligt  haben,  was  wir  für  die  leg.  I  Ad. 
auch  aus  der  Traianssänle  wissen.^)  Es  fehlt  also  jeder  Gmnd  f&r  die 
Annahme,  dass  die  leg.  I  Ad.  zu  der  Besatzung  von  Dacia  gehört  habe. 
Wenn  sie  nach  Beendigung  der  Dakerkriege  nicht  nach  Germania  zurück- 
kehrte, war  sie  schon  damals  in  Pannonia  stationiert.*) 

Mommsen  *)  und  Pfitzner  *)  haben  angenommen,  dass  die  leg.  V  Maced. 
nach  Beendigung  des  Krieges  wenigstens  einige  Jahre  in  Dacia  geblieben 
sei  und  dort  die  Kolonie  Sarmizegethusa  im  J.  110  gegründet  habe.*) 
Diese  Annahme  beruht  lediglich  auf  der  Ergänzung  einer  Inschrift  aus 
Sarmizegethusa  (III 1443),  welche  nur  handschriftlich  in  drei  Exemplaren 
erhalten  ist.  Das  eine  ist  stark  interpoliert  und  kommt  nicht  in  Betracht; 
massgebend  sind  nur  die  zwei  anderen,  welche  unabhängig  von  einander 
abgeschrieben  sind.  Mommsen  hat,  gestützt  auf  eine  ähnliche  Inschrift 
aus  Thamugadi,«)  den  Text  folgendermassen  rekonstruiert: 

ex  AYdoritate  imp.  cae 

SARIS  DIVI  NERVae  f. 

TRAIANI  AVGVSTI 

CONDITA  COLONIA 

DACICA  5 

PER 
%.  V  M  SCAVRIANVS 
%.  EIVS  PRO  PR 
d.d. 
Die  Schwierigkeiten,  welche   bei  dieser  Ergänzung  entstehen,  hat 
Mommsen   natürlich  nicht  übersehen:  nämlich,  dass  in   einer  offiziellen 

1)  Vgl.  Cichorius  Die  IVaianssäule  II  34,  III  56  f. 

2)  Cichorius  a.  a.  O.  III  57  f.  hat  angenommen,  dass  die  leg.  I  Ad.  zwischen  den 
beiden  Dakerkriegen  in  Dalmatia  gestanden  habe.  Dalmatia  war  aber  schon  unter 
Domitian  inennis  (vgl.  S.  46),  und  es  lässt  sieb  kein  Grund  finden,  warum  Traian 
wieder  eine  Legion  dorthin  geschickt  haben  soll. 

3)  CIL.  III  unter  n.  1443  und  p.  229. 

4)  A.  a.  0.  S.  86.  162.  239. 

5)  Diese  Ansicht  vertritt  auch  Jung  Bömer  und  Rotnanen  in  den  Donaüländem 
S.  92,  Jiomnn.  Lniidsch.  des  röm.  Haches  S.  383  und  neuerdings  Fasten  S.  2  n.  1. 

6;  Vi II  2355. 


Die  Leyionen  der  Provinz  Moesia,  61 

Inschrift  der  Beiname  der  leg.  V  Maced.  nur  durch  M  abgekürzt,^)  und 
dass  der  Legat  nur  mit  seinem  Cognomen  genannt  wird.  Es  hat  sich 
später  noch  herausgestellt,  dass  in  dem  Exemplar  a  Zeile  6  der  Punkt 
zwischen  V  und  M  und  das  S  am  Schluss  von  Scaurianm  fehlen.*)  Der 
Schluss  der  beiden  massgebenden  Abschriften  gestaltet  sich  hiemach 
f  olgendermassen : 

a)  PER  b)  PER 

VM  SCA VRIAN V  M  SCAVRIANVM 

EIVS  PRO  PR 
Wir  haben  also  mit  Borghesi'*)  den  Schluss  der  Inschrift  zu  lesen: 

PER 
d.  termtiWU  SCAVRIANVM 
Ug.  EIVS  PRO  PR. 
D.  Terentius  Scaurianus  verwaltete  Dacia  im  J.  110  und  war  ver- 
mutlich der  erste  Statthalter  dieser  Provinz.*) 

So  kann  auch  der  Aufenthalt  der  leg.  V  Maced.  unter  Traian  in 
Dacia  nicht  nachgewiesen  werden.  Die  Legion,  welche  schon  unter  diesem 
Kaiser  in  Dacia  gestanden  hat,  kann  keine  andere  als  die  leg.  Xin  Gem. 
sein,  deren  Aufenthalt  in  dieser  Provinz  wenigstens  seit  Hadrian  gesichert 
ist,*)  und  die  sich  auch  an  den  Dakerkriegen  beteiligt  haben  muss.^ 
Wir  haben  gar  keinen  Grund  anzunehmen,  dass  vor  Hadrian  eine  andere 
Legion  in  Dacia  gestanden  haba^ 

3.  Hoesla  superior. 

Was  Moesia  superior  betrifft,  so  haben  weder  die  Dakerkriege 
Traians  noch  die  späteren  Ereignisse  eine  Veränderung  bei  den  Legionen 
herbeigeführt,  obwohl  der  Umfang  der  Provinz  in  späterer  Zeit  bedeutend 
kleiner  wurde.     Die  beiden  Legionen  IV  Flav.  und  VIl  Claud.  kommen 

1)  Diese  AbkUrzuDg  ist  im  Übrigen  durchaus  nicht  selten,  vgl.  III  987  (Dess.  3847). 
6162.  6169.  6189.  12411  (Dess.  2666b)  and  die  Ziegel  III  6240c  und  12524. 

2)  Vgl    CIL.  III  p.  1407. 

3)  Bei  OrelliHenzen  p.  494  sq.  ad  n.  509;  vgl.  auch  Hirschfeld  SiU.-Ber.  d. 
n'iener  Akad.  LXXVII  (1874)  865,  2. 

4)  Vgl.  Jung  Fasten  S.  2  n.  1,  Prosop.  T  68. 

5)  Vgl.  S.  56  f. 

6)  Ihre  Beteiligung  an  den  Dakerkriegen  wird,  so  viel  ich  sehe,  inschriftlich 
direkt  nicht  bestätigt,  doch  gibt  es  Inschriften,  welche  darauf  bezogen  werden  können. 
Vgl.  III  8438  (Dess.  2597)  —  Narona  —  .  . .  [dom]o  (?)  Äriminio)  \  mil  Ug.  XIU, 
donat.  iorq.  \  armil.  pfml.,  et.  7  coh.  I  Camp.,  an.  LX,  t{e8tamerUo)  f(ieri)  {(ussit). 
Posidonius  \  et  Prunicus  lib.  posuer.  |  et  dli  ne(mini),  h.  8.  e.  —  Dess.  2688  —  Aquileia 
—  T.  Statins  P.  f.  |  Serg.  Marrax  \  prim.  pil.  leg.  XIII  \  Geminae,  \  donatus  |  torfuib. 
armtU.  |  phaleris,  hasta  |  pura  hiSy  coron[is]  \  aureis  quinlque].  Die  Venchweigung  des 
Namens  des  Kaisers  ist  an  sich  selbst  bedeutungslos  (S.  58).  Vgl.  femer  noch  11  4461 
(Dess.  2661)  =  S.  55  n.  11 ;  III  18648  (Dess.  2668)  =  S.  50  n.  18  und  S.  60. 

7)  Das  Lager  der  leg.  XIII  Gein.  war  in  Apuluni.  Vgl.  CIL.  111  p.  182  und  die 
zahlreichen  Inschriften  aus  diesem  Orte.    Die  Annahme,  dass  die  Legion  unter  Hadrian 


62  Bogdun  F\lou\ 

auch  nach  dem  bekannten  vatikanischen  Legionsverzeichnisse  (VI  3492 
=  Dess.  2288)  Moesia  snperior  zu.  Dio  LV  23  f.  kennt  dieselben  Legionen 
in  dieser  Provinz,  und  sie  sind  dort  noch  im  vierten  Jahrhundert  nach- 
zuweisen. Schliesslich  erscheinen  der  Löwe  und  der  Stier,  die  Tierbilder 
der  leg.  IV  Flav.  und  Vn  Claud.,  fast  auf  allen  vom  J.  239  bis  254/5  in 
Viminacium  geprägten  Münzen  der  Provinz  Moesia  superior.*) 

Die  leg.  VII  Claud.  stand,  wahrscheinlich  schon  seit  sehr  früher  Zeit, 
in  Viminacium,®)   wo   auch   viele  Ziegel   der 'Legion   gefunden  worden 


in  H^yiz,  im  östlichen  Teile  der  Provins,  gestanden  habe  (so  Monimsen  CIL.  III  p.  160, 
Jung  Eömer  und  Bomanen  S.  96,  Roman.  Landsch.  S.  890,  doch  jetzt  Fasten  S.  130 
urteilt  er  anders),  beruht  auf  einer  Inschrift  aus  diesem  Orte  (III  958),  welche  too 
Mommsen  folgendermassen  ergänzt  ist: 


tmp.  caes.  divi  traiani  pa 
nepoti  traiano  hadrian 
leg. 


iRTHIC     FIL     DIVI    nerwu 
lO  AVG  PONTIF  Mäc. 
XIII  G  SVB  TIB  Cl.  audio 
G  ANTONIN//N/ 
Man  hat  in  dem  Tib.  Claudius  den  Legaten  der  Legion  gesehen  (vgl.  Index  zu 
CIL,  m  p.  2482  unter  leg.  XIII  Gem.,  Pro8op.  C  628,  Jung  Fasten  S.  57  n.  6),  und 
demnach  müsste  die  Inschrift  von  der  ganzen  Legion  gesetzt  sein.    Aber  es  kann  sich 
hier  auch  nur  um  eine  vexiüaiio  der  Legion  handeln,  welche  unter  einem  Centurio 
gestanden  hat.    Der  übliche  Ausdruck  in  solchem  Falle  ist  aUerdings  sub  cura  Juni 
Vietoris  (vgl.  II  6188  =  Dess.  2293.  HI  1980  =  Dess.  2287.  DI  6745.  7449.  8099),  aber 
es  gibt  auch  Beispiele,  wo  das  Wort  cura  fehlt: 

a)  Xm  4623  —  Norroy  (Prov.  Belgica)  —  Herculi  Saxsäno  |  vexOlari  le(g.)  XXI 
Ba(p.)  I  et  auxilia  eorum  ch\ortes  (sie)  F,  qui  sunt  sub  \  L.  Pcmpeio  Secundo  7  |  2^0 
XXI,  V,  s.  l  m. 

b)  Buü.  de  corr.  helUnique  1902  p.  165  n.  5  =  Rev,  archiol  1908  II  p.  443 
u.  252  —  Seleucia  Pieria  —  in^.  T.  Adio  [Ha]d[rt]\ano  Antonino  \  Aug,  Bio  p{airi) 
p(atriae)  vexil  leg,  \  IUI  Scy[t.  et  leg,]  XVI  F.  f,  |  su[b]  Sui[picio?]  JuUa\no. 

Ein  Legat  der  leg.  XIII  Gem.  mit  dem  Namen  Tib.  Claudius  ist  erst  aus  der 
Zeit  des  Septimius  Severus  bekannt  (vgl.  Jung  Fasten  S.  57  n.  6,  Prosop.  C  678),  und 
deshalb  wiU  Jang  a.  a.  0.  S.  58  die  Inschrift  aus  H^viz  erst  in  die  Zeit  des  Septi- 
mius Severus  setzen,  was  aber  wegen  der  ersten  erhaltenen  Zeilen  unmöglich  ist  Da- 
gegen finden  wir  einen  Centurio  der  leg.  XIII  Gem.  mit  dem  Namen  Tib,  Claudius) 
Vdlertanus  auf  der  Inschrift  aus  Apulum  III  981 ,  welche  ebenfalls  aus  dem  zweiten 
Jahrhundert  zu  stammen  scheint:  Aesculapio  et  \  Hygiae  Tib.  Cl(audius)  |  Valerianus 
7  I  leg.  XIII  G{em,)  et  \leg.]  \  I  aitricis  (sie)  |  voto  p(osuit).  Aus  diesen  Gründen  möchte 
ich  die  Inschrift  aus  H^viz  folgendermassen  ergänzen: 

imp,  caes.  divi  traiani  ^wijRTHIC     FIL     DIVI    nervae 
nepoti    traiano    hadrian  0   AVG  PONTIF   Maximo 

vexiHatio  leg.  jXIII  G  SVB  TIB  CL  wderiano 
7  Ug.  eiusdem  \     G  ANTONIN//N/ 

Eine  ähnliche  Inschrift  besitzen  wir  auch  aus  Kutlovitza  (Moesia  inf.,  III  7449  = 
S.  65,  1).  Wenn  auch  H^viz  ein  solches  Kastell  besass  wie  Kutlovitza  (vgl.  über  dieses 
Kastell  Mommsen  Ephem,  epigr,  IV  525  sqq.),  so  folgten  in  der  hier  besprochenen 
Inschrift  die  Namen  der  Mannschaften,  welche  die  Besatzung  bildeten,  und  von  denen 
in  der  letzten  Zeile  der  Inschrift  nur  ein  Rest  erhalten  ist 

1)  Vgl.  Pick  Die  Münzen  S.  27  f,  n.  70  ff. 

2)  Ptolem.  III  9,  3  Müller;  vgl.  Itin.  Anton,  p.  133,  Not.  dign.  or,  XLI  81;  CIL, 
III  p.  264  und  zu  n.  1701 ,  Cagnat  p.  1088.    Viminacium  scheint  schon  unter  Tiberins 


Die  Legionen  der  Provinz  Moe^ia.  63 

sind.")    Auf  einem  von  ihnen*)  steht  der  Stempel  LEG  YlM(i7iaciensis), 
womit  nur  die  leg.  Vn  Claud.  gemeint  sein  kann. 

Das  Lager  der  leg.  lY  Flav.  lässt  sich  ans  den  Inschriften  nicht 
bestimmen,*)  doch  seit  Traian  ist  es  sicher  Singidunnm  gewesen.*)  Dieses 
letztere  hat  aber  erst  unter  Traian  grössere  Bedeutung  erlangt  und  vor 
der  Eroberung  Dakiens  ist  dort  kaum  ein  Legionslager  entstanden.^ 
Dagegen  hat  Ratiaria  schon  sehr  früh  grosse  militärische  Bedeutung 
gehabt,*)  und  es  ist  deshalb  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  leg.  IV  Flav., 
bevor  sie  unter  Traian  nach  Singtdunum  verlegt  wurde,  dort  gestanden 
hat^  Dafür  spricht  wenigstens  noch  der  Umstand,  dass  Ratiaria  von 
Traian  zur  Kolonie  erhoben  wurde,*)  was  mit  der  Verlegung  der  Legion 
nach  Singidunnm  in  Zusammenhang  stehen  kann.^) 

4,  Moesia  inferior. 

Hier  standen  bei  dem  Ausbruche  der  Dakerkriege  Traians  die  leg.  I 
Ital.  und  V  Maced.  (S.  47).  Die  erstere  Legion  hat  die  Provinz,  so  viel 
wir  sehen,  niemals  dauernd  verlassen.  Ihr  Lager  war  Novae, ^<*)  zugleich 
Hauptstadt  der  Provinz  Moesia  inferior.^^) 

Legionslager   gewesen   zu   sein;  vgl.  v.  Domaszewski  N,  Heiddb.  Jahrb.  I  (1891)  198 
und  Österr.  Jahresh.  V  (1902)  147  f. 

1)  in  1700.  6324.  6325.  8071.  8275.  12675  und  die  Ziegel  in  den  Österr.  Jahresh, 
VI  (1903)  BeibL  Sp.  53flF.,  Vin  (1905)  Beibl.  Sp.  8  ff. 

2)  m  1701.    Der  Fundort  ist  unbekannt. 

3)  Ziegel  sind  vor  allem  in  Singidunnm  (III  6824.  8276,  2),  Viminacium  und  dessen 
Umgebung  (IH  8070  b.  c.  d.  8276,1c.  13815.  14597  und  Österr.  Jahresh.  VI  Beibl. 
Sp.  52  f.,  VIII  Beibl.  3  n.  7)  gefunden  worden.  Über  die  ausserhalb  der  Grenzen  Ton 
Moesia  sup.  gefundenen  Ziegel  vgl.  S  58  f . 

4)  Ptolem.  in  9,  3  Müller;  vgl.  Bin.  Anton,  p.  132:  Sinffiduno  castra,  Not.  dign. 
or.  XLI  30;  Cagnat  p.  1080,  v.  Premerstein  ÖsUrr.  Jahresh.  IV  (1901)  Beibl.  105. 

5)  Vgl.  V.  Domaszewski  N.  Heidelb.  Jahrb.  I  (1891)  198,  1. 

6)  V.  Domaszewski  a.  a.  0.  S.  198,  Westd.  Zeitschr.  XXI  (1902)  175. 

7)  Welche  Legion  vor  der  IV  Flav.,  die  ja  erst  im  J.  86  nach  Moesia  sup.  kam 
(S.  46),  in  Ratiaria  gestanden  hat,  wissen  wir  nicht.  Vor  der  Teilung  der  Provinz 
könnten  dort  auch  zwei  Legionen  gestanden  haben. 

8)  Die  col(pniä)  mp(ia)  Ratiar(ia)  wird  z.  B.  genannt  III  7492  =  753  (Dess.  1465). 
6294  (Dess.  7175).  8088  (Dess.  7176);  Komemann  bei  Pauly  - Wissowa  IV  547  n.  229 
(unter  eoUmiae). 

9)  Vgl.  auch  S.  64. 

10)  Vgl.  Ritterling  Diss.  49,  1,  Beuchel  Diss.  60—79;  Itin.  ÄnUm.  p.  221,  Not. 
dign.  or.  XL  30,  Bavennas  p.  187,  7.  189,  10  (IV  7).  Die  Angabe  des  Ptolem.  UI  10,  5, 
wonach  die  Legion  in  Durostorum  gestanden  haben  soll,  beruht,  wie  jetzt  ganz  sicher 
fieststeht,  auf  Missverständnis  der  späteren  Abschreiber. 

11)  Vgl.  CIL.  III  p.  992  und  die  in  Novae  gefundene  Inschrift  aus  dem  J.  224 
in  7591  (Dess.  2295):  dis  militaribus,  \  GeniOj  Virtuti,  A'quilae  sanc(tae).  3ignis\que  leg.  I 
Bai.  8eve\rianae,  M.  Aurel.  \  Justxis  domo  Ho[r]rei  Margensü  m{unicipio?)  \  Moesiae  supe- 
rto{m,  ex  (trecenario),  p(rimus)  p{ilus)  \  d(pnum)  d{edit).  —  Dedic(atum)  Xu  Kai  |  Oct. 
JuUano  I  n  et  Crispino  \  cos.  |  [pey  Annium  Balicum  \  leg.  Aug.  pr.  pr.  Die  Weihung 
wurde  von  dem  Statthalter  nur  an  seinem  Amtssitze  persönlich  vorgenommen,  sonst  von 
dem  Legaten  der  Legion.     Vgl.  v.  Domaszewski  Religion  S.  110  mit  Anm.  452. 


64  Bogdan  Filow, 

Auch  die  leg.  V  Maced.  ist  nach  dem  Kriege  nicht  in  Dacia  geblieb^i 
(S.  60  f.).  Sie  ist  also  wieder  nach  Moesia  inferior  zorflckgekehrt  and 
stand  von  Hadrian  bis  M.  Aurel  in  Troesmis.^)  Dagegen  seit  Vespasian, 
spätestens  seit  der  Teilung  der  Provinz,  war  ihr  Lager  in  Oescos.*) 
Ihre  Versetzung  nach  Troesmis  ist  sicher  unter  Traian  erfolgt,  weil 
Oescus  von  ihm  zur  Kolonie  erhoben  wurde,*)  was  nur  bei  der  Wegziehong 
der  Legion  aus  diesem  Orte  möglich  war.^)  Oescus  und  Ratiaria  haben 
die  militärische  Bedeutung,  die  sie  im  ersten  Jahrhundert  besassen,  durch 
die  Gründung  der  Provinz  Dacia  verloren,  und  die  Legionen  mussten 
anderswohin  verlegt  werden.  Wir  haben  zwar  bis  jetzt  noch  keine 
Beweise  dafür,  dass  auch  in  Ratiaria  eine  Legion  während  des  ersten 
Jahrhunderts  gestanden  hat.  Da  aber  Ratiaria  in  derselben  Weise  wie 
Oescus  von  Traian  behandelt  wurde,  ^)  so  lässt  sich  nicht  bezweifeln,  dass 
auch  der  erstere  Ort  vor  Traian  ein  Legionslager  war.  Die  Legionslager 
des  mösischen  Heeres  im  ersten  Jahrhundert  können  übrigens  noch  nicht 
mit  Sicherheit  festgestellt  werden,  und  alles,  was  bis  jetzt  darüber  vor- 
gebracht ist,  geht  nicht  über  Vermutungen  hinaus. 

Nach  dem  vatikanischen  Legionsverzeichnisse  (VI  3492  =  Dess.  2288) 
stand  in  Moesia  inferior,  ausser  den  Legionen  I  Ital.  und  V  Maced.,  noch 

1)  a.  III  6166  t-  p.  1008  (Dess.  2474)  -  Troeamis  —  \p]ro  8di(ute)  |  tmp.  Caesar,  j 
Tra(iam)  Hadr(iani)  \  Aug.,  C.  Vdl.  \  Pud.  vet.  le(g.)  V  \  Mae.  et  M,  ülp.  Le[(mL  ma- 
g(istris)  canahe(nsium)  et  \  Tuc(cio)  Ael(iano)  aed(ile)  d(onum)  d(afU)  \  vet(eran$)  et  efivee) 
B(pmant)  con8{i8tentes)  ad  |  canah(a8)  leg.  V  Ma{ced.). 

b.  lU  6168  —  Troesmis  -—  tmp.  Caemri  \  T.  Ael.  Hadriano  |  Antanino  \  Aug.  Pio 
p{atr%)  p(atriae),  \  Ti.  Cl.  Celstia  \  p(rimu8)  p(ilwf)  leg.  V.  Mac. 

c.  III  6169  —  Troesmis  —  [p]ro  sal.  imp.  Ant.  |  et  Veri  Aug.^  leg.  V  Mac^  \ 
JaUi  Bassi  leg.  Aug.  \  pr.  pr.,  Marti  Veri  Ujg.]  \  Aug.,  P.  Ael.  Quintianus  \  Magni  fU. 
7  leg.  V  M{aced.)  ....  Vgl.  Ptolem.  III 10,  5  (MüUer);  CIL.  lU  p.  999.  Auch  Ziegel 
der  leg.  V  Maced.  sind  in  Troesmis  gefunden  worden:  III  6240.  7618. 

2)  Vgl.  Y.  Domaszewski  N.  Heiddb.  Jahrb.  l  (1891)  197  f.  und  Weetd.  Zeüeehr. 
XXI  (1902)  189.  Auf  diesen  Aufenthalt  der  leg.  Y  Maced.  in  Oescus  besieht  er  (IVeetd. 
Zeitschr.  XXI  188  AnoL  212)  folgende  Inschriften: 

a.  m  12348  -f  p.  2316*»  —  Beschli,  in  der  Nähe  von  Ocmus  —  C.  FiWliit  a 
f.  I  Fab.  Fro\nto  do\mo  Bri\xia  vet\r  (sie)  leg.  V  \  3f[ac.],  vi\a{ü  an]ni. 

b.  m  14415  —  OeMSus  —  C.  Anni\u8  C.  f.  |  Ani.  Müo  \  Luca  vet.  |  leg.  V  Mae., 
vix.  ann.    Ferner  die  unedierte,  bei  ihm  abgedruckte,  ebenfaUs  in  Oescus  gefundene 
Inschrift  L.  Septimius  C.  [f.]  midies)  leg.  V Mae.,  vix.  a.  LX,  mäüav.  a.  XXX,  h.  8.  e. 
Maeolia  l(ibertä)  [et]  coiux  f.  c. 

3)  III  7429  (Dess.  1465)  aus  Oescus:  (honorato)  ab  ardine  col.  ülp.  Oeecii);  Tgl. 
auch  III  14416  (Dess.  7178),  ebenfalls  aus  Oescus:  princeps  ordinis  eol.  Oeic(i)  and 
VI  31 146:  lUipia)  Oe3c{us)\  Kornemann  bei  Pauly-Wissowa  a.  a.  0.  n.  232. 

4)  Vgl.  Mommsen  Die  röm.  Lagerstädte,  Hermes  VII  (1873)  299  ff.,  bes.  828  f., 
Schulten  bei  Paulj- Wissowa  III  1455,  Nissen  Novaesium  (Bonn.  Jahrb.  1904)  S.  8  f.  — 
Dass  der  grosse  «Traians'-Wall  in  der  Dobrudscha  nicht  unter  Traian  angelegt  sein 
kann,  wie  noch  Schiller  I  554  (vgl.  auch  Mommsen  B.  G.  V  206  f.)  angenommen  hat,  ist 
schon  ?on  Schuchhardt  Jahrb.  des  arch.  Jnst.  XVI  (1901)  119  bemerkt  worden;  Tgl. 
auch  Cichorius  Die  Denkmäler  S.  8. 

5)  Vgl.  S.  63. 


Die  Leffioneti  di*r  Provinz  Moesicu 


SS 


die  leg.  XI  Claud.  Den  Aufenthalt  der  letzteren  in  Moesia  inferior  im 
J,  155  bestätigt  eine  Inschrift  aus  Kutlovitza.Vi  In  den  ersten  Regierungs- 
jahren Traians  stand  sie  dagegen  noch  in  (Jeitnania  superior,*)  Z\^ischen 
diesen  beiden  Daten  ist  also  die  Versetzung  der  Legion  nach  Moesia 
inferior  erfolgt  Einen  weiteren  Anhaltspunkt  bietet  der  Umstand,  dass 
die  Canabae  der  leg.  XI  Claud.  in  Dm-ostorum,  dem  Hauptlager  der 
Legion,"")  den  Beinamen  Äelmc  führen,*)  Demnacli  war  die  leg,  XI  Claud* 
in  Durostorum  schon  unter  Hadrian  oder  spätestens  unter  Antouinus  Pius. 
Aber  ein  Gi-und  für  die  Versetzung  der  Legion  nach  Moesia  inferior  unter 
diesen  beiden  Kaisern  ist  nicht  zu  finden/^)  Dagegen  können  wir  mit 
Bestimmtheit  annelunen,  dass  zur  Zt^it  Hadrians  die  leg.  XI  Claud.  nicht 
mehr  in  Germania  superior  war.  Denn  sie  erscheint  nicht  unter  den 
anderen  obergermanischen  Legionen,  welche  ihre  vejrillationes  für  den 
britannischen  Krieg  Hadrians  gestellt  haben, ^  was  nur  durch  die  Ab- 
wesenheit der  leg  XI  Claud.  erklärt  werden  kann.^)  Da  aber  dieser 
Krieg  im  J.  122  erfolgte,»^)  so  mnss  die  leg.  XI  Claud.  zu  dieser  Zeit 
schon  in  Moe.sia  inferior  gestanden  haben.  Wir  haben  oben  (S.  Gi) 
gesehen,  dass  die  leg.  V  Maced.  unter  Traian  nach  Troesmis  vorgeschoben 


1)  III  7449:  ...»  [peifnisguy  T.  Flam\  |  lAmgini  leg.  Auq,  pr.  pr,^  |  Dtritlat.  leg. 
XI  (X  I  sub  cura  Fi  Mcuumi  )  Ug,  |  eiusdem^  Sepero  et  Sabiniano  \  cü#.  E«  folgen  die 
Nameo  der  Manna<?hiifteD,  widchf  dirse  vexillaiw  gebildet  haben. 

2)  Xni  <>21»S  (Dets.  22^6)  —  Badcii-Baaen  —  it]mp,  Nerva  Tra[ian.  Cae».  Äv^, 
Gtrnh]  [  pontif.  max.  ^tv.  pol  ,  ,  .  ,  eo8  . .  , ,  p.  p:\  |  le\g.  T  Aät.,  [l\eg.  XI  C\L],  Die  In* 
acbrift  ist  wahracheitilicb  Im  J.  100,  Tor  dem  Ausbruche  de«  dakischen  Krieges^  gdsetst 
wordetj;  vgl.  CIL.  XUl  2  p.  197. 

3)  Itin  Äntoft.  p.  223,  Not.  dign.  ör.  XL  88;  Cagnal  p.  1085,  Beuchel  Ditut.  72. 
Einige   Ziegel   der  leg.  XT  CUud.   bind   tu   DurostoruTu   gefunden:    11 1   12'^>25.    14597^ 

ttdere  in  der  Nähe  dieser  Stadt:  7r.l9a,b,  12526,     Vgl.  Auch  S.  63,  10, 

4)  111  7474  (Dens.  2475)  ^  Durostonnu  —  J.  o.  m,  t  pro  mlute  imp.  Caea.  T,  Aeli 
Hä\driiini  Antonini  Äug,  Pii  et  Vert  Caex.y  templum  et  idatuam  \  c.  R,  ei  comfiststtntibu^t 
in  I  canabis  Aelü  kg.  XI  Cl,  |  Cn,  Oppiwt  Soterichu»  ei  \  Oppiua  Seperus  ßL  eius  |  de 
mo  fecerunt  Dedicaium  eäi  per  7YA.  CL  Satumi  num  leg.  Aug.  pr.  pr,,  T$b.  CL  Juti\ano 
leg.  Aug,  —  »Der  RecbtBgruud  dieser  Benenuuug  liegt  iu  der  Zugehitrigkeit  de«  terH- 
torium  legionis  der  1  »ouaupruviuzen  luui  kaisefilchett  Fiskus.*  (Schulten  hei  Tauly- 
Wisaowa  111  U54u 

5)  DftÄ»  e«  aueh  zu  dieser  Zeil  an  der  uiitereo  DoDau  nicht  gani  ruhig  sugiug,  ist 
sclbstverstäudlieh.  So  erfolgte  Quter  Iladrian  eiu  Einfan  der  Roxulaneri  iu  Mrxwim 
(Sehillcr  1  W)j,  auf  den  wir  noch  iui  rück  kommen  werdeo.  Eben*o  seheinen  die  Skythen 
unter  Autonimis  Piut  die  griechische  Stadt  Olhia,  au  der  Mündung  der  Hypanis  (Bug); 
bedroht  tu  habeu  (Si^hiiler  l  632).  Alles  da«  war  aber  etwon  gaus  Gewöhnliches  und 
kann  eine  V'ermehrung  der  mtkiseheu  Legionen  nicht  herbeigeführt  haben, 

6)  Vgl.  die  Inschrift  aus  Ferentiuuw  X  5821*  DeKs.  272H  :  J.  PqhUuji  T.  f.  Pol. 
Sabinug  .  .  .  trib.  mit.  hg.  VI  Ferrat.,  donis  donatuv  expeäitiouc  tarihicd  a  dito  Draiano 

praep^Htus  vexillatiQnibus  miUiaris  Iribm  expeditione  Brittnnniea  leg,  VII  Oemin. 

Vm  Aug,  XXII  Primig.  —  Die  leg.  Vll  Getn.  seheint  damals  ebenfalls  in  Genuauia 
«superior  gestaiidf*n  zu  haben;  vgl  VI  3588  (Dess.  2729};  v.  DomaiizewBki  Hhtin.  Muä. 
XI. VII  (181*2)  215  f. 

7.   Vgl.  auch  V.  Domaszewski  Ärek.-epigr,  MiÜ.  X  (188G)  ^,  d  und  uüteu  a  70,  4, 
8)  Dürr  Die  Meismt  d^  Kai^era  Hadrian,  Wien  1881  S.  U,  Sebüler  I  607.  6* 

FiluWf  DU  L«fioa«ii  dlof  Wofliu  Alo«aU.  5 


66  Bogdan  Filow, 

worden  war.  Diese  Vorschiebung  kann,  bei  der  Entfernung  zwischen 
Troesmis  und  Novae,  dem  Hauptlager  der  leg.  I  Ital.,i)  schwerlich  statt- 
gefunden haben,  wenn  nicht  gleichzeitig  auch  das  Lager  von  Durostonun 
entstanden  wäre.  Deshalb  muss  die  leg.  XI  Claud.  schon  unter  Traian 
nach  Durostorum  gekommen  sein. 

Eine  genauere  Zeitbestimmung  lässt  sich  nicht  geben.  Es  spricht 
jedoch  einige  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  die  Legion  schon  gleich 
nach  Beendigung  des  ersten  Dakerkrieges  nach  Moesia  inferior  gekommen 
ist.  Sie  hat  Spuren  von  einem  vorübergehenden  Aufenthalt  zu  dieser 
Zeit  in  Pannonia  hinterlassen,^)  und  es  ist  sehr  möglich,  dass  sie  bei  dem 
Ausbruche  des  Krieges  nach  Pannonia  versetzt  wurde,  um  den  Weggang 
der  pannonischen  Legionen  nach  dem  Kriegsschauplatze  zu  decken.*) 
Ihre  Versetzung  nach  Moesia  inferior  gleich  nach  Beendigung  des  ersten 
Krieges  im  J.  101  kann  dann  durch  die  allgemeine  politische  Lage  an 
der  unteren  Donau  herbeigeführt  worden  sein.  Gleichviel  ob  Traian 
schon  damals  an  die  endgültige  Eroberung  Dakiens  dachte^)  oder  nichts 
war  eine  energische  und  nachdrückliche  Politik  an  der  unteren  Donau 
unumgänglich.  Die  Ereignisse  unter  Domitian  haben  ja  deutlich  gezeigt, 
mit  wie  gefährlichen  Gegnern  die  Bömer  hier  zu  tun  hatten,  und  die 
römische  Regierung  musste  jetzt,  wie  auch  später,  sich  auf  die  Stärke 
der  rechtsdanuvischen  Legionen  stützen.  Aber  auch  die  Eoxolanen,  mit 
denen  die  Römer  schon  so  oft  gekämpft  hatten,*)  haben  während  des 
Krieges  an  der  Seite  der  Daker  gestanden  und  mit  den  letzteren  zu- 
sammen im  Winter  100  auf  101  einen  Einfall  nach  Moesia  inferior  unter- 
nommen.«) Um  auch  dieses  Volk  in  Respekt  zu  halten,  wurde  gleich- 
zeitig mit  der  Versetzung  der  leg.  XI  Claud.  nach  Moesia  inferior 
(Durostorum)  die  leg.  V  Maced.  aus  Oescus  nach  Troesmis  vorgeschoben-') 
Das  waren  die  militärischen  Voraussetzungen  für  die  Aufrechterhaltang 
des  Friedens  an  der  unteren  Donau.  Die  endgültige  Unterwerfung 
Dakiens  war  nur  die  Konsequenz  davon  und  konnte  eine  neue  Truppen- 
verschiebung nicht  mehr  veranlassen.*) 

1)  Vgl.  8.  63. 

2)  III  11239 +  p.  2192  (Dess.  2325)  —  Carnuntum  —   C.  Valeri\u8  C.  f.  GaL 
Proculus  I  Calagurri  |  eq.  leg.  XI  C{laud.)  f.  \  7  Vindicis,  |  an,  XXX  stip.  iX,  |  A. «.  e. 
t  f.  i.  I  Ä.  f.  c. 

8)  V.  DomaszewBki  Arch.-epigr.  MiU,  X  28  f.,  van  de  Weerd  Musie  bdge  V  (1901)  58. 
Es  ist  aber  mit  nichts  zu  beweisen,  dass  der  Aufenthalt  der  leg.  XI  Claad.  in 
Pannonia  in  die  Zeit  des  zweiten  Dakerkrieges  fallt.  Die  Ziegel  der  Legion  ans 
Pannonia  können  auch  aus  viel  späterer  Zeit  stammen  (vgl.  S.  59).  Wir  haben  gar 
keinen  Grund  anzunehmen,  dass  die  Legion  längere  Zeit  in  dieser  Provinz  geblieben  ist. 

4)  Cichorius  Die  Traianssäule  II  869. 

5)  Vgl.  S.  34  f. 

6)  Cichorius  Die  Traianssäule  II  150  f. 

7)  Vgl.  S.  64. 

8)  Schon  Pfitzner  S.  85.  253  und  Mommsen  Ephem.  epigr.  IV  528  haben  Termutet, 
dasfl  die  leg.  XI  Claud.  unter  Traian   nach  Moesia  inf.  gekommen  sei,  ohne  Grründe 


Die  Legionen  der  Provinz  Moesia.  67 

Jedenfalls  zur  Zeit  des  parthischen  Krieges  Traians  war  die  leg.  XI 
Glaud.  schon  in  Moesia  inferior,  was  aus  folgenden  Erwägungen  hervor- 
geht. Im  J.  117,  bald  nach  dem  Tode  Traians,  als  Hadrian  selbst  noch 
im  Orient  war,  erfolgte  ein  Einfall  der  Roxolanen  in  Moesia,  welcher 
ziemlich  grosse  Ausdehnung  gehabt  zu  haben  scheint.^)  Zum  Schutze 
der  Provinz  schickte  Hadrian  Truppen  voraus  und  eilte  selbst  nach 
Moesia:  audito  dein  tumultu  Sarmatarum  et  Roxolanorum  praemissis 
exerdtibtis  Moesiam  petiit  (Spart,  vit  Hadr.  6).  Es  ist  klar,  dass  diese 
Truppen  nicht  dem  orientalischen  Heere  angehört  haben  können,  denn 
die  schlagfertigsten  römischen  Legionen  des  illyrischen  Heeres  hätten 
nicht  der  Hülfe  der  erschlafften  orientalischen  Legionen  bedurft,  um  einen 

dafür  YonubriDgen.  Auch  Ritterling  Rhein.  Mus.  LVIII  (1908)  480  behauptet  daiiselbe, 
doch  scheint  mir  seioe  Beweisführung  bedenklich.  Er  nioimt  nämlich  an  (a.  a.  O. 
S.  478 — 480),  dass  die  leg.  II  Traiana  schon  vor  den  dakischen  Kriegen  gegründet  sei, 
sich  an  einem  derselben  beteiligt  habe  und  zunächst  in  Moesia  Inf.  stationiert  gewesen 
sei.  Bei  ihrer  Versetzung  nach  Ägypten  soll  die  leg.  XI  Claud.  an  ihre  Stelle  in 
Moesia  inf.  getreten  sein,  also  ungefähr  zwischen  dem  J.  105  und  107.  Nun  ist  aber 
die  genaue  Datierung  der  einzelnen  Ämter,  welche  [An?Jnius  Gallus  Numisius  Sabinus 
(III  6813  =  Dess.  1038  aus  Antiochia  Pisidiae,  Prosop.  6  39)  bekleidet  hat,  worauf 
sich  die  Ansicht  Ritterlings  stützt,  unmöglich.  (Die  Inschrift  lautet:  [An?\nio  L.  f. 
Stel.  I  Gallo  Vecilio  \  Crispino  Mansuanio  \  Marceüino  Numisto  |  \S]abino  leg.  Äug.  pro 
pr.  I  provinciar.  GcUatiae  Pisid,  \  [P]aphlogoniae,  sodcdi  Fia\v%ali,  procos.  prov.  Sard.,  j 
leg.  legionum  I  Italic<ie  et  \  [/]/  Traianae  fortig ,  prcief.  fr  um.  \  dandi,  curatori  viar. 
Clodiae  \  Ckusiae  Anniae  Ciminiae  Tra\ianae  novae^  praetori,  trib.  p{.,  |  quaestori  pro- 
vinc.  Ponti  et  \  [Bjit^MfO«,  leg.  Asicie,  Illoir.  capital.^  \  \trih.]  milit  leg.  XXI  Rapacis.) 
Es  fehlt  zunächst  der  Beweis,  dass  die  leg.  XXI  Rap.  schon  unter  Domitian  vernichtet 
worden  war,  und  die  Annahme  v.  Domaszewskis  Religion  S.  25  und  Trommsdorffs  Diss. 
89 — 91,  dass  diese  Legion  noch  unter  Traian  existierte,  hat  manches  für  sich.  Wenn 
man  sogar  zugibt,  dass  die  leg.  XXI  Rap.  seit  Domitian  nicht  mehr  existierte,  so  fehlt 
wieder  der  Beweis,  dass  Gallus  Numisius  Sabinus  das  Prokonsulat  von  Sardinia  schon 
im  J.  111/112  oder  einem  der  nächstfolgenden  und  nicht  etwa  in  den  ersten  Jahren 
Hadrians  bekleidet  hat.  Es  ist  zwar  richtig,  dass  Gallus  Numisius  Sabinus,  als  Beamter 
senatorischen  Ranges,  die  Legation  der  leg.  II  Traiana  nur  ausserhalb  der  Grenzen 
Ägyptens  geführt  haben  kann.  Da  aber  diese  Legion  sicher  an  dem  parthischen  Kriege 
Traians  teilgenommen  hat  (vgl.  Trommsdorff  Dies.  35  sqq.,  Cagnat  p.  1078,  RitterUng  a.  a.  0. 
476—478),  80  wird  auch  Gallus  Numisius  Sabinus  in  diesem  Kriege  und  nicht  in  einem 
der  dakischen  Legat  der  leg.  II  Traiana  gewesen  sein.  Wir  haben  also  gar  keinen 
Grund  anzunehmen,  dass  die  leg.  11  Traiana  an  den  dakischen  Kriegen  teilgenommen 
habe,  und  deshalb  kann  auch  von  einem  Aufenthalte  dieser  Legion  in  Moesia  inf. 
nicht  die  Rede  sein.  —  Unrichtig  ist  auch  die  Ansicht  van  de  Weerds  Musie  beige 
V  (1901)  46—54,  dass  die  leg.  XI  Claud.  erst  unter  Hadrian  nach  Moesia  inf.  kam. 
Ich  komme  auf  seine  Gründe  noch  zurück. 

1)  Vgl.  Dürr  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian  S.  16  ff.,  Schiller  I  610.  Die  An- 
nahme Dürrs,  dass  der  Einfall  nicht  nach  Moesia,  sondern  nach  Dacia  gerichtet  war, 
ist  unbegründet  und  wird  sowohl  durch  die  geographische  Lage  des  Landes  der  Roxo- 
lanen, wie  durch  die  Richtung  ihrer  früheren  Einfälle  nach  Moesia  (S.  34  f.)  widerlegt. 
Richtiger  urteilt  Schiller  a.  a.  O.  im  Anschluss  an  Spart,  vit.  Hadr.  6,  wenn  er  an- 
nimmt, dass  auch  die  Jazjg^n  (Sarmatae)  an  dem  Einfalle  beteiligt  waren,  so  dass 
Moesia  und  Dacia  zugleich  bedroht  waren;  vgl.  jetzt  auch  Komemann  Ktuier 
Hadrian  S.  28. 

5* 


68  Bogdan  Filow, 

Einfall  der  Barbaren  zurückzuwerfen,  wie  überhaupt  die  orientalischen 
Legionen,  abgesehen  von  dem  besonders  schweren  Markomanenkri^e, 
niemals  zu  den  Donaukriegen  herangezogen  worden  sind.  Die  Angabe 
des  Biographen  wie  der  Einfall  selbst  erklären  sich  nur  bei  der  Voraus- 
setzung, dass  damals  die  untere  Donauarmee  bedeutend  geschwächt  war, 
und  dass  Abteilungen  gerade  dieser  Armee  im  Orient  standen,  welche 
jetzt  Hadrian  nach  ihren  Standquartieren  zurückschickte.  Solche  Ab- 
teilungen des  mösischen  Heeres,  welche  Traian  für  seinen  parthischen 
Zug  mitgenommen  hatte,  und  welche  deshalb  im  J.  117  noch  im  Orient 
gestanden  haben  müssen,  lassen  sich  auch  tatsächlich  nachweisen.  Da- 
mals sind  die  ala  Praetoria  aus  Moesia  superior  und  die  cohors  I  Su- 
gambrorum  veterana  aus  Moesia  inferior  nach  dem  Orient  gelangt  und 
dort  dauernd  geblieben.^) 

Aber  auch  die  Legionen  der  mösischen  Provinzen  müssen  sich  an 
diesem  Kriege,  wie  immer  an  den  parthischen,  beteiligt  haben.*)  Die 
Beteiligung  der  obermösischen  leg.  VII  Claud.,  wahrscheinlich  durch 'eine 
vexillatio,  ist  auch  inschriftlich  bestätigt.^)  Es  ist  deshalb  anzunehmen, 
dass  auch  die  zweite  obermösische  Legion,  die  IV  Flav.,  für  diesen  Krieg 
eine  vexillatio  gestellt  hat.  In  der  Nähe  von  Bettir  (Palaestina)  ist 
femer  eine  stark  verstümmelte  Inschrift  gefunden  worden  (m  14155*), 


1)  Vgl.  m  600  (Dess.  2724)  -  ByUis  (Macedon.)  -  M.  VdUnu8  M.  f.  Quir. 
LoUianus  ^  .  .  praepositus  in  Mesopotamia  vexilJationibus  equitutn  electorum  aiarum 
Fraetoriae  . .  .  item  coIuMrtium  I  Lucensium  .  .  .  I  Sygambrum.  Wegen  der  ErwähnoDg 
voD  Mesopotamia  ist  die  Inschrift  auf  den  parthischen  Krieg  Traians  zu  beziehen  (ygl. 
Cichorius  bei  Pauly-Wissowa  I  1258  unter  ala  I  Praetoria  c.  R.  und  Dessau  2724 
adn.  2).  Die  ala  Praetoria  stand  im  J.  93  in  Moesia  sup.  (Dipl.  CUI),  ebenso  die 
cohors  I  Sugambrorum  veterana,  die  coh.  I  Sjgambrum  unserer  Inschrift  (CichoriuB 
bei  Pauly-Wissowa  IV  333),  im  J.  99  in  Moesia  inf.  (Dipl.  XXXI).  Wenn  sogar  die 
coh.  I  Sugambrorum  veterana  mit  der  coh.  I  Claudia  Sugambrorum,  welche  im  J.  134 
ebenfalls  in  Moesia  inf.  stand  (Dipl.  XL VIII),  identisch  wäre,  so  hindert  doch  nichts, 
dieselbe  cohors  auch  in  der  hier  angeführten  Inschrift  zu  erkennen.  In  diesem  Falle 
ist  sie  nach  Beendigung  des  Krieges  wieder  nach  Moesia  inf.  zurückgekehrt.  —  Über 
die  Inschrift  VI  32933  (Dess.  2723),  die  man  gewöhnlich  ebenfalls  auf  den  parthischen 
Krieg  Traians  bezieht,  vgl.  S.  75  f. 

2)  Dass  Traian  für  den  parthischen  Zug  auch  Truppen  aus  den  Westprovinzen 
mitgenommen  hat,  folgt  aus  Fronto  de  bell  parth.  p.  205  (Naber):  in  beüum  profectus 
est  cum  cognitis  militibus  hostem  Parthum  contemnentibus,  aagittarum  ictus  poet  ingentia 
Dacorum  falcibus  inlata  volnera  despicatui  habentibus. 

3)  X  3733  (Dess.  2083)  —  Calvizzano  (Campania)  —  C.  Nummio  C.  ß.  Fol  \  Can- 
etanti  p(rimo)  p{ilo)  leg.  II  Traianae^  \  centurion.  II,  leg.  III  |  Cyreneicae  et  VII  Cla,^  l 
evocato  in  foro  ab  actis,  \  militi  coh.  Illpraet.  \  et  X  urb.j  donis  donato  ab  |  imp.  Traiano . . . 
ob  I  beüum  Parthicum,  f^te]m  ab  \  imp.  Hadriauo  .  .  .  ob  bellum  Judeicum.  Die  Inschrift 
ist  also  ein  absteigender  curstis  honorum.  C.  Nummius  hat  den  jüdischen  Krieg  Ha- 
drians  als  Centurio  der  leg.  III  Cyren.,  deren  Beteiligung  an  diesem  ELriege  auch  sonst 
gesichert  ist  (vgl.  XIV  8610  =  Dess.  1071),  mitgemacht,  den  parthischen  Krieg  Traians 
dagegen  als  Centurio  der  leg.  VII  Claud.  In  diesem  Kriege  ist  er  wahrscheinlich  von 
der  leg.  VII  Claud.  in  die  III  Cyren.  versetzt  worden. 


Die  Legionefii  der  Pnxvinz  Moe&ia.  69 

deren  Lesung  aber  in  den  uns  interessierenden  Teilen  gesichert  ist.    Ich 
gebe  sie  hier  vollständig  wieder: 

SVM/////////      •       ' 
M^RTI///V//// 
ET  VICTOR 
CENTVR//VEXILJ    / 
LEG  V  MAC  ET  XI  CL 
/////////////// 

I Ulli! IUI II II 

Es  handelt  sich  also  um  vexillarii  der  leg.  V  Maced.  und  XI  Claud., 
deren  Anwesenheit  in  Palaestina  nur  aus  Anlass  eines  Aufstandes  der 
Juden  erklärt  werden  kann.  Aus  leicht  begreiflichen  Gründen  ist  an  den 
jüdischen  Krieg  Vespasians  nicht  zu  denken,  sondern  erst  an  die  Auf- 
stände unter  Traian  oder  Hadrian,  zu  welcher  Zeit  die  beiden  genannten 
Legionen  zusammen  in  Moesia  inferior  gestanden  haben  (S.  64  f.).  Ge- 
wöhnlich wird  die  Inschrift  auf  den  grossen  Aufstand  unter  Hadrian  be- 
zogen,^) doch  mit  Unrecht.  Die  Beteiligung  von  europäischen  Truppen 
an  der  Unterdrückung  dieses  Aufstandes  ist  sonst  nicht  nachweisbar, 
sondern  ausschliesslich  die  der  orientalischen.*)  Es  ist  allerdings  eine  Tat- 
sache, dass  die  orientalischen  Legionen  allein,  ohne  Zuzug  aus  den  west- 


1)  Van  de  Weerd  Musie  beige  V  (1901)  49,  Schürer  Gesch.  d.  jüdischen  Volkes 
I»'*  (1901)  688,  6,  Beiichel  Diss.  83. 

2)  Die  Truppen,  welche  sich  an  diesem  Kriege  beteiligt  haben,  sind  von  Schiller 
I  614,  1  und  vollständiger  von  Schürer  a.  a.  O.  zusammengestellt.  Doch  die  Behauptung, 
dass  auch  europäische  Truppen  an  dem  Kriege  lieteiligt  waren,  beruht  auf  Miss- 
Verständnis  der  betreffenden  Inschriften.  Die  coh.  IV  Lingonum  stand  vom  J.  108 
(Dipl.  XXXII)  bis  146  (Dipl.  LVII)  in  Britannia,  und  schon  aus  diesem  Grunde  ist 
ihre  Beteiligung  an  dem  jüdischen  Kriege  Hadrians  ausgeschlossen.  M.  Statins  Priscus 
(in  der  Inschrift  VI  1523  =  Des«.  1092)  ist  nicht  als  Praefekt  dieser  Kohorte,  sondern 
als  Tribun  der  leg.  III  Gall.,  welche  am  jüdischen  Kriege  sicher  teilgenommen  hat 
(vgl.  Schürer  a.  a.  0.)i  dekoriert  worden  (vgl.  auch  Jung  Fasten  S.  11,2).  Denn  die 
dona  militaria  sind  erst  am  Schlüsse  des  cursus  honorum  erwähnt,  was  oft  vorkommt 
(VIII  9990  =  Dess.  1852,  XI  390  u.  a.),  und  so  ganz  zufällig  hinter  die  Praefektnr  der 
cohors  IV  Lingonum  zu  stehen  gekommen.  Ebenso  wenig  lässt  sich  die  Beteiligung 
der  leg.  X  Gem.  aus  dem  Fragmente  VI  8505  erschliessen :  Sex.  ÄUius  Senecio 
praef.  alae  [/]  Fl.  Gaetulorumj  \  trib.  leg.  X  Geminae,  missus  \  a  divo  Hadriano  in  ex- 
peditione  Judaica  ad  vexilla[tiones  deducendas  ....  Da  Sex.  Attius  die  Praefektnr 
der  ala  erst  nach  dem  Tribunat  der  Legion  übernommen  haben  kann  (S.  54,  4) ,  so 
haben  wir  hier  einen  absteigenden  cursus  honorum  vor  uns.  Deshalb  kann  Sex. 
Attius  nicht  als  Tribun  der  leg.  X  Gem.  nach  Judaea  geschickt  worden  sein,  weil 
chronologisch  seine  Tätigkeit  in  Judaea  vor  das  Tribunat  der  leg.  X  G«m.  fallt, 
sondern  in  einer  anderen  Stellung,  die  auf  der  Inschrift  nicht  mehr  erhalten  ist.  Eine 
so  strenge  Einhaltung  der  chronologischen  Reihenfolge  kann  nicht  auffallen.  Auch 
in  einem  anderen  absteigenden  cursus  honorum  aus  Nemausus  (XII  8167  =  Dess.  1016 
=  S.  55  n.  9)  werden  erst  die  dona  militaria  aufgezählt  und  dann  der  Legionstribunat, 
bei  dem  sie  erworben  waren,  erwähnt.  —  Auf  die  Beteiligung  der  leg.  VII  Claud.  an 
dem  jüdischen  Kriege  Hadrians  wollte  Pfitzner  S.  98.  160.  248  aus  der  Inschrift  Orelli 
832  (jetzt  X  3783}  schliessen,  doch  vgl.  über  diese  Inschrift  S.  68,  8. 


70  Bogdun  Filow, 

liehen  Provinzen,  nicht  im  stände  waren,  einen  grossen  Krieg  geg^n 
die  Parther  zu  führen.  Dennoch  wäre  es  sehr  merkwürdig,  wenn  die 
neun  Legionen,  welche  unter  Hadrian  im  Orient  (einschliesslich  Ägypten) 
gelegen  haben,^)  nicht  im  stände  gewesen  wären  einen  Aufstand  der  Juden 
zu  bewältigen.*) 

Dagegen  ist  die  Beteiligung  mösischer  Truppen  an  dem  Aufstande 
unter  Traian  sehr  begreiflich,  weil  solche  Truppen  wieder  aus  Anlass 
des  parthischen  Krieges  im  Orient  standen  (S.  68).  Deshalb  kann  auch 
die  hier  in  Betracht  kommende  Inschrift  aus  Bettir  nur  auf  diesen  Auf- 
stand sich  beziehen,*)  und  zwar  müssen  die  Abteilungen  der  leg.  V  Maced. 
und  XI  Claud.  schon  wegen  des  parthischen  Krieges  nach  dem  Orient 
gekommen  sein.  Das  ist  aber  nur  bei  der  Voraussetzung  möglich,  dass 
die  leg.  XI  Claud.  schon  vor  dem  J.  114  in  Moesia  inferior  war. 

Diese  Interpretation  der  Inschrift  aus  Bettir  erfordert  noch  eine 
Erklärung,  um  Missverständnisse  zu  vermeiden.  Es  ist  nämlich  sehr  auf- 
fallend, dass  auf  der  Inschrift  nicht  auch  die  dritte  untermösische  Legion, 
I  Ital.,  genannt  ist.  Denn  es  ist  eine  stehende  Regel,  dass  bei  der  Bildung 
einer  vexillatio  für  eine  grössere  Expedition  aus  den  Mannschaften  von 
mehr  als  einer  Legion,  welche  in  derselben  Provinz  stehen,  sich  alle  Le- 
gionen der  betreffenden  Provinz  beteiligen.*)    Deshalb  sind  auch  Ver- 

1)  Vgl.  das  yatikaDische  LegionsverzeichniB  VI  3492  ==  Dess.  2288. 

2)  Bei  der  Einnahme  Jerusalems  hat  Titus  vier  Legionen  gehabt:  V  Maced., 
X  Fret.,  XII  Fulm.  und  XV  Apoll.  Ausserdem  Abteilungen  der  leg.  III  Cyren.  und 
XXII  Deiotar.  Vgl.  Joseph,  bell  JucL  V  1,  6,  Tacit.  Eist  V  1.  Bis  dahin  hat  Veu- 
pasian  den  Krieg  nur  mit  drei  Legionen  (V  Maced.,  X  Fret.  und  XY  Apoll.)  geführt. 
Die  europäischen  Legionen  V  Maced.  und  XV  Apoll,  befanden  sich  damals  zufallig 
im  Orient  wegen  des  parthischen  Krieges  unter  Nero ;  vgl.  Tacit.  Ann.  XV  6  o.  26. 

8)  Über  die  Kontroverse,  ob  der  Aufstand  unter  Traian  sich  auch  auf  Palaestina  aus- 
gebreitet hat,  vgl.  Schürer  a.  a.  0.  S.  667  f.  Auch  er  gibt  zu,  dass  Palaestina  wenigstens 
nicht  ganz  ruhig  geblieben  zu  sein  scheine,  und  zwar  wegen  Spart.  vU,  Hadr,  5 :  JLyeia 
denique  ac  Palaestina  rehelles  animos  efferebant.  Vgl.  auch  Schiller  I  562,  L  Wie  dem 
auch  sein  mag,  Tatsache  ist,  dass  im  J.  116/7  eine  vexiüatio  der  arabischen  leg.  III 
Cyren.  in  Jerusalem  gestanden  hat;  vgl.  III  13587  =  Dess.  4893.  Deshalb  ist  auch  die 
Anwesenheit  der  mösischen  vexiUarü  in  Bettir  zu  derselben  Zeit  nicht  auffaUend. 

4)  Vgl.  Ritterling  Wesid.  Zeitschr,  XII  (1893)  117  f.  und  Österr.  Jahresh,  VII 
(1904)  Beibl.  28  f.,  der  aber  diese  Regel  etwas  zu  weit  gefasst  hat.  Wie  die  bis  jetst 
bekannten  Beispiele  [Tacit.  Ann.  I  49  ff.,  Eist  II  11.  100;  Suet.  Dom,  6;  Joseph,  bell 
Jud,  II  18,  9;  V  1,  6  mit  Tacit.  Eist.  II  83  und  die  germanischen  Legionen  während 
der  Bürgerkriege  nach  dem  Tode  Neros;  die  Inschriften  III  10471—78  (Dess.  1153), 
X5829  (Dess.  2726),  XI  1196  (Dess.  2284),  XIV  3602  (Dess.  950;,  Dess.  2285  und  die 
oben  S.  10,4  erwähnte  Inschrift  aus  Baalbek  mit  Ritterling  a.  a.  0.  Beibl.  28  f.;  vgl. 
auch  III  1980  =  Dess.  2287]  deutlich  zeigen,  gilt  die  Regel  nur  dann,  wenn  die  vexH- 
larii  ausserhalb  der  Provinz,  von  der  sie  genommen  sind,  verwendet  wurden.  In  allen 
diesen  Fällen  handelt  es  sich  um  grössere  Expeditionen,  an  deren  ehrenvoller  Be- 
endigung sich  zu  beteiligen  jede  Legion  den  Wunsch  gehabt  haben  muss.  Dagegen 
zur  Ausführung  von  Arbeiten  in  Provinzen  mit  mehreren  Legionen  wurden  nicht  nur 
ganz  gewöhnlich  Teile  einzelner  Legionen  der  betreffenden  Provinz  verwendet,  sondern 
auch  zu  Vexillationen ,  die   aus  Mannschaften   von   mehr  als  einer  Legion  bestanden. 


Die  Legionen  dei'  Provinz  Moma,  71 

suche  gemacht  worden,  den  Namen  der  leg.  I  Ital.  auf  der  Inschrift  aus 
Bettir  zu  ergänzen.*)  Die  Abkürzung  leg.  steht  aber  nur  vor  der  V  Maced. 
und  fehlt  vor  der  XI  Claud.  Die  Aufzählung  der  Legionen,  welche  Mann- 
schaften für  diese  vexillatio  gestellt  haben,  fing  also  mit  der  leg.  V  Maced. 
an,  und  deshalb  kann  der  Name  der  leg.  I  Ital.  nicht  auf  der  Inschrift 
gestanden  haben.  ^)  Ich  glaube,  dass  in  diesem  Falle  die  Sache  sich  ganz 
anders  verhält.  Wir  haben  gesehen,  dass  für  den  parthischen  Krieg 
Traians  nicht  nur  die  Legionen,  sondern  auch  die  Auxilien  von  Moesia 
Truppen  abgegeben  haben,  die  eine  ziemlich  beträchtliche  Zahl  gehabt  haben 
müssen.  Solche  zahlreichere  Abteilungen  aber  von  einem  Provinzialheere 
pflegten  gewöhnlich  sich  um  eine  ganze  Legion  zu  gruppieren.'^)  Anderer- 
seits weist  der  Einfall  der  Boxolanen  in  Moesia  so  bald  nach  den  Er- 
folgen Traians  und  der  Vermehrung  der  Legionen  an  der  unteren  Donau 
bestimmt  darauf  hin,  dass  die  mösische  Armee  damals  bedeutend  geschwächt 
war.  Es  ist  deshalb  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  ganze  leg.  I  Ital.  für 
den  parthischen  Krieg  Traians  nach  dem  Orient  abmarschiert  war,  und 
dass  um  diese  Legion  sich  die  anderen  Abteilungen  des  mösischen  Heeres 
gruppiert  haben.  Als  der  Aufstand  der  Juden  ausbrach,  blieb  die  leg. 
I  Ital.  auf  dem  Kriegsschauplatze  in  Mesopotamia,  die  vexillarii  der 
beiden  anderen  untermösischen  Legionen  wurden  dagegen  nach  Palaestina 
geschickt. 

Nach  diesen  Ausführungen  gestaltet  sich  die  Geschichte  der  mösischen 
Legionen  nach  den  Dakerkriegen  Traians  folgendermassen :  für  den  par- 
thischen Zug  wui'de  eine  starke  Abteilung  des  mösischen  Heeres  gebildet, 
bestehend  aus  der  leg.  I  Ital.,  Teilen  der  übrigen  mösischen  Legionen  :• 
[IV  Flav.],  VII  Claud.,  V  Maced.,  XI  Claud.  und  Auxiliartruppen  (ala 
Praetoria,  coh.  I  Sugambrorum  veterana).  Bei  dem  Ausbruch  des  Juden- 
auf Standes  wurde  ein  Teil  davon,  namentlich  die  Abteilungen  der  unter- 
mösischen leg.  V  Maced.  und  XI  Claud.,  nach  Palaestina  geschickt.  Gleich 
nach  dem  Tode  Traians  erfolgte  der  Einfall  der  Roxolanen  in  Moesia, 


nicht  immer  alle  LegioDen  herangezogen  (111  11365 a.b.  Vll  1093).  Femer  ersieht  man 
aus  VIII  10230  (Dess.  2479),  dass  nur  eine  der  beiden  im  J.  145  in  Judaea  stehenden 
Legionen  (VI  Ferr.  und  X  Fret.)  eine  vexillatio  zum  Bau  einer  Strasse  nach  Numidia 
geschickt  hat.  Vgl.  auch  III  353.  Wichtig  ist  endlich  III  14438  —  Kadiköi  (Moes. 
inf.)  —  Nept.  Aug.  sac^  \  vexil.  leg.  I  Ital.  \  M(pesiacae)  et  V  Ma.  D{acicae)  —  sie  stand 
in  Dacia  seit  168  (Ö.  77  f.)  —  Trople]%  [.  .  .]  suh  curam  \  Eptidi  Modesti  \  1  leg.  V  Mac. 
et  I  Vcderi  dementia  \  1  leg.  I  Ital.,  \  v.  s.  l.  m.  Es  ist  interessant,  dass  diese  vexiüarii 
unter  zwei  Kommandanten  stehen  —  eine  indirekte  Bestätigung  der  schon  von  Grotefend 
{Bmn.Jahrh.XXWl  125  ff.,  vgl.  v.  Domaszcwski  Rhein.  Mm.  XLVII215f.,  Ritterling 
IVestd.  Zeitschr.  XII  116)  gemachten  Beobachtung,  dass  alle  Legionen,  deren  vexülarii 
unter  einem  Kommando  stehen,  derselben  Provinz  angehören,  und  eine  Garantie  dafür, 
dass  die  beiden  Abkürzungen  M  und  D  richtig  aufgelöst  worden  sind. 

1)  Van  de  Weerd  Musee  beige  V  (1901)  55,  Beuchel  Diss.  83. 

2)  Vgl.  S.  29  mit  Anm.  5. 

3)  Vgl.  Joseph,  bell.  Jud.  II  18,  9,   Tacit.  Hist.  I  61 ;  II  83.  89.  100,  dazu  Bitter- 
ling  Rhein.  Mus.  LIX  (1904)  195. 


72  Bogdan  Filow, 

veranlasst  hauptsächlich  durch  die  Abwesenheit  der  erwähnten  Truppen. 
Hadrian  schickte  diese  letzteren  sofort  zurück  und  eilte  selbst  nach 
Moesia,  um  die  Ruhe  wieder  herzustellen.  Unter  seiner  Regierung  war 
der  Friede  an  der  unteren  Donau  nicht  mehr  gestört. 

Seit  dem  ersten  Dakerkriege  Traians  (101),  spätestens  seit  der  Er- 
richtung der  Provinz  Dacia  (107),  waren  also  die  Legionen  an  der  unteren 
Donau  folgendermassen  verteilt: 
Moesia  superior:  leg.  IV  Flav.,  in  Singidunum  (früher  in  Ratiaria). 

„    Vn  Claud.,  in  Viminacium. 
Dacia:  „    XITI  Gem.,  zuerst  in  Sarmizegethusa  (?),')  bald 

(seit  107)  in  Apulum. 
Moesia  inferior:      „    I  Ital.,  in  Novae. 

„    V  Maced.,  in  Troesmis  (früher  in  Oescus). 
„    XI  Claud.,  in  Durostorum. 


§  6.    Die  mösischen  Legionen  von  Hadrian  bis 

auf  Diokletian. 

Die  Periode,  welche  uns  in  diesem  Paragraphe  beschäftigt,  umfasst 
beinahe  zwei  volle  Jahrhunderte,  und  trotzdem  erfahren  wir  aus  dieser 
Zeit  über  die  mösischen  Legionen  sehr  wenig.  Was  uns  die  literarischen 
und  monumentalen  Quellen  in  dieser  Beziehung  bieten,  ist  äusserst  lücken- 
haft, zusammenhangslos  und  nach  jeder  Seite  unbefriedigend. 

Die  Angaben  der  literarischen  Quellen  sind  an  sich  selbst  fast  be- 
deutungslos. Wir  erfahren  nur,  dass  die  mösischen  Legionen  den  einen 
oder  den  anderen  Kaiser  ausgerufen  haben,  so  Marinus,*)  Decius,*)  Gallus,*) 
Aemilianus,^)    Ingenuus^    und   Begalianus.^)     Aber   aus   diesen   kurzen 

1)  Vgl.  Dio  LXVIII  9,  7  Boissev. :  (T^aXavög)  tb  otQcctonsdov  iv  Zigfu^sfi^ov^ 
naxaXmoiv  ....  I9  tr]v  'IraXlav  ävexofila&ri^  wo  die  leg.  XIII  Gem.  gemeint  sein  kann. 
Cichorius  Die  Traianssätde  II  368  f.  denkt  ohne  ausreichendeD  Grund  an  die  leg.  I 
Minervia.  In  diesem  Falle  müsste  sie  nach  dem  zweiten  Kriege  durch  die  leg.  XIII  Gem. 
ersetzt  worden  sein,  wofür  sich  keine  Erklärung  bietet. 

2)  Zonaras  XII  19:  iv  dh  Mvaolg  Ma^fivdg  xi.g  ra^uiQxitg  otv  nccgä  t&v  atgixtittntbv 
ßaaiXtvei-v  Ji^i^ri.     Vgl.  Zosimos  I  20. 

3)  Zonaras  XII  19:  xal  itnBX^6vxa  (in  Moesia)  siy^vg  aircbv  (d.  h.  Declus)  oi  crga- 
xi&xai  ßaaiXia  sixf/jiLrioav.     Vgl.  Zosimos  I  21. 

4)  Vgl.  Schiller  I  808,  Prosop.  V  403. 

5)  Zonaras  XII  21:  AlfiiXiavbg  6i  tig  Aißvg  ccvijq^  &qx^^  "^^^  ^^  MvöLa  oxgaxi^- 
\utxog  ....  vTtkQtpQOvriaag  xw  xaxogd^wiucxi,  \Lixsiai  xovg  vtt'  aiyxbv  axQcctiAxag  xal  ^Pn^ 
lialdov  aixbv  ScvayoQbvovaiv  ai^xoxgdxoqa. 

6)  Trig.  tyran.  9:  IngenuuSj  qui  Fannonias  tunc  regehat y  a  Moesiaeis  legionibus 
Imperator  est  dictuSj  ceteris  Pannoniarum  volentibus.  Zonaras  XII  24:  x&v  dh  iv  xf 
Mvöla  axQuxKox&v  axaaiaoavxtav  xal  'lyytvovov  avxoxgccxoQa  &v€inüvxmv, 

7)  Trig.  tyran,  10:  Begalianus  deniqne  in  Illyrico  ducatum  gerens  imperator  est 
factus  nuctoribus  imperti  Moesis. 


Die  Legimien  der  Provinz  Moesia,  73 

Notizen  lässt  sich  nicht  einmal  schliessen,  dass  alle  Legionen  der  Provinz 
bei  der  Erhebung  eines  Kaisers  einig  waren  und  ihn  gleichmässig  unter- 
stützt haben.  Es  scheint  vielmehr,  dass  in  dieser  Zeit  der  Soldatenwillkür 
sogar  bei  den  Legionen  eines  und  desselben  Provinzialheeres  Differenzen 
vorhanden  waren.  So  scheint  die  leg.  X  Gem.  allein  von  allen  illyrischen 
Legionen  sich  gegen  die  Erhebung  des  Septimius  Severus  erklärt  zu 
haben,  da  nur  ihr  Name  auf  den  Münzen  dieses  Kaisers  fehlt.*)  Ebenso 
scheint  die  obermösische  leg.  VII  Claud.  in  Viminacium  den  Decius  anfangs 
nicht  anerkannt  zu  haben.  ^) 

Diese  Lücke  der  Überlieferung  ist  um  so  empfindlicher,  weil  die 
Legionen  im  Laufe  der  Zeit  einen  immer  grösseren  Einfluss  auf  die 
Gestaltung  der  Dinge  in  dem  römischen  Weltreiche  gewonnen  haben  und 
dadurch  ihre  Geschichte  noch  unentbehrlicher  für  das  Verständnis  der 
allgemeinen  Reichsgeschichte  wird.  Wir  kennen  aus  dem  Berichte  des 
Tacitus  genau  die  Rolle,  welche  die  Legionen  zur  Zeit  der  Prätendenten- 
kämpfe nach  dem  Tode  Neros  gespielt  haben.  Solche  Prätendentenkämpfe 
füllen  die  ganze  spätere  Kaiserzeit  aus,  und  die  Entscheidung  blieb  immer, 
wie  zur  Zeit  Neros,  bei  den  Legionen.  Aber  die  Autoren  berichten  jetzt 
nur  die  Resultate  der  Kämpfe,  nicht  die  einzelnen  Vorgänge,  welche  die 
Entscheidung  herbeigeführt  haben. 

Auch  die  monumentalen  Quellen,  Inschriften  und  Münzen,  können 
die  literarische  Überlieferung  nicht  ersetzen.  Das  einzige,  was  wir 
wenigstens  über  die  mösischen  Legionen  noch  unmittelbar  erfahren,  betrifft 
hauptsächlich  die  nach  Hadrian  eingetretenen  Veränderungen  in  dem 
Legionsbestande  der  mösischen  oder,  richtiger  gesagt,  der  unterdanuvischen 
Provinzialheere,  weil  auch  Dacia  nova  und  Scythia  in  Betracht  kommen. 
Es  bleibt  also  noch  übrig,  diese  Veränderungen  festzustellen  und  das 
wenige,  was  uns  sonst  aus  der  Geschichte  der  mösischen  Legionen  über- 
liefert ist,  hervorzuheben. 

1.   Die  groHsen  Kriege  um  die  Wende  des  zweiten  Jahrbnudert». 

Unter  Antoninus  Pius  hat  an  der  Donau  Ruhe  geherrscht,  und  so 
sehen  wir  die  mösischen  Legionen  neben  den  pannonischen  und  germa- 
nischen an  dem  Kriege  dieses  Kaisers  gegen  die  Mauren**)  beteiligt.*) 
Wir  haben  bis  jetzt  Zeugnisse  nur  für  die  obermösische  leg.  IV  Flav.'») 

1)  Vgl.  V.  Üomaszewski  Die  Fahnen  im  römischen  Heere  S.  48,  1.  Man  wird 
schwerlich  diese  Tatsache  mit  Ritterling  Diss.  61  si}.  bloss  für  einen  Zufall  halten  dürfen. 

2)  Vgl.  Pick  Die  Münzen  S.  25. 

8)  Vgl.  Capitol.  Vit.  Pub.  Pausan.  VIII  4iJ,  8. 

4)  Vgl.  ausführlicher  JUneniann  Diss.  82—86.  135—188.  van  de  Weerd  Miisee 
beige  V  (1901)  56. 

5    VI  11  9762  -\-  \K  2046  -  Partus  Magnus  —  Julius  Va\les  mtl.  leg.  \  IUI  F.^  stip. 
X  VIII  vi{x.)  an.  \  XXX  VI.    P.  Cul\lia  /  /  / ,     ani  \  Luc{(i)  lAiüiu's  e.  h,  c. 


74  Boydun  Filow, 

und  die  untermösische  leg.  XI  Claud.^)  Für  die  leg.  I.  Ital.  beruft  sich 
BeucheP)  auf  Zeugnisse,  die  nicht  beweisend  sind.  Die  Lesung  eines 
gestempelten  Ziegels  aus  dem  Museum  zu  Constantine^:  LEG  Z  IIA^I 
als  leg.  I  Ital.  ist  ganz  unsicher.  Unbekannt  ist  auch  der  Fundort  eines 
anderen  Ziegels  der  leg.  I  Ital,  welcher  sich  jetzt  im  Museum  zu  Saint 
Germain  befindet.*)  Woher  und  aus  welcher  Zeit  diese  beiden  Zi^el 
stammen,  ist  nicht  zu  ermitteln,  und  deshalb  lassen  sich  aus  ihnen  keine 
Schlüsse  ziehen.  Aber  nach  dem,  was  sich  bis  jetzt  über  die  Absendnng 
von  vexülarii  eines  Provinzialheeres  für  eine  auswärtige  Expedition  hat 
feststellen  lassen  (S.  70,  4),  können  wir  mit  Bestimmtheit  annehmen,  dass 
alle  mösischen  Legionen  an  dem  Kriege  beteiligt  waren.  ^ 

Aus  der  Zeit  M.  Aureis  sind  uns  nur  die  Schicksale  der  leg.  V  Maced. 
aus  dem  ziemlich  ausführlichen  Texte  eines  Grabsteines  von  Troesmis 
(in  7505  =  Dess.  2311)  genauer  bekannt.  Was  über  die  anderen  mösi- 
schen Legionen  zu  sagen  ist,  wird  sich  am  besten  bei  der  Besprechung 
dieses  Monuments  anführen  lassen.    Wir  lesen  auf  ihm  folgendes: 

[T.  Val{eriiis)\  T.  f.  Folia  4fo^cii[ani«5]  cas{tris)  vet  leg.  V  Mae^ 

eoc  I  \bf.e\os.,  milit  coep{if)  imp.  \  [Äntoni]n.  HU  cos., 
funcHus)  ea?|[perfi]fc  Orientali  svh  8t\[at  Pn^co,  Jul.  Severo,  M[art.  ■, 

Vero]  cQarissimis)  v(iris)j 
item   Oenn(anica)  suh  \  [Cal]pur.  Ägricolay   Cl.  Fronto\[n]e  e(la- 

rissimis)  v(iri^), 
m(is8iis)  Mpnesta)  missione  in  Da\cia  Cethe(go)  et  Claro  cos.  |  sub 

Comel  demente  e(larissimo)  v{iro), 
re\ver8{tis)  at  lares  suos  et  \  (^ctimy  Marcia  Basiliss{ä),  matre  \  den- 

d(rophorum),  enupt(a)  sibi,  Val{eria)  Longa  sorore,  pro  sahnte) 

siia  stu)r(um)q(ue). 

Wir  sehen  zunächst,  dass  T.  Valerius  den  Dienst  im  J.  145  begonnen 
und  die  honesta  missio  im  J.  170  erhalten  hat.    Durch  diese  beiden  Daten 


1)  VIII  9761    f-  p.  2046  —  Portus  Magnus  —  d.  m.  |  F.  Ore8cen\tinio  Fl.  Sat\umino 
Siscie  müüti)  \  leg.  XI  C(laud.)  7  |  ülp(i)  Victo\ri8,  stip.  XVI,  \  vir.  ann.  \  XXXVU. 
Fl(avtä)  Jan(uaria)  \  fil(ia)  f.  c.    AUerdings  war  der  Name  der  LegioD  bei  einer  iweiten 
Revision  (vgl.  VIII  p.  2046)  nicht  mehr  auf  dem  Steine  zu  lesen. 

2)  Di88.  83  sq. 

3)  VIII  10474,  13. 

4)  Vgl.  VIII  p.  911. 

5)  Bis  vor  kurzem  waren  nur  je  eine  Legion  aus  den  Donau-  und  RheinproTinzen 
bekannt ,  die  an  diesem  Kriege  teilgenommen  haben :  leg.  XI  Claud.  aus  Moesia  Inf. 
(VIII  9761  -f  p.  2046),  leg.  IV  Flav.  aus  Moesia  sup.  (VIII  9762  -f  p.  2046),  leg.  II  Ad. 
aus  Pannonia  inf.  (VIII  9653.  9660).  leg.  I  Ad.  aus  Pannonia  sup.  (VIII  9376.  21 049), 
leg.  XXII  Primig.  aus  Germania  sup.  (VIII  9655.  9656.  9659.  21508)  und  leg.  I  Min. 
aus  Germania  inf.  (VIII  9654.  9662).  Vgl.  dazu  Jünemann  Diss,  82-86.  185  und  van 
de  Weerd  MusSe  beige  V  (1901)  56.  Neuere  Funde  aber  zeigen,  dam  auch  andere 
Legionen  dieser  Provinzen  für  den  Krieg  vexiüationes  gestellt  haben  müssen:  leg.  X 
Gero.    VIII  21669),  leg.  XIV  Gem.  (VIII  21057),  leg.  XXX  Ulp.  (VUI  21058). 


Die  Legloneti  der  Provinz  Moesia,  lo 

wie  durch  die  Namen  der  betreffenden  Feldherren^)  sind  die  beiden  Kriege, 
an  denen  T.  Valerius  als  Soldat  der  leg.  V  Maced.  teilgenommen  hat, 
genau  bestimmt:  es  sind  der  Parther-  und  der  Markomanenkrieg  M. 
Aureis.*) 

Die  Beteiligung  der  leg.  V  Maced.  an  dem  parthischen  Kriege  wird 
auch  sonst  inschriftlich  bestätigt,»)  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass 
auch  dieses  Mal  die  ganze  Legion  an  den  Euphrat  kam,  wie  unter  Nero 
bei  den  Zügen  des  Corbulo.  Für  die  Beteiligung  der  übrigen  mösischen 
Legionen  an  dem  parthischen  Kriege  M.  Aureis  besitzen  wii*  gar  keine 
Andeutungen.*)  Wenn  aber  in  der  Tat  die  ganze  leg.  V  Maced.  damals 
nach  dem  Orient  abkommandiert  war,  so  folgt  daraus  noch  nicht,  dass 
auch  die  übrigen  Legionen  von  Moesia  ihre  vexillationes  für  den  Krieg 
abgegeben  haben,  wie  Ritterling^)  annehmen  will.^) 

Dass  die  Römer  bei  den  Kriegen  mit  den  Parthern  die  Schwäche 
ihrer  Reiterei  besonders  stark  empfunden  hab^n  müssen^  ist  sehr  begreif- 
lich, und  so  sehen  wir,  dass  für  den  parthischen  Krieg  M.  Aureis  die 
Heere  von  Moesia  inferior  und  Dada  eine  besondere  Reiterabteilung  ab- 
gegeben haben: 

VI  32933  (Dess.  2723)  —  L,  Faconio  L.  f.  Fal  \  Proculo  \  praef, 
coh.  I  Fl,  Hisp,  eq{uitatae)  \  p,  /.,  trib,  mil  leg.  XI  67.  p.  f.,  \  praef. 
V€xillation(i8)  eq{uitiim)  Moe\siae  infer,  et  Dacitte  eant'i  (sie)  |  in  expedi- 

1)  Vgl.  den  Koiimientar  zu  der  Inscbrift  im  Corpus  und  bei  Dessau. 

2)  Über  den  letzteren  Krieg  vgl.  v.  Domaszewski  The  Chronologie  S.  107—130, 
Seria  Harteliana  (1896)  S.  8—18,  Petersen  —  v.  Domaszewski  —  Calderini  Die  Marcus- 
SäuU  (1896)  S.  21—28  (Mommsen),  S.  105—125  (v.  Domaszewski). 

3)  III 6189  —  Troesmis  —  d,m.\  Julius  Diz\g<ice  posui  |  fil(io)  pientis{simo)  \  Valien'oj 
Vdle(nU?)  milit{i)  \  l{eg.)  V  M{aced.),  defu(n)ct{o)  \  in  exped{iiione)  Pari{hica\  \  mü{ita- 
vit)  annis  F,  vic(sit)  an.  XXV,  et  ma\t[r]i  Attie  A  ....  ea  ....  vgl.  dazu  Cagnat 
p.  1082  und  Ritterling  Bhein.  Mus.  LIX  (1904)  193,  1.  An  die  Zeit  Traians  ist  wegen 
des  Stiles  nicht  zu  denken,  zur  Zeit  des  Septimius  Severus  war  die  leg.  V  Maced.  schon 
längst  in  Dada. 

4)  Die  grosse  Zahl  der  im  J.  169  in  die  leg.  VII  Claud.  neu  aufgenommenen 
Mannschaften  (vgl.  das  Soldatenverzeicbnis  III  14507)  zum  Teil  durcb  die  Verluste  der 
Legion  in  dem  parthischen  Kriege  zu  erklären  und  daraus  weiter  den  Schluss  zu  ziehen, 
dass  die  Legion  an  diesem  Kriege  beteiligt  war  (v.  Premerstein  und  Vuli^  Österr. 
Jahresh.  IV  (1901)  Beibl.  93;  vgl.  VIII  (1905)  Beibl.  19  zu  n.  58),  scheint  mir  uu- 
solfissig.  Die  nach  Beendigung  des  Krieges  im  J.  166  auch  nach  den  europäischen 
Provinzen  verschleppte  Pest  und  die  ersten  Jahre  der  Markomanen  kriege,  an  denen  die 
leg.  VII  Claud.  sicher  beteiligt  war  (S.  76 f.),  erklären  ja  die  grossen  Verluste,  welche 
die  Legion  im  J.  169  aufweist,  zur  Genüge. 

5)  Rhein.  Mus.  LIX  (1904)  195. 

6)  Wir  kennen  nur  drei  Legionen  aus  den  Westprovinzen,  die  sich  an  diesem 
Kriege  beteiligt  haben:  leg.  I  Min.,  leg.  II  Ad.  und  leg.  V  Maced.  (die  Belege  dazu  auf 
S.  85,  3).  Die  beiden  ersten  waren  sicher  vollzählig  beteiligt,  für  die  dritte  ist  es 
wenigstens  sehr  wahrscheinlich.  Es  liegt  abo  kein  Grund  vor  anzunehmen,  dass  in 
diesem  Kriege,  wie  in  dem  parthischen  Traians,  auch  vexillationes  anderer  europäischen 
Ijegionen  mitgekämpft  haben.  Es  ist  wohl  denkbar,  dass  man  damals  vorgezogen 
hat,  Dur  ganze  Legionen  von  den  europäischen  Truppen  gegen  die  Parther  zu  verwenden. 


76  Boydan  Filow, 

Hone  Parthic,  donis  \  militar[ib.]  donato,  praef.  eq(uitum)  |  alae  pr,  Auy. 
Parthorum,  \  patrono  et  curatori  \  mu/nicipi  \  d,  d.  \  publice. 

Diese  Inschrift  bezieht  sich  sicher  auf  den  parthischen  Krieg  M. 
Aureis.  An  den  Krieg  Traians  ist  nicht  zu  denken,  weil  die  ala  ptiima) 
Äug,  Parthorum  unter  diesem  Namen  erst  gegen  das  Ende  des  zweiten 
Jahrhunderts  erscheint,^)  an  den  parthischen  Krieg  des  Septimius  Sevems 
deshalb  nicht,  weil,  abgesehen  von  anderen  Bedenken,  zu  dieser  Zeit  für 
die  äusserst  selten  gewordenen  Verleihungen  der  dona  müitaria  statt 
donis  donatm  ganz  andere  Ausdrücke  angewendet  wurden,  wie  cui  ob 
virtute  sua  sacratissimi  impeiatores  insignem  dederunt  (III  1193  =  Dess. 
2746  =  S.  51  n.  U),  consecutus  oh  virtutem  (VIII  217  =  Dess.  2658  = 
S.  52  n.  20). 

Der  zweite  Krieg,  den  T.  Valerius  Marcianus  als  Soldat  der  leg. 
Y  Maced.  mitgemacht  hat,  ist  der  Markomanenkrieg  M.  Aureis.  An 
diesem  Kriege  haben  sich  auch  die  übrigen  mösischen  Legionen  beteiligt. 
Es  war  damals  ein  ausserordentliches  Kommando  für  Julius  Berenicianns 
geschaffen ,  der  an  die  Spitze  der  leg.  I  Ital.  aus  Moesia  inferior  und  der 
leg.  IV  Flav.  aus  Moesia  superior  mit  ihren  gesamten  Hilfsmannschaften 
gestellt  war. 2)  Ein  Centurio  der  leg.  IV  Flav.  hat  sich  dabei  die  dona 
müitaria  erworben.^)  Bekanntlich  wurde  dieser  Krieg  unter  den  ungünstig- 
sten Verhältnissen  geführt  und  hat  die  grössten  Anstrengungen  erfordert 
Sogar  die  afrikanische  leg.  III  Aug.  musste  ihre  vexillatio  für  den  Krieg 
abgeben,*)  und  in  das  Heer  wurden  sogar  Sklaven  aufgenommen.*)    Bei 

1)  Vgl.  Cichoriufi  bei  Paiily-Wissowa  1  1256  unter  ala  I  Augusta  Parthorum, 

2)  VIII  2582  (Dess.  1111)  —  Lambaesis  —  [A.]  Julius  Pompäius  A.  fH  Comeka 
Pisa  T.  Vib[%u8  Varus  LaevtUus]  |  Betenicianus  Xmr  stlUibus  iudicandis  ....  legaius 
leg.  XIII  [Geminae  item  IUI  Fhviae],  praepositus  legionihm  I  Italicae  et  III[I  Flaviae 
cum  Omnibus  copiis]  \  auxiliorum  dato  iure  gladi,  leg.  August[orum  pro  praetore  leg.  III 
Aug.\  I  consul  desig\natus].  Die  Ergänzungen  sind  durch  die  demselben  Manne  ge- 
hörenden Inschriften  VIII  2744.  2745  und  2488  gesichert.  Legatus  pro  pr.  der  leg.  III 
Aug.  war  Bereniciauus  im  J.  176  und  177  (vgl.  VIII  2547  und  2488).  Vgl.  über  die 
Inschrift  y.  Domaszewski  Die  Chronologie  S.  116,  Beuchel  Diss,  84  sq. 

3)  XI  6055  (Dess.  2743)  —  Urvinum  Mataurense  (Urbino)  —  L.  Pelronio  L.  f.  Pup. 
Sabino  Foro  Br\ent.  corn(iculario)  pr(aefecti)  pr{aetorio\  [7]  leg.  X  Frei,  et  IUI  FL^  \ 
donis   don.  [a]b   imp.  Marco  Antonino  in  \  bello  German.  bis  hasta  pura  et  co^ronis 

vallari  et  murali,  p(rimo)  p(ilo)  legion.  \  III  Cyreneicae^  curatori  staiorum Ein  Tribun 

und  ein  praefectus  kastrorum  (?)  der  leg.  IV  Flav.  haben  in  Aquincum  Weihinschriften 
gesetzt  (III  8463.  3468),  wahrscheinlich  zu  der  Zeit,  als  sie  mit  dieser  Legion  wäbreDd 
der  Markomanenkriege  sich  in  Aquincum  aufgehalten  haben.  Die  pannoniscben  Ziegel 
der  leg.  IV  Flav.  stammen  möglicherweise  auch  aus  dieser  Zeit;  vgl.  S.  59. 

4)  VIII  619  (Dess.  2747)  —  Mactar  -  Ti.  Plautius  Ti.  f.  Papiria  Felix  Ferrun- 
tianns  ....  praepositus  rexil.  leg.  III.  Aug.  aput  Marcomannos.  Auch  die  orienta- 
lischen Legionen  scheinen  sich  an  dem  Kriege  beteiligt  zu  haben;  vgl.  v.  Domaszevrski 
Die  Chronologie  S.  123.  124,  1,  Die  Marcus-Säule  S.  112  f. 

5)  Capitol.  Vit.  M.  Ant.  21 :  et  servos,  quem  ad  modum  bello  Punico  factum  fuerat, 
atl  militiam  paravit.  Nach  v.  Domaszewski  Die  Chronologie  S.  114  wurden  diese  Soldaten 
nur  für  den  Besatzungsdienst  im  Inneren  des  Reiches  verwendet. 


Die  Legionen  der  Provinz  Jfoesin,  77 

solchen  Verhältnissen  kann  auch  die  Beteiligung  der  obermösischen  leg. 
Vn  Claud.  und  der  untermösischen  leg.  XI  Claud.  an  dem  Markomanen- 
kriege nicht  bezweifelt  werden,  obwohl  wir  keine  direkten  Zeugnisse  dafür 
besitzen.  Eine  Bestätigung  findet  diese  Annahme  vielleicht  in  den  in  Pan- 
nonia  gefundenen  Ziegeln  dieser  beiden  Legionen,  welche  schwerlich  aus 
einer  anderen  Zeit  stammen.^)  Auch  die  vielen  Auszeichnungen,  welche 
die  im  J.  195  entlassenen  Mannschaften  der  leg.  VII  Claud.  erhalten  hatten,^) 
sind  zum  grössten  Teil  auf  den  Markomanenkrieg  zurückzuführen.^) 

Wichtig  ist  die  Angabe  der  hier  behandelten  Inschrift  aus  Troesmis, 
dass  T.  Valerius  seine  honesta  missio  im  J.  170  in  Dacia  unter  dem 
Statthalter  Sex.  Cornelius  Clemens*)  erhalten  hat.  Demnach  hat  die  leg. 
V  Maced.  damals  zum  Heere  von  Dacia  gehört,  und  da  sie  längere 
Zeit  an  dem  Kriege  beteiligt  war,^)  muss  die  ganze  Legion,  wie  die 
I  Ital.  und  IV  Flav.,  an  dem  Kriege  teilgenommen  haben.  Nach  der  missio 
kehrt  T.  Valerius  at  lares  suos,  d.  h.  nach  Troesmis,  zurück,  natürlich 
nicht  mit  der  Legion,  sondern  allein. 

Obwohl  die  eben  besprochene  Inschrift  schon  längst  bekannt  war, 
hat  man  noch  in  der  neuesten  Zeit  angenommen,  dass  die  leg.  V  Maced. 
erst  unter  Septimius  Severus  nach  Dacia  verlegt  worden  wäre.')  Die 
älteste  datierbare  Inschrift  der  leg.  V  Maced.  in  Dacia  stammt  allerdings 
erst  aus  dem  J.  195,^  aber  auch  in  Moesia  inferior  ist  gar  keine  Inschrift 
gefunden  worden,  welche  in  die  Zeit  nach  M.  Aurel  gesetzt  werden 
kann.^)  Wir  haben  demnach  gar  keinen  Grund  anzunehmen,  dass  die 
leg.  V  Maced.,  nachdem  sie  schon  im  J.  170  zu  dem  Heere  von  Dacia 
gehörte,  wieder  nach  Moesia  inferior  zurückgekehrt  sei.  Es  kann  nicht 
bezweifelt  werden,  dass  die  Umwandlung  von  Dacia  in  eine  konsularische 
Provinz  unter  M.  Aurel  zum  Zwecke  der  wirksameren  Verteidigung  der 
Grenze  geschah.*)    Der  neue  Statthalter  konnte  aber  die  Nachbarvölker 

1)  Ziegel  der  leg.  VII  Claud.  siud  in  Sirmiam  gefunden  worden  (III  106Ö6,  vgl. 
p.  2828»«'),  Ziegel  der  leg.  XI  Claud.  in  Aquincum  (III  11851a),  in  Brigetio  (11851 V 
und  in  Oedenburg  (TU  p.  2328"  ad  n.  11351).     Vgl.  auch  S.  59. 

2)  Vgl.  das  Soldatenverzeichnis  III  14507. 

8)  V.  Premerstein  und  Vuliß  Österr.  Jahresh.  IV  (1901)  Beibl.  96. 

4)  Vgl.  über  ihn  Jung  Fasten  S.  19,  Prosop.  C  1085. 

5)  Das  geht  aus  den  Namen  der  Feldherrn,  unter  denen  T.  Valerius  gedient 
hat,  hervor. 

6)  Mommsen  CIL.  p.  160.  999  und  zu  n.  776  und  8068,  Die  Lagerstädte,  Hermes 
VII  (1873)  323,  B.  G.  V  208,  Schiller  I  732,  Cagnat  p.  1082,  Rappaport  S.  19,  van  de 
Weerd  Mus^e  beige  V  (1901)  49. 

7)  III  905  -f  p.  1014  aus  Potaissa,  dem  Hauptlagcr  der  leg.  V.  Maced.  in  Dacia:  imp. 
Caes.  L.  Sep.  Severus  P.  Pert.  Aug.  \  Ar  ab.  Adiabenic.  pont.  max.  trib.  \  pot.  III  imp. 
Vll  COS.  II  procos.  p.  p.y  I  leg.  V  Mac.  p.  f.  den.  dedit  dedicante  \  P.  Septimio  Geta  leg. 
Aug.  pr.  pr.f  |  cura  agente  Tib.  C[l.]  Claudiano  leg.  Aug. 

8)  Die  jüngste  Inschrift  der  leg.  V  Maced.  aus  Moesia  inf.  scheint  III  6169  = 
S.  64, 1  c,  aus  den  ersten  Regierungsjahren  M.  Aurels,  zu  sein. 

9)  Vgl.  auch  Jung  Fasten  S.  17. 


78  Bogdun  Filow, 

nicht 'durch  seinen  Titel  in  Respekt  halten,  sondern  durch  die  Legionen, 
welche  er  unter  seinem  Befehle  hatte.  So  ist  die  Erhöhung  des  Ranges 
der  dakischen  Statthalterschaft  nur  eine  Folge  der  Vermehrung  der  Be- 
satzung dieser  Provinz  auf  zwei  Legionen,^)  und  da  Dacia  nicht  nur 
vorübergehend,  wie  Pannonia  inferior,  einem  konsularischen  Statthalter 
unterstellt  war,  sondern  auch  später  nur  von  Konsularen  verwaltet 
wurde, ^)  so  muss  die  zweite  Legion,  die  V  Maced.,  dauernd  in  Dacia 
geblieben  sein.^)  Diese  Reformierung  der  dakischen  Statthalterschaft 
wurde  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  im  J.  167/168  vollzogen,*)  so  dass 
zu  derselben  Zeit  auch  die  leg.  V  Maced.  aus  dem  Verbände  des  modi- 
schen Heeres  ausgeschieden  sein  muss.*) 

An  den  Ereignissen,  welche  auf  den  Sturz  des  C!ommodns  folgten, 
haben  die  mösischen  Legionen  einen  regen  Anteil  gehabt  Wie  die  übrigen 
illyrischen  Legionen  standen  auch  sie  auf  der  Seite  des  Septimius  Sevems*) 
und  haben  an  der  Belagerung  von  Byzantium  und  an  dem  Eri^e  gegen 
Clodius  Albinus  unter  der  Führung  von  L.  Marius  Maximus  teilgenommen. 
Dieser  letztere  heisst  auf  der  stadtrömischen  Lischrift  VI  1450  (Dess.  2935) 
leg(atus)  leg.  I  Iialic(ae)^  dux  exerciti  (sie)  Mysiad  aput  Byzantium  et 
wput  Lugudunum.  Da  aber  Byzantium  erst  im  J.  196,  nach  Beendigung 
des  Krieges  gegen  Pescennius  Niger  und  die  Nachbarstämme  Syriens  fiel,^ 
so  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  dass  das  mösische  Heer  auch  in  Asien 
tätig  gewesen  ist.^)  Allerdings  war  Ti.  Claudius  Candidus,  der  bekannte 
Feldherr  des  Septimius  Severus,  diix  exercittis  Ulyrici  eocpeditione  Äsiana 
item  Parthica  item  Oallica/)  und  als  solcher  muss  er  auch  das  mösische 
Heer  unter  seinem  Kommando  gehabt  haben.  ^^)    Aber  die  Belagerung 

1)  Vgl.  auch  V.  Domaszewski  Bkein.  Mus.  XLVIU  (1893)  244. 

2)  Vgl.  die  Liste  der  Statthalter  bei  Jung  Fasten  S.  18  ff. 

8)  Vgl.  auch  V.  Domaszewski  Rhein.  Mus.  XLVIII  (1893)  244,  3,  Die  Chronoiogie 
S.  125,  2  uod  Brandis  bei  Pauly  Wissowa  IV  1971  (unter  Dacia). 

4)  Mommsen  CIL.  III  p.  160,  Hirschfeld  Süz.-Ber.  der  Wiener  Äkad.  LXXVII 
(1874)  370,  Marquardt  1*309  f.    Vgl.  auch  v.  Domaszewski  Die  Chronologie  S.  109  ff. 

5)  In  den  ersten  Jahren  M.  Aurels  war  die  Legion  noch  in  Troesmis  (vgl.  die 
Inschrift  auf  S.  64,  1  c).  Als  sie  zum  parthischen  Kriege  nach  dem  Orient  abmarschierte, 
gehörte  sie  also  noch  zu  dem  mösischen  und  nicht  zu  dem  dakischen  Heere,  wie 
Y.  Domaszewski  Die  Chronologie  S.  112.  117  annimmt. 

6)  Die  Namen  aller  mösischen  Legionen  erscheinen  auf  den  Münzen  des  SepUmins 
Severus:  Cohen  IV«  p.  31  n.  255.  257  (leg.  I  Ital.),  p.  31  n.  264  (leg.  IV  Flav.),  p.  81 
n.  266  (leg.  VII  Claud.),  p.  32  n.  268  (leg.  XI  Claud.).  Vgl.  auch  Fachs  Geaeft.  des 
Kaisers  Septimius  Severus,  Wien  1884  {Unters,  aus  der  alten  Gesch.  Heft  V)  S.  12  f., 
V.  Domaszewski  Die  Fahnen  im  röm.  Heere  S.  48. 

7)  Dio  LXXIV  8,  3,  LXXV  1,  1  (Boissev.);  vgl.  Schiller  I  712. 

8)  Vgl.  auch  Beuchel  Diss.  87. 

9)  II  4114  =  Dess.  1140.  Unter  expeditio  Parthica  ist  der  Zug  gegen  die  Araber, 
Adiabenc  und  Osrhoene,  der  unmittelbar  auf  die  Besiegung  des  Pescennius  Niger  folgte, 
gemeint.  Vgl.  Schiller  I  719,  5  mit  712,  5,  Mommbcn  R.  O.  V  410,  1,  RitterUng  Diss. 
62,2,  Dess.  1140  adn.  7. 

10)  Vgl.  S.  22  mit  Anm.  4. 


Die  Legionen  der  Proxnnz  Moesin,  79 

von  Byzantium  kann  ja  auch  als  Teil  der  expediüo  Äsiuna  betrachtet 
werden. 

Wir  besitzen  in  der  Tat  gar  keine  Andeutung  für  die  Teihiahme 
des  mösischen  Heeres  an  den  Ereignissen  in  Asien,  während  die  Beteiligung 
des  dakischen  und  pannonischen  Heeres  gerade  an  diesen  Ereignissen  auch 
sonst  bestätigt  wird.  So  müssen  die  beiden  dakischen  Legionen,  V  Maced. 
und  Xni  Crem ,  ziemlich  starke  veocillationes  für  diese  Kriege  gestellt  haben, 
denn  TL  Claudius  Claudianus,  cansul  suffeetus  im  J.  195/7  und  später  Statt- 
halter der  beiden  Pannonien,  erscheint  auf  einer  Inschrift  aus  Rusicade 
(Numidia)  ^)  vor  seinem  Konsulate  als  praeposittcs  veanllation{um)  Dadis- 
car{tm),  nachdem  er  schon  vorher  die  Legation  der  leg.  V  Maced.  und 
Xin  Gem.  bekleidet  hat.*)  Ebenso  lässt  auf  die  Beteiligung  der  panno- 
nischen Legionen,  wenigstens  der  leg.  11  Ad.,  an  den  Ereignissen  in 
Asien  die  Weihinschrift  aus  Aquincum  III  3512  schUessen:  . . .  opti[6] 
ab  exped[it.]  \  Suriat  rev[e]\r$ti8  v,  s,  L  a.  Der  Name  einer  Truppe 
scheint  auf  der  Inschrift  nicht  gestanden  zu  haben.  Da  aber  die  Inschrift 
in  Aquincum  gefunden  worden  ist,  so  kann  der  Unbekannte  nur  ein  An- 
gehöriger der  dort  stationierten  leg.  II  Ad.  sein.  Die  expediüo  Suriatica 
ist  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  der  Krieg  gegen  Pescennius  Niger, 
da  es  bei  der  Erhebung  des  Avidius  Cassius  unter  M.  Aurel  nicht  zu  einem 
Kampfe  gekommen  war.'') 

Für  die  Zeit  nach  Septimius  Severus  sind  wir  meistens  nur  auf  Ver- 
mutungen angewiesen.  Eine  Inschrift  aus  Speier  (Xin  6104  =  Dess.  2310) 
nennt  einen  Soldaten  der  leg.  IV  Flav.,  welcher  in  einem  germanischen 
BMege  mitgekämpft  hat: 

d.  ni.  I  Aur.  Vitali  \  mil.  leg,  IUI  t\  \  stip.  VII,  vixit  \  ann,  XXV, 
agens  \  expeditione  \  Oermaniae,  Flavius  Proc\lti8  mil  leg.  s.  s,  \  secundtis 
he\re8  contvheT\nali  bene  mer\€[nti]  f.  c. 

Wegen  des  Fundortes  der  Inschrift  ist  an  den  Markomanenkrieg 
M.  Aureis  nicht  zu  denken,  und  so  hat  Zangemeister  diese  Inschrift  wohl 
mit  Recht  auf  den  germanischen  Krieg  Caracallas  im  J.  213  bezogen, 
über  den  BMeg  selbst  und  die  Truppen,  welche  daran  beteiligt  waren. 


1)  Vni  7978  (Dess.  1147);  vgl.  VIII  5849. 

2)  Vgl.  Jung  Fasten  S.  57,  Prosop.  C  678. 

8)  Dass  die  illyrischeo  Legionen  sich  auch  an  dem  parthischen  Kriege  des  Sep- 
timius Severus  (197—199)  beteiligt  haben,  kann,  mit  Rücksicht  auf  ihre  Bütwirkung  an 
den  früheren  und  späteren  parthischen  Kriegen,  als  sicher  betrachtet  werden,  obwohl  wir 
dafUr  keine  direkte  Zeugnisse  besitzen.  Die  Inschrift  aus  Apulum  1111198  +  p.  1390 
=  Dess.  2746  =  S.  51  n.  14,  welche  einen  tribun.  coh.  IBritt.  item  vexil  Dacor.  Parthic, 
cui  ob  virtute  sua  sacratissimi  imper,  caronam  .  . .  insignem  dederunt  nennt,  und  welche 
sich  sicher  auf  die  Kriege  des  Septimius  Severus  bezieht  (vgl.  Mommsen  im  Corpus 
SU  der  InBchrift  und  die  in  Anm.  1  angeführte  Inschrift  aus  Rusicade:  praepositus 
vexülationum  Daeiiscarum)  ^  kann  auch  mit  dem  Zuge  des  J.  194—196  in  Verbindung 
gebracht  werden  (vgl.  S.  78,  9). 


80  Bogdan  Filow, 

ist  sehr  wenig  bekannt.»)  C.  Octavius  Appius  Suetrius  Sabinus,  Konsul 
im  J.  214,  war  in  diesem  Kriege  praeposit{2is)  vexi[U{aris)]  Germ(anicae) 
expedit{ionis)  und  comes  des  Caracalla,  nachdem  er  kurz  vorher  Legat  der 
obergermanischen  leg.  XXII  Primig.  war. 2)  Diese  vexiUarii  können  nicht 
dem  germanischen  Heere  angehört  haben,  denn  die  germanischen  Legionen 
haben  sich  an  diesem  Kriege  wohl  vollzählig  beteiligt.  Es  sind  alao 
vielmehr  vexUlarii  aus  dem  Heere  einer  Nachbarprovinz  gewesen.  Da 
aber,  ausser  der  leg.  IV  Flav.,  an  diesem  Kriege  sich  noch  die  leg.  II  Ad. 
beteiligt  hat,*)  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  andere  pannonische 
und  mösische  Legionen  ihre  vexillationes  für  den  Krieg  gestellt  haben, 
und  dass  gerade  diese  vexiUarii  unter  dem  Befehle  des  C.  Octavius  Sabinus 
gestanden  haben. 

Mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  wird  man  behaupten  können,  dass 
die  mösischen  Legionen  auch  an  dem  parthischen  Kriege  unter  Caracalla 
beteiligt  waren.  Dass  auch  dieses  Mal  der  Krieg  nicht  ohne  Heran- 
ziehung der  Donaulegionen  geführt  werden  konnte,  beweist  die  Beteiligung 
der  pannonischen  Legionen;*)  doch  direkte  Zeugnisse  für  die  Beteiligung 
der  mösischen,  so  viel  ich  sehe,  besitzen  wir  nicht.  ^)  Welche  Rolle  diese 
Legionen  bei  den  Prätendentenkämpfen  nach  Ermordung  des  Kaisers 
Caracalla  bei  Carrhae  im  J.  217  gespielt  haben,  lässt  sich  nicht  sagen. 

1)  Vgl.  über  diesen  Krieg  die  Arvalakten  vom  J.  213  (bei  Dessau  451),  Spart. 
Vit.  Ant.  Carac.  5,  Dio  LXXVIII  14  (Boissev.),  Aurel.  Vict.  Caes.  21,  2  uod  die  Inschrift 
aus  AquiDum  X  5398  (Dess.  1159);  Fabricius  Die  Ent^thung  der  röm,  Limesanlagen 
in  Deutscht.  1902  S.  15  f. 

2)  X  5398  (Dess.  1159)  aus  Aquinum;  Momrosen  Ephem.  epigr.  I  134,  Pro90p. 
0  19.    Vgl.  auch  X  5178. 

3)  III  3447  —  Aquincum  —  [J.]  0.  [m.]  \  voverunt  \  in  espedi\tione  Ger\mica  Sep.  \ 
Quintia\ntts  et  Äur.  |  Gentilis^  \  v.  s.  l.  m.  Germica  steht  natürlich  für  Germanica,  Dem 
Stile  nach  gehört  die  Inschrift  erst  dem  dritten  Jahrhundert  an.  Die  beiden  ge- 
nannten können  nur  Soldaten  der  in  Aquincum  stationierten  leg.  II  Ad.  sein,  denn  nur 
so  lässt  sich  die  Auslassung  des  Namens  der  betreffenden  Truppe  erklären.  Vgl.  auch 
Gündel  Diss.  61. 

4)  Sicher  war  die  leg.  II  Ad.  an  diesem  Kriege  beteiligt,  III  8844  —  Stuhl- 
weissenburg  —  J.  0.  m.  \  L.  Sep.  Veranus  |  vet.  leg.  II  Ad.  p.  f.  \  [p}ro  voto  8u[s\e]^f4o 
in  ex\[p]editione  \  [P]arthica  \  .  .  .p  Antanino  eoH'j.  Die  Inschrift  ist  im  J.  218  ge- 
setzt worden  (vgl.  Mommsen  zu  der  Inschrift,  Gündel  Diss.  61,  Cagnat  p.  1077).  — 
Auf  denselben  Krieg  bezieht  sich  wohl  auch  der  Grabstein  aus  Szanto  (Pannonia  inl) 
III  10572,  welcher  einen  mel  (sie)  leg.  II  Ad.,  qui  defunctus  est  in  Partia  nennt, 
vielleicht  auch  111  4480  (Dess.  2307)  —  Carnuntum  —  .  . .  [mater]  miserissima  Sept(iwno) 
Ingenuo  eq{uiti)  leg.  XUIIGem.,  qui  Partia  decidit  in  beüo.  Vgl.  auch  Buü.  de  corr.  Aett. 
1901  p.  59  n.  205  aus  Bithynien:  ccvvmvaQrJxoag  Xsyidtai,  a  xal  ß'  di6doig[inl^  TU^eag. 
Die  beiden  Legionen  hat  v.  Domaszewbki  Böm.  MitieiL  XX  (1905)  158,  1  mit  den  I  Ad. 
und  II  Ad.  identifiziert  und  die  Inschrift  auf  den  Orientzug  Caracallas  bezogen. 

5)  Mommsen  im  Index  zu  C'orpu«  III  und  Schiller  1  746,  6  beziehen  die  Inschrift 
III  6189  auf  die  Beteiligung  der  leg.  V  Maced.  am  partbischen  Kriege  Caracallas, 
doch  vgl.  dagegen  S.  75,  3. 


Die  Legionen  der  Provinz:  Moesia,  81 

2.  Die  Stellung  der  Legionen  an  der  unteren  Donau  nach  Yerlnst 

der  Provinz  Dacia. 

Der  Anfang  der  mehr  als  30  Jahre  dauernden  Goteneinfälle  in  das 
römische  Reich,  welche  neben  den  zahlreichen  Verwüstungen  auf  der 
ganzen  Balkanhalbinsel  auch  den  Verlust  der  Provinz  Dacia  herbeigeführt 
haben,  fällt  in  die  Zeit  des  Maximinus.  0 

Über  die  Schicksale  der  mösischen  Legionen  in  dieser  Zeit  wissen 
wir  im  einzelnen  gar  nichts,  obwohl  es  sich  nicht  bezweifeln  lässt,  dass 
sie  an  allen  Schlachten,  welche  während  dieser  30  Jahre  fast  ununter- 
brochen mit  den  Goten  geschlagen  wurden,  beteiligt  waren.  Nicht  so 
selbstverständlich  ist  aber  ihre  Beteiligung  an  dem  dakischen  Kriege  des 
Maximinus  im  J.  235.*)  Denn  die  Daker  dieser  Zeit  waren  nicht  mehr 
unmittelbare  Nachbarn  der  Provinz  Moesia,  wie  zur  Zeit  Domitians  und 
Traians,  sondern  hatten  ihre  Wohnsitze  viel  nördlicher  als  damals.  Wir 
wissen  nur,  dass  an  diesem  Kriege  die  pannonischen  Legionen  I  Ad.*) 
und  II  Ad.*)  und  die  norische  11  Italica*)  beteiligt  waren,  aber  für  die 
mösischen  haben  wir  keine  Andeutung. 

Nachdem  im  J.  275  die  Provinz  Dacia  von  Aurelian  endgültig  auf- 
gegeben war,*)  wurden  die  beiden  dakischen  Legionen,  V  Maced.  und 
Xin  Gem.,  auf  das  rechte  Donauufer  verlegt  und  bildeten  seitdem  die 
Besatzung  der  neuerrichteten  rechtsdanuvischen  Provinz  Dacia.  0    Wo  sie 

1)  Mommsen  R.  Q.  V  217,  Rappaport  S.  27. 

2)  Maximinus  muss  damals  Erfolge  gegen  die  Daker  gehabt  haben,  da  er  seitdem 
den  Titel  Sarmaticus  maximus  und  Dacicua  maximus  ftihrt:  XII  5559,  VIII  10047 
(Dess.  488),  X  6811  (Dess.  489),  II  4756  (Dess.  490)  u.  a.  m.  Für  die  Chronologie  vgl. 
Rappaport  S.  27  gegen  Schiller  I  786. 

3)  III  3660  (Dess.  2808)  —  Bajna,  zwischen  Aquincum  und  Brigetio  —  .  . .  \  et 
perpetuae  8ec[urit(Ui]  \  Aur.  S(Uull[ino]  mil,  leg.  \  I  Adi.,  [qui\  vixit  annis  XX\niIj  atip. 

VI,  incursu  ho\8ti8  Daciae  decidü,  et  Aur.  Sat\ullOy  q[ui]  vixit  annis  XÜII^  \  Aur.  Acutus 
mil.  leg.  I  Ad.  pat.  \  ßis  bene  merentihus  posuit.  Vgl.  Jünemann  Diss.  91 ,  Cagnat 
p.  1076.  Auf  denselben  Krieg  bezieht  sich  yielleicht  auch  III  4375  —  Arrabona 
(Pannonia  sup.)  —  Julio  Patemo  |  (quondam)  sig.  leg.  I  Ad.,  stip.  \  VI,  qui  vix.  annos  \ 
XXIIIIy  qui  est  hello  \  desiderat.    Vgl.  Jünemann  a.  a.  0. 

4)  III  3336  —  Intercisa  (Pannonia  inf.)  —  .  .  .  in  q(uon)d(am)  annat[ura]  |  leg. 
II  Ad.,  stip.  XVI,  djWiundus  ex  regio\ne  Bassianesi,  desi\deratus  in  Dacia  q.  \  qui 
vixit  ann.  XXXIUI.  \  Sept.  Maxim[us]  .  .  .  vgl.  Güudel  Diss.  54,  Cagnat  p.  1077. 

5)  a.  III  4857  —  Virunum  (Noricum)  —  d.  m.  \  Veponius  \  Avitus  |  viv.  fec. 
sihi  I  et  Diacoxie  |  Meitime  |  con.  karissime  |  et  Vep.  Quart[ino]  \  mil.  leg.  [IPj  Ital.  p. 
[f.],  I  (phitus)  ann.  XXXV,  stip.  Uli,  bel[lo]  \  Ducco  (für  Dacico)  desider.  ieilira  (?). 

b.  III  5218  (Dess.  2309)  —  Celeia  (Noricum)  —  d.  m.\  Aur.  Justino  militi  i 
leg.  II  Ital.  (pbito)  in  exp.  \  Daccisca,  an.  XXIII,  |  Aur.  Verinus  vet.  et  |  Mess.  Quar- 
tina  pa\rentes  fecerunt. 

6)  Vgl.  S.  5. 

7)  Vopisc.  Vit.  Aurel.  39 :  cum  vastatum  lüyrieum  ac  Moesiam  deperditam  videret, 
provinciam  Transdanuvinam  Daciam  a  Traiano  constitutam  sublato  exercitu  et  pro- 
Vincialibus  reliquit  desperans  eam  posse  retineri  abductosque  ex  ea  populos  in  Moesiam 
conlocavit  appellavitque  suam  Daciam,  quae  nunc  duas  Moesias  dividit.  Dasselbe 
berichtet  auch  Eutrop.  IX  15:  Provinciam  Daciam,  quam  Traianus  ultra  Danubium 

Filow,  Dit  Legionen  der  Frorins  Moetie.  6 


82  Bogdan  Filow, 

gestanden  haben,  zeigen  uns  die  Itineraria:  die  leg.  V  Maced.  in  Oescus,*) 
und  die  leg.  XIII  Gem.  in  Ratiaria.*) 

Die  inschriftlichen  Zeugnisse  aus  dieser  Zeit  sind  sehr  dürftig. 
Wichtig  ist  ein  in  Ratiaria  gefundener  Ziegel  (III  14597*)  mit  dem 
Stempel  L  XIII  G  RAT,  welcher  die  Angabe  der  Itinerariu,  dass  diese 
Legion  in  Ratiaria  gestanden  hat,  bestätigt.') 

Auch  von  der  leg.  V  Maced.  sind  zwei  Ziegel  in  Tscheleju  und  Beschli, 
beide  in  der  Nähe  von  Oescus,*)  mit  dem  Stempel  LVMOEiS  und 
leg.  u  MOES  gefunden  worden,^)  welche  erst  aus  der  Zeit  des  zweiten 
Aufenthaltes  der  leg.  V  Maced.  in  Oescus  stammen  können.«)  Auf  diesen 
Aufenthalt  sind  die  ebenfalls  in  Tscheleju  gefundenen  Ziegel  (III  8066 b.c.) 
mit  dem  Stempel  L  •  V  •  M  und  L  V  M  C  zu  beziehen.  Denn  man  wird 
kaum  annehmen  dürfen,  dass  gerade  die  leg.  V  Maced.,  so  lange  sie  noch 
in  Potaissa,  ganz  im  Norden  von  Dacia,  gestanden  hat,  für  Tscheleju 
Mannschaften  oder  Ziegel  geliefert  habe,  da  die  leg.  Xm  G^m.  in  Apulum 
viel  näher  lag.  Ausserdem  aber,  so  lange  Dacia  im  Besitze  der  Römer 
war,  ist  an  die  Entstehung  eines  Kastells  am  linken  Donauufer  ganz  in  der 
Nähe  von  Oescus,  was  Tscheleju  gewesen  zu  sein  scheint,  nicht  zu  denken. 

3.  Die  Provinz  Scythia. 

Nachdem  die  leg.  V  Maced.  schon  unter  M.  Aurel  von  Troesmis  nach 
Potaissa  in  Dacia  verlegt  worden  war,  standen  zunächst  in  Troesmis  nur 
Abteilungen  der  beiden  anderen  untermösischen  Legionen  I  Ital.  und 
XI  Claud.^    Es  ist  aber  sehr  wahrscheinlich,  dass  während  der  Goten- 


fecerat ,  intermiait ,  vastato  omni  Illyrico  et  Moeaia ,  desperans  eam  posse  retineri,  ab- 
ductosque  Romanos  ex  urhibus  et  agris  Daciae  in  media  Moesia  collocavü  appeUavüque 
eam  Daciam,  quae  nunc  dirns  Moesias  dividit  et  est  in  dextra  Danubio  in  mare  fluenti, 
cum  antea  fuerit  in  laeva. 

1)  Itin.  Änton.  p.  220,  5:  Oesco  leg.  V  Mac.;  vgl.  Not.  dign.  or.  XLII  33. 

2)  Itin.  Änton.  p.  219,  8:  Ratiaria  leg,  XIII  Gem.  Die  Zahl  XUIT  in  den  Hand- 
schriften ist  in  XIII  zu  ändern,  denn  die  leg.  XIV  Gem.  stand  auch  nach  Itin.  p.  247,  4 
in  Camuntum  (Mommsen  CIL.  III  p.  1020);  vgl.  Not.  dign.  or.  XLII  38. 

3)  Der  in  Kladovo,  ebenfalls  auf  dem  rechten  Donauufer  gefundene  Ziegel 
III  14215^  mit  dem  Stempel  L  XIII  G  P(ia)  ^{everiana)  stammt  wegen  des  Beinamens 
Severiana  wahrscheinlich  aus  einer  früheren  Zeit.  Die  leg.  XIII  Gem.  führt  den  Bei- 
namen Severiana  auf  drei  Weihinschriften  aus  Apulum  (III  1019.  1020. 14469).  Seitfe- 
rianä)  und  Seve(riana)  auf  zwei  Ziegeln  aus  Poetovio  und  Yindobona  (III  11 859  a.  b). 

4)  Der  erstere  Ort  liegt  auf  dem  linken,  der  letztere  auf  dem  rechten  Donaunfer. 

5)  III  8068  b  (vgl.  8068  a)  und  12523. 

6)  Das  hat  Mommsen  Ephem.  epigr.  II  zu  n.  462  und  CIL.  III  zu  6241.  8068 
mit  Recht  gegen  Hirschfeld  Sitz.-Ber.  der  Wiener  Akad.  LXXVII  (1874)  411  f.  an- 
genommen. Vgl.  auch  V.  Domaszewski  CIL.  III  zu  12523.  Es  ist  in  der  Tat  nicht 
zu  ersehen,  warum  die  leg.  V  Maced.,  so  lange  sie  noch  in  Moesia  gestanden  hat,  den 
Beinamen  Moesiaca  geführt  haben  soll.  Jetzt  stand  sie  zwar  wieder  in  Oescus,  gehörte 
aber  zum  Heere  von  Dacia  nova. 

7)  Vgl.  Beuchel  Diss.  75  sq.  Für  die  leg.  I  Ital.  ist  das  ganz  sicher,  für  die 
leg.   XI   Claud.    wenigstens   sehr  wahrscheinlich ,    weil  das  Fragment  III  6196  ...  6  * 


ie  Leffionm 


omnf 


foemn. 


einfalle  die  römischen  Truppen  von  hier  vollständig  ziirückgexogen  und 
in  den  wichtijct^reii  Wrteidig^unf^punkieu  Nova«^  und  Diirostoniui  kon- 
zentriert vMU'den.  Erst  die  allgemeine  \'ermehrung  der  <trenztruppen 
unter  Diokletian  *)  und  die  GrimdnnjBr  der  Provinz  Scythia,  welche  ungefähr 
die  heutige  Dobrutlscha  uinfa^ste,  haben  auch  hier  eint*  Umwandlung 
gebracht.-)  Als  Besatzung  hat  die  neue  Provinz  zwei  neugebildete 
Legionen,  I  Jovia  und  II  Herculia,  erhalten,  so  dass  die  nonaumündung 
von  neuem  sorgfältig  üben^^aeht  war.  Die  Zeit  dieser  Veränderungen 
Iftsst  sich  nicht  genau  bestimmen.'*)  Auch  bezüglich  der  .stand(|uartiere 
dei*  neuen  Le^onen  stimmt  die  Überlieferung:  niidit  iiberein.  Wir  finden 
folgende  Angaben: 

Hin,  Antan,  p.  225,  2:  Trosniis  leg.  1  Jovia, 
„         „       p.  226,  1 :  Nomodunt)  leg.  TI  Herculia, 
NoL  dign.  or,  XXXIX  29 :  Praefeciu^    fe<fiofiis  m*cundafi   Her(^4>li[mi\ae, 

Trosmis. 

r,        1^       n  1,  32:   Ptaefectu^  IcgufHts  jnifrtiti*  J(>r(fi*\  Noiiütiiiftu, 

Man  hat  deshalb  vermutet,  dass  die  beiden  Legionen  im  4.  Jahr- 
hundert,  zur  Zeit  der  Natitia,  ihre  Standquartiere  vertauscht  hätten.*) 
Eine  solche  Vertauschung  der  Standquartiere  innerhalb  derselben  Provinz 
bleibt  aber  ganz  ohne  Analogie  und  lässt  sieh  durcJi  nichts  wahrschein- 
lich machen.  Wir  können  eine  Aufklärung  diese-s  Punktes  nur  aus  den 
inschriftlichen  Zeugnissen  erwarten;  leider  sind  aber  auch  diese  zur  Zeit 
noch  zu  ungenügend,  um  daraus  einen  sicheren  Schluss  zu  ziehen. 

In  Cius  (Hi-SHarlik)  ist  eine  Inschrift  aus  dem  J.  IWJ  gefunden  worden 
(in  7494),  welche  sich  auf  die  Errichtung  eines  Kastells  bezieht,*)  von 
der  aber  nur  die  rechte  Hälfte  erhiilten  ist: 

[rf.  n,  invictissimus  princepn  FL  V]alefi»  littor  marimii^  triunifatm*  \ 
[semper  Aug.  in  fidem  reeepto  rege  Äthan]ariCöf  victii:  superatisque  Oothis ) 

XI '  CL  -  P  *  F  '  in  den  Ruinen  de»  Liigef»  von  Troesmb  gefandi^n  worden  bt.  Du* 
Annahme,  dius  in  Troesmi»  »citwdse  «wci  Lcgioncinf  I  Itnl.  und  V  Maeed,,  vereinigt 
waren,  tiat  ßeucbd  u.  a.  0.  mit  Hecht  znrUckgewieMn. 

1)  Vgl.  MomnuH*!]  Dag  röm.  MiUtärwestn  seit  Diokktian,  nermen  XXiV  (18d9) 
210,  Als  Krginnitig«!!  tu  dieser  Arbeit  Mangold  Rhein.  Mu».  LVil  (1902)  259— 2(K 
und  Müller  Phthl  LXIV  <n#05)  57$— 6S2. 

2)  (tber  Scythia  vgl  hauptaiehUch  die  SteUen  im  Index  xur  Not,  digUr  von  8n>ck; 
Marquiirdt  P31f>»  Schiller  II  45»  Dieie«  Gi'hiet  hat  schon  zur  'Mi  Strabo«  den  Nnmcn 
Scythia  gefUhrt.     Strabo  V^ll  5,  12    A  490):   f^tra  di  tijp  tcav  £xQi*di6%tüi*  ifogav  :tagä 

llij  Ta  tfi%  |i4a^&(  xoJlotf^ii'fjg  Ih\>^ia^  tf^i  imh^  "Itrwffov.  Vgl,  v,  Prementein  Ögt€fr, 
Jahruk.  I  (18»8)  ßcibl.  152. 

Ä)  Dai  wi?nigt%  waa  üb«r  die  beiden  Legionen  I  Jovia  und  It  ffereulia  bekanot 
isli  findet  mau  bei  Cagnat  p.  1091.  —  Da  diese  swei  Legionen  sehon  in  drm  Itin.  Antim. 
gänaont  »nd,  so  venimtel  Momuisen  Hermes  XXIV  2U3,  I,  da«»  sie  su  den  ersten  von 
Diokletian  gegründeten  Legionen  gehört  haben. 

4)  Cagnat  p.  Xmi;  vgl.  Mommten  CIL.  ITI  p.  m\i, 

5)  Vgl.  den  auglührlichen  Kommentar  su  dieser  Inschrift  von  Mommnen  im  Hef' 
Hiiä  KV II  fl8Ö2)  523  ff.  und  Seeck  ebda.  XVIII  150  ff. 

6* 


84  Bogdan  Filow, 

[ingruente  item  in   victorias  iUa]a   tempore  feliciter  quinquennaliorum 
[ .  .  .  himc  burgum]   oh    defensionem    rei  piMicae   eictruocit  \  [labore  .  .  . 
devotiss%\morv/m   militum  stcorum  Primanorum  \  [et  .  ,  .  comissorjum  eure 
Marciani  trib.  et  Ursicini  p{rae)p{ositi)   8emp(er)  vest7'i ;  [  . .  .  ordinante 
Fl.]  Stercorio  viro  clarissimo  duce. 

Da  Cius  selbst  in  Scythia  liegt,  so  sind  die  Primarii  die  Soldaten 
der  leg.  I  Jovia,  und  deshalb  hat  Cagnat ')  diese  Inschrift  angeführt  als 
Bestätigung  der  Angabe  der  Itinerariu,  dass  die  leg.  I  Jovia  in  Troesmis 
gestanden  habe.  Der  Beweis  beruht,  so  viel  ich  sehe,  nur  darauf,  dass 
Cius  weniger  von  Troesmis  als  von  Noviodununi  entfernt  war,  die  Soldaten, 
welche  das  Kastell  in  Cius  gebaut  haben,  also  eher  zu  der  Garnison 
von  Troesmis  gehört  haben.  Man  wird  aber  die  Möglichkeit  zugeben 
müssen,  dass  an  diesem  Bau  auch  Soldaten  der  leg.  11  Herculia,  welche 
ebenfalls  in  Scythia  stand,  beteiligt  waren,  und  dass  in  der  Lücke  der 
Inschrift  nach  Primanorum  auch  Secundanorum  gestanden  hat.  Deshalb 
lässt  sich  diese  Inschrift  nicht  als  Beweis  für  den  Aufenthalt  der  leg.  I 
Jovia  in  Troesmis  ansehen. 

Die  einzige  eigentlich  hier  in  Betracht  kommende  Grabinschrift^*) 
die  sich  nicht  näher  datieren  lässt,  nennt  einen  Präfekten  der  leg.  II 
Herculia,  welcher  noch  im  aktiven  Dienste  gestorben  war,  und  da  die 
Inschrift  in  Troesmis  selbst  gefunden  ist,  so  bestätigt  sie  die  Angabe 
der  Notitia,  dass  die  leg.  11  Herculia  in  Troesmis  gestanden  hat  Des- 
halb glaube  ich,  dass  die  beiden  Legionen  schon  unter  Diokletian  die- 
selben Standquartiere  gehabt  haben,  wie  sie  die  Notitia  angibt,  d.  h. 
leg.  I  Jovia  in  Noviodunum  und  leg.  II  Herculia  in  Troesmis.  In  den 
Itineraria  dagegen  wird  irgend  eine  Verwechslung  vorliegen,  welche  um 
so  leichter  entstehen  konnte,  als  Troesmis  und  Noviodunum  nur  durch 
zwei  andere  Städte  voneinander  getrennt  sind. 

Wir  bekommen  demnach  folgende  Verteilung  der  Legionen  an  der 
unteren  Donau  zur  Zeit  Diokletians: 

Moesia  superior:  Singidunum   —  leg.  IV  Flav. 
Viminacium   —  leg.  VII  Claud. 

Dacia  nova:  Ratiaria     —  leg.  XIII  Gem. 

Oescus       —  leg.  V  Maced. 

Moesia  inferior:    Novae        —  leg.  I  Ital. 

Durostorura   —  leg.  XI  Claud. 

Scythia:  Troesmis      —  leg.  II  Herculia. 

Noviodunum  —  leg.  I  Jovia. 

1)  A.  a.  0.  p.  1091  not  25. 

2)  III  6194  =  Des«.  2781.  —  Troesmis  —  d.  m,  \  Vol.  Thiumpo,  qui  \  müitavit  %n 
leg,  I  XI  67.,  lectm  in  sacro  \  comit(atu)  lanciarius:  |  deinde  protexit  \  annis  V,  missus; 

pref.  leg.  II  Hercul,  \  [e]gtt  ann.  II  semise  et  \  decessit;  vixit  ann.  |  XXXXV  m.  III 
d.  Xl,  ÄureL  |  .  .  .  aspi  .  .  . 


Die  Legionm  der  Provinz  Moeda.  85 

Die  vielen  und  schweren  Kämpfe,  welche  die  Römer  im  Laufe  des 
dritten  und  vierten  Jahrhunderts  an  allen  Grenzen  des  weiten  Reiches 
fast  gleichzeitig  zu  bestehen  hatten,  und  die  Unmöglichkeit  den  Besatzungs- 
truppen der  einzelnen  Provinzen  neben  der  Defensive  auch  die  Offensive 
zu  überlassen,  musöten  schliesslich  dazu  führen,  eine  besondere  Operations- 
armee zu  schaffen.^)  Im  dritten  Jahrhundert  gab  es  eine  solche  Armee 
noch  nicht.  Sollte  daher  ein  grösserer  Krieg  geführt  werden  und  dabei 
die  Grenzen  genügend  gedeckt  bleiben,  so  musste  immer  eine  besondere 
Operationsarmee  aus  den  vexillationes  der  einzelnen  Legionen  gebildet 
werden.  Schon  der  Markomanenkrieg  M.  Aureis  war  der  Hauptsache 
nach  in  dieser  Weise  geführt,*)  aber  seine  Ausbildung  hat  dieses  System 
der  Kriegsführung  erst  im  Laufe  des  dritten  Jahrhunderts  erlangt.  Wenn 
noch  zu  dem  Partherkriege  M.  Aureis  drei  volle  Legionen  von  den  West- 
provinzen nach  dem  Orient  abgehen  konnten,^)  so  wird  das  später,  bei 
der  veränderten  Lage  am  Rhein  und  an  der  Donau,  kaum  jemals 
geschehen  sein. 

Wir  haben  schon  oben  alle  Kriege  bis  zur  Zeit  Caracallas,  an  denen 
sich  die  mösischen  Legionen  beteiligt  haben,  besprochen.  Eis  bleibt  noch 
übrig,  diejenigen  Kriege  nach  Caracalla  zu  berücksichtigen,  die  nicht  an  der 
Donaugrenze  geführt  worden  sind,  und  an  denen  sich  die  unterdanuvischen 
Legionen  also  nur  durch  veuillationes  bei  der  Bildung  einer  Operations- 
armee beteiligt  haben.  Die  Zeugnisse  dafür  sind  allerdings  sehr  spärlich. 
Wichtig  ist  vor  allem  eine  erst  vor  kurzem  veröffentlichte  Inschrift  aus 
Timacum  minus  (Moesia  superior):*) 

.  .  .  Ingenuu]s  |  [  .  .  .  ley.  V]II  Cl.y  \  qui  vi/it  ann.  \  XL  V,  militavit  i 
ann.  XVI  8{emi8sc)y   iiäerfevius   in   ej-peditiolne  Fartica  et  Är(me7iiaca), 
Va\leiitinns  qui  et{f)  ()cta\v\us  filius  eres  ei  Claudia  Cocceiu  tnater  filio 
h{ene)  m{erenti)  p{osu'd),     Ave  Igenue.     Be\ne  vaUaSj  mator. 

Der  einzige  Anhaltspunkt  für  die  Datierung  dieser  Inschrift  bietet 
die  Bezeichnung  des  Krieges  als  ej^editio  Fart{h)ica  et  Ar(meniaca), 
Zwar  heisst  schon  der  parthische  Krieg  M.  Aureis  bellum  Armeniacum 
et  Parthicum,^)  aber  nach  Buchstabenform  und  Stil  gehört  unsere  Inschrift, 
wie  auch  der  Herausgeber  Vulic  bemerkt,  erst  dem  dritten  Jahrhundert  an. 
Von  diesen  späteren  Kriegen  aber  hat,  so  viel  ich  sehe,  nur  einer  Arme- 

1)  Vgl.  Seeck  bei  I'auly-Wigsowa  IV  619  unter  comitatenses. 

2)  Vgl.  V.  Domaszewski  Die  Chronologie  S.  121  f.,  Die  Marcus-Säule  S.  107.  Eioe 
Regel  war  das  natürlich  nicht:  es  haben  sich  auch  volle  auswärtige  Legionen  an  dem 
Kriege  beteiligt;  vgl.  S.  76  f. 

3)  Die  leg.  l  Min.  (VI  1377  =  Dess.  1098,  vgl.  VI  31 640),  leg.  II  Ad.  (Rev.  arcMol 
1893  I  p.  396  n.  88  =  S.  52  n.  19)  und  leg.  V  Maced.  (S.  74  f.).  Vgl.  auch  v.  Domaszewski 
Die  Chronologie  S.  111  f.,  Ritterling  Rhein.  Mus.  LIX  (1904)  191  ff. 

4)  Österr.  Jahresh.  VIII  (1905)  Beibl.  19  n.  58  =  Rev.  arcMol  1905  II  p.  482  n.  163. 

5)  III  1457  (Dess.  1097),  VI  1377  (Dew.  1098,  vgl.  VI  31640),  VI  1497  (Dess.  1094). 
Auch  haben  bekanntlich  M.  Aurel  und  L.  Verus  den  Titel  Armeniacus  geführt;  vgl. 
VIII  8300  (Dess.  368),  II  3399  (.Dess.  367),  VI  360  (Dess.  366)  u.  a.  m. 


86  Bogdan  Fihw. 

nien  unmittelbar  berührt:  der  Krieg  des  Sevems  Alexander  gegen  die 
Perser  im  J.  232.  i)  Auf  diesen  Krieg  wird  sich  also  die  Inschrift  aus 
Timacum  minus  beziehen  und  die  Beteiligung  der  leg.  VII  Claud.  durch 
eine  vexillatio  an  dem  Kriege  sichern.*) 

Auch  eine  andere  Inschrift  aus  Syria  (der  Fundort  ist  unbekannt) 
vom  J.  243  8)  zeigt,  dass  wenigstens  eine  vexillatio  der  niederpannonischen 
leg.  I  Ad.^)  sich  damals  in  Syria  aufgehalten  hat,  wahrscheinlich  aas 
Anlass  des  Perserkrieges  unter  Gordian  im  J.  242/3. 

Schliesslich  sind  einige  Centurionen  der  Legionen  IV  Flav.,  VII  Claud. 
und  XI  Claud.  auf  einer  griechischen  Rechnung  aus  Oxyrynchus  vom 
J.  295  genannt.*)  Da  die  Anwesenheit  dieser  Centurionen  in  Oxyrynchus 
sich  nur  durch  die  Anwesenheit  ihrer  Centurien  erklären  lässt,  so  hat 
Cagnat  ®)  daraus  mit  Recht  den  Schluss  gezogen,  dass  die  drei  erw&hnten 
Legionen  an  der  Unterdrückung  der  ägyptischen  Rebellion  unter  Diokletian 
durch  veocillationes  teilgenommen  haben.  Es  ist  deshalb  anzunehmen, 
dass  auch  die  übrigen  unterdanuvischen  Legionen,  I  Ital.,  V  Maced.  und 
XIII  Gem.,  an  dieser  Expedition  beteiligt  waren,  dass  aber  ihre  veocillationes 
nicht  in  Oxyrynchus  mit  den  anderen  zusammen  gestanden  haben,  faUs 
ihre  Namen  auf  der  Rechnung  nicht  zufällig  fehlen.^) 

Alle  diese  Tatsachen,  so  spärlich  sie  auch  sein  mögen,  zeigen  ganz 
deutlich,  dass  die  unterdanuvischen  Legionen  auch  im  dritten  Jahrhundert 
an  allen  grösseren  orientalischen  Kriegen  regelmässig  beteiligt  waren, 
obwohl  wir  keine  direkten  Zeugnisse  dafür  besitzen.  Ob  man  sie  auch 
für  die  Kriege  am  Rhein  herangezogen  hat,  lässt  sich  nocji  nicht  mit 
Sicherheit  sagen.  Ihre  Beteiligung  an  dem  Germanenkriege  unter  Cara- 
calla^)  macht  es  jedoch  wahrscheinlich,  dass  auch  in  der  späteren  Zeit 
die  unterdanuvischen  Legionen  für  die  Bildung  der  rheinischen  Operations- 
armeen verwendet  wurden. 


1)  Schiller  I  780. 

2)  Dass  der  Krieg,  der  elgeDÜich  gegen  die  Perser  geführt  if urde,  in  unserer  In- 
schrift als  expeditio  Parthica  bezeichnet  wird,  kann  nicht  auffallen.  Hat  doch  Philippns, 
selbst  auf  offiziellen  Inschriften,  den  Titel  Parthicus  maximu8  gefuhrt  (III  4634,  10619 
==  Dess.  507,  III 14354«);  daneben  auch  Peraieus  maximus  (VI  1097  =  De««.  506). 

3)  HI  196  —  d.  m.  |  Äel  Väleriano  bf,  trib.  \  leg.  I  Ädi.,  at^,  XVUI,  vixü  \  ann, 
XXXVin.  Jul  0ratia\nu8  hf.  trib.  leg.  eius\dem  eecundua  heres  \  et  collega  benewte- 
renti  |  titulum  statuendum  |  curat' it^  id[ib]u8  Octobr.  Arriano  et  [P]a[p]o  cos. 

4)  Seit  Caracalla  gehörte  Brigetio  und  die  leg.  I  Ad.  zu  Pannonia  iof.  Vgl. 
V.  Domaszewski  Rhein.  Mus.  XL V  (1890)  207  f.,  Jünemann  Diw.  75«qq. 

5)  Grenfell  and  Hunt  The  Oxyrynchus  Papyri  I  48  (p.  91.  93). 

6)  A.  a.  0.  p.  1080.  1083.  1086. 

7)  Für  die  leg.  I  Jovia  und  II  Herculia  kann  dasselbe  nicht  angenommen  werdcD, 
da  wir  nicht  wissen,  ob  sie  damals  schon  errichtet  waren. 

8)  Vgl.  S.  79  f. 


Sohlusswort. 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  die  Legionen,  welche  an  der  unteren 
Donau  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung  gestanden 
haben,  so  sehen  wir,  dass  ihre  2^hl  fortwährend  gewachsen  ist.  Während 
hier  zur  Zeit  des  Augustus  nur  zwei  Legionen  gestanden  haben,  hat  sich 
ihre  Zahl  zur  Zeit  Domitians  verdoppelt,  zur  Zeit  Diokletians  vervier- 
facht. Diese  fortwährende  Vermehrung  der  unterdanuvischen  Legionen, 
wie  auch  die  der  pannonischen,  hängt  zunächst  zweifellos  mit  den  Völker- 
bewegungen  zusammen,  mit  dem  immer  stärker  werdenden  Vordringen 
der  Barbaren  gegen  die  Donaugrenze,  während  die  Bewegungen  an  der 
Rheingrenze  im  Laufe  des  zweiten  Jahrhunderts  stetig  abgenommen  haben. 

Es  kommt  aber  noch  ein  anderes  Moment  hinzu.  Die  Völker,  welche 
den  nördlichen  Teil  der  Balkanhalbinsel  zur  Zeit  der  Römer  bewohnten, 
die  Illyrier,  Thraker,  Daker  und  Sarmaten,  haben  ausserordentlich  zäh 
an  ihrer  nationalen  Eigenart  festgehalten  und  waren  der  römischen 
Kultur  wenig  zugänglich.  In  den  Kämpfen  dieser  Völker  gegen  die 
römische  Herrechaft  tritt  uns  ein  grossartiges  Bild  der  Freiheitsliebe 
entgegen:  auf  der  einen  Seite  die  überlegene  militärische  Macht  eines 
hoch  entwickelten  Kulturstaates,  auf  der  anderen  eine  bis  zum  Fanatis- 
mus sich  steigernde  Unbeugsamkeit  gegenüber  der  Fremdherrschaft.  Die 
Römer  müssen  schon  sehr  früh  eingesehen  haben,  dass  sie  die  Donau- 
landschaften nur  bei  der  Ausrottung  der  einheimischen  Bewohner  be- 
haupten konnten,  und  so  sehen  wir  diese  Politik  mit  einer  erschreckenden 
Konsequenz  bei  allen  Kriegen  auf  der  Balkanhalbinsel  durchgeführt.  Von 
den  Grenzvölkerschaften  stand  keine  in  einem  Klientelverhältnisse  zu  den 
Römern,  nicht  einmal  die  Jazygen  in  der  Theissebene,  welche  von  drei 
Seiten  von  römischem  Gebiete  umschlossen  waren.*)     Ein  jedes  Stück 

1)  Nach  V.  Domaszewskl  Serta  Harteliana  S.  9  f.  ood  RorDemann  Kaiser  Hadrian 
S.  28  mit  Anm.  5  standen  die  Jazygen  und  Rozolanen  seit  Traian  in  einem  Klientel- 
Verhältnisse  zu  den  Römern,  was  gewiss  richtig  ist,  wenn  man  den  Begriff  des  Klientel- 
Btaates  so  weit  ausdehnen  will.  Tatsächlich  aber  handelt  es  sich  um  eine  bloM  no- 
mineUe  Anerkennung  der  römischen  Oberhoheit  seitens  dieser  Völkerschaften,  welche 
weiter  gar  keine  Folgen  hatte  und  welche  yon  den  Römern  durch  Geldzahlungen  unter- 
stützt werden  mosste.  Vgl.  Spart,  vit.  Hadr.  6:  cum  rege  Raxolanorum,  qui  de  in- 
minutis   stipendiis   querebaturf    cognito    negotio  pacem  composuü.     Wie   die 


88  Bogdan  Filo^r. 

Land  musste  hier  immer  mit  dem  Schwerte  behauptet  werden,  ein  jeder 
Krieg,  jede  Erweiterung  des  römischen  Gebietes  hat  zugleich  die  Grenz- 
verteidigung erschwert  und  eine  Vermehrung  der  Legionen  herbeigeführt. 
So  hat  die  Umwandlung  von  Thracia  in  eine  römische  Provinz  die  Ver- 
legung der  leg.  VIII  Aug.  aus  Pannonia  nach  Moesia  und  der  leg.  Xni 
Gem.  aus  Germania  superior  nach  Pannonia  veranlasst,  die  Dakerkriege 
Domitians  die  der  leg.  II  Ad.  aus  Britannia  nach  Pannonia,  die  Daker- 
kriege Traians  die  der  leg.  XI  Claud.  aus  Germania  superior  nach  Moesia 
inferior,  und  weil  auch  die  pannonischen  Legionen  nicht  geschwächt 
werden  konnten,  mussten  die  leg.  I  Ad.  und  X  Gem.  aus  Germania  nach 
Pannonia  kommen,  um  an  Stelle  der  leg.  XIII  Gem.  und  XV  Apoll, 
zu  treten. 

Schliesslich  hat  auch  noch  ein  dritter  Umstand  zu  der  Anhäufung 
so  vieler  Legionen  an  der  unteren  Donau  beigetragen.  Die  einzige 
Grossmacht,  mit  der  die  Kömer  zu  rechnen  hatten,  war  das  parthische 
Reich,  und  mit  ihm  standen  sie  fast  ununterbrochen  in  Kampf.  Aber  die 
Legionen  des  Ostens  waren  nicht  nur  ihrer  Zahl  nach  unzureichend,  um 
diesen  Kampf  mit  Erfolg  führen  zu  können,  sondern  auch  ihrer  Disziplin 
nach  ungeeignet,  und  deshalb  wurden,  wie  es  sich  im  Laufe  dieser  Unter- 
suchung gezeigt  hat,  die  mösischen  Legionen  für  alle  Kriege  gegen  die 
Parther  regelmässig  herangezogen.  Die  mösischen  Legionen  hatten  also 
wegen  ihrer  Stellung  in  der  Mitte  des  Reiches  sowohl  die  Donau-  wie 
auch  die  Euphratgrenze  zu  schützen,  und  dieser  doppelten  Aufgabe  musste 
auch  ihre  Zahl  entsprechen. 

So  erscheint  die  fortwährende  Vermehrung  der  Legionen  an  der 
unteren  Donau  als  der  greifbare  Ausdruck  aller  jener  Verhältnisse, 
welche  schliesslich  die  Verlegung  der  Reichsresidenz  von  Rom  nach 
Konstantinopel  herbeigeführt  und  dadurch  auch  die  weitere  Entwicklung 
der  Dinge  auf  der  Balkanhalbinsel  bestimmt  haben.  Während  an  Stelle 
des  weströmischen  Reiches  eine  ganze  Reihe  von  Staaten  entstanden,  die 
zwar  nicht  eine  neue  Kultur  geschaffen,  wohl  aber  der  alten  neues  Leben 
gegeben  haben,  hat  hier  im  Osten  das  Römertum  in  Verbindung  mit  dem 
Hellenismus  und  der  besonderen  Färbung  der  christlichen  Religion  jene 
eigenartige  Erscheinung  hervorgebracht,  welche  wir  in  der  Geschichte 
unter  dem  Namen  des  Byzantinismus  kennen,  und  unter  dessen  Einfloss 
ganz  Osteuropa  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  gestanden  hat. 

Jazjgen  und  Kozolanen,  die  weder  zur  Ueeresfolge  verpflichtet  waren ,  noch  die  Bo- 
stätigung  ihrer  Könige  von  Rom  zu  erbitten  hatten,  ihre  Stellung  zu  den  Römern  be- 
trachteten, zeigt  der  Umstand,  dass  sie  die  Abwesenheit  eines  Teiles  der  mösischen 
Truppen  bei  dem  Tode  Traians  sofort  benützten,  um  in  das  römische  Gebiet  einza- 
faUen  (S.  67  f.),  und  auch  während  des  Markomauenkrieges  gegen  die  Römer  kämpfteD. 


Chronologische  Übersicht  der  mösischen  Legionen. 


ca.  9—46  n.  Chr. 

IV  Scythica,  V  Macedoniea. 

46-56/57 

IV  Scythica,  V  Macedoniea,  VIII  Augusta. 

56/57-62 

V  Macedoniea,  VIII  Augusta. 

62-67 

VII  Claudia,  VIII  Augusta. 

67-69  Herbtt 

III  Gallica,  VII  Claudia,  VHI  Augusta. 

69  Spätherbst 

Durchmarsch  der  VI  Ferrata. 

69  November 

I  Italica,  V  Alaudae. 

70  Anfang 

I  Italica,  V  Alaudae,  VII  Claudia. 

71  Herbst— 86 

I  Italica,  V  Alaudae,  V  Macedoniea,  VII  Claudia. 

86-101 

Moes.  sup.:     IV  Flavia  (Ratiaria). 

VII  Claudia  (Viminacium). 
Moe«.  inf.:     I  Italica  (Novae). 

V  Macedoniea  (Oescus). 

101-167/168 

Moes.  sup.:     IV  Flavia  (Singidunum). 

VII  Claudia  (Viminacium). 
Moes.  inf.:     1  Italica  (Novae). 

XI  Claudia  (Durostorum). 

V  Macedoniea  (Troesinis). 

Dada:            XIII  Gemina  (Apulum,  zuemt  Sarmizegethusa 

iV), 

167/168-275 

Moes.  sup.:     IV  Flavia  (Singidunum). 

VII  C:iaudia  (Viminacium). 
Moes.  inf.:     I  Italica  (Novae). 

XI  Claudia  (Durostorum). 
Dacia:            XIII  Gemina  (Apulum). 

V  Macedoniea  (Potaissa . 

275  bis  DiokletiHD 

Moes.  sup.:     IV  Flavia  (Singidunum). 

VII  Claudia  (Viminacium). 
Dacia  uova:  XIII  Gemina  (Ratiaria). 

V  Macedoniea  (Oescus). 
Moes.  inf:     I  Italica  (Novae). 

XI  Claudia  (Durostorum). 

Zur  Zeit  Diokletians  Moes.  sup. :    IV  Flavia  (Singidunum). 

VII  Claudia  (Viminacium). 

Dacia  nova:  XIII  Gemina  (Ratiaria). 

V  Macedoniea  (Oescus). 

Moes.  inf.:     I  Italica  (Novae). 

XI  Claudia  (Durostorum). 

Scythia:         II  Herculia  (Troesmis). 

I  Jovia  (Noviodunum). 

Verzeichnis  der  behandelten  Stellen  und  Inschriften. 


Stite 

Joseph.  6c«.  jMd.  II  16, 4    ....    22  f. 

,     VII 4, 3  .     .    .    .32,7 

Itin.  Ant.  p.  219,  8 82,  2 

,     p.  225,2.  226,  1  ...    .    83  f. 

Ptolem.  1115,3 41,2 

Tacit.  Ann,  XHl  35 8  f.  19 

„      Eist.  IV  68 29  ff. 

„      Eist.  V  U 31 

n3272 lOf. 

in  953 61,7 

1443 60  f. 

6189 75,3 

7397  =  12325 43,  2.  55 


8«ita 

III 7494 8811 

7505 74  ff. 

12325  =  7397      ....      43,  2.  55 

14155« 68  ff. 

VI  2725 40,4 

3505 69,2 

32933 75  f. 

VUI  1026 36,  1.  48,  2 

X3733 68,3 

XI  5992 42  ff. 

XII  5899 54  n.  5 

XIV  3608 18.  15.  20f. 

Österr,  Jahresh.YlIl  (1 905)  Bbl.  19  n.  58  85  f. 


Register. 


Aconius  Statura,  L.,  42  ff. 
Acumincum,  Lager  der  leg.  II  Ad.  41. 
Adamklissi,  angebliche  Schlacht  38,  4. 
Adler,  von  den  Dakem  erbeutet  38  f.  46,  3. 
Ägyptischer  Aufstand  unter  Diokletian  86. 
Aelianus  s.  Plautius. 
Aemilianus,  von  den  mösischen  Legionen 

zum  Kaiser  ausgerufen  72. 
Agrippa  s.  Fonteius. 
Ala  praetoria,  aus  Moesia  sup.  nach  dem 

Orient  versetzt  68.  71. 
Alanen,  Schreibung  11,2;  geplanter  Zug 

Neros  gegen  sie  11. 
Albinus  s.  Clodius. 
Almus  (I^om),  Zugehörigkeit  zu  Moesia  inf. 

3.  3,  8. 
Alutus,  die  Landschaft  östlich   davon  zu 

Moesia  inf.  4. 
Antoninus  Pius  s.  xMaurcnkrieg. 


Antonius  Primus  25.  28. 

Antonius  Saturninus,  Erhebung  gegen  Do- 

mitian  42. 
Aponius  Saturninus,  M.,  Statthalter    von 

Moesia  24.  25 ;  bekonunt  eine  Triumphal- 

Statue  24. 
Appius  s.  Octavius. 
Apulum,  Lager  der  leg.  XIII  Gem.  auch 

unter  Hadrian  61,  7;  eanabae  in  A.  57. 
Aquincum,  Lager  der  leg.  II  Ad.  41. 
Artschar  s.  Ratiaria. 
Aurel ,   M.  s.  Parther-   und  Markomaneu- 

kriege. 
Aurelius  Fulvus,  T.,  vernichtet  mit  der  leg. 

III  Gall.  eine  Roxolanenschaar  24. 

Bastamer,  von  Crassus  geschlagen  1  f. 

Belgrad  s.  Singidunum. 

beüum  Armeniacum  et  ParMcum  85. 


Megister. 


91 


heUum  Gertnanieum,  Germankum  ei  Sar- 

maticum,  SarmoHcumf  Suebicum  43. 
Botponu  s.  ChenoDesus. 
ßritannia,  Leonen  unter  Claudius  9,  1. 

9,4. 
Britanoischer  Krieg,  unter  Claudius  9,  1. 

9,  4.  19,  6;  unter  Hadrian  65.  65,  6. 
Byzantium,    Belagerung   unter   Septimius 

Severufl  78. 

Caecina  Severus,  A.,  2,  1.  2,  3. 

Camillus  s.  Furius. 

canahaCj  zur  Verwaltung  57  f. ;  e.  der  leg. 

XI  Claud.  65. 
Candidus  s.  Claudius. 
Caracalla  s.  Germanen-  und  Partherkriege. 
Castra  Vetera,  Schlacht  31. 
Centurio,  Dauer  der  Dienstjahre  44, 2.  44, 3. 
CeriaÜs,  Truppen  unter  ihm  gegen  Civilis 

31,2. 
Chattenkriege  Domitians  43,  2.  49  n.  6. 
Cbaukenkrieg  unter  Claudius  9. 
Chersonesus  Taurica,  Festsetzung  d.  Römer 

4.  12.  14;  röm.  Besatzung  dort  4, 10.  12,  7. 

14.  14,  5. 
Ciabru8(Tzibritza),  Schreibung  1 , 5;  Schlacht 

bei  C.  1 ;  als  Grenze  zw.  Moesia  sup.  und 

inf.  3. 
Civilis,  gegen   ihn  aufgebotene   Legionen 

28  f.  31.  31,2. 
Claudius  (Kaiser  41—54),  Politik  an  der  un- 
teren Donau  12  f.,  s.  auch  britannischer 

Krieg. 
Claudius  (Kaiser  268—270),  besiegt  die  Go- 
ten 5. 
Claudius  Candidus,  Ti.,  78. 
Claudius  Claudianus,  Ti.,  61,  7.  79. 
Clodius  Albinus,  Krieg  gegen  ihn  78. 
colonicie  s.  Oescus  und  Ratiaria. 
Cohors  III  Breucorum,  in  Thracia  12,  3. 
Cohors  II  Lucensium,  in  Thracia  12,  3. 
Cohors  ISugambrorum,  aus  Moesia  inf.  nach 

dem  Orient  verseUt  68.  71. 
Corbulo,  gegen  die  Chauken  9;  gegen  die 

Parther  15.  20. 
Cornelius  Fuscus,   gegen  die  Daker  37  f. 

38,  4;  Bestand  seines  Heeres  40. 
Cornelius  Valerianus,  Q.  10.  10,  2. 
Cotys,  König  von  Bosporus  12. 
Crassus  s.  Licinius. 
Cremona,    Schlacht   26.  27;    mitwirkende 

Legionen  28. 
Curio  s.  Scribonius. 


Dacia,  Einrichtung  17.  56.  77 f.;  Legionen 
unter  Traian  56  ff.  72;  Reiterabteilung 
des  dakiscben  Heeres  in  dem  Parther- 
kriege M.  Aureis  75 f.;  Beteiligung  der 
dakiscben  Legionen  an  dem  Kriege  gegen 
Pescennius  Niger  79;  Verlust  der  Pro- 
vinz 5.  81 ;  Dacia  nova  5  f.  81 ;  Teilung 
der  letzteren  6,  1;  Legionen  unter  Dio- 
kletian 84. 

Daker,  von  den  Jazygen  aus  der  Tbeiss- 
ebene  verdrängt  22,  5;  Einfölle  in  Moesia 
26.  35,  1. 

Dakerkriege:  unter  Domitian  36  ff.  45. 53  ff. ; 
mitwirkende  Truppen  39  f.;  Verluste  der 
Römer  38;  unter  Traian  38.  47.  53 ff.; 
unter  Maximinus  81. 

Dalmatia,  Rang  des  Statthalters  17,  1;  Le- 
gionen in  claudisch-neronischer  Zeit  21  f.; 
unter  Vespasian  35,  5. 

Dalmatischer  Krieg  des  Augustus  1. 

Dardaner,  von  Scribonius  Curio  bekriegt  1, 1. 

Decius,  von  den  mösischen  Legionen  zum 
Kaiser  ausgerufen  72;  von  der  leg.  VU 
Claud.  anfangs  nicht  anerkannt  73. 

Deldo,  von  Crassus  getötet  1. 

Didius  Gallus,  A.,  12.  12,  5. 

Diokletian,  militärische  Refonnen  an  der 
unteren  Donau  83,  s.  auch  ägyptischer 
Au&tand. 

Domitian,  Umschreibung  seines  Namens 
auf  Inschriften  48  n.  3;  Aufenthalt  in 
Moesia  3, 1.  37;  s.  auch  Chatten-,  Daker-, 
Germanen-,  Markomaueu-  und  Sarmaten- 
kriege. 

dona  militariaf  Recht  der  Verleihung  48; 
Sprachgebrauch  auf  den  Inschriften  47  ff. 
53.  76. 

Durostorum  (Silistra),  Lager  der  leg.  XI 
Claud.  65. 

ecoccUi,  in  den  Dakerkriegen  Domitians 
und  Traians  40,  4. 

Falco  s.  Roscius. 

Flavius  Sabinus  21,  3. 

Fonteius  Agrippa,  seit  Dez.  69  Statthalter 
von  Moesia  27.  27,  9;  von  den  Sarmaten 
getötet  15.  32. 

Fulvus  8.  Aurelius. 

Funisulanus  Vettonianus,  L.,  erster  Statt- 
halter von  Moesia  sup.  3,  1.  17,  1. 

Furius  Camillus  Scribonianus,  erhebt  sich 
gegen  Claudius  18. 

Fuscus  s.  Cornelius. 


92 


Register, 


Gallus,  von  den  mösischen  Legionen  zum 

Kaiser  ausgerufen  72. 
Gallus  Numisius  Sabinus  66,  8. 
Gallus  8   Didius  und  Rubrius. 
Germania,  Legionen  unter  Claudius  9,  1. 

9,4;  Abteilungen  germanischer  Legionen 

in  den  Dakcrkriegen  Traians  58,  7. 
Germanenkriege:  unter  Vespasian  44;  unter 

Domitian  43,  2;  unter  Caracalla  79  f. 
Gigen  s.  Oescus. 
Goten,  Einfalle  in  Moesia  5.  81. 
Gordian  s.  Perserkriege. 

Hadrian,  Tribun  der  leg.  II  Ad.  in  Panuo- 

nia  42,  3;  s.  auch  Roxolaneneinfalle  und 

Judenaufstäudc. 
Haemus,  als  Grenze  zw.  Moesia  inf.  und 

Thracia  4. 
H^viz,  kein  Legionslager,  sondern  Kastell 

61,7. 
Hispania,  Legionen  anter  Domitian  40,  2. 

Jazygen ,   besetzen   die  Theissebene  22,  5 ; 

Einfall   in  Moesia   unter  Hadrian  67,  1 ; 

Verhältnis  zu  Rom  45,  7.  87,  1. 
Jerusalem,  Legionen  bei  seiner  Belagerung 

durch  Titus  70,  2. 
Iglitza  s.  Troesmis. 
Illyricum,    Bedeutung  des   Wortes  22,  4. 

27, 4 ;  illyrische  Legionen  von  Nero  nach 

Italien  gerufen  23;  Mitwirkung  illyrischer 

Legionen   an  den   Kriegen   unter  Septi- 

mius  Severus  78  f.  79,  3. 
Ingenuus,  von  den  mösischen  TiCgionen  zum 

Kaiser  ausgerufen  72. 
Judaea,  Einrichtung  17,  6. 
Judenaufstände :    unter    Vespasian    70,  2; 

unter  Traian  70.  70,8;   unter  Hadrian 

69,2. 

Kostolatz  8.  Vimiuacium. 
Kutlovitza,  Kastell  61,  7. 

leg.  I  Ad.,  von  Vitellius  nach  Hispania  ge- 
schickt 28,  4;  Aufenthaltsort  unter  Do- 
mitian 40,  2;  in  den  Dakerkriegen  Traians 
57.  60;  angeblicher  Aufenthalt  in  Dacia 
57  f. ;  in  Pannonia  stationiert  60 ;  Beteili- 
gung HU  dem  Maurenkriege  des  Antoninus 
Pius  74,  5;  au  dem  parthischen  Caracallas 
80,  4;  an  dem  dakischen  des  Maximinus 
81;  an  dem  persischen  Gordians  86;  ». 
auch  panuonische  Legionen. 


leg.  I  Germ.,  in  Germania  inf.  9,  1;  Ton 
Vespasian  aufgelöst  88. 

leg.  I  Jovia,  in  Noyiodunum  (Scythia)  83  f. 

leg.  I  Ital.,  bei  Cremona  26;  November  69 
nach  Moesia  27.  27,9;  Anfang  70  von 
den  Sarmaten  geschlagen  82.  15,2;  in 
Domitians  Dakerkriegen  39. 40 ;  inTraians 
Dakerkriegen  53;  in  Traians  Parther- 
kriege 71 ;  Beteiligung  an  dem  Mauren- 
kriege des  Antoninus  Pius  74;  an  dem 
Markomanenkriege  M.  Aureis  76;  an  dem 
ägyptischen  Zuge  Diokletians  86;  steht 
auf  der  Seite  des  Septimius  Severus  78,  6 ; 
Lager  Novae  68;  s.  auch  mösische  Le- 
gionen. 

leg.  I  Min.,  in  beiden  Dakerkriegen  Traians 
56.  56,  2 ;  Beteiligung  an  dem  Mauren- 
kriege des  Antoninus  Pius  74,  5;  an  dem 
Partherkriege  M.  Aureis  75,  6.  85,  8. 

leg.  II  Ad.,  Herbst  69  in  Italien  28;  geht 
gegen  Civilis  29,  1;  kommt  88/89  aus  Bri- 
tannia  an  die  Donau  89  f.  42;  in  Acu- 
mincum  stationiert  40 f.;  seit  ca.  120  in 
Aquincum  41;  Beteiligung  an  dem  Maaren- 
kriege des  Antoninus  Pius  74,  5;  an  dem 
parthischen  M.  Aureis  75,  6.  85,  4;  an 
dem  Kriege  gegen  Pescennius  Niger  79 ; 
an  dem  germanischen  Caracallas  80 ;  an 
dem  parthischen  Caracallas  80,  4;  an 
dem  dakischen  des  Maximinus  81 ;  s.  auch 
pannonische  Legionen. 

leg.  II  Aug.,  geht  48  aus  Germania  sup. 
nach  Britannia  9,  4. 

leg.  II  Herculia,  in  Troesmis  (Scythia)  88  f. 

leg.  II  Ital.  Beteiligung  an  dem  Daker- 
kriege  des  Maximinus  81. 

leg.  II  Traiana,  angebliche  Errichtung  vor 
dem  ersten  Dakerkriege  37,  3.  66,  8. 

leg.  III  Aug.,  Beteiligung  an  dem  Marko- 
manenkriege M.  Aureis  76. 

leg.  III  Cyren.,  Beteiligung  an  den  jüdi- 
schen Kriegen  unter  Vespasian  70, 2,  Tra- 
ian 70,  3  und  Hadrian  68,  8. 

leg.  III  Gall.,  in  Syria  8.20;  konunt  67 
nach  Moesia  8.  11.  23;  vernichtet  eine 
Roxolanenschaar  24 ;  schickt  2000  Mann 
dem  Otho  nach  Italien  24;  verlässt  Herbst 
69  Moesia  25;  bei  Cremona  28.  31,  8; 
kehrt  nach  Syria  zurück  25.28;  wahr- 
scheinlich zur  See  28,  6 ,  beteiligt  sich 
an  dem  jüdischen  Kriege  Hadrians  69,  2 ; 
Inschriften  mit  ihrem  Namen  aus  M<»e- 
Hia  25. 


Register. 


93 


leg.  IV  FIhv.,  unter  VespasiaD  iu  Dalmatia 
35,  5;  kommt  86  Dach  Moe8ia46;  in  den 
Dakerkriegen  Domitians  89.  40;  in  dem 
sarmatischen   Kriege  Domitlans   44;   in 
den  Dakerkriegen  Traians  53.  54;  Be- 
teiligung   an    dem    parthischen    Kriege 
Traians  68.  71 ;  an   dem  Maurenkriege 
des  Antoninus  Pius  73;  an  dem  marko- 
maDiscben   M.  Aureis  76 ;  aih  dem  ger- 
manischen Caracallas  79  f. ;  an  dem  ägyp- 
tischen Zuge  Diokletians  86;  steht  auf  der 
Seite  des  Septimius  Severus  78,  6;  Lager 
erst  Batiaria,  seit  Traian  Singidunum  63; 
Ziegel  mit  ihrem  Namen  aus  Dacia  und 
Pannonia  58  f.;  s.  auch  mösischc  Legionen, 
leg.  IV  Maced.j  unter  Claudius  aus  Hispa- 
nia  nach  Germania  sup.  9,  8;  von  Yespa- 
8ian  aufgelöst  33. 
leg.  IV.  Scyth.,  seit  9  n.  Chr.  in  Moesin  6; 
unter  Claudius  noch  dort  7;  angebliche 
Versetzung   nach    Germania    8 f.;    auch 
nach  46  in  Moosia  19;  56/57  nach  Syria 
20  f.  23 ;  in  dem  parthischen  Kriege  Neros 
8.  9.  20. 
leg.  V  Alaud. ,  Schreibung  27, 1 ;   in  Ger- 
mania inf.  9,  1;  bei  Cremona  26 f.;  No- 
vember 69  nach  Moesia  27.  33  f.  27,9; 
Anfang  70  von  den  Sarmaten  geschlagen 
32.  84.  15,  2;  von   den   Dakern   86   ver- 
nichtet 87  ff.  46. 
leg.  V.  Maced.,  seit  9  n.  Chr.   in   Moesia 
6.  7;  geht  62  nach  Syria  7.  21.  23;   im 
parthischen   Kriege  Neros  20;   im  jüdi- 
schen Vespasians  28.  23,  2.  70,  2;  kehrt 
Herbst  71  nach  Moesia  zuriick  35;  iu  den 
Dakerkriegen  Domitians  89.  40;  in  den 
Dakerkriegen  Traians  53.  54  f. ;  im  ersten 
vollzählig  54  n.  6;  bleibt  nach  dem  Kriege 
nicht  in  Dacia  60  f.,  sondern  kehrt  nach 
Moesia  inf.   zurück  64;   Beteiligung  an 
dem   parthischen   und  jüdischen  Kriege 
Traians  70.  71;  an    dem   Manrenkriege 
des  Antoninus  Pius  74;   an  dem  parthi- 
schen M.   Aureis  75.  75,6;   geht   167/8 
nach  Dacia  (Potaissa)  77  f.  77,  7.  82;  Be- 
teiligung an  dem  Kriege  gegen  Pescen- 
nius  Niger  79;  kehrt  275   nach  Moesia 
inf.  zurück  81 ;  Beteiligung  an  dem  ägyp- 
tischen Zuge  Diokletians  86;  Lager  zu- 
erst Oescus,   seit  Traian   Troesmis  64; 
seit  275  wieder  Oescus  82;  Ziegel  mit 
ihrem  Namen  aus  Pannonia  59;  aus  der  Zeit 
nach  275  82;  s.  auch  mösische  Legionen. 


leg.  VI  Victr.,  Beteiligung  an  den  Daker- 
kriegen Traians  58;   Ziegel  mit  ihrem 
Namen  aus  Dacia  und  Pannonia  58. 
leg.  VI  Ferr.,  in  Syria  20;  marschiert  Herbst 
69  durch   Moesia  26;  kehrt  aus  Italien 
nach  Syria  zurück   28,    vielleicht   über 
Moesia  33, 1. 
leg.  VII  Claud.,    unter  Claudius   noch   in 
Dalmatia   18 f.;    bekommt  42   den   Bei- 
namen Claudia  p.  f.  18;  69  in  Moesia  8, 
schon  seit  62  21  f.;  schickt  2000  Mann 
dem  Otho  nach  Italien  24 ;  verlässt  Herbst 
69  Moesia  25;   bei  Cremona  28;  kehrt 
Anfang   70   nach    Moesia   zurück   31  f.; 
in    Domitians    Dakerkriegen  39.  40;   in 
Traians  Dakerkriegen  53.  55 f.;  Beteili- 
gung   an    dem    Partherkriege    Traians 
68.  71 ;   an  dem  Maurenkriege  des  An- 
toninus Pius  74;  an  dem  markomanischen 
M.  Aureis  77;   an   dem   persischen   des 
Severus  Alexander  85 f.;  an  dem  ägyp- 
tischen Zuge  Diokletians  86;  steht  auf 
der  Seite  des  Septimius   Severus  78,  6; 
erkennt  Decius  nicht  an  73 ;  Lager  Vimi- 
nacium  62 ;  Ziegel  mit  ihrem  Namen  aus 
Dacia    und    Pannonia   59.  77;    s.   auch 
mösische  Legionen, 
leg.  VII  Galb.   (Gem.),    bei  Cremona  28; 
Anfang  70  nach  Pannonia  28;   71  nach 
Hispania  30,  9. 
leg.   VIII   Aug.,  in   Pannonia   19,  6;  Be- 
teiligung an   dem   britannischen  Kriege 
des  Claudius  19,  6;  69  in  Moesia  8,  schon 
seit  46  19.  21;  schickt  2000  Mann  dem 
Otho  nach  Italien  24;  verlässt  Herbst  69 
Moesia  25 ;  bei  Cremona  28 ;  gegen  Civilis 
29;  bekommt  die  Auszeichnung  bis  Au- 
yusia  26. 
leg.  IX  Hisp ,  43  aus  Pannonia  nach  Bri- 
tannia  9, 4.  19, 6;  von  20  bis  24  in  Afrika 
19,6. 
leg.  X  Fret.,  in  Syria  20;  in  dem  jüdischen 

Kriege  Vespasians  70,  2. 
leg.  X  Gem.,  63  aus  Hispania  nach  Pan- 
nonia 18.  22, 2;  Beteiligung  an  dem  Mau- 
ronkriege  des  Antoninus  Pius  74,5;  er- 
klärt sich  gegen  Septimius  Severus  73. 
leg.  XI  Claud. ;  in  Dalmatia  21  f. ;  bekommt 
42  den  Beinamen  Claudia  p.  f.  18;  Herbst 
69  nach  Italien  28;  Anfang  70  nach  Ger- 
mania 29.  48,  4;  Beteiligung  an  dem 
Germanenkriege  Vespasians  44;  unter 
Traian   nach  Moesia  inf.  versetzt  64 ff.; 


94 


Begister. 


sicher  vor  114  70,  wahrscheinlich  schon  \ 
101  66;  Beteiligung  an  dem  parthischen  ' 
und  jüdischen  Kriege  Traians  70.  71 ; 
an  dem  Maurenkriege  des  Antoninus  Pius 
74;  an  dem  Markomanenkriege  M.  Aureis 
77;  steht  auf  der  Seite  des  Septimius 
Severus  78, 6 ;  Lager  Durostorum  65 ; 
Ziegel  mit  ihrem  Namen  aus  Pannonia 
59.  77;  s.  auch  mösische  Legionen. 

leg.  XII  Fulm.,  in  Syria  8.  20;  Beteiligung 
an  Vespasians  jüdischem  Kriege  70,  2 ; 
Inschrift  mit  ihrem  Namen  aus  Moesia 
26,6. 

leg.  XIII  Gem.,  in  Germania  sup.  9,  4; 
46  nach  Pannonia  9,4.  19,6;  bei  Cre- 
mona  28 ;  gegen  Civilis  30. 31 ;  in  Traians 
Dakerkriegen  60.  61,6.  55  n.  11;  unter 
Hadrian  schon  in  Dacia  57;  sicher  seit 
107  61;  vielleicht  schon  seit  101  in  Sar- 
mizegethusa  72,  1 ;  Beteiligung  an  dem 
Kriege  gegen  Pescennius  Niger  79;  an 
dem  ägyptischen  Zuge  Diokletians  86; 
Lager  Apulum  61,  7;  seit  275  in  Ratiarla 
82;  Ziegel  mit  ihrem  Namen  aus  Pan- 
nonia 59. 

leg.  XIV  Gem.,  43  aus  Germania  sup.  nach 
Britannia  9,4;  seit  89  in  Pannonia  42; 
unter  Traian  in  ad  Flexum  41,  2;  Be- 
teiligung an  dem  Maarenkriege  des  An- 
toninus Pius  74,  5;  an  dem  parthischen 
CaracaUas  80,  4. 

leg.  XV  Apoll.,  in  Pannonia  18.  19,  6;  63 
nach  Syria  18.  70,2;  kehrt  Herbst  71 
nach  Pannonia  surück  30,  9.  35;  Be- 
teiligung an  dem  jüdischen  Kriege  Ves- 
pasians 70,  2;  an  dem  Chatten  kriege 
Domitians  43,  2. 

leg.  XV  Primig. ,  in  Germania  inf.  9,  1 ; 
von  Vespasian  aufgelöst  33.  33,  4. 

leg.  XVI  Gall.,  in  Germania  9,  1.  9,4; 
von  Vespasian  aufgelöst  33.  40,  4. 

leg.  XX  Val.  victr.,  Errichtung  7,  1;  in 
Dalmatia  und  Moesia  6 f.;  in  dem  pannon.- 
dalm.    Aufstande    ununterbrochen    tätig  | 
7,2;  9   n.  Chr.   nach   Germania  inf.  7.  ! 
9,  1 ;  43  nach  Britannia  9,  1. 

leg.  XXI  Kap.,  in  Germania  9,  1 ;  bei  Cre- 
mona  26 f.;  Herbst  69  nach  Vindonissa  i 
27.  27,  3;  seit  89  in  Pannonia  42;  in  den 
Donaukriegen  Domitians  37. 

leg.  XXII  Deiotar.,  Beteiligung  an  dem 
judischen  Kriege  Vespasians  70,  2. 

leg.  XXII  Primig.,  in  Germania  sup.  9,  4; 


bei  Cremona  26 f.;  November  69  nach 
Pannonia  27. 30;  kehrt  70  nach  Grermania 
zurück  30;  Beteiligung  an  dem  Maaren- 
kriege des  Antoninus  Pias  74,  5. 

leg.  XXX  Ulp.,  Beteiligung  an  dem  Maaren- 
kriege des  Antoninus  Pius  74,  5. 

leg.  Viminaciensis  63. 

Legionen,  s.  mösische  und  pannonische. 

Legionsverzeichnis,  vatikanisches,  Zeit  der 
Abfassung  57,  2. 

Licinius  Crassus,  M.,  erobert  Moetia  1  f. 

Licinius  Macianus,  wirft  Herbst  69  die 
Daker  zurück  26. 

Lom  s.  Almas. 

Macer  s.  Martios. 

Marcianas  s.  Valcrius. 

Marinas,  von  den  mösischen  Legionen  zum 
Kaiser  ausgerufen  72. 

Markomanenkriege:  anter  Domitian  37,  4. 
45;  unter  M.  Aurel  76  f. 

Martins  Macer,  verwaltet  Moesia  als  prae- 
toriwt  2,  4.  7.  7,  7. 

Maarenkrieg  des  Antoninus  Pias  73  f. 

Maximinus  s.  Dakerkriege. 

Mehadia  5,  1. 

Mesembria  4. 

Messalinus  s.  Valerius. 

Mithridates,  König  von  Bosporus  12. 

Moesia,  Unterwerfung  1  f.;  Einrichtung  2. 
7,  7.  17;  Rang  des  Statthalters  16  ff. ;  im 
J.  86  geteUt  2 f.  3, 1.  17.  46;  Um£ang  8 f.; 
militärische  Untemehmangen  von  Moesia 
aus  unter  Claudius  12  and  Nero  18 f.; 
die  Provinz  von  Einfällen  der  Barbaren 
oft  heimgesucht  34  f.  65,5;  Aufenthalt 
Domitians  in  M.  3,  1.  37. 

Moesischc  Legionen ,  vor  9  n.  Chr.  7,  6 ; 
seit  46  drei  Legionen  15. 18;  in  claudiach- 
neronischer  Zeit  20  f.  23;  leisten  Otho 
den  Eid  24 ;  erklären  sich  für  Vespadan 
25 ;  verlassen  Herbst  69  die  Provinz  25 ; 
ihr  Bestand  im  Spätherbst  69  27;  seit 
Anfang  70  33;  seit  Herbst  71  35;  seit  86 
47;  Mitwirkung  in  Domitians  Daker- 
kriegen 39 f.  46.  47.  53 ff.;  in  Domitians 
Sarmatenkriege  42  ff. ;  in  Traians  Daker- 
kriegen 47.  53  ff.;  Bestand  seit  Traian 
72;  Beteiligung  an  dem  Partherkriege 
Traians  71;  an  dem  Maurenkriege  des 
Antoninus  Pius  73 f.;  an  dem  Marko- 
maueukriege  M.  Aureis  76  f. ;  an  der  Be- 
lagerung  von   Byzanz  und  dem  Krie^ 


Register. 


95 


gegen  Clodius  Albinus  78;  an  dem  par- 
thischen  Kriege  des  SeptimiuB  Seyenis 
79,  3 ;  an  dem  germanischen  und  parthi- 
Bchen  Caracallas  80;  an  den  Gotenkrie- 
gen 81 ;  an  anderen  Kriegen  des  dritten 
Jahrh.  86;  an  dem  ägyptischen  Zuge 
Diokletians  86;  stehen  auf  der  Seite  des 
Septimius  Severus  78;  rufen  mehrere 
Kaiser  aus  72;  Bestand  unter  Diokletian 
84;  8.  auch  leg.  I  Ital,  IV  Flav.,  V  Maced.* 
VII  Claud.  und  XI  Claud. 

Moesisches  Heer,  stellt  die  Besatsang  von 
Thracia  4.  12.  12,3.  14  und  Chersonesus 
4.  4,  10.  12.  14.  14,  5;  Reiterabteilung 
von  ihm  im  Partherkriege  M.  Aureis  75  f. 

Moeser,  bleiben  dem  pannon.-dalm.  Auf- 
stande fem  2, 1. 

Mucianus  s.  Licinius. 


Naissus  (Nisch),  Sieg  bei  Naiasus  über  die 

Goten  5. 
Nero,  Politik  an  der  unteren  Donau  13  f.; 

8.  auch  Alanen  und  Partherkriege. 
Ncrva  s.  suebischer  Krieg.  i 

Nicopoiis  ad  Istrum  (NikUp)  4.  ' 

Niger  s.  Pescennius. 
Novae  (Steklen),  Lager  der  leg.  I  Ital.  68.  , 

66;  Hauptstadt  von  Moes.  inf.  63.  63, 11. 
Noviodunum,  Lager  der  leg.  I  Jovia  88  f. 
NumisiuM  8.  Gallus. 


Pescennius  Niger,  Krieg  gegen  ihn  78  f. 

Philippus,  Titulatur  86,  2. 

Plautius  Silvanus  Aelianus,  Ti.,  seit  56/57 
Statthalter  von  Moesia  21,3;  Tätigkeit 
in  Moesia  13.  15.  16.  18.  20  f.  21,  1. 

Poetovio,  Kriegsrat  25.  26. 

PoUio  s.  Vitrasius. 

Potaissa,  Lager  der  leg.  V  Mac.  77,  7.  82. 

Praetorianer,  in  Domitians  Dakerkriego  40. 
40,4. 

Primus  8.  Antonius. 

Rang  der  kaiserlichen  Statthalter  in  Bc- 
xiehung  zur  Zahl  der  Legionen  16  ff. 

Ratiaria  (Artschar)  3;  Lager  der  leg.  IV 
Flav.  68.  64;  seit  275  der  leg.  XIII  Gem. 
82;  von  Traian  xur  Kolonie  erhoben  68. 
64. 

Regalianus,  von  den  mösischen  Legionen 
zum  Kaiser  ausgerufen  72. 

Roscius  Falco,  Q.,  Legat  der  leg.  V  Mac. 
im  ersten  Dakerkriege  Traians  54  n.  6. 

Roxolanen,  Wohnsitze  24;  Einfälle  in  Moe- 
sia: während  der  Bürgerkriege  24.  81  f. 
84 f.;  unter  Traian  35,  1.  66;  unter  IIa- 
drian  67 f.;  andere  Einfälle  35,  1;  Ver- 
hältnis zu  Rom  87,  1. 

Rubrius  Gallus,  kämpft  gegen  Sarmaten 
15.  32.  82,  7;  befestigt  die  Donaugrenze 
35. 


Octavius  Appius  Suetrius  Sabiuus,  C,  80. 
Oescus  (Gigen),  Lager  der  leg.  V  Mac.  64. 

82;  von  Traian  zur  Kolonie  erhoben  64. 
Olbia,  von  den  Skythen  bedroht  65,  5. 
dnlHai,  im  Sinne  von  Legion8soldaten  bei 

JoHophus  14,  4. 
Oppius  Sabinus,  von  den  Dakern  getötet  37. 
Otho,  von  den  Donaulegionen  unterstützt  24. 

Pannonia,  Einrichtung  2.  17;  Legionen  von 
9  n.  Chr.  bis  88  34,  1 ;  unter  Domitian  42. 

Pannonische  Legionen,  in  Domitians  Da- 
kerkriegen  40;  in  Domitians  Sarmat<^n- 
kriege  42;  I^teiliguog  an  dem  Kriege 
gegen  Pescennius  Niger  79;  an  dem  Par- 
ther kriege  Caracallas  80, 3 ;  s.  auch  leg.  I 
Ad.,  II  Ad.,  X  Gem.  und  XIV  Gem. 

Partherkriege:  unter  Nero  7  f.  15.  18.  19,3. 
20;  unter  Traian  68.  71;  unter  M.  Aurel 
75;  unter  Septimius  Severus  79,  3;  unter 
Caracalla  80. 

Perserkriege :  unter  Severus  Alexander  85  f. ; 
unter  Gordian  86. 


Sabinus  s.  Flavius,  Gallus,  Octavius  und 
Oppius. 

Sarmaten  s.  Jazygen.  Roxolanen  und  Rub- 
rius Gallus. 
;  Sarmatenkrieg  Domitians  87.  42  ff.  45. 

Sarmizegethusa  5,  1.  38,  4;  Gründung  60  f. 

Satuminus  s.  Antonius  und  Aponius. 

Scaurianus  s.  Terentius. 

Scribonianus  Curio,  C,  1,  1. 

Scythia  82  ff.;  Legionen  unter  Diokletian 
i      84. 

:  Septimius  Severus,  von  der  leg.  X  Gem. 
anfangs  nicht  anerkannt  78 ;  s.  auch  By- 
zantium.    Clodiu»    Albinus,    Pescennius 
Niger  und  Partherkriege. 
'  Severus  s.  Caecina. 

SeveruH  Alexander  s.  Perserkriege. 

ariiulavy  im  Sinne  von  Adler  88.  38.  7. 

Silistra  s.  Durostorum. 

Silvanus  s.  Plautius. 

Singidunum  (Belgrad),  Lager  der  leg.  IV 
Flav.  63. 

Statura  s.  Aconius. 


96 


RegiMer. 


Steklen  s.  Novae. 

Strassenbauten    zw.    dem  Rhein    und  der 

Donau  9,  3;  südlich  von  der  Donau  6. 

6,3. 
Suebischer  Krieg  Nenas  43 
SuetriuB  8.  Octaviu«. 

Tapae,  Schlacht  38.  56  n.  12. 

Terentius  Scaurianus.  D.,  gründet  Sarmi- 

zegethusa  61. 
Theissebene,  der  südliche  Teil  mit  Moosia 

8up.  vereinigt  4  f. 
Thracia,    röm.    Provinz  4.  12;   Besatzung 

12.  12,  3.  14;  Ripa  Thracia  3.  4,  2. 
Traian,  s.  Daker-.  Parthorkriege  und  Juden- 

üufstände. 
TrebaUia  3. 
Troesmis  (JgÜtza),  Lager  der  leg.  V  Mac. 

64.  66;    Abteilungen   anderer  Legionen 

82.  82,  7;  Lager  der  leg.  n  Herculia  83  f. 
Tyras,    Zugehörigkeit   zu   Moesia   inf.   4. 

21,3. 
Tzibritza  s.  Ciabrus. 

Vaierianus  s.  Cornelius. 

Valerius  Marcianus,  T.,  Lebenslauf  74  ff. 


Valerius  Messalinus  7. 

Vespasiao,  lost  vier  Legionen  auf  33;  s. 
auch  Germanen  kriege  und  Judenanf- 
stände. 

Vettonianus  s.  Funisulanus. 

vexillaruj  in  Thracia  10. 

veonUationes  f  Bildung  aus  den  Legionen 
eines  Provinzialheeres  70.  70,  4;  unter 
Centurio  61,  7;  in  Chcrsonesus  14,  5;  in 
dem  dakischen  58,  7,  parthischen  und 
judischen  Kriege  Traians  69  f.;  in  dem 
Maurenkriege  des  Antoninus  Pins  74; 
der  leg.  III  Aug.  im  Markomanenkriege 
M.  Aurels  76;  der  dakischen  und  pan- 
nonischen  Legionen  gegen  Pescennins 
Niger  79;  der  mösischen  und  pannoni- 
sehen  Legionen  in  dem  Grermanenkriege 
Caracallas  80;  in  anderen  Kriegen  des 
dritten  Jahrh.  85  f. 

Viminacium  (Kostolatz),  Lager  der  leg.  VII 
Claud.  62.  62,  2. 

Vitrasius  Pollio,  T.,  3,  3. 

Wälle,  in  der  Dobrudscha  64,  4. 

Ziegel,  zur  Interpretation  der  Funde  58 f. 


Druck  von  O.  Kreyiing  iu  Leipxig. 


RoterlurmP, 


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