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Full text of "Die Medicin der Naturvölker. Ethnologische Beiträge zur Urgeschichte der Medicin"

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http://www.archive.org/details/diemedicindernatOOunse 


Die  Mediciu  der  Naturvölker. 


Die 

Medicin  der  Naturvölker. 

Ethnologisclie  Beiträge 

zur 

Urgeschichte  der  Medicin. 

Von 

Dr.  Max  Bartels, 

Sanitätsrath  in  Berlin. 


Mit  175  Original-Holzschnitten  im  Text. 


Leipzig. 

Tli.    Grieben's   Verlag  (L.   Fernau). 

1893. 


Vorwort. 


Die  erste  Anlage  zu  dem  vorliegenden  Buche  liatte  den  Stoä' 
zu  einem  Vortrage  abgegeben,  welchen  ich  in  der  Berliner  Gesell- 
schaft für  Natur-  und  Heilkunde  im  März  1892  hielt.  Der  für 
die  fertiggestellte  Abhandlung  gewählte  Titel  möge  aber  nicht  in  dem 
Leser  die  Erwartung  hervorrufen,  dass  ihm  hier  etwas  geboten 
werden  solle,  was  den  überreichen  Stoff  vollkommen  erschöpft.  Bei 
der  Zersplitterung  des  Materiales,  das  in  Sitzungsberichten,  in  Zeit- 
schriften und  in  Reisebeschreibungen  der  gesammten  civilisirten  Welt 
sich  findet,  ist  es  selbstverständlich  eine  Unmöglichkeit,  allen  ein- 
schlägigen Angaben  nachspüren  zu  können.  Es  ist  auch  nicht  in 
allen  Fällen  möglich  gewesen,  auf  die  Originalveröffentlichungen 
zurückzugehen,  da  sie  in  vielen  Fällen  nicht  zu  erlangen  waren; 
und  namentlich  von  den  Indianer-Stämmen  des  westlichen  Ame- 
rika ist  Vieles  nach  den  ausführlichen  und  ausgezeichneten  Citaten 
von  Hubert  Howe  Bancroft  gegeben  worden.  Soweit  es  aber  irgend 
auszuführen  war,  bin  ich  stets  auf  die  ursprünglichen  Quellen  zu- 
rückgegan  gen . 

Es  unterliegt  für  mich  gar  keinem  Zweifel,  dass  manches  Reise- 
werk etc.  von  mir  übersehen  sein  wird,  in  welchem  sich  vielleicht 
die  eine  oder  die  andere  recht  brauchbare  Angabe  über  unseren 
Gegenstand  befinden  mag.  Besonders  wird  dieses  bei  der  Literatur 
vergangener  Jahrhunderte  der  Fall  gewesen  sein.  Der  zur  Zeit 
verarbeitete  Stoff  erstreckt  sich  aber  schon  über  die  ganze  bewolmte 
Erde,  und  er  dürfte  wohl  schon  hinreichend  sein,  um  nichts  Wesent- 
liches von  den  Anschauungen  der  Naturvölker  auf  medicinischem 
Gebiete  übergangen  zu  haben. 


VI  Vorwort. 

Es  liegt  nicht  in  der  Absicht  dieser  Schrift,  die  Krankheitsarten 
zu  besprechen,  welchen  die  Naturviilker  unterworfen  sind,  und  wie 
dieselben  bei  ihnen  verlaufen.  Solche  Untersuchungen  gehören  in  die 
^^'erke  über  medicinische  Geographie.  Hier  soll  wesentlich  nur  er- 
örtert werden,  was  für  medicinische  Anschauungen  unter  niederen 
Cultur Verhältnissen  herrschen  und  was  für  Mittel  und  Wege  die 
Naturvölker  benutzen,  um  sich  mit  den  Krankheiten  abzufinden. 

Eine  erhebliche  Förderung  meiner  Bestrebungen  gewährte  mir 
die  freundliche  Erlaubniss  des  Herrn  Geheimen  Regierungsraths 
Professor  Dr.  Adolf  Bastian,  die  Schätze  des  königlichen  Museums 
für  Völkerkunde  in  Berlin  für  meine  Zwecke  benutzen  zu  dürfen. 
Ich  spreche  ihm  meinen  besten  Dank  dafür  aus,  sowie  auch  seinen 
Assistenten,  den  Herren  Professoren  Grünwedel  und  Grube  und  den 
Herren  Doctoren  von  Luschan,  Müller  und  Seier. 

Auch  dem  Herrn  Gustos  Franz  Heger  vom  k.  k.  Naturhisto- 
rischen Hofmuseum  in  Wien,  sowie  dem  Herrn  Naturalienhändler 
Vmlaujf  in  Hamburg  bin  ich  zu  grossem  Danke  verpflichtet,  dem 
Letzteren,  dass  er  es  mir  freundlichst  gestattete,  interessante  ethno- 
graphische Gegenstände  seines  Besitzes  photographisch  aufzunehmen, 
wobei  mir  Herr  Capitän  Adrian  Jacohsen  in  liebenswürdigster  Weise 
behülflich  war. 

Einen  ganz  besonderen  Dank  habe  ich  noch  Fräulein  Jtdie 
Schlemm  auszusprechen,  deren  kunstgeübte  Hand  mir  unermüdlich 
geholfen  hat,  das  in  Betracht  kommende  Material  in  Malereien  und 
Zeichnungen  festzulegen,  so  dass  es  mir  neben  meinen  photographischen 
Aufnahmen  stets  bei  der  Arbeit  zur  bequemen  Verfügung  stand. 

Eine  grosse  Anzahl  der  benutzten  Veröffentlichungen  ist  in  eng- 
lischer, holländischer  oder  italienischer  Sprache  geschrieben. 
Da  dieselben  nicht  Jeglichem  geläufig  sein  mögen,  so  habe  ich  zur 
grösseren  Bequemlichkeit  der  Leser  die  zahlreichen  Citate  aus  aus- 
ländischen Schriften  durchgängig  in  deutscher  Übersetzung  gegeben, 
auch  der  besseren  Gleichmässigkeit  wegen  die  in  französischer 
Sprache  veröffentlichten.  Um  endlose  Wiederholungen  zu  vermeiden 
und  den  Text  nicht  unnütz  schwerfällig  zu  machen,  sind  ihm  die 
Namen  der  benutzten  Autoren  für  gewöhnlich  nicht  eingefügt.  Im 
Anhang  IH  aber  kann  man  leicht  bei  dem  Namen  des  betreffenden 
Volkes  auch  denjenigen  des  Berichterstatters  finden,  so  dass  keinem 


Vorwort.  VII 

der  Autoren   sein   Recht  geschmälert  werden   soll.     Im  Anhang  II 
sind  ihre  Schriften  in  alphabetischer  Ordnung  aufgeführt. 

Der  bildlichen  Ausstattung  des  Buches  ist  eine  ganz  besondere 
Sorgfalt  gewidmet,  und  viele  der  ethnographischen  Gegenstände 
werden  hier  zum  ersten  Mal  in  der  Abbildung  vorgeführt.  Dem  ent- 
sprechend ist  auch  die  Figurenerklärung  mit  grosser  Genauigkeit 
ausgearbeitet.  Einzelne  von  den  Illustrationen  sind  aber  auch  anderen 
Ver()ffentlichungen  entnommen.  Selbstverständlich  findet  sich  dann 
stets  die  Ursprungsstelle  ausführlich  bemerkt. 

Die  Durchmusterung  und  die  Ordnung  und  die  monographische 
Verarbeitung  der  weit  zerstreuten  Einzelangaben,  wie  das  vorliegende 
Buch  sie  bietet,  bildet  ein  vollkommen  neues  und  bisher  noch  un- 
verwerthetes  Capitel  aus  dem  grossen  Bereiche  der  Geschichte  der 
Medicin,  welches  zwischen  der  Geschichte  der  medicinischen  Wissen- 
schaften und  der  Geschichte  der  Volksmedicin  das  vermittelnde 
Zwischenglied  bildet.  Als  ein  erster"')  Schritt  auf  diesem  bisher  noch 
unbebauten  Gebiete  muss  dieser  Abhandlung  noch  Vieles  an  Voll- 
ständigkeit und  sicherer  Abrundung  fehlen.  jMöge  sie  trotz  dieser 
Mängel  dem  Leser  eine  willkommene  Gabe  sein. 


*)  Einen  ersten  Vorstoss  bildet  die  kleine  Schi-ift  von  Ä.  BoucJiinet: 
Les  Etats  primitifs  de  La  Medecine.  88  Seiten.  8'\  Paris  1891.  Die- 
selbe ist  mir  erst  nach  Drucklegung  dieses  Buches  bekannt  geworden. 

Berlin,  21.  Juli  1893. 

Dr.  Max  Bartels. 


Inhaltsverzeichniss. 


Seite 

Vorwort V 

I.  Einleitung  1 

1.  Die  Quellen  zu  einer  Vorgescliiclite  der  Medicin 3 

II.  Die  Krankheit  7 

2.  Das  Wesen  der  Krankheit 9 

3.  Die  Krankheit  ist  durch  Dämonen  bedingt 11 

4.  Das  Aussehen  der  Krankheitsdämonen        13 

5.  Die  Geister  Verstorbener  als  Ursache  der  Krankheit 18 

G.  Dämonische  Menschen  als  Ursache  der  Krankheit li) 

7.  Thi.ere  im  Körper  als  Ursache  der  Krankheit 21 

8.  Fremde  Substanzen  im  Körper  sind  die  Krankheit 23 

9.  Die  Krankheit  verursacht  durch  einen  magischen  Schuss      ....  25 

10.  Die  Krankheit  entsteht  als  Strafe 27 

11.  Krankmachender  Zauber 2!) 

12.  Krankheit  entsteht  durch  Ortsveränderung  oder  Verlust  von  Körper- 

bestandtheilen 36 

13.  Die  Krankheit  entsteht  durch  den  Willen   oder  die  gnädige  Eügung 

der  Gottheit 39 

14.  Sympathetische  Uebertragung  als  Ursache  der  Krankheit      ....  4() 

15.  Böse  Winde  als  Ursache  der  Krankheit 41 

16.  Natürliche  Krankheitsursachen 42 

17.  Der  böse  Blick 43 

18.  Rückblick 44 

III.  Die  Aerzte  45 

19.  Die  Medicin-Männer 47 

20.  Die  sociale  Stellung  der  Medicin-Männer    ....           49 

21.  Uebernatürliche  Fähigkeiten  der  Medicin-Männer 50 


Inhaltsverzeichniss.  IX 

Seite 

22.  Auffallendes  Benehmen  der  Medicin-Männer 52 

23.  Weibliche  Aerzte 52 

24.  Die  Vertheilung  der  Medicin-Männer 53 

25.  Consultationen  und  gemeinsame  ärztliche  Behandlung 54 

26.  Brodneid 55 

27.  Die  Wohnung  des  Arztes 55 

28.  Aerztliche  Honorare 56 

29.  Gefahren  des  ärztlichen  Berufes 59 

30.  Verschiedene  Arten  der  Medicin-Männer  und  die  Specialisten      .     .  61 

31.  Das  Hülfspersonal  des  Medicin-Mannes 66 

32.  Die  Amtstracht 67 

33.  Die  Beweggründe  für  das  ärztliche  Studium 75 

34.  Die  Vorbereitung  zum  ärztlichen  Studium 78 

35.  Das  ärzthche  Studium 79 

36.  Das  ärztliche  Examen  und  die  Approbation 81 

37.  Der  Eintritt  in  die  Mide-Gesellschaft 83 

38.  Das  kanonische  Alter  der  Medicin-Männer 86 

39.  Die  fachmännische  Fortbildung  approbirter  Aerzte 87 

40.  Medicinische  Lehrbücher 88 

41.  Rangstufen  der  Medicin-Männer 90 

42.  Krankheit  und  Lebensende  des  Medicin-Mannes 92 

IV.  Die  Diagnostik  der  Naturvölker  93 

43.  Erkennungsmittel  der  Diagnostik 95 

44.  Die  Krankheitsnamen 96 

45.  Krankheits-Eetische  und  Amulete 97 

46.  Verbotszeichen 98 

V.  Die  Medicamente  und  ihre  Anwendung  103 

47.  Die  Medicinal-Droguen 105 

48.  Medicamentös  behandelte  Krankheiten 108 

49.  Die  Beschaffung  der  Arzneimittel 108 

50.  Die  Bereitung  der  Arzneimittel 109 

51.  Die  Aufbewahrung  der  Arzneimittel 111 

52.  Die  Züchtung  der  Arzneipflanzen 113 

53.  Das  Einnehmen  der  Medicin 114 

VI.  Die  Arzneiverordnungslehre  der  Naturvölker  117 

54.  Abkochungen  und  Umschläge 119 

55.  Einreibungen,  Salben,  Pflaster  und  Pulver 119 

56.  Abführmittel  und  Klystiere 120 

57.  Brechmittel 121 

58.  Inhalationen 123 


X  Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

59.  Einschlürfungen  und  Einträufelungen 123 

(iO.  Pillen 124 

61.  Die  hautröthenden  Mittel 124 

02.  Die  Narcotica 125 

()3.  Das  Bepusten  und  Bespeien 127 

G4.  Die  Impfung 128 

VII.  Die  Wasserkur  131 

(15.  Kalte  Bäder 133 

06.  Warme  Bäder  und  Trinkkuren 134 

67.  Schwitzkuren 135 

08.  Das  Dampfbad 137 

VIII.  Massagekuren  143 

09.  Die  legitime  Massage 145 

70.  Die  versteckte  Massage 146 

IX.  Verhaltungsvorschriften  für  den  Kranken  151 

71.  Die  Diät 153 

72.  Sonstiges  Verhalten 154 

X.  Die  übernatürliche  Diagnose  157 

73.  Laien  diagnosticiren  die  Krankheit 159 

74.  Der  Medicin-Mann  stellt  die  Diagnose 161 

75.  Die  Diagnose  wird  von  Geistern  gestellt 162 

76.  Prognose  und  Semiotik 167 

XI.  Die  übernatürliche  Krankenbehandlung  171 

77.  Opfer  und  Gebet 173 

78.  Die  Trommel  als  Handwerkszeug  des  Medicin-Mannes 176 

79.  Die  Rassel  und  andere  musikalische  Instrumente  als  Handwerkszeug 

des  Medicin-Mannes 178 

80.  Medicin-Sack  und  Medicin-Steine 180 

81.  Das  Heraussaugen  der  Krankheit 183 

82.  Das  Aufsuchen  des  Locus  afFectus 186 

83.  Das  Herausnehmen  der  Krankheit 187 

84.  Der  Exorcismus  durch  den  Medicin-Mann 189 

85.  Das  Ausräuchern  der  Krankheitsdämonen 191 

86.  Der  Exorcismus  durch  übernatürliche  Gehülfen 192 

87.  Das  Eangen,  Festbannen  und  Vernichten  der  Krankheitsdäniouen    .  194 

88.  Das  Bemalen  und  das  IJmmalen  des  Kranken 196 


Inhaltsverzeicliniss.  XI 

Seite 

89.  Das  Zurückholen  der  Seele  oder  des  Schattens 200 

90.  Das  Zurückbringen  geraubter  Körpertheile 204 

91.  Die  sympathetische  Krankenbehandlung 205 

XII.    Einzelne  Capitel  der  speciellen  Pathologie  und 

Therapie  207 

92.  Die  Augenkrankheiten 209 

93.  Die  Ohrenkrankheiten 212 

94.  Geisteskrankheiten  und  die  Epilepsie 212 

XIII.   Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien  219 

95.  Die  private  Gresundheitspflege 221 

96.  Die  Amulete 225 

97.  Die  öffentliche  Gesundheitspflege 235 

98.  Der  Schutz  vor  der  Berührung  mit  den  Iniicirten 237 

99.  Die  Unterbringung  der  ansteckenden  Kranken 239 

100.  Die  Versorgung  der  ansteckenden  Ki-anken 241 

101.  Die  Unterbringung  der  nicht  ansteckenden  Kranken 242 

102.  Das  Schicksal  der  Schwerkrauken,  Siechen  und  Krüppel  ....  246 

103.  Die  Flucht  vor  der  Seuche 248 

104.  Die  Grenzsperre  für  die  Seuche 250 

105.  Das  Vertreiben  der  Epidemien 254 

106.  Die  Todten 257 

107.  Die  Assanirung  der  Wohnplätze 259 

XIV.  Die  kleine  Chirurgie  263 

108.  Das  Blutsaugen 265 

109.  Das  Scarificiren 267 

110.  Der  Aderlass 268 

111.  Das  Schröpfen 269 

112.  Die  Ritual-Operationen       ....           271 

113.  Kosmetische  Opei-ationen 272 

114.  Die  Entfernung  fremder  Körper  und  die  Behandlung  der  Abscesse  274 

115.  Die  Zahnheilkunde 276 

XV.  Die  grosse  Chirurgie  279 

116.  Allgemeines 281 

117.  Die  Wundbehandlung 282 

118.  Die  Behandlung  der  Schusswunden 284 

119.  Die  Blutstillung 285 

120.  Das  Glühen 286 


XII  "  Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

121.  Knochenbrüche  und  Verrenkungen 289 

122.  Der  Krankentransport 291 

123.  Amputationen 292 

124.  Die  Bruchschäden 294 

125.  Operationen  an  den  männlichen  Harn-  und  Geschlechtsorganen       .  296 

126.  Operationen  am  Halse  und  Trepanationen 299 

127.  Der  Bauchschnitt  oder  die  Laparotomien 305 

Schlusswort 309 

Anhang  I.    Erklärung  der  Abbildungen 313 

Anhang  II.    Verzeichniss  der  benutzten  Schriften 335 

Anhang  III.    Verzeichniss  der  geographischen  und  Völkernamen  345 


I. 
Einleitung. 


Bartels,  Mediciu  der  NuturVülkoi-. 


1.  Die  (Quellen  zu  einer  Vorgeschichte  der  Mediciii. 


J)iis  letzte  halbe  .lalirhimdert  hat  in  dem  Studiuiii  der  Geschichte  ganz 
gewaltige  Unnvälzungen  hervorgerufeD.  AVir  haben  gelernt,  dass  keineswegs  aus- 
schliesslich das  geschriebene  und  uns  überlieferte  Wort  die  wahre  und 
einzige  Quelle  der  historischen  Wissenschaft  ist,  sondern  dass  —  ganz  al)- 
gesehen  davon,  dass  man  hier  liisweilen  absichtlichen  Fälschungen  und  ten- 
denziösen Entstellungen  begegnet  —  auch  noch  ganz  andere  Quellen  von 
uns  erschlossen  werden  müssen.  Es  ist  uns  mit  zwingender  Gewissheit  die 
l^hatsache  zum  Bewusstsein  gekommen,  dass  der  Mensch  nicht  plötzlich  und 
unvei-mittelt  in  denjenigen  Zustand  der  gesellschaftlichen  Kegelung  und 
(yultur  eingetreten  ist,  welchen  man  kui'zweg  als  „die  Geschichte"  be- 
zeichnet hat,  d.  h.  von  dem  uns  geschichtliche  Nachrichten  aufgezeichnet 
worden  sind,  sondern  dass  bereits  tausende  von  Jahren  vor  jeglichem  ge- 
schriebenen Documente  die  Menschheit  ihre  „Geschichte"  hatte,  dass  sie 
ihre  socialen  Gesetze  besass,  ihi"e  religiösen  Institutionen,  ihre  Künste  und 
Wissenschaften,  von  denen  der  geschi-iebene  Buchstabe  auch  nicht  die  leiseste 
Andeutung  auf  uns  hat  gelangen  lassen. 

])urch  das  deutliche  Bewusstwerden  cheser  neuen  Thatsache  entwickelte 
sich  eine  ganz  neue  Disciplin,  die  Urgeschichte.  Das  Quellenmaterial, 
aus  welchem  sich  diese  aufbaut,  ist  im  Avesentlichen  ein  vierfaches.  In 
erstei-  Linie  sind  es  naturgemäss  die  zufällig  gemachten  oder  die  zielbewusst 
gesncliten  antiquarischen  Funde,  welche  die  prähistorische  Archäologie 
zu  erläutern  hat. 

Von  hoher  Bedeutung  sind  aber  auch  gewisse  Sitten,  Gebräuche  und 
Anscliauungen  der  heutigen  niederen  Volksschichten  imd  namentlich  des 
Landvolkes,  welche  sich  als  sogenannte  „Ueberlebsel"  aus  längst  vergangener 
Vorzeit  kennzeichnen.    Zu  ihrer  Erklärung  hat  die  Volkskunde  einzutreten. 

Als  dritten  Factor  haben  wir  die  aufmerksame  Betrachtung  der  Lebens- 
weise der  heutigen  Naturvölker  zu  nennen,  welche  uns  heute  noch  ver- 
schiedenartige Culturstufen  vorführen,  auf  denen  einstmals  auch  die  histo- 
rischen Völker  gestanden  haben,  bevor  sie  den  culturellen  Höhepunkt  ilirer 
Entwickelung  erreicht  hatten.  Hier  uns  das  nöthige  Material  herbeizn- 
scbaüen  ist  die  Sache  der  Ethnologie. 

Die  vierte  Quelle  endlich,  die  wir  benutzen  müssen,  bietet  sich  uns  in 
der  vergleichenden  Sprachforschung  dar,  welche  aus  l)estimniten  Wort- 
bildungen und  Buchstabenformen  bedeutungsvolle  Rückschlüsse  auf  vei'- 
gangene  Gulturverhältnisse  zu  machen   gelehrt  hat. 

1* 


4  1.    Einleitung. 

Diese  selben  Quellen  nun.  Avelcher  wir  für  die  Antängc  der  Gescliiclitc 
und  der  Culturgeschichte  im  Allgemeinen  bedürfen,  müssen  wir  auch  zu 
Bathe  ziehen,  wenn  wir  die  Gesihiclito  s))ocieller  Oulturgeliiete  zu  studiren 
beabsichtigen.  Auch  die  Medicin  bat  ihre  Vorgeschichte,  welche  ihre 
Schatten  noch  weit  in  das  Leben  der  heutigen  Völker  hineinwirft.  Aber 
von  einem  systematischen  Studium  derselben  ist  bisher  noch  nicht  die 
Eede  gewesen.  Allerdings  stehen  uns  auch  hier  bereits  manche  vereinzelte 
Bausteine  zur  Verfügung,  aber  sie  bedürfen  noch  ganz  erheblich  der  Ver- 
mehrung, und  vor  allen  Dingen  der  sorgtältigen  Sammlung,  Zusammenstellung 
und  Vergleichung.  "Wir  wollen  nun  zusehen,  von  welcher  der  vorher  g(^- 
nannten  vier  Quellen  Avir  für  die  Urgeschichte  der  Medicin  die  aus- 
giebigsten Aufschlüsse  zu  erwailen  haben. 

Von  der  vergleichenden  Sprachforschung  sind  wir  l)isliei'  am 
spärlichsten  bedient  worden.  Das  hat  aber  vielleicht  darin  seinen  Gnind, 
dass  ihr  noch  nicht  hinreichend  präcise  Fragen  vorgelegt  worden  sind. 

Recht  beachteuswerthe  Resultate  verdanken  wir  bereits  der  Wissen- 
schaft des  Spatens.  Wir  werden  (birauf  hier  aber  nur  ganz  beiläufig 
zurückkommen  können. 

Das  Material,  das  uns  die  Volkskunde  geliefert  hat,  ist  ein  sehr 
reichliches,  jedoch  zu  seiner  Verwerthung  für  die  Urgeschichte  der  Medicin 
bedarf  es  noch  einer  ganz  besonders  sorgtältigen  Kjritik  und  Vorsicht. 
Denn  nicht  Jegliches,  das  uns  in  der  Volksmedicin  entgegentritt,  spiegelt 
uns  die  Anschauungen  und  Maassnahmen  der  auf  einer  primitiven  Cultur- 
stufe  stehenden  Menschen,  oder  mit  anderen  Worten  prähistorische  üeber- 
lebsel  wieder,  sondern  nicht  Wenige  sind  die  Ueberreste  alter  Magistral- 
Medicin,  welche,  von  den  Aerzten  schon  längst  verworfen  und  vergessen, 
allmälüich  in  den  Wissensschatz  der  sogenannten  Bauern-Doctoren  gelaugt 
sind,  und  bei  diesen  nun  mit  echter  Bauernzähigkeit  haften. 

Endlich  haben  wir-  noch  von  der  Ethnologie  zu  sprechen.  Dieselbe 
bietet,  wie  für  die  Cultui'geschichte  im  Allgemeinen,  so  auch  für  die  Ur- 
geschichte der  Medicin  die  allerwichtigste  Fundgrube  dar. 

Wir  begegnen  bei  den  Natm'völkern  überall  der  auffälligen  Erscheinung, 
dass  sie  in  gleichen  Lel)enslagen  zu  ganz  gleichen  oder  selu'  ähnlichen 
Maassnahmen  und  Anschauungen  gelangen,  ganz  gleichgültig,  ob  sie  im 
hohen  Norden,  ob  sie  am  Aequator,  oder  ob  sie  in  einer  gemässigten  Zone 
Avohnen.  Das  ist  es,  was  Adolf  Bastian  als  den  Völkergedauken  be- 
zeichnet hat.  Kleine  Varianten  können,  wie  es  Avohl  selbstverständlich  ist, 
nicht  ausbleiben,  wie  sie  die  umgebende  Natur  l)edingt.  Ob  ein  Volk  in 
dem  Hochgebirge  wohnt,  oder  an  dem  Strande  des  ]\[eeres,  ob  es  ein  Wald- 
uud  Jägervolk  ist,  oder  ein  Hirten-  und  Steppenvolk,  oder  eine  fischende 
und  seefahi-ende  Nation,  das  bedingt,  wie  man  wohl  begreifen  wü'd,  gewisse 
Localfärbungen  in  ihren  Mythen  und  in  ihrer  Dämonologie,  sowie  in  ihren 
alltäglichen  Lebensgewohnheiten.  Al)ei-  der  Kern  ihrer  Anschauungen  bleibt 
doch  im  Grossen  und  Ganzen  der  gk^iche.  Nicht  wenige  dieser  Völker- 
gedanken spielen  auch  noch  in  dem  Leben  der  heutigen  Culturvölker 
eine  wichtige  RoHe,  und  ihnen  nachzuspüren  und  ihren  psychologischen 
^iisammenhang  darzulegen,  darin  liegt  die  hohe  Bedeutung  der  modernen 
Ethnologie. 

Tu   Bezug    auf    die    primitiven    Anfangsstadien    der   Medicin    erötihefc 


1.  Die  Quellen  zu  einer  Vorgeschichte  der  Medicin.  5 

lins  das  Stiidiiim  der  Ethnologie  vielerei  Ausblicke.  Wir  lernen  die  Auf- 
fassung niederer  Volksstämme  von  dem  "Wesen  und  von  den  Ursachen 
der  Krankheiten  kennen,  wir  erfahren,  in  welcher  Weise  die  Aerzte  oder 
Medicin-Männer  zu  ihrem  eiutlussreichen  Berufe  ausgebildet  werden  und 
was  für  ein  Hülfspersonal,  entsprechend  unseren  Heilgehülfen  u.  s.  w.,  sie 
nöthig  haben.  Wir  finden  auch  bei  manchen  Völkern,  z.  B.  bei  den  Ein- 
geborenen Australiens,  sowie  bei  vielen  nordamerikanischen  Indianer- 
stämmen u.  s.  w.,  bereits  die  Errungenschaft  der  modernsten  Neuzeit,  nämlich 
weibliche  Aerzte. 

Die  Behandlungsmethoden  der  Medicin-Männer  besitzen  vielfache  Analo- 
gien mit  denjenigen,  welche  wir  heute  noch  die  Heilkünstler  unserer  Land- 
bevölkerung ausführen  sehen.  Es  sind  Gebetsformelu,  Besprechungen,  Be- 
schwörungen und  Drohungen,  aber  wohlweislich  verl)uuden  mit  der  innerlichen 
])aiTeichung  medicamentöser  Tränke,  mit  der  Anwendung  einer  Kaltwasser- 
methode,  oder  von  Dampfbädern,  von  Hautreizen,  Scarificationen  und  Blut- 
entziehungen, oder  namentlich  von  der  Massage.  Eine  hervorragende  Bolle 
spielt  auch  überall  bei  den  Naturvtilkeru  eine  der  allerneuesten  Erolierungen 
der  modernen  Therapie,  nämlich  der  Hypnotismus  und  die  Suggestion.  Sie 
harren  noch  eines  eingehenden  Studiums  und  der  Bearbeitung  durch  einen 
ethnologisch  geschulten  Neiu-opathologen. 

Um  sich  nun  eine  Vorstellung  und  ein  klares  Bild  von  den  medicinischeu 
Begriffen  und  Kenntnissen  der  Naturvölker  zu  machen,  muss  man  auf  ver- 
schiedenartige Dinge  sein  Augenmerk  richten,  auf  ihre  Dämonologie,  auf 
den  Wortlaut  ihrer  Beschwörungen,  auf  ihre  Medicamente,  ihre  Speise- 
verbote und  ihre  Reiuigiiugsgesetze,  auf  ihre  Verbotszeichen  und  ihre  Feste 
und  Tänze.  Dass  die  directen  Berichte  der  Beisenden,  sowie  der  unter 
diesen  Volksstämmen  lebenden  Aerzte,  Missionare  und  Regieriingsbeamten 
ebenfalls  eine  hervon'agende  Berücksichtigung  verdienen,  das  l)iauchen  wir 
kaum  erst  hervorzuhelien. 


II. 


Die   Krankheit 


2.  Das  Wesen  der  Krankheit. 


Wer  mit  dem  mediciuischen  Wissen  und  Können  der  Naturvölker  sich 
zu  bescliäftigen  beabsichtigt,  der  darf  den  Versuch  nicht  unterlassen,  zuvor 
darüber  ins  Klare  zu  kommen,  was  für  Anschauungen  bei  denselben  über 
die  Natur  und  das  Wesen  desjenigen  Zustandes  bestehen,  welchen  man 
mit  dem  allgemeinen  Worte  Krankheit  zu  bezeichnen  pflegt.  Was  ist 
nach  dem  Glauben  der  Naturvölker  die  Krankheit  und  wie  ent- 
steht dieselbe?  Das  sind  die  beiden  Cardinalfi"agen ,  welche  in  erster 
Linie  beantw^ortet  werden  müssen.  Denn  eine  sehr  grosse  Zahl  von  thera- 
])eutischen  INIaassnahmen  müssen  vollkommen  unverständlich  für  uns  bleiben, 
wenn  wir  nicht  in  diese  Begriffe  einzudringen  und  uns  im  Geiste  hinein- 
zuversetzen im  Stande  sind.  Sehr  vieles,  was  uns  widersinnig  und  gedankenlos 
aussieht,  wird  uns  verständlich  und  muss  uns  als  ein  ganz  logisches  und 
wohldurchdachtes  Vorgehen  erscheinen ,  sobald  wir  einen  hinreichenden 
Einblick  gewonnen  haben,  was  die  Naturvölker  sich  unter  der  Krankheit 
und  ihren  Ursachen  vorstellen,  und  manches  Schlaglicht  wird  dabei  gleich- 
zeitig auf  die  sympathetischen  und  ähnliche  Curmethoden  geworfen  werden, 
wie  sie  uns  auch  heutiges  Tages  noch  in  der  Volksmedicin  der  Culturvölker 
entgegentreten. 

Wenn  wir  nun  auf  die  erste  Frage  wieder  zurückkommen:  was  ist 
Krankheit?  so  ist  man  gewöhnlich  sehr  schnell  mit  der  Antwort  bei  der 
Hand,  indem  man  sagt:  Kj*ankheit  ist  der  Einfluss  böser  Geister.  Nun  hat 
es  ja  allerdings  seine  Richtigkeit,  dass  vielfach  die  Naturvölker  die  Krankheit 
mit  den  Dämonen  in  eine  bestimmte  ursächliche  Verbindung  bringen.  Wir 
finden  dieses  in  Amerika,  Asien,  Oceanien  und  Afrika  und.  wenn  wir 
genau  hinsehen,  auch  in  Europa. 

Dass  dieses  hier  auch  die  Ansicht  der  Gebildeten  war.  das  Ix'weist 
folgender  Ausspruch  von  Martin  Luther: 

,,Ueber  das  ist  khein  Zweyfel,  dass  Pestilentz  und  Filier  und  ander 
schwer  Krankheyten  nichts  anders  sein,  denn  des  Teufel  werkhe." 

Aber  wenn  w'ir  die  Sache  eingehender  betrachten,  so  kommen  wir  mit 
einer  solchen  Erläuterung  leider  doch  nicht  viel  weiter.  Denn  es  entsteht 
natürlicherAveise  sofort  die  neue  Frage,  was  ist  das  für  ein  Einfluss  und 
wie  äussert  er  sich?  Es  bleibt  daher  nichts  anderes  übrig,  als  den  Versut-h 
zii  machen,  sich  doch  noch  etwas  tiefer  in  diese  Gedankengänge  der  Natur- 
völker   hinein    zu   versetzen,    soweit   das   immerhin   noch    spärliche    Material 


10  II.   Die   Krankli.'ir. 

t^s  gestnttct.  (las  uns  dmcli  l^ciscndc  und  andcic  w  isscnscliat'tliclic  Boo])acIitor 
zugänglich  goniaciit  woi'dcn  ist. 

Da  zeigt  es  sich  denn  sehr  bald,  dass  es  nicht  allein  die  dämonischen 
Einflüsse  sind,  durch  welche  die  sogenannten  Wilden  die  Krankheiten 
hcrvorgerutcn  glauben,  sondern  dass  hier  auch  noch  eine  ganze  Reihe  anderer 
Pactoren  in  A^^irksanlkeit  treten.  Wir  müssen  diese  Factoren  jetzt  einer 
gesonderten  Betrachtung  unterziehen,  indem  wii-  noch  einmal  uns  die  FVage 
vorlegen,  was  ist  nach  dem  Glauben  der  Naturvölker  die  Krankheit? 

Die  ei'st(^  zutreffende  Antwort  lautet:  die  Krankheit  ist  ein  Dämon 
(es  können  al)er  auch  gleichzeitig  mehrere  sein).  Hier  schliesst  sich  gleich 
eine  zwiMte  Auffassung  an:  Die  Krankheit  ist  der  Geist  eines  Ver- 
storbenen. Die  Krankheit  ist  abei-  auch  ein  '^l^hicr  oder  der  Geist 
fines  Thieres:  und  endlich  ist  die  Krankheit  aiicli  das  Sangen  oder 
Zehren  eines  dämonischen  MensclnMi.  Man  könnte  nun  allerdings 
hier  den  Einwand  erheben,  dass  dieses  doch  im  Grunde  genommen  eigentlich 
alles  als  untei-  den  Begriff  der  Dämonen  fallend  anfgefasst  werden  kann. 
Denn  sie  alle  umschlingt  doch  ein  gemeinsames  Band  und  die  Geister  der 
A  ersto]'benen  sowohl,  als  auch  die  in  den  Köi'])ei'  des  Kranken  eingech'ungenen 
Thieie  und  deren  Geister  und  ganz  besonders  auch  die  dämonischen  Menschen 
wird  man  doch  immerhin  in  den  Sammellx'gi-itt'  der  l)ösen  Geister  einzureihen 
berechtigt  sein. 

Aller  wir  sind  mit  unseren  Definitionen  der  Krankheit  auch  noch  nicht 
zu  Ende  uiul  es  zeigt  sich,  dass  Avir  gar  nicht  selten  verschiedenen  Krank- 
heits-Defiuitionen  bei  demselben  Yolke  begegnen.  Es  ist  das  ein  recht 
<l(Mitlicher  Beweis  dafür,  dass  ihnen  ihr*^  Dämonen-Theorie  doch  nicht  alle 
ihnen  zur  Beobachtung  kommenden  Kraidvlieitsfälle  in  befriedigender  Weise 
zu  erklären   vermochte. 

Die  Krankheit  ist,  um  in  unseren  Betrachtungen  fortzufahren,  ferner 
etwas  Belel)tes,  ein  Animatuni.  welches  nicht  genauer  präcisirt  wird. 
Jn  den  Beschwr»rungsformeln  der  deutschen  Volksmedicin  wird  es  mit  der 
Fähigkeit  begabt,  nmherzuwandern  und  auf  gestellte  Fragen  Eede  und 
Antwort  zu  stehen.  80  heisst  es  in  einer  von  Frischhier  citirten  Be- 
schwörung aus  Bürgersdorf  bei  Welilau  in  der  Provinz  Preussen,  un» 
,.das  Geschoss".  eine  Erkrankung.  l)ei  welcher  necrotische  Knochensplitter 
ansgestossen  werden,  zu  liesprechen: 

Christ//^  ging-  auf  einen  hohen  Berg, 

Er  liegegnete  dem   Gf  e  s  c  h  0  s  s. 

Geschoss,  wo  gehst  du  hin? 

Ich  gehe,  den  Menschen   die  Knochen  ausbrechen, 

Das  Blut  aussaugen. 

de  seh  CSS,  ich  verbiete  es  dir, 

Gehe  wo  die  Glocken  klingen 

Und   die   Evangelien   singen! 

Auch  dieses  kann  man  allcMifalls  noch  in  die  Dänmiiengruppe  ein- 
rangiren. 

Die  Krankheit  ist  ferner  ein  Fremdkörper,  der.  sichtbar  oder 
nnsichtbar,  auf  oder  häufiger  in  des  Kranken    Körjier  sich  befindet. 

Die  Krankheit  ist  aber  auch  ein  Gift. 

Die   Krankheit    ist    die   Ortsverändeiung   eines   Körperbestand- 


3.   Die  Krankheit  ist  durch   Dämonen  bedingt.  1 1 

tlieiles.  welch  letzterer  entweder  überhaupt  den  Körpeiverlässtodeiiniu'rhall) 
desselben  sich  an  eine  falsche  Stelle  begiebt. 

Die  Krankheit  ist  dann  auch  noch  der  übernatürliche  Verlust 
eines  Körperbestandtheiles. 

Die  Krankheit  ist  aber  ferner  auch  eine  Behexung,  eine  Verfluchung, 
eine  Bestrafung,  der  "Wille  oder  ein  Geschenk  dei-  (üötter  u.  s.w., 
aber  mit  diesen  letzteren  Rrklärungen  treten  wir  eigentlich  schon  in  die 
zweite  Frajie  ein.  nämlicli  in   dicieniffe:  Wie  entsteht  die    Krankheit? 


3.  Die  Krankheit  ist  durch  Dämonen  bedingt. 

Um  zu  erforschen,  w^as  für  eine  Vorstellung  sich  die  Natui'völker  von 
der  Entstehung  der  Krankheit  machen,  wird  es  am  zweckmässigsten  sein, 
in  erster  Linie  die  dämonischen  Einflüsse  näher  zu  erörtern.  Denn  es 
braucht,  nach  dem  im  vorigen  Abschnitte  Besprochenen,  wohl  kaum  erst 
daraufhingewiesen  zu  werden,  dass  für  gewöhnlich  mehrere  Entstehungs- 
ursachen   für  die  Krankheiten  verantwortlich   gennicht   zu  werden  pflegen. 

Als  das  AVerk  der  bösen  Geister,  oder  durch  den  Einfluss  der 
Dämonen  entstanden,  werden  uns  die  Krankheiten  von  den  Karaya- 
Indianern  in  Brasilien,  von  den  Eingeborenen  der  Mentavej-Insel  in 
Indonesien,  von  Dorej  und  Andai  in  ISTeu-Guinea,  von  Siam,  vom 
westlichen  Borneo.  von  Mittel-Sumatra  und  auf  den  Inseln  Buru  und 
Serang,  sowie  auf  den  Kei-.  den  Tanembar-  und  Timorlao-Inseln 
imd  vom  Seranglao-  und  Gorong-Archipel  u.  s.  w.  berichtet.  Dieses 
..AVei'k"  oder  dieser  ..Einfluss'*'  ist  ohne  allen  Zweifel  in  den  allermeisten 
Fällen  die  Besitzergreifung  des  betreffenden  Menschen,  welche  in  der  Weise 
stattfindet,  dass  der  böse  Geist  in  den  Körper  hineinfährt  und  nun  ist  er 
also  die  Krankheit. 

An  eine  solche  Besitzergreifung  durch  einen  Dämon,  beziehungsweise 
(^in  Hineinfahren  desselben  in  den  ihm  verfallenen  unglücklichen  Menschen, 
also  an  eine  Besessenheit  des  Kranken,  glauben  die  Koniagas  und  andere 
Eingebonie  von  Alaska  und  Britisch-Columbien,  die  ChippeAvay- 
Indianer,  die  Austral-Neger  in  Victoria,  die  Siamesen,  die  Niasser 
und  die  Einwohner  von  Anibon  und  den  Uliase-Inseln.  Es  soll 
hiermit  aber  nicht  gesagt  sein,  dass  nicht  aucli  noch  sehr  viele  anderem 
Völkerschaften  an  eine  Besessenheit  in  Ki'ankheitsfällen  glauben;  aber 
vcm  den  genannten  Volksstämmen  liegen  mir  directe  Nachrichten  hier- 
über vor. 

Die  Phi  Fob  sind  Dämonen  in  Siam.  welche  von  den  Zau])ererii 
besonders  gezüchtet  werden,  um  sie  dann  in  die  Körper  ihrer  iMitmenscheii 
zu  jagen.  Auch  die  bösen  Geister  Bahang  fahren  doif  in  die  Menschen 
und  zerfressen  ihnen  die  Eingeweide. 

Die  Eingeboi'cnen  von  Victoria  Ijetonen  es  besimders.  dass  selbst 
))ejah]fe  uinl  weise  Männer  von  den  Krankheitsdänionen  besessen  werden 
können. 


12  II.   Die  Krankheit. 

Eigentluiiiilicli  ist  die  AuffassuTiuj  der  Mosquito-Tndiauer,  dass  der 
Dämon  nur  von  dem  erkrankten  Körpcrtheile  Besitz  ergriffen  habe. 

Es  kannten  übrigens  auch  bereits  die  Assyrer  und  Akkader  Dämonen, 
welche  von  besonderen  Körpertheilen  Besitz  ergriffen.  Das  ersehen  wir  aus 
einer  Beschwörungsformel,  welche  der  Thontafel-Bibliothek  des  Assurhan- 
habal  (des  Sardanapal  der  Hiliel)  aus  dem  Königspalaste  von  Ninivdi 
entstammt.  Es  heisst  darin : 

., Gegen  (.len  Kopf  des  Menschen  richtet  seine  Macht  der  fluchwürdige  Idpa. 

Gegen  das  Leben  des  Menschen  der  grausame  Namfur, 

Gegen  den  Hals  des  Menschen  der  schändliche   Utfiq. 

Gegen  die  Brust  des  Menschen  der  verderbenbringende  .-//a/, 

Gegen  die  Eingeweide  des  Menschen  der  böse  Gigim, 

Gegen  die  Hand  des  Menschen  der  schreckliche  Telal."^ 

Die  Bewohner  des  Seranglao-  und  (irorong-Archipels  lassen  nicht 
den  Dämon  selber,  sondern  dessen  Schatten  in  den  Kranken  hineinfahren. 
der  dann  die  Eingeweide  des  unglücklichen  Menschen  verzehrt. 

Eine  ganz  besonders  reiche  Ausbildung  hat  diese  Dämonologie  bei  den 
Singhalesen  auf  Ceylon  erfahren.  Dieselben  erkennen  sogar  für  eine 
ganze  Reihe  von  einzelnen  Kranklieitssymptomen  besondere  Dämonen  an. 
So  haben  sie  z.  B.  die  Teufel  der  Blindheit,  der  Taubheit,  der  Krämpfe, 
der  einseitigen  Lähmung,  des  Zitterns,  der  Fieberhitze,  der  Fieberphantasieu 
u.  s.  w.     Wir  werden  auf  dieselben  später  noch  zurückkonimen. 

Aber  nicht  in  allen  Fällen  fährt  der  die  Krankheit  verursachende  böse 
Geist  in  den  Körper  des  von  ihm  auserkorenen  Mensclien  hinein.  Bei  den 
Annamiten  greift  der  Dämon  die  ^NFenschen  an.  er  attackirt  sie,  und 
macht  sie  dadurch  krank. 

Unter  den  zahlreichen  Kranklieits-Dämonen  in  Siam  leben  die  wilden 
Teufel  Tili  Du  in  den  Wäldern.  ..Diese  fallen  meist  von  den  Bäumen 
auf  die  Vorübergehenden  herab,  da  sie  zornigen  Gemüthes  sind  und  sich 
für  Gesetzwidrigkeiten  rächen  oder  strafen  wollen.''  Auf  diese  AVeise  er- 
zeugen sie  die  Malaria-Erkrankungen.  Eine  andere  Art  der  Wald-Dämonen. 
Avelche  den  Namen  Phi  Disat,  d.  h.  Dreckteufel,  tragen,  stellen  im  Dickicht 
Netze  aus.  Wen  sie  in  diesen  unsichtbaren  Netzen  fangen,  der  verfällt  in  eine 
schwere  Krankheit,  gegen  Avelche  die  ärztliche  Kunst  sich  machtlos  erweist. 
Nur  durch  kräftige  BeschAvörung  vermag  hier  Hülfe  gebracht  zu  Averden. 

In  Süd-Australien  schlägt  der  Dämon,  gewöhnlich  in  Menschen- 
gestalt, sein  auserwähltes  Opfer.  So  hatte  ein  Eingeborener  angegeben,  es 
sei  in  der  Nacht  ein  anderer  Schwarzer  gekommen  und  habe  ihm  einen 
Schlag  in  das  Genick  versetzt;  darauf  sei  derselbe  in  einer  Flamme  zum 
Himmel  aufgeflogen.  An  der  bezeichneten  Stelle  hinten  am  Halse  entwickelte 
sich  bei  dem  Manne  ein  grosses  Blutgeschwür. 

Die  Marokkaner  fassen  die  Cholera  als  einen  Dämon  auf,  der  die 
von  ihm  ausgewählten  Opfer  schlägt. 

Die  Harai'i  in  Central- Afrika  benennen  die  von  uns  als  Hexenschuss 
bezeichnete  rheumatische  Erkrankung  mit  dem  Namen  Teufelsschlag. 

Auch  eine  Stelle  aus  dem  Buche  Hiob  (2,  7)  ist  hier  der  Erwähnung 
weith.     Sie  lautet: 


4.  Das  Aussehen  der  Kraiiklieitsdämoneii.  13 

Da  fuhr  der  Satan  aus  vom  Angesichte  des  Herrn  und  schluii;  lHoh  mit 
l)('<sen  Schwären  vou  den  Fusssohlen  an   bis  auf  seinen   Scheitel. 

Der  Begriff  der  Besessenheit  ist  den  europäisclien  Völkern  w;ihr- 
scheinlicli  erst  durch  die  l)il)lischen  Vorstellungen  zum  Bewusstsein  gekommen. 
])(mn  Erzählungen  vou  Besessenen  treffen  wir  ja  in  dar  Bibel  wiederliolentlich 
an,  und  wie  tief  dieselben  in  dem  Geiste  gläubiger  Gemüthei-  zu  haften  vei-- 
niögen.  das  haben  allbekannte  Vorkommnisse  der  allerjüngsten  Zeit  in 
liinrei eilender  Weise  dargethan.  Dass  aber  diese  Art  der  Auffassung  dem 
deutschen  Volke  wenigstens  eine  künstlich  .-lufgepfropfte  ist,  das  beweist, 
Avie  ich  glauben  möchte,  zur  (Jenüge  der  auch  heute  noch  zu  Beeilt  bestehende; 
Sprachgebrauch.  Die  Krankheit  ist  allerdings  belebt,  sie  ist  eine  Persönlichkeit, 
welche  man  ganz  wohl  untca-  die  Schaar  der  bösen  Geister  einordnen  kann; 
id)er  sie  fährt  nicht  in  (hm  Menschen  hinein,  sondern  sie  tritt  von  aussen 
an  ihn  heran,  sie  jiackt  fast  oder  ergreift  ihn,  sie  wirft  ihn  nieder,  sie 
schlägt  ihn.  sie  rüttelt,  schüttelt  und  reisst  ihn,  sie  nagt  und  zehrt  an  ihm, 
sie  liricht  ihm  die  Glieder,  sie  tödtet  ihn,  oder  sie  lässt  ihn  Avieder  los, 
•SO  dass  der  Mensch  ihr  glücklich  entrinnt. 


4.  Das  Aussehen  der  Kraiikheitsdämoiieii. 

J)en  Teufel  soll  man  nicht  an  die  Wand  malen;  das  ist  ein  Satz,  (h?r 
auch  bei  den  Naturvölkern  zu  Recht  zu  bestehen  scheint.  Nui-  in  sehr 
seltenen  Fällen  wenigstens  begegnen  wir  bildlichen  Darstellungen  von  den 
Dämonen,  welche  die  Krankheiten  veranlassen.  Für  gewöhnlich  scheint 
dann  ein  besonderer  therapeutischer  Z^veck  mit  diesen  Darstellungen  aci- 
buudeii  zu  sein.  Es  hat  den  Anschein,  als  wenn  man  den  Dämonen  ihr 
eigenes  hässliches  Bildniss  zeigen  wolle,  um  sie  vor  sich  selber  erschrecken 
zu  lassen  und  sie  auf  diese  Weise  zu  vertreiben,  ähnlich  Avie  man  avoIiI  (Üii 
eigensinnig  schreiendes  Kind  vor  den  Spiegel  führt,  damit  es  sich  vor 
seinem  eigenen  verzerrten  Gesicht  entsetze  und  so  ,,der  Bock  hinausgejagt 
Averde". 

So  haben  Avir  wahrscheinlich  gewisse  Masken  aufzufassen,  die  in 
scheusslicher  Form  mit  greller  Bemalung  ])estinimte  Krankheitsteufel 
zur  Darstellung  bringen.  Vielleicht  glauben  die  Leute  aber  auch,  dass  die 
Dämonen  ihre  Macht  und  ihren  Einfluss  verlieren,  wenn  sie  sich  davon 
ül)erzeugen.  dass  die  Menschen,  die  sie  überfallen  Avollen.  sie  entdeckt  und 
si«;  richtig  erkannt  lial)en.  dass  diesen  genau  ihr  Aussehen  und  ihre  Gestalt 
bekannt  ist,  ganz  ähnlich  Avie  in  dem  deutscheu  Märchen  d;is  Rumpel- 
stilzchen sein  Anrecht  an  sein  auserkorenes  Opfer  verlqr  und  nichts 
auszurichten  vermochte,  als  es  hört,  dass  man  seinen  Namen  Kennt. 

Die  Singhaleseu  glauben  an  eine  ganze  Anzahl  von  Dämonen,  welche, 
wie  Avil-  bereits  oben  gesagt  haben,  besondere  Stadien  und  Symptome  der 
Kiankheiten  zu  Stande  ])ringen.  Sie  Averden  durch  Holzmasken  dargestellt, 
abscheulich  verzerrte  jMenschengesichter.  bemalt  mit  grellen  Farben,  blau, 
gelb,  grün,  roth,  braun  u.  s.  av.  Sie  sind  Trabanten  des  Mahnkola  Yakscha 
(Fig.  1)  und  18  von  ihnen  sollen  nach  Freudenberg  die  verschiedenen  Stadien 
der  Saunileda  oder  ^Vlaj  an  leda  d.h.  des  Unterleibs-Typhus  bedeuten. 


14 


FI.    hie    K  raiiUlioit. 


Sannijä  ist  ilir  gpincinsjmu'i'  jSaiiic.  was  nach  Grünwedel*)  soviel  be- 
deutet als  convulsivisclie.  krankhafte  Zustände,  welche  in  Folge  von  Störungen 
der  (h"ei  Huniores  der  altindischen  ^Vfediciu  entstehen. 

Wir  haben  einige  dieser  Sannijä  schon  genannt.  Es  mögen  noch  ein 
paar  andere  liier  ihre  Erwilhuung  ünden.  Da  ist  der  Gulmasannijä .  der 
Teufel  der  AVurmkra  iikheiten.  der  Wdtasannijä,  der  Teufel  der  rheuma- 
tischen   Schmelzen,    der    Kanasannijd.    dvi    Teufel,    durch    welchen    der 

Kranke  sein  (Tesicht  einbüsst, 
der  Nagäsannijä  {Fig.  2),  der 
Teufel,  welcher  Schmerzen  ver- 
ursacht, die  denen  des  Bisses 
der  Brillenschlange  ähidich  sind. 
d(U'  Dschalasannijd  der  Teufel 
durch  den  der  Leil)  des  Kranken 
kalt  wkd  u.  s.  w. 

Diese  Masken  werden  zur 
Beschwörung  der  Kraukheits- 
Dämouen  in  der  Weise  benutzt, 
dass  der  Medicin-Mann ,  in 
diesem  Falle  der  sogenannte 
Teufelstänzer,  sich  eine  ganz 
schmale  Hütte  errichtet  mit 
einer  grossen  Anzahl  von 
Nischen,  in  deren  jeder  er  eine 
dieser  Masken  aufstellt.  Vor  der 
^Nlaske  errichtet  er  einen  kleinen 
Altar,  auf  welchem  er  dem  Dämon 
opfert,  wälu-end  der  Kranke  auf 
einer  Tragbahre  vor  ihm  liegt. 
Xach  dem  Opfer  nimmt  der 
Teufelstänzer  die  betreffende 
Maske  voi'  das  (lesicht  und 
tanzt  um  den  Patienten,  bis  er 
schliesslich  bewusstlos,  also 
wahrscheinlich  hypnotisii't,  zu 
Boden  fällt.  Er  wird  dann 
nach  Hause  getragen  und  nun 
niuss  der  Ki^anke  geheilt  sein. 
Holzmasken,  welche  Krauk- 
heits-Dämonen  mit  verzerrten 
die   Onondaga-lndianer    in 


Fig.  1.     Mahäkola   Yakschu   mit    seinen  18  ihn 

begleitenden  Krauliheits -Dämonen. 

(Singhalesen). 

Mus.  f.  Völkerkuude  Berlin.    Xach  Photographie. 


Menschengesichtern  darstellen,  haben  auch 
Nord-Amerika  (Fig.  ;j  u.  4).  Dieselben  sollen  die  bösen  Geister  Uondol 
bedeuten,  welche  iXvn  Menschen  Krankheiten  und  Unglück  bringen.  Sie 
weixlen  durch  Tänze  verstihnt  und  durch  Speise-  und  Tabaksopfer.  Dann 
aber  beschützen  sie  die  Menschen  und  bewahren  sie  vor  Kiaukheit  sowohl. 
als  auch  vor  Bche.xunü-  und  Bezaul)ei-ung. 


*j  In  nächster  Zeit  wird  eine  Monographie  ühev  diesen  Gegenstand  von 
Herrn  Grünwedel  als  Supplenientheft  zu  dein  Internationalen  Archiv  für 
Ethnographie  in  Leiden  erscheinen. 


4.  Das  Aussehen  der  Krankheitsdtuuoneu 


lö. 


Bildliche  Duistclluiigeii  vou  Diiiuoiien  der  Krankheit  findeu  wir  auch 
bei  den  wandernden  Zigeunern  des  südöstlichen  Europii  s.  Dieselben  glaubeiu 
dass  Ana,  die  schöne  Königin  der  Iveshalyi  oder 
Feen,  sich  wider  ihren  Willen  mit  dem  abscheulichen 
Könige  der  Lo(;olico,  der  Dämonen,  vermählt  und 
ihm  neun  Kinder  geboren  habe.  Das  sind  die 
neun  Mise^'e.  die  Bösen  d.  h.  die  Dämonen,  welche 
Krankheiten  bringen.  Sie  gingen  mit  einander 
Ehen  ein  und  haben  unzählige  Kinder  gezeugt, 
welche  ähnliche  Eigenschaften  Avie  die  Eltern  be- 
sitzen. Hieraus  erklären  sich  die  vielfachen  Varia- 
tionen im  Verlaufe  der  Krankheiten. 

Um  sich  vor  diesen  Dämonen  zu  schützen, 
luuss  man  seinen  Leib  oder  seinen  Arm  mit  einer 
besonderen  Binde  umgeben,  in  welche  das  Abbild 
des  Dämons  in  bestimmten  Farben  von  der  Zauber- 
frau hineingenäht  ist.  Auch  in  kleine  Holz- 
täfelchen brennt  sie  die  Dämonenfiguren  mit  einer 
glühenden  Nadel  ein. 

Diese      neun     Dämonen     sind      Melalo ,      der 
Schmutzige,     von     der    Gestalt     eines     weitaus- 
sclireiteuden  kleinen  Vogels  mit  zwei  Köpfen.    „Alle 
Krankheiten,  bei  denen  Paroxismus,   Bewusstlosigkeit.   aultritt,  werden  dem 
Melalo    zugeschrieben,    der    entweder    im    Leibe    des    Krauken    haust,    oder 


Vig   2.     ya{/äsaiaiijä, 
Krankheits  -  Dämon 
der  Singhalesen,   wel- 
cher Schmerzen  verur- 
sacht,   die    denen    des 
Brillenschlangenbis- 
ses ähnlich  sind. 
Mus.  f   Völkerkunde  Berliu. 
Nach  Photographie. 


Eig    3.     Holzmaslie  der 
Ononda<ja-In<lianer,  einen 
Krankheits-Däraon   dar- 
stellend. 
Mus.  f-  Völkerkunde  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Fig.  4.     Holzmaske  der 
Onondaga-Indianer,  einen 
Krankheits-Dämon  dar- 
stellend. 
Mus.  f    Völkerkunde  Berlin. 
Nach  Photographie. 


seinen  Nebel  darin  zurückgelassen  hat."  Lih/i,  die  Schleimige  (Fig.  5),. 
liat  die  Gestalt  eines  Fisches  mit  einem  langbehaarten  Menschenkopf. 
„Wenn    sie    in     den    Körper    eines    Menschen     hineinschlüpft    und    wieder 


16 


II.   Die   Krankheit. 


Tgulo, 


Fig.  5.     Lilt/i, 
Krankheits  Dämon 
Zigeuner. 

Nach  r.  Wlislocki. 


der 


Jiller  seiner  Geschwister. 
Appetitlosigkeit    ii.  s.  av, 


lierauskonimt.  so  lässt  sie  iu  seinem  Leibe  eines  ihrer  sclih'imigen  Haare 
ziu'ück,  wodurch  eben  die  schleimige  Krankheit  entstellt."  Tatarrhe  und 
Kuhr  werden  von  ihr  verursacht. 

der  Dicke,  der  Fette,  ..hat  die  (7esta.It  einer  kleinen  Kugel, 
welche  dicht  mit  kleinen  Stacheln  besetzt  ist.  Wenn 
er  sich  im  Leibe  des  Menschen  herumrollt,  so  verur- 
sacht er  die  heftigsten  TTnterleil)ss('hnierzeii:  l)esouders 
hal)en  schwangere  AVeiber  viel  von  ihm  zu  leiden.'" 

Tgaridyi,  die  Heisse.  die  Glühende,  „hat  die 
Gestalt  eines  kleinen  Wurmes,  dessen  Lei!)  dicht  mit 
Haaren  besetzt  ist.  Im  Leibe  des  ISfenschen  lässt 
sie  einige  Haare  zurück,  woduicli  die  ..Hitze'',  das 
Kindbettfieber  entsteht." 

Shilalyi,  die  Kalte.  ..erzeugt  im  Menschen  das 
kalte  Fieber  und  hat  die  Gestalt  einer  kleinen  weissen 
Maus,  die  unzählige  Füsse  besitzt." 

Bitoso,  der  Fastende,  ist  der  unschuldigste 
Denn  er  verui'sacht  nur  Kopf-  und  Magenschmerzen, 
,.Er  hat  die  Gestalt  eines  vielköpfigen  kleinen 
Wurmes ,  der  in  dem  betreffenden 
Körpertheil  durch  seine  ungemein 
laschen  Bewegungen  Schmerzen  ver- 
ursacht. Dieselbe  Form  besitzen  auch 
seine  Kinder,  die  ebenfalls  weniger  ge- 
fährliche Ki'ankheiten  erzeugen,  wie 
Zahnschmerzen,  Bauchgrimmen.  Ohren- 
sausen. Wadenkrämpfe  u.  s.  w." 

Lolmisho,  Rothmaus,  macht  die 
Ausschlagskraukheiten  und  hat.  wie 
schon  sein  Name  besagt,  die  Gestalt 
einer  kleinen  rothen  Maus. 

Mincesh'c^  die  vom  weiblichen  Geschlechtstheile,  vei'ursacht  die 
Krankheiten  der  Genitalien  sowohl  hei  den  Frjiuen,  Avie  bei  den  Männern, 
mit  Einschluss  aller  venerischen  Erkrankungen.  Sie  ruft  diese  Ki-ankheiteu 
dadurch  hervor,  dass  sie  des  Nachts  als  ein  haariger  Käfer  über  den  Tveib 
des  Menschen  hinwegkriecht. 

Poreskoro,  der  Geschwänzte,  ist  der  neunte  und  letzte  dieser  Krank- 
heits-Dämonen. Er  sowohl  als  auch  seine  Kinder  sind  hermaphroditischen 
G  eschlechts.  Cholera,  Pest  und  andere  Epidemien  sind  die  Krankheiten, 
welche  sie  bringen.  Auch  die  Seuchen  unter  dem  Vieh  werden  von  dieser 
Sippe  verursacht  (Fig.  6).  „Der  Foreskoro  hat  vier  Katzen-  und  vier 
Hundeköpfe,  ferner  einen  Vogelleib  und  einen  Schlaugenschweif.''  Brechen 
Epidemien  aus,  so  wird  sein  Bild  mit  glühender  Xad(4  in  ein  Holztäfelchen 
eingebrannt  und  dieses  dann  ins  Feuer  geworfen. 

x\uf  den  Kei-Inseln  wird  ebenfalls  ein  dämonisches  AVesen  figürlich 
dargestellt,  welches  von  den  Eingeborenen  als  Bringer  der  Krankheiten 
betrachtet  wird.  Es  ist  die  ülar  Näga  (Fig.  7),  eine  drachenartige,  liegende 
Holzfigur  mit    dickem   Kopf   und    phantastischen    H(iniern    und    mit    einem 


Fig.  6. 


foreskoro,  Krankheits-Dämon  der 
Epidemien.     Zigeuner. 

Nach  V.  Wlislocki. 


4.  Das   Aussehen    tler    Kiauklieitsdäiuoneu.  17 

l;iiig<'ii  Schwänze.  Vor  sich  hat  sie  (miic  kleine  Schale  von  Holz,  in  welclu' 
man  die  Opfergaben  legt,  din-ch  (he  man  die  Ki'ankheiten  ahzuwehnMi 
bemüht  ist. 

Dei-    Krankheitsbringer     (\n-   AI  tai -Völker    ist    dei-   schi-ecklicln^   Erlik 


Fiff.  7.     ülar-naga,  Kranklieits-Dämon  der  Kci-Insulaner. 
Mus.  f.  Völkerkunde  Berlin.    Nach  Photographie. 

Kan.    der  Beherrscher  (hn-  Unterwelt,   dessen    Aussehen  eine  von  Radlojf 
gegeltene  Beschwörungsformel  der  Schamanen  mit  folgenden  Worten  schild<>rt: 

„Du  Erlik^  auf  schwarzem  Rosse 
Hast  ein  Bett  aus  schwarzem  Biber, 
Deine  Hüften  sind  so  mächtig. 
Dass  kein  Gürtel  sie  umspannt, 
Deinen  Hals,  den  allgewalt'geu, 
Kann  kein  Menschenkind  umfangen; 
Spannenbreit  sind  Deine  Brauen, 
Schwarz  ist  Deines  Bartes  Fülle, 
Blutbefleckt  Dein  graues  Antlitz. 
0,  Du  reicher  Kan  EiHk. 
Dessen  Haare  strahlend  funkebi. 
Immer  dienet  Dir  als  Eimer 
Eines  todten  Menschen  Brust. 
Menschenschädel  sind  Dir  Becher, 
C-rrünes  Eisen  ist  Dein   Schwert. 
Eisen  Deine  Schulterblätter, 
Funkelnd  ist  Dein  schwarzes  Antlitz. 
Wellend  flattern  Deine   Haare. 
Bei  der  Thüre   Deiner  Jurte 
Stehen   viele   uiächt'gc   Throue. 
Einen  ird'nen   Dreifuss  hast   I)u. 
Eisern  ist  Dein  Jurtendach. 
Keitest  den  gewalt'gen  Ochsen. 
Zum  Bezug  für  Deinen  Sattel 
Reicht  nicht  eines  Pferdes   Haut, 
Helden  stürzen,  reckst  die  Hand  Du, 
Pferde  stürzen,   wenn  den  Bauchriem, 
Fürchterlicher,  Du   mir  festzielist! 
0,  Erlik,   Erlik^  mein  Vater! 
Was  verfolgest  Du  das  Volk  so? 
Sag",   was  Helltest  Du  zu   Grund  es? 
Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  2 


18  II.   Die    Kiaiikheit. 


Schwarz,  wie  Russ  ist  stets  Dein  Antlitz. 
Finster  glänzend,  wie  die  Kohle, 
0,  Erlik,  Erllk,  mein  Vater! 
Von  Geschlechtern  zu  Geschlechtern 
In  dem  langen  Lauf  der  Zeiten 
Ehren  wir  Dich  Tag'  und  Nächte, 
Von  Geschlechtern  zu  Geschlechtern, 
Bist  ein  hochgeehrter  Führer!" 


5.    Die  Greister  Verstorbener  als  Ursache  der  Krankheit. 

Au  die  böseu  Greister  scliliesseu  wir  u;iturgemäss  die  Seelen  der  Ver- 
storbenen oder  der  Vorfahren  als  die  Krauklieitsbringer.  beziehungsweise 
als  die  Krankheit  selber  au.  AVeuu  in  dem  Tode  die  Seele  vou  dem  Kör- 
])er  scheidet,  so  fliegt  sie  iu  vielen  Fälleu  unstät  in  der  Luft  umher  und 
ist  eifi-ig  bemüht,  vou  Neuem  iu  einem  Körper  sich  eine  andere  Behausung 
zu  sueheu.  Gelingt  ihr  dieses,  so  wird  derjenige,  der  nun  von  ihr  beseelt 
wird,  in  seinem  ganzen  körj)erlichen  (Tleicligewichte  beeinträchtigt,  —  er 
wird  krauk.  Eine  solche  Anschauung  finden  Avir  z.  B.  bei  den  Dacota- 
Indianeru  und  in  ähnlicher  Weise  auch  in  Ambon  und  den  Uliase- 
Inseln.  Aber  nicht  nur  der  Wunsch,  wiederum  ein  körperliches  Substrat 
zu  besitzen,  veranlasst  die  Seelen  der  Vorfahren  als  Krankheitserreger  in 
die  Menschen  zu  fahren,  sondern  auch  der  Zorn  über  allerlei  Vernachläs- 
sigungen und  Versündigungen  des  jetzigen  Geschlechts.  Wenn  wir  davon 
zu  sprechen  haben  werden,  dass  die  Krankheit  als  eine  Strafe  auftritt,  so 
werden  wir  uns  noch  einmal  mit  diesem  Gegenstande  beschäftigen  müssen. 
Die  soeben  besprochenen  Anschauungen  herrschen  vornehmlich  auf  den 
zahkeichen  InselgrupiDcn  des  malayi scheu  Archipels.  Die  Namen  tüi- 
diese  Art  umherschweifender  Geister  wechseln,  im  Wesentlichen  aber  kommt 
es  immer  auf  die  gleichen  Gedankengänge  hinaus. 

Bei  den  Papua  der  Geelvinkbai  in  Neu-Guinea  darf  eine  soeben 
ziu"  Wittwe  gewordene  Frau  lange  Zeit  hindurch  das  Haus  nicht  verlassen ; 
denn  wenn  sie  es  thäte  und  hierbei  anderen  Ijegegnete,  so  glaubt  man,  dass 
der  Geist  ihres  verstorbenen  Gatten  diesen  eini^  Krankheit  anhauchen  würde. 

Eüi-  ganz  besonders  gefährlich  werden  die  Geister  unter  besonderen 
Umständen  Gestorbener  erachtet,  so  namentlich  die  Geister  von  den  un- 
glücklichen Weibern,  welche  Avährend  der  Entbindung  oder  im  Wochenbett 
ihr  Leben  lassen  mussten.  Aber  auch  die  Geister  von  Schwangeren  und 
auch  von  Jungfrauen,  sowie  von  todtgeborenen  oder  gleich  nach  der  Geburt 
gestorbenen  Kindern  können  den  Ueberlebenden  grosse  Gefahren  bringen. 

„Die  Annamiten  fürchten  die  Con  Runh  oder  Con  Lön.  Es  sind 
das  die  Geister  todtgeborener  oder  in  sehr  zartem  Alter  gestorbener  Kinder, 
welche  immer  bestrebt  sind,  sich  zu  verkörpern  (Ion  bedeutet  in  das  Leben 
eintreten)  und  welche,  wenn  sie  in  einen  Kör])er  eingedrungen  sind,  unfähig 
sind,  zu  leben.  Man  nennt  ihren  Namen  nicht  in  der  Gegenwart  von 
Frauen,  da  man  fürchtet,  dass  sie  sich  sonst  an  diese  machen  möchten,  und 
eine  Neuvermählte  hütet  sich  in   dei-  gleichen  Furcht,  von  einer  Frau  etwas 


5.  Die  Geister  Verstorbener  als  Ursache  der   Krankheit.  19 

anzunehmen,  oder  ein  Kleidungsstück  zu  tragen,  welche  bereits  einmal  oder 
gar  mehirmals  unrichtige  Wochen  gehalten  hat."  Es  bedarf  besonderer  Maass- 
nahmen,  um  sich  von  den  einmal  an  der  Familie  haftenden  Con  Bank  zu 
betreien. 

Ehelos  gestorbene  Mädchen  bringen  in  Griechenland  Kindern  den 
Tod,  in  Siam  tödten  sie  diejenigen,  welche  sie  bei  ihren  Tänzen  überraschen. 
Auch  in  Serbien  tanzen  die  Seelen  von  Jungffauen  und  tödten  die  Jüng- 
linge; es  müssen  aber  Bräute  gewesen  sein.  In  Ann  am  veriu-sachen  sie 
( leisteski-ankheiten,  wie  wir  später  noch  sehen  werden.  In  Indien  fährt 
der  Geist  einer  im  Brautstande  Verstorbenen  in  den  Körjaer  der  späteren 
Frau  ihres  einstigen  Bräutigams  und  redet  aus  ihr  heraus  und  zwar  lau- 
ter Uebles  gegen  ihre  Nachfolgerin. 

In  hohem  Maasse  gefüi'chtet  sind  die  Geister  der  während  der  Entbin- 
dung gestorbenen  Frauen.  Auf  Java  suchen  dieselben  in  Ki'eissende  zu 
fahren,  und  diese  werden  dann  wahnsinnig.  In  dem  Seranglao-  und  Go- 
rong-Archipel,  auf  Amhon  und  den  Uliase-Inseln,  auf  den  Kei-Inseln 
und  auf  der  Insel  Djailolo  werden  sie  zu  bösen  Geistern,  welche  die 
Kreissenden  quälen  und  deren  Entbindung  zu  verhindern  suchen.  Auf 
J)jailolo,  auf  den  Kei-Inseln  und  ebenso  auch  auf  Selebes  stellen  sie 
auch  den  Männern  nach,  um  dieselben  zu  entmannen  und  sich  auf  diese 
AVeise  für  die  Befi-uchtung  zu  rächen,  welche  sie  ins  I^nglück  gestüi"zt  hat. 
Auch  die  vorher  erwähnten  Geister  der  Neugeborenen  in  Annam  werden 
von  dem  Geiste  einer  Avährend  der  Niederkunft  gestorbenen  Frau  gehütet, 
gewiegt  und  ausgesendet,  um  ihren  schädlichen  Einfluss  auszuüben. 

Bei  den  Ewe-Negern  an  der  Sklavenküste  werden  die  bei  der  Ent- 
bindung verstorbenen  Weiber  zu  Blutmenschen. 

Im  Wochenbett  gestorbene  Fi^auen  werden  in  Borueo  und  auf  Nias 
ebenfalls  zu  Dämonen,  welche  auf  ersterer  Insel  überhaupt  als  Plagegeister 
der  Lebenden  umherschwärmen,  auf  Nias  aber  hauptsächlich  den  Kreissen- 
den und  den  Schwangeren  nachstellen  und  den  letzteren  die  Frucht  im 
Mutterleibe  tödten,  so  dass  dieselben  abortiren. 

In  Annam  fahren  die  Geister  der  eben  an  den  Pocken  Gestorbenen 
in  ihre  Verwandten  und  macheu  sie  dadurch  ebenfalls  pockenkrank.  Das 
gilt  aber  nur  für  die  schweren  Formen  dieser  Krankheit:  die  leichten  schreil^t 
man  natürlichen  Ursachen  zu. 

In  Mittel-Sumatra  herrscht  der  Glaube,  dass  die  dem  Menschen 
Krankheiten  bringenden  Buschgeister,  Hantoc,  aus  dem  Blute  von  solchen 
Personen  entstehen,  welche  durch  irgend  einen  Unfall  verwundet  und  dabei 
ums  Leben  gekommen  sind. 

Die  Seelen  der  Gehängten,  der  plötzlich  Verstorbenen,  oder  der  durch 
die  Pest  dahingerafften  ^Menschen  Averden  in  Siam  zu  den  Dämonen  Phi- 
Tai-Hong. 

6.    Dämoiiisclic  Menschen  als  Ursache  der  Krankheit. 

Audi  dämonische  Menschen  vermögen  Bj'ankheiten  zu  verursachen. 
Wir  dürfen  sie  nicht  verwechseln  mit  Zauberern,  welche  ebenfalls,  wie  wir 
sehr  bald  sehen  werden,  allerlei  Ki-ankheit  erzeugen  können.  Die  dämo- 
nischen ]\renschen  dagegen   bringen   nicht  durch   Zauberki'aft.  welche  in   di(^ 

o  * 


20  II.   Dio   Krankheit. 

Fei'iic  wiikt.  soudeni  (lincli  cigciieii  (liicctoii  Angriff  aiii'  (h'ii  auserkoreueii 
Körper  die  Ki-niiklieit  zu  Staiido.  Ein  gutes  Heispiel  für  ihre  Thätigkeit  ist 
i\ov  allbekannte  Vanipyr,  und  auch  der  Wehrwolf  ist  hierbei"  zu  rechnen. 

Wir  müssen  einen  Ilebergang  zu  diesen  Anschauungen  })ereits  in  dem 
vorbei-  angeführten  (Tilauben  der  Ewe-Neger  erl)lieken.  nach  weh'hem  die 
im  Wochenbett  verstoi'benen  Weiber  zu  Hhitinenschen  werden.  Solch  einen 
Blutmenselien  ba])en  wir  uns  dodi  zweifellos  ganz  ähnlich  zu  denken  wie 
einen  Vampyr.  oder  noch  bc^sser.  wie  den  sogenannten  Doppelsauger  des 
pommerscheu  Landvolkes.  Die  Vorstellung  aber,  dass  lebendige  Men- 
schen in  dieser  AVeise  nnheilbringend  wirken  können,  findet  sich  bei  d(Mi 
eingeborenen  INIalayen  von  Mittel-Sumatra.  Hier  führen  solche  dänio- 
]iische  ]V[ens('ben  den  Namen  Paläsieq. 

..Die  Paläsieq.  sagt  van  Hasselt,  sind  eigentlieb  keine  (reister.  son- 
dern Menschen,  welche  die  Macht  haben,  den  K()|)f  mit  dem  Halse  oder 
auch  die  Eingeweide  von  ihrem  Körper  zu  trennen,  so  dass  die  Theile  ein 
selbstständiges  Ganzes  bilden,  das  meistens  Kaclits  den  Körper  verlässt,  um 
umherzuschleichen,  wo  Jemand  gestorben,  verwundet,  ei-mordet  oder  geboren 
ist,  um  da  das  Blut  aufzulecken.  Unter  das  Hans,  worin  ein  Kind  gel)oren 
ist,  legt  man  darum  allezeit  Doi'nbüscbe.  um  die  Paläsieq  abzuAvehren. 
Ist  Jemand  verwundet  und  kann  ]uan  das  ausströmende  Blut  nicht  stillen, 
dann  heisst  es:  .,der  Paläsieq  hat  an  der  AVunde  gesogen";  dadurch  ist 
diese  unheilbar  gewoi'den  und  der-  Verwundete  mnss  sterben.*' 

„Es  besteht  ein  grosser  Abscheu  vor  einer  Heirath  mit  Jemandem,  der 
Paläsieq  ist.  aber  dennoch,  sagt  der  Malaye,  kommen  diese  Heirathen  vor, 
Aveil  man  es  nicht  immer  weiss.  Der  Paläsieq  hat  tbe  Macht,  sich  un- 
sicbtliar  zu  machen,  jedoch  ist  er  dann  an  seinem  Geräusch    zu  erkennen." 

An  der  Loango-Küste  können  bestimmte  Zauberei"  unsichtbar  bei 
Nacht  ihre  Opfer  Ix^schleichen  und  ihnen,  gleich  einem  Vampyr.  das  Blut 
aussaugen. 

In  der  Provinz  Cueba  in  Mexico  gal)  es  nach  den  Berichten  von 
Oviedo  eine  ausserordentliche  Plage,  welche  durch  dit^  erschreckliche  Aus- 
dehnung des  Saugens  schaudererregende  Folgen  herbeiführte.  Die  Personen, 
Männer  und  Frauen,  Avelche  diese  dämonische  Gewohnheit  anfingen,  wurden 
von  den  Spaniern  Chupadores  genannt.  Sie  gingen  des  Nachts  aus,  um 
bestimmte  Einwohner  zu  l)esuchen.  An  diesen  sogen  sie  stundenlang  und 
wiederholten  dieses  Nacht  für  Nacht,  bis  endlich  ihre  unglücklichen  Opfer 
so  dürr  nnd  abgemagert  waren,  dass  sie  in  vielen  Fällen  vor  Ei'schöpfnng 
starben. 

Es  erinnert  dieses  alles  an  einen  auch  heute  noch  bestehenden  Aber- 
glauben der  Süd-Slaven,  bei  welchen  diese  däiiKmischen  Menschen  aber 
keine  besondere  Gruppe  des  Volkes  bilden.  Bei  ihnen  hat  jegliches  Weib, 
das  zur  Hexe  geworden  ist.  die  Fähigkeit  und  die  Gewohnheit,  derartiges 
Unheil  anzurichten.  Allerdings  muss  sie  nach  dem  Glauben  der  Mon- 
tenegriner, um  diese  Fähigkeit  zu  erlangen,  zuvor  ihr  eigenes  Kind  ge- 
fressen haben.  „Ueberfällt  wo  eine  Hexe  einen  Schläfer,"  schreibt  Krauss, 
„so  versetzt  sie  ihm  mit  ihrer  Zaubergerte  vorerst  einen  Streich  über  die 
linke  Brustwarze,  Avorauf  sich  der  Brustkorb  von  selber  öffnet.  Die  Hexe 
j'eisst  nun  das  Herz  heraus,  frisst  c^s  auf,  und  die  Wunde  in  der  Brust 
wächst  von   selber  gleich  wieder  zu.     blanche   ausgew<'idete  Menschen  ster- 


7.   Tliiere  im   Kia'per  als  Ursache  der  Krankheit.  21 

heil  auf  der  8telle,  auck^re  Avieder  sclileppeii  ilir  Dasein  noch  einige  Zeit 
weiter,  soviel  Lebensfrist  ihnen  die  Hexe  nach  der  That  noch  zu  beschei- 
den ilir  gut  befunden,  ja  sie  l)estimmt  ihnen  noch  die  besondere  Todesart, 
an  wek'her  sie  sterben  müssen.  Zuweilen  betlieiligen  sich  auf  einmal  mehrere 
Hexen   an  solchem    Mahle." 


7.    Thiere  im  Körper  als  Ursache  der  Kraiiklieit. 

Die  Krankheit,  aufgefasst  als  ein  Thiei'.  (bis  in  den  menschlichen  Körper 
gerathen  ist.  finden  wir  wiederum  l)ei  sehr  vielen  A'ölkerschaften.  Sehr  richtig 
sagt  bereits  van  Hasselt,  dass  dieses  Thier  im  (Truude  genommen  dann 
<loch  weiter  nichts  ist.  als  ein  böser  Geist,  der  eben  in  dieser  Gestalt  sich 
verkörpert  hat.  Darum  sjirechen  auch  in  solchen  Fällen  die  Dacota-In- 
dianer  bisweilen  nicht  von  einem  Thiere  selbst,  sondern  von  dem  Geiste  des 
betreffenden  Thieres.  Diese  Thiere  können  nicht  nur  kleine,  wirbellose  Thiere 
sein,  sondern  auch  Reptilien  und  Am])hibien.  Yögel  und  sogar  Säugethiere. 
Ja  als  ein  Curiosum  müssen  wir  es  hier  anfügen,  dass  die  Dacota-In- 
dianer  selbst  eine  Besessenheit  durch  einen  Baum  für  möglich  halten. 
Unter  den  Thieren,  welche  als  Krankheit  in  den  menschlichen  Körper  ein- 
dringen, steht  bei  weitem  in  Bezug  auf  die  geographische  Verbreitung  obenan 
der  Wurm.  Entweder  ist  es  nur  ein  einzelner,  oder  es  sind  deren  gleich 
mehrere.  Wir  müssen  es  natürlicherweise  unentschieden  lassen,  in  wie  weit 
(üne  wirkliche  Naturbeobachtung  zu  einer  solchen  Aulfassung  der  Krank- 
heit beigetragen  hat.  Es  kann  ja  doch  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
bei  den  in  nicht  zu  kalten  Klimateu  lebenden  Völkern  die  Wunden,  welche, 
wie  wir  später  sehen  werchMi.  sehr  häufig  ohne  jeglichen  Verband  gelassen 
werden,  den  Eliegen  zum  Absetzen  ihrer  Eier  dienen  und  sich  daher  sehr 
bald  mit  Fliegenlarven,  d.  h.  also  nach  dem  allgemeinen  Sprachgebrauch e 
mit  Wlirmern  bedecken  werden.  Sd  haben  die  Verletzten  also  Würmer 
aus  ihrem  Köqier  hervorkriechend  siciitbailich  vor  Augen,  und  das  Brennen 
und  Schmerzen  der  Wunde  mögen  si(>  wohl  als  durch  diese  unschuldigen 
Thiere  verursacht  betrachten.  Auch  das  gelegentliche  Abgehen  von  Hel- 
n»inthen  Imngt  ihnen  wohl  die  Ueberzeugung  bei,  dass  ihr  Körper  von  Wür- 
mern bewohnt  sein  könne,  und  es  ist  dann  doch  nur  ein  Schritt,  dass  bei 
grösseren  Leiden  die  kleineii  Würmer  sich  in  ihrer  Phantasie  auch  zu 
grösseren  Thieren  entwickeln. 

Izidlanga,  d.  h.  Fresser,  nennen  die  Xosa- Iv  affern  solche  Thiere  im 
Körper. 

An  einen  A\'^urm  als  Personification  der  Krankheit  glauben  die  Sioux 
und  einige  ihnen  benachbarte  1  ndianer-Stännne.  aber  auch  die  Central- 
Mexicaner.  I'eiiicr  die  Harrari  in  Afrika,  die  Siamesen.  (he  Aaru- 
Insulaner  und  die  Eingeborenen  von  Selebes  und  von  Mittel-Sumatra: 
ebenso  auch  die  vorher  schon  erwähnten  Xosa-Kaffern. 

Die  Annaniit(Mi  l)etrachten  einen  Wurm  im  Körpei-  als  das  AVesen 
und  die  Irsache  der  asthmatischen  Beschwerden.  Dieser  W^urm  hat  die 
fatale  Gewohnheit,  bei  dem  Tode  seines  AVirthes  dessen  Körper  zu  verlassen 
und  sich  einen  der  Verwandten  oder  der  Freunde  des  Verstorbenen  als 
neue  AA'ohnung  auszusuchen.    Die  Folge  dieses  Aberglaubens  ist,  dass  einen 


22  IL   Die   Krankheit. 

sterbendeu  Asthmatiker  die  Ficiijule  luid  Vorwinultcii   im   Stii-lie  lassen  und 
froniden  Leuten  seine  letzte  Pflege  ül)ei-trageit. 
Ancli  Hioh  klagt  in  seiner  Krankheit: 

Mein  Fleiscli  ist  um   und   um   würmiclit. 

Vm\  ähnlieh  tritt  in  dem  deutschen  Volksglauhen  der  AVui'in  oder 
melirere  AVürmer  im  Körper  ganz  unverkennljar  als  die  Krankheit  auf.  Am 
hekanntesten  ist  das  Panaritium.  der  Wurm  am  Finger;  ein  audi  den 
Si anlesen  geläufiger  Begriff.  Aber  auch  sonst  noch  treffen  wir  melirfach 
auf  AVimner  als  das  Wesen  der  Krankheit,  was  namentlich  in  manchen 
Beschwörungsformeln  recht  deutlich  zu  Tage  tritt. 

Es  heisst  in  einer  Beschwörungsformel  für  ein  krebsartiges  (beschwur, 
wclclie  in  Xeudorf  bei  Graudenz  gebräuchlich  ist: 

Der  Herr  ging  zu  ackern  auf  des  Herrn  Acker, 

Er  nahm  drei  Fuhren  im   dürren  Wacker ii, 

Er  fand  drei  Würmer. 

Der  erste  hiess  Gehwurm, 

Der  zweite  hiess  Streitwurm, 

Der  dritte  hiess  Haarwurm, 

Alle  Würmer  haltet  ein. 

Lasset  ab  von  des  Nächsten  Fleisch  und  Bein. 

Bei  den  Klamath-Indianern  und  ebenfalls  bei  den  Sioux  und  den 
Xosa-Kaffern  kann  das  Thier  aber  auch  ein  Insect,  bei  den  Cential- 
]\[exicanern  eine  grosse  xVmeise  sein.  Den  Frosch  als  Ki'ankheit  treffen 
wir  bei  den  Klamath-  und  den  Karok-  und  anderen  Indianern  Xord- 
Califoinieus,  die  Schlange  bei  den  Klamath,  den  Karok  uucj^bei  den 
Eetar-Insulanern,  die  Eidechse  bei  den  Xosa-Kaffern  und  die'Schild- 
kröte  bei  den  Dacotas. 

Ein  Yogel,  und  zAvar  im  Kopfe  des  Kranken,  veranlasst  auf  Eetar 
die  Epilepsie,  und  auf  den  Tanembar-  und  den  Timorlao-Inseln  die 
Epilepsie  und  die  Geisteskrankheiten.  Wir  Deutsche  sind  also  nicht  be- 
rechtigt, uns  auf  die  Neuheit  unseres  Gedankens  etwas  einzul)ilden. 

Ein  Holzspecht  ist  es  bisweilen  bei  den  Twana-,  den  Chemakum- 
nnd  den  Klallam-lndianern,  Avelcher  am  Herzen  seines  Opfers  herumpickt. 

Wenn  es  dem  Arzte  in  Slam  gelingt,  die  höchst  gefährlichen  Krank- 
lieits-Dämonen  Phi  Xin  aus  dem  Kör^ser  des  Patienten  herauszutreiben,  so 
sieht  mau,  wie  sie  in  der  (restalt  eines  schwarzen  Yogels,  einer  Krähe  ähn- 
lich, von  dannen  fliegen.  Dann  darf  der  Arzt  aber  nicht  von  dem  Kranken 
gehen,  denn  wenn  er  ihn  verlassen  würde,  so  kehrt  im  Augenblick  der  dä- 
monische Yogel  in  seine  vorige  Behausung  zmiick  und  zerhackt  dem  Pa- 
tienten die  Eingeweide  und  dann  erfolgt  unausbleiblich  der  Tod. 

Auch  bei  den  Klamath-Indianern  in  Oregon  werden  bisweilen 
verschiedene  Yögel  als  die  Biinger  der  Krankheit  verantwortlich  gemacht. 
Sie  rühmen  sich  dessen  selber  in  Beschwörungsgesängen.    So  lautet  der  Eine: 

„Ich,  der  junge  Holzspecht,  habe  Krankheit  herbeigebracht." 

Ein  andei-er  heisst: 

„Die  von  mir.  der  Lerche,  gebrachte  Krankheit  breitet  sich  überall  aus." 


I 


S.   Fremde   Substanzen  im   Kriryter  sind  die  Krankheit.  23 

Ancli  der  Kranich  und  mehrere  Enten  treten  als  Krankheitserreger  auf: 

„Die  gebrachte  Krankheit  kommt  von  mir,  dem  jungen  Wäkash-Kranich." 
„Eine  Krankheit  ist  gekommen,  und  ich,  die  Wä-u'htuash-Ente,  habe  sie 
hervorgerufen. " 

Die  Mämaktsu-Ente  und  die  Mpampaktish-Eute  singeu  jede: 

„Bauchschmerz  ist  die   Krankheit,  welche  ich  mit  mir  bringe."] 

Aber  auch  noch  grössere  Tliiere  können  im  Körper  des  erki-ankten  ^leii- 
schen  stecken,  entweder  in  Substanz  oder  als  Geist  des  Thieres.  Das  kann 
bei  den  T^vana-.  den  Clieniakuni-  und  den  Klallam-Indianeru  ein 
Eichhörnclieu.  bei  den  Sioux-lndianeru  ein  Stachelschwein  sein, 
auf  den  Luaug-  und  Serniata-Iuselu  ein  Bock,  auf  deu  Inseln  Leti, 
]\roa  und  Lakor  eine  Ziege,  in  den  beiden  letzten  Fällen  als  Hervorbringer 
der  Epilepsie. 

Die  Otter  wird  bei  den  Klainath-iudiaueru  für  die  Pocken  verant- 
wortlich genuicht.  Der  Mediciu-Mann  singt  bei  der  Beschwörung  in  ihrem 
Namen: 

„Die  Pocken,  von  mir  gebracht,  der  Otter,   sind  bei  Euch," 

und  der  Chor  fällt  dann  ein: 

„Der  Otter  Schritt   hat  den  Staulj   aufgewirbelt." 

Bei  den  Dacota -Indianern  kann  das  in  deu  Körper  des  Patieuten 
eingedrungene  Thiei-  sogar  ein  Hirsch  sein,  oder  ein  Bär, 

Ein  Bär  wird  auch  deu  Twana-Iudiauern,  sowie  den  Chemakum 
und  den  Klallam  von  bösen  Zauberern  in  das  Herz  gesclückt.  um  an  ihm 
zu  fi'essen  und  sie  auf  diese  Weise  ki-ank  zu  machen. 

Hier  schliesst  sich  ein  Glaube  der  Sianiesen,  der  Karen  und  der 
J.aoten  an.  ül)er  welchen  Bastian  berichtet  hat: 

..Die  Zauberer  der  Laos  sowohl  wie  die  der  Karen  sind  wohlerfahren 
in  der  Sai  Khun  genannteu  Zauberkunst,  indem  sie  sich  auf  die  Haut 
eines  Büffels  oder  eines  Ochsen  setzen  uud  dieselbe  dui'ch  Hexerei  kleiner 
und  kleiner  zusammenschrumpfen  lassen,  so  dass  sie  zuletzt  zu  weniger  als 
Handbreite  reducii't  wird.  Dieses  conipnmirte  Stück  wird  dann  in  Wasser 
aufgelöst,  und  wenu  mau  davon  gegen  einen  Menschen  spritzt,  so  erfolgt 
der  Tod,  da  in  dessen  Innerem  sich  die  Haut  Avieder  zu  der  m'sprünglicheu 
Form  eines  Ochsen  oder  Büffels  aufbläht  und  so  deu  Körper  zerreisst.  Beim 
Verbrennen  der  Leiche  eines  so  Getödteten  bleibt  ein  Klumpen  zäher  Masse 
unverkohlt  zurück,  und  die  Siamesen  bestechen  oft  die  Bestatter,  ihneu 
ein  Stück  davon  zu  verschaffen,  denn  wer  ein  Stück  davon  gegessen  hat, 
bleibt  für  die  Folge  gegen  solchen  Zauber  geschützt." 


8.    Fremde  Substanzen  im  Körper  sind  die  Kranlilieit. 

Von  diesen  Anschauungen  ist  es  eigentlich  nur  noch  ein  Schritt  bis  zu 
dem.  Glauben,  dass  die  Krankheit  ein  in  dem  Inueren  des  Patienten  stecken- 
der Fremdkörper  sei.  Diese  Fremdkörper  werden  bei  verschiedenen  Volks- 
stämmen den  Leidenden  und  iliivr  Umgebung  ad  oculos  demonstrirt.  indem 
der  Arzt  sie  aus  ihrem  Köi|h  r  heraussaugt  und  sie  dann  aus  seinem  Munde 


21 


II.   Die    Kraiiklioit. 


/um  V^)rscli('in  hriugt  (Kii;-.  s).  T^ci-nrtigc  Ycrkürpcruiigcii  dvv  Krankhcdt 
sind  /.  B.  Strolilialinc  bei  den  Austialiici^iciii  in  Victoria,  Holzstücke 
in  Vic-toria.  Süd-Autstralicn.  anf  den  Aaru-Inscln  und  auf  den  Tn- 
s(dn  Eotar.  Lcti,  ISIoa  und  Lakor;  ehw  Bohne  bei  den  Xosa-Katfcrn, 
Dornen  auf  den  di'ei  zuletzt  ifeiuinnten  Inseln  und  auf  Selebes.  Ein 
ErdklunijxMi  ist  es  auf  Eetai-.  ein  Stückchen  Kohle  in  Süd-Australien, 
ein  Eisenstück  bei  uoid.inieiika  nischen  Indianern,  ein  Korallen- 
stück auf  den  Kei-Tnseln,  Muschelschalen  auf  den  letzteren  uinl  auf 
Leti,  Moa  und  Lakoi-.  Nordanierikanische  Indianer  sehen  als  die 
verkörperte  Krankheit  auch  bisweilen  die  Krallen  eines  Thieres  an,  die 
T'atzen  eines  Bären,  die  Stacheln  des  StachelscliAVfiins,  die  Einge- 
borenen Victorias  ein  Stück  Opossumfell.  Fischgräten  sind  die  Krank- 
lunt  häufig  auf  Eetar.  auf  licti,  Moa  und  Lakor,  auf  den  Aaru-  und 
Kei-Inselu,  Knochenstücke  auf  den  Kei- Inseln  und  den  Inseln  Buru 
und  Eetar.  bei  den  Sianiesen,  bei  den  Australnegern  in  Süd-Austra- 
lien und  Victoria,  sowie  bei  den  Klaniath-1  ndianern  und  bei  verschie- 
denen Stämmen  in  Britisch-r^)lumbien.  Als  ein  Stein 
markirt  sich  die  Krankheit  auf  Selebes,  Eetar.  Leti, 
Moa.  Lakor,  den  Kei -Inseln,  in  Siam  und  bei  den 
Ipurina-Indianern  in  Brasilien,  aber  auch  bei  sehr 
vielen  nordamerikauischen  Indianer-Stämmen. 

Bei  den  letzteren  ist  die  Sache  aber  wohl  noch  ein 
wenig  anders  aufzufassen.     Der  einer  besonderen  Ordens- 
verbindung angeliörige  Arzt  bringt  allerdings,  wenn  er  die 
Krankheit  von   dem   Patienten   fortgenommen   hat,   einen 
Stein    aus    seinem  Munde    lieiwor,    aber    es   ist   jedesmal 
derselbe,    der    ausserdem    auch    noch    zu    anderweitigen 
Ceremouien    gebraucht    wird.     Und   da  nun  bei  gewissen 
Stämmen     sich     die     vier     verschiedenen    Grade     dieses 
Ordens  unter  anderem  auch  durch  die  Form  dieser  Steine 
untei'scheiden  (für  welche  übrigens  auch  Schneckenhäuser 
in  Kraft  treten),   so  wird  man,  wie   ich  glaube,  Avohl  den 
Vorgang    so    auffassen    müssen,    dass    die    dem    Ivi'anken 
Fig.  8.     Krallen  imd   entnommcMie.    nicht    nähei'    substantiirte  Ki-ankheit  dui'ch 
Fellstücke,  welche  der   ({[^    übernatürliche   Kraft    des    Arztes    in    dessen    ^Nfunde 
Klamath'-In dianer   gl«it'hsam  zu  der  Form  des  betreifenden  Steines  coagulirt, 
dem  Kranken  aussaugt,   aber  dass  nicht  etwa    dieser  Stein   (oder  das  Schnecken- 
^"'-  filriif '""'^'      liaus)  selber  als  Krankheit  in  dem  Körper  des  Leidenden 
Nach  Photographie       gesesscu  habe. 

Wir  tinden  auch  noch  bei  anderen  Völkern,  dass  die  Krankheit.  \v(^nn 
man  so  sagen  darf,  als  ein  körperloser  IVemdkörper  aus  dem  Patienten 
entfernt  und  dann  fortgeworfeu  oder  ausgespieen  Avird;  so  bei  denBilqula, 
den  Isthmus-Indianern,  den  Bakairi  in  Brasilien  und  den  Eingr- 
borenen  in  Süd- Australien  und  Victoria. 

Einer  besonderen  Art  eines  fremden  Stoffes,  welcher  die  Krankheit 
vcriusachen  kann,  hal)en  wir  noch  zu  gedenken.  Die  Ni asser  nämlich 
glauben,  dass  die  Bela,  die  bösen  Geister,  gewisse  Stoffe,  namentlich  Asche 
auf  den  Kör])er  Averfen,  wodurch  dann  Stiche  und  Hautausschläge  entstehen. 
Hieran  erinnei't  ein   Zauber  (\vv  A nstra1n(^trei'  in  Victoria. 


9.   Die   Krankheit   veimrsaclit   dunli   einen   ma.i^ischen    Scbnss.  25 

„Ein  Stück  Baniiiiinde  wird  in  die  Hand  gcuoninien  und  heisse  Asche 
Avird  nach  der  Hiniinelsgegeiid  geworfen,  wo  man  weiss,  dass  der  feindliche 
Stamm  higei't.  und  ein  Gesang  wird  angestimmt  und  alle  Vögel  iu  der  Luft 
Averdcm  anfg<'f()i'dert.  (li(^  Asche  fortzutragen  und  sie  auf  den  bestimmten 
]\Iann  fallen  /u  lassen.  Die  Asche  verursacht  es.  dass  sein  Fleisch  ver- 
tiocknet,  und  der  ]\Iann  verdorrt  und  wird  wie  ein  abgestorbener  Baum. 
Er  ist  nicht  fähig,  sich   umherzubewegen,  und  endb'ch  stirl)t  er."' 


9.    Die  Krankheit  verursaclit  durcli  einen  magischen  Schuss. 

Einer  l)esonderen  Art  von  Fremdkcirper  müssen  wir  noch  gedenken, 
das  ist  das  in  den  Körjjcr  des  Kraid<en  eingedrungene  magische  Ge- 
schoss.  Dasselbe  kann  eine  ( Jewehrkugel  sein  oder  ein  Stein,  ein  Geschoss 
von  Stroh  oder  eine  Kugel  von  Haaren.  AVir  tinden  dasselbe  bei  vei'schie- 
(hnu'u    1  ndianei-Stännnen   duicli   unsere  Berichterstatter  erwähnt. 

So  glauben  die  1  purina- 1  ndiauer  iu  Brasilien,  dass  ihre  M<'dicin- 
AEänner  im  Staiule  sind,  Abwesende  durch  ihre  mit  magischer  Kraft  begab- 
ten Medicin-Steine  zu  verletzen  uiul  zu  tödten.  Der  Mediciu-Mann  wirft  sie 
in  der  entsprechenden  Richtung,  in  welcher  er  den  Auserlesenen  vernrnthet, 
gegen  diesen.  Derselbe  emptindet  dann  sofort  einen  heftigen  Stich.  Avie  von 
einei-  Wes])e.  und  von  dieser  Zeit  an    siecht    er    laugsam    dahin   und  stirl)t. 

Von  den   Creek-Indianern  l)erichtet  Caler  Swan  im  Jahre   1700: 

..Stiche  in  der  Seite  und  rheumatische  Schmerzen,  welche  bei  ihnen 
hantig  sind,  Averden  oft  als  AVirkung  magischer  Wunden  betrachtet.  Sie 
glauben  fest,  dass  ihre  Feinde  unter  den  Indianern  die  Kraft  besitzen, 
sie.  Avenn  sie  im  Schlafe  liegen,  auf  eine  Entfernung  von  .")()()  Meilen  zu 
schiessen.  Sie  beklagen  sich  oft,  dass  sie  von  einem  ChoctaAV  oder 
ChicasaAv  aus  der  Mitte  dieses  A'olkes  geschossen  Avorden  sind,  und  sie 
schicken  oder  gehen  direct  zu  der  erfahrensten  Aerztin.  um  Hülfe  zu 
suchen.  Die  erfahrene  Frau  erzählt  ihm,  dass  das,  Avas  er  beobachtet  hat, 
wirklich  Avahr  sei,  und  beginnt  ihn  auszufragen  und  die  Cur  zu  machen. 
Jn  diesen  Fällen  ist  Ritzen  und  Schröpfen  das  Heilmittel;  oder,  Avas  oft 
statttiiulet.  sie  saugt  an  dem  befallenen  Theile  mit  ihreiu  Munde  und  bringt 
vor  seine  Augen  ein  Fragment  einer  Kugel,  oder  Stücke  von  Stroh,  Avelche 
sie  vorsorglich  in  ihrem  IMunde  verborgen  hatte,  um  den  Glauben  an  das- 
jenige zu  befestigen,  was  sie  versichert  hatte;  darauf  werden  Avenige  magische 
^Franke  verordnet,  und  dei"   Patient  ist  gesund  gemaciit." 

Eine  an  Brustfellentzündung  leidende  Cliocta  w-1  ndianerin  war  nach 
der  Aussage  des  Aledicin-AIannes  von  einem  Zauberei'  mit  einer  magischen 
Kugel  von    Haaren   geschossen  Avorden. 

Die  Zauberei-  der  TAvana-.  der  (  Mi  ein  a  k  ii  ni  -  und  (h'r  Klailani- 
I  II dianer  vermögen  ihren  Ojifern  eine  magische  Kugel  oder  einen  Stein 
in  das  Herz  zu  schiessen.  Hierdurch  erzeugen  sie  Krankheit  und  endlich 
den  Tod.  und  es  ist  ein  ganz  feststellender  Glaube,  dass  wenn  man  das 
Herz  eines  Verstorlieiien  öffnet,  man  den  Freiiidkclrper  noch  (h-iriii  zu  tinden 
v(^rmag. 

Die  Eingeborenen  von  N'ancouver  haben  einen  ähnliciieii  ( Hauben. 
Jacohsen  hörte  vom  Alissioiiar  Croshy.  dass  ein  junger  Indianer  seiner 
St.ition   einst   einen    Medicin-AIann    neckte.      Dieser   rief  ihm   im   Zorne  zu: 


26  n.  Die   Kranklioit. 

,.Du  wirst  in  sechs  A\'oclirn  sterben."  Dci-  junge  INlann  wurde  stiller  und 
stillei"  er  legte  sich  hin  und  wurde  krank  und  ^var  fest  davon  überzeugt, 
dass  der  Medicin-^NFann  ihm  einen  Stein  in  das  TTci/  geschossen  liabc. 
Aller  Zuspruch  war  vergeblich  und  noch  vor  dem  Ablaufe  des  gestellten 
Tennines  führte  seine  Melaucholic  zum  Tode. 

Die  Eingeborenen  von  Xord  -  (!  ipjjsland  in  Australien  sclnuMbcn 
eine  Reihe  ihrer  Ei-krankungen.  welche  sie  Tundung  nennen  (Brust- 
attectionen  und  heftige  Schmerzen  im  iVbdonien).  dem  bösen  Geiste  IJrewin 
zu.  Dieser  wirft  den  ^Menschen  das  spitze  Ende  seines  Murraw-un.  seines 
Wurfstockes,  in  den  Körper,  imd  um  diesen  wieder  zu  entfeiiien,  muss  man 
einen  monotonen,  drohenden  Gesang  anstimmen,  welcher  lautet: 

.,0  Brav  in,  ich  vermuthe,  Du  hast  Tunduug  gegeben  oder  das  Auge 
(d.  h.  das  scharf  umgebogene  Ende)  des  Murrawun." 

Wem  fiele  hier})ei  nicht  unser  Hexenschnss  ein,  der  l)ei  den  Ein- 
wohnern von  Wales  als  Elbenschuss  bezeiclmet  wird.  In  Irland 
brauchten  die  Bauern  Feuerstein-Pfeilspitzen  in  Silber  gefasst.  die  sie  als 
Eiben-Pfeile  (Elf-arrows)  betrachteten,  als  Amulet  gegen  den  Elbenschuss. 

Nilsson  erzählt,  dass  die  Lappen  von  den  benachbarten  Stämmen 
für  zauberknndig  gehalten  wurden.  ..Sie  wussten  dies  und  drohten  dem- 
jenigen, der  ihnen  nicht  geben  wollte,  was  sie  verlangten,  einen  Gan  auf 
ihn  zu  schiessen.  Die  Gaue  bestanden  nach  Mone  in  Idäulicheu  flügellosen 
lusecten.  w'elche  der  zauberkundige  Lappe  in  einem  ledernen  Säckchen  in 
der  Nähe  seiner  Götterbilder  zu  bewahren  pflegte.  Wollte  er  einem  Xeben- 
inenschen  Schaden  zufügen,  so  schoss  er  einen  Gan  auf  ihn.  und  alsobald 
fühlte  das  gedachte  Individuum  einen  jähen  Schmerz  (Lappenschuss).  der 
bisweilen  in  langwierige,  bösartige  Ivi'aukheit  überging." 

Den  homerischen  Griechen  vor  Ilium  brachte  Apollo  mit  seinem 
Geschosse  tödtliche  Ivi-ankheit  (I,  43 — 53). 

.,Ihn  hörete   Phöbos  Apollon, 

Und  von  den  Höh'u  des  Olymp os  enteilet  er,  zürnenden  Herzens, 

Er  auf  der  Schulter  den  Bogen  und  wolilversclilossenen  Köcher, 

Laut  erschollen  die  Pfeil'  an  der  Schulter  des  zürnenden  Gottes, 

Als  er  einher  sich  schwang;  er  wandelte,  düsterer  Nacht  gleich; 

Setzte  sich  drauf  von  den  Schüfen  entfernt,  und  schnellte  den  Pfeil  ab: 

Gi'aunvoll  aber  erklang  das  Getön  des  silbernen  Bogens. 

Nur  Maultliier'   erlegt'  er  zuerst  und  hurtige  Hunde; 

Doch  nun  gegen  sie  selbst  das  herbe  Geschoss  hinwendend, 

Traf  er,  und  rastlos  brannten  die  Todtenfeuer  in  Menge; 

Schon  neun  Tage  durchflogen  das  Heer  die  Geschosse  des  Gottes." 

Im  Buche  Hiob  begegnen  wdr  ebenfalls  der  Auffassung  dei-  Krankheit 
als  eines  göttlichen  Geschosses.     Hiob  klagt  (6.  4): 

..Denn  die  Pfeile  des  Allmächtigen  stecken  in  mir." 

und  34,  5.  0  wirft  ihm  sein  Freund  Eliliu  von  Buss  vor: 

„Denn  Hioh  hat  gesagt:  Ich  bin  gerecht,  iind  Gott  weigert  mir  mein 
Recht.  Ich  muss  liegen,  ob  ich  wohl  recht  habe,  und  bin  gequälet  von 
irieinen  Pfeilen,  ob  ich  wohl  nichts  verschuldet  habe." 

Aber  selbst  noch  in  der  christlichen  Kunst  des  16.  Jahrhunderts  finden 
wir  die  Beweise   dafür,   dass   die  Vorstellung  eines  schiessenden   Gottes  in 


i 


10.    Die   Krankheit  entsteht  als  Sti-afe.  27 

dem  Bewusstsein  des  Volkes  noch  immer  lebendig  geblieben  war.  So  be- 
findet sich  in  der  Bnrgkapelle  des  Schlosses  Brück  bei  Lienz  in  Tirol 
<'in  dem  10.  Jahrhnndert  entstammendes  Frescogemälde.  ant'  welchem  (ilott 
Vater  vom  Himmel  heral)  auf  die  Menschen  mit  einem  Bogen  schiesst. 
Die  Mutter  Gottes  tritt  aber  dazwischen  und  breitet  ihren  Mantel  über 
ihren  Schutzbefohlenen  aus  und  nun  Termögen  die  göttlichen  Pfeile  ihren 
]\Iantel  nicht  zu  durchdringen,  sondern  sie  verbiegen  sich,  indem  ihr  Schaft 
sich  zickzackförmiii  zerknickt. 


10.  Die  Krankheit  entstellt  als  Strafe. 

Die  Auffassung,  dass  die  Krankheit  eine  göttliche  Strafe  sei,  entsiiiicht 
bekanntermaassen  vollkommen  gewissen  modernen  Anschauungen.  Im  Jahre 
1H66  hal)e  ich  selber  einem  Gottesdienste  beigewohnt,  bei  welchem  der 
(leistliche  einer  K];inkenanstalt  den  flu-  das  Vaterland  verwundeten  Soldaten, 
deren  einem  beide  Augen  weggeschossen  waren,  auseinandersetzte,  dass  ihre 
Verwundungen  die  wohlverdiente  Strafe  für  ihre  persönlichen  Sünden  seien. 

Im  Buche  Hioh  (33,  19—21)  lesen  wir: 

„Er  (Gott)  strafet  ihn  mit  Schmerzen  auf  seinem  Bette  und  alle  seine 
(rebeine  heftig,  und  richtet  ihm  sein  Leben  so  zu,  dass  ihm  vor  der  Speise 
ekelt  und  seine  Seele,  dass  sie  nicht  Lust  zu  essen  hat.  Sein  Fleisch  ver- 
schwindet, dass  er  nicht  wohl  sehen  mag,  und  seine  Beine  werden  zer- 
schlagen, dass  man  sie  nicht  gerne  ansiehet." 

Nicht  Avenig  überraschend  ist  es,  wie  ganz  ähnliche  Anschauungen  weit 
über  den  Erdball  verbreitet  sich  bei  den  Naturvölkern  wiederfinden.  Es 
lelirt  dieses  ein  Blick  in  das  uns  zu  Gebote  stehende  Material.  Als  eine 
Strafe  Allahs  erscheint  die  Krankheit  auf  dem  Seranglao-  und  Gorong- 
Archipel.  Es  kämpfen  hier  aber  sichtlich  noch  die  uraltheiduische  Tradition 
und  die  der  Bevölkenmg  aufgeph-opfte  muhammedanische  Auflassung  mit 
einander.  Denn  sie  nehmen  an,  dass  Allah,  über  ihr  Vergehen  erzüi-nt. 
den  krankheitserregenden  Dämonen  die  Erlaubniss  giebt,  in  die  Menschen 
zu  fahren  und  von  ihnen  Besitz  zu  ergreifen. 

Auch  schon  bei  den  alten  Akkaderu  treffen  wir  l)estimmte  Dämonen 
als  die  Vollstrecker  des  göttlichen  Zornes  an.  Dieselben  werden  folgender- 
maassen  beschworen : 

„Sieben  sind's!  Sieben  sind's! 
Sieben  sind  es  in  des  Oceans  tiefsten  Gründen! 
Sieben  sind  es,  Verstörer  des  Himmels! 

Sie  wuchsen    empor   aus  des  Oceans  tiefsten   Gründen,  aus  dem  (ver- 
borgenen) Schlupfwinkel. 
Sie  sind  nicht  mäuidich,  sind  nicht  weiblich; 
Sie  breiten  sich  aus,  gleich  Fesseln; 
Sie  haben  kein  Weib,  sie  zeugen  nicht  Kinder; 
Ehrfurcht  und  Wohlthun  kennen  sie  nicht! 
Gebet  und  Flehen  erhören  sie  nicht! 
Ungeziefer,  dem  Gebirge  entsprossen. 
Feinde  des   Eä; 
Sie  sind  die  Werkzeuge  des  Zorns  der  Götter. 


28  ir.     Dio   Kiaiikhoir. 

Die  Landstrasse  störend,   lassen  sie  auf  dem    \Vei;e   sicli    nieder: 

Die  Feinde,  die  Feinde! 

Sielien   sind  sie!  Sieben   sind   sie!  Sieben   (zweiniul)   sind   sie! 

(leist  des  Himmels!  dass  sie  beschworen  seieii! 

Geist  der  Erde,  dass  sie  beschworen  seien!" 

Wir  müssen  abci-  nucli  liier  wiederum  das  l'mch  Hiob  (2.  B)  iintulii-eii. 
wo  es  heisst: 

„Der  Herr  s})racli  zu  iloni  Satan:  Siehe  da,  er  sei  in  Deiner  Haml. 
doch  schone  seines  Lebens." 

Auch  anf  den  Inseln  Leti,  Moa  und  Lakoi-  und  auf  "einigen  benacb- 
l)arten  Inseln  erscheinen  die  Ki'ankheiten  als  Strafe  der  (Jottheit  oder  auch 
als  eine  Strafe  der  Geister  der  Verstorbenen,  welche  dann,  wie  es  den 
Anschein  hat,  bisweilen  wohl  selber  als  Krankheitsdänion  in  die  Menschen 
hineinfahren.  Die  (rründe  nun,  warum  die  Krankheiten  als  Strafe  über  die 
sündicje  Menscldieit  vei-hän^t  werden,  lässt  nmnche  überraschenden  Züpje  tief 
etliischen  Gefühles  und  ])ietätvoHei-  Anhänglichkeit  an  die  Vorfahren  er- 
kennen. 

Die  Geister  der  Verstorbenen  strafen  mit  KrankhtMt.  wenn  man  ihnen 
nicht  l)ei  dem  Begräbniss  eine  hinivichende  Ausrüstung  mitgegeben  oder 
wenn  man  ihre  Gräber  schändet  (Buru),  wenn  nuin  ihr  Andenken  vei- 
nachlässigt  und  sie  nicht  hinreichend  mit  Speise  versorgt  (Serang,  Keisar. 
Ticti,  Moa,  Lakor,  Anibon  und  die  Uliase-Tnseln,  Aaru-Inseln, 
Watubela- Inseln),  wenn  man  das  Hausdach  übei-  ihrem  Opferplatz  defect 
werden  lässt  (Leti,  Moa,  Lakor). 

Auch  bei  den  Zulu  und  Basutho  machen  die  Vorfahren  die  Ueber- 
lebenden  krank,  um  sie  für  Kränkungen  und  Beleidigungen  /u  bestrafen. 
Hier  handelt  es  sich  nhev  nicht  um  Vernachlässigungen  micli  dem  Tode, 
sondern  um  solche  Beleidigungen,  welche  ihnen  bei  ihren  Lebzeiten  zugefügt 
wurden  und  die  nicht  in  entsprechender  Weise  gesühnt  worden  sind.  Eine 
Vernachlässigung  der  Geister,  denen  bei  der  Erlegung  eines  Bären  oder 
eines  Hirsches  nicht  ein  entsprechendei-  Antheil  gegeben  Avorden  ist,  bringt 
auch  den  nordamerikanischen  Indianern  Krankheiten.  Auf  Selebes 
genügt  es  hierzu,  einen  bösen  Geist  in  seiner  Buhe  gestört  zu  haben,  und 
auf  den  Kei- Inseln  folgt  Krankheit  darauf,  w^enn  man  einen  Wawa-Bauin 
(Ficus    altimeralao  Eixl.)  schändet,  oder   an   ihm    seine  Xothdurft  verrichtet. 

Die  Maya-Völker  Central-A  merikas  glaTd)ten,  dass  eine  Krankheit 
die  Strafe  sei  für  ein  Verl)rechen.  das  nicht  eingestanden  wurde.  Auf 
Eetar,  Ambou  und  den  Uliase- Inseln  strafen  die  Vorfahren  mit  Krank- 
heit, wenn  man  ihr  einstiges  Eigenthum  vergeudet;  auf  Anibon,  den  Uliase- 
fnseln  und  Serang,  wenn  man  die  ]{eli([uien  vi-räussert.  oder  auch  wenn 
man  die  althergebrachten  Institutionen  nicht  befolgt;  ebenso  auf  Keisar. 
Auf  Nias  entsteht  ein  starkes  Halsübel,  wenn  man  sich  mit  dem  Dorf- 
oberhaupte zankt,  und  Diarrhoe  und  Magenschmerz  nach  dem  Genuss  ge- 
stohlener Früchte.  Auf  den  Kei-Inseln  treten  E])i(lemien  auf,  wenn 
die  regierenden  Häupter  sich  Ungereclitigkeiten  zu  Schulden  kommen  lassen, 
auf  Nias.  Avenn  das  Dorfoberhau])t  die  bei  ihm  in  Veiwahrung  gehaltemm 
normalen  Maasse  und  Gewichte  fälscht;  und  darum  ist  bei  dem  Ausbruch 
einer  Epidemie  die  erste  Maassnalnne.  sich  von  dem  Zustande  dieser  (icwichte 


11.    Krankiiiaclieiider  Zaiil)oi'.  '29 

Tiiid  M.iasse  zu  übcrzeiigcn.  Wer  iiul"  den  "Watul)pl;i-1  iiselu  seine  Dorf- 
«fenosseii  betrügt,  wer  auf  Selel)es  einen  falschen  Eid  schwört,  wer  auf 
den  Kei-lnsehi  Ehitschande  treibt,  wer  auf  Nias  mit  seinei- Frau  wählend 
der  (ii-.t  vidi  tat  verbotenen  Ihng.-inm'  hat.  und  wer  auf  Eetar  verbotene  Speisen 
isst.  (h'r  wird  ebenfalls  mit  Krankheit  l)estraft.  Aber  auch  seinen  Eändeni 
kann  der  Vater  Kr;inkheiten  l)ringen.  wenn  er,  während  die  Mutter  mit 
ihnen  schwanger  ist.  gCAvisse  Handlungen  vornimmt  oder  gewisse  Nahrungs- 
mittel geniesst.  Es  resultirt  hieraus  eine  grosse  Anzahl  von  Euthaltungs- 
vorschriften  für  den  Ehegatten  einer  schwangeren  Frau,  wie  wir  ihnen  bei 
schi-  vielen  Völkern  begegnen. 

Auch  dem  Lojingo-Neger  sind  Zeit  seines  Lebens  bestimmte  Dinge 
/u  essen  verlioten,  dem  Einen  dieses,  dem  Anderen  jenes,  ganz  ähnlich  wie 
der  Indianer  und  der  Australier  sein  Totem-Thier  nicht  essen  darf. 
Wird  dieses  als  Quixilla  bezeichnete  Verbot  übertreten,  so  ist  Erkrankung 
des  Uebertreters  die  ganz  unausbleibliche  Strafe. 

Eine  l)esondere  Form  der  Bestrafung  mit  Krankheit  treffen  wir 
ebenfalls  hauptsächlich  auf  den  Inseln  des  malayischen  Archipels. 
Hier  besteht  vielfach  die  Sitte,  das  Betreten  oder  die  Beschädigung  be- 
stimmtei'  Feldmarken  durch  ein  besonders  geformtes  und  mit  Segenssprüchen 
geweihtes  Zeichen  zu  verbieten.  Wer  nun  ein  solches  Verbotszeichen  nicht 
respectirt,  der  verfällt  einer  ganz  bestimmten  Krankheit,  welche  durch  die 
Form  des  Ver])otszeichens  für  Jedermann  kenntlich  gemacht  ist.  Wir 
werden  später  hiervon  noch  eingehend  zu  sprechen  haben. 


11.   Krankmachender  Zauber. 

Unendlich  erfindungsreich  ist  der  menschliche  Geist  in  Versuchen, 
seinen  Nebenmenschen  Schaden  zu  bringen:  und  so  treffen  wir  auch  die 
(omplicirtesten  Maassnahmen.  durch  welche  ein  verhasster  Gc^gner  ki-aiik 
gemacht  oder  gar  getödtet  werden  soll.  Für  gewöhnhch  wird  cm  langsauKJs 
Dahinsiechen  bezweckt,  und  nur  selten  handelt  es  sich  um  directe  Ver- 
giftungen. IMeistentheils  ist  es  irgend  eine  Form  der  Behexung,  der  Be- 
zauberung oder  das  Auslegen  eines  magischen  Giftes,  welches  nur  in  eine 
gewisse  Nähe  von  dem  auserkorenen  Opfer  zu  gelangen  braucht,  um  seine 
schädlichen  Wirkungen  zu  entfalten.  Die  Bezauberungen  jedoch  sind  auf 
unglaubliche  Entfernungen  hin  wirksam,  und  von  dem  unfehlbaren  Eintreten 
des  gewünschten  Erfolges  ist  der  den  Zaulier  Ausübende  fest  überzeugt, 
tbenso  wie  sehr  häufig  irgend  ein  Erkrankter  keinen  Augenblick  darüber 
im  Zweifel  ist.  dass  er  seine  Leiden  den  Zaubermanipulationen  irgend  eines 
Feindes  in  der  Ferne  zu  verdanken  ha1)e.  Wii-  müssen  versuchen,  einige 
(lieser Zaubereien  näliei"  kennen  zulernen;  es  könniHi  allerdings  die  magischen 
Schüsse  der  i))urina-.  der  Creek-  und  der  Choctaw-ludianer  u.  s.  w.. 
>()wie  der  Hexen-  und  Fiappenschuss  mit  in  diese  (iruppe  gei-eclinet 
Avei-dcn. 

An  wiikliclie  Vergiftungen  durch  böse  Menschen,  welche  Krankheit 
hervorrufende  Ingredienzien   in   das  Essen   niisclien.   irlaubt   man  auf  Sei  ebes. 


30 


TT.    T^if   Ki-anklieit. 


Auch  iu  dem  Seiau j^lao-  und  Goroug-Archipel  wird  die  Krankheit 
unter  Umständen  für  die  Folge  einer  Yergiftung  durch  feindsehge  Stammes- 
genossen gehalten,  und  man  hedient  sich  dagegen  eines  nach  ganz  bestimmten 
Voi-schriften  gefertigten  Gegengiftes.  Auf  der  zu  den  '^Pancynbar-  und 
Timorlao-Iuseln  gehörigen  Insel  Selaru  macht  man  (Jebrauch  von  einem 
Gift,  das  von  Fischen  und  Schalthieren  hergestellt  wird.  Auf  Ambon  und 
den  iniase-Inseln  benutzt  man  eine  leinzerkleinerte  Strychnus-Art,  welclic 

man  dem  Essen  bciiuisclit;  sie  verursacht 
Schwindel,  Erbrechen  und  Leibschmerzen 
und  endlich  den  Tod.  In  dem  Seranglao- 
nnd  Goroug- Archipel  wird  die  mit  Kalk 
vermengte  feingestossene  Leber  der  Manga- 
rat-Schlauge  dem  auserlesenen  Opfer  mit 
der  Nahrung  beigebracht.  Die  Folge  davon 
ist  ein  böser  Husten,  au  welchem  der  Kranke 
langsam  dahinsiecht.  Die  Marokkanei- 
suchen  ihren  Mitmenschen  ein  zehrendes 
Leiden  und  endlich  den  Tod  zu  bringen, 
indem  sie  ihm  gestossene  Eierschalen,  Koj)!- 
schinn  und  abrasirte  Haarstop])eln  in  die 
Speiseu  mischen.  Auch  der  Zusatz  von 
zerkleinerten  Fingernägeln  und  dem  Mehle 
von  einem  ]\Ienschenknochen  hat  den  gleichen 
Erfolg.  Auch  ist  es  schon  genügend,  den 
Mehlbrei,  der  von  dem  armen  Opfer  ver- 
zehrt werden  soll,  mit  der  Hand  eines  eben 
(Testorbenen  dirrchzurühren. 

Von  den  B  a  1 1  a  k  e  r  n  in  S  u  m  a  1 1-  a  besitzt 
das  Berliner  Museum  für  Völkerkunde 
einen  mit  Schweinshauern  und  einer  mensch- 
lichen Figur  verzierten  Topf  (Fig.  9)  mit 
L  einer  Medicin,  welche  für  so  giftig  gilt,  dass 
schon  ihr  Geruch  eine  Vergiftung  verursacht. 
Sie  soll  aus  Menschenfleisch  hergestellt 
werden. 

Die  Narrinyeri  in  Süd-Australien 
dagegen  haben  nach  Taplin  gar  keinen 
Begriff  von  einem  Gifte.  ..Ungleich  anderen  Australiern  kennen  sie  kein 
giftiges  Gras  oder  keine  giftige  Pflanze.  Sie  sind  sein-  erstaunt,  wenn 
sie  hören,  dass  che  Europäer  Jemandes  Tod  durch  etwas  bedingt  betrachten, 
das  in  seinen  Magen  gekommen  wäre.  Sie  halten  den  Tod  stets  als  durch 
Zauberei  bedingt." 

Es  wurde  bereits  gesagt,  dass  die  Naturvölker  auch  an  eine  auf  gewisse 
Entfernung  hinwirkende  Vergiftung  glauben.  So  wurde  z.  B.  Mofat  von 
(Mnem  Beamten  eines  kranken  Betschuanen-Häupthngs  mitgetheilt,  der- 
selbe würde  nun  bald  geheilt  sein,  da  zwei  seiner  Diener,  welche  man  in 
der  Nachl)arschaft  seiner  Wohnung  habe  Gift  ausstreuen  sehen,  soeben  ge- 
speert  worden  wären. 

Auf  der  Insel  Serann'.   auf  den  Kei-Iuseln   luid   ini  A  aru- Archipel 


Fig.  9.     Guri  Guri,   Gif t topf  der 

Battaker. 

Mus.  f.  Völkerkunde  Berlin. 

Nach  Photographie. 


11.    Ivraiikiuachender  Zaiiber.  31 

.uräbt  mau  iiulieilhriiiiieude  Gegenstände  in  die  Erde,  und  wenn  dann  das 
auserwählte  Opfer  beim  Darüberhiusehreiteu  diese  Stelle  mit  dem  Fusse 
berührt,  so  liricht  bei  ihm  die  beabsichtigte  Krankheit  aus.  Als  &ank- 
heiten,  welche  in  Serang  auf  diese  Weise  verursacht  werden  köuuen,  werden 
atifgefilhrt  ßlutspeien,  Bauchkrämpfe,  Ausfallen  der  Zähne  u.  s.  w.  Dieses 
zauberhatte  Vergraben  von  krankmachenden  Gegenständen  hat  auf  Tanembar 
und  den  Timorlao- Inseln  den  Sinn,  dass  sie,  wenn  der  Unglückliche 
auf  die  Stelle  tritt,  wo  sie  vergraben  wui'den,  in  seinen  Körper  hineinfahren 
und  nun  die  Krankheit  sind.  Es  werden  zu  diesem  Zwecke  unter  dem 
Murmeln  von  VerAvünsclmngen  Dornen,  Fischgräten,  JMuschelstücke  oder 
spitze  Steine  vergraben.  Man  sieht,  dass  es  von  dieser  Art  der  „Vergiftung" 
nur  noch  ein  Schritt  ist  bis  zu  der  Behexung  oder  Bezauberung.  Wir 
müssen  diese  als  einen  internationalen  Aberglauben  hinstellen,  denn  wir 
begegnen  ihm  in  allen  tiiuf  Welttheilen. 

Eine  solche,  Kiankheit  hervorrufende  Bezauberung  ist  bisweilen  mit 
unglaublich  einfachen  Hülfsmitteln,  gewöhnlich  aber  nur  mit  einem  com- 
l)licirteren  Aj)parate  auszuführen.  In  beiden  Fällen  aber  bedarf  es  dabei 
liäufig  noch  entweder  eines  besonderen  Zauberwortes  oder  einer  dem 
Bezaubernden  innewohnenden,  übernatürlichen  Kraft.  Der  Fetissero  oder 
Endoxe,  d.  h.  der  Zauberer  an  der  Loango-Küste  braucht  nui'  des 
Nachts  nackend  umherzugehen  und  Verwünschungen  gegen  Jemanden  aus- 
zustosseu,  so  wird  derselbe  erkranken. 

Bei  den  Aunamiten  kann  es  schon  hinreichend  sein,  einen  Nagel 
in  einen  der  Hauspfosten  oder  der  Schiflfsplanken  des  zu  Schädigenden  ein- 
zuschlagen, und  wenn  der  Besitzer  eines  neuen  Hauses  sich  krank  fühlt,  so 
fahndet  er  sofort  auf  solch  einen  Zaubernagel. 

Der  Zauber  püegt  für  gewöhnlich  um  so  leichter  ausführbar  zu  sein, 
wenn  es  dem  Bösewicht  gelingt,  etwas  von  der  Person,  die  er  Icrank  zu 
machen  wünscht,  in  seinen  Besitz  zu  bringen.  Auf  dieser  Anschauung 
beruht  die  bei  den  Naturvölkern  weitverbreitete  Sorgfalt,  ihre  Nägelabschnitte, 
ausgekämmte  Haare,  ja  selbst  ihren  Speichel  u.  s.  w.  so  zu  vernichten  oder 
zu  verbergen,  dass  Andere  ihrer  nicht  habhaft  werden  können. 

Eine  Austral-Negerin  in  Victoria  schrieb  ihre  fieberhafte  Er- 
krankung dem  Umstände  zu,  dass  ein  von  ihr  bestimmt  bezeichneter  Schwarzer 
iiir  tiüher  einmal  Haare  abgeschnitten  habe  und  diese  nun  verbrenne.  Ein 
anderer  Schwarzer  schnitt  Jemandem,  von  dem  er  etwas  besorgt  haben 
wollte,  einen  Büschel  Haare  ab  und  drohte,  ihn  durch  Verbrennen  derselben 
krank  zu  machen.  Avenn  er  ihm  nicht  willfahre.  Auf  Serang  kann  mau 
dui'ch  das  Begraben  von  etwas  Haaren  und  weggeworfenem,  ausgekautem 
Pinang  schwere  Kopfschmerzen,  von  Haaren  mit  bestimmtem  Baumhaiv, 
Bein  wunden  hervorrufen.  Das  Verbrennen  der  Haare  und  Nägelabschnitte 
unter  entsprechenden  Verwünschungen  macht  auf  denLuang-  und  Sermata- 
Inseln  Schwellungen  des  Kopfes  und  der  Hände,  das  Verbrennen  der 
Excremente  erzeugt  auf  Serang  Blutdiarrhoe.  Auf  Eetar  kann  man 
Jemanden  krank  machen,  wenn  man  sich  von  seinem  Speichel  oder  von 
seinem  Haar  etwas  verschaffen  kann.  Dieses  Avird  unter  dem  Sprechen 
von  Besclnvörungsformeln  in  i'othe  Leinewaud  gewickelt  und  in  einer  be- 
stimmten Grotte  niedergesenkt;  dabei  ruft  man  die  bösen  Geister  an,  das>i 
sie  die  betreffende  Person  krank  machen  sollen. 


32  TL    Dio   Kranklieit. 

Ks  ist  ;il)w  1)(M  ('iuij>('n  \'()lk('ni  Miich  seliou  j^cnüj^oiul.  etwas  in  seine 
(liewült  /u  bringen,  was  mit  dem  auserkorenen  Opfer  in  Berührung  gewesen 
ist,  so  z.  B.  ein  Fussst;ipfen.  ein  Rest  seiner  Malilzeit^-odei-  ein  Stück  seines 
Kigentliums,  um   den   scliiidlielieii   Zauber  zu  volltulu'en. 

So  vermag  man  die  soeben  von  der  Insel  Eetar  Ix'scbriebene  He/,au])erung 
anstatt  mit  den  genannten  Körperbestandtheilcii  aucii  ebenso  gut  mit  etwas 
Pinang.  den  der  Betreffende  .•iusgek;nit  b;itte.  odei'  ;iucb  mit  einem  Stiiek 
seiner  Kleidung  anszuiubicn. 

In  dem  Seranglao-  und  (lorong- Arebipel  niniuit  mau  den  Kuss- 
stapfen, welchen  der  Krankzumachende  zurückgelassen  hat,  und  vermischt 
ihn  mit  Daniarharz.  Dann  wird  die  Mischung  verbriinnt,  wo])ei  der 
Zaubernde  sprechen  muss: 

„Feuer  verbrenne  seine  Beine,  so   dass  sie  gänzlich   verzehrt   sind.'" 

Das  Opfer  bekommt  hierdurch  unheilbare  Geschwüre. 

G-anz  besonders  ausgebildet  finden  wir  diesen  Zauber  mit  S])eiseresteii 
bei  den  Narrinyeri  in  Süd- Australien. 

George  Taplin  berichtet  von  ihnen: 

„Die  Narrinyeri  glauben,  dass  Krankheit  durch  Hexerei  veruisacht 
Averden  könne.  Jeder  Erwachsene  ist  beständig  auf  der  Suche  nach  Knochen 
von  Enten.  Schwiineii  oder  anderen  Vögeln,  oder  von  Fischen,  nanu^ns  Ponde. 
deren  Fleisch  ein  Anderer  gegessen  hat.  Hiermit  übt  er  seinen  Ngadhungi 
genannten  Zauber  aus.  Alle  Eingeborenen  tragen  daher  Sorge,  die  Knochen 
der  Thiere,  deren  Fleisch  sie  gegessen  haben,  zu  verbrennen,  um  sie  nicht 
in  die  Hände  ihrer  Feinde  gelangen  zu  lassen;  aber  trotz  dieser  Vorsicht 
werden  diese  Knochen  für  gewölndich  von  Krankheitsn)acliei-n  erlaugt. 
welche  ihrer  bedürfen.'" 

,,Hat  Jemand  solchen  Knochen  gefunden,  z.  B.  den  Schenkelknochen 
einer  Ente,  dann  glaubt  er  Macbt  über  Leben  nnd  Tod  des  Mannes,  der 
Frau  nnd  des  Kindes  zu  besitzen,  welche  das  Fleisch  hiervon  verzehrt  haben. 
])er  Knochen  wird  präparirt,  indem  ei-  etwas  wie  ein  Spiess  geschabt  (zu- 
gespitzt) wird.  Dann  wird  ein  kleiner  runder  Klumpen  gemacht,  indem 
mau  etwas  Fischthran  und  rothen  Ocker  zu  einer  Paste  mischt  und  darin 
das  Auge  eines  Murray-Stockfisches  und  ein  kleines  Stück  Fleisch  von 
einer  menschlichen  Leiche  einschliesst.  Diesei-  Klumpen  wird  auf  die  Si)itze 
des  Knochens  gesteckt  und  eine  Umhüllung  darüber  gebunden,  und  das 
Ganze  Avird  in  die  Brust  einer  Leiche  gesteckt,  damit  es  durch  die  Be- 
rührung mit  den  Zersetzungsprodukten  todtbringende  Ki-aft  erhalte.  Wenn 
es  hierin  einige  Zeit  verblieben  ist,  so  nimmt  man  an,  dass  es  zum  ( Jebrauche 
fertig  sei  und.  es  wird  fortgelegt,  bis  es  gebraucht  Avird.  Treten  Umstände 
ein,  welche  den  Zorn  des  Kraukheitsmacheis  gegen  die  Person  erregen. 
Avelche  das  Fleisch  des  Thieres  gegessen  hatte,  von  dem  der  Knochen 
stammt,  so  steckt  er  sofort  den  Knochen  in  die  Erde  l)eim  Feuer,  so  dass 
der  vorhererAvähnte  Klumpen  allmählich  schmilzt;  hierbei  glaubt  er  fest,  dass 
wie  dieser  schwindet,  er  bei  der  betreffenden  Perst»n.  wenn  sie  auch  noch 
so  weit  entfernt  sei,  Krankheit  errege.  Die  vollständige  Schmelzung  nnd 
Abtropfung  des  Klumpens  wird  als  den  Tod  verursachend  betrachtet." 

„Ist  Jemand  krank,  so  l)etrachtet  er  gemeinhin  die  Ki-ankheit  als  die 
AVirkung    des    Nuadliuni>i    und    bemüht   sich,    den    Ki-anklieitsmaclier  aus- 


11.    KraiikmacliPiider  Zauber.  33 

fiudig  zu  niacheii.  AVenn  er  ihn  lierausgcfundeii  zu  haben  glaubt,  dann 
steckt  er  auch  ein  Ngadhungi  in  die  Erde  am  Feuer  zui-  Wiedervergeltuug, 
falls  er  einen  Knochen  besitzt,  dessen  Fleisch  sein  Feind  gegessen  hat. 
Besitzt  er  keinen,  so  versucht  er,  einen  zu  borgen." 

Von  der  zu  der  Neu-Hel)i'iden-(Jrup]u^  gehörigen  Insel  Tana  be- 
lichtet Turner  einen  ganz  iihnlicheu  Glauben.  Er  sagt:  .,Als  die  Avaliren 
Götter  von  T.ma  müssen  die  Krankheits-Macher  betrachtet  werden.  Es 
ist  überraschend.  Avie  diese  Leute  gefürchtet  werden  und  wie  fest  man  glaubt, 
dass  sie  Leben  und  Tod  in  ihren  Händen  haben.  Man  ist  überzeugt,  dass 
diese  Männer  Krankheit  und  Tod  zu  bringen  vermögen  durch  das  Ver- 
bi-ennen  von  dem.  was  Nahak  genannt  wird;  Nahak  bedeutet  Müll,  aber 
hauptsächlich  S[)eisereste.  Alles  Derartige  verbrennen  sie  oder  tragen  es 
in  die  See,  damit  es  nicht  den  Krankheits-Machern  in  die  Hände  fällt. 
Diese  Burschen  sind  stets  bereit  und  betrachten  es  als  ihren  speciellen  Be- 
ruf. Alles  zu  dem  Nahak  Gehörende,  das  ihnen  in  den  Weg  kommt,  auf- 
zunehmen und  zu  verbrennen.  Findet  ein  Krankheits-Macher  zufällig  ein 
Stück  Bananenschale.  so  nimmt  er  es  auf.  wickelt  es  in  ein  Blatt  und  trägt 
es  täglich  um  seinen  Hals  gehängt.  Das  Volk  staunt  ihn  an  und  Einer 
raunt  dem  Anderen  zu:  ..Er  hat  etwas,  er  Avill  Nachts  Einem  etwas  thun." 
Abends  schabt  er  etwas  Baunn-inde,  vermischt  sie  mit  der  Bananenschale, 
wickelt  Alles  fest  in  ein  Blatt,  wie  eine  Cigarre  und  bringt  das  eine  End(^ 
an  das  Feuer,  um  es  schwälen  und  allmählich  verbrennen  zu  lassen." 

.,Wird  Jemand  krank,  so  glaubt  er,  dass  es  durch  das  Verbrennen  von 
solchem  Abfall  verursacht  wurde.  Anstatt  auf  Medicin  bedacht  zu  sein, 
ruft  er  Jemanden,  dass  er  auf  dem  ]\ruschelhorn  Idase,  das  zwei  bis  drei 
englische  Meilen  weit  gehört  werden  kann.  Der  Sinn  hiervon  ist,  dass  der 
^[ann,  von  dem  er  annimmt,  dass  er  durch  das  Verbrennen  des  Speiseabfalls 
(He  Krankheit  verursache,  auf  diese  Weise  aufgefordert  werde,  mit  dem  Ver- 
brennen einzuhalten:  und  es  ist  eine  Zusage,  dass  den  anderen  ]Moi-gen 
ein  Geschenk  gelu'acht  werden  wird.  Je  grösser  der  Schmerz,  desto  stärker 
wird  das  Muschelhorn  geblasen,  und  wenn  die  Schmerzen  nachlassen,  so 
nimmt  man  an,  dass  der  Krankheits-Macher  freundlich  genug  ist.  mit  dem 
\'erbrennen  inne  zu  halten.  Dann  richten  die  Freunde  des  Kranken  ein 
(reschenk  für  den  ^Morgen  her:  Ferkel.  Matten,  ^Nfesser.  Hacken.  Perlen, 
Walfischzähne  n.  s.  w." 

„Manche  von  dei'  Ivrankheits-Macher-Zunft  sind  stets  bei-eit.  Geschenke 
zu  nehmen  und  sie  versprechen,  ihr  Bestes  zu  thun.  um  einer  erneuten 
Verbrennung  der  Speisereste  vorzubeugen.  Aber  der  arme  Kranke  hat 
einen  neuen  Anfall  in  der  Nacht  und  er  glaubt,  dass  wieder  sein  Nahak 
verbrannt  wei'de.  Das  Muschelhorn  wird  wieder  geblasen,  andei-e  Geselu'iike 
werden  gebracht,  und  so  fort." 

Eine  Cond)ination  des  Fusssta])fen-.  Haar-  und  Speichel-Zaubers  hat 
Tennent  bei  den  Tamilen  auf  Ceylon  kennen  gelernt.  Derselbe  ist  aber 
sehr  gefährlicher  Natur,  denn  es  sind  dazu  auch  die  Köpfe  von  Kindern 
<'rforderlich.  Diejenigen  von  Knaben  verdienen  den  Vorzug,  namentlich 
wenn  diese  für  den  genannten  Zweck  eigens  getödtet  worden  sind.  Zni' 
Noth  thun  es  aber  auch  die  Köpfe  von  Kindern,  die  eines  natürlichen 
Todes  starben.  Bei  einer  Haussuchung,  welche  bei  einem  dieser  Zaubei- 
ärzte    vorgenommen    Avurde.    fand     man     einen    li'isch    vom    Eumpfe    abge- 

Bartols.  Medicin  der  Natuivölker.  3 


34  IT.    Die   Krankheit. 

schnittoncn  Kiiidcrkoj)!'.  Bei  ferneroni  Suclieu  fand  man  dann  auch  den 
Kunipl'  unter  Küihen  versteckt,  und  aussei-deni  wurden  noch  die  Reste 
mehrerer  anderer  Kinderleichen  aufgefunden.       -* 

Um  den  Zauber  auszuführen,  wird  der  Schädel  von  seinen  Weichthcnlen 
eutblösst  und  gewisse  Figuren  und  cab])alistische  Zeicluui  auf  ihm  angc- 
l)raclit.  in  welche  der  Name  des  für  die  Bezauberuug  auserwählten  Opfers 
eingefügt  wird.  Von  des  Letzteren  Fussstapfeu  wird  dann  der  Sand  mit 
etwas  von  seinen  Haaren  und  seinem  Speichel  zu  einem  Brei  zusammen- 
gemengt und  auf  einer  Bleiplatte  ausgebreitet.  Diese  und  den  Schädel 
bringt  darauf  der  Zauberarzt  durch  vierzig  Nächte  zum  Begräbniss[)latze 
des  Dorfes  und  ruft  die  bösen  Geister  an,  dass  sie  die  betreffende  Person 
vernicliten  möchten.  Je  mehr  der  Brei  auf  der  Bleiplatte  eintrocknet,  desto 
nu'hr  verdorrt  der  Bezauberte,  und  endlich  ist  nach  dem  allgemeinen  Glaulx-n 
der  Tamilen  sein  Tod  ganz  unvermeidlich. 

Dass  auch  den  Akkaderu  und  den  Assyreru  solch  eine  Bezauberung 
mit  dem  Fussstaiofen,  sowie  auch  mit  dem  sogleich  zu  erwähnenden  mensch- 
lichen Ebenbilde  nicht  unbekannt  war,  beweist  uns  wiederum  eine  Beschwörung 
aus  Sardanapals  (Assurh anhahals)  interessanter  Hymnensammlung: 

..Der  Zauberer  hat  mich  durch  Zauber  bezaubert,  er  hat  mich  durch 
seinen  Zauber  bezaubert! 

Die  Zauberin  hat  mich  durch  Zauber  bezaubert,  sie  hat  mich  durch  ihren 
Zauber  bezaubert ! 

Der  Hexenmeister  hat  mich  durch  Hexerei  behext,  er  hat  mich  durch 
seine  Hexerei  behext! 

Die  Hexe  hat  mich  durch  Hexerei  behext,  sie  hat  mich  durch  ihre 
Hexerei  behext! 

Die  Zauberin  hat  mich  durch  Zauber  behext,  sie  hat  mich  durch  ihren 
Zauber  behext! 

Derjenige,  der  Bildnisse  anfertigt,  entsprechend  meiner  ganzen  Erscheinung, 
der  hat  meine  ganze  Erscheinung  bezaubert. 

Er  hat  den  mir  bereiteten  Zaubertrank  ergriffen  und  meine  Kleider  ver- 
unreinigt. 

Er  hat  meine  Kleider  zerrissen  und  sein  zauberisches  Kraut  mit  dem 
Staub  meiner  Füsse  vermengt! 

Dass  der  Eeuergott,  der  Held,  ihre  Zaubereien  zu  Schanden  machen 
möge 


»« 


Wie  wir  bei  der  Verbrennung  der  Haare  und  der  Nägelabfälle  u.  s.  w. 
eine  Vernichtung  nach  dem  Satze  pars  pro  toto  vor  uns  haben,  so  gehört 
fast  in  das  gleiche  Gebiet  der  Zauber,  welchen  wir  als  einen  symj)athischen 
Schmelzprocess  bezeichnen  können.  Wir  finden  ihn  z.  B.  bei  den  Austral- 
negern  in  Victoria. 

„Irgend  etwas,  das  dem  verurtheilten  Mann  gehört,  wird  aufbewahrt; 
vielleicht  ist  es  ein  Speer.  Dieser  wird  zerbrochen  oder  mit  einer  Axt  in 
kleiiu;  Stücke  zerschlagen;  die  Stücke  werden  in  einen  Beutel  gethan  und 
(üeser  wird  an  das  Feuer  gehängt.  Ein  Gesang  wurde  gesungen;  der  Len- 
Ba-morr  wird  angefleht,  die  Hitze  zu  dem  wilden  Schwarzen  überzuführen, 
sodass  er  welk  wird  und  stirbt." 

Aehulich  ist  auch  die  Schmelzung  des  vorher  beschriebenen  Zaultci- 
khunpens  der  Narrinyeri  und  der  Tana-1  nsuhuuM-. 


11.    Krankmachender  Zauber.  .35 

Bei  derartigen  Ideenassociationen  liegt  es  nun  sehr  nahe,  dem  aiis- 
erwählten  Feinde  in  effigie  Schaden  zuzufügen.  Hier  bieten  uns  wiederum 
die  "Wilden  in  Victoria  ein  gutes  Beispiel.  Bei  ihnen  muss  der  Medicin- 
Manii  ein  Holzmodell  desjenigen  Körpertheiles  anfertigen,  an  welchem  der 
Feind  unter  grossen  Schmerzen  erkranken  soll.  Dieses  Modell  wird  an 
das  Feuer  gehängt  und  stark  erhitzt,  unter  dem  Absingen  bestimmter 
Gesänge. 

Ju  dem  Babar- Archipel  fertigt  man  zu  ähnlichem  Zwecke  eine 
menschliche  Figur  aus  einem  Koliblatt  und  schneidet  dieser  unter  Ver- 
wünschungen den  Kopf  ab.  Derselbe  wird  mit  etwas  Wachs  zusammen  in 
ein  Ei  gethan  und  dann  verbrannt.  Im  Aaru-Archipel  wird  solch  ein 
Menschenbild  aus  einem  Harz  gemacht  und  unter  Verwünschungen  in  die 
See  geworfen,  während  man  auf  Anibon  und  den  Uliase-Inseln  solche 
Figur  hoch  in  einen  Baum  schleudert.  Ein  ähnlicher  Zauber  ist  auch  in 
der  zuletzt  angeführten  Beschwörungsformel  der  Akkader  und  Assyrer 
erwähnt.  Auf  Ambon  und  den  Uliase-Inseln  wird  auch  wohl  der  Name 
der  betreifenden  Person  aufgeschrieben  und  in  den  Baum  geschleudert,  was 
doch  auch  eine  Art  der  Krankmachung  in  effigie  ist.  Eine  Austral- 
negerin  in  Victoria,  welche  fieberkrank  war,  erklärte,  dass  sie  dahin- 
siechen müsse,  weil  ein  Schwarzer  ihren  Namen  in  einen  Baum  geschnitten 
habe.  Sie  liiess  Murran,  was  Blatt  bedeutet,  und  man  fand  wirklich,  dass 
die  Figur  von  Blättern  in  einen  Grummibaum  geschnitten  war.  Sie  erlag 
ihrer  Krankheit. 

Wie  sich  die  Annamiten  das  Siechthum  und  die  Todesart  denken, 
welches  diu-ch  solche  Bezauberung  beigebracht  wird,  das  erfahren  wir  durch 
die  Aufzeichnungen  von  Landes: 

„Die  Patienten  fühlen  unbestimmte  Schmerzen,  anhaltenden  Kopfschmerz, 
Erstarren  der  Glieder;  sie  verlieren  die  Besinnung,  ihre  Gliedmaasseu 
werden  steif;  sie  fühlen  eine  Kugel  oder  eine  Stange  im  Inneren  ihres 
Körpers,  sie  hören  auf,  zu  essen  und  zu  schlafen,  und  ihre  Kräfte  schwinden. 
Die  Augen  und  ihre  Haut  werden  gelb,  die  Hände  bedecken  sich  mit 
schwärzlichen  Flecken,  der  Bauch  schwillt  an  und  schliesslich  platzt  er  und 
verbreitet  einen  schrecklichen  Gestank." 

AVenn  man  glaubt,  das  Opfer  einer  solchen  Bezauberung  zu  sein,  so 
kann  man  bei  einigen  Völkern  durch  einen  Gegenzauber  das  Unheil  ab- 
wenden oder  es  sogar  auf  denjenigen  übertragen,  der  es  veranlassen  wollte. 
Die  Australneger  sind  aber  noch  vorsichtiger.  Sie  lassen  es  womöglich 
gar  nicht  bis  zu  der  Ausübung  des  Zaubers  kommen,  sondern  sie  suchen 
die  für  sie  bestimmten  Zaubermittel  dem  Besitzer  abzukaufen  oder  gegen 
solche  auszutauschen,  welche  sie  selber  besitzen  und  mit  denen  sie  dem 
Anderen  Schaden  zufügen  könnten. 

Wir  müssen  noch  die  Frage  aufwerfen,  vermögen  denn  nun  solche  Zauber- 
manipulationen in  Wirklichkeit  einen  Schaden  anzm-ichten ?  So  absonder- 
lich dieses  auch  erscheinen  mag,  so  können  wir  diese  Frage  doch  nur  mit 
einem  entschiedenen  ja  beantAvorteu.  Natürlicher  Weise  sehen  wir  hier  da- 
von ab,  dass  die  Naturvölker  allerlei  Krankheit,  deren  Ursache  sie  nicht  zu 
erklären  im  Stande  sind,  auf  derartige  Bezauberungen  zurückzuführen  pflegen. 
Der  Schaden  ist  in  Wirklichkeit  vorhanden  und  er  ist  wesentlich  begründet 
in  der  tiefen  Gemüthsveistimmung  der  Betrotfenen.    Dadurch  werden  sie,  Avie 

3* 


36  IL    Die    Kraiikhoit. 

Brongh  Smith  von  doii  Austriiliicjisoni  Victorias  sai^t.  so  gcscliwiicht  in 
iliron  Kräften,  so  hültios.  dass  die  Krankheit,  so  leicht  sie  aiicli  sein  inaj^. 
nicht  selten  mit  dem  Tode  endet.  Aueli  die  ohenerwähnte  fieherkranke 
Murran  sagte  ihren  Tod  vorher,  und  Taplin  eizäldt  von  einein  Narrinveri 
in   Süd- Australien    Folgendes: 

..Als  sich  vor  einiger  Zeit  ein  Schwar/er  meiner  Bekanntschaft  unwohl 
fühlte  und  glaubte,  dass  dieses  durch  Beliexung  entstanden  sei.  riel)  er  sich 
zum  Zeichen  der  Verzweiflung  mit  Euss  ein.  nahm  seine  Waften.  ging  und 
zündete  zwei  Feuer  an  und  theilte  sein(M"  ganzen  Familie  mit.  von  wem 
er  behext  zu  sein  glaubte.  o])wohl  di(^  beti'ett'ende  Person  ungefähr  vierzig 
^Nfiles  von  ihm  entfernt  wai"."  Er  war  von  seinem  herannahenden  Tode 
so  fest  überzeugt,  dass  er  seine  zum  Feuer  gerufenen  Verwandten  auifor(h'rt(>. 
seinen  Tod  an  dem   Stamme  zu  rächen,  der  denselben  verschuldet  hai)e. 

Die  vorhergehenden  Seiten  haben  wohl  l)ereits  gezeigt,  wie  weit  der 
(ilaube  an  solch  einen  krankmachenden  und  tödtenden  Zauber  verbreitet 
ist.  Auch  auf  den  Inseln  der  Südsee  ist  er  heimisch.  Von  den  Neu- 
Hebriden.  von  deren  Insel  Tana  wir  schon  gesprochen  haben,  sagt 
Samuel  Ella: 

,.Auf  den  Inseln  Tamoia  und  Erromanga  giebt  es  mehr  Krankheits- 
macher als  Aerzte.  welche  ein  wahrer  Schrecken  für  die  Eingeborenen  sind. 
So  gross  ist  die  Furcht  vor  ihrer  eingebildeten  Macht  und  ihren  Mani- 
])u]ationen.  dass  den  Insulanern  das  Leben  durch  stete  Angst  und  Sorge 
verbittert  ist.'' 

Auch  hier,  wie  in  Australien,  muss  man  sorgfältig  jeden  Speiserest 
und  jedes  abgelegte  Kleidungsstück  verbrennen,  weil  es  sonst  als  ein  ver- 
hängnissvolles und  vernichtendes  Zaubermittel  l)enutzt  werden  könnte,  um 
seinen  einstigen  Besitzer  zu  Grunde  zu  lichten.  Derartiges  Krankmachen 
durch  Bezauberung  ist  bekanntlich  auch  in  den  verschiedensten  Theilen 
von  Afrika  bekannt.  Das  Herausspüren  des  Schuldigen  ist  ein  einträgliches 
Verdienst  der  dortigen  Medicin-Männer.  und  der  Unglückliche,  der  als  der 
IMiäter  bezeichnet  wird,  pflegt  ohne  Gnade  getödtet,  oder  wenigstens  seinen- 
gesammten  Habe  beraubt  zu  av erden.  Bisweilen  aber  ist  es  ihm  gestattet, 
durch  ein   Gottesurtheil  seine  Unschuld  zu  beweisen. 


12.  Krankheit  entsteht  durch  Ortsyeränderuns;  oder  Verlust  von 

Körperbestandtheilen. 

Wir  haben  weiter  oben  bereits  augegel>en,  dass  hei  den  Xatm'völkern 
als  Ursachen  für  die  Entstehung  von  Krankheiten  auch  die  Ortsverände- 
rung eines  Körjierbestandtheiles  odei'  der  vcillige  Verlust  (Mues  solchen 
anerkannt  werden. 

In  erster  Linie  müssen  wir  dabei  einer  Auffassung  der  Ohii)pe\vay- 
Indianer  gedenken,  welche  annehmen,  dass  die  Leiden  in  dem  sclmierz- 
haften  Theile  dadurch  hervorgerufen  wären,  dass  die  Galle  in  diesen  Theil 
eingetreten  sei. 

Im  deutschen  Landvolke,  namentlich  in  den  Al[)enläuderu,  spielt 
bekanntlich  die  Ortsveränderung  der  Gebärmutter  eine  gi'osse  Rolle.  Sie 
kann   in   di(^  Höhe  steigen,  als  sogenannte  H  ebeni  nttci'.  und  sie  kann  so-jar 


12.    Kiaukheit   entsteht   durch   Ortsveräiideruiig  etc.  'M 

der  Fniu    im  Schlafe,    wenn  diese  den  ^fnnd  offen  hält,    auf  diesem  Wege 
iu  Gestalt  einer  Kröte  heruuskrieelien. 

Bei  den  Aiistralnegern  in  Vietoria  spielt  der  Verlust  des  Niereu- 
fettes  eine  grosse  Rolle,  und  wieder  ist  es  das  Buch  Hioh  (19,  17),  das  uns 
hierhei  in  die  Erinnerung  kommen  muss,  wo  der  Vielgeplagte  klagt: 

„Meine   Xieren   sind   verzehrt  in  meinem   Schooss." 

Wem  in  Victoria  das  Nierenfett  geraul)t  wii'd.  der  ist  einem 
sicheren  Tode  verfallen,  wenn  es  dem  Medicin-Manue  nicht  gelingt,  ihm 
dasselbe  wieder  zu  schatten.  Derjenige,  der  das  Nierenfett  rauht,  ist  gewilhn- 
lich  ein  wilder  Schwarzer,  oder  vielmehr  der  Geist  eines  solchen,  also  mit 
anderen  Worten  ein  Dämon.  Der  Medicin-Mann  sucht  in  einem  magischen 
Fluge  diesen  Geist  zu  en-eichen,  ihm  das  Nierenfett  abzujagen  und  es  dem 
Eigenthümer  wieder  ziu'ückzul)ringen.  Stirbt  ihm  aber  der  Patient,  so  sagt 
er  den  Angehörigen,  dass  dei'  dämonische  Schwarze  das  Nierenfett  liereits 
verzehrt  hatte,  bevor  er  ihn  zu  erreichen  vermochte. 

Einen  solchen  Kranken,  welchem  das  Niereufett  geraubt  worden  war, 
hatte  Ihomas  Gelegenheit  zu  beobachten.  Der  Beraubte  war  auf  der  Jagd 
gewesen,  als  ihm  das  Unglück  zustiess,  und  er  wurde  nach  seiner  eigenen 
Aussage  sehr  schwach  und  war  niu-  mühsam  im  Stande,  zum  Lager  seiner 
Freunde  zurückzukriechen.  SoAvie  er  bei  seinem  Mi  am  sass,  erzählte  er 
seinen  Freunden,  was  ihm  begegnet  sei,  und  die  Männer  versammelten  sich 
und  setzten  sich  um  ihn  her.  Sein  Bruder  und  ein  Freund  stützten  ihn  in 
ihren  Ai'men,  da  er  plötzlich  sehr  schwach  wui'de,  und  hielten  ihm  den  Kopf 
aufrecht.  Todtenstille  herrschte  in  der  Versammlung.  Die  Weibei'  nahmen 
die  Hunde  in  Verwahrung  und  hüllten  sie  in  ihre  Felle  ein.  Als  sich 
Thomas  in  diesem  Stadium  dem  Lager  näherte,  sah  er  nur  wenige  ghm- 
nu-nde  Lichtei"  am  Boden.  Keine  Stimme  war  zu  hören,  während  unter 
gewöhnlichen  Verhältnissen  fröhliche  Stimmen,  das  Knacken  von  Zweigen, 
das  Bellen  der  Hunde  und  alle  die  anderen  Töne  eines  giossen  Lagers 
gehört  wui'den.  Ein  alter  INIann,  der  Thomas'  Ankunft  bemerkte,  trat  zu 
ihm.  und  warnte  ihn,  die  Miams  zu  besuchen,  wenn  einem  Manne  von 
einem  wilden  Schwarzen  das  Nierentett  (Marm-l)u-la)  fortgeuommen  sei. 
Thomas'  eigene  Diener  hatten  ihn  abhalten  wollen,  heranzukommen,  und  es 
war  überall  deutlich,  dass  eine  feierliche  und  ernste  Handlung  von  den 
Eingeborenen  vorgenommen  würde.  Als  Thomas  verharrte,  sagte  ihm  der  Alte, 
dass  er  nicht  sprechen  dürfe,  dass  er  leise  auftreten,  keine  Zweige  zertreten 
und  sonst  kein  Geräusch  machen  dürfe.  Wie  nun  Thomas  diesen  Vorschriften 
folgend  herantrat,  fand  er  die  Schwarzen  rund  in  Kreisen  um  den  la-anken 
und  wie  sie  glaubten,  sterbenden  Mann  sitzend;  die  ältesten  Männer  bildeten 
(h'U  innersten  Kieis.  die  im  Alter  nächsten  den  zweiten  und  die  jungen 
^länner  den  äussersten. 

Dem  ]\Ledicin-Manne  gelang  es,  dem  Geiste  des  wilden  Schwarzen  das 
Xierenfett  wieder  abzujagen  und  es  dem  Ki-anken  wiederum  au  die  richtige 
Stelle  zu  setzen.  ,.Der  Kranke  erhob  sich,  zündete  seine  Pfeife  an  und 
rauchte  i-uhig  in  der  Mitte  seiner  F]-eunde."     Er  wai-  geheilt. 

Als  fernere  wesentliche  Bestaiidtlicile  des  Körpers  werden  aufgefasst 
die   Seele   und  der  Schatten. 

Die    (ieister   dei'   in    Annam    verstorl)enen   Jungfrauen   vergnügen    sich 


II.    Dio   Krankheit. 


'"^   ^iV'. 


in  den  Zweigen  der  Bäume  und  lassen  ein  sonderl)ares  Lachen  hören.  Sic 
erscheinen  den  A^driihergelicnden  niiter  verscliiedenen  CJ estalten,  und  wenn 
dieselben  die  Uidvlngheit  besitzen,  ihnen  zu  antworten,  flieht  ihre  Seele  aus 
ihrem  Körper  und  sie  werden  ii-rsinuig.  Dieser  TiTsinn  ist  ein  besonders 
schwerer  und  trotzt  nicht  selten  allen  Heilungsversuchen. 

In  Selebes  glaubt  man  die  E])ilepsie  dadurch  bedingt,  (hiss  die  Seele 
zeitweilig  aus  dem  .Köri)(n-  tli(^lit. 

Wenn  in  Nias  die  bösen  Geister  von  dem  Körper  Besitz  ergreifen 
und  auf  diese  Weise  in  ihm  die  Krankheit  verursachen,  so  ermöglichen  sie; 
dieses  nur,  indem  sie  so  lange  die  Seele  verjagen. 

Die  Fetissero  der  Loango-Neger  haben  in  ihrem  Leibe  einen  Zaul)er- 
sack,  durch  Avelcheu  sie  das  Leben  der  Erkrankten  an  sich  ziehen. 

Auf  den  Watubela-Tnselu  wird  in  bestimmten  Krankheitställen  die 
Seele    des   Erkrankten    von    den   Dämonen    gefangen    gehalten.      Auch    in 

Sumatra  finden  wir  Aehnliches.  Hier  liat  dei- 
Mensch  zwei  Seelen,  und  ward  er  krank,  so  ist 
die  eine  derselben  von  einem  bösen  Geiste  ent- 
führt worden.  ..Das  Leiden  ist  von  kürzerer 
oder  längerer  Dauer,  von  minder  odcu'  mehr 
ernstlicher  Art,  je  nach  der  Länge  der  Zeit, 
Avelche  die  Seele  in  der  Gefangenschaft  zubringt, 
und  der  Qualen,  denen  sie  ausgesetzt  ist."  Denn 
der  Körper  des  Patienten  empfindet  die  Qualen 
und  die  Pein,  w^elche  die  Seele  durch  die  Plage- 
reien des  bösen  Geistes  zu  erdulden  hat. 

In  dem  Seranglao-  undGorong-Archijx'l 
legen  bisweilen  böse  IVlenschen  ein  Matavuli-Blatt, 
auf  welches  sie  eine  gegen  einen  ihrer  Genossen 
gerichtete  Yerfluclmng  geschrieben  haben,  unter 
eine  Leiche.  Auf  diese  Weise  versuchen  sie 
die  Seele  des  Betreffenden  zu  entführen  und 
l)ei  dem  Todten  festzuhalten.  Hierdui'ch  vei- 
fällt  der  Unglückliche  einer  laugsamen  Er- 
schöpfung und  endlich  dem  Tode. 

Auf  den  Hervey-Inseln  benutzen  böse 
Menschen  einen  Seelenfänger,  um  die  Seele 
ihres  Feindes  zu  fangen  (Fig.  10).  Es  ist  nach 
Plejte  eine  ungetähr  drei  Meter  lange  Schnur 
aus  Cocosfasern,  an  welcher  schlingenförmig 
Stricke  befestigt  sind.  Man  hängt  dieses  Ge- 
räth  an  einem  Baume  auf.  1)ei  dem  das  Opfer  vorüber  muss,  und  verbirgt 
es  im  Laube.  Erblickt  der  Betreffende  nun  das  Instrument,  so  glaul)t  er 
fest,  dass  seine  Seele  in  demselben  hängen  geblieben  ist,  „und  regt  sich  da- 
durch so  auf,  dass  er  krank  wird  vor  Angst  und  Schrecken  und  bald  stirbt. 
Wie  die  Eingeborenen  sagen,  ist  dieses  Instrument  ein  ])robates  Mittel, 
uiu  Jemanden    aus  der  AVeit  zu  schaffen." 

Auf  Ambon  und  den  Uliase-Iuseln,  sowie  auf  Buru  machen  die 
Dämonen  die  Menschen  krank,  indem  sie  entweder  ihre  Seele  oder  ihren 
Schatten   fortführen.     Bisweilen   al)er  zieht  auch  der  Schatten  die  Seele  au 


Fig.  10.     Seelenfänger  der 
Hervev-Insulaner  nach  Plei/tc 


13.    Die  Krankheit  entsteht  durch  den    Willen   der  Gottheit.  39 

sich  und  daraus  resiiltirt  el)enfalls  Krauklieit,  his  die  Seeh^  Avieder  von  dem 
Schatten  fort  und  an  ihren  Platz  zurückgebracht  ist. 

Die  Niasser  glauben,  dass  die  schwersten  Krankheiten  dadurch  zu 
Stande  kommen,  dass  die  Gottheit  den  Schatten  verschlingt,  welchen  die 
Menschen  unter  dem  Himmel  werfen.  Wenn  dann  gleichzeitig  die  bösen 
Geister  sich  des  Schattens  bemächtigen,  welchen  die  Menschen  unter  die 
Erde  werfen  und  densel])en  verzehren,  so  müssen  die  Kranken  sterben, 
fangen  die  bösen  Geister  den  Schatten  und  fi-essen  ihn.  so  verfällt  der 
INIensch  ebenfalls  in  Krankheit.  Er  kann  jedoch  aus  derselben  noch  errettet 
Averden,  wenn  nicht  die  Gottheit  auch  den  anderen  Schatten  verschlingt. 
Die  bösen  Geister  haben  für  diese  Jagd  auf  die  Schatten  besondere  Hunde 
mit  rückwärts  gedrehtem  Kopfe;  sie  sind  unter  dem  Namen  „Lufthundc" 
bekannt. 


13.   Die  Krauklieit  entstellt  durch  den  Willen  oder  die  gnädige 
Fügung  der  Gottheit. 

Haben  wir  in  dem  vorigen  Abschnitt  bereits  die  untrüglichen  Beweise 
gefunden,  dass  die  Naturvölker  ethischer  Empfindungen  durchaus  nicht 
haar  sind,  so  tritt  dieses  noch  um  so  deutlicher  hervor  bei  zwei  ferneren 
Entstehungsm'sachen  der  Krankheiten.  Als  die  erste  haben  wir  die  Auf- 
fassung zu  l)ezeichnen.  dass  die  Krankheit  entstanden  wäre,  weil  es  so  der 
A\^ille  der  Gottheit  sei.  Es  ist  das  ein  Glaube,  welchen  wir  auf  der  Insel 
Bali  autreffen.  Derselbe  ist  wahrscheinlich  bereits  wesentlich  beeinflusst 
durch  den  Fatalismus  des  Islam.  Und  so  anerkennungswerth  auch  diese 
(i! Ottergebenheit  ist,  so  hat  sie  doch  auch  ihre  nicht  unerheblichen  Nacli- 
theile.  da  ein  Versuch,  der  Erkrankung  vorzubeugen,  natürlicher  Weise 
gleichbedeutend  sein  würde  mit  einer  Auflehnung  gegen  den  göttlichen 
AVillen.  Aus  diesem  Grunde  widersetzen  sich  diese  Insulaner  auch  beispiels- 
weise der  Pockenimpfung,  denn  sie  nehmen  an.  dass  es  der  unumstössliche 
Wille  der  Götter  sei,  dass  eine  bestimmte  Anzahl  von  Menschen  von  den 
Pocken  ergriifen  würde.  Die  Dewa  Madjapahit  sind  es,  welche  ihnen  die 
Pocken  bringen,  und  wer  sich  ihrem  Willen  zu  widersetzen  sucht,  der  muss, 
Avie  sie  glaul)en,  nach  dem  Tode  tausend  Jahre  harren,  bis  es  ihm  vergönnt 
Avird,  in  die  himmlische  Glückseligkeit  einzugehen. 

In  manchen,  allerdings  nicht  sehr  häufigen  Fällen  av erden  auch  von 
den  Loaugo-Negern  plötzliche  Todesfälle  als  der  Ausfluss  göttlichen 
Willens  aufgefasst.  Sie  gel)rauchen  dann  den  Ausdruck  gläubiger  Ergeben- 
heit: „Zambi  tumesi",   d.  h.  „Gott  hat  ihn  gerufen"'. 

Noch  absonderlicher  Avill  uns  eine  zAveite  Auffassung  erscheinen,  welche 
in  der  Ivrankheit.  und  zwar  ebenfalls  Avieder  in  den  Pocken,  nicht  allein  den 
Ausriuss  des  göttlichen  AVillens,  sondern  sogar  eine  göttliche  Begnadigung 
erblickt.  Auch  dieses  ist  wiederum  bei  einigen  Eingeborenen  der  Insel 
Bali  der  Fall.  Es  erklären  sich  hieraus  eine  Anzahl  von  Redensarten, 
Avelche  sämmtlich  für  den  Begriff"  „von  den  Pocken  l)efalleu  sein"  gebraucht 
Averden.  Derartige  Iledewendungen  sind  „begnadigt  sein",  ..ein  Geschenk 
der  Götter  haben'",  „durch  die  Götter  geehrt  sein". 


40 


II.    Die    Kriiiiklioit. 


..Diese    Aiiscliiuniiiir.    tiiiit   Jacobs,    «iein    wir    die    olji^cii   Aiii:;)l)en    ver- 
danken, hiii/ii.  scheint  rein   lii  nduiscli   /u  sein   und   man   findet  sie  aueli  bei 

den     meisten    IJuddliistcn 
wieder.  Ein      cliiuc- 

sisclies  Mädchen  z.B.hat 
caetei'is  ))aiil)us  inchr 
Aussiclit  auf  eiue  Ver- 
heirathuni?,  wenu  ihr  das 
( Jesicht  (hircli  die  Pocken 
mit  Nai'hen  Ixuk'ckt  ist." 
Audi  hei  deuB h e e  1  s 
in  Kads('h])utana  er- 
liölien  nach  il/oore  Pocken- 
narben the  weil)hche 
Schönheit,  und  sie  siiul 
eine  Galx'  (h-r  Göttin 
Matha,  welche  in  der 
Xachbarschaft  jeghchen 
Dorfes  einen  Tempel  odi'r 
einen     grossen     heiligen 

^\    '""WKMK^'  ^'  Hl         ^^^^^^'     3Iatha-kn-thiiu 

^\  .^^^^^^^j/>  xsV;^         ,' 'ifll  gj         genannt,    besitzt.       Bis- 

Aveilen    Avird  sie   als  eine 

glotzäugige  Holztigui' 
dargestellt,  welche  mit 
Klitterwerk  verziert  ist ; 
hä,ufiger  aber  Avird  sie 
nur  als  ein  rothbem alter 
Stein  verehrt.  Tausende 
von  Weibci'n  und  Kin- 
dern nahen  ihr  mit 
Opferga  b(  ■  n ;  a  her  das 
(4ebet  bezieht  sich  nicht 
darauf,  dass  sie  die  Be- 
völkerung verschonen 
soll,  sondern  sie  erflehen 
nur  einen  milden  Be- 
such von  ihrer  Seite.  Aber  den  \'erlust  nur  eines  Auges  rechnen  sie  aiu'h 
noch  zu  den   mild(Mi  Fällen. 


Fig.  11.  Goldener  Pt'eilring,  Srbwert  und  Steine,  alte  Erb- 
stücke   der   Fürsten    von    Pasiiiipai    (Sumatra),    deren 
Anblick  die  Kinder  krank  macht. 
Nach  ran  Jlasselt. 


14.   Sympathetische  IJehertraguii^  als  Ursache  der  Krankheit. 

Trotz  dieser  zahlicichen  iMöglichkeitoi,  welche  den  Natui'kindern  zur 
Verfügung  stehen,  um  den  Ausbruch  einer  bei  ihnen  aufgetretenen  Krauk- 
lieit  zu  erklären,  ist  ihnen  das  doch  Alles  noch  nicht  genügend  und  sie 
suchen  in  manchen  Fällen  für  bestimmte  Erkrankungen  auch  noch  nach 
anderen  Entstehungsursachen.  J)ie  eine  derselben,  die  zauberhafte  Ueber- 
tragung  der  eigenen  Krankheit  auf  einen  Anderen,  haben  wir  bereits  in  dem 
A])schnitte.    wdclier    von    (Umi    Bezaubernni,''en    handelt,    ei'wähnt.      War    es 


15.    Bö.sc   Winde   als   Ursache  der  Kraiiklieit.  41 

liier  immer  der  Zaubernde,  welclu'r  die  Erkrankung  verursadit  hatte,  auf 
den  der  Bezauberte  die  Krankheit  zurückzuzauberu  vermochte,  so  finden 
wir  bekanntermaassen  in  der  deutsclieu  Volksmediein  allerlei  Versuche, 
sich  von  einer  Krankheit  dadiuch  zu  befreien,  dass  man  sie  auf  irgeiul 
einen  ganz  unschuldigen  Nebemnenschen  biniUjerwandern  lässt.  Man  heftet 
sie  durch  gewisse  Beschwörungen  an  (icld  oder  andere  Dinge,  welche  des 
Jvranken  Eigenthum  sind.  Das  wird  irgendwo  an  öäentUcher  Stelle  nieder- 
gelegt, und  wenn  es  Jemand  aufnimmt,  so  nimmt  er  damit  die  Krankheit 
auf  sich  und  der  Andere  ist  geheilt. 

Eine  andere  Art  von  Krankheitsursache  lernte  van  Hasselt  in  Pasimpai 
in  Mittel -Sumatra  kennen.  Es  waren  sorgfältig  verwahrte  Erbstücke 
(Fig.  11),  Avelche  unter  Umständen  zu  Heilzwecken  (Henten.  Sie  durftoi 
nicht  zu  ebener  Erde  aufbewahrt  werden,  da  der  Glanz,  welcher  von  ihnen 
aussti'ahlt,  nachtheilig  auf  die  Gesundheit  der  Kinder  einwirken  würde. 

Die  nordamerikanischen  Indianer  glauben  auch,  dass  Jemand  da- 
(kirch  erkranken  könne,  dass  er  einen  unglücklichen  Namen  trage.  Wenn 
dieses  als  die  Ursache  der  Krankheit  erkannt  ist,  so  muss  scmu  Xauie  ge- 
ändert werden. 


15.   Böse  Winde  als  Ursache  der  Krankheit. 

Auf  den  Luang-  und  Sermata-lnseln,  sowie  auf  Buru,  Anibon 
und  den  Uliase-Inseln  werden  für  den  Ausbruch  von  Ki'ankheiten  bis- 
weilen „böse  Winde"  verantwortlich  gemacht.  Auf  der  Insel  Eetar  glauben 
die  Eingeborenen,  dass  die  Pockenkrankheit  auf  der  Insel  Alor  ihren  Woliii- 
sitz  habe,  und  dass  die  Winde  sie  ihnen  von  dorther  herüberführten,  damit 
sie  diejenigen  Männer  tödte.  welche  innerliall)  eines  bestininiten  Zeitraunu^s 
einige  Aloresen  umgebracht  hal)en. 

Auch  den  Indianern  Nord- Amerikas  ist  der  Gedanke  ganz  geläufig, 
dass  die  Winde  etwas  mit  der  Verbreitung  der  Ki-aukheiten  zu  schaffen 
hätten.  Es  spricht  sich  das  in  Beschwörungsgesäugen  der  Medicin-Männer 
aus,  welche  uns  Gatschet  von  den  Klamath-Indianern  in  Oregon  zu- 
gänglich gemacht  hat.  Stets  tritt. in  diesen  Gesängen  der  Medicin-Männer 
die  übernatürliche  Gewalt,  an  welche  die  BescliAvörung  gerichtet  ist,  selbst- 
redend auf.     So  begegnen  wir  daselbst  z.  B.  dem  Gesänge  des  Westwindes: 

„Ich,  der  Westwind,  hoch  über  der  Erde 
Blase  ich  als  ein  verderblicher  Windstoss." 

Der  Kegensturni  singt: 

„Die  von  mir  hervorgerufene  Kraidvheit  ist  angelaugt, 
Ich  bin  der  Sturm  und  Wind,   und  dies  ist  mein  Cxesaug." 

In  einem  anderen  Gesänge  heisst  es: 

„Wer,  möcht  ich  wissen,  bläst  aus  meinem  Munde? 
Die  Krankheit  geht  aus  von  meinem  Munde;"' 

lind  wieder  in  einem  anderen: 

.,Was  für  ein  Ding  blase   ich   umher? 

Die   Krankheit   blase   ich   riny-s   in  die   Luft." 


42  TT.    Die   Kranklicit. 

Bei  den  nlton  Türken  sc^heinen  iUmliclie  Ansc-liauungen  fgeherrscht 
zu  haben,  denn   es  heisst  in  einem  uijfnriselien    Friede  vom  .[alire   lOOi): 

„Der  Besprecher  giebt  es  viele, 
Die  des  Windes  Krankheit  heilen. 
An  die  mnsst  Du,  Herr,  Dich  wenden, 
Von  der  Ivrankheit  heilen  Sprüche." 

Aueli  iu  Cambodja  Innugt  man  den  Wind  mit  der  Krankheit  in  Vei- 
l)iuduug.  Man  rauss  auf  seiner  Hut  sein,  damit  man  ilin  nicht  beh-idigt. 
Denn  ein  solclies  Vorgelien  straft  er  damit,  dass  er  Anschwellungen  und 
Geschwüre  entstehen  lässt. 


16.   Natürliche  Kranklieitsursachen. 

Wir  nähern  uns  mit  dieser  schon  halb  meteorologischen  Auffassung  dei- 
Ivraukheitsentstehung  bereits  den  weniger  übernatürlichen  Yorstellungen 
von  den  Ursachen  der  Krankheiten.  Unter  den  letzteren  ist  zu  erwJihnen. 
dass  auch  einzelnen  Naturvölkern  beieits  das  Bewusstsein  aufgegangen  ist. 
dass  dui'ch  eine  unzweckmässige  Ernährung  Ka'ankheiten  entstehen  können. 
So  glaubt  man  auf  den  Luang-  und  Sermata-Inseln,  dass  Erkrankungen 
diu'cli  schlechte  Nahrung  hervorgerufen  Averden  können,  und  in  dem  Seran- 
glao-  und  Gor ong- Archipel  schiebt  man  den  Ausbruch  der  Lepra,  des 
Aussatzes,  auf  eine  unzweckmässig  gewählte  Ernährung.  Dahin  gehört 
der  übermässige  Gebrauch  von  spanischem  Pfeffer,  sowie  von  einer  be- 
stimmten Fischart  mit  rothem  Kopfe  und  vom  Tintenfisch  (Octopus). 

Die  Annamiten  schieben  das  übermässige  Dickwerden  der  Bäuche  bei 
jnngen  Kindern  darauf,  dass  die  Mutter  fortgefahren  hal)e,  sie  zu  säugen, 
wälu-end  sie  sich  bereits  wieder  in  anderen  Umständen  befand. 

Körperliche  Ueberanstrengung  kennt  man  als  Ursache  von  Er- 
krankung auf  den  Seranglao-  und  Gorong-Iuseln.  Es  wird  dieselbe 
ebenfalls  für  eine  der  Ursachen  der  Lepra  gehalten.  Für  die  Entstehung 
des  Kropfes  macht  man  auf  Buru  das  viele  Klettern  auf  Bäume  ver- 
antwortlich. 

Eine  Ansteckung  erkennen  die  Einwohner  von  Tanembar  und  den 
Timorlao-Inseln,  die  Kei-Insulaner  und  die  Karayä-Indianer  in 
Brasilien  an,  die  letzteren  bei  der  Lungentuberkulose.  An  eine  Vererbung 
der  Krankheit  glaubt  man  auf  Serang,  auf  Keisar,  auf  Leti,  Moa  und 
Lakor,  auf  Tanembar  und  den  Timorlao-Inseln,  sowie  auf  den  Kei- 
und  Aaru- Inseln.  Es  ist  in  hohem  Grade  interessant  zu  sehen,  welclni 
Krankheiten  diese  Insulaner  für  erblich  betrachten.  Es  sind  auf  Keisar, 
»Serang  und  den  Aaru-Iuseln  der  Aussatz,  auf  Leti,  Moa  und  Lakor, 
auf  Tanembar  und  den  Timorlao-Inseln  die  Epilepsie  und  auf  den 
letzteren  Inselgruppen  und  den  Kei- Inseln  die  Geisteskrankheiten.  Man 
sieht,  dass  uns  hier  trotz  aller  sonstigen  Absonderlichkeiten  doch  wiederum 
ein  Stück  recht  guter  Naturbeobachtungen  entgegentritt. 


17.    Der  böse  Blick. 


43 


17.   Der  böse  Blick. 

Wir  dürfeu  es  nicht  unterlassen,  schliesslich  noch  einer  weitverbreiteten 
Ursache  nicht  selten  todtbringender  Krankheit  zu  gedenken,  das  ist  der 
böse  Blick,  das  malocchio  der  Italiener.  Für  mich  hat  es  den  An- 
schein, als  ob  man  zwei  verschiedene  Arten  des  bösen  Auges  unterscheiden 
müsste,  welche  man  als  den  beabsichtigten  und  den  unabsichtlichen  bösen 
Blick  bezeichnen  könnte.  In  ihrer  Wirkung  sind  sie  beide  gleich.  Wessen 
Auge  von  ihnen  getrolien  wird,  dem  ist 
Unheil,  Krankheit  und  Siechthura  gewiss 
und  der  Tod  kann  hiervon  die  Folge  sein. 
Der  Unterschied  ist  aber  darin  zu  suchen, 
dass  der  Eine  mit  der  magischen  Kraft 
seines  Blickes  absichtlich  und  bewusst 
seinem  Mitmenschen  diesen  Schaden  zu- 
fügt, während  dem  Auge  des  Anderen 
der  Fluch,  die  unglückliche  Gabe  an- 
haftet, das  Unglück  zu  bringen,  ohne 
dass  er  selber  es  weiss  und  beabsichtigt. 
Diese    letztere    Auffassung    scheinen 

wohl    zum  Theil   die  südeuropäischen  t^,.     -,n     »    ^^^i     m-  ^  a 

-^^..,,  ,      .  AI    •  lAi-  1         11  ^^"       •    -^i^iiiet  der  iurkeu   gegen   dea 


bösen  Blick.  (Constantinopel.) 

Vierfach  vergrössert. 

Im  Besitz  des  Verfassers. 


Völker  zu  besitzen.  Absichtlich  schleu- 
dert den  bösen  Blick  der  Medicin-Mann 
der  Sahaptin-Indianer,  sowie  der 
Klamath,  der  Waskows,  der  Cayuse  und  der  Walla-Walla.  Ge- 
senkten Hauptes  muss  man  bei  ihnen  vorübergehen,  damit  man  nicht  von  den 
ki-ankheitbringenden  Strahlen  ihres  zornfunkelnden  Auges  getroffen  werde. 
Auch    die  Laoten   fürchten    sich   vor  dem   bösen  Blick   bestimmter   Leute. 

Abwehrende  und  den  Zauber 
des  bösen  Blickes  unschädlich- 
machende Amulete  finden  wir  bei 
manchen  anderen  Volksstämmen. 
Am  bekanntesten  ist  hier  die  Fica 
der  alten  Römer,  die  kleine  Nach- 
bildung einer  Faust,  deren  Daumen 
zwischen  dem  Zeigefinger  und  dem 
Mittelfinger  steif  gerade  hervor- 
gestreckt ist.  Eine  kleine  gläserne 
Hand,  aber  mit  sämmtlich  aus- 
gestreckten Fingern,  tragen  noch 
heute  die  Türken  in  Constan- 
tinopel (Fig.  12),  und  auch  bei  den 
Juden  in  Marokko  ist  es  Sitte, 
kleine  Hände  aus  Messingblech 
(Fig.  13)  mit  ausgestreckten  Fingern  an  der  Kopfbedeckung  der  Knaben  zu 
befestigen,  um  sie  vor  dem  schädlichen  Einflüsse  des  bösen  Blickes  zu 
bewahren.  Die  Cyprioten  versehen  sich  in  der  gleichen  Absicht  mit  einem 
gläsernen  Knopfe,  welcher  in  blauer  und  gelber  Umrandung  eine  weisse 
Mittelfläche  mit  schwarzem  Mittelpunkt  besitzt  und  so  eine  entfernte  Aehu- 
lichkeit  mit  dem  Bilde  eines  Auges   darbietet  (Fig.  14). 


Fig.    13.      Amiilet    der 

Marokkanischen 

Juden  gegen  den  bösen 

Blick. 

Mus.  f.  Völkerkunde 

Ber  li  n. 
Nach  Photographie. 


Flg.  14.     Amulet    der 
Cyprioten  gegen  den 

bösen  Blick. 
Im  Besitz  des  Verfassers. 


44  TT.    T>ir   Krankheit. 

Bei  den  Klamatli-Tndianein  verinögeu  unter  Uiiiständeii  Be- 
sdbwönings-Gesänge  gegeu  den  Zauber  des  bösen  Blickes  zu  belfeu.  Die 
Harrari  in  At'rikn  trinken  dagegen  die  Abkochung  einer  Damasnianii 
genannten  Pflanze. 


18.   Rückblick. 

Wir  bal)en  in  den  vorbeigebeuden  Seiten  den  Versuch  gemacht,  an- 
nähernd die  Vorstelhmgen  kennen  zu  hörnen,  welche  die  Naturvölker  sich 
von  dem  Wesen  und  den  Ursachen  der  Krankheiten  gebildet  haben.  Einen 
vollständig  klaren  und  erschöpfenden  Einblick  hier  erlangen  zu  können,  ist 
wohl  überhaupt  ein  Ding  der  Unmöglichkeit.  Denn  in  den  meisten  Fällen 
werden  sich  diese  uncivilisirten  Stämme  wohl  selber  nicht  vollständig  klar 
über  diese  doch  immerhin  etwas  abstrakten  Begriffe  sein.  Und  sicherlich 
können  und  wollen  sie  dem  Europäer  nicht  Alles  mittheilen,  was  sie  von 
diesen  Dingen  denken  und  empfinden.  Das  Eine  haben  wir  aber  zu  er- 
kennen vermocht,  dass  nicht  bei  allen  Völkern  diese  Begriffe  so  scharf 
präcisirt  und  abgegrenzt  erscheinen ,  wie  wir  es  im  Interesse  einer  klaren 
Uebersichtlichkeit  vornehmen  mussteu.  AVir  haben  wohl  gesehen,  Avie  sich 
die  Anschauungen  nicht  «selten  verschieben,  vermischen  und  in  einander 
übergehen.  Aber  ist  denn  das  bei  unserer  Volksmedicin  etwas  anderes? 
Wer  aus  unserem  Landvolke  würde  wohl  im  Stande  sein,  erschöpfend  und 
klar  uns  auseinander  zu  setzen,  was  er  sich  unter  den  Ki'ankheiteu  vor- 
stellt und  wie  er  glaubt,  dass  sie  zu  Stande  kommen?  In  der  Mehrzahl 
der  Fälle  werden  seine  Vorstellungen  hiervon  höchst  unklar  und  verworren 
sein  und  es  wird  ihm  an  der  rechten  Ausdi'ucksweise  gebrechen,  um  uns  in 
seine  Empfindungen  einzuweihen.  Trotz  dieser  Unvollkommenheit  jedoch 
durften  unsere  Untersuchungen  nicht  unterbleiben.  Denn  ganz  nothAvendig 
bedürfen  wir  ihrer,  wie  wir  bereits  im  Anfange  erwähnt  haben,  um  allerlei 
Maassnahmen  zu  verstehen,  welche  zur  Beseitigung  der  Krankheit  und  zur 
Wiederherstellung  des  Patienten  unternommen  Averden.  Und  Vieles.  Avas 
uns  vorher  sinnlos  vorkommen  musste,  und  avo  Avir  nicht  zu  begreifen  ver- 
mochten, Avarum  man  nun  gerade  zu  solchen  Hülfsmitteln  seine  Zuflucht 
nimmt,  Avird  uns  dann  ganz  überlegt  und  Avohl  durchdacht  erscheinen  müssen, 
obgleich  es  natürlicher  Weise  oft  nach  unseren  civilisirten  Anschauungen 
und  Kenntnissen  vollständig  unzureichend  ist  und  nicht  selten  dahei-  auch 
den  angestrebten  Zweck  verfehlt. 


III. 


Die    Aerzte. 


19.   Die  Medicin-Mäniier. 


Wenn  wir  einen  Blick  auf  unser  Landvolk  werfen,  so  sehen  wir,  dass 
überall  eine  einzelne  Persönlichkeit  sich  aus  der  Gruppe  der  Gaugenossen 
hervorhebt,  welcher  in  allerlei  Nöthen  und  Gebresten  des  Leibes  und  nicht 
selten  auch  der  Seele  das  allgemeine  Vertrauen  entgegengetragen  wird. 
„Er  kann  mehr,  wie  Brodessen,''  lautet  in  Deutschland  die  ständige 
Redensart  und  es  ist  damit  für  jeglichen  Eingeweihten  deutlich  ausgesprochen, 
dass  demselben,  ganz  abgesehen  von  einem  höheren  Wissen  und  Können, 
auch  noch  übernatürliche  Kräfte  innewohnen  und  dass. er  mit  übernatürlichen 
Gewalten  in  unmittelbarer  Beziehung  steht.  Ganz  das  Gleiche  finden  wir 
a,uch  bei  den  Naturvölkern,  nur  dass  hier  ganz  offen  zu  Tage  tritt,  was  in 
unserer  modernen  Yolksmedicin  mehr  oder  weniger  verstohlen  sein  Dasein 
fristet.  Damit  ist  es  nun  natürlicher  Weise  aber  nicht  ausgeschlossen,  dass 
man  in  Kleinigkeiten  sich  selber  hilft,  und  es  wird  uns  dieses  von  den 
Eingeborenen  Süd- Australiens  auch  noch  besonders  bestätigt.  Wenn 
aber  Jagor  von  den  Igorroten  der  Philippinen  und  von  Rosenherg  von 
den  Mentavej-  und  Aaru-Insulanern  und  von  den  Einwohnern  von 
Dorej  an  der  Südwestküste  von  Neu -Guinea  berichtet,  dass  es  besondere 
Aerzte  bei  ihnen  nicht  gäbe,  sondern  dass  ein  Jeder  sich  selber  hilft,  so 
müssen  wir  hierfür  wohl  doch  erst  noch  eine  genauere  Bestätigung  ab- 
warten. Es  widerspricht  das  so  sehr  der  menschlichen  Natur,  und  wir 
sehen  selbst  bei  den  culturell  so  tief  stehenden  Australnegern  einen 
wohl  ausgebildeten  ärztlichen  Stand,  so  dass  es  mir  doch  der  Wirklichkeit 
mehr  zu  entsprechen  scheint,  wenn  wir  annehmen,  dass  es  den  genannten 
Reisenden  zufälliger  Weise  nur  an  der  günstigen  Gelegenheit  gemangelt 
hat,  die  Aerzte  in  Funktion  treten  zu  sehen,  und  dass  sie  desshalb  auf 
einen  gänzlichen  Mangel  derselben  irrthümlich  geschlossen  haben.  Es 
widerlegt  sich  übrigens  nach  wenigen  Absätzen  von  Bosenherg  schon  selber, 
wenn   er  von  den  Doresen  sagt: 

.,Piiester  giebt  es  nicht,  wohl  aber  Zauberer,  welche  Beschwörungen 
machen,  Zaubereien  verrichten  und  Kranke  heilen." 

Deutlichei'  kann  das  Vorkommen  eines  besonderen  ärztlichen  Standes 
doch  wirklich  kaum  bestätigt  werden. 

Bei  den  Weddah,  den  wilden  Ureinwohnern  von  Ceylon,  gehen  Paul 
und  FritiS  Sarasin  so  weit,  dass  sie  ihnen  überhaupt  jegliche  Spur  medi- 
cinischer  Kenntnisse  absprechen  und  dass  die  Fälle,  die  das  Gegentheil  be- 
weisen, ihre  Erklärung  darin  landen,  dass  hier  der  Verkehr  mit  Tamilen 
und  Sinsi;haleseu  den  Weddah  diese  Kenntnisse  übermittelt  habe.    Auch 


48  TIT.    Die  Aeizto. 

hier  liegt  Aviilirscliciiilicli  ein  Intliuin  v<^)i':  denn  gerade  die  angetiilirtcn 
IVranssnaliuieu  (Bcniit/nng  von  liindcn  und  Auflegen  von  Blättern),  wclelic 
<leii  Beweis  dafür  liefern  sollen,  dass  die  Weddah  sie  von  den  Tamilen 
und  Singhaleseii  erlernt  haben,  stellen  so  elementare  (Tedankengänge 
dar,  dass  wir  sie  bei  den  verschiedensten,  auch  ganz  tiefstehenden  Natui- 
völkern  wiederfinden  und  dass  Avir  daher,  Avie  mir  scheinen  Avill,  durchaus 
nicht  genöthigt  sind,  sie  Ixm  d<Mi  Weddah  als  etwas  von  anderswoher 
T'eberliefertes  anzusehen.  Denn  auch  dem  ])rimitivsten  menschlicben  Geiste 
wohnen  diese  (ledankengänge  inne. 

Die  Krankheiten  w(>rden,  wie  wir  oben  ausführlich  eröi'tei't  haben. 
ül)erwiegend  als  veranlasst  durch  überirdisclie  Wesen  angesehen.  Es  ist 
in  Folge  dessen  ganz  naturgemäss  und  logisch,  dass  man  Hülfe  und  Heilung 
in  Krankheitsfällen  nur  von  solchen  Menschen  zu  erwarten  berechtigt  ist, 
Avelche  in  den  Besitz  von  übernatürlichen  Kräften  gelangt  sind.  Avelche  im 
Stande  sind,  mit  den  betreft'enden  (leistern,  seien  es  nun  Gottheiten.  Ahnen- 
geister oder  Dämonen,  in  unmittelbaren  Verkehr  zu  treten,  ihren  Willen 
und  ihre  Absichten  zu  erforschen,  ihren  Zorn  zu  besänftigen  und  ihren 
UnAvillen  zu  versöhnen,  oder  auch  sie  zu  bannen,  sie  zu  verjagen  und  ihrer 
Herr  zu  Averden.  Nun  ist  die  Krankheit  nicht  das  einzige  Ungemach,  das 
dem  Menschen  zustossen  kann.  Man  Avill  aber  vor  jeglichem  Unglück  ge- 
schützt sein,  man  will  Erfolg  und  Gedeihen  in  seinen  Unternehmungen 
haben,  Segen  im  Landbau,  reiche  Beute  auf  der  Jagd,  Glück  im  Kriege, 
und  in  Folge  dessen  muss  man  ernstlich  bemüht  sein,  mit  den  überirdischen 
Gewalten,  den  Segenbringenden  soAvohl  als  auch  den  Verderblichen,  in 
gutem  Einvernehmen  zu  verharren.  Der  eigenen  Kraft  vertraut  man  nicht. 
Wiederum  bedarf  man  dazu  einer  mächtigeren  ^Mittelsperson,  und  da  kommen 
nun  natürlicher  AVeise  in  erster  Linie  Avieder  diejenigen  Personen  in  Betracht, 
deren  übernatürliche  Fähigkeiten,  deren  Beziehungen  zum  Reiche  der  (leistei- 
Allen  bereits  hinreichend  bekannt  sind. 

So  erklärt  es  sich  in  einfacher  Weise,  dass  Avir  bei  den  Naturv()lkei-n 
ausserordentlich  häufig  die  ärztlichen  und  die  priesterlicheu  Funktionen  in 
denselben  Händen  sehen.  Es  ist  der  Arzt,  der  die  priesterlichen  Vemch- 
tungen  übernimmt,  oder  der  Priester,  Avelcher  die  Kranken  heilt;  denn  die 
Behandlung  der  Kranken  Avird  zum  Gottesdienst  und  strenge,  rituelle  Vor- 
schriften sind  mit  ihr  verbunden.  Der  Verkehr  mit  den  Geistern  ist  im 
Sinne  der  Naturvölkei-  ja  ein  Gottesdienst.  Denn  auch  die  Dämonen  können 
segenliringend  wirken,  Avenn  man  sie  sich  zu  verbinden  vermag,  damit  sie 
dem  Feinde  Verderben  bringen.  Und  der  Arzt  und  Priester,  der  sie 
hierzu  veranlasst,  Avird  auf  diese  AVeise  gleichzeitig  auch  zum  Zauberer. 
T^nd  zum  Seher  und  Wahrsager  Avird  er,  Avenn  ihm  die  Geisterwelt  die 
Zukunft  oflfenhai't,  ihm  die  Jagdgründe  anzeigt,  avo  dem  hungernden  Volke 
sich  reiche  Nahrung  bietet,  und  ihn  vorhersehen  lässt.  ob  ein  geplanter 
Eroberungszug  dem  Stamme  zum  Glück  ausschlagen  Avird,  oder  zum  Ver- 
derben. Diese  Funktionen  sehen  Avir  daher  dauernd  sich  durch  einander 
schieben  und  die  Reisenden  melden  uns  medicinisches  Wirken  bald  vom 
Arzte,  bald  vom  Priester,  bald  vom  Wahrsager  und  vom  Zauberer.  T^ml 
für  geAvöhnlich  sind  das  immer  die  gleichen  Perscinlichkeiten.  welche  bald 
in  der  einen,  bald  in  einer  der  anderen  Funktionen  von  den  Beiichterstattern 
lielauscht  Averden  konnten. 


20.    Die  sociale   Stellung  der    .Mediciu-Männer.  4!) 

Zwei  Ausdrücke  sind  es  iianieiitlicli,  mit  welelieii  wii-  die  Ti-ä<>;ei- 
dieser  verschiedenartigen  Funktionen  hezeiclinet  finden.  Das  eine  Mal 
werden  sie  Schamanen  i>(>ti;miit.  das  andere  ^Nfai  Medicin-Mänuer.  Dei- 
«M'stere  Ausdruck  entstammt  den  nordasiatischen  Yölkerscliaften.  der 
letztere  ist  bekannte]-  Maassen  den  noi'damei'ikanischen  Indianern 
<'ntnommeu,  weh-lie  mit  dem  französischen  Worte  medecine  aUes  l)ezeich- 
Tieten.  was  von  ihnen  als  unbegreiflich  und  übernatürlich  angesehen  wurde. 
I  )ie  übrigen  Ausdi'ücke.  die  wii-  wohl  nocli  antreffen,  wie  Doctor.  Zaidx'rer, 
Hexer,  (laukier  und  Tasclicnsjjiclei-  sind  dagegen  verschwindend  und  jeden- 
falls  um   Vieles  uim(M'ignetei-. 


20.  Die  sociale  Stellung  der  Medicin-Männer. 

H]nts])reciiend  den  iji  das  (iffentliche  und  private  Leben  tief  eingreifenden 
\'erpflichtungen.  welche  ihren  Händen  anvertraut  sind,  ist  die  Stellung  dei- 
Medicin-Männej-  im  Allgemeinen  eine  l)esondere.  bevorzugte  und  angesehene. 

Dass  sie  im  Volke  wenig  in  Ansehen  stehen,  ist  sicherlich  eine  grosse 
Ausnahme,  von  Rosenberg  berichtet  dieses  von  Andai  an  der  Xordwestküste 
\eu-Guineas.  Audi  was  derselbe  Autoi'  von  der  Insel  Nias  angiel)t. 
dass  dort  die  Aei'zte  leben  und  arbeiten,  wie  j<m1  er  Dorfbewohner,  und  dass 
sie  keinesweges  ein  höheres  Ansehen  geniessen.  das  ist  nn'ndestens  unge- 
Iträuchlich. 

Füi'  gewölmlicl)  ist.  wie  gi'sagt.  ihr  Ansehen  und  ihr  EinÜuss  sein- 
gross.  Sie  finden  bei  den  Zulu,  wenn  sit'  auf  dei'  Wanderung  sind,  überall 
eine  giite  Aufnahme:  sie  werden  bei  den  Dacota- 1  ndianei'n  stets  mit  der 
grössten  Ehi'fiu'cht  behandelt  und  mit  den  besten  Dingen  vei'sehen.  sie 
sind  bei  den  Ipurin  a- 1  ndianern  undbei  den  Austra  hungern  von  Victoria 
die  einflussreichsteu  Personen  des  Stammes,  lu  Ijiheria  sind  sie  die  Kath- 
geber  der  regierenden  Häu])ter  in  Kriegs-  und  Fi-iedenszeiten.  In  Victoria 
sind  sie  die  ausschlaggebenden  Personen  in  der  Vertheilung  des  Landes, 
in  Gi})psland  ordnen  sie  die  Wanderungen  und  Versannidungen  des 
Stammes  an.  Höchst  eintlussreich  ist  auch  ihre  Stellung  bei  den  von 
Serpa  Pinto  besuchten  (Tanguella-Xegern  in  Caquingue.  obgleich  liei 
diesen  die  ^Iedicin-]\ränuer.  die  Wahrsager  und  die  Zaul)erer  gesondei'te 
Stände  bilden.  Ariele  heilige  Handlunge]i  dürfen  hier  nur  in  der  (Tregenwai't 
des  ^ledicin-ManiH's  vorgenonnnen  werden,  und  in  Fragen  von  Wichtigkeit 
Liilt  seine  Stimme  mehr  sogar,  als  diejenige  des  AVahrsagers.  Ki-  s])richt 
-i'ine  Entscheidung  abei-  niemals  aus.  ..ohne  vorher  gewisse  Ceremouien  zu 
\  eranstalten.  die  sogenannten  medicinischen  Gebräuche,  zu  denen  er  bald 
PHanzeu,  bald  Menschen-  oder  Thierlilut  vei-wendet." 

Das  allerhöchste  Maass  von  Ansehen,  das  der  ]\Iedicin-Mann  geniessen 
kann,  berichtet  Turner  von  einer  bestimmten  Gegend  von  Samoa.  Hier 
w  urd(^  ein  alter  ]\lann  als  die  Incarnation  des  Gottes  Taisumalie  (d.  h.  die 
sanft  anschwellende  Fluth)  angesehen,  der  als  Medicin-Mann  in  der  Familie 
"wirkte.  Die  Nachbarn  zogen  ebenfalls  in  ihren  Krankheiten  zu  ihm.  Sein 
Hau])tmittel    war.    den    befallenen   'Pheil     mit    Oel    zu    reiben   uiul    dann   mit 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  -4 


nO  111.     Die   Aevzto. 

iiusNci'stci'  Kial't  seiner  Htiiinnc  liiiit'  ]M:il  d.is  \\'()it  Taisumaiie  /u  schreien 
nnd  sü  ihn  fünf  Mnl  zu  rufen,  dass  er  komme  und  heih'.  AVenn  das  ge- 
schehen war,  wurde  der  Kranke  enUass(Mi.  um  die  Heihing  abzuwarten. 
Trat  die  Genesung  ein,  so  gab  die  Familie  hierfür  ein  Fest,  goss  für  den 
Gott  eine  Schale  voll  Kawa  auf  die  P^rde,  dankte  für  die  Heilung  und  die 
Gesundheit  und  betete,  dass  er  fortfaliren  möge,  seinen  Rücken  zum  Schutz«^ 
ihnen  zuzukehren,  sein  Antlitz  aber  gegen  die  Feinde  dei'  Familie. 

Die  Kranken  bi'ingen  den  ^Medicin-Männein  ein  unbedingtes  Zutrauen 
entgegen;  das  finden  wii'  im  malayischen  Archipel,  sowie  durch  ganz 
Amerika  und  Australien.  Aber  kein  Vertrauen  wird  bei  den  Zulu 
in  einen  Arzt  gesetzt,  welchei'  sich  einer  Fettleibigkeit  zu  erfreuen  hat. 

Mit  grosser  Genugthuung  rühmten  die  Eingeborenen  von  Victoria  in 
einem  Falle,  in  Avelchem  der  Medicin-Mann  einen  scheinbar  Sterbenden 
durch  schleunige  Zmiickbringung  des  ihm  gestohlenen  Nierenfettes  geheilt 
hatte,  „wie  schnell  ein  Arzt  ihres  Volkes  eine  Krankheit  heilen  könne, 
welche  ein  weisser  Arzt  für  unheilbar  Ijetrachte." 

Wir  sehen,  die  Einbildung  ist  es,  oder  wie  man  heute  sagen  würde,  die 
Auto-Suggestion,  welche  bei  den  Naturvölkern  allerlei  Krankheiten  ent- 
stehen lässt,  und  durch  die  geschickt  ausgetuhrte  Suggestion  ihrer  Medicin- 
Männer  werden  sie  geheilt. 

Die  Medicin-Männer  der  Chippeway-  und  der  Winuebago-Indianer 
werden  auch  bei  den  Nachbarstämnien  als  besonders  erfahren  und  leistungs- 
fähig angesehen,  und  von  Liberia  berichtet  Büttihofer.  dass  in  einzelnen 
Ki'ankheiten  selbst  AVeisse,  die  bei  den  europäischen  Aerzten  keine  Hülfe 
gefunden  hatten,  sich  der  Behandlung  der  eingeborenen  Medicin-Männer 
anvertraut  hatten  und  von  ihnen  geheilt  worden  waren. 

Bei  den  Indianer-Völkern  müssen  die  Medicin-Männer  auch  ge- 
schickte Taschenspieler  sein;  bei  den  nordwestlichen  Stämmen  wenigstens 
müssen  sie,  bevor  sie  die  Krankenbehandlung  beginnen,  stets  erst  ein  interes- 
santes Zauberstück  ausführen,  um  den  staunenden  Zuschauern  ihre  über- 
natürliche jNlacht  zu  l)eweisen.  In  Ann  am  werden  sie  als  ungebildet,  aber 
als  sehr  eneriiiseh  Ix'zeichnet. 


21.   Ucberiiatürlicbe  Fähigkeiten  der  Medicin-Männer. 

Ihr  intimer  Verkehr  mit  der  Geisterwelt  begabt  die  Medicin-Männer 
aber  auch  mit  ganz  besonderen  Fähigkeiten.  Sie  können  das  Leben  bringen, 
aber  auch  den  Tod,  und  diese  ül)erirdische  Kraft  wird  ihnen  selbst  nicht 
selten  zum  Verhängniss.  Allerlei  wunderbare  Dinge  weiss  man  sich  von 
dem  übernatürlichen  Verkehre  der  Medicin-Männer  mit  der  Geisterwelt  zu 
berichten,  und  sorgsam  sind  die  Aerzte  darauf  bedacht,  diesem  Glauben 
bei  dem  Volke  hinreichende  Nahrung  zu  geben.  In  Victoria  behaupten 
sie.  dass  sie  alle  Dinge  über  und  unter  der  Erde  kennen,  sie  behaupten, 
dass  sie  Alles  wissen,  und  sie  beschreiben  den  Stammesgenossen  nicht  selten, 
was  bei  irgend  einem  fernen  Stamme  zur  Zeit  gemacht  wird.  Die  Meewocs 
in  Central-Californien  glauben,  dass  ihre  Medicin-Männer  auf  der 
Spitze  ehies  Berges  sitzen  können,  fünfzig  INIeilen  weit  von  einem  Manne, 
den    sie  zu  vernichten  wünschen,    und  dass  sie  den   Tod  desselben  dadurch 


21.    UebernatürlicLe  Fähigkeiten  der  Mediciii-Mäniier.  51 

herboizufiihren  im  Stande  sind,  dass  sie  mit  ihren  Fingei'spitzeii  ein  magisches 
Gift  ihm  entgegenschnellen.  Bei  den  Indianern  Süd-Californiens  be- 
fehlen sie  den  Elementen,  blicken  in  di(>  Znknnft  nnd  vermögen  sich  nach 
ihrem  Belieben  zu  verwandeln. 

Wenn  bei  den  Dacota-Indianern  der  Arzt  längere  Zeit  ohne  Praxis 
ist,  so  hat  er  grosse  Unbequemlichkeiten  von  der  Unrulie  der  Geister  in 
ihm  zu  erdulden.  Um  die  Geister  zu  beruliigen  nimmt  er  bisweilen  Blut 
aus  dem  Arme  irgend  einer  Person  und  trinkt  dasselbe.  So  ist  es  denn 
kein  Wunder,  dass  auch  Furcht  die  zagenden  Gemüther  beföUt,  wenn  sie 
dem  Medicin-Mann  gegenübertreten.  Wer  ihn  bei  den  Klamath- 
In dianern  zu  einem  erkrankten  Familiengliede  ruft,  der  bleibt  vor  der 
Thür  der  Hütte  stehen,  welche  voll  ist  der  überirdischen  Wesen.  Die 
Männer  in  Yictoria  fürchten  sich,  sie  anzutasten,  und  fügen  sich  daher 
allen  ihren  Anforderungen;  die  Weiber  zittern  vor  ihnen,  weil  sie  sie  ver- 
wunden, ihnen  das  Nierenfett  rauben,  sie  unfi'uchtbar  machen  und  ihre 
Kinder  tödten  könnten.  Die  Sahaptin-Indianer  sterben  häufig  aus  Furcht 
vor  des  Medicin-]\[annes  bösem  Blick,  und  auch  bei  den  Wascow-Indianern 
wird  geglaubt,  dass,  gegen  wen  er  seine  grässlichen  Blicke  schleudert,  dem 
sicheren  Tode  veifallen  sei.  Man  muss  daher  in  ihrer  Gegenwart  sein  Haupt 
abwenden  oder  verbergen,  um  ihren  erzürnten  Blicken  zu  entgehen.  „Wenn 
einer  von  dem  Gedanken  erfasst  ist,  berichtet  Älvord,  dass  er  von  einem 
Medicin-^Nfanne  schrecklich  angeblickt  worden  ist.  so  siecht  er  dahin,  zehrt 
ab,  oft  verweigert  er  zu  essen  und  stirbt  durch  Yerhungern  und  Melancholie.*- 

Auch  die  Schamanen  der  sibirischen  Volksstämme  gemessen  beim 
A^olke  ein  ganz  besonderes  Ansehen;  aber  sie  sind,  wie  Radloff  sagt,  viel- 
mehr gefürchtet  als  geliebt. 

Die  alten  Peruaner  hatten  nach  von  Tscliudi  zwei  Arten  von  Priestei- 
ärzten,  die  Sonkoyox  und  die  Kamaska.  Der  erstere  Name  bezeichnet 
„die  Muthigen'-.  oder  „die  ein  Herz  haben",  der  letztere  Name  bedeutet  „die 
Fähigen",  oder  ..die  Geschickten". 

Missionar  Johl  in  Emdiseni-Petersberg  in  Kafferland  giebt  an, 
.,dass  die  Kaffern  von  einem  igqira  (Kafferdoktor)  meinen,  derselbe  reite 
des  Nachts  auf  einem  Pavian  herum  und  behexe  die  Leute  und  das  Vieh." 
„Er  hat  den  impundulu,  den  die  Kaffern  fürchten.  Er  soll  ein  Vogel 
des  Donners  sein,  etwa  gleich  dem  ishulogu.  Dann  aber  meinen  die 
Heiden,  es  sei  ein  Traum  (ipupa),  oder  umgekehrt,  der  ipupa  sei  der 
ishologu  oder  impundulu,  der  die  Leute  des  Nachts  beschleiehe  und  ihnen 
allerlei  des  Nachts  ins  Ohr  sage." 

Als  der  INIissionar  den  Zauberdoktor  fi-agte:  Sage  mii-,  was  ist  impun- 
dulu? da  antwortete  er:  ,.Das  kann  ich  nicht;  das  ist  ein  Ding,  welches 
kein  Ding  ist,  welches  che  Heiden  fürchten.  INFan  sagt,  es  ist  der  Blitz. 
Ich  habe  das  Ding  aber  Jioch  nicht  gesehen." 

^  Bei  den  Mincopies  auf  den  i^ndamanen  wird  dem  Medicin-Manne.  dem 
Oko-pai-ad  (d.  h.  Träumer)  die  Fähigkeit  zugeschrieben,  durch  Träume 
mit  den  guten  und  bösen  unsichtbaren  Mächten  in  Verbindung  zu  stehen, 
und  ebenso  die  Geister  der  Verstorbenen  oder  derjenigen  Leute,  welcln^ 
krank  sind,  zn   seilen. 


ä2  in.    l>io   Aoi/.ro. 

22.   Auffallendes  ßeiielimeii  der  Mediciii-JIäiiiier. 

hl  \'ic't()ri;i  tiilircii  die  ^Mcdiciii-Miiiuicr  ein  ;(l)s()n(lcrlicli('s  Lehen, 
um  den  Ghiuben  an  ihre  ühei'iitlische  (Icwalt  rciie  /u  eilialten:  ..sie  essen 
j^etreimt  und  zu  uugewölinliclu'H  Zeiten,  sie  schlafen,  wenn  die  Anderen 
wachen,  und  sie  behaupten,  hmse  Wanderungen  zu  nnteiiiehnien.  wenn  die 
Anderen  im  Lager  aHe  im  Schhife  liegen.  Selten  jagen  und  fischen  sie. 
oder  thun  irgend  eine  Arbeit.  Sie  machen  eigenthiini liehe  (ileräusche  in 
der  Nacht,  wandern  fort  und  suchen  ihr  \"()lk  zu  ei-schrecken.  J)urch  ihre 
Khigheit  und  Verschmitztheit  und  durcli  ihre  (4eschiclclichkeit.  den  Zufall 
zu  benutzen,  indem  sie  Waclu^  halten,  wenn  die  Andei'en  schlafen,  erhalten 
sie  sich  ein  T^ebergewicht  ülx'i'  die  Mitgliedei-  ihres  Stammes  und  sie  vei- 
stehen  es.  angenehm  zu  leben  und  Vortheil  von  ihrer  fremdartigen  Lebens- 
weise zu  ziehen." 

Die  Baksa  der  Kiigisen  haben  iji  ihrem  (benehmen  etwas  Affek- 
tirtes  und  Unnatürliches.  Einer  dersellten,  welchen  Badloff  sah.  führte  st»'ts 
fromme  Bedensarten  im  Munde.  „Bei  jeder  Handlung,  die  er  unternahm, 
wie  Trinken.  Niedersetzen  u.  s.  w.,  seufzte  er  ein  lautes  „Bismillah'"  (Ln 
Namen  Gottes)  vor  sich  hin.  und  jeder  Bede,  (he  er  that,  fügte  er  ein  „Wal- 
lahi.  Billahi"  („Bei  Gott")  hinzu,  was  bei  den  Kirgisen  nur  einige 
ganz  alte  Leute  zu  thun  pflegen.  Mancher  Baksa  soll  immer  einen  geistig 
G-estörten  nachahmen,  und  stets  Grimassen  schneiden,  als  ol»  er.  wenn  ei- 
aiu'h  nicht  die  Beschwrn'ung  ausführt,  von  bösen  Geistern  besessen  sei.'" 

Den  Th;iy  phiip  der  Annaniiten  ist  eine  besondere  Diät  vor- 
geschrieben. Sie  dürfen  kein  Fleisch  vom  Büffel  oder  vom  Hunde  gemessen 
und  sie  müssen  sich  des  Genusses  einer  kleinen  Bfiauze  (rau  giäp  ca)  mit 
hei'zförmigen  Blättern  enthalten,  welche  einen  Geruch  nach  Fischen  hat. 

Die  Ganga.  d.  h.  die  Medicin-Männer  der  [joango-Neger.  dürien 
nuj'  an  bestimmten  Blätzen  Wasser  trinken  und  dieses  auch  nur  zu  ganz 
bestimmten  Stunden  des  Tages  oder  der  Nacht.  Ihre  dem  Fetisch  ver- 
mählte Frau  muss  ihnen  dasselbe  herbeiholen.  Ihr  Küchenzettel  ist  ein 
sehr  l)eschränkter,  da  sie  eine  Anzahl  von  Yierfüsslern  und  Fischen  auch 
nicht  einmal  mit  ihren  Augen  erblicken  dürfen.  Vielfach  leben  sie  von 
Wurzeln  und  Kräutern,  jedoch  ist  ihnen  rohes  Thierblut  zu  trinken  erlaubt. 
xHles  was  die  Fetischfi-au  des  obersten  Ganga  bei  Tage  erblickt  hat.  muss 
sie  des  Nachts  ihrem  Gatten  berichten,  Aveil  sie  sonst  in  Krankheit  vei- 
fallen  und  die  Zauberkraft  des  Fetischs  verderben   würde. 


23.   Weibliche  Aerzte. 

Die  Funktionen  des  Medicin-Mannes  sind  nicht  nui'  auf  das  männliche 
Geschlecht  beschränkt;  wir  finden  es  bei  den  Naturvölkern  weit  verbreitet, 
dass  auch  die  Weiber  d«'n  ärztlichen  Beruf  ergreifen.  Das  Avird  uns  be- 
richtet von  den  Aschanti,  von  den  Negern  in  Loango  und  in  Lubuku 
und  von  den  Zulu,  ferner  von  Bali,  Boi'ueo  undSelebes,  von  Australien, 
sowie  von  vielen  nordamei'ikanischen  Indianer-Stämmen.  Auch  in 
Sibirien     können    Weiber     die    Schamanenwürde     ei-langen.       In     No)d- 


24.    Die   Vei-theiluno-  der  Mediciii-Mäiiner.  53 

Calitoriiieu  und  bei  deu  Creck-I  udiauerii  .sulleii  sie  sogar  zahlreicher 
sein,  als  die  männlichen  Aerzte.  Bei  den  Dacota  finden  sie  sich  neben 
den  männlichen  Aerzten  in  jedem  Dorfe.  Bei  den  Central-Californierii 
liiugegen  ist  \veil)hchen  Personen  die  ärztliche  Praxis  untersagt. 

Auf  den  Aaru- Inseln.  aufLeti,  Moa  und  Lakor,  bei  den  Kouiagas 
in  Nordwest-Amerika,  bei  den  Pinias  in  Mexico  und  bei  den  Central- 
Atexicanern  scheinen  diese  weiblichen  Aerzte  den  männlichen  gegenüber 
sich  nicht  in  einem  Zustande  der  Gleichbei-echtigung  zu  befinden,  sondern 
mehr  eine  Eolle  zu  spielen,  wie  bei  uns  die  kuiplüschenden  alten  Weiber. 
kSie  werden  übrigens  auch  wirklich  hier  in  den  Berichten  immer  als  „alte 
AVeiber"  bezeichnet,  und  von  Sumatra  wird  gesagt,  dass  sie  mehr  Heb- 
ammen wären.  Audi  die  Kirgisen  pfiegen  sich,  l)evor  sie  den  Medicin- 
Afaun  rufen,  den  Händen  alter  AVeiber  anzuvertrauen. 

Die  voll  anerkannten  weibhchen  Aerzte  haben  bei  den  AVaskow- 
ludianerii  aber  doch  nicht  das  gleiche  Ansehen,  wie  die  Medicin-Männer; 
sie  sind  nicht  so  sehr  gefürchtet  und  sie  haben  nicht  wie  diese  willkürliche 
(Trewalt  über  Leben  und  Tod.  In  Vancouver  hat  man  ebenfalls  das 
Institut  der  weiblichen  xA-erzte,  jedoch  werden  dieselben  den  Medicin-Mäuuern 
zweiten  Ranges  gleichgeachtet  und  nur  bei  geringen  Krankheiten  gerufen. 
A'^or  ihren  Geschlechtsgenossinnen  haben  die  weiblichen  Aerzte  aber  doch 
mancherlei  voraus.  Bei  den  Aschanti  scheinen  sie  vor  und  nach  der 
Hochzeit  die  Erl;iul)niss  zu  hal)en,  ihre  Gunst  an  Jeden  zu  verschenken, 
der  ihnen  beliebt.  Bei  den  Topantunuasu  in  Central-Selebes  dürfen 
sie  nicht  heirathen.  Sie  repräsentiren  einen  besonderen  höheren  Stand  und 
sie  werden  von  ihren  Dorfgenossen  unterhalten.  In  Central-Amerika 
ist  nur  ihnen  der  Zutritt  zum  Schwitzhause  gestattet,  der  den  gewöhnlichen 
Weibern  streue-  untersaut  ist. 


24.   Die  Vertheiluiig  der  Medicin-Männer. 

Es  liegen  uns  einige  Angaben  vor  n})vy  das  numerische  A'erhältniss 
des  ärztlichen  Standes.  FauUtscIike  schreibt:  „Aerzte  giebt  es  in  grosser 
Anzahl  in  Harrär  und  es  ist  diese  Stadt  auch  bei  den  Cxalla  als  der  Sitz 
(hn-  höheren  Medicin  geachtet." 

Auch  in  Bali  finden  sie  sich  in  grosser  Menge,  und  in  Annam  sind 
sie  in  deu  westlichen  Provinzen  zahlreich,  namentlich  in  Chaudoc  und 
Hatien.  Als  zahlreich  werden  sie  auch  bei  den  AVinuebago -Indianern 
erwähnt,  sowie  bei  den  alten  Araya-A-^ölkern.  Bei  den  Karaya  und 
l])urina  in  Brasilien  finden  sich  in  jedem  Dorfe  mehrere.  Bei  den 
Dacota  werden  ö  bis  27)  niännhche  und  weibliche  Aerzte  in  jedem  Dorfe 
jingegeben.  In  Nias  Jiat  jedes  Dorf  von  einiger  Bedeutung  je  einen  eigenen 
männlichen  und  einen  weil)liclien  Arzt,  während  kh^nere.  die  nahe  bei 
einander  liegen,  diese  Personen  meist  gemeinsam  besitzen.  Fm  westlichen 
Borneo  sollen  die  Zauberärzte  selten  sein.  Selten  sind  sie  auch  bei  den 
Süd-xAustraliei-n  i]i  der  nächsten  Nachbai>;chaft  des  Port  Lincoln;  der 
berühmte  Kukuta-Stamm  im  Nordwesten  soll  al)er  sehr  viele  solclie 
Mech'cin-AIänner  besitzen. 


;">4  III.    Die  Aerzte. 

25.   Coiisultatioiieii  und  gemeinsame  ärztliche  Belitindlun^. 

Das  Verhalten  der  Collegen  unter  einander  finden  wii-  duichaus  nicht 
überall  gleich.  Die  Einrichtnng  der  Consnltationen  in  zweifelhaften  und 
hesonders  schwierigen  Fällen  ist  ihnen  keineswegs  unl)ekiinnt.  nnd  daians 
folgt,  dass  auch  eine  gemeinsame  Behandlung  vorkonnnt. 

Bei  den  Mosquito-In dianern  pflegen  die  Aerzte  bei  Epidemien  zu 
consultiren  und  sich  ihre  wichtigen  Träume  gegenseitig  mitzutheilen.  Der 
Thay-phäp  der  Annamiten  ruft  für  die  Behandlung  seiiu^  Collegen  herhei 
und  präsidirt  dann  den  für  die  Heilung  uothwendigen  Ceremonien.  Von 
den  Niassern  schreibt  Modigliani:  ..Und  wie  bei  uns  in  schweren  und 
zweifelhaften  Krankheiten  mehrere  Aerzte  zur  Consultation  gerufen  werden. 
so  werden  hei  den  Xiassern  jedesmal  mehrere  Ere  zum  Ivi'auken  geladen, 
weil,  wenn  einer  von  ihnen  einen  Bela  (Geist)  zum  Beschützer  hat,  dei- 
mächtiger  und  geschickter  ist,  als  derjenige,  welcher  die  anderen  Magier 
beschützt,  sich  der  Kranke  jedenfalls  besser  befinden  könne." 

In  Victoria.'' wo  die  Consnltationen  ebenfalls  gebräuchlich  sind,  waren 
in  einem  bestimmten  Falle  neun  weibliche  iVerzte  gemeinsam  zu  der  Be- 
handlung zusammengekommen. 

Bei  den  Lo  an go -Negern  sind  Consnltationen  mehrerer  Medicin-Männer 
ebenfalls  gebräuchlich,  und  w^enn  dieselben  in  ihren  Ansichten  nicht  über- 
(nnstimmeu,  so  wird  ein  älterer  als  Superarbiter  herbeigerufen,  dessen  Aus- 
spruch dann  entscheidend  ist. 

Auch  bei  den  Persern  sind  Consnltationen  eine  ganz  gewöhnliche 
Erscheinung.     PolaJc  sngt: 

„Erkrankt  ein  Grosser  des  Reichs,  so  haben  viele  Pei'sonen  ein  Interesse 
daran,  zu  wissen,  ob  er  bald  wieder  genesen,  oder  ob  er  das  Zeitliche  segnen 
Averde.  Sie  Alle  schicken  desshalb  ihren  Arzt  zu  dem  Kranken,  selbst  der 
Schah  den  Seinigen,  und  diese  oft  sehr  zahlreiche  ärztliche  Versammlung 
hält  zur  aidjeraumten  Stunde  eine  Consultation.  Nachdem  durch  die  Dienei- 
Nargileh  und  Kafiee  herumgereicht  worden,  wird  die  Sitzung  eröffnet.  Der 
Beilie  nach  tritt  Jeder  an  das  Lager  des  Patienten,  fühlt  mit  wichtiger 
IVfiene  dessen  Puls,  indem  ei'  dabei  gewöhnlich  einige  Bedensarten  von  dei- 
Anamnese  und  dem  Status  i)raesens  fallen  lässt,  und  erkundigt  sich  genau, 
Avas  für  Speisen,  besonders  welche  Suppe  der  Kranke  am  Tage  vorher  zu 
sich  genommen,  ob  er  Saures  oder  Süsses  genossen  habe.  Hierauf  ent- 
spinnt sich  zunächst  unter  den  Anwesenden  ein  hitziger  Kampf,  inwiefern 
die  Krankheit  als  eine  „heisse"  oder  als  eine  „feuchte''  zu   chissificiren  sei.'* 

Bei  einer  grossen  Meinungsverschiedenheit  Hess  der  Patient  (in  diesem 
Falle  der  Grossvezier  selber)  die  Aerzte  in  den  Garten  führen.  Sie  lagerten 
sich  auf  einem  dicken  Filzteppich  und  wurden  mit  Tliee.  Kaftee  und  Nar- 
gileh  gestärkt.  „Uebrigens  nahm  die  Debatte  ihren  Fortgang.  IVIancher 
schlei^pte  dicke  Folianten  herbei  und  suchte  seine  Ansicht  Schwarz  auf 
AVeiss  zu  begründen.  In  der  Hitze  des  Gefechts  fielen  auch  mitunter  scharfe 
AVorte,  die  man  jedoch  dem  Eifer  für  das  Wohl  der  „Ersten  Person"  zu 
( Jute  hielt."  Der  Kranke  liess  dann  einen  Priester  höheren  Ranges  rufen, 
welcher  feierlich  den  Koran  aufschlug  und  aus  diesem  die  Entscheidung 
fällte,  welcher  der  sich  gegenübei'stehenden  Ansichten  vom  Patienteri  Folge 
zu  geben  s(>i. 


2G.    Brodneid.      27.    Die  Wohnung  des  Arztes.  .^5 

•2ü.   Brodiieid. 

Aber  auch  eine  zweite  Eigeiuii't  moderner  Civilisatiou  ist  kndei'  den 
Naturvölkern  ebenfalls  nicht  fremd  geblieben,  das  ist  der  Brodneid  und  die 
HerabsetzAing  und  Verdächtigung  des  concurrirenden  Collegen. 

80  gewinnen  die  Medicin-]\ränner  der  Australneger  Victorias  ihren 
Einfluss  „durch  grosses  Selbstlol).  nnerniiidliches  Schwatzen  und  manche 
geschickte  Herabsetzung  Anderer." 

Diese  Herabsetzung  geht  bisweilen  so  weit,  dass  dem  Patienten  sogar 
die  Tödtung  des  Concurrenten  angerathen  wird.  So  pflegen  bei  den  Sa- 
haptin-Indiauern.  Avenn  Jemand  ärztlich  liehandelt  wird,  Rivalen  oft  die 
Furcht  der  Patienten  zu  erregen,  damit  der  behandelnde  Arzt  getödtet 
werde.  Auch  bei  den  Stämmen  in  Oregon  di^ängt  sich  wohl  ein  anderer 
Arzt  an  den  Kranken  heran  und  fi-agt  ihn,  warum  es  ihm  nicht  gut  ginge. 
„Vielleicht  arbeitet  Dein  Arzt  an  Dir  mit  seinem  unheilbringenden  Zaul)er." 
AVenn  dann  der  Kranke  seinen  VerAvandten  hiervon  Anzeige  macht,  so 
wird  der  behandelnde  Arzt  dem  Tode  nicht  entrinnen. 

Den  Indianern  in  Britisch-Columbien  ist  die  Auti-eizung  zum 
jMorde  eines  ärztlichen  Rivalen  ebenfalls  nicht  fremd.  Aber  hier  geschieht 
es  nur  in  Folge  des  Selbsterhaltungstriebes.  Denn  der  Arzt,  dem  ein 
Patient  gestorben  ist,  sucht  die  Angehörigen  desselben  zu  ülierreden,  dass 
der  böse  Einfluss  eines  missgünstigen  Concurrenten  dieses  traurige  Schicksal 
verursacht  habe.     So  entgeht  er  der  Hache   und  jener  wird  getödtet. 


27.   Die  Wohnung  des  Arztes. 

Die  Ausnahmestellung,  welche  die  Aerzte  unter  ilu'em  Volke  ein- 
zunehmen pflegen,  zeigt  sich  l^isweilen  auch  bereits  durch  die  äussere  Er- 
scheinung ihrer  "Wohnung  an.  Die  Hütten  der  Medicin-Männer  bei  den 
K 1  am ath -In dianern  in  Oregon  sind  z.  B.  dadurch  kenntlich,  dass  an 
ihnen  ein  Fuchsfell  als  Berufszeichen  befestigt  ist,  das  sie  an  einer  schräg- 
gestellten Ruthe  baumeln  lassen.  In  West-Borneo  liegen  vor  dem  Hause 
der  Aerzte  gewöhnlich  zwei  kleine,  rohe  Baumstämme  mit  ausgeschnittenen 
und  gefärbten  Schlangenköpfen  an  den  Enden.  Dieselben  scheinen  die 
Hantu  (Geister)  vorstellen  zu  sollen.  Bisweilen  geben  die  ]\Iedicin-Männer 
diesen  Ungeheuern  zu  fi-essen,  und  sie  wissen  dann  die  Speisen  mit  solcher 
OJeschwindigkeit  verschwinden  zu  lassen,  dass  das  Volk  fest  davon  über- 
zeugt ist,  dass  wirklich  die  Geister  die  ihnen  vorgesetzte  Mahlzeit  vei-- 
zehrt  hätten. 

Die  AVohnungen  von  den  Aredicin-AJänneiii  der  Betschuanen  sind 
nach  Holuh  dai'an  kenntlich,  dass  sich  in  ihnen  Fussdecken  befinden,  welche 
aus  dem  Fell  der  gefleckten  Hyäne  (Hyäna  crocata)  gearbeitet  sind.  Xwi 
diesen  halten  sie  ihre  Sprechstunden  ab. 

Die  Afedicin -Männer  der  Anuamiten  haben  in  ihrer  Wohnung 
mindestens  zwei  oft  sehr  kümmerliche  Altäre.  Der  eine  ist  den  Geistern 
geweiht,  der  andere  den  oberen  Gottheiten  der  Sekte.  Die  Altäre  bestehen 
aus    einem  Tisch,    über    welchem    die  Tafel    mit    dem  Namen   des  Meisters 


;')()  III.    Die   Aerzte. 

dieses  Standes  auti!,('h:iiigt  ist.  mit  einer  hiselirit't.  welche  nach  dem  ( Jeburts- 
jalire  des  jMedicin-Maimes .  des  Tliay  pliäj).  wechselt.  Davor  sind  einige 
(Jetasse  mit  0|)ier^al)en  aus  Blumen  und  Früchten  bestehend  aut'ji;estellt, 
teraer  ein  Kohlenhecken,  Rasseln.  Räuciieiiict'ässe  und  ^riomnieln.  Zu  den 
Seiten  stehen  Leuchter  und  einel  u/ald  von  Lan/eii  und  vdii  Fla.ujien.  Ausser- 
dem betiudeu  sich  doi-t  die  Tafeln  von  Kindern,  welche  dei-  Th;iy  jihap 
von  bösen  Geistern  befreit  hat,  und  welche  che  Eltern  nicht  in  ihren  Häusern 
aufbewahren  können.  w(»il  dieselben  unn'eei;Li:net  sind.  Dahinter  bemei'kt 
man  eine  Art  von  vierseitigem  Brunnen,  welcher  die  Hi'ille  darstellt:  hier 
müssen  die  Soldaten  des  Medicin-Manm*s.  d.  h.  die  ihm  dienstbaren  Geistei- 
ihre  Widersacher  hineiutauchen.  Vor  der  Tafel  stehen  in  bestimmter  Reihen- 
folge kleine  Puppen,  welche  diese  dienstbaren  Geister  vorst(^llen.  und  dei-en 
jede  ihren  besonderen  Namen  hat;  es  können  fabelhafte  Wesen  sein,  oder 
auch  historische  Persönlichkeiten,  Helden  der  Sekte  u.  s.  w. 

In  Marokko,  Tnnis  und  Tripolis  sieht  num  die  Heilkünstler,  wie 
(^uedenfeldt  berichtet,  auf  den  Märkten  in  der  Oeffnung  ihres  kleinen.  Giti'in 
genannten,  dachförmigen  Wanderzeltes  sitzen.  Ein  Paar  geschriebene  Büchei', 
seine  Reiseapotheke,  bestehend  in  einigen  Gläsern  fi'agwürdigen  Inhalts, 
soAvie  die  Glüheiseu  nebst  Kohlenbecken  und  Handblasel)alg,  sowie  eine 
grosse  Scheere,  einige  Messer,  ein  Tintenfass  und  eine  Rohrfeder  bilden  die 
Ausrüstung. 

Von  dei-  Wohnung  der  persischen  Aerzte  tinden  wir  bei  Polak  die 
folgende  Schilderung. 

..Entweder  in  seinem  Hause  odei'  im  nächsten  Bazar  hat  der  Arzt 
einen  Laden  (Mahkemeh).  wo  er  die  ihn  besuchende  Kundschaft  empfängt. 
Dei"  Boden  ist  mit  einer  Rohrmatte  oder  mit  Filz  bedeckt;  in  Schränken 
an  den  Wänden  steht  eine  Anzahl  Schachteln,  Krüge  und  Flaschen  mit 
europäischen  Etiketten  versehen  und  mit  Latwergen,  Pillen  und  Elixiren 
i^etiillt.- 


28.  Aerztlichc  Honorare. 

Es  wirtl  gewiss  nicht  ohne  Interesse  sein,  auch  ül)er  die  Honorar- 
verhältnisse  dieser  wilden  Collegen,  sowie  über  ihre  Vermögenslage  einiges 
in  pj]-fahrung  zu  bringen.  Wir  haben  bei  den  Au stralnegern  in  Victoria 
bereits  gesehen,  dass  die  Medicin-Männer  sich  nicht  bei  den  Arbeiten  ihres 
Stammes  betheiligen.  Si(^  benutzen  vielmehr  in  geschickter  AVeise  die  abei- 
gläubische  Furcht  ihrer  Stanimesgenossen  und  lassen  sich  durch  deren  Gaben 
und  Geschenke  erhalten.  Das  kann  man  aber  eigentlich  nicht  auffassen 
als  ein  ärztliches  Honorar.  Ein  solches  müsste  doch  immerhin  für  direkte, 
ärztliciie  Hülfsleistungeu  gegeben  worden  sein.  Solche  unregelmässige  Gaben 
müssen  wii-  aber  allerdings  ebenfalls  dem  Eiidvommen  der  ^Medicin-Männer 
hinzurechnen.  Die  australischen  Aerzte  erhalten  ü])rigens  auch  noch 
besondei-e  Geschenke  bei  der  Behandlung  von  Krankheiten.  Bei  derHonorai- 
frage  treffen  wir  vielfach  den  Grundsatz,  dass  überhaupt  nur  dann  bezahlt 
wii-d.  wenn  die  ärztliche  Behandlung  von  Erfolg  gekrönt  w^ar.  Das  ist 
z.  I).  der  Fall  Ix'i  den  Zulu,  bei  den  Annamiten,  bei  den  Koniagas  in 
Xnj(|  west- A  nieri  ka    und    bei    den   Greek- 1  ndianern.     Auf  den   Aaru- 


28.    Aerztlichn   Honorare.  ö7 

Inseln     und     in     Alaska    niuss    ein    vorausbe/aliltei'    Preis    wieder    /uriick- 
«■ezalilt  werden,  wenn  dei-  Kranke  nicht  am  Leben  bleibt. 

Bei  den  Isthnins-lndianern  richtet  sich  der  Preis  der  Behandhing 
je  nach  der  »Schwere  des  Krankhcntsfalles.  Die  alten  May as  brachten  ihren 
Aerzten  liereits  (lesclienke.  wenn  sie  sie  zum  Kraidcen  riefen.  Auch  bei 
den  Creek-Indianern  sind  Geschenke  gebräuchlich,  und  wenn  der  Arzt 
die  Behandlung  fortsetzen  soll,  so  müssen  dieselben  täglich  wiederholt 
werden.  Als  ganz  besonders  erwünschte  Gabe  wird  hier  ein  Hund  als 
Opferthier  betrachtet.  Ausserdem  (H'hält  er  aber  als  Honorar  eine  reichliche 
(xabe  an  Häuten  und  Vieh.  Die  Dacota-Indianer  i)flegeu  ihren  Arzt 
freigebig  voi-ausznbezahlen.  Die  Medicin-iMänner  der  Natal-Kaffern  haben 
den  Gel)raucli.  wohl  gewitzigt  dadurch,  dass  es  Sitte  ist.  nur  zu  bezahlen, 
wenn  dei-  Kranke  geheilt  wurde,  sich  eine  Summe  von  zehn  Schilling  im 
Voraus  geben  zu  lassen  unter  dem  Vorwande,  dass  sie  hierfür  Medicin 
kaufen  müssten.  Für  die  vollendete  Kur  erhalten  sie  ausserdem  noch  einen 
( )chsen.  Auch  bei  den  Aerzten  der  Perser  wird  gegen  die  Empfangnahme 
des   Receptes  sogleich  das  ärztliche  Honorar  entrichtet. 

In  Liberia  ist  die  Hülfe  des  Arztes  l)illig.  aber  es  müssen  allerlei 
Gpfergaben  gegeben  werden,  welche  theils  vergrahen.  theils  im  Flusse  ver- 
senkt werden  müssen;  einen  Tlieil  derselben  aber  niuss  der  Patient  dem  Arzte 
übergeben,  damit  sie  „verkauft"  würden.  Diese  l)ehält  der  xArzt  dann  für 
sich.  Reis  und  ein  weisses  Huhn  spielen  dabei  eine  grosse  Rolle.  Billig 
ist  auch  der  malayische  Arzt  in  Sumatra,  der  für  wenige  Scheidemünze 
seine  Kunst  zum  Besten  giebt.  Etwas  theurer  wird  schon  die  Saclie  auf 
der  Insel  Keisar.  wo  dem  Medicin-Manne  die  Hälfte  des  Opferthieres  zu- 
kommt. Gewöhnlich  ist  ein  Schaf  fiu'  das  Opfer  auserseheu.  Bei  den 
Betschuanen  und  bei  den  Xosa-Kaffern  wird  von  dem  Arzte  bald  eine 
Ziege,  ))ald  ein  oder  mehrere  Ochsen  als  Opferthier  gefordert,  au  denen  er 
natürlicher  AVeise  einen  hervorragenden  Autheil  hat.  Holuh  sagt  von  den 
Betschuanen.  dass  der  Medicin-Mann  Heissig  schweisstreibende  Mittel 
verordnet.  Ei'  weist  dabei  den  Kranken  an,  .,sich  in  seinen  besten  Kaross 
(Eellmautel)  oder  in  eine  gekaufte  Wolldecke  zu  hüllen;  und  nachdem  das 
.Mittel  seine  Schuldigkeit  gethan  hat,  erscheint  der  Doctor.  um  den  Kaross 
oder  die  Decke  mit  dem  Schweisse,  dem  transpirirten  Krankheitsstoffe  „ein- 
zugral)en",  d.  h.  sie  in  Besitz  zu  nehmen,  während  der  Kranke  froh  ist.  den 
(rrund  seines  T'ebels  aus  dem  Hause  entfernt  zu  wissen.  Der  Patient  würde 
es  nie  wagen,  dieselbe  zurückzufordern,  sollte  er  auch  nach  seiner  Genesung 
die  Frau  Doctorin  mit  seinem  Schakalmantel  in  den  Strassen  des  Dorfes 
herumstolziren  sehen." 

Der  Baksa  der  Kirgisen  erhält  als  Lohn  die  i)esten  Stücke  vom 
Opfermahle  und  das  Fell  des  geschlachteten  Thieres.  Reiche  Leute  geben 
al)er  noch  Extra geschenke,  ein  lebendes  Schaf  oder  einen  neuen  Rock. 

Ell  x\nnani  wird  das  ärztliche  Honorar  vorher  ausbedungen.  Die  Cur 
ist  nicht  unter  "2(1  Piaster,  und  reiche  Leute  pflegen  noch  viel  mehr  zu  be- 
zahlen und  den  Arzt  ausserdem  noch  mit  Kleidern  zu  beschenken.  Zu 
den  für  die  Heilung  nothwendigen  Opferceremonien  sind  bestimmte  Tücher 
erforderlich,  welche  dem  ^Nfedicin-Manne  und  seinem  Gehülfen  verbleiben. 
Für  den  Ersteren  sind  sie  roth.  für  den  Letzteivn  weiss.  Sie  dürfen  zu 
irgend    welchen   häuslichen   Zwecken  benutzt  werden,    aber  Hosen  darf  sich 


58  III.    Die  Aerzto. 

der  Arzt  nicht    (l.•^•;nl^  t'ci-tiucn   lassen:   das  wäre  oine  T^nohrorhiotiirkcit  .^m'";!'!! 
die  (t pister. 

T'e])er  die  Boiiorare  der  Aerzte  in  Siani  berichtet  Bastian  nach  einem 
siamesischen  Mannscripte:  „Nach  ärzthcher  Taxe  muss  dei-  aus  einer 
Krankheit  genesene  Patient  den  Reis  der  Satisfaction  gehen,  und  an 
Oehl  für  die  Kosten  der  Arzeneien  zwei  Bath  (Tikal)  zalden,  sowie  sechs 
Sahing  znr  ,.Sühne".  Ansserdem  wird  eine  Scliüssel  mit  Confect  nnd  ein 
Schweinskopf  zugefügt." 

Die  Aerzte  des  Königs  erhalten  je  nach  ihrem  Range  einmal  im. Jahre 
das  Gehalt  in  Kauris  zugemessen  und  zwar  der  Vornehmste  fünf  Pfund 
(400  Tikal),  die  Nächsten  drei  Pfund  ..und  so  im  Verhältniss  al)wärts  bis 
zu  fünf  Tamlüng  (20  Tikal)." 

lieber  die  älteren  Zeiten  in  Japan  erhalten  wir  durch  Wernich  folgen- 
den Bericht:  ..Gesetzlich  war  der  i'Lrzt  ganz  rechtlos;  er  durfte  kein  Honorar 
fordern,  sondern  er  war  ganz  auf  die  Grossmuth  der  Kranken  angewiesen. 
die  ihr  „Geschenk",  wie  es  noch  bis  in  die  Jetztzeit  heisst,  willkürlich  be- 
messen durften.  Der  32.  Abschnitt  aus  den  hundert  Gesetzen  des  lye-  Yasu. 
des  Gründers  der  letzten  Slogun-Dynn^iie,  spricht  sich  darüber  aus,  Avie  folgt: 

„.,Weil  die  Menschen  dieser  Welt  nicht  von  Krankheiten  fi-ei  sein  können, 
haben  die  Weisen  des  Alterthums  voll  Mitleid  die  Heilkunde  geschaffen. 
Wenn  deren  Jünger  nun  auch  die  Krankheiten  geschickt  heilen  und  Er- 
folge hahen.  so  dürft  ihr  ihnen  doch  keine  grossen  Einkünfte  verleihen, 
denn  sie  Avürden  im  Besitze  derselben  nothwendiger  Weise  ihren  Beruf  ver- 
nachlässigen. Ihr  sollt  ihnen  aber,  so  oft  sie  eine  Cur  gemacht  haben, 
eine  der  Grösse  ihres  Erfolges  entsprechende  Belohnung  geben."" 

„Das  dürftige  Honorar  ist  etwa  das  zwei-  bis  vierfache  des  Medica- 
mentenpreises,  der  dem  Arzte  ebenfalls  erstattet  Avurde;  für  Beides  aber 
hatte  er  sich  höflich  zu  bedanken.  Es  galt  für  unanständig,  das  Geschenk 
zu  unterlassen,  doch  existirte  kein  Rechtstitel,  der  dem  Arzte  beim  Ein- 
treiben seiner  Forderung  behülflich  gewesen  wäre.  Consultirte  der  Kranke 
den  Arzt  in  dessen  Hause,  so  hatte  er  ihm  überhau]»t  nur  die  Medicin  zu 
bezahlen." 

Bei  den  Ganguella-Negern  wird  die  Kur  als  kostspielig  bezeichnet. 

Theuer  ist  die  ärztliche  Behandlung  auch  bei  den  Negern  von  der 
Loango-Küste.  Hier  muss  der  Medicin-lVJann  erst  untersuchen,  welchei' 
in  den  Fetisch  eingeschlagene  Nagel  die  betreffende  Krankheit  verursacht 
hat.  Das  kostet  Geld.  Diesen  Nagel  muss  er  dann  herauszieh (>n  und  dem 
Fetisch  die  Wunde  heilen.  Das  kostet  abermals  Geld.  Dann  erst  kann 
er  daran  denken,  nun  auch  den  Patienten  wiederherzustellen;  und  hierfür 
muss  natürlicher  Weise  nun  wiederum  eine  Zahlung  geleistet  werden. 

Auf  den  Aaru-lnseln  erklärt  bisweilen  der  Arzt,  dass  die  Krankheit 
<larin  ihre  I'rsache  habe,  dass  die  YorfahrcQ  des  Erkrankten  den  Vorfahren 
eines  bestimmten  anderen  Arztes  etwas  schuldig  geblieben  sind.  Diese 
Schuld  lässt  sich  dann  der  jetzt  behandelnde  Arzt  von  dem  Ki'ank<Mi  dreifach 
oder  vierffich  bezahlen. 

Cianz  besondcM's  theuer  scheinen  die  Aerzte  der  Indianer  zu  sein. 
Bei  den  Ccaitral-Californiern  und  den  Winnebagos  wird  von  den  er- 
pressendsten  Forderungen  gesprochen.  Ein  Nord-Californier  forderte  ein 
Pferd    als   Honorar,    und    die   Dacota-Tndianer    tieben    oft    ein  Pferd    für 


29.    Gefahren   des  ärztlichen  Berufes.  59 

eine  ganz  kleine  Hülfsleistuug  und  sind  bereit,  Alles  was  sie  besitzen  und 
was  sie  auf  Credit  bekommen  können,  hinzugeben,  damit  der  Arzt  sie  be- 
handele. Ein  Arzt  der  Navajö  in  Arizona  erhielt  für  eine  neun  Tage 
währende  grosse  Heilceremonie  ein  sehr  reichliches  Geschenk  an  Pferden 
und  ausserdem  für  sich  und  alle  seine  Gehülfen  für  die  ganze  Zeit  Nahrung 
in  Hülle  und  Fülle,  bestehend  aus  Suj^pe,  Maisbrei,  Getreidekuchen  und 
Hammelbraten.  Dem  Arzte  während  der  Zeit  der  Behandlung  auch  das 
Essen  zu  liefern  ist  übrigens  auch  bei  den  Sioux-Indianern  und  bei  den 
Niassern  der  Gebrauch.  Die  Letzteren  müssen  ausserdem  noch  viele 
Hühner  und  Schweine  opfern  und  dadurch  werden  in  Nias  die  Krank- 
heiten so  kostspielig,  dass  man  nicht  selten  Leute  trifft,  welche  ihr  ganzes 
Vermögen  erschöpft  haben  oder  sogar  in  Sklaverei  gerathen  sind,  um  die 
Schulden  zu  bezahlen,  in  welche  sie  sich  gestürzt  hatten,  um  sich  die  Hülfe 
der  Medicin-Männer  zu  verschaffen. 

Bei  den  Zulu  reisen  geschickte  Aerzte  von  Ort  zu  Ort  durch  das 
Land  und  bleiben  häufig  durch  Alonate.  oder  selbst  Jahre  lang  unterwegs. 
Als  reiche  Leute,  im  Besitze  grosser  Viehheerden  pflegen  sie  dann  nach 
Hause  zurückzukehren. 

Die  ärztlichen  Visiten  sind  bei  diesen  Völkern  aber  auch  von  besonders 
langer  Dauer,  so  z.  B.  in  Sumatra.  Die  Winnebago-Aerzte  widmen 
sich  ihrem  Patienten  Tag  und  Nacht,  und  die  Aerzte  der  alten  Maya  ver- 
liessen  ihren  Kranken  erst,  wenn  er  geheilt  oder  gestorben  war.  Bei  den 
Medicin-Männern  der  Indianer  dauern  die  ärztlichen  Ceremonien  häufig 
Tage  lang,  und  an  jedem  dieser  einzelnen  Tage  ist  der  Medicin-Mann  in 
angestrengtester  Thätigkeit.  Aehnliches  ist  auch  von  den  Australiern,  sowic^ 
\on  den  Kirgisen  und  von  den  Süd- Afrikanern  zu  berichten. 


39.   Oefaliren  des  ärztlichen  Berufes. 

Es  hat  aber  doch  auch  seine  Schattenseiten,  bei  den  Naturvölkern  die 
ärztliche  Praxis  auszuüben.  Dass  unter  Umständen,  wenn  die  Behandlung 
keinen  Erfolg  hatte,  die  im  Voraus  gegebene  Bezahlung  wieder  zurück- 
erstattet werden  musste,  das  haben  wir  bereits  gesehen.  Auch  eine  Ent- 
schädigungssumme muss  l)isAveilen  den  Hinterbliebenen  noch  entrichtet 
werden,  z.  B.  bei  den  Indianern  in  Britisch-Columbien. 

Aber  man  traut,  wie  bereits  oben  erwähnt  worden  ist,  den  Medicin- 
Männern  auch  die  Fähigkeit  zu,  durch  ihre  Zauberkräfte  den  Tod  zu  bringen. 
Wenn  ihnen  daher  der  Kranke  stirbt,  so  macht  man  sie  für  seinen  Tod 
verantwortlich.  In  Sumatra  suchen  sich  dann  die  Medicin-Männer  heraus- 
zureden und  sagen,  die  Geister  waren  dem  Kranken  nicht  geneigt.  Die 
Twana-,  Chemakum-  und  Klallam-Indianer  behaupten  dann,  dass 
mehrere  Dämonen  von  dem  Kranken  Besitz  ergriffen  hätten,  und  dass  nur 
jeder  einzeln  zu  vertreiben  sei.  Die  Dacota-Indianer  schieben  den  Miss- 
erfolg auf  die  Sünden  des  Volkes.  Auch  die  Ipurina-In dianer  und  die 
Eingeborenen  von  Victoria  und  Süd- Australien  wissen  sich  zu  helfen 
und  behaupten,  dass  ein  Zauberer  eines  feindliclien  Stammes,  welcher  mäch- 
tiger ist,  als  sie,  ihnen  die  Kur  vereitelt  ha])e.    Die  Mosquito- A  erzte  um- 


(Kl  III.     J)ii'    Acrzte. 

j^olicii  den  Ki;iiik('ii  mit  ullci'h'i  YcrlKttcii.  deren  unscliuldiife  Uehcrtretuiig 
durch  Vorühcrgcliciide  iliiKMi  hei  niiniiickliclici"  Hehaiidluiiu;  eine  erwünschte 
Ausrede  bietet. 

Die  Haidah  und  die  ('oluiuhianer  jedoch,  sowie  die  Califoruier 
und  die  Creek-  und  Oregon-Indianer  lassen  niclit  mit  sich  s])asseu. 
Stiibt  der  Kranke,  so  hat  des  INfeihcin-lMannes  Zauber  ihn  getödtet  und 
desshalb  muss  dieser  ebenfalls  getödtet  werden.  Ja  die  Nord-Calit'ornier 
gehen  so  weit,  dass  wenn  auch  der  Gestorbene  überhauj)!  nicht  ärztlich  be- 
liandelt  woi'den  ist.  man  den  Tod  desselben  dennoch  den  Medicin-Milnnern 
in  die  Schuhe  schiebt  und  den  ersten  Besten  derselben  tödtet,  dessen  man 
hai)hatl  werden  kann.  Gewöhnlich  ist  es  ein  ]\[edicin-i\Iann  eines  anderen 
Stammes,  und  für  die  Tödtung  desselben  sind  sie  dann  \ei-]itlichtet.  ein 
Reugeld  zu  l)ezahl('n.     Alvord  berichtet  aus  Oregon: 

„Alle  Ermordungen  unter  ihnen,  von  denen  ich  erfahren  konnte,  ge- 
schahen in  dieser  A¥eise,  und  drei  Aer/te  wurden  in  den  letzten  vier  Monaten 
bei  verschiedenen  Stämmen,  nicht  über  40  Miles  von  hier  entfernt,  getödtet." 
So  kann  es  uns  nicht  wundern,  zu  vernehmen,  dass  der  Medicin-Mann  ([(n' 
Nord-Californier  zuweilen  doch  sich  weigert,  die  Behandlung  zu  über- 
nehmen, obgleich  man  ihm  die  hohe  Honorarforderung  bewilligt  hat.  Und 
in  Ann  am  verlassen  manchmal  die  Aerzte  ihre  Kranken,  um  sich  einer 
späteren  Verantwortlichkeit  zu  entziehen,  bisweilen  allerdings  auch,  weil  sie 
bei  einer  etwaigen  Heilung  des  Kranken  die  Rache  der  Geister  zu  fürchten 
haben,  von  denen  sie  den  Patienten  beü'eiten. 

Auch  von  den  Kindern  der  Thäy  phäb  glaubt  mau,  dass  sie  in  Folge 
dieses  Ingrimms  der  Dämonen  entAveder  überhauiit  bald  sterben  oder  schwäch- 
lich und  elend  sind,  und  dass,  Avenn  der  Arzt  einen  Pockenkranken  heile, 
die  Pocken  auf  seine  Kinder  übergehen. 

Selbst  bei  den  Persern  findet  man,  wie  Folak  berichtet,  noch  ganz 
ähnliche  Anschauungen : 

,,Wenn  ein  Patient  unter  der  Behandlung  des  Arztes  stirbt,  so  verliei't 
Letzterer  nicht  nur  allen  Anspruch  auf  Honorar,  sondern  man  legt  ihm 
auch  direct  die  Schuld  an  der  eingetreteneu  Auflösung  zur  Last;  denn  es 
herrscht  die  Ansicht,  dass  ohne  Zuthun  des  Arztes  der  Kranke  nicht  ge- 
storben wäre.  Sobald  daher  ein  Krankheitsfall  tödtlich  zu  enden  ch'oht, 
pflegen  die  Aerzte  sich  zurückzuziehen,  wodurch  dem  Ki'anken  und  seiner 
Pamilie  gewissermaassen  officiell  angekündigt  Avird,  dass  das  Ende  nahe  sei. 
Macht  unglücklicher  Weise  der  Ai'zt.  Aveil  er  nicht  weiss,  dass  der  Kranke" 
bereits  verschieden  ist,  noch  einen  Besuch  im  Hause  so  kann  er  leicht  in 
Gefahr  komm(m,  von  den  AVeibern  und  dem  Gesinde  thätlich  misshandelt 
zu  werden.  Aus  diesem  Grunde  unterhält  jedei'  jjractische  Arzt  in  der 
Umgebung  seinei-  gefährlichen  Patienten  Spione,  die  ihn  sofoi't  von  dem 
unglückliclHMi  Ausgang  in   Kenntniss  setzen." 

Das  Amt  des  JVIedicin-Mannes  in  Oregon  ist.  wie  Alvord  richtig  sagt, 
,,ein  gefährliches,  aber  auch  ein  machtvolles  und  geehrtes  Gewerbe,  und 
weil  dieser  Beruf  mit  Gefahr  ausgeführt  wird,  so  erhält  er,  wie  der  Soldaten- 
stand, hiei'durch  eineji  besonderen  Heiz.  Sicher  ist.  dass  ich  nicht  erfahi'en 
habe,  dass  di(^  (lewohidieit.  die  Aeizte  zu  tödten,  bei  irgend  einem  Stamun^ 
(hizu   geführt    habe,   (be   Xo\izen    v(»n    diesem   Stande  zui'ückzuschi-ecken." 


30.    Verschiedene   Arten   der  Medicin-Mänuer  und  die   Specialisten.        Hl 

30.  Verschiedene  Arten  der  Medicin-Männer  und  die  Specialisten. 

Wir  hüben  oben  l)ereits  ffesehen.  dass  die  Thätigkeit  der  Aerzte  auch 
hei  den  Naturvölkern  keine  unumstrittene  ist.  Hal)en  sie  doch  in  nicht 
wenigen  Fällen  ihren  Ruhm  und  ihre  Arl)eit  in  ganz  äiinlicher  Weise  wie 
bei  uns  mit  einer  Anzahl  alter  Weiber  zu  theilen.  Aber  auch  männliche 
( Hii'pt'uschei'  tauchen  auf",  und  wenn  z.  B.  in  Doi-ej  auch  noch  ..erfahrene 
i.eute''  um  Ratli  gefragt  werden,  so  steht  das  (loch  kaum  auf  einer 
anderen  Stufe. 

Bei  den  Persern  gciiört  eine  gewisse  Summe  nicdici nischer  Kenntnisse 
zu  dem  Wissensschatzt' jinles  (ie])i]deten.  ..Darum  fehlen  medicinische  Bücher 
auch  in  keiner  Haus])il)liotliek.  Durch  die  Ijectüre  derselben  verleitet,  halten 
sich  viele  Laien  für  berufen,  bei  Ki'aidvheitsfällen  in  der  Familie  initzu- 
spiTchen  und  äi'ztlichen  llath  zu  ertheilen.  Selbst  Damen  glaui»eii  sich 
zur  Yei'ordnung  von  H<'ilmitteln  berechtigt." 

Bei  den  Mincojjies  auf  den  Andamanen  übernimmt  nicht  selten  die 
Khegattin  oder  eine  andere  YerAvandte  die  Behandlung  des  erkrankten 
Mannes. 

Auch  bei  den  alten  Peruanern  Hess  sich  das  gemeine  Volk  ,,in  der 
Hegel  von  alten  Weibern  curireu.  oder  Einer  gab  dem  Anderen  irgend  einen 
Bath  oder  Keilmittel  aufs  Gerathewohl,  so  dass  die  Epidemien  schrankenlos 
wüthen  uiul  ihre  zahllosen  ()])fer  dahinraffen  konnten." 

In  Alaska  macht  man  allerdings  mit  dem  Curpfuscher  nicht  viel 
Federlesens.  Hat  hier  ein  Unberufener  Jemanden  behandelt .  und  ist  der- 
selbe der  Ki'ankheit  erlegen,  so  wii'd  der  selbstbewusste  Curpfuschei"  ohne 
( inade  umgebracht. 

Man  wird  hiermit  aber  nicht  vei'wechseln  dürfen,  dass  es  bei  manchen 
Volksstämmen  wirklich  verschiedene  Kategorien  von  Aerzten  giebt.  Obcman 
in  dieser  Beziehung  stehen  ohne  allen  Zweifel  die  Xosa-Kafferu.  bei  denen 
Kropf  nicht  weniger  als  acht  verschiedene  Arten  von  ..Doctoreu"  aufzählt. 
Allei'dings  haben  zwei  derselben  mit  der  Heilkunde  eigentlich  nichts  zu 
tliun:  es  bleiben,  wenn  wir  von  diesen  absehen,  aber  immerhin  doch  noch 
--echs  Arten  übrig.  Bisweilen  allerdings  sind  mehrere  dieser  Arten  in  der- 
Ncllien  Person  vereinigt.  Für  gewöhnlich  aber  handelt  es  sich  wirklich  um 
dift'ei-ente  Perscinlichkeiten. 

Der  erst(^  derselben  ist  der  Amag(|ira  oluxa.  d.h.  wörtlich  ..Doctor 
des  Spatens",  wobei  man  sich  ..zum  Wurzelgraben''  zu  ergänzen  hat.  Wii" 
würden  also  sagen  ..Kräuterärzte".  „Sie  haben  eine  grosse  Kenntniss  von 
lieilbiingenden  I\i-äutern  gegen  Kraidvheiten  und  besomlei's  gegen  die  Bisse 
<ler  giftigen  Schlangen  und  anderen  Gewürms.  Sie  geben  nur  ^fedicin  und 
beschuldigen  nicht  dei'  Zauberei,  sondern  sie  meinen,  die  Ki-aidvheit  käme 
\iin   dem    Ultili,  dei-  sich  im  Wasser  aufhält." 

Als  zweite  (jlrui)])e  müssen  wir  die  ..Doctoreu  des  Zumachens.  des 
\  erstopfens"  hinstellen.  Dieselben  gehören  gleichzeitig  auch  der  ersten 
(iruppe  an.  Sie  versto])fen  das  Herz  eines  Menschen,  der  sich  häufig 
Hexereien  zu  Schulden  kommen  Hess.  ..damit  er  nicht  an  solche  Sachen 
denke.  Sie  gei)en  einem  solchen  Medicin  und  waschen  ihn.  wofür  der  ge- 
doctei-te  Mann  eine  Kuh  schlachten  und  Vieh  für  seine  T'ur  bezahlen  muss. 
versteht  sich,  nur  wenn    Heilung  erfolgt  ist." 


(iL!  II [.    Die   Aer/Av. 

Die  dritte  Gru])!)«'  bilden  die  Amaii(iii:i  wokupata,  welche  durch 
Auflegen  von  Kuhdünger  die  in  den  Körper  des  Patienten  hineingezauberteu 
Frenidk(ii-])cr  und  Thiere  herausziehen. 

Es  folgen  dann  die  Aniagqira  a-wokuinljulula,  welche  dadurch  den 
Kranken  heilen,  dass  sie  die  Zauherniittel.  mit  welchen  ihm  seine  Krank- 
heit angehext  wurde,  herausriechen. 

Die  fünfte  Gruppe  Avird  oft  durch  die  gleichen  Leute  wie  die  vorigen 
vertreten.  Es  sind  die  Isanuse  oder  Amagqira  abukali.  d.  h.  .,die 
scharfen  Doctoren".  Ihres  Amtes  ist  es,  denjenigen  herauszuriechen, 
der  die  schadenbringende  Hexerei  ausgeführt  hat.  ..Die  dabei  statttiudend(? 
Versammlung  und  Ceremonie  heisst  Umhlahlo,  ein  politisches  AYerkzeug 
der  Häui^tlinge,  um  sich  vpn  irgend  einem  einflussreichen  Mann,  der  ihnen 
im  Wege  steht,  zu  befreien." 

Die  sechste  Gruppe  endlich  wird  repräsentirt  durch  den  xAmagqira 
awokukafula,  welcher  auch  Amatola  genannt  wird.  „Er  hat  das  grosse 
nationale  Opfer  beim  x\uszuge  in  den  Krieg  darzubringen,  um  durch  dieses 
und  Amulete  die  Kiieger  uuverwundl)ar  zu  machen.  Diese  Leute  haben 
einen  einträglichen,  aber  auch  sehr  gefährlichen  Beruf."  Denn  wenn  ihre 
schützenden  Amulete  nicht  die  erwartete  Wirkung  gehabt  haben,  so  werden 
sie  getödtet,  sobald  mau  ihrer  habhaft  wird. 

Wenn  uns  diese  Fülle  des  Heilpersonales  im  ersten  Augenblick  auch 
etwas  überraschend  vorkommen  mag,  so  möchte  ich  doch  hier  wiederum 
eine  Parallele  aus  der  deutschen  Yolksmediciu  beibringen.  Nach  Fossel 
ist  nämlich  das  Bauernvolk  der  Steiermark  selbst  noch  den  Xosa- 
Kaffern  über.  Denn  in  die  ärztliche  Praxis  theilen  sich:  1.  der  Bauern- 
doctor  (Harnbeschauer),  2.  die  Doctorin,  3.  die  Hebamme,  4.  der 
Bruchrichter  (Beinbruchdoctor),  5.  der  Chirurgus,  6.  der  Zahn- 
reisser.  7.  der  Schmied,  8.  der  Abdecker,  9.  die  Aderlass-  und 
Schröijf-Männer  und  Weiber,  10.  der  Abbeter,  11.  der  Krämer. 
12.  der  Apotheker,  13.  der  Pfarrer.  Aber  Alle  kommen  erst  dann  an 
die  ßeihe.  wenn  der  eigene  oder  der  Familienrath  zu  der  Behandlung 
nicht  mehr  ausreichen  will. 

Wir  sehen  hier  in  den  Beispielen  von  der  Steiermark  und  den  Xosa- 
Kaffern  sich  bereits  Specialitäten  im  ärztlichen  Stande  herausbilden.  So 
etwas  lässt  sich  aber  auch  anderwärts  nachweisen.  So  hat  man  nach  von 
Rosenberg  auf  Nias  weibliche  Aerzte,  welche  sich  nur  mit  Frauenkrankheiten 
abgeben,  und  ganz  etwas  Aehnliches  besteht  bei  den  Loango-Negern. 

Von  der  Lisel  Bali  schreibt  Jacobs: 

„Personen,  welche  sich  mit  der  Heilkunde  beschäftigen,  sowohl  männ- 
liche als  weibliche,  findet  man  unter  den  Baliern  in  grosser  Anzahl  und 
Verschiedenheit,  ja  man  hat  sogar  Personen,  die  sich  speciell  mit  einer 
einzigen  Krankheit  beschäftigen,  beispielsweise  eine  Specialität  für  Bauch- 
krankheiten. Seine  hauptsächlichste  Thätigkeit  besteht  im  B,eiben  und 
Kneten  des  Bauches  der  Kraidceu  und  zwar  allein  bei  aufgetriebenem  Leibe, 
Oolica  flatulenta,  Ascites  und  bei  Hernia  inguinalis.  Diarrliöe,  Dysenterie 
und  andere  Darmkrankheiten  behandelt  er  aber  nicht." 

Ein  sehr  ausgebildetes  Specialistenwesen  finden  wir  auch  an  der  Lo- 
ango-Küste.  Hier  hängt  dasselbe  damit  zusammen,  dass  ganz  bestimmte 
Fetische    die    Heilung    l)estimmter    Krankheiten    bewirken.      Da    nun    diese 


30.    Verschiedene  Arten   der  Medicin-Männer  und  die   Specialisten.        (58 

Fetische  aber  verschiedeneu  Zauberpriestern  unterthan  sind,  so  muss  mau 
sich  in  einem  Ivianklieitsfalle  an  denjenigen  Gang a  um  Hülfe  wenden,  dem 
der  heilende  Fetisch  für  die  beti-etfende Kiankheit  dienstbar  und  zu  Willen  ist. 
Auf  Samoa  hat  nach  George  Turner  ..jegliche  Krankheit  ihren  besonderen 
Arzt". 

In  Koetei  auf  Borneo  finden  sich  ausser  den  männlichen  und  weil)- 
licheu  Aerzten  auch  noch  Personen,  welche  zu  Heilzwecken  die  Geister  und 
Hall)götter  in  sich  aufzunehmen  vermögen,  damit  dieselben  dann  durch  sie 
handeln  können.  In  Annam  hat  man  neben  dem  durch  Beschwörungen 
heilenden  Thäy  phäp  auch  noch  den  Thäy  ngäi,  einen  Zauberer,  welcher 
Krankheiten  verursachen  kann,  dieselben  dann  aber  auch  wieder  gegen  ent- 
sprechende Bezahlung  heilt.  Die  Siamesen  haben  ebenfalls  mehrere  Arten 
der  Aerzte  (Mo),  die  Mo  Luang,  die  Aerzte  des  Königs,  die  Mo  Khong 
(Jhao,  die  Aerzte  des  Adels,  und  die  Mo  Basadon,  die  Aerzte  des  Volkes. 
J)azn    gesellen    sich    die    Krankheitsbeschwörer.     Bei    den    Narrinyeri    in 


Fig.    15.      Midi   nach    einem 

Musikbrett   der  Chippeway- 

Indianer. 

Nach  Hoffman. 


Fig.  16.     Mide,    dessen  Herz   mit 
Kenntniss  von    den    heiligen   Medi- 
anen der  Erde    erfüllt  ist.      Nach 
einem  Musikbrett  der 
Chippeway-In  dianer. 
Nach  Hoffman. 


Süd-Australien  scheinen  zwei  Arten  von  Aerzten  zu  existiren,  deren 
Thätigkeit  aber  im  Ganzen  eine  ähnliche  ist.  In  Liberia  finden  wir  den 
Kräuterdoctor  neben  dem  Zauberarzt,  und  in  Lubuku  in  Afrika 
fungirt  neben  dem  Medicin-Manne  ein  l)esonderer  Beschneider. 

Bei  den  nordamerikanischen  Indianer-Stämmen  treten  vier  Arten 
von  Aerzten  auf.  Der  eigentliche  Arzt  in  unserem  Sinne  ist  der  Muskeke- 
winince.  Neben  ihm  fungirt  der  Jossakeed  oder  Jes'  akkid,  der  Hell- 
seher, welcher  ausser  anderen  Dingen  auch  die  Ursache  der  Erkrankung 
und  das  zur  Herstellung  nothwendige  Heilmittel  anzugeben  vermag.  Vor- 
nehmer wie  sie  beide  ist  der  Mide,  der  durch  übernatürliche  Mittel  heilende 
Medicin-Mann  (Fig.  15,  16).  Diese  Mide  bieten  eine  der  allermerk- 
würdigsten  Erscheinungen  dar.  Sie  bilden  eine  geschlossene  Gesellschaft 
mit  geheimen  Erkeunungszcichen,  welche  von  den  südlichen  Staaten  Nord- 
Amerikas  bis  in  die  nördlichen  Provinzen  verbreitet  ist.  Die  Gesellschaft, 
Mide'  wiwin    genannt,    ist    eine    Aj"t    Gelieimbund.     Sie    hat    viel-    (Jrade. 


«14 


in.    Dio  Aomo. 


(leren  jeder  seine  hesondeivn  (lelieininisse  besitzt,  die  von  den  .Mitgliedern 
;uif  das  Sorgsamste  gewahrt  werden.  Wenige  Ansei'wäldte  nnr  ei'ivMclieii 
den  liöclisten  (Ji'ad.  .Vucli  W'eilter  kTninen  nacli  Fli'tVdlnng  der  notli- 
wendigtMi  V()rl)ei'eitungen  Mide  werden.  IJisweilen  werden  grössere  ( 'ere- 
monien  ant'get'ülut.  welelie  mit  dem  Namen  AI  edici  n-Tä  nze  l)ezeielinet 
/n  werd(Mi  ptlegen  (Fig.  17).  Von  weither  sti(imen  da/u  (he  Mitgliedei-  des 
Ordens  /nsamnu'n.  Es  liandelt  sich  dalx'i  entwcih'r  um  (he  feiei-Helie  Anf- 
nalime  von  n«Mien  ('an(hdaten  in  den  (^r(h'n.  oder  um  die  /,anhei-hatt(^  Heihmg 
eines   Kranken,  der  dann  die  Kosten  des  Festes  zn  tivigen  iiat. 

Die  vierte  Gruppe  der  indinnisclieii  Aerzte  i'epiiisentiren  che  Waheno. 
Es  ist  das  eine  wenig  augeseliene  Abart  dei'  M  ide-(T!esellsehaf't.  die 
sicli  meist  aus  solchen  Individuen  ickrutiit.  weh-he  bei  den  ]\Iide  keine 
Aufnahme  get'undeu  liabeu.  Ihre  Feiei'lichkeiten  tin(h'n  Nachts  gegen  die 
Zeit  (h>s  !Moi-gengrauens  statt,  wovon  sie  ihren  Xann-n  eriialten  habeji  s(dlen. 


:-^'^^*^?f*l^ 


Fig.  17.     Medicin-Tanz  der  Winnebago-Tiulianer. 

Nach   Schoolcrnft. 


Die  Kai'oks  in  Calit'ornien  haben  nach  Mason  zwei  Arten  von 
Schamanen,  die  AV  urzel- Aerzte.  welche  nnt  Triidcen  und  Umschlägen 
behandeln,  und  die  bellenden  Aerzte.  welche  die  Krankheit  heraussaugen. 
Die  Letztere]!,  meistentheils  AVeiber.  heulen  wie  ein  Hund  vor  dem  Patienten 
und   bellen   Stunden  lang. 

Von  den  Sonkoyox  und  den  Kamaska  der  alten  J-*ernaiier  ist  be- 
i-eits  weiter  oben  die  Rede  gewesen;  sie  beschäftigten  sich  nicht  riiit  dem 
gemeinen  Volke,  sondern  sie  practicirten  nur  in  den  höhei-eu  Gesellschafts- 
schichten.  bei  den  liöliei'en  Beamten,  den  Priestern,  den  Adligen  und  den  Inka. 

Bei  den  Kirgisen  muss  der  Baksa  seine  Thätigkeit  mit  dem  Mulla 
tiieilen.    welcher    mit    Koranspi'ücheii    die    l\i'aid<heiten    behandelt.      In   einem 


30.    Verschiedene  Arten  der  Medicin-Männer  und  die  Specialisten.        65 


uigurischen  Liede  des  11.  Jahrhimderts  wird  der  Kam  oder  Miikasiiu, 
der  Schamane,  dem  Arzte  gegenübergestellt: 

„Soll  der  Kam  Dir  aber  nützen, 
Miisst  Du,  Herr,  ihm  Alles  glauben: 
Seine  Worte  liebt  der  Arzt  nicht. 
Er  entfernt  von  Mukasim  sich." 

In  Indien  ist  es  derHakiiii  (Barbier),  der  Jurrah  und  derBaidja, 
welche  sich  in  die  Praxis  theilen.  In  Persien  gemessen  das  höchste  An- 
sehen die  Haekim  taebib,  die  gelehrten  i^erzte.  Ganz  ähnlich,  wie 
bei  uns  im  Mittelalter,  liefassen  sie  sich  nicht  mit  der  Chirurgie.  Diese  ist 
dem  Dscherah  vorbehalten,  von  welchem  man  erwartet,  dass  er  nicht 
schreiben  kann.  Als  Schröpfer,  Brenner,  Rasirer  und  Masseur  schliesst 
sich  ihnen  der  Dallak  an,  und  endlich 
kommen  noch  die  Gliedereinrenke r. 
die  Schikeste-baend,  welche  ähn- 
lich wie  bei  unseren  Bauern  ganz  un- 
gebildeten Standes  sind.  Aber  eine 
Art  von  Specialisten  haben  wir  noch 
zu  erwähnen,  das  sind  die  Augen- 
ärzte, die  Kehäl.  Diese  haben  es 
verstanden,  den  Ruf  ihrer  Geschicklich- 
keit bis  nach  China  auszubreiten. 
Uebrigens  haben  auch  die  Marok- 
kaner eine  besondere  Zunft  der 
Augenärzte. 

Bei  den  alten  Japanern  unter- 
schied man  zwischen  den  Yolksärz- 
ten  und  den  Fürstenärzten.  „Beide 
Kategorien  hatten  schon  in  der  Art, 
wie  sie  für  die  Recrutirung  ihres  Stan- 
des sorgten,  vielleicht  nur  das  Gemein- 
same, dass  für  beide  die  Söhne  von 
Aerzten  das  Hauptmaterial  abgaben. 
Bereits  der  sonst  erforderliche  Nach- 
wuchs ist  aber  in  seiner  Abstammung 

ein  grundverschiedener.  Während  für  die  Volksärzte  derselbe  aus  den 
unteren  der  Samurai -Kaste  subordinirten  Classen  der  Ackerbauer,  Hand- 
werker und  Kaufleute  herkam,  treten  in  die  Zahl  der  Fürstenärzte  die- 
jenigen Samurai-Söhne  ein,  welche  wegen  körperlicher  und  geistiger  Ge- 
brechen untauglich  zur  Erlernung  des  Kriegerhandwerks  waren  und  von 
ihren  Vätern,  als  der  Nachfolge  im  eigenen  edlen  Berufe  unwürdig,  der 
Versorgung  durch  den  niedrigei-en  Beruf  übergeben  wurden.  Hierbei  concur- 
rirte  dann  der  Priesterstand  gewissermaassen  mit  dem  ärztlichen,  indem 
jenem  die  imbecilen,  geistig  schwach  beanlagten  oder  verwahrlosten,  diesem 
diejenigen  Söhne  zufielen,  welche  verwachsen,  hinkend  oder  sonst  ver- 
unstaltet, nie  unter  den  Ki'iegern  hätten  erscheinen  dürfen.  Dieser  Art  der 
Standeswahl  war  denn  auch  die  Anschauung,  die  beide  Kategorien  von 
ihrem    Berufe   hatten,    sehr   entsprechend.     Die  Volks ärzte,    deren   Väter 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  '  0 


Fig.  18.     Maske    des   Medicin-Mannes  der 
Atna-Indiane  r. 

Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  einem  Aquarell. 


(;o 


III.    Die  Aerzte. 


noch  eiiuMii  der  iiicMlrijiercii  Stiiiule  MUiuehört  liuttcii.  l)etr;iclitoteu  ihren 
Eintritt  in  den  freien  Stand  als  eine  Erliöhnng  und  strebten  (h'rselbeu  mit 
Eifer  nach;  die  Fiirstenärzte  verfielen  gewissermaasseii  einer  H erabsetzunji;, 
wenn  sie  in  ihren  neuen  Stand  einti'aten  und  betrachteten  denselben  ihr 
Leben  lang  als  ein  nothwendiges  Uel)el  und  als  eine  jeder  weiteren  be- 
sonderen Anstrenunnii"  un\\iiiili<;('  Sinecnic." 


31.   Bas  Hülfspersoiial  des  Mediein-Mannes. 

Es  Avurde  weiter  oben  bei  der  Besprechimg  der  ärztlichen  Cousulta- 
tioueu  bereits  darauf  hiugewieseii,  dass  bisweilen  mehrere  Aerzte  gemeiusani 
die  Behaudlung  des  Patienten  übernehmen.    Aber  auch  abgesehen  von  dieser 

collegialen  Unterstützung  l)edürfen 
die  Aerzte  nicht  selten  zu  ihren 
therapeutischen  Maassnahmen  eines 
besonderen  Hülfspersonales.  Auch 
dieses  müssen  wir  jetzt  versuchen, 
kennen  zu  lernen.  Bei  der  soeben 
( iwähuten  gemeinsamen  Behandlung 
sahen  wir  es  bisweilen,  dass.  ähn- 
lich Avie  bei  unseren  chirurgischen 
Operationen,  dem  einen  der  Aerzte 
der  Hanptantheil  an  der  Behand- 
lung zufällt,  während  che  anderen, 
()l)wohl  sie  ihm  gleichberechtigte 
(Jollegen  sind,  doch  mehr  eine  Ai"t 
von  assistirenden  Funktionen  über- 
nehmen. Das  findet  namentlich  bei 
den  Tliäy  phäp  der  Annamiten 
und  bei  den  Heilceremonien  der 
Mi  de  bei  den  Indianern  statt, 
von  denen  wir  noch  ausführlicher 
zu  sprechen  haben  werden. 

Vielfach   dort,    wo    betäubende 
Musik  eine  wichtige  E-oUe  bei  der 


Kg.  IH. 


Maske   des  Medicia -Mannes 
Atna-Indianer. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Bevliu. 
Nach  einem  Aquarell. 


der 


ärztlichen  Behandlung  spielt,  er- 
blicken wir  besondere  Musikanten  in 
der  Umgebung  des  Arztes.  Entweder  sind  es  seine  Schüler  und  Eleven,  oder 
es  ist  eine  Art  von  dienendem  Personale.  Bisweilen  a1)er  hat  es  auch  den 
Anschein,  als  wenn  irgendwelche  Stannnesgenossen,  z.  B.  die  Freunde  und 
Verwandten  des  Erkrankten,  die  Funktion  der  Musikanten  übernehmen. 
So  scheint  es  an  der  Loango-Küste  der  Fall  zu  sein,  und  auch  bei  den 
Ostjaken.  und  bei  den  Indianern  von  Britisch-Columbien  und  dem 
AVasiiington-Territorium  findet  Aehnliches  statt. 

Aber  auch  in  anderer  Weise  haben  die  Schüler  den  Medicin-Mann 
zu  unterstützen,  so  z.  B.  in  Annam  bei  den  Opferungen,  bei  den  Koniagas 
durch    Mitrufen    dei-    Beschwöi-ungen.    und    bei    den   Mi  de    der   Navajö- 


82.    Die  Amtstracht. 


67 


In di au  er  durch  Herstelluug  der  spätei-  uoch  zu  erwähueuden  Bilder  auf 
dem  gegiätteteu  Erdhoden  der  Medioinhütte.  Ausserdem  sind  hier  noch 
l)estimmte  junge  Leute  als  sogenannte  Läufer  und  Tänzer  angestellt. 

Bei  den  Tungusen  lässt  sich  die  Schamanin  ihr  Handwerkszeug  von 
jungen  Burschen  vorantragen,  während  „junge  Weil)er  und  Dirnen  ihr  im 
Singen  ])ehülflicli  sein  müssen." 

Der  Arzt  in  Buru  l)e(hirf  zuvor  einei' 
hellsehenden  Frau,  welche  feststellt,  durch  was 
und  auf  welche  Weise  die  Krankheit  zu  Stande 
gekommen  ist,  und  ähnlich  niuss  hei  den 
Ganguella-Negern  der  AVahrsager  zuerst 
entscheiden,  ob  Geister  oder  Zauberer  die 
Krankheit  verursacht  haben.  Erst  wenn  diese 
wichtige  Frage  entschiedeu  ist,  wendet  man 
sich  an  den  Arzt.  Nocli  grösserer  Hülfe  be- 
darf in  wichtigen  Fällen  der  Medicin-Mann 
der  Annamiteu.  Er  selber  ist  des  Lesens 
unkundig,  und  deshalb  unterstützt  ihn  stets 
ein  Schriftgelehrter,  welcher  die  Beschwfirungs- 
fonneln  mit  lauter  Stimme  vorliest.  Ausser- 
dem aber  helfen  ihm  noch  zwei  Personen,  von 
denen  die  eine  hellsehend  ist  und  über  das  Be- 
nehmen der  beschworenen  Geister  Auskunft 
giebt,  während  der  andere  Assistent  mit  be- 
stimmten Figui'en  hantiren  muss,  welche  für 
die  Ceremonie  nothwendig  sind.  Wir  kommen 
hierauf  noch  wieder  zurück. 

Einen  wichtigen  Gehülfeu  des  ärztlichen 
Standes,  namentlich  in  allen  Leiden  der  Wei- 
ber, bilden,  ganz  ähnlich  wie  bei  unserem  Land- 
volke, die  als  Hebammen  fungirenden  Frauen, 
darauf  ein.  da  ich  in  meiner  Bearlieitung  des  Werkes  von  Ploss:  Das 
Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde  ganz  eingehend  und  ausführ- 
lich dieses  umfangreiche  Thema  behandelt  habe. 


Fig.  20, 


Medicin-Mann  der  B  a  ■ 
sutho. 
Nach  Photographie. 


Ich  gehe  hier   nicht  näher 


32.  Die  Amtstracht. 


Die  grosse  Wichtigkeit  der  ärztlichen  Maassn  ahmen,  bei  denen  es  sich 
um  nichts  Geringeres  handelt,  als  mit  den  Göttern  und  Dämonen  in  directen 
Verkehr,  ja  nicht  selten  sogar  in  erbitterten  Kampf  zu  treten,  macht  es 
wohl  verständlich,  dass  der  Medicin-Mann  oder  Schamane  nicht  in  seiner 
alltäglichen  bürgerlichen  Ei-scheinuug  in  eine  so  feierliehe  HandluDg  ein- 
treten kann.  Er  bedarf  dazu  einer  besonderen  Ausschmückung,  welche,  ab- 
gesehen von  der  häufig  recht  phantastisch  zusammengesetzten  Amtstracht, 
nicht  selten  auch  noch  in  grotesker  Bemaluug  und  bisweilen  in  grauen- 
erregender jMaskirung  besteht.  In  einer  Anzahl  der  uns  zu  Gebote  stehenden 
Berichte  ist  nun  allerdings  von  einer  solchen  Amtstracht  nicht  die  'Bede. 
Ob  sie  bei  deu  betreuenden  Völkerschaften  wi]'klich  uicht  in   Gebrauch   ist. 


68 


III.    Die  Aerzte. 


raüsson  wii-  nntürlicher  Weise  daliingostellt  sein  lassen.  Von  den  Mediciu- 
Männern  der  Mabunde  in  Süd- Afrika  sagt  Uolub  allerdings,  dass  sie  mit 
Ausnahme  ihres  hohen  Alters  durch  keine  besonderen  Abzeichen  kenntUch 
gemacht  sind.     Einige  andere  Volksstäninie  scheinen  sicli  mit  der  Bemalung 


Fig.  21.     Medicin-Mann  der  Atna-Indianer.     Modell  mit  echter  Ausrüstung. 

Vorderansicht. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photograpbie. 

allein  zu  begnügen,  während  bei  wieder  anderen  ausser  der  Bemalung  auch 
noch  die  festliche  Amtstracht  in  Anwendung  kommt. 

Bei  den  Indianern  von  Britisch-Columbien  führt  Bancroft  an,  dass 
sie  bei    der  Ausübung  ihrer   ärztlichen  Funktionen  ..häufig   grotesk   bemalt" 


32.    Die  Amtstracht. 


69 


erschienen.  Es  hat  hiernach  also  tk)ch  den  Anschein,  als  wenn  die  Be- 
malung bei  ihnen  nicht  ein  unumgängliches  Erforderniss  wäre.  Bei  den 
Mosquito-Indianern  timgiren  die  Sukias,  „das  Gesicht  in  grässlicher 
Weise  bemalt." 

Der  Medicin-Mann,  derKimbunda.  hei  den  Negern  in  Lubuku  be- 
dient sich  keiner  besonderen  Amtstracht;  .,er  beschmiert  sich  höchstens  mit 
rother  oder  weisser  Pemba,  wenn  er  seine  Kuren  ausführt.- 

Die  Bemalung  des  Medicin-Mannes  beobachtete  auch  Bastian  an  der 
Loango-Küste.  „Der  G an ga  hockte  vor  dem  Kranken,  damit  beschäftigt, 
sich  das  Gesicht  zu  bemalen,  roth  die  Nase,  gelb  die  Stirn,  schwarz  die 
Backen,  und  wurde  er  in  dieser  Operation  von  seiner  neben  ihm  sitzenden 
Frau  unterstützt." 

Die  höchste  Vollkommenheit  in  der  Ausbildung  der  Bemalung  trefiVn 
wh-  aber  bei  der  in  so  vielen  Beziehungen  merkwürdigen  Mide-Brüderschaft 
der  nordamerikanischen  Indianer 
an.  Hoffman  hat  uns  ganz  neuerdings 
hierüber  genaue  Aufklärungen  gegeben 
und  wir  verdanken  ihm  die  Farben- 
skizzen von  nicht  weniger  als  zehn 
verschiedenen  Bemalungsarten  des  Ge- 
sichts, deren  Farben  und  Muster  sämmt- 
lich  ihre  ganz  bestimmte  rituelle  Be- 
deutung besitzen. 

Ausser  den  Bemalungen  kommt 
nun  für  die  Medicin-Männer  bei  vielen 
Volksstämmen  auch  noch  eine  wirk- 
liche Amtstracht  hinzu,  diu'ch  welche 
sie  sich  sofort  von  den  übrigen  um  den 
Kranken  beschäftigten  Stammesgenos- 
sen unterscheiden.  Bei  den  Ganga 
der  Loango-Neger  ist  dieses  Abzei- 
chen der  Wüi-de  eine  Federmütze.  Die 
Federn,  aus  denen  dieselbe  gefertigt 
wird,  stammen  von  einem  solchen  Vo- 
gel, dessen  Fleiscli  dem  Mediciu-lNIanne 
zu  essen  verboten  ist. 


'§M 


Fig.  22.     Maske   des   Medicin-Mannes   der 

Atna-Indianer. 

Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Nach  einem  Aquarell. 


Zauberärzte  derBasutho  sah  }Fa«^e/;<aww  in  Nord-Transvaal  (Fig.  20). 
„Phantastische  Gestalten,  mit  einem  aus  Muscheln  und  aufgeblasenen  Schaf- 
blasen und  anderem  Zierrath  wunderlich  gestalteten  Kopfputz,  am  Leibe 
allerlei  Zaubermittel,  ein  grosses  Kuhhorn,  augefüllt  mit  Medicin.  ausserdem 
Antilopenhörner  und  kleine  Büchscheu,  auch  die  Zauberwürfel." 

Holuh  macht  von  den  Medicin-Männern  der  Betschuanen  folgende 
Beschreibung:  „Als  Heilküustler  erkennt  man  sie  in  der  Oeffentlichkeit  an 
einem  aus  Pavianfell  (Cynocephalus  Babuin)  verfertigten  Mäntelchen.  Manche 
tragen  um  den  Hals  an  Schnüren  oder  Riemchen  verschiedene  Säugethier-, 
Vögel-  und  Reptilienknochen,  doch  immer  auch  vier,  meist  aus  Elfenbein, 
zuweilen  aus  Hörn  geschnitzte,  mit  eingebrannten  Zeichnungen  versehene 
Stäbchen  und  Pflöckchen,  welche  "Würfel  darstellen  und  zur  Diagnose  be- 
nutzt werden." 


70 


III.    Die  Aerzte. 


Die  Altujcr  tmi-iMi   iiacli  Hadloff  h('\  dein   ScIiMiiKiiiisircii  eine  von  dei- 
gewölniliclieii   nicht  sehi'  iihweielicnde  l^i'Melit:  ..einen  ott'encii  Roek  mit  einem 


Fig.  23.     Medicin-Mann  der  Atna-Indianer.    Modell  mit  echter  Ausrüstung. 

Hinteransicht. 
Museum  f.  "Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  einem  Aquarell/ 

Brustlatze  aus  Tliieriell  und  eine  ruthe  Mütze  mit  einer  Birkhuhnteder. 
Die  Schamanen  der  am  nördlichen  Altai  wohnenden  Schwarzwald- 
Tntaren.    der    Sclior    und    <]('r    Teleuten    besitzen     ül)erhaupt    keine    be- 


H2.    Die  Amtstracht.  71 

stimmte  Tracht,  sondern  schanianisireii  in  iiirer  ii,('\vühnhcli('n  l\lci(hinij;'. 
Bei  den  "Wald-Tunguseu  hingegen  nnd  anderen  ost-sibirischen  Völker- 
schaften ist  das  Schamanenkk'id  anf  Eücken,  Brnst  nud  an  den  Armen  mit 
Aielen  eisernen  Beilängen  in  Form  von  alk-rlei  Thiergestalten  besetzt,  die 
liei  jeder  Bewegnng  des  Köi'pers  (bu'ch  Aneiii;in(h'rsclil;igen  ein  st;ii'kes  Gre- 
khapper  hervorbiingen." 

Solch  einen  mit  Eisenwerk  behängten  Schnnianenrock  mit  dazugehörigem 
„gehörntem  Kasket"  fand  Fallas  bei  den  Kamasehi  nzen  vor.  V(m  den 
Sagajern  sagt  er.  dass  der  Schamane  sich  nur  durch  seine  Kopfbedeckuug 
unterscheide.  Dies(dl)e  war  gefertigt  ..von  lotheni  Tuch,  mit  Fuchsfellen 
verbrämt,  mit  Scldangenköpfen  besetzt,  und  ol)en  mit  einem  Busch  Eulen- 
federn, am  Rande  aber  mit  allerlei  Streiten  Zeug.  Hermelinfellen  und  der- 
gleichen geziert." 


Fig.  24.     Mütze  des  Medicin-Mannes  der  Haidah -Indianer. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  einem  Aquarell. 

Ein  Schamane  der  Katschinzeji.  ein  Anfänger,  hatte  nocii  keine 
Schamaneumütze.  Er  hatte,  wie  Pallas  berichtet.  ..nur  biintausgenähte 
lederne  Strüm])fe.  und  am  Leil)e  einen  engen  ganz  beschmutzten  Kittel,  von 
bunt  gedinicktein  l)anni\vollenen  Zeuge  (Kitaika)  an.  worauf  über  den  Schultern 
ein  rother  Querlapixni.  wie  ein  Kragen,  angemacht  war.  und  von  demselben 
lo  Bänder  herabbingen  (Sysim).  Die  Bänder  aber  waren  aus  grünen,  gelben, 
i'otheu,  blauen,  schwarzen  und  bunten,  auch  mit  unechtem  Golde  durch- 
wirkten seidenen  und  baumwollenen  Läppchen  also  an  einander  gesetzt,  dass 
keiner  dem  anderen  gleich  sähe." 

Eine  sehr  eigeinirtige  Erscheinung  bildet  der  Medicin  -  ]\Iann  der 
A tu a -In dianer  (Fig.  21.  2H),  wenn  er  sich  in  seine  Amtstracht  geworfen  hat. 
Die  Schultern  deckt  der  icich  oi-namentirte  Mantel,  dessen  stilisirte  Wolfs- 
und  Vogelköpfe  und  grosse  Augen  in  blauer,  blassgellier  und  schwarzer 
Farbe    einen    phantastischen    Eindruck    bervorruien.      (ierade    au    dei-    den 


72  III.    Die  Aerzte. 

Xackpii  (leckenden  Stelle  ist  ein  jirosses  Mensclienaiitlitz  mit  offeuem  Mimde 
und  uni:;eheui-en  Zälmen  ant'genilht  (Fiif.  23).  Auf  dem  Kopfe  trägt  er  eine  Art 
von  Helm  oder  die  mit  Fuehsfell  verbiiimte  j\rüt/.e  (Fig.  24).  Das  Gesicht  wird 
dui'ch  eine  bunte  Holzmaske  verdeckt,  von  denen  eine  ganze  Garnitur  ihm  für  die 
einzelnen  Fälle  zui- VeiTügung  steht  (Fig.  18,  19,  22,  20).  Diese  Masken  stellen 


Fig.  25.     Medicin-Mann  der  Schwarzfuss-Indianer. 

Nach  Catlin. 


aber  nicht  die  Dämonen  der  Krankheit  dar.  Um  den  Hals  wird  der  weite 
Ring  von  Cedernbast  gelegt,  das  besondeic  Abzeichen  seiner  Würde.  Aber 
auch  noch  ein  zweiter  Halsring  (Fig.  27)  wird  dem  ersten  hinzugetiigt.  Au 
ihm  hängt  eine  grosse  Anzahl  ])friemenartiger  Knocheninstrumente,  von 
denen    eins    odei'  mehrere  die  robc   Forin    einer  Fischotter  besitzen.     Dieses 


32.    Die  Amtstracht. 


73 


heilige  Thier  spielt  als  Schutz-  und  Hülfsgeist  der  Medicin-Mänuer  eine 
ganz  besonders  wichtige  Rolle.  Die  Pfriemen,  welche  die  Fischotter  dar- 
stellen, sind  Amulete  des  Medicin-Mannes,  während  die  anderen  ihm  als 
Kopfkratzer  dienen  (Fig.  28);  denn  er  darf  mit  seinen  Fingern  seinen  Kopf 
nicht  berühren. 

Um  den  Nacken  ist  eine  Art  von  kui'zer  Pelzboa  gelegt,  welche  jeder- 
seits  in  einen  buntfarbigen  Wolfskopf  von  Holz  ausläuft.  Ausserdem  hat 
der  Medicin-Mann  sich  noch  allerlei  Amulete  in  Holz,  in  Stein  und  in 
Knochen  umgelegt,  unter  den  Letzteren  solche,  die  dazu  dienen,  des  Patienten 
Seele  zu  halten.  Es  ist  ein  ornamentirter  Knochen,  der  jederseits  in  einen 
geöffneten  Thierrachen  ausläuft. 

Fausthandschuhe  decken  die 
Hände  und  um  die  Hüften  ist  ein 
schürzenartiger  Gürtel  gelegt,  der 
ebenfalls  mit  einem  Gesichte  verziert 
ist;  lange,  schmale  Lederstreifen 
hängen  von  ihm  herab,  und  an  ihrem 
freien  Ende  sind  die  hörnernen  Hufe 
von  Hirschen  befestigt. 

Von  anderen  nor d- amerika- 
nisch en  Indianern  ist  am  bekann- 
testen die  Tracht  geworden,  welche 
George  Catlin  bei  dem  Medicin- 
Manne  der  Schwarzfuss-India- 
ner  am  Yellowstone  River  an- 
getroffen hatte  (Fig.  25).  Seine  Skizze 
ist  in  viele  volksthümliche  Schriften 
übergegangen. 

,,Sein  Kopf  und  Körper  waren 
ganz  mit  der  Haut  eines  gelben  Bä- 
ren bedeckt,  dessen  Kopf  ihm  als 
Maske  diente,  und  dessen  Klauen 
ihm  auf  die  Handgelenke  und  die 
Knöchel  herabreichten.  Dieser  An- 
zug ist  das  seltsamste  Gemisch  von 
(TCgenständen  des  Thier-  und  Pflan- 
zenreichs. An  der  Haut  des  gelben 
Bären,  welcher  hier  selten  vor- 
kommt, daher  als  eine  Ausnahme  von  der  regelmässigen  Ordnung  der  Na- 
tur und  folglich  als  grosse  Medicin  betrachtet  wird,  sind  Häute  von  man- 
cherlei Thieren  befestigt,  die  ebenfalls  Anomalien  oder  Missbildungen  und 
daher  Medicin  sind;  ferner  Häute  von  Schlangen.  Fröschen  und  Fleder- 
mäusen, Schnäbel,  Zehen  und  Schwänze  von  Vögeln.  Hufe  von  Hirschen, 
Ziegen  und  Antilopen,  mit  einem  Worte,  etwas  von  Allem,  was  in  diesem 
Theile  der  Welt  schwimmt,  fliegt  oder  läuft." 

Die  Amtstracht  eines  Medicin-Mannes  der  Choctaw-lndianer  wird 
uns  bei  Schoolcraft  beschrieben: 

„Er  kam,  gekleidet  in  die  Felle  wilder  Thiere.  Die  Tatzen  des  Grizzly- 
Bären   schmückten  seinen  Hals,    die  Tatzen  vom  Elenthier.  der  Wildkatze, 


Fig.  26.    Maske  des  Medicin-Mannes  der  Hai- 

dah-In dianer,  ein  Fabelthier  vorstellend. 

Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Nach  einem  Aquarell. 


74 


III.    Die  Aerzte. 


dem  Falken  und  Adler  Avaren  ebenfalls  an  verschiedenen  Stellen  der  Ge- 
wandunir  befestigt.  Die  Heliees  der  (^liren  waren  eingekei'bt.  wie  eine  Säge. 
Seine  Ohren  zierten  Ringe  von  :i  Zoll  im  Durchmesser.  In  diesen  herab- 
hängenden Rillgen  waren  kleiue  Muscheln  lose  befestigt,  und  ein  mit  Muscheln 
geschmückter  Riug  war  auch  in  seiner  Nase  aufgehängt.  Die  Säume  seiner 
KliMdung  wai-en  mit  Muscheln  befranzt.  mit  Seldangenzähnen  und  Kla])pei- 
schlangenschwänzen.'' 

Die  Anzüge,  die  Masken  und  die  übrigen  CJeräthschaften  der  Medicin- 
Männer  von  Vaneouver  werden  im\ c\i  Jacohsen  nicht  in  seinem  Hause  auf- 

Ix'wahrt.  sondern  irgendwo  in  einem  Ge- 
l)üsch.  Die  Eingel)orenen  kennen  den 
Versteck,  aber  sie  Avagen  es  nie.  diese 
Sachen  zu  berühren. 

Von  den  Masken  der  Aei'zte  bei 
den  Singhalesen  haben  wir  im  vierten 
Capitel  bereits  auslührlicheu  Bericht  er- 
stattet. Wir  brauchen  daher  an  dieser 
Stelle  nicht  Aviederum  daranf  zurückzu- 
kommen. 

Wenn  der  junge  Candidat  der  Me- 
dicin  in  Persien  ausgelernt  zu  haben 
glaid)t,  so  „vertauscht  er  die  Tataren- 
niütze  mit  dem  Turban,  lässt  sich  das 
Haupt  ganz  kahl  scheeren,  umgürtet  sei- 
nen Leib  mit  einem  breiten  ShaAvl.  in  dem 
eine  Rolle  Papier  und  ein  Tintenfass 
steckt,  trägt  einen  hohen  Stab  und  Pan- 
toffeln von  grünem  Chagrinleder,  geht 
mit  gemessenen,  pathetischen  Schritten 
einher,  spricht  in  salbungsvollem  Tone, 
oder  murmelt,  Avährend  er  einen  grobkör- 
nigen Rosenkranz  durch  die  Finger  glei- 
ten lässt,  a  r  a  b  i  s  c  li  e  Gebetformeln.  Durcl i 
die  Strassen  sieht  man  den  Arzt  gewöhn- 
lich auf  einem  ^Nfaulthiere  reiten,  welches 
er  zu  diesem  Zweck  dem  Pferde  vorzieht." 
Der  Baksa  der  Kirgisen  trägt,  im 
Gegensatze  zu  seinen  ganz  rasirten  Stain- 
raesgenossen,  nur  die  Mitte  des  Kopfes  glatt  rasirt,  Avährend  er  die  Haare 
auf  den  Seiten  des  Kopfes  etwa  fünf  Finger  breit  über  den  Schläfen  und 
den  Ohren  stehen  und  ungefähr  drei  bis  vier  Zoll  herabhängen  lässt.  In 
der  Kleidung  nntersclieidet  er  sich  nur  dadurch,  dass  er  ein  etwas  höheres 
Kapsel  als  die  Uebrigen  trägt  und  an  demselben  einen  Federl)üs(hel  b<'- 
festigt. 


Fig.  27.    Halsring  des  Medicin-Maunes 
der  Haidab-Indianer. 

Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


33.    Die  Beweggründe  für  das  ärztliche  Studium.  75 


33.  Die  Beweggründe  für  das  ärztliche  Studium. 

Wir  müsseu  nun  noch  zu  erfahren  suchen,  was  hei  den  uncivihsirten 
Nationen  für  einen  jungen  Manu  die  Veranhissuug  al)giel)t,  sich  dem  ärzt- 
h'cheu  Berufe  zu  widmen.  Auch  Averden  Avir  zu  untersuchen  hahen.  auf 
welche  Weise  seine  wissenschaftliche  und  technische  Aushildung  stattfindet 
und  wann  und  unter  welchen  Bedingungen  schliesslich  seine  A])])rohation 
erfolgt.  Es  tritt  uns  hierl)ei  mehrfach  die  Angabe  entgegen,  dass  der  junge 
Mann  sich  deshall)  dem  mediciuischen  Studium  zu  widmen  beschliesst, 
weil  auch  sein  Vater  dem  ärztlichen  Stande  angehcirt.  und  diese  Erblich- 
keit der  ärztlichen  Kunst  lässt  sich  bisweilen  durch  mehrere  Generationen 
\  erfolgen. 

Solch  eine  Erblichkeit  des  ärztlichen  Berufes  finden  Avir  bei  den  Zulu 
und  den  Betscliuanen  in  Süd-Afrika,  sowie  bei  den  Japanern  und  bei 
einer  Anzahl  a^ou  Indianer-Stämmen,  den  Sahaptins.  den  Nez-Percez. 
den  Caj'use.  den  Walla  Wallas  und  den  AVascows.  Die  vier  zuletzt  ge- 
nannten Nationeu  lassen  aber  auch  bisweilen  die  Töchter  den  Beruf  des 
A^aters  erben.  Hingegen  treten,  wie  es  den  Anschein  hat.  nicht  sämmtliche 
Kinder  in  des  Vaters  Fussstapfen,  sondern  der  Vater  trifft  hierfür  unter 
ihnen  noch  eine  besondere  Auswahl.  Nach  Avas  für  Grundsätzen  er  hierbei 
Aerfährt,  und  was  für  Umstände  es  sind,  welche  ihn  in  dieser  Beziehung 
dem  einen  Kinde  A^or  dem  anderen  den  Vorzug  geben  lassen,  das  Avird  uns 
aber  leider  nicht  berichtet. 

Auch  bei  den  sibirischen  Völkern  ist  die  SchamanenAvürde  erblich 
und  sie  geht  auch  hier  bisAveilen  aou  dem  Vater  auf  die  Tochter  über. 
..Das  Charakteristische  für  das  Schamanenthum,  sagt  Badloff,  das  diese 
]ieligionsriehtung  von  anderen  unterscheidet,  ist  der  Glau1)e  au  die  enge 
Verbindung,  die  zAvischen  den  jetzt  lebenden  Alenschen  und  ihren  längst 
verstorbenen  Almen  bestellt.  Der  Glaube  an  die  Kraft  dieser  Verbindung 
veranlasst  eine  ununterbrochene  Verehrung  der  Vorfahren.  Unter  solchen 
Umständen  konnte  nur  derjenige  als  Priester,  als  Schaman.  auftreten  und 
Avirken.  der  in  eine  engere  Verliindung  mit  seinen  Vorfahren  zu  treten  ver- 
mochte, oder  mit  anderen  Worten,  es  war  hier  nur  ein  erbliches,  den 
Familien  angehöriges  Schamanenthum  möglich." 

Bei  manchen  Volksstämmen  sind  es  gcAvisse  Absonderlichkeiten  der 
(reburt  oder  besondere  Erlebnisse.  Avelche  dafür  den  Ausschlag  geben,  dass 
der  junge  Mensch  sich  dem  ärztlichen  Berufe  Avidmet.  So  schreibt  man 
in  Liberia  den  Zwillingen  ganz  besondere  Heilkräfte  zu.  und  dieses  ist  die 
Uisache.  Avarum  die  meisten  von  ihnen  Aerzte  Averden.  In  jSTias  ergreifen 
(li(^  mit  den  Füssen  voran  Geborenen  eine  S})ecialität.  nämlich  die  Behand- 
lung der  Verrenkungen,  für  deren  Einrenkung  man  ihnen  ganz  besonders 
glückliche  Prädis])Ositionen  zuschreibt.  Ein  Unlall  mit  glücklichem  Aus- 
gange Avar  für  einen  Australneger  in  Victoria  die  A^eranlassung.  Arzt 
zu  Averdeu.  Er  sass  auf  dem  hohen  Aste  eines  Gummibaumes  und  sägte 
denselben  ab,  Avährend  ei-  auf  dem  peripheren  Ende  ritt.  Natürlicher  Weise 
stürzte  er  schliesslich  mit  ihm  herab.  Aber  (m-  bliel)  unverletzt  und  das 
genügte,  dass  seine  rjandsleute  ihn  fortan  als  (>inen  Afedicin-Mann  be- 
trachteten. 


76  III-    Die  Aerzte. 

Bei  den  Dieyerie  in  Süd-Australien  werden  diejenigen  jungen 
Leute  Aerzte,  welche  als  Kinder  den  Teufel  gesehen  haben.  Dieser  Kutchie 
genannte  Teufel  erscheint  den  Betreuenden  in  einem  beängstigenden  Traume 
oder  er  belästigt  sie  als  Alp.  Die  Lagergenossen  sind  dann  überzeugt, 
dass  der  Teufel  diesen  Leuten  erschienen  sei  und  dass  er  ihnen  die  Macht 
und  Fähigkeit  mitgetheilt  habe,  Kranke  zu  heilen. 

Wenn  bei  den  nord amerikanischen  Indianern  zwei  Personen 
gleichzeitig  träumen,  dass  eins  ihrer  Kinder  oder  ein  Freund  sich  in  einem 
schlechten  Gesundheitszustande  befindet,  dass  etwas  besteht,  was  ihn  ver- 
hindere, weiter  zu  leben,  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass  er  für  den  Orden  der 
Mi  de  ausersehen  ist. 

Die  Eingeborenen  von  Victoria  haben  den  Glauben,  dass  sich  die 
Len-han-morr,  d.  h.  die  Geister  verstorbener  Aerzte,  diejenigen  Leute  aus- 
suchen, welche  sie  zu  Aerzten  machen  wollen.  Sie  treffen  im  Busche  mit 
Solchem  zusammen  und  unterweisen  ihn  in  allen  den  Künsten  und  Kunst- 
griffen, welche  ihm  für  seinen  Beruf  nothwendig  sind,  damit  er  grossen  Ein- 
fluss  in  seinem  Stamme  gewinne. 

Bei  den  Bilqula  im  nordwestlichen  Canada  ist  die  "Würde  des  Medicin- 
Mannes  ein  freiwilliges  Geschenk  der  Gottheit.  Dieselbe  lässt  den  Aus- 
erwählten  in    eine  Krankheit   verfallen,    und   während    seines  Leidens  gie])t 

^^A   ihm   Snq   einen   Gesang, 

^.ffH^^''     ^'  ^-  ^'^^  Beschwörungs- 
fiftiiP*  formel,    die    er   im    tief- 

sten  Geheimniss  bewah- 
ren muss. 

Fig.  28.   Kopfkratzer  des  Medicin-Mannes  der  Von     den     X  o  s  a  - 

H  a  i  d  a  h  - 1  n  d  i  a  n  e  r.  K  a  f  f  e  r  n  berichtet  Kropf: 

Museum  für  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie.  -r»        t^      ^  •    i  i 

,,Der  Doctor  wird  nach 
der  Meinung  der  Kaffern  durch  übernatürliche  Kraft  zu  seiner  Kunst  be- 
rufen und  erlangt,  wie  er  vorgiebt,  seine  Kenntniss  von  den  medicinischen 
Eigenschaften  der  Pflanzen,  der  Hexen  und  Hexenmittel  diu'ch  Offenbarung, 
die  ihm  die  Geister  zu  Theil  werden  lassen.  Der  oder  die  Insanuse 
(meistens  ein  altes  Weib)  gelangt  zu  solchem  Berufe  durch  seine  oder  ikre 
eigene  Krankheit.  Wenn  solch  ein  betrügerisches,  geschwätziges  Weib 
krank  wird,  so  sagt  sie,  sie  könne  die  Ki^äfte  des  Wassers,  der  Erde,  des 
Himmels,  der  Pferde  u.  s.  w.  sehen  und  werde  dadurch  in  Unruhe  versetzt. 
Diese  ihre  Aussage  muss  dann  nebst  der  Krankheit  dem  Häuptling  be- 
richtet werden,  damit  dieser  alles  wisse.  Die  bereits  promovirten  Doctoren 
dieses  Standes,  die  sich  in  dem  Stamme  befinden,  werden  zu  Rathe  gezogen, 
und  wenn  sie  sich  entscheiden,  dass  der  Mann  Beruf  hat,  so  muss  für  ihn 
ein  Stück  Yieh  zum  Opfer  gebracht  werden.  Darauf  geht  er  einige  Zeit 
in  die  Einsamkeit." 

Der  zukünftige  Schamane  der  sibirischen  Volksstämme  erhält,  wie 
uns  Badloff  berichtet,  „vom  Vater  nicht  etwa  Unterricht  oder  Unterweisung^ 
auch  bereitet  er  sich  auf  diesen  Beruf  nicht  vor,  nein,  plötzlich  kommt  über 
ihn  die  Schani anenkraft,  wie  eine  Krankheit,  die  den  ganzen  Menschen  er- 
greift. Das  durch  die  Kraft  der  Vorfahren  zum  Schamanen  bestimmte 
Individuum  fühlt  plötzlich  eine  Mattigkeit  und  Abgespanntheit  in  den 
Gliedern,    die   sich    durch  ein  heftiges  Zittern  kund  thut.     Es  überfällt  ihn 


33.    Die  Beweggründe  für  das  ärztliche  Studium.  77 

t-in  heftiges,  imnatürliches  Gälmeu,  ein  gOAvaltiger  Druck  liegt  ihm  auf  der 
Brust,  es  di'ängt  ihn  plötzlich,  heftige,  unarticulirte  Laute  auszustossen, 
Fieberfi-ost  schüttelt  ihn,  er  rollt  heftig  mit  den  Augen,  springt  plötzlich 
auf  und  dreht  sich  wie  besessen  im  Kreise  herum,  bis  er  scliAveissbedeckt 
niederstürzt  und  in  epileptischen  Zuckungen  und  Krämpfen  sich  am  Boden 
wälzt.  Seine  Gliedmaassen  sind  ganz  gefühllos,  er  ergreift,  was  ihm  unter 
die  Hände  kommt,  und  verschluckt  absichtslos  Alles,  was  er  mit  den  Händen 
gefasst  hat,  glühendes  Eisen,  Messer,  Nadeln,  Beile,  ohne  dass  ihm  durch 
dieses  Yerschlucken  irgend  welcher  Schaden  geschieht.  Nach  einiger  Zeit 
giebt  er  das  Verschluckte  trocken  und  unversehrt  von  sich." 

Radloff  hat,  wie  er  angiebt,  dieses  allerdings  nicht  selber  gesehen,  aber 
sehr  glaul)würdige  Personen,  welche  Augenzeugen  solcher  Scenen  gewesen 
sind,  haben  ihm  dasselbe  mitgetheilt. 

Höchst  absonderlich  und  phantastisch  ist  die  Ansicht  der  Dacota- 
In dianer  über  die  Entstehung  ihrer  Medicin-Männer. 

„Dacota-Medicin-Männer  treten  nicht  in  die  Existenz  unter  den 
gewöhnlichen  Wirkungen  der  Naturgesetze,  sondern  nach  ihrem  Glauben 
erwachen  diese  Männer  und  Frauen  zuerst  in  bewusster  geistiger  Existenz 
in  der  Form  beschwingter  Samen,  so  wie  diejenigen  der  Distel,  und  sie 
werden  durch  den  geistigen  Einfluss  der  „Vier  "Winde"  durch  die  Luft- 
regioneu  geweht,  bis  sie  gelegentlich  zu'  dem  Wohnort  irgend  eines  Taku 
Wahan  gebracht  werden,  von  welchem  sie  in  innige  Gemeinschaft  aut- 
genommen werden.  Hier  verbleiben  sie,  bis  sie  mit  dem  Charakter  und  den 
Fähigkeiten  dieser  Klasse  von  Göttern,  deren  Gäste  sie  zufällig  sind,  ver- 
ti-aut  gemacht  wurden,  und  bis  diese  sie  selbst  mit  ihrem  Geiste  durchtränkt 
haben  und  sie  bekannt  geworden  sind  mit  allen  den  Gesängen,  Festen  und 
Tänzen  und  Opferriten,  welche  die  Götter  für  nöthig  halten,  den  Menschen 
aufzuerlegen.  Auf  diese  Weise  gehen  einige  von  ihnen  dui'ch  eine  Folge 
von  Begeisterungen  durch  verschiedene  Classen  von  Gottheiten,  bis  sie  voll 
geheiligt  und  für  die  menschliche  Incarnation  vorbereitet  sind.  Besonders 
sind  sie  mit  den  unsichtbaren  Wakan-Ki-äften  der  Götter  begabt,  ihrer 
Kenntniss  und  ihres  Könnens  und  ihrem  allgegenwärtigen  Einfluss  auf 
Geist,  Instinkt  und  Leidenschaft.  Sie  sind  unterrichtet,  Krankheiten  bei- 
zubringen und  sie  zu  heilen,  verborgene  Ursachen  zu  entdecken,  Geräth- 
schaften  für  den  Kiieg  zu  arbeiten  und  ihnen  die  Tomwan-Ki^aft  der 
Götter  mitzutheilen,  und  ferner  eine  solche  Anwendung  von  Bemalungen 
zu  machen,  dass  sie  vor  der  Macht  der  Feinde  zu  schützen  im  Stande  sind. 
Dieser  Process  der  Inspiration  wird  bezeichnet  als  „Träumen  von  den 
Göttern".  So  vorbereitet,  und  ihre  primitive  Form  behaltend,  eilt  der 
Halb-Gott  wieder  fort  auf  den  Schwingen  des  Windes,  über  die  Länge  und 
Breite  der  Erde,  bis  er  sorgfältig  den  Charakter  und  die  Gebräuche  aller 
verschiedenen  Stämme  der  Menschen  beobachtet  hat;  dann  seinen  Wohnort 
Avählend,  tritt  er  ein,  ohne  eine  Mutter  zu  bekommen,  und  zu  passender 
Zeit  erscheint  er  unter  den  Menschen,  um  sein  geheimnissvolles  Vorhaben 
zu  erfüllen,  für  das  die  Götter  ihn  bestimmt  haben." 

Nach  dem  Glauben  der  Loango-Neger  ist  ihr  erster  Medicin-Mann 
ein  Zauberer  gewesen,  der  nach  abgelegtem  Geständniss,  dass  er  die  be- 
treff'ende  Erkrankung  verursacht  habe,  dennoch  dem  über  ihn  verhängten 
Todesui'theil  glücklich  entging.     Er  erreichte  dieses  durch  das  Versprechen, 


78  III.    Die  Aeiztf. 

die    ihm    b(^k;iiiiiten  Znuboi'inittcl    fortan    /um    Besten    dei'   iNlcnscliheit    und 
nicht  mein-  zu  ihrem   Seliaden  in  Anwendunu;  zu  l)rini<;(^ii. 


34.   Die  Vorbereitung  zum  ärztlichen  Studium. 

Dem  Eintritt  in  das  ärztliehe  Studium  pflegen  mancherlei  körperliche  und 
geistige  Vorbereitungen  vorherzugehen.  Fasten  uiul  Beten,  Waldeinsamkeit 
und  Hallucinationen  spielen  dabei  eine  hervorragende  Rolle.  Durch  Fasten 
und  Beten  erlangen  die  dem  Bilcpila  benachbarten  Stämme  die  ärztlichen 
Fähigkeiten.  Durch  ti'ühzeitiges  Fasten  und  Ti'äumen  niuss  sich  der  Indianei'- 
.lüngling  in  Nord-Amerika  zu  der  Caudidatur  tür  die  Mi  de -Brüderschaft 
vorbereiten.  Im  Busche  ist  es,  also  in  der  Waldeinsamkeit,  wo,  wie  wir  sahen, 
bei  den  Australnegern  der  Geist  des  verstorbenen  Medicin-Mannes  dem  von 
ihm  ausgewählten  Candidaten  erscheint,  um  ihn  in  allem  iM^öthigen  zu  unter- 
weisen. Der  Candidat  der  Nez-Percez  nmss  sich  in  die  Einsamkeit  dei- 
Berge  zurückziehen  und  er  erhält  daselbst  von  dem  Wolfe  die  nöthige 
Anleitung.  Bei  den  Ipurina-Indiauern  wird  der  junge  Mann  von  seinem 
Lehrmeister  in  den  Wald  geschickt,  und  drei  Monate  lang  niuss  er  daselbst 
verweilen,  strenge  Diät  haltend  und  hauptsächlich  von  bestimmten  Blättern 
lebend.  Seine  Einsamkeit  ist  keine  ganz  vollkommene,  denn  ein  Begleiter 
wird  ihm  mitgegeben,  der  ihn  zu  überwachen  hat,  damit  er  sich  keinen 
Diätfehler  zu  Schulden  kommen  lasse.  So  lange  harrt  er  im  Walde  aus. 
bis  ihm  die  grosse  Unze  erscheint.  Von  dieser  wird  er  entweder  ver- 
schlungen, oder  sie  giebt  ihm  die  vollständige  Unterweisung  in  der  ärzt- 
lichen Kunst,  so  dass  er  als  ein  fertiger  Medicin-Mann  in  sein  Heimaths- 
(lorf  zurückkehrt. 

Die  zukünftigen  Medicin-Männer  der  Waskows,  der  Cayuse  und  der 
Walla-Wallas  beginnen  ihre  Candidatur  bereits  in  dem  8.  bis  10.  Lebens- 
jahre. Sie  werden  dann  ausgesendet,  um  in  einer  Hütte  oder  auf  der  Erde 
zu  schlafen.  Hier  erhalten  sie  dann  die  Besuche  ihres  guten  Geistes 
lamanoise,  der  ihnen  in  der  Gestalt  eines  Bären,  eines  Büffels,  eines 
Adlers  oder  irgend  eines  anderen  wilden  Thieres  erscheint  und  ihnen  wichtige 
Mittheilungen  macht.  Kehren  sie  am  anderen  Morgen  zurück  und  haben 
sie  keine  Erscheinung  gehabt,  so  muss  in  den  nächsten  Nächten  der  Versuch 
wiederholt  werden  und  zAvar  unter  strengstem  Fasten,  bis  sich  der  Geist 
herablässt,  zu  erscheinen.  Dann  muss  das  Kind  dem  Arzte  erzählen,  was 
es  gesehen  und  vernommen  hat  und  dieser  beginnt  dann  den  Unterricht, 
wobei  er  das  Kind  zuerst  unterweist,  wie  es  diesen  guten  Geist  herbeizu- 
nifen  vermöge,  damit  er  ihm  in  allen  Unternehmungen  den  nöthigen  Bei- 
stand angedeihen  lasse. 

Der  zu  der  ärztlichen  Candidatur  zugelassene  Xosa-Kaffer  begiebt 
sich  auf  einige  Zeit  in  die  Einsandceit  und  verweilt  in  seiner  Hütte,  ohne 
sich  roth  zu  bemalen  oder  ein  üasirmesser  an  sein  Haupt  kommen  zu 
lassen.  Mit  der  Aussenwelt  hält  er  keine  Gemeinschaft,  sondern  er  giebt 
sich  ganz  dem  Unterrichte  der  Geister  hin.  Paviane,  Leoparden  und 
Schlangen,  namenthch  die  fabelhafte  Schlange  Icanti  und  der  Blitzvogel 
u.  s.  w.  sind,  wie  die  Leute  glauben,  sein  Verkehr.  Von  ihnen  träumt  er 
und   sie   unterstützen    ihn    in    seiner  Arbeit.     Ei-   behau])tet,    dass    die  vei- 


'S').    Das  ärztliche  Studium.  79 

storbeiuni  Häuptlinge  mit  Schilden  ausgerüstet  zu  ihm  kämen  und  mit  ihn» 
ledeten.  Er  langt  in  seiner  Hütte  an  zu  tanzen  und  sagt,  dass  ein  Mann 
;in  seiner  Beunruhigung  Schuld  sei;  der  Geist  des  Häuptlings  habe  ihm 
l)efohlen,  denselben  herauszuriechen.  Kropf  fügt  hinzu:  ..ob  die  Ki-ankheit 
wirklich  oder  simulirt  ist,  kann  ich  nicht  sagen,  genug,  solcher  Mann  sieht 
ganz  ausgemergelt  aus." 

In  Sumatra  glauben  die  Leute,  dass  Jemand  übernatürliche  Eigen- 
schaften, den  Alemoe,  sich  anzueignen  vermiige,  mit  welchem  die  Heilkraft, 
sowie  Unverwuudbarkeit  und  ungewöhnliche  Vortheile  im  geschäftlichen 
Verkehr-e  verbunden  sind,  wenn  e]-  Tage  lang  in  einem  Korbe  sitzt,  der 
von  einem  Balken  des  Hauses  herabhängt.  Dabei  darf  nur  ein  Minimum 
von  NMliruug  von  ihm  verzehrt  werden  und  unter  anhaltendem  Singen  von 

„La  iläha  illa'  llali" 

muss  er  in  seinem  Herzen  von  den  Geistern  die  Unverwundbarkeit  erbitten. 
Beginnt  der  Korb  zu  schaukeln,  so  ist  das  der  BeAveis,  dass  nun  der  Geist 
in  den  Candidaten  gefahren  ist.  Zur  Probe  wird  er  dann  mit  Lanzen  und 
Schwertern  gestochen  und  dann  soll  die  AVunde  sich  schliessen  und  auf- 
hören zu  bluten,  sobald  der  Verletzte  mit  der  Hand  darüber  wischt. 

Hungern  und  Fasten  und  Ueben-eizungen  des  Nervensystems  sind  es 
also,  welche  die  zukünftigen  Medicin-Männer  in  Zustände  versetzen,  die  an 
gewisse  Formen  der  Hysterie  erinnern  und  welche  ohne  allen  Zweifel  ganz 
nahe  verwandt  mit  der  Hypnose  sind.  Es  werden  uns  noch  mancherlei 
Beispiele  hiervon  begegnen.  Und  so  erscheint  es  auch  natürlich,  dass  von 
Hause  aus  mit  einem  reizbaren  Nervensysteme  behaftete  Individuen  ganz 
besonders  geeignet  für  die  ärztliche  Candidatur  erscheinen.  So  sagt  auch 
Ehrenreich  von  den  Karayä-Indianern  Brasiliens:  „Zauberarzt  kann 
jeder  werden,  der  sich  den  dazu  uothwendigen«  Kasteiungen  unterzieht; 
nervös  augelegte  Individuen.  Epileptiker  u.  s.  w.  sind  natürlich  besonders 
dazu  geeignet."  Auch  von  einer  Schamanin  der  Tungus en,  deren  persön- 
liche Bekanntschaft  Pallas  machte,  erzählten  ihm  die  Leute,  „dass  sie  als 
Alädchen  lange  Zeit  in  einer  Art  närrischer  Melancholie  gelebt  habe.'- 

Es  erklärt  sich  hierdurch  vielleicht  auch  zum  Theil,  dass  unter  der 
Xachkomnieuschaft  der  Medicin-Männer  wiederum  für  diesen  Stand  ge- 
eignete Inthviduen  sich  vorfinden.  Denn  in  vielen  Fällen  wird  doch  wahr- 
scheinlich die  nervöse  Reizbarkeit  des  Yaters  sich  auf  eins  oder  mehrere 
seiner  Kinder  vererben  und  diesen  so  die  Uebernahme  des  väterlichen  Be- 
rufes um  so  mehr  erleichtert  sein. 


I 


35.   Das  ärztliche  Studium. 

AVenn  diese  Vorbereitungszeit,  welche  man  vielleicht  ganz  passend  als 
die  Zeit  der  Berufung  bezeichnen  könnte,  nun  glücklich  überstanden  ist, 
dann  beginnt  in  der  Mehizahl  der  Fälle  nun  erst  der  eigentliche  Unterricht. 
Der  Candidat  schliesst  sich  an  einen  Medicin-ALinn  an,  allein  oder  gemeinsam 
mit  mehreren  Genossen,  und  nun  erhält  er  erst  noch  mancherlei  Unter- 
weisung, und  durch  die  Assistenz  bei  seines  Lehrherrn  Heilproceduren  wird 
tr  auch  allmäbHch  in  (he  ])raktische  Technik  der  Heilkunde  eingeführt.    So 


80  III.    Die  Aerzte. 

treffen  wir  denn  ;incli  nicht  selten  die  Mediein-Männer.  wenn  sie  ihre  ärzt- 
Hche  Thätigkeit  :uisül)en,  von  ihren  Eleven  hegleitet,  wohei  sie  auf  die  eine 
oder  die  andere  Weise  den  mächtigen  Meister  unterstützen. 

You  den  Ere  der  Niasser  wird  es  durch  v.  Bosenberg  besonders  be- 
tont, dass  einige  von  ihnen  die  l^ähigkeit  besässen,  ihre  ärztlichen  Kennt- 
nisse auch  Laien  mitzntheilen  und  diese  so  zu  Medicin-Männern  heran- 
zubilden. Nicht  jedei-  Zauberarzt  also  kann  einen  Docenten  abgeben;  es 
scheinen  dazu  noch  ])esondere  geistige  Veranlagungen  nothwendig  zu  sein.  Und 
hierbei  spielt  wahrscheinlich  Avohl  nervöse  Reizbarkeit  eine  hervorragende  Rolle. 

Der  Ganga,  der  Zauberarzt  der  Lo an go -Neger,  unterrichtet  seinen 
Schüler  hauptsächlich  in  der  Herstellung  der  Mi  longo,  d.  h.  der  Zauber- 
Medicinen.  Dann  aber  lernen  sie  auch  das  Prophezeien  und  eignen  sich  die 
Macht  über  einen  bestimmten  Fetisch  an.  Der  Meister  aber  vermag  mehreren 
Fetischen,  oft  bis  zu  zehn,  zu  gebieten.  Bei  einer  ärztlichen  Behandlung, 
welcher  Bastian  beiwohnte,  sass  der  Student  hinter  seinem  Lehrer  und  war 
emsig  bemüht,  alle  die  wdlden  und  krampfhaften  Bewegungen,  welche  dieser 
ausführte,  genau  in  der  gleichen  "Weise  nachzumachen. 

Das  Amt  der  Mediein-Männer  bei  den  Betschuanen  ist,  wie  wir 
früher  schon  gesagt  haben,  erblich;  doch  werden,  wie  Emil  Holub  berichtet, 
auch  wissbegierige  junge  Männer  zu  Doctoren  herangebildet.  „Der  Aspirant 
hat  als  Honorar  seinem  Lehrer  eine  Kuh  (gegenw^ärtig  zumeist  andere  Objecte 
im  gleichen  Werthe),  oder,  falls  derselbe  in  den  Diamantfeldern  Mali  (Geld) 
verdient  hat,  4 — 7  L.  St.  zu  geben  und  wird  darauf  sofort  in  die  Lehre 
genommen.  Der  medicinische  Lehrcurs  beginnt  mit  dem  Ausgraben  (das 
„Graben"  bildet  einen  wichtigen  Begriff  und  eine  wichtige  Manipulation  bei 
vielen  Ceremonien  der  Betschuanas)  der  Heilkräuter,  wobei  er  von  seinem 
Lehrmeister  durch  Wald  und  Flur  "geleitet,  über  die  Species  der  Pflanzen, 
die  zur  Benutzung  gelangenden  Theile,  sowie  über  die  Jahres-  und  Tages- 
zeit, zu  w^elcher  die  Pflanze  ausgegraben  werden  muss,  belehrt  wird.  Die 
gesammelten  Pflanzentheile  werden  sodann  getrocknet,  geröstet  oder  zer- 
stampft und  dann  ein  Pulver  oder  Absud  derselben  als  Heilmittel  erklärt, 
wobei  gewisse  Sprüche  und  Formalitäten  bei  der  Zubereitung  wie  bei  der 
Verabreichung  zu  beobachten  sind,  welche  von  den  Aerzten  bei  der  Be- 
handlung w^ohlhabender  Leute  unter  grossem  Lärm  inscenirt  werden.  Den 
letzten  Lehrcurs  bildet  die  Belehrung  über  das  Werfen  der  ..Dolos",  d.  h. 
der  Zauberwürfel. 

Der  Schüler  des  Thäy  ^jhäp  in  Annani  muss  einige  Jahre  einem 
Meister  folgen.  Er  begleitet  diesen  und  unterstützt  ihn  in  der  Ausübung 
seiner  Funktionen.  Er  ordnet  den  Opfertisch  und  spielt  während  der  Be- 
schw^örungsceremonien  den  Gong  und  die  Rassel  und  lernt  auf  diese  AVeise 
die  nothwendigen  Maassnahmen. 

Im  Gegensatze  zu  den  Schamanen  des  Altai -Gebietes  muss  der  an- 
gehende Baksa  der  Kirgisen  „von  einem  erfahrenen  Mitgliede  der  Zunft 
unterrichtet  werden,  und  erst  nach  längerem  Zusammenleben  ertheilt  der 
Lehrmeister  dem  Schüler  seinen  Segen.  Während  der  Lehrzeit  begleitet 
der  Schüler  den  Lehrer  zu  den  Beschwörungen,  ist  ihm  behülflich  und  über- 
nimmt selbst  einen  Theil  des  Gesanges  oder  Rasseins  mit  dem  Assa.  Wenn 
zwei  Baksa  zusammenwirken,  so  ist  immer  der  eine  der  Lehrer  und  der 
andere  der  Schüler." 


3fi.    Das  ärztliche  Examen  und  die  Approbation.  81 

Bei  der  Mi  de -Brüderschaft  nmss  der  Caudidat  immer  wieder  seine 
Avährend  strengen  Fastens  ihn  erfüllenden  Träume  dem  Oberhaupte  des 
Ordens  mittheilen,  und  wenn  diese  Vorbedeutungen  gute  sind,  so  wird  er 
Hufgefordert,  in  seineu  Yorhereitungen  und  Bestrebungen  fortzufahren,  bis 
man  ihn  für  hinreichend  vorbereitet  für  den  Eintritt  in  die  Brüderschaft 
hält.  Dann  wird  er,  durch  ein  Dampfbad  geheiligt,  einigen  älteren  Ordens- 
brüdern zur  ferneren  Ausl)ildung  anvertraut,  und  von  ihnen  wird  er  in  die 
grundlegenden  Geheimnisse  eingeweiht,  welche  die  Kunst  des  Heilens  und 
glücklichen  Jagens,  die  Kraft  der  Beschwörungen  und  die  Unschädlicli- 
machung  des  Zaubers  umfassen. 

In  seltenen  Ausnahmefällen  finden  wir  bei  den  Zulu  Medicin-Männer. 
welche  als  Autodidakten  zu  betrachten  sind.  Auch  von  der  oben  bereits  er- 
wähnten Schamanin  derTungusen  behaupteten  dieses  ihre  Landsleute  mit 
besonderem  Stolze;  jedoch  traten  Andere  diesem  entgegen  und  sie  Avussten 
uuch  den  Schamanen  namhaft  zu  machen,  bei  dem  sie  ihre  Ausbildung  er- 
Imlten  hatte. 

"Von  der  ärztlichen  Ausbildung  in  Persien  sagt  Polak:  „Nur  hier  und 
<la  versammelt  ein  einzelner  in  Arabicis  bewanderter  Arzt  einen  kleineu 
Kreis  von  Schülern  um  sich,  denen  er  privatim  einige  Capitel  aus  dem 
Canon  der  Abu  Ali  Sina  (Avicenna)  und  dessen  Interpretation  nach  dem 
Schaereh-Asbab  des  Ibne  Zel-eriah  mehr  in  sprachlicher,  als  in  stofflichei- 
Hinsicht  unentgeltlich  exponirt.  In  den  allermeisten  Fällen  jedoch  nimmt 
der  angehende  Mediciner  ohne  jede  theoretische  Vorbildung  Dienste  bei 
einem  practischen  Arzt  und  schreibt  sich  dessen  Eecepte  ab."  Nach  kurzer 
-Zeit  ist  die  Ausbildung  vollendet. 


36.  Das  ärztliche  Examen  und  die  Approbation. 

Nach  glücklich  erfolgter  Ausbildung  und  Vorbereitung  folgt  dann  natur- 
gemäss  die  Approbation  des  jungen  Mediciners.  Aber  bei  manchen  Volks- 
stämmen geht  derselben  noch  ein  besonderes  Examen  vorher. 

Der  kleine  Candidat  bei  den  Waskow-Indianern  Canadas  gilt 
schon  von  vornherein  für  durchgefallen,  wenn  er,  aus  der  nächtlichen  Ein- 
samkeit zurückgekehrt,  die  Seinigen  um  Essen  bittet. 

An  der  Loango-Küste  ziehen  sich  die  Ganga  zu  gewissen  Zeiten 
mit  ihren  Schülern  in  das  Innere  des  Waldes  zurück,  um  dieselben  ein- 
zuweihen. Der  Betretung  dieses  Waldes  wird  dann  durch  Verbotszeichen 
gewehrt.  Nur  die  den  Fetischen  vermählten  Frauen  dürfen  die  Männer  auf 
bestimmten  Wegen  besuchen. 

Bei  den  Xosa-Kaffern  niuss  der  Caudidat,  wie  oben  erzählt,  zur 
Vorbereitung  einsam  in  seiner  Hütte  verweilen.  Ist  diese  Zeit,  für  welche 
sie  den  Namen  Ukutwasa.  d.  h.  Neu  werden,  gebrauchen,  endhch  vorüber, 
so  treten  die  Aerzte  zusannnen.  um  auf  Geheiss  des  Häuptlings  den  jungen 
Mann  einem  Examen  zu  unterwerfen,  wozu  der  nächste  schwere  Krankheits- 
fall benutzt  wird.  Hier  muss  er  zeigen,  ob  er  im  Stande  ist,  den  Patienten 
Avnederherzustellen.  oder  denjenigen,  der  gehext  hat,  herauszuriechen.  Hat 
er  das  zuwege  gebracht,  so  erfolgt  seine  Approbation  in  etwas  absonderlicher 
Weise.     Das  Kraut   oder  die  Wurzel,  deren  Eigenschaften  die  Geister  ihm 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  ö 


S2 


III.    Die  Aerzte. 


ortV'iihart  liabcii.  wird  in  Stücke  gescliuitten  und  in  Wasser  ■■•ekoclit.  Diese 
Abkoelmnjf  giesst  ihm  dann  der  voriu^hniste  der  Medicin-Männer  über  den 
Ko})!".  und  diese  Ceremouie  beweist  dem  Volke,  dass  sie  von  jetzt  al)  in 
ihm  eine  «^('schickte  und  geeignete  Persönhehkeit  zu  erblicken  haben,  um 
die  Heilkunst  oder  die  Kunst  des  Ausrieclums  von  Hexereien  auszuüben. 
Es  kanu  dem  Candidaten  aber  auch  die  A[)})r()l)ati()n  verweigert  werd(;n. 
Dann  muss  er  sich  noch  weiteren  Unterricht  ertheihm  lassen  und  ist  ge- 
zwungen, sich  später  noch  einmal  einer  Prüfung  zu  unterziehen.  Bin  noch- 
maliges Durchfallen   macht   ihn  jedoch  untauglich  tiir  den  ärztlichen  Stand. 

Wenn  in  Ann  am  der  junge  Medicinei-  sich  für 
tahig  hält,  selbständig  zu  practiciren,  so  macht  er 
seinem  Lehrmeister  ein  (leschenk.  beli'agt  die  Grott- 
heit  durch  Verbrennen  eines  au  dieselbe  gerichteten 
Gebetes,  und  w^enn  dann  ein  günstiger  Tag  ausgewählt 
ist,  so  wird  ein  Einführungsopfer  dargebi'acht.  Dei- 
Lehrmeister  überreicht  dem  Candidaten  dann  ein 
Diplom,  durch  Avelches  ihm  die  Herrschaft  über  eine 
gewisse  Anzahl  von  Generalen  und  Soldaten  über- 
tragen ward.  Unter  diesen  Truppen  sind  Geister  zu 
verstehen.  Gleichzeitig  giebt  er  ihm  das  Handwerks- 
zeug des  zauberärztlichen  Standes:  eine  Tafel,  einen 
magischen  Stab,  ein  Schwert,  ein  Gefäss.  ein  Ttimtam 
und  eine  Glocke.  Das  Diplom  ül)ei-trägt  dem  neuen 
Meister  das  Recht,  gleichzeitig  aber  auch  die  Vm- 
pflichtung,  Ki'ankheiten  zu  verjagen,  um  allgemeinen 
Frieden  zu  bitten,  mit  einem  Worte  sich  fiir  die  Wohl- 
fahrt des  Volkes  nützlich  zu  erweisen.  Gleichzeitig 
wird  ihm  ein  besonderer  Name  ertheilt,  Avelcher  nach 
seinem  Geburtsjahre  wechselt  und  für  alle  in  dem- 
selben Jahre  Geborenen  der  Gleiche  ist. 

Bei    den  Sibiriern  sind  es  die  Geister  der   V^(»r- 
fahren    selbst,    welche    dem    jungen    Candidaten    die 
Approbation    ertheilen.     Wir    liahen    oben    bereits    ge- 
sehen,   wie    sie    ihn    plötzlich    in    Krankheit    verfallen 
lassen,    um  ihn  lur  den  Beruf  des  Schamanen    vorzu- 
bereiten,     .,Alle    diese    Leiden,    sagt   Radioff,    werden 
immer   stärker,    bis    das    so    geplagte    Lndividuum    zu- 
letzt   die  Schamanentrommel    ergreift   und  zu  schania- 
nisiren    beginnt.     Dann    erst    beruhigt  sich  die  Natur;    die  Kraft    der  Vor- 
fahren   ist   in    ihn    übergegangen    und    er  kann  jetzt  nicht  anders,    er  muss 
schamauisiren.*' 

„Widersetzt  sich  der  zum  Schamauen  Bestimmte  dem  Willen  der  Vor- 
fahren, weigert  er  sich,  zu  schamanisiren ,  so  setzt  er  sich  schrecklichen 
Qualen  aus,  die  entweder  damit  enden,  dass  der  Betrefi'ende  entw-eder  alh' 
Geisteskraft  ül)erhaupt  verliert,  also  blödsinnig  und  stumpf  Avird.  oder  dass 
er  in  wilden  Wahnsinn  verfiUlt  und  gewöhnlich  sich  nach  kurzer  Zeit  ein 
Leides  authut  oder  im  Paroxysmus  stirbt.'' 

Aloord  berichtet  über  die  Approbation  eines  ärztlichen  Canchdaten  bei 
den    I  ndia  II er- Stämmen   Oreiions: 


i^e^jy. 


Fig  29.  Holzfigur,  den 

Schamaneo-Candidaten 

darstellend.      Golden 

(Sibirien). 

Mus.f.Völberkunde,  Berlin. 

Nach  Photographie 


37.    Der  Eintritt  in  die  Mide-Gesellschaft, 


83 


„Wenn  der  Novize  die  Mauuljarkeit  erreicht  hat,  so  wird  er  iu  die 
lieilige  Professiou  in  einem  Mediciu-Tanze  eingeführt,  welcher  theilweise  von 
rehgiösem  Charakter  ist  oder  eine  Art  von  Gottesdienst  für  ihre  Idole. 
Diese  Idole  sind  die  (ieister  verschiedener  Thiere. 
Hie  hewegen  sich  im  Tanze,  diese  Thiere  vor- 
stellend, wie  das  Brüllen  des  Büffels  und  das 
Heuleu  des  Wolfes.  Ein  interessanter  Fall  wui'de 
mir,  als  im  letzten  Winter  passirt,  von  einem  Augen- 
zeugen beschrie])eu.  Der  Novize  wollte  den  Elch 
imitiren,  der  von  seiner  Jugend  an  der  gute  Geist 
und  der  Scliutzgenius  seines  Lebens  gewesen  war. 
Zu  bestimmten  Jahreszeiten  hat  der  Elch  die  Ge- 
wohnheit, sich  im  Schlamme  zu  wälzen.  Der  In- 
dianer goss  mehrere  Eimer  Wasser  in  eine  ver- 
tiefte Stelle,  in  dem  Ringe,  in  dem  getanzt  werden 
sollte,  und  nachdem  er  wie  der  Elch  gei)fiffen  hatte, 
wiirf  er  sich  nieder,  um  sich  in  der  Lache  zu  wälzen. 
Während  der  Ceremonie  der  Einführung  singen 
einige  von  den  Hauptärzten  gewisse  Gesänge  und 
Incantationen,  und  suchen  durch  l)estimmte  Voi'- 
nahmen,  welche  dem  Mesmerismus  nicht  unähnlich 
sind,  den  Candidaten  in  einen  Schlaf  zu  versetzen. 
Wenn  er  aus  diesem  Schlafe  erwacht,  so  wird  er 
für  fähig  erklärt  zu  der  Praxis  in  seinem  ei'habenen 
und  mächtigen  Berufe.'^ 

Bei  den  Golden  in  Sibirien  niuss  der  älteste 
Schamane,  wenn  Jemand  die  Schamanenwürde  er- 
langen will,  dessen  Figm*  in  ungefähr  einem  halben 
Meter  Höhe  in  Holz  schnitzen.  AVenn  die  Figur 
vollendet  ist.  so  hat  der  Candidat  (Fig.  29)  oder  die  Fjg.  30.  Holzfigur,  die  Scha- 
Candidatin  (Fig.  30)  die  Schamanen  würde  erlangt.  manen-Candidatia  darstellend. 
Es  scheint  mir  hierin  eine  versteckte  Art  von  Golden  (Sibirien). 
Approbationsrecht  ver])orgen  zu  sein;  denn  wenn 
der  Ober-Schamane  die  Candidaten  nicht  zulassen 
will,  so  braucht  er  ja.  nur  ganz  einfach  die  Vollciiduni 
unterlassen. 


Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Fignr 


37.   Der  Eintritt  in  die  Mide-Cresellscliaft. 

Die  (Kandidatur  für  den  Mide-Orden  der  nordamerikauischen 
Indianer  währt,  wie  es  scheint,  nicht  immer  in  allen  Fällen  die  gleiche 
Zeit.  Unterschiede  in  den  Fähigkeiten  dei-  einzelnen  Candidaten,  vor  allen 
J)ingen  aber  auch  Verschiedenheiten  in  ihren  Vermögensverhältnissen  scheinen 
bier  eine  wichtige  Rolle  zu  s])iele]i.  Es  nniss  der  neu  Einzuführende  näm- 
lich reiche  Geschenke  an  Kleidung  und  Waffen  als  eine  Ai't  von  Eintritts- 
geld bezahlen,  und  bei  dem  Hiuaufrückeu  in  einen  höheren  Grad  müssen 
immer  grössere  Galten  überliefert  werden,  so  dass  oft  ein  Jahre  langes 
Sparen  nothwendig  wiid.  um  das  ei'wüiisclite  Ziel  zu  erreichen.     Ueber  dns 


84  III.    Die  Aerzte. 

Rituale  der  P]intuhriing  liej^cn  uns  iiltcrc  X;iclii-iclit(Mi  voi-  von  Schoolcraff 
imd  ferner  solche  von  W.  J.  Hoffman  ;nis  do'  ;ill('ijüni>st('ii  Zeit.  Die  Ein- 
führung wird  zu  einem  grossen  öHentlicIicn  Feste  des  g;in/en  Stammes. 
Ausführliche  Vorbereitungen  gehen  A'orher.  Dem  besonderen  Protector  des 
Caudidaten  sendet  Letzterer  die  Speisen  zu  einem  Schmause  zu,  zu  welchem 
er  drei  Collegen  ladet.  Diesen  theilt  er  den  AVunsch  des  Candidaten  mit, 
rühmt  ihnen  seine  Fähigkeiten,  zäldt  ihnen  die  Einfuhrungsgeschenke  auf 
und  gewinnt  sie  so  zu  seiner  Unterstützung  für  die  Ceremonieu  an  dem 
feierlichen  Tage.  Nach  der  nöthigen  Vorbereitung  durch  Fasten  rauss  der 
Candidat  nun  mit  seinen  Meistern  mehi'ere  Tage  ein  Sclnvitzbad  nehmen 
und  zwar  deren  vier,  wenn  er  vier  Meister  hat.  und  acht,  wenn  ihn  acht 
Mide  einführen  sollen.  In  dem  letzteren  Falle  dürfen  dann  zwei  Schwitz- 
bäder an  einem  Tage  genomiuen  werden.  Beschwörungsgesänge  und  Unter- 
weisung füllen  die  Zeit  in  der  Schwitzhütte  aus.  Unterdess  eilen  Bot(^n 
diu'chs  Jiand,  um  die  Ordensbrüder  zum  Feste  zu  laden.  Ein  mit  Federn 
geschmückter  Stock  wird  ihnen  als  Einladungszeichen  übergeben.  Diesen 
bringen  sie  zum  Feste  mit,  und  wer  durch  ernste  Krankheit  verhindert  ist, 
zu  erscheinen,  der  nmss  den  Stock  gleichsam  als  Quittung  senden:  wer 
aber  ohne  triftige  Gründe  ausbleibt  oder  zu  spät  zum  Feste  erscheint,  der 
verfällt  in  eine  hohe  Strafe. 

Beim  Dorfe  wird  jetzt  für  das  Einführungsfest  an  geeignetem  Platze 
die  Medicin-Hütte  errichtet.  Die  Bezeichnung  als  Hütte  ist  eigentlich  nicht 
genau;  es  ist  nur  eine  rechteckige  Einzäunung  nach  Ai't  einer  Hecke  aus 
dichten  BaumzAveigen  gebildet.  An  jeder  Schmalseite  ist  in  der  Mitte  eine 
Eingangsöffnung  freigelassen.  Ein  Dach  besitzt  das  Bauwerk  nicht.  Ein 
aufgerichteter  Pfahl  im  Inneren  der  Hecke  wird  am  Festtage  mit  den  Ge- 
schenken  des  Candidaten  behängt. 

Bis  zu  dem  angesetzten  Tage  haben  die  Geladenen  sich  versammelt 
und  nach  Landsmannschaften  ihre  Lager  errichtet.  Am  Einführungstage 
selbst  nehmen  sie  in  der  Umzäunung  die  ihnen  angewiesenen  Plätze  ein. 
Die  vier  oder  acht  einführenden  Mide  kommen  darauf  im  Gänsemarsche  in 
den  Festraum  hinein  (Fig.  31).  Ihnen  voran  geht  der  Candidat  mit  den 
Geschenken  an  einer  Stange;  dabei  singen  sie: 

„Sieh  mich  au!     Sieh  mich  an!     Sieh  mich  an! 
Wie  ich  vorbereitet  bin!" 

Es  werden  dann  allerlei  Umgänge  gemacht,  Gesänge  gesungen  u.  s.  w. 
Aus  dem  reichen  Ceremoniell  kann  nur  Einzelnes  herausgehoben  werden. 
Einer  der  acht  Mide  hält  eine  Eede  über  die  Kraft  der  Hülfsgeister  (Ma- 
nidos),  zu  heilen  und  krank  zu  machen,  eine  Kraft,  welche  auch  den  Mi  des 
gegeben  ist  und  von  Generation  auf  Generation  übertragen  wird.  Dann 
folgt  ein  Umgang  des  Candidaten,  der  Jeden  der  Anwesenden  einzeln  be- 
grüsst.     Unter  dem  Gesänge  der  Mide: 

„Ich   vermag  einen  Geist  zu  tödten  mit  meinem   Medicin-Sack, 
Grefertigt  aus  der  Haut  des  männlichen   Bären!" 

kniet  der  Candidat  auf  einem  Blanket  nieder,  die  einführenden  Mides  um- 
wandern ihn,  immer  im  Gänsemarsch,  begrüssen  ihn  mit  dem  Titel  „Ni- 
kanug".    d.  h.  ,.College"'.    und    der  Vorderste  hält  ihm  den  Medicin-Sack 


37.    Der  Eintritt  in  die  Mide-Gfesellschaft. 


85 


entgegen,  als  wenn  es  eine  Büchse  wäre,  die  er  abfeuern  wollte.  Mit  dem 
Rufe:  „Ho  ho  ho  ho!  ho  ho  ho  ho!  ho  ho!  ho  ho!  ho!"  thut  er.  als 
wenn  er  schösse.  Der  Candidat  zittert  und  ist  nur  verwundet.  Die  acht 
Mi  de  marschiren  vorbei,  der  Nächste  tritt  an  die  Spitze  und  die  Sache 
wird  wiederholt.  Jedesmal  vermag  der  Schuss  mit  dem  Medicin-Sack  dem 
Cnndidaten   nur   eine    Verwundung   beizubringen.     Beim    achten   Umgange 


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tritt  derjenige  Mi  de  an  die  Spitze  des  Zuges,  der  den  zuvor  im  Gesänge 
gefeierten  Medicin-Sack  aus  Bärenfell  trägt.  Bevor  er  schiesst,  hält  er 
folgende  Rede: 

„Behalte  diesen  Medicin-Sack,  welcher  auf  mich  gekommen  ist  von  meinem 
( Trossvater  durch  meinen  Vater;  mein  Vater  sagte  mir,  dass  ich  niemals 
meinen   Erfolg   vermissen   würde   mit   seiiier   Hülfe.     Aber    ich    bin   alt:    helft 


86  III.    Die  Aerzte. 

mir.    meine  Binider,    dass    ich    die  Kraft    habe,  zu   schiessen,    zn    feuern    auf 

diesen  Mann,  der  hier  auf  seinen  Knieen  liegt;  er  hat  ein   rothes  Zeichen  an 

seinem  Herzen:    ich    will    gehen    und  auf  dieses  schiessen   und   meine   Medicin 
wird   nicht  verfehlen,  ihr  Werk  zu   thun." 

Dann  erfolgt  der  Schuss  und  der  Oandidut  stürzt  zu  Boden,  als  wäre 
er  todt. 

Nun  entstellt  ein  grosser  Tunnilt.  und  unter  dem  Schall  der  Trommeln 
und  Rasseln  wird  der  die  Geschenke  tragende  Pfosten  umtanzt;  die  acht  Mi  de 
werfen  ihre  Medicin-Säcke  auf  den  Todten;  dann  richten  sie  ihn  mit  An- 
strengung auf  die  Füsse  und  schreien  ihn  an:  „Yä  ha!  ya  ha!"  Da  er- 
wacht der  Todtc;  er  erhält  einen  Heiltrunk  und  nun  ist  er  wieder  völlig 
gesund.  Er  begrüsst  dann  jeden  Einzelnen  mit  dem  Rufe  Nikanug  (Col- 
lege) und  singt  darauf: 

„Ich  ebenfalls,  ich  bin  ebenso,   wie  die  Mide  sind." 

Dann  muss  er  den  Medicinstein  verschlucken,  wovon  wir  später  noch 
sprechen  werden.  Nun  hat  er  das  Recht,  an  den  Mi  de- Schmausen  Theil 
zu  nehmen,  und  um  dies  zu  beweisen,  nimmt  er  etwas  Speise  und  vertheilt 
darauf  mit  kurzer  Dankesrede  die  Geschenke  an  die  acht  einführenden  Mide. 

Nächstdem  ist  er  noch  verpflichtet,  seine  Mide-Kraft  zu  beweisen.  Zu 
diesem  Zwecke  macht  er  acht  Umgänge  um  den  Festraum  und  streckt  nach 
jedem  einen  der  acht  einführenden  Mide  durch  einen  Schuss  mit  dem 
Medicin-Sack  todt  zu  Boden.  Er  ruft  die  Getödteten  darauf  in  das  Leben 
zm'ück  und  ein  allgemeiner  Medicin-Tanz  beschliesst  die  Feier.  Der  Can- 
didat  ist  nun  eingeführt,  aber  der  Unterricht  wird  danach  noch  fortgesetzt. 
Uebrigens  finden  sich  je  nach  dem  Indianer- Stamme  bei  diesen  Ein- 
tührungsfesten  kleine  Abweichungen. 


38.  Das  kanonische  Alter  der  Medicin-Männer. 

Auch  über  das  Lebensalter,  in  welchem  die  Medicin-Männer  ihi^e  ärzt- 
liche Praxis  auszuüben  beginnen,  liegen  uns  vereinzelte  Nachrichten  vor. 
Die  ersten  Anfänge  des  ärztlichen  Studiums  werden,  wie  wir  sahen,  sehr 
häufig  schon  in  fi'üliem  Knabenalter  begonnen.  Bei  den  Cayuse,  den 
Walla-Walla  und  den  Waskows  in  Oregon  muss  der  Candidat  erst  die 
Mannbarkeit  erreicht  haben,  ehe  er  als  Novize  eingeführt  werden  kann. 
Bei  dem  Dieyeri-Stamme  in  Süd-Australien  wird  es  nicht  für  geeignet 
gehalten,  dass  die  jungen  Candidaten  vor  dem  vollendeten  zehnten  Jalire 
die  ärztliche  Thätigkeit  übernehmen:  niemals  aber  dürfen  sie  practiciren, 
bevor  die  Besclmeidung  an  ihnen  ausgeführt  ist. 

Bei  den  Onkanagan  in  Britisch  Coluinbien  werden  die  Aerzte 
geschildert  als  „Männer,  welche  gewöhnlich  schon  den  Meridian  ilires  Lebens 
überschritten  haben". 

Die  Medicin-Männer  der  Mabunde  am  Zambesi  sind,  wie  Holuh 
bei'ichtet,  nicht  durch  besondere  Kennzeichen,  sondern  nur  durch  ihr  hohes 
Alter  von   dem   ülmgcMi  Volke  zu  unterscheiden. 


I 


39.    Die  fachmännische  Fortbildung  approbirter  Aerzte.  87 


39.   Die  fachmännische  Fortbildung  approhirter  Aerzte. 

So  wie  bei  uns  der  practische  Arzt  wohl  gern  einmal  seine  Müsse  be- 
nutzt, um  Krankenhäuser  zu  besuchen.  Vorlesungen  zu  hören  oder  sich  an 
wissenschaftlichen  Cursen  zu  betheiligen,  um  hier  und  da  ihm  zum  Bewusst- 
sein  gekommene  Lücken  in  seinem  Wissen  und  Können  wiederum  aus- 
zufiillen,  so  fühlen  auch  die  Medicin-Männer  bisweilen  das  ßedürfniss,  ihre 
magische  Heilkraft  imd  ärztliche  Kunstfertigkeit  von  Xeuem  wiederum  zu 
stärken  und  zu  kräftigen. 

Die  Medicin-Männer  der  Nez-Percez- Indianer  ziehen  sich  unter 
solchen  Umständen  von  Neuem,  ähnlich  vne  in  ihrer  Studienzeit,  in  die 
Berge  zurück  und  pflegen  dort  Berathungen  mit  dem  Wolfe.  Die  süd- 
californischen  Aerzte  stärken  sich  diuTli  den  Verkehr  mit  übernatürlichen 
Wesen.  Auch  der  Medicin-Mann  der  Klamath-Indianer  in  Oregon 
hat  seinen  übernatürlichen  Lehrmeister.     Gatschet  schreibt  darüber: 

..Fussspuren,  nicht  grösser  als  diejenigen  eines  Baby,  werden  bisweilen 
in  den  höheren  Bergen  des  Cascade  Range  geftmden.  Die  Indianer 
schi-eiben  sie  einem  Zwerge  zu,  Namens  Ndhnias,  dessen  Körper  allein  von 
dem  Beschwörer  des  Stammes  gesehen  werden  kann.  Der  Zwerg  giebt 
ihm  seine  AuAveisung  ftir  die  Heilung  von  Krankheiten  oder  Anderes  und 
inspirirt  ihn  mit  einer  höheren  Art  von  Kenntnissen." 

Darum  besitzen  die  Klamath-Indianer  auch  einen  Beschwörungs- 
gesang „von  dem  Zwerge'*. 

Der  Wer-raap  der  Australneger  in  Victoria  wii'd  von  dem  Len- 
ba-moorr,  dem  Geiste  des  verstorbenen  Medicin-Mannes,  dem  er  seine  Aus- 
})ildung  zu  verdanken  hat.  von  Zeit  zu  Zeit  besucht  und  er  erhält  von  dem- 
selben Hülfe  und  Unterweisung.  Bisweilen  finden  Nachts  diese  Besuche 
Statt  und  der  gespenstige  Gast  theilt  dann  dabei  dem  Arzte  mit.  dass 
irgend  eine  bestimmte  Person  aus  der  Horde  erkrankt  sei  und  versorgt  ihn 
mit  den  Mitteln,  deren  er  zu  der  Behandlung  bedarf. 

Der  Thäy  phäp  der  Annamiten  befehligt  eine  grosse  Schaar  von 
dienstbaren  Geistern,  welche  er  in  militärischer  Weise  in  Armeecoiiis  und 
Regimenter  getheilt  hat.  Scheint  ihm  sein  Heer  nicht  stark  genug,  so  be- 
giebt  er  sich  während  hundert  auf  einander  folgender  Nächte  um  Mitternacht 
an  einen  einsamen  Ort,  wo  er  sich  bei  dem  Scheine  der  Kerzen  und  bei 
dem  Klange  des  Mo,  Reis  und  Salz  nach  allen  Himmelsrichtungen  wer- 
fend, magischen  Anrufungen  überlässt.  Diese  Operation,  welche  zum  Zweck 
hat,  neue  Truppen  a.uszuheben,  ftihrt  den  Namen  Luyen  binli,  oder  in 
der  Vulgärsprache  Rü  ma.  Die  Geister  erscheinen  dem  Thäy  phäp  unter 
den  erschrecklichsten  Gestalten.  Wenn  er  sich  aber  nicht  schrecken  lässt, 
so  wird  er  schliesslich  zu  ihrem  Herrn.  Nun  gehorchen  sie  seinen  Befehlen 
und  kämpfen  lür  ihn  gegen  die  bösen  Geister.  Dafiir  ernährt  er  sie  und 
besoldet  sie  vollständig  wie  ein  wirkliches  Kriegsheer,  aber  mit  Geld  aus 
Papier. 


8s 


III.    Die  Aerzte. 


40.   Mediciiiische  Lehrbücher. 


Auch  das  Vorkommen  niedici- 
uischer  Lehrbücher  wird  uns  von 
einzelnen  Volksstiimmen  bestätigt. 
So  erzählt  van  Uasselt,  dass  er  sich 
in  Alahanpandjang  in  Mittel- 
S  u  m  a  t  r  a  mit  vieler  Mühe  und 
grossen  Kosten  die  Copie  eintT 
Handschrift  über  die  Entstehung- 
und  die  Heilung  von  Krankheiten 
vei'schafft  habe,  welche  das  Eigeu- 
thum  eines  berühmten  eingeborenen 
Arztes  war,  der  aus  dem  Manind- 
jauischen  stammte.  Zum  grössten 
Theile  bestand  dieses  Lehrbuch  in 
einer  Aufzählung  von  bösen  Geistern, 
durch  Avelche  die  Krankheiten  ver- 
ursacht werden  und  von  den  lan- 
gen, sinnlosen  Beschwörungsformeln, 
welche  hergesagt  werden  müssen,  um 
den  Einfluss  dieser  Dämonen  zu 
l)re('hen. 

Jacobs  fand  bei  den  Eingebore- 
nen von  Bali  eine  Art  von  Heil- 
mittellehre ,  welche  den  Namen 
Oesada  führt.  Auch  hierin  finden 
sich  die  für  jede  Krankheit  noth wen- 
digen Beschwörungsformeln,  ausser- 
dem aber  auch  viele  inländische  Ke- 
cepte  sowohl  für  innerlichen,  als  auch 
tür  äusserlichen  Gebrauch.  Auch  \on 
den  Annamiten  behauptet  Landes f 
dass  ihre  Medicin- Männer  Bücher 
besässen,  in  denen  durch  Wort  und 
Bild  die  nothwendigenBeschwörungs- 
ceremonien  zur  DiU'stellung  gebracht 
worden  sind. 

.,Das  medicinische  Buch  Klian- 
t  h  a  r  a  X  a ,  schreibt  Bastian  von 
Siam,  handelt  von  den  verschiede- 
nen Krankheiten,  und  hat  jeder  der- 
selben die  Figur  desjenigen  Dämon 
oder  Gottes  beigefügt,  dem  Sühn- 
opfer  zu  bringen  sind.  In  den  ana- 
tomischen Figuren  der  über  das 
Massiren  handelnden  Bücher  werden 
die  Ansätze   der  Sen   (Sehnen   oder 


4(1.    Medicinische   Lehrbücher. 


89 


Nerven),  die  je  nach  dem  Leiden  zu  berücksichtigen  sind,  mit  Punkten 
l)ezeichnet.  Die  Mehrz.ilil  der  medicinischen  Bücher  wurden  von  den  Ere- 
miten verfasst." 

Bei  den  Harrari  fand  PaulitschJce  Heilkräuterbüchei'.  von  deren  einem 
er  Einsicht  nehmen  konnte.  Wiederholenth'ch  hat  sie  die  ägyptische 
Regiening  durch  Massenverbrennungen  zu  vernichten  gesucht. 

Ein  Zauberarzt  der  Tamilen  in  Ceylon  war  des  Leichenraubes  be- 
schuldigt worden.  Eine  bei  ihm  vorgenommene  Haussuchung,  von  der 
schon  in  einem  früheren  Abschnitte  die  Rede  war,  hatte  auch  die  Richtig- 
keit der  Anklage  bestätigt.  Man  fand  bei  dieser  Gelegenheit  auch  eine 
Receptsammluug  zur  Herstellung  schädlicher  Mischungen  und  Gifte  und 
ausserdem  ein  Manuscript  mit  Zauberzeichen  und  an  „Siva  den  Ver- 
iiichter"  gerichteten  Beschwöningsformeln  „für  alle  mir  denkbaren  Fälle: 
um  die  Liebe  eines  Weibes  zu  verflihren;  um  eine  Entzweiung  zwischen 
dem  Gatten  und  der  Gattin  zu  bewirken;  um  Abort  hervorzurufen;  um  von 
einem  Dämon  besessen  zu  machen;  um  Krankheiten  zu  verursachen;  um 
den  Tod  eines  Feindes  zu  veranlassen.  In  der  beträchtlichen  Sammlung 
von  Hausmitteln  war  unter  den  zahllosen  Recepten, 
um  Krankheiten  zu  verui'sachen ,  auch  nicht  ein 
(nnziges.  um  sie  zu  heilen." 

Sehr  eigenthümlich  und  von  hervorragendem 
ethnographischen  Interesse  sind  gewisse  Tafeln  mit 
bildlichen  Darstellungen,  deren  die  Medicin-Männer 
der  nordamerikanischen  Indianer  sich  bedienen, 
und  zwar  sowohl  die  Mide,  als  auch  die  Wabeno. 
Sie  werden  mit  dem  Namen  Musikbretter  (Fig.  32) 


bezeichnet  und  sie  enthalten  einen  zusammenhängen- 


Fig.  33.     Medicin-Hütte, 
vom  grossen   Geiste  erfüllt. 
Von    einem  Musikbrett    der 
Wabeno    der  nordamerika- 
nischen Indianer. 
Nach  Schoolcraft. 


den  Cyklus  von  bildlichen  Darstellungen.  Diese  in 
bunten  Farben  hergestellten  Bilder  sind  nicht  von 
Schriftzeichen  begleitet,  und  sie  besitzen  selber  nicht 
etwa  die  Bedeutung  einer  Bilderschrift  nach  Art 
der   ägyptischen   Hieroglyphen.     Jeder   Bilder- 

cyklus  gehört  zu  einer  abgeschlossenen,  rituellen  Feier,  zu  einem  Medicin- 
Tanze;  jedes  Bild  stellt  einen  einzelneu  Act  des  Medicin- Tanzes  dar 
und  erinnert  den  Medicin-Mann  nicht  allein  daran,  was  er  mit  seinen  Ge- 
nossen in  diesem  Acte  auszuführen  hat,  sondern  es  ruft  in  seinem  Geiste 
auch  das  Erinnerungsbild  wach  für  den  ein  für  allemal  feststehenden  Gesang, 
welchen  er  in  diesem  Acte  absingen  niuss.  Bestimmte  bildliche  Darstel- 
lungen zeigen  ihm  au,  dass  in  die  feierliche  Handlung  eine  Pause,  ein 
Zwischenact,  eingeschoben  werden  soll.  Der  Text  für  diese  Gesänge  ist 
ebenso,  wie  die  Melodie,  feststehend,  und  der  Sänger  muss  beides  vorher 
sicher  auswendig  gelernt  haben,  damit  der  Anblick  der  betreffenden  Malerei 
ihm  beides  in  die  Erinnerung  zurückruft.*) 

Es  möge  hier  ein  Beispiel  gegeben  werden:  Wir  sehen  in  der  ersten 
Figur  eines  solchen  Musikbrettes  (Fig.  .33)  einen  hohen  Bogen,  unter  welchem 
sich  ein  grosser,  breitbeinig  stehender  Vogel  mit  ausgebreiteten  Flügeln  l)e- 


*)    Eine    ganz    genaue   Erläuterung    des    in   Eig.  32    abgebildeten  Musi^  - 
brettes  wird  im   Anhang  I  bei  der  Erklärung  der  Abbildungen  gegeben. 


90  III.    Die  Aerzte. 

findet.  Dio  EiHlcutunfr  diosos  Kildos  ist  min  folpjonde:  Der  Hoj^en  stellt  den 
Festiaum  für  den  Medicin-Tanz  dar.  die  sogenannte  Medicin- Hütte.  Sie  ist 
^}\u/.  erfüllt  mit  dc^r  Gegenwart  des  grossen  Geistes,  welcher,  wie  versichert 
wird,  mit  Flügeln  zu  der  Erde  herabkam,  um  die  Indianer  in  diesen 
Ceremonien  zu  unterrichten.  Diese  Bedeutung  der  Abbildung  ist  dem  Mi  de 
ohne  Weiteres  verständlich  und  ei  weiss  nun  auch  sofort,  was  er  hierbei 
zu  singen  hat.     Vjs  lautet: 

„Des  grossen  Geistes  Hütte  —  ihr  Iiabt  ^■oll  ihr  gehört  —  icli  will  sie 
betreten. " 

Auch  was  rituell  hierbei  vorgeschriciben  ist.  wissen  die  Mi  de.  Dei- 
Gesang  wird  wiederholt;  ihr  Führer  schüttelt  dabei  die  B-assel.  und  jedes 
Mitglied  der  Gesellschaft  streckt  flehend  eine  Hand  gen  Himmel.  Alle 
stehen  still,  ohne  zu  tanzen;  die  Trommel  wird  l»ei  diesem  einleitenden 
Gesänge  nicht  geschlagen. 

Das  Alles  lehrt  das  eine  Bild,  natürlicher  Weise  aber  nur  füi-  den- 
jenigen, der  genau  in  diese  Geheimnisse  eingeweiht  ist  und  fest  die  feier- 
lichen Gesangestexte  im  Kopfe  hat.  Ganz  ebenso  verhält  es  sich  nun  aucli 
mit  den  folgenden  Bildern,  und  für  jede  ihrer  Ceremonien  sind,  wie  gesagt, 
besondere  Musikbretter  vorhanden.  In  ihren  Besitz  zu  gelangen  ist  natür- 
licher Weise  sehr  schwer.  Auch  für  die  Pausen  in  den  Gesängen  haben 
sie  besondere  gemalte  Zeichen. 


41.   Rangstufen  der  Medicin-Männer. 

Die  Medicin-Männer  sind  in  ihrer  Stellung  und  in  ihrem  Einflüsse 
nicht  alle  einander  gleich,  wie  wir  bereits  weiter  oben  bei  der  Besprechung 
der  Concurrenz  und  des  Brotneides  gesehen  haben.  U eberall  wohl  wird 
Alter,  Geschick  und  Erfahrung  den  einen  Arzt  dem  anderen  überlegen  er- 
scheinen lassen.  Und  sicherlich  wird  der  Meister  wohl  auch  noch  lange 
Zeit  nach  ihrer  Approbation  die  Anerkennung  seiner  Schüler  finden.  Wir 
treffen  aber  auch  ganz  l)estimmte  Angaben  darüber,  dass  bei  einzelnen 
Völkern  sich  höherstelnmde  Aerzte  aus  dem  Kreise  ihrer  Collegen  heraus- 
heben. Es  wurde  ja  schon  bei  der  Besprechung  des  ärztlichen  Examens, 
das  der  Mediciual-Candidat  der  Xosa-Kaffern  ablegen  muss,  darauf  hin- 
gewiesen, dass  schliesslich  der  „vornehmste''  der  examinirenden  Aerzte  dem 
glücklich  bestandenen  Examinanden  zum  Zeichen  dep  Approbation  die  be- 
stimmte Abkochung  über  den  Kojjf  giessen  muss. 

Den  vielen  Zauberärzten  der  Lo an go -Küste  steht  der  Ganga-Kunga 
vor.  Er  sendet  die  anderen  Ganga,  seine  Schüler,  zu  Curen  und  Pro- 
phezeiungen aus.  Seine  Wohnung  befindet  sich  ausserhalb  des  Dorfes  am 
AValdessaum.  Dort  wird  er  von  seinen  Frauen  bedient,  deren  vornehmste 
seine  Mahlzeiten  an  einem  abgelegenen  Theile  des  Waldes  zubereitet  und 
dieselben  dann,  mit  Palmblättern  bedeckt,  damit  Niemandes  Augen  darauf 
fallen,  ihm  in  die  Hütte  bringt,  woselbst  er  das  Mahl  verzehrt,  ohne  von 
einem  Fremden  gesehen  zu  werden. 

Wenn  an  der  Loango- Küste  bei  einer  äi-ztlichen  Consultation  der 
älteste  Ganga,  dessen  Stimme  bei  Meinungsverschiedenheiten  den  Ausschlag 


41.    Raugstufen   der  Medicin-Männer.  91 

gieht.  lierausfiudet,  dass  t^iiier  der  Medicin-Mäuuer  eiue  imrichtige  Diafjuose 
gestellt  hat,  so  entzieht  er  ihm  auf  einige  Zeit  die  Erlauhniss,  die  ärzthche 
Praxis  auszuüben.  Es  ist  das  eiue  Disciplinargewalt,  welche  bei  anderen 
Naturvölkeni  unbekannt  zu  sein  scheint. 

Auch  bei  den  Schamanen  in  Sibirien  haben  wir  Rangunterschiede 
zu  verzeichnen,  je  nach  der  ihnen  innewohnenden  Ea*aft  und  Fähigkeit,  bei 
ihren  Beschwörungsceremonien  in  höhere  Himmel  einzudringen.  Es  giebt 
Schamanen,  welche  bis  zum  siebenten  der  siebzehn  Himmel  durchdringen 
können,  während  andere  sich  bis  zum  zehnten,  ja  einzelne  sogar  bis  zum 
zwölften  Himmel  zu  erheben  A^ermögen.  In  besonders  wichtigen  Fällen 
werden  die  Ijctzteren  oft  aus  weiten  Entfernungen  herbeigeholt. 

Bei  den  Xosa-K affern  begegnen  wir  ebenfalls  einer  sonst,  wie  es 
<leii  Anschein  hat,  fast  unbekannten  Eigenthümlichkeit.  nämlich  eines  be- 
si^nderen  Ehrentitels  eines  bestimmteu  Arztes.  Es  handelt  sich  um  den- 
jenigen Mediciu-Mann.  welcher  dem  Hofe  des  Königs  zugetheilt  ist.  Der- 
selbe führt  den  besonderen  Titel:  „Stab  des  Reiches."  Es  giebt  daselbst 
Mach  Kropf  Häuptlinge,  welche  niemals  ausgehen,  ohne  von  einem  Arzte 
Itegleitet  zu  sein. 

Ueber  die  Rangverhältnisse  der  japanischen  Aerzte  lesen  wir  bei 
Wernich  Folgendes:  ..Sehr  selten,  aber  nicht  ganz  unerhört  war  es,  dass 
Yolksärzte,  nachdem  sie  berühmt  geworden  waren,  in  den  Rang  der 
Fürstenärzte  vorrückten;  besonders  scheint  eine  Ernennung  solcher  Volks- 
y.n  Siogun- Aerzten  mehnnals  stattgefunden  zu  haben.  Alle  Fürsten- 
ärzte  waren  in  den  Mechanismus  der  bestehenden  Rangklassen  eingefügt, 
so  dass  die  niedi'igsten  Dainiio- Aerzte  hinter  den  berittenen  und  vor  den 
Fuss-Samurais  rangirten,  welche  dieDaimios  begleiteten.  Höhere  Dai- 
iiiio-Aerzte  besassen  eine  der  15  bis  20  Rangstufen  der  Samurais,  die 
höchsten  gewöhnlich  die  vierte  Rangstufe,  Avelcher  im  Uebrigen  die  Leib- 
wache der  Fürsten  angehörte.  Die  gewöhnlichen  Daimio-Aerzte  wm'den 
zur  f).  bis  7.  Rangstufe  gerechnet.  Die  Siogun -Aerzte  standen  in  ganz 
ähnlichen  Verhältnissen.  Die  wirklichen  Leibärzte  zählten  zum  reichs- 
uninittelbaren.  kleinen  Adel,  besassen  ein  Schloss  und  ein  kleines  Gut  und 
waren  dem  Siogun  direct  unterthan.  Unter  den  verschiedenen  Rangclassen 
der  Siogun -Aerzte  scheint  ein  lebhaftes  Avancement  stattgefunden  zu  haben, 
auch  genossen  sie  den  Vorzug,  durch  besondere  Titel  fiir  ihre  Verdienste 
ausgezeichnet  zu  werden,  deren  Verleihung  etwa  der  des  Professorentitels 
an  Künstler  und  Gelehrte  bei  uns  analog  war.  Die  Mikado-Aerzte  end- 
lich hatten  den  höchsten  Rang  unter  den  Aerzten;  es  gab  ihrer  etwa  50. 
darunter  20  höhere  und  ein  ganz  hoher,  der  grosse  Einkünfte  hatte  und 
.sogar  eine  Art  von  Discijdinargewalt  über  seine  Collegen  ausübte.  Die 
Fürstenärzte  bildeten  so  eine  Art  wohlgegliederter  Hierarchie,  die  auf  ilrre 
Berufsgenossen  aus  dem  Volk  hoch  herabblicken  konnten;  denn  jeder 
Samurai  stand  den  Volksclassen  wie  der  Herr  den  Dienern  gegenüber." 

Die  Krone  in  Bezug  auf  dieses  Titelwesen  müssen  wir  aber  den  Sia- 
mesen  zuerkennen.  Wir  sahen  ja  schon,  dass  sie  ausser  ihi-en  Zauber- 
ärzten drei  verschiedene  Arten  der  Mo,  der  eigentlichen  Aerzte  haben, 
diejenigen  des  Königs,  die  der  Adligen  und  die  des  Volkes.  Von  den 
Mo  Luang,  den  königlichen  Aerzten,  werden  einige  zu  Chao  Krom  er- 
nannt;   andere  erhalten  den  Titel  Palat  Krom,  noch  andere  werden  Phra- 


92  III.    Die  Aerzte. 

Luang  oder  Khun-müm  oder  Phantavai.  Das  sind  also  nicht  weniger 
als  fünf  verschiedene  Titelklassen.  Dazu  kommen  nun  noch  die  7ai  Regie- 
rungsdiensten  ausgehobenen  Phrai  Phon  Luang,  welche  in  der  Medicinal- 
Behörde  einen  um  den  anderen  Monat  in  ihrer  Arbeit  abwechseln.  ,,Sie 
müssen  die  ]\[agazine  der  Arzneien  bewahren  und  andere  sind  beauftragt. 
Heilkräuter  zu  sammeln."' 


42.   Krankheit  und  Lehensende  des  Medicin-Mannes. 

Im  Allgemeinen  hören  wir  nichts  darüber,  was  denn  ein  Medicin-Mann 
untei'nimmt.  wenn  er  selber  einmal  von  Krankheit  befallen  wird;  ob  solch 
ein  Erkrankter  dann  nach  der  bekannten  Aufforderung  handelt:  Arzt,  hilf 
Dir  selber! 

Nui*  einmal  sind  wir  der  Angabe  begegnet,  dass  die  Aerzte,  die  Kunkie. 
von  dem  Dieyerie-Stamme  in  Süd-Australien,  wenn  sie  erkranken,  sich 
einen  anderen  Kunkie  herbeirufen  lassen,  um  von  diesem  geheilt  zu 
werden. 

Wenn  nun  die  Tage  des  Medicin-Mannes  erfüllt  sind  und  er  aus 
diesem  u-dischen  Leben  scheidet,  so  ist  es  wohl  nicht  sehr  zu  verwundem, 
dass  wir  hier  und  da  auch  noch  besonderen  mystischen  Anschauungen  über 
sein  Verhalten  nach  dem  Tode  begegnen.  Von  einer  derselben  haben  wir 
bereits  gesprochen.  Es  war  der  Glaube  der  Australneger  von  Victoria. 
dass  der  Geist  eines  verstorbenen  Medicin-Mannes  als  Len-ba-moorr  weiter 
existire,  im  "Walde  neue  Schüler  heranbilde  und  diesen  auch  noch  später 
in  ihrer  ärztlichen  Thätigkeit  helfend  und  berathend  zui"  Seite  stehe.  Die 
Medicin-Männer  der  Dacota -Indianer  kehren  nach  ihrem  Tode  in  die 
Wohnung  desjenigen  Gottes  zimick,  der  sie  bei  Lebzeiten  beseelt  hatte. 
Darauf  durchlaufen  sie  eine  neue  Incarnation,  um  einer  anderen  Generation 
zu  dienen,  entsprechend  dem  Willen  der  sie  beheiTschenden  Gottheit.  Vier 
Incaniationen  (vier  ist  die  heilige  Zahl)  haben  sie  auf  diese  Weise  durch- 
zumachen; dann  kehren  sie  in  ihr  ursprüngliches  Nichts  zurück. 

Wenn  auch  der  Ipurina-In dianer  Nichts  über  das  Fortleben  seines 
Medicin-Mannes  nach  dem  Tode  zu  erzählen  weiss,  so  ist  doch  auch  hier 
das  Sterben  desselben  von  Fabel  und  Aberglauben  umrankt.  Diese  Leute 
sind  nämlich  fest  davon  überzeugt,  dass  die  Seelen  ihrer  sterbenden  Medicin- 
Männer  im  Feuer  zu  dem  Himmel  auffahren. 


IV. 

Die  Diagnostik  der  Naturvölker. 


r 


43.   Erkeniiuiigsmittel  der  Diagnostik. 

Bei  deu  phantastischen  uud  vielfach  mit  Mysticismus  durchsetzten  An- 
schauungen, welche  die  Naturvölker  von  dem  Wesen  der  Krankheiten  und 
von  deren  Ursachen  besitzen,  ist  es  wohl  ganz  naturgemäss,  dass  wir  von 
ihren  Kenntnissen  und  ihrer  Unterscheidungsfälligkeit  der  einzelnen  Krank- 
heitsarten keine  allzu  hohe  Ausbildung  erwarten  können.  Vollständig  fehlend 
ist  dieselbe  aber  wohl  nirgends  mehr,  und  selbst  bei  solchen  Volksstämmen, 
welche  unter  den  uns  bekannt  gewordenen  Naturvölkern  auf  der  aller- 
niedrigsten  Stufe  civilisatorischer  Entwickelung  stehen,  treffen  wir  dennoch 
schon  eine  Unterscheidung,  wenn  auch  nur  weniger,  verschiedenartiger  Krank- 
heiten an.  Um  diese  diagnostischen  Kenntnisse  der  Naturvölker  kennen  zu 
lernen,  giebt  es  nun  mancherlei  Wege  und  Hülfsmittel.  Schon  die  ver- 
schiedenen Ursachen,  aus  welchen  nach  dem  Glauben  desselben  Volkes  die 
Krankheiten  entstehen  sollen,  legen  uns  die  Vermuthung  nahe,  dass  ihm 
bereits  gewisse  Unterschiede  in  den  Krankheitserscheinungen  zu  vollem 
Bewusstseiu  gekommen  sind.  Das  wird  noch  deutlicher  natürlicher  Weise, 
wenn  wir  in  seiner  Sprache  besondere  Ausdrücke  für  besondere  Symptomen- 
complexe  antreffen. 

Auch  ihren  guten  Geistern  und  ihren  Fetischen  haben  wir  eine  ganz 
eingehende  iVufmerksamkeit  zu  schenken.  Denn  häufig  wird  diesen  die 
Kraft  uud  Fähigkeit  zugeschrieben,  den  getreuen  Jünger  vor  einer  oder 
der  anderen  ganz  bestimmten  Krankheit  zu  beschützen.  Ganz  ähnlich  ver- 
hält es  sich  mit  den  Anmieten  und  Talismanen.  Darum  bieten  auch  sie 
für  unsere  Untersuchungen  ein  höchst  erwünschtes  Material. 

Es  schliessen  sich  ferner  an  die  Medicamente.  welche  von  den  be- 
treffenden Volksstämmen  als  Specifica  gegen  bestimmte  Ki-ankheiten  be- 
trachtet werden,  und  endlich  folgen  noch  die  Verbotszeichen,  denen  die 
Zauberkraft  inne  wohnt,  dem  Uebertreter  des  Verbotes  eine  ganz  bestimmte 
Krankheit  angedeihen  zu  lassen.  Auch 'die  Beschwörungsformeln  sind  hier 
nicht  zu  unterschätzen,  denn  auch  in  ihnen  werden  uns  bisweilen  speciell<> 
Krankheiten  namhaft  gemacht.  Alle  diese  Dinge  müssen  wir  nun  eiüc:- 
näheren  Betrachtung  unterziehen. 


9()  IV.    Die   Diai'iiustik  der  Naturvölker. 


44.    Die  Krankhcitsiiameii. 

Eiulieiniische  Krankluntsiiaiucn  liefen  uns  von  verschiedenen  Natur- 
völkern vor.  Einige  dieser  Krankheiten ,  wie  Yaws,  Beriberi,  Ainhuni 
u.  s.  Av..  sind  in  ihrem  Wesen  und  in  ihren  Erscheinungen  wiederholenthch 
von  Fachniännern  studirt  worden.  Bei  einei'  Reihe  von  anderen  Namen 
steht  es  zieniHch  fest,  mit  welcher  der  auch  bei  uns  vorkommenden  Er- 
krankungen sich  die  durch  diese  Namen  bezeichneten  Krankheiten  decken. 
Manche  andere  Krankheit  aber,  für  welche  uns  die  von  den  Eingeborenen 
gel)rauchten  Bezeichnungen  l)erichtet  Averden.  sind  l)is  jetzt  noch  nicht  mit 
irgend  einer  unserer  Krankheiten  mit  Sicherheit  zu  identificiren  und  harren 
noch  eines  genaueren  Studiums. 

Uns  interessirt  es  an  dieser  Stelle  nur,  dass  die  Naturvölker  überhaupt 
solche  verschiedenartige  Krankheitsnamen  besitzen.  So  av  erden  uns  z.  B. 
von  den  Australnegern  in  Victoria  nicht  weniger  als  fünf  derselben 
berichtet.  Es  ist  dabei  aber  noch  nicht  ausgeschlossen,  dass  sie  nicht  noch 
einige  mehr  besitzen. 

Hier  uns  helfend  beizuspringen  würde  die  Sache  der  vergleichenden 
Sprachforschung  sein.  Denn  so,  wie  diese  Kj-ankheitsnamen  jetzt  uns  vor- 
liegen, sind  sie  für  uns  nur  ein  sinnloser  Schall.  Erst  die  Linguistik  wird 
es  vermögen,  uns  hier  das  richtige  Yerstäudniss  anzubahnen.  Denn  es  unter- 
liegt für  mich  keinem  Zweifel,  dass  diese  Worte  eine  ganz  bestimmte  Be- 
deutung besitzen,  dass  sie  diejenigen  Symptome  der  durch  sie  bezeichneten 
Erkrankungen  zum  Ausdruck  bringen,  welche  diesen  Kindern  der  Natur 
als  die  am  meisten  in  die  Augen  springenden  erschienen  sind.  Finden  wir 
bei  uns  doch  in  der  Volksmedicin  ganz  das  Gleiche.  Es  mag  hier  nur 
an  Krankheitsnamen  wie  Rothlauf,  Herz  wurm,  Brustgesperr,  Mehl- 
mund,  Kriebelkrankheit  u.  s.  av.  erinnert  werden.  Bei  den  Naturvölkern 
Avird  dieses  kaum  anders  sein,  und  die  grosse  Bedeutung  der  Analyse  ihrer 
Krankheitsnameu  für  unsere  Beurtheilung  ihrer  diagnostischen  Fähigkeiten 
liegt  somit  Avohl  auf  der  Hand. 

Dass  ihre  Krankheitsnamen  Avirklich  etwas  Bestimmtes  zu  bedeuten 
haben  und  ein  auffallendes  Symptom  der  Erkrankung  zum  Ausdi'uck  bringen, 
dafür  liefert  uns  ein  Bericht  von  der  Oster-Insel  den  Beweis.  Hier 
kommt  eine  Krankheit  vor,  welche  die  Eingeborenen  mit  dem  Namen  Kino 
bezeichnen,  und  die  entstehen  soll,  Avenn  die  Leute  über  die  Felsen  längs 
der  Küste  bei  Tahai  gehen.  An  dieser  Stelle  Avächst  eine  saftreiche  Ranke, 
von  Avelcher  wahrscheinlich  die  Füsse  zerschnitten  und  abgeschunden  Averden. 
Die  Bedeutung  des  Wortes  Kino  ist  „krachender  Fuss".  Es  erinnert 
diese  Bezeichnung  übrigens  an  den  in  der  Provinz  Preussen  üblichen 
Krankheitsnamen  Knarrl)and,  welcher  für  eine  schmerzhafte  Behinderung 
der  Bewegungen  des  Fusses  im  Gebrauche  ist. 

Auch  von  den  Annamiten  ist  etAvas  Aelmliches  zu  berichten.  Dieselben 
bedienen  sich  für  die  verschiedenen  Krankheitsstadien  der  Pocken  verschie- 
dener Bezeichnungen.  Das  erste  Auftreten  des  Ausschlags  nennen  sie  Nen- 
bong  oder  Nenhue;  das  bedeutet  „Ausbruch  der  Blumen".  Die  Pusteln 
bezeichnen  sie  mit  dem  Schmeichelnamen  Ong,  d.  h.  ,,Grossvater^*: 
dieses   ist  gleichzeitig  auch  ihre  euphemistisehe  Bezeichnung  für  den  Tiger. 


45.    Krankheitsfetisclie  und  Amulete. 


97 


Füi'  die  Eiterung  in  deu  Pockenpusteln  gebrauchen  sie  nicht  das  gewöhn- 
Hche  Wort,  was  Eitern  bezeichnet,  sondern  das  Wort  giu-o-ng,  was  „sich 
ausbreiten,  sich  entwickeln"  heisst.  Die  Abschuppung 
bezeichnet  das  Wort  xuong,  was  wörtlich  heisst  „her- 
untersteigen". Das  hängt  mit  der  von  ihnen  gemachten 
Beobachtung  zusammen,  dass  die  Desquamation  am  Kopf 
und  Oberkörper  zuerst  beginnt  und  von  oben  nach  unten 
ihren  Fortgang  nimmt. 

Die  Lampongschen  Aerzte  in  Sumatra  theilen 
die  Krankheiten  in  fünf  Classen  ein,  in  die  Oepas,  die 
Pasowan,  die  Tjelor,  die  Sekedi  und  die  Tjatjar. 
Von  den  Oepas  giebt  es  drei  Unterarten  (Oepas  ngison, 
panas  und  angin),  denen  je  nach  ihren  Erscheinungen 
die  verschiedenen  Bauchkrankheiten  mit  Blutabgang  zu- 
getheilt  werden.  Jede  erfordert  eine  besondere  Behand- 
lung. Die  Pasowan  werden  durch  die  Geister  verursacht, 
und  Durchfall  und  Cholera  gehört  zu  ihnen.  Sekedi  ist 
eine  Krankheitsgruppe  für  sich  und  bezeichnet  den  Aus- 
satz, während  Tjatjar  die  Pocken  sind.  Die  Krank- 
heitsgruppe Tjelor  mit  den  sechs  Unterarten  Tjelor 
boeroeng,  boenga,  halibambang,  mais,  malikas 
schliesst    hauptsächlich    die    verschiedeneu   Fieberformen 


Fig.    34.     Verbotszei- 
chen, um  den  Ueber- 
treter    blind    werden 
zu  lassen.   Serang. 
Nach  Riedel. 


und    widadari, 
1   sich.      Tjelor 


halibambang  ist  das  kalte  Fieber,  mais,  das  kalte  Fieber  in  heftigem 
Grade,  widadari  das  Fieber  in  Folge  eines  Beischlafes,  malikas  das  heisse 
Fieber  u.  s.  w. 


45.  Krankheitsfetische  und  Amulete. 

Fetische,  welche  ganz  bestimmte  Erkrankungen  zu  heilen  vermögen, 
werden  unter  anderen  von  den  Loango-Negern  verehrt.  Aber  sie  können 
auch  ebenso  die  Kj^ankheit  bringen,  und  um  so  mehr  muss  man  ihnen  den 
Hof  machen,  um  sie  bei  guter  Laune  zu  erhalten.  Bastian  führt  uns  die 
Folgenden  an:  Lembe  hilft  gegen  Kj-ankheiten  des  Kopfes,  Lubangula  gegen 
Augenkrankheiten,  Tonse  macht  Schlaflosigkeit,  ümsasi  verursacht  und  heilt 
die  Fieberhitze,  Tschimbuko  macht 
Lähmungen,  indem  er  sein  Opfer 
1>ei  dem  Genick  ergreift.  Eonde 
Mamba .  durch  eine  männliche 
Figur  mit  grossem  Bauche  dar- 
gestellt, heilt  die  Ki^ankheiten  des 
Bauches.  Mokisso  Mamhili.  der 
ebenfalls  durch  eine  sehr  dick- 
bäuchige männliche  Figur  repräsentirt  wird,  verursacht  die  Bauchwasser- 
sucht. Imbika  endlich,  in  der  Gestalt  eines  Sackes,  heilt  die  venerischen 
Krankheiten. 

Etwas  sehr  Aehnliches  findet  sich  auf  Nias.  Hier  giebt  es  eine  ganze 
Reihe  von  Geistern,  Adii  genannt,  welche,  wenn  man  ihnen  opfert,  bestimmte 
Krankheiten  zu  heilen  vermögen. 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  7 


Pig    35.     Verbotszeichen,   um  dem  Uebertreter 

Ichthyosis  zu  verursachen.     Serang. 

Nach  Riedel. 


98 


IV.    Die  Diagnostik  der  Naturvölker. 


Hör  Adii  Tombali  zaniri,   ein  Stück  Cocusstainiu   mit  roh  ausgesclmit- 
tt'iu'iu  ^lenscheugesicht,  heilt  epileptische  Krumpfe;    der  Adn  Lailuwu  ^vir(l 

bei  Augeukraukheiteu  augerufen;  Ada  Tamahörou 
heilt  Halsühel,  Adü  Si  lahogo  Mageuschmerz  uud 
Diarrhöe.  Der  Adü  Mbali  mbali  vermag  den 
Schwindel  zu  beseitigen,  und  der  Adü  Lawulo  höngo, 
eine  Holzfigur  mit  einem  Nagel  im  Kopf,  ist  gegen 
schwere  Kopfübel  gut.  Bei  Fieber  muss  man  sich 
an  den  Adü  Tabagösa  und  an  den  Adü  Fangola 
mbechu  wenden.  Adü  Fangüru  schützt  vor  Pocken. 
Der  Adü  Oba,  eine  rohe  Figur  mit  flacher  Nase, 
heilt  das  nächtliche  xlufschrecken  der  Kinder,  und 
Adü  Famo  ni  amaho'o  stillt  deren  Nasenbluten.  Der 
Adü  Folägi  Boro  (Fig.  8G)  endlich  beseitigt  Leib- 
schmerzen; er  wird  durch  zwei  Holzsplitter  mit  Ge- 
sichtern an  den  Enden  gebildet;  durch  die  Splitter 
ist  ein  Stock  hindurch  gesteckt. 

Ob  wir  nun  hier  in  den  Namen  der  Adü  uud 
der  Fetische  zugleich  auch  die  Namen  der  ent- 
sprechenden Krankheiten  zu  erkennen  haben,  welche 


Fig.  36. 
Adü   Folagi   Höro,    Schutz- 
geist  gegen  Leibschmerzeu. 
Nias. 
Nach  Modigliani 


von  ihnen  geheilt  oder  hervorgerufen  werden,  dies  zu 


entscheiden   würde    wiederum    die    Sache    dei-   Lin- 
guisten sein. 

Von  Amuleten  uud  Talismanen  vermögen  uns 
an  dieser  Stelle  nur  diejenigen  zu  interessiren. 
welche  nicht  im  Allgemeinen  vor  Unglück  uud  somit  auch  vor  Erki'ankung 
schützen,  sondern  welche  ganz  bestimmte  Krankheiten  verhüten  oder,  wenn 

sie  bereits  ausgebrochen  sind,  sie  heilen 
sollen. 

Derartige  Talismane  sind  uns  durch 
Adrian  Jacobsen  von  den  Golden  und 
den  Giljaken  in  dem  Amur-Gebiete 
bekannt  geworden.  Gliederschmerzen 
und  Schmerzen  des  Kreuzes  spielen 
dabei  eine  hervorragende  B-oUe.  Auch 
vom  malayischen  Archipel,  und  zwar  ebenfalls  von  Jacoftsew  mitgebracht, 
liegen  uns  eine  Reihe  von  TaHsmauen  vor.  Allen  diesen  aber,  sowie  den 
Verbotszeichen  und  den  Beschwörungsformeln,  sollen  besondere  Abschnitte 
gewidmet  werden. 


Fig.  37.  Verbotszeu  lien,  um  dem  Uebertreter 

die  Kiefer  versteifen  zu  lasseu.     Serang. 

Nach  Riedel. 


46.  Verbotszeichen. 

Es  ist  ein  auf  den  Inseln  des  malayischen  Archipels  weit  ver- 
breiteter Gebrauch,  dass  die  Eingeborenen  ihren  Grundbesitz  vor  Betretung 
und  Beschädigung  und  namentlich  ihre  Felder  und  ihre  Baumpflanzungen 
vor  Beraubung  dnrch  ein  sogenanntes  Verbotszeichen,  ein  Matakau,  zu 
schützen  verstehen.  Im  Principe  ist  es  also  dasselbe,  als  wenn  unser  Laud- 
mann   vor  seinem  Acker  oder  seiner  Wiese  auf  einer  Stange  einen  Stroh- 


46.    Verbotszeichen. 


9'J 


wisch  aufpflanzt.  Aber  ein  viel  tieferer  Sinn,  eine  viel  gewaltigere  Schiitz- 
kraft  wohnt  dem  Matakaii-Zeichen  inne.  Schon  seine  Aufpflanzimg  ist 
mit  ganz  besonderen  Förmlichkeiten  verbunden.  In  manchen  Fällen  müssen 
die  Dorfältesten  erst  die  Erlaubniss  dazu  ertheilen;  oft  aber  macht  es  auch 
der  Besitzer  allein.  Ein  Opfer  wh'd  dargebracht,  ein  beschwörendes  Gebet 
wird  gesprochen,  und  nun  hat  das  Verbotszeichen  die  gewünschte  Ki^aft. 
Eines  der  Verbotszeichen,  deren  mau  sich  auf  der  Insel  Eetar  zu  bedienen 
pflegt,  wird  das  „Beutelthier- Verbotszeichen"  (Naur  lau)  genannt.  Das- 
selbe besteht  aus  drei  Stangen,  welche  mit  jungen  Kaiapablättern  an  ein- 
ander gebunden  sind.  Auf  die  mittelste  steckt  man  das  aus  den  Fasern 
der  Areug-Palme  gefertigte  Bild  eines  Beutelthieres  und  setzt  eine  Eier- 
schale   obeiulrauf.     Unter    das    Bild    wird    ein   Fruchtzweig   von    Capsicum 


Fig.  38.     Verbotszeichen,  um  dem  üebertreter  den 

Leib  schwellen  zu  lassen.    Leti. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


Fig.  39.    Verbotszeichen,  um  dem 
Üebertreter  die  Eingeweide  zu  ver- 
drehen.    Luang. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


fastigiatum  gebunden.  Um  den  Hals  von  dem  Beutelthier,  das  man  als 
beseelt  ansieht,  bindet  der  Mann  dann  ein  Koliblatt,  bestreicht  dasselbe 
mit  Sirih-Speichel  und  spricht  dabei  die  folgende  Beschwörung: 

„Verbotszeichen  von  dem  Beutelthier!  ich  habe  Dich  hier  aufgepflanzt! 
Leute,  welche  kommen,  um  Früchte  vom  Artocarpus  incisa  zu  stehlen,  um 
Früchte  von  der  Kaiapa  zu  stehlen,  um  Sirih  zu  stehlen,  um  Früchte  von  dem 
Pinang  zu  stehlen,  die  sollen  es  in  ihre  Eingeweide  kriegen;  ihr  Körper  soll 
krank  werden,  gänzlich,  sie  sollen  ihre  Lagerstätte  mit  ihren  Excrementen, 
mit  ihrem  Urine  besudeln;  kein  Heilmittel,  von  wem  auch  immer,  soll  sie 
heilen;  sie  müssen  sterben!" 

Nun  haftet  der  Fluch  an  dem  M atakau,  und  wer  das  Verbot  zu  über- 
treten wagt,  der  ist  der  dem  Verbotszeichen  anhaftenden  Zauberkraft  ver- 
fallen.   Das  Unglück  ereilt  ihn,  oder  die  Krankheit,  welche  dm-ch  die  Macht 


100 


TV.    Die  Diagnostik  der  Naturvölker. 


der  Beschwöruug.  die  bei  dem  Aufstellen  des  Matakau  gespioclieu  wurde, 
dieses  Letztere  mit  seinen  magischen  Klräften  dem  Uebertreter  bringen 
muss.  Was  fiir  ein  Unglück,  was  für  eine  Erki'ankung  dieses  ist,  das  zeigt 
die  besondere  Form  des  IM  ata  kau  an:  Deutlich  und  nicht  zu  verkennen 
fiii*  Jedermann  ist  diese  Symbolik  plastischer  Darstellung.  Mächtig  und 
wirkungsvoll  ist  aber  auch  ihre  schützende  Kraft,  denn  Niemand  zweifelt 
daran,  dass  wenn  er  es  Avagen  sollte,  das  Matakau  zu  übertreten,  unfehlbar 
der  Fluch  sich  au  ihm  vollziehen  würde. 

Derartige  Unglücksfälle,  welche  die  Matakau-Uebertretung  mit  sich 
bringt,  sind  z.  B.  dass  der  Ungehorsame  vom  Casuar  zu  Tode  getreten,  vom 
Crocodil  gefi'essen  werden,  oder  eines  plötzlichen  Todes  sterben  solle  u.  s.  w. 
Uns  können  an  dieser  Stelle  natürlicher  Weise  nur  solche  M atakau - 
Zeichen  interessii'en,  in  Avelche  die  verhängnissvolle  Kj-aft  hineinbeschworen 
ist,  dem  Fi-evler  bestimmte  Krankheiten  zu  bringen.  Die  hohe  Wichtig- 
keit und  Bedeutung  derselben  für  die  Beurtheilung  der  diagnostischen  Fähig- 
keiten dieser  Volksstämme  liegt  nun  wohl  deutlich  genug  auf  der  Hand. 
Denn  naturgemäss  werden  diejenigen,  welche  Matakau-Zeichen  aufpflanzen. 


Fig.  40.    Verbotszeichen,  um  dem  Uebertreter 
Blutdiarrhoe  zu  verursachen.     Serang. 
Nach  Riedel. 


Fig.  41.  Verbotszeichen,  um  dem  Ueber- 
treter Schmerzen   in   den    Gliedmaassen 
zu  verursachen.     Serang. 
Nach  Riedel. 


diesen  doch  immer  nui-  solche  Erki-ankungeu  hineinzuzaubern  suchen,  welche 
ihnen  aus  eigener  Erfalu'ung  und  aus  direkter  Beobachtung  bekannt  ge- 
worden sind  und  welche  sie  als  ganz  besonders  quälend,  als  intensiv  schmerz- 
haft oder  als  hochgradig  gefährlich  zu  betrachten  pflegen.  Und  somit  ge- 
winnt ihre  Kenntniss  auch  eine  grosse  Wichtigkeit  liir  die  medicinische 
Geographie. 

Manche  dieser  Matakau-Zeichen  lassen  es  nach  ihrer  äusseren  Fomi 
gar  wohl  begreifen,  wie  es  dem  ftii"  solche  Dinge  geschulten  Auge  sofort 
verständlich  werden  kann,  was  für  eine  Erkrankung  oder  welches  Kj-ank- 
heitssATuptom  dem  verwegenen  Uebertreter  droht. 

Eine  kleine  menschliche  Figur  (Fig.  34),  aus  deren  Augen  je  ein  langer 
Spahn  hervorragt,  soll  anzeigen,  dass  der  Uebertreter  bhnd  werden  wird; 
eine  Kalebasse  (Fig.  .38)  mit  sich  stark  verdickendem  Bauche  droht  dem 
Frevler  ein  Anschwellen  seines  Leibes  an;  ein  Stäbchen  mit  zwei  daran 
befestigten  windschiefen  Palmenblättern  (Fig.  39)  zeigt  an,  dass  ihm  die 
Eingeweide  verdreht  werden  sollen;  ein  Stäbchen  mit  eingeschnittener 
schuppenartiger  Verzierung  (Fig.  35)  besagt,  dass  er  che  Ichthyosis  bekommen 
Avürde.    Das  ist  eine  Zeichensprache,  der  auch  wir  noch  zu  folgen  vermögen. 


46.    Verbotszeichen. 


101 


Eine  tiefere  Vertrautheit  mit  den  Geheimnissen  dieser  Symbolik  gehört 
aber  schon  dazu,  die  folgenden  Verbotszeichen  richtig  zu  deuten.  Ein  horizon- 
taler Stab  trägt  auf  vier  Stacheln  je  einen  kleinen  Ring  von  einem  Palmen- 
blatt gefertigt  (Fig.  40).  Das  heisst,  der  Uebertreter  soll  von  Blutdiarrhöe 
befallen  werden.  Ein  gleicher  Stab,  der  auf  drei  Stacheln  je  sechs  über 
einander  angebrachte  Palmenblattringe  trägt,  soll  Schmerzen  in  den  Glied- 
maassen  erzeugen  (Fig.  41).     Fünf  solche  Ringe  auf  dem  Stabe,  deren  jeder 


Pig.  42.    Verbotszeichen,  um  dem  Ueber- 
treter Schwellung   der  Testes   zu  verur- 
sachen.   Serang. 
Nach  Riedel. 


Kg.  43.    Verbotszeichen,  um  dem  Ueber- 
treter   böse    Schwären    zu    verursachen. 
Serang. 
Nach  Riedel. 


eine  vorspringende  Spitze  hat,  verursachen  dem  Frevler  blutigen  Urin ;  zwei 
auf  einander  liegende  horizontale  Stäbe,  deren  einer  den  anderen  überragt 
(Fig.  37),  zeigen  an,  dass  ihm  die  Kiefer  versteifen  sollen.  Es  lassen  sich 
liier  noch  mehr  Beispiele  bringen:  Augenkrankheit,  Rückenschmerz,  Schwel- 
lung der  Testikel  (Fig.  42),  böse  Schwären  (Fig.  43)  und  Hinsiechen  des 
Körpers  werden  auf  ähnliche  Weise  angedroht.  Aber  die  obigen  werden, 
denke  ich,  genügen,  eine  Anschauung  dieser  Dinge  zu  geben,  so  dass  wir 
von  der  genaueren  Beschreibung  dieser  übrigen  Abstand  nehmen  können. 


V. 


Die  Medicamente  und  ihre 
Anw^endung. 


47.   Die  Medicinal-Droarueii. 


Von  Reisenden  und  von  Botanikern  sind  uns  vielfache  Mittheilungen 
.u;eniacht  worden  über  allerlei  Rinden,  Wurzeln,  Früchte  und  Blätter,  welche 
sie  in  dem  Heilmittelschatze  der  uncivilisirten  Völker  aufgefunden  haben. 
Es  liegt  aber  nicht  in  unserer  Absicht,  die  Liste  derselben  hier  aufzuzählen. 
Ein  Theil  dieser  Medicinaldroguen  ist  in  gleicher  oder  ähnlicher  Species 
auch  bei  uns  in  den  Apotheken  gebräuchlich;  andere  sind  uns  zum  Theil 
in  ihren  physiologischen  Wirkungen  unbekannt,  theils  auch  sind  wir  über 
ihre  chemischen  Bestandtheile  noch  nicht  unterrichtet.  So  würde  ihre  Auf- 
zählung   zeitraubend    sein,    aber 

auch    ohne   Zweck   und  Nutzen.  ,-^fflifliffiiiBii 

Den  Pharmakologen  aber  mag 
ihr  Studium  recht  dringend  an 
(las  Herz  gelegt  Averden;  denn 
mancher  therapeutische  Schatz 
mag  hier  noch  im  Verborgenen 
schlummern.  Uns  war  die  Be- 
kanntschaft mit  diesen  natür- 
lichen Heilmitteln  von  Wichtig- 
keit, weil  sie  uns  ein  Hülfsmittel 
bot,  um  die  diagnostischen  Kennt- 
nisse der  Natiu'völker  zu  be- 
urtheilen.  Einiges  über  das  hier- 
«hirch  gewonnene  Resultat  wollen 
wir  hier  nicht  mit  Stillschweigen 
übergehen. 

Die  Zahl  dieser  Medicinal-Droguen,  deren  Verzeichnisse  mii*  zugänglich 
sind,  ist  eine  recht  verschiedene.  Und  dennoch  sind  die  Beobachter  sicher- 
lich immer  ernstlich  bemüht  gewesen,  hier  alles  zusammenzubringen,  was 
nur  irgend  zu  ihrer  Kenntniss  gelangt  war.  Uebergehen  müssen  wir  natür- 
licher Weise  solche  Naclirichten,  avo  nur  so  nebenher  hier  und  da  eine 
einzelne  Pflanze  als  therapeutisch  verwerthet  angeführt  wird;  nur  die  wirk- 
lichen Verzeichnisse  können  berücksichtigt  werden. 

,  Da  haben  wir  nun  erstens  ein  Verzeiclmiss  von  der  OsterinseL  Mit 
Recht  wird  die  hier  einheimische  Pharmakopoe  von  Thomson  als  eine  sehr 
beschränkte  bezeichnet,  denn  Arrowroot,  eine  Distel  und  eine  Nachtschatten- 
i.rt   bilden    den    ganzen  Arzueimittelschatz.     Erheblich  zahh-eicher  sind  nun 


Fig.  44.     Medicin-Büchse,  in  Holz  geschnitzt. 

Bonerate. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


106 


V.    Die  Medicamente  und  iln-e  Anwendung. 


V<i 


schon  dieji'uigeu  Mediciualprtan/en.  welche  die  Kaiok- 1  ndiancr  in  Noid- 
Californien  gebrauchen.  Es  sind  13  Arten.  Von  den  Twanu-.  den 
Cheniakuni-  und  den  Klallam-Indianern  werden  uns  18  Arten  auf- 
geführt. Aus  dem  Seranglao-  und  Gorong-Archipel  wird  von  25  Droguen 
berichtet.     Bowditch  konnte  von  den  Aschanti  34  zusammenstellen. 

Auf  der   niederländischen  Expedition  nach  Mittel- Sumatra   fand 

man  daselbst  38  Droguen  im  Gebrauch.    Von  den  Chippeway-Indianern 

führt  Hoffmann  öG  INIedicinal-Droguen  auf.    und    Paiditschke   fand    l)ei    den 

Harrari   (if»  und  darunter  3  für  Veterinäre  Verwendung.    Am  reichhaltigsten 

ist    ein    bei    Sclioolcraft   veröffentlichtes  Verzeichniss,    in 

welchem     sich     89    Medicinaldroguen     zusammengestellt 

finden.  Dieselben  werden  von  den  nordamerikanischen 

Indianern    benutzt   und   zwar   im  Besonderen  von  den 

Dacota.     den    Creek.     den    Winnebagos     und    den 

Chippew^ays. 

Aber  auch  das,  was  der  alte  Paulini  mit  dem  Namen 
..heylsame  Dreck-Apotheke"  bezeichnet  hat,  finden 
Avir  untei-  den  Medicamenten  der  Naturvölker.  Und 
überraschen  ward  es  uns  nicht,  denn  auch  heutigen 
Tages  noch  ist  ja  unsere  eigene  Volksmedicin  voll  von 
dergleichen  Medicamenten.  Wir  könnten  höchstens  ver- 
wundert sein,  dass  wii-  nicht  häufiger  auf  derlei  un- 
appetitliche Mittel  stossen.  Es  möge  hier  nur  erinnert 
werden  an  die  Excremente  des  Dalai  Lama.  Auch  Pillen 
von  Taubenkoth  kommen  vor  und  zwar  bei  den  Indi- 
anern von  Süd-Californien.  Koth  w'ird  als  Mittel  zu 
Umschlägen  von  den  Dieyerie  in  Süd  -  Australien 
benutzt.  Den  menschlichen  Urin  oder  Pferdeharn  als 
Heiltrank  finden  w  ir  bei  einzelnen  Stämmen,  den  Ersteren 
in  Canada,  den  Letzteren  bei  den  Annamiteu.  In 
Persien  wird  der  Bärenurin  vielfach  in  den  Apotheken 
gefordert.  Unter  den  Süd -Australiern  von  Adelaide 
ist  Frauenharn  als  äusserliches  Mittel  bei  allerlei  Krank- 
heiten hochgeschätzt. 
Fig.45.Zieffenhornmit  j^^  Anuam  wurden  die  ausgefallenen  Milchzähne  der 

Arznei.     Battaker.  Z' .  t-^-     t     t 

Museum  f.  Völkerkunde,  Kinder  ZU  Medicameuteu  verarbeitet.    Die  Indianer  von 

Nach  Photographie.  Cauada  benutzen  nach  der  Aussage  eines  Eingeborenen 
zuweilen  gekochtes  Menschenfleisch  als  Medicin.  Das  Blut 
eines  Menschen  als  Heilmittel  innerlich  zu  nehmen,  ist  bei  ihnen  ebenfalls  in 
Gebrauch,  und  das  Gleiche  finden  wir  bei  den  von  Serpa  Pinto  besuchten 
Ganguella -Negern  in  Afrika.  Von  den  Letzteren  Avird  bisweilen  auch 
das  Blut  von  Thieren  benutzt.  Der  innerliche  Gebrauch  von  Menschenblut 
in  Krankheitsfällen  ist  „sehr  gewöhnlich"  bei  den  wilden  Stämmen  vom 
Maclay-River  in  Queensland.  Das  für  diesen  Zweck  nothwendige  Blut 
gewinnen  sie  dann  folgendermaassen:  „Die  Frau  des  Kranken  besorgt  ein 
hohles  Conjeboi-Blatt  und  ein  starkes  Stück  Strick  aus  festgeflochtenem 
Opossum-Fell  gefertigt.  Sie  zieht  dann  den  Strick  mit  GcAvalt  rückwärts 
und  vorwärts  über  ihr  Zahnfleisch,  bis  dieses  schrecklich  verletzt  ist  und 
profus  blutet.     Sie  speit  das  Blut,  wenn  es  ausfliesst.  in  das  Conjeboi-Blatt, 


47.    Die  Medicinal-Drogueu. 


10" 


und  fährt  fort  ihr  Zahnfleisch  zu  l)earl)eiten,  bis  sie  eine  erhebliche  Menge 
Blut  hat,  welches  dann  von  ihrem  kranken  Manne  hinunter  geschluckt  wird." 
Diese  Leute    nehmen  aber  auch  das  eigene  Blut  als  Heilmittel  ein.   jedoch 
ptlegen    sie    es    dann     zuvor    zu 
kochen. 

In  dieser  Zusammenstellung 
dürfen  wir  den  Speichel  nicht 
vergessen,  dei-  ja  auch  noch  unter 
den  Heilmitteln  unseres  Volkes 
eine  hervorragende  Stelle  ein- 
nimmt. Bei  den  Naturvölkern 
cifahren  wir  nichts  darü])er,  ob 
es  wie  bei  nnserer  Landbevölke- 
rung auch  der  „nüchterne  Spei- 
chel" sein  muss.  Wii*  finden  ihn 
namentlich  in  Nias  in  Anwen- 
dung. Hier  heilt  er,  mit  gelösch- 
tem Kalk  gemischt  auf  die  Stirn 
gestrichen,  Kopfschmerzen;  es  ist 
aber  nöthig,  dass  er  von  Jeman- 
dem stammt,  der  Sirih  gekaut 
hat.  Das  gleiche  Mittel,  ohne 
den   Kalk,    ist   im    Stande,    das 

Jucken  bei  Hautausschlägen  zu  beseitigen.    Auch  gegen  Fie])eranfälle  reiben 
sie  solchen  Sirih-Speichel  ein. 

Aus  dem  Thierreich  treten  uns  auch  mancherlei  merkwürdige  Droguen 
entgegen,  z.  B.  Fischthran  bei  den  Ostjaken  gegen  Verstopfung,  sammt 
ihren  Federn  verkohlte  Turteltauben  gegen  allerlei  Krankheiten  in  Laos, 
geschabte  Hörner  vom  Beb  und  vom  Axis-Hirsch  in  Tonkin  gegen  In- 
continentia urinae  und  Spermatorrhoe.  Tigerknochen  und  Tigerzähne 
brauchen  die  Annamiten  gegen  den  Keuchhusten;  die 
Brühe  eines  Affenkopfes  wird  in  Laos  gegen  die  Pocken 
angewendet,  und  bei  den  Ostjaken  rühmt  man  das  Herz 
und  die  Galle  vom  Eisbären  als  Heilmittel  gegen  Kinder- 
krankheiten und  Syphilis.  Gegen  Schweissfüsse  lassen 
die  xA-unamiten  Schuhe  aus  Elephantenhaut  tragen.  Auf 
der  Insel  Flor  es  benutzt  man  gegen  Kopfschmerzen  einen 
Batu  bawi  genannten  rundlichen  Stein,  welcher  angel)- 
lich  aus  dem  Gehirn  des  Stachelschweines  stammen  soll 
(Fi 


Fig.  46.    Medicinlötfel  der  Singhalesen. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


.6-    i-)- 

Von  den  Medicamenten  der  Marutse  in  Süd-Atrika 


Fig.  47.  Stein,  angeb- 
lich aus  dem  Gehirn 
des  Stachelschweins 
Mittel  gegen  Kopf- 
schmerzen. Flores. 
Mus.  f.  Völkerkunde. 

Berlin. 
Nach  Photographie. 


sagt    Holub:    v^oii    thierischen    Stoffen    gebraucht    mau 

Knochenstaub,   gebranntes  Knochenpulver,  die  Schuppen 

des  Schuppenthieres 

thiere  und  thierische  Excremente  u.  s.  w.     Aus  Büffelfett  gearbeitete  Arm 

ringe    und   Brustbänder    sollen    gewisse    Ki-ankheiten    bannen    und    gegen 

menschliche  Nachstellungen  schützen." 


die  Riechstoffe  enthaltenden  Drüsen  gewisser  Säuge- 


108 


V.    Die  Medicamente  und  ihre  Anwendung. 


48.  Medicainentös  behandelte  Krankheiten. 

Entsprechend  diesen  immerhin  nicht  ganz  kleinen  Ziffern  ist  auch  die 
Anzahl  der  Krankheiten,  gegen  welche  diese  Mittel  von  den  betreffenden 
Naturvölkern  in  Anwendung  gezogen  werden,  keine  ganz  geringe,  und  somit 
können  wir  auch  nicht  umhin,  ihnen  auch  die  Fähigkeit  zuzutrauen,  eine 
ganze  Menge  verschiedener  Krankheiten  doch  schon  recht  wohl  zu  unter- 
scheiden. Fast  wäre  es  ja  auch  unnatürlich,  wenn  es  nicht  so  sein  sollte. 
Das  müssen  wir  ohne  Weiteres  zugeben,  wenn  wir  uns  nun  einmal  näher 
ansehen,  welche  Krankheiten  es  denn  nun  eigentlich  sind,  welche  hier  haupt- 
sächlich in  Betracht  kommen.  Da  stehen  obenan  Fieberfi-ost  und  Fieber- 
hitze, Durchfälle  und  Verstopfung,  Magenverstim- 
mung, Kopfschmerz,  Nasenbluten,  Leibschmerzen 
und  Rheumatismus.  Es  folgen  Verbrennungen. 
Wunden  und  Hautausschläge,  Pocken,  Dysenterie, 
Epilepsie  und  Geisteskrankheiten.  Aber  auch  Augen - 
und  Ohrenleiden,  Asthma,  Husten,  Schwindsucht  und 
Lungenentzündungen,  allerlei  Frauenleiden,  Hernien 
und  Blasensteine  werden  beobachtet,  kurz  wir  würden 
sehr  unrecht  thun,  die  diagnostischen  Fähigkeiten 
der  Naturvölker  uns  gar  zu  gering  und  unbedeutend 
vorzustellen.  Wir  wollen  darauf  verzichten,  hier  alle 
die  Krankheiten  namentlich  aufzuführen,  gegen  welche 
sie  besondere  Heilmittel  in  Anwendung  ziehen.  Auf 
einige  dieser  Erkrankungen  aber  werden  wir  an 
späterer  Stelle  wieder  zu  sprechen  kommen. 


49.   Die  Beschaifung  der  Arzneimittel. 

AVenn  wh'  nun  auch,  wie  schon  oben  gesagt, 
die  Verzeichnisse  dieser  von  den  Naturvölkern  be- 
nutzten Medicinal-Droguen  hier  nicht  wiederholen 
wollen,  so  wird  es  doch  nicht  ganz  ohne  Interesse 
sein,  zu  erfahren,  in  welcher  Weise  diese  Volks- 
stämme respective  ihre  Medicin  -  Männer  sich  das 
Material  für  ihre  Medicameute  verschaffen,  wie  sie 
die  Letzteren  sich  herstellen  und  wie  sie  dieselben 
aufbewahren. 

Schon  bei  dem  Einsammeln  des  Rohmateriales 
müssen  einige  Vorschriften  sorgfältig  beobachtet  wer- 
den. In  der  Landschaft  Kroe  in  Ost-Sumatra  kann 
das  Einsammeln  sowohl,  wie  auch  das  Bereiten  der  Heilmittel  nur  an  ganz 
bestimmten  Tagen  vorgenommen  werden,  und  es  müssen  dabei  von  dem 
Medicin-Manne  gewisse  Gebetformeln  gemurmelt  werden,  welche  er  auch 
später  bei  der  Behandlung  des  Kranken  wiederholt.  Auf  Tanembar  und 
den  Timorlao-Inseln  erfolgt  das  Einsammeln  in  grosser  Gesellschaft.  Alle 
Sammelnden  und  ihre  Begleiter  müssen  bei  dieser  Gelegenheit  beten: 


Fifr,  48.    Ziegenhorn  mit 

Arznei,     ßattaker. 

Mus.  {  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


r»(i.    Die   Bereitunir  der  Arzneimittel. 


109 


„0  Dudilaa!  lass  mich  sehen,  dass  diese  Blätter,  einst  getx'unken, 
gut  sind!'' 

In  dem  Seranglao-  und  Goroug- Archipel  benutzt  man  einen  Ex- 
tract  von  den  Blättern  der  Nipa  friicticans  gegen  das  Erysipelas.  Bevor 
man  die  Blätter  abpflückt,  muss  man  einen  silbernen  Eing  unter  dem  Baume 
vergraben  und  dabei  folgende  Formel  sprechen: 

„Sei  mir  gegrüsst,  o  Prophet  Loqman,  der  Weise!  Ich  lege  hier  den 
Ring  nieder  und  nehme  Dein  Heilmittel."' 

Hat  man  die  Blätter  aber  abgepflückt,  dann  wird  der  Ring  wieder  aus- 
gegraben. 

Hier  mag  daran  erinnert  werden,  dass  nach  den  Vor- 
schriften der  altindiscben  Medicin  bei  der  Präparirung 
des  Quecksilbers  für  Heilzwecke  folgendes  Gebet  gesprochen 
Averden  musste: 

„  Ugra,  ich  grüsse  Dich  und,  o  Ugra,  ich  biete  meine 
Ehrfurcht  dar!  Goraksha,  Ishivara,  Sarva,  Schiva  und  Badra, 
ich  grüsse  Eure  verschiedenen  Eormen,  und  ich  bitte  um 
Euren  gnädigen  Beistand,  damit  diese  Medicin  wirksam  werde  !'• 

In  Keisar  wird  dem  Baume,  von  welchem  der  Medicin- 
]\iaun  die  Heildi'ogue  nahm,  nach  glücklich  erfolgter  Heilung 
ein  Dankopfer  dargebracht. 

An  der  L o an go- Küste  bedarf  es  für  die  Beschaffung 
der  Medicin  nächtlicher  Beschwörungen,  bei  denen  dann 
die  mit  ihren  geheimen  Namen  angerufenen  Fetische  in  der 
Gestalt  von  Hunden,  Ziegen  u.  s.  w.  dem  Ganga  er- 
scheinen und  ihm  die  nothwendige  Arznei,  sowie  den  Ort, 
wo  sie  zu  finden  ist,  bezeichnen. 

Die  in  Koetei  in  Borneo  als  Medicinal-Drogue  ge- 
brauchten Raoen-Kräuter  werden  des  Nachts  dem  Tliau 
ausgesetzt,  um  ihre  Heilkraft  zu  erhöhen.  Auch  in  Cam- 
bodja  glaubt  man  an  eine  Heilwirkung  des  Nacbtthaues. 
INIan  breitet  dort  in  kühlen  Nächten  in  der  trockenen 
Jahreszeit  des  Abends  ein  weisses  Banmwollenstück  über 
das  Gras.  Des  Morgens  ringt  man  es  aus  in  den  Phtel, 
ein  Gefäss  von  Metall,  welches  jede  Familie  besitzt.  Dieses 
Thauwasser  mit  dem  flüssigen  Harze  des  Baumes  Thbeng 
gemischt,  giebt  ein  erfrischendes  Getränk  gegen  innerliche 
Hitze. 


Fig.  49.  Stäbchen 
mit  12  Stücken  Cal- 
mus-Wurzel.  zum 
Heiltrank  f.  Wöch- 
nerinnen dienend. 
Golden. 

Mus.  f.  Völkerkunde 

Berlin. 
Nach  Photographie. 


50.  Die  Bereitung  der  Arzneimittel. 

Bei  den  Indianern  Nord-Amerikas,  und  zwar  bis  nach  Alaska 
hinauf,  wirkt  nicht  die  Drogue  an  und  für  sich,  sondern  durch  des  Medicin- 
Manues  Zauberkraft  wird  ihr  erst  die  Heilwirkung  mitgetheilt.  Alle  Natur- 
producte,  welche  er  sich  ftir  seinen  medicinischen  Gebrauch  dienstbar  zu 
machen  beabsichtigt,  müssen  in  geheimnissvoller  "Weise  gekocht,  umgerührt, 
gescliüttelt  und  filtrirt  werden,  und  Rasseln  mit  der  Zauberrassel,  SununeB, 


11"  \'.    Die  Medicaiueiite   uucl  ilire   Anwendung. 

]\[uriiieln  und  Siiii^eu  von  Beschwöniiigen  müssen  alle  diese  Processe  be- 
gleiten. Hierdurch  erst  erlangen  sie  die  rechte  und  heilkrältige  Wirksamkeit. 
Jacohsen  erzählt  von  den  Indianern  des  Copp er- River:  „Die  Mediciu- 
Mänuer  machen  ihre  Zaubermittel  oder  die  Einweihung  der  Anmlets  auf 
folgende  Weise.  Der  Schamane  wirft  sich  zunächst  in  seine  festliche  Tracht, 
die  aus  einer  Art  Schürze  besteht,  die  mit  Vogelschnäl)eln  oder  de^n  Füssen 
der  wilden  Gebirgsziege  behängt  ist.  Er  bemalt  sein  Gesicht,  bedeckt  seinen 
Kopf  mit  einer  Art  Hut  odei-  je  nach  der  Medicin,  welche  er  machen  Avill, 

mit  einer  Maske  und  nimmt  seine  Rassel  in 
die  Hand.  In  der  Mitte  des  Hausraumes  wird 
ein  grosses  Feuer  entzündet,  um  welches  er  in 
Gegenwart  herbeigeströmter  Einwohner  seinen 
Tanz  ausführt." 

„Wenn  die  Siamesen  ein  Arzneimittel 
bereiten,  so  befestigen  sie,  wie  Bastian  be- 
richtet, an  den  Rand  des  Gefässes  mit  my- 
stischen Worten  beschriebene  Papiere,  um  zu 
verhindern,  dass  die  Pet-Fhaya-Thong  (gewiss»^ 
böse  Luftgeister)  die  Kraft  des  Heilmittels  in 
der  Ausdünstung  hinwegnehmen." 

Auch  bei  den  Gauguella-Negern,  welche 
Serpa  Finto  besuchte,  muss  der  Mediciu-Mann. 
während  er  seine  Arzneien  mischt  und  zu- 
1)ereitet,  eine  Anzahl  v(m  Ceremonien  aus- 
führen und  bestimmte  Beschwörungsformeln 
hersagen,  ohne  welche  die  Medicin  ihre  Wir- 
kung verfehlen  würde;  und  etwas  ganz  Aehn- 
liches  berichtet  I/oZmö  von  den  Betschuanen: 
,.Die  gesammelten  Pflanzentheile  werden  sodann 
(/""  '  ■w^^m  getrocknet,  geröstet  oder  zerstampft  und  dann 

'  ein  Pulver  oder  Absud  derselben  als  Heilmittel 

erklärt,    wobei    jedoch    gewisse    Sprüche    und 
Formalitäten  bei  der  Zubereitung,  wie  bei  der 
Verabreichung  zu  beobachten  sind." 
Kg.  50.    UmUochtenes  Büffelhorn,  Besonderer    Gehülfen    bedarf    man    dabei 

aus  dem  besessene  trinken  müssen.  .,  ^^  i         »  n        -»r- 

Boj-neo.  auch    zuweilen.     00    muss    der  Arzt    der  Mi- 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  naugkabaucr    in    Sumatra   in    Ivi-ankheits- 

Nach  Photographie.  fallen  siebenerlei  bestimmte  Stoffe  zusammen- 

l)ringen,  jedoch  darf  er  sie  nicht  selber  zurecht- 
machen, sondern  das  muss  durch  eine  reine  Frau  geschehen,  d.  h.  dui-ch 
eine  Frau,  welche  im  Augenblick  nicht  ihre  Menses  hat.  Auch  ein  be- 
rühmtes Volksmittel  auf  dem  Serauglao-  und  Gorong-Archipel,  das 
in  keinem  Hause  fehlt,  muss  von  besonderen  Personen  hergestellt  werden. 
Es  ist  ein  geweihtes  Gel,  das  als  Antidotum  gegen  Vergiftungen  dient. 
Man  fertigt  es  aus  einer  jungen  rothen  Kaiapa,  welche  Morgens  von  der 
Sonne  beschienen  ist.  Ein  Knabe  muss  sie  Freitags  pflücken,  der  noch 
keinen  geschlechtlichen  Umgang  gehabt  hat.  Das  Gel  wird  dann  von  einem 
Mädchen  zubereitet,  welches  rein  ist  und  zuvor  gebadet  hat,  und  endlich 
muss  der  Geistliche  noch  einige  Segenssprüche  darüber  beten. 


öl.    Die   Aiiibewahruno;  der  Arzneimittel. 


111 


51.  Die  Aufbewahrung  der  Arzneimittel. 


Sie  werden 


aus   dem  Fell  eines   ganzen  Thieres 


Die  Medicin-Männer  der  nordamerikanisclien  Indianer  pßegen  einen 
Theil  ihrer  Droguen  sorgfältig  zu  trocknen  und  dann  in  ihren  Mörsern  zu 
pulverisii'eu.     So    sind   die  Stoffe    dann  unkenntlich  geworden, 
dann  in  Thierfellsäcken  oder  Blasen  aufbewahrt,  welche 
undurchlässig  für  die  Luft  und  zum  Theil  auch  für  das 
Wasser  sind.    Diejenigen  von  dem  Kacoon,  von  der  Otter 
(Fig.  51)    und   von    dem  Stinkthier   sollen  auf  die  darin 
Mufbewahrten  Heilmittel  noch  ganz  besondere  Kräfte  und 
heilsame  Eigenschaften  übertragen. 

Der  Beutel  ist 
gemacht,  mit  den  Haaren  nach  aussen,  und  oft  mit 
Perlen  und  Stachelschweinstacheln  verziert.  Dem  i^ul- 
verisirten  Medicamente  sind  oft  noch  andere  Stoffe  bei- 
gemischt, um  seinen  Geruch  und  Geschmack  zu  ver- 
decken und  es  so  für  den  Laien  unkenntlich  zu  machen. 

Es  ruht  aber  auch  ein  eigener  Zauber  auf  diesen 
Medicin  -  Beuteln.  Niemals  unvorbereitet  darf  sie  der 
Medicin-Mann  öffnen,  sondern  zuvor  muss  er  durch  die 
Ceremonie  eines  Dampfbades  die  nöthige  "Weihe  hierfür 
erhalten.  Wenn  ein  Medicin-Mann  längere  Zeit  auf  der 
Reise  war  und  wenn  er  annimmt,  dass  die  Pflanzen  in 
seinem  Medicinsacke  durch  Feuchtigkeit  oder  andere  Fm- 
stände  gelitten  haben,  „so  construirt  er  eine  Hütte,  geht 
in  dieselbe,  sein  Weib  macht  Steine  heiss,  bringt  sie 
hinein  und  trägt  Sorge,  dass  der  Dampf  (durch  Auf- 
giessen  von  Wasser  erzeugt)  gut  darin  bleibt.  Der  Mann 
raucht,  singt,  spricht  einige  Gebete  und  kommt  heraus. 
Dann  bereitet  er  ein  Fest  für  den  Abend  oder  für  den 
nächsten  Tag  vor.  Er  ladet  zuerst  einen  anderen  Me- 
diciner  ein,  zu  welchem  er  sagt,  dass  er  nöthig  habe, 
seine  Pflanzen  zu  prüfen,  dass  er  im  Begriffe  stehe,  ein 
Fest  zu  geben,  zu  welchem  er  ihn  bitte,  einzuladen,  wer 
ihm  beliebt.  Dieser  Letztere  macht  die  Einladungen  nach 
seinem  Gefallen,  ohne  Ansehen  der  Person,  gleichgültig 
ob  Mediciner  oder  nicht,  allein  Männer.  Die  Eingeladenen 
treten  ein,  dem  Laufe  der  Sonnenbewegung  nach,  ihren 
Weg  zur  Hütte  machend.  Sie  setzen  sich  und  jeder  stellt 
eine  leere  Schüssel  vor  sich  hin,  welche  er  mitgebracht 
hat;  Pfeifen  Averden  vorbereitet  und  der  Befehl,  sie  zu  be- 
nutzen, wird  abgewartet.  Der,  welcher  das  Fest  giebt,  sagt 
kanagakana,  jeder  einzelne  wiederholt  kanagakana, 
zündet  an  und  raucht.  Während  das  Eauchen  im  Gange  ist,  nimmt  der- 
jenige, der  mit  den  Einladungen  beauftragt  war,  den  Kessel,  geht  herum 
und  füllt  die  Schüsseln.  Der  Unternehmer  macht  eine  kurze  Erzählung  in 
Bezug  auf  die  Besichtigung  seines  Medicin-Sackes  und  endet  mit  dem  Worte 
kanagakana,    welches  jeder  wiederholt,    und    dann  beginnen  sie  zu  essen: 


Fig.  51.    Medicin-Sack 
der  Missouri-Indi- 
aner. 

Mus.  f.  Völkerkunde, 

Berlin. 
Nach  Photographie 


1  12 


V.    Die  Medicamente   und   ihre   Anwendung. 


aber  bevor  sie  den  ersten  i\[undvoll  lierunterschluckeu,  speit  jeder  ein  kleines 
Stück  vor  sich  auf  die  Erd(\  für  die  Geister.  Die  Schüssebi  Averden  dann 
umgekehrt  und  alle  ziehen  sich  still  zurück,  gemäss  dei-  vorgeschriebenen 
Ordnung.  Hier  bleibt  nm-  mit  dem  Unternehmer  derjenige  zurück,  der  mit 
den  Einladungen  betraut  war.  Sie  inspiciren  dann  den  Sack  gemeinsam 
geheimnissvoll  und  ohne  dass  irgend  Jemandem  von  der  Familie  gestattet 
ist.  Kenntniss  von  dieser  Operation  zu  haben."    {Sciwolcraft.)      * 

Einen  Medicin-Beutel  tragen  auch  die  Ganga  bei  den  Loango- 
Negern.  Er  ist  mit  einem  rothen  Tuch  umwunden  und  mit  Glöckchen 
behängt  und  enthält  Steine,  Muscheln,  Nüsse,  Horustücke,  Schlangenzähnc^ 
u.  s.  w.,  von  denen  kleine  abgeschabte  Theilchen  als  mächtige  Medicin  be- 
trachtet werden.     Der  Medicin-Beutel    eines  Medicin-Mannes   der  Basutho 

Avird   in  Fig.   20 
vorgeführt. 

Auch  bei  den 
Australnegern 
von  Victoria 
tragen  die  Medi- 
cin -  M  änner  ihre 
Medicin  -  Steine 
und  ihre  Zau- 
berknochen vom 
Emu  in  einem 
Belang  genann- 
ten Beutel.  Sie 
dürfen  ihn  nie 
aus  den  Augen 
lassen,  denn  so- 
lange sie  ihn 
behüten,  können 
sie  niemals  von 
Ki-ankheit  be- 
follen  werden. 
Aber  manchmal 
ist  sein  Len-ha- 
moorr,  sein  über- 
natüi'licher  Beschützer,  mit  dem  Medicin-Manne  unzufrieden  und  führt  diese 
Schätze  aus  dem  Beutel  in  denjenigen  eines  anderen  Medicin-Mannes  über. 
Dann  ist  von  dem  ersten  die  Kraft  gewichen,  er  verfällt  in  Krankheit  und 
ist  in  kurzer  Zeit  todt. 

Das  Berliner  Museum  für  Völkerkunde  besitzt  in  seinen  Samm- 
lungen mehrere  Gefässe.  die  zum  Aufbewahren  von  Medicamenten  dienen. 
Von  der  Insel  Keisar  ist  es  ein  einfaches,  schmuckloses  Holztöpfchen  und 
ein  mit  eingeschnittenen  Ornamenten  versehenes  Holzgefäss  (Fig.  44). 

Von  der  Mündung  des  Kapuas  in  Borneo  ist  es  ein  Hörn  in 
einem  hübschen,  polychromen  Rohrgeflecht  (Fig.  50).  Aus  ihm  trinken 
die  von  den  Sangiang,  den  Luftgeistern  Besessenen  Arac.  Von  den 
Battakern  in  Sumatra  stammen  zwei  Ziegenhörner  (Fig.  45,  48) 
mit  einem  reich  geschnitzten   Deckel.     Sie   sind  mit  Arznei   gefiillt   und   die 


Fig.  52.     Perlen-Halsband  der  Zulu-Kaflern  in  Natal,  mit 

daranhängenden  Medicamenten  und  Antilopenhörnerspitzen,  welche 

Arzneien  enthalten. 

Im  Besitz  des  Verfassers.  —  Nach  Photographie. 


52.    Die  Züchtung  der  Arzneipflanzen.  113 

Schnitzerei  des  Deckels  stellt  ein  menschliches  Figürclieu  dar,  welches  auf 
einer  anderen  reitet.  Eine  kleine  Vase  mit  sehr  zauberkräftiger  Medicin, 
welche  angeblich  aus  Menschenfleisch  gefertigt  ist,  rührt  ebenfalls  von  den 
Battakern  her  (Fig.  .04).  Auch  sie  ist  mit  einem  Deckel  verschlossen, 
welcher  einen  Reiter  zu  Pferde  trägt.  Diese  Figur  soll  den  Panguhi  balang, 
d.  h.  den  Geist  der  Medicin.  darstellen. 

Einer  absonderlichen  Art,  die  Medicinen  aufzubewahren,  begegnen  wir  bei 
den  Zulu-Kaffern  von  Natal.  Ich  verdanke  dem  Herrn  Missionar  Pro^esÄ;^ 
ein  Halsband  (Fig.  52)  derselben,  das  aus  schönen  erbsengrossen,  opakgelben 
Perlen  gefertigt  ist.  In  unregelmässigen  Abständen  sind  allerlei  Dinge  zwischen 
den  Perlen  befestigt,  das  Stück  eines  Entenschnabels,  Holz-  und  Wurzelstücke 
und  namentlich  eine  Anzahl  von  zugeschnittenen  Spitzen  von  Antilopen- 
hörnern. Diese  Hörner  sind  es  nun,  welche  zur  Aufbewahrung  der  Medicinen  be- 
istimmt sind  und  zwar  enthält  ein  jegliches  ein  Medicament  gegen  eine  andere 
Krankheit.  Aber  auch  die  Wurzelstücke  u.  s.  w.  sind  gleichfalls  wichtige 
Arzneien  und  auch  sie  müssen  bei 
bestimmten  Leiden  herhalten.  /k^ 

Die  Schamanen  der  Golden      k^.^ 

in  Sibirien  lassen  füi' die  AVöch-      t^« 

uerinnen  einen  Heiltrank  aus  der       •:   %  ^ 

Wurzel    des    Kalmus    abkochen.       ^^.  ^„^^^Kf 

Die  dazu  nöthigen  Wm^zelstücke         ^^^äib,»__  mm^^^^K/Kt 

geben  sie  dem  Ehemann  der  Pa-  ^^^^^^^^Ä^HBHHII^^^^ 

tientiu  zu  Zwölfen  auf  ein  Stab-  ^^^^^ßuf^jBU/m^ 

eben  aufgereiht  (Fig.  49).  -^^^Bl^^^^^^ ^^ 

Bei    den  Singlialesen    flu-  _,.     ~    „  ,.  .  ,..». ,   ,     ^  .    , 

,  .1  1  T  -rv  1  Flg.  53.    Medicmloffel  der  Singhalesen. 

den    wir    besondere   Loöel    zum  ^  Nautilusschale. 

Einnehmen   der   Medicin.      Theils  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

sind  es  Abschnitte  aus  Nautilus- 
schalen    (Fig.  53),    theils    auch    sind    es   niedere   runde   oder  gestreckt  herz- 
förmige Schälchen  aus  einem  sehr  hart  gebrannten  Thou  (Fig.  4G). 


52.   Die  Züchtung  der  Arzneipflanzen. 

Für  gewöhnlich  sind  diese  in  der  Heilkunde  benutzten  Droguen  dem 
Pflanzenleben  in  Wald  und  Feld,  das  die  Naturvölker  rings  umgiebt,  ent- 
nommen. Auch  ihre  Nutzpflanzen  kommen  zur  Verwerthung,  wie  Reis, 
Pisang,  Cocus,  Pfeffer  u.  s.  w.  Es  kommen  aber  sogar  Beispiele  vor,  wenn 
auch  nur  vereinzelt,  dass  bestimmte  Pflanzen  ganz  speciell  für  den  medici- 
nischen  Gebraucli  angepflanzt  werden.  Wir  treffen  dieses  bei  den  Anna- 
initen  und  in  Sumatra. 

Die  Eingeborenen  von  Mittel- Sumatra  brauchen  den  in  Palmöl  ge- 
kochten, milchweissen  Saft  einer  Cactuspflanze,  welche  den  Namen  Soedoe- 
soedoe  führt,  zu  Einträuflungen  l)ei  dem  Ohienlaufen  der  Kinder.  Dieser 
Oactus  wird  besonders  von  ihnen  angepflanzt,  damit  sie  den  Saft  für  den 
genannten  Zweck  zu  ihrer  Verfügung  haben. 

Die  annamitischen  Zauberärzte  gebrauchen  vielfach  ein  Knollen- 
gewächs,   dem    sie  besondere  magische  Wirkungen  beimessen.     Diese  unter 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  8 


TU 


V.    Die  Medicamente  uml  ilne  Anwendung. 


(lern  Nanu'n  Ngui  bekaimutc  Pflanze  wäclist  wild  in  den  Bergen,  aber  der 
Zauberarzt  züchtet  sie  auch  heimlich  in  seinem  Hause  oder  im  Felde.  In 
bestimmten  Zwischenräuni(>u  muss  er  dort,  wo  er  sie  angepflanzt  hat,  seinem 
Schutzgeist  einen  weissen  Hahn  opfern.  Er  legt  denselben  mit  gebundenen 
Füssen  nieder  und  spricht  bestimmte  Beschwörungsformeln.  Am  anderen 
Morgen  findet  er  dann  nichts  mehr  von  dem  Hahn  vor.  als  die  Federn. 


53,   Das  Eiimehmeii  der  Mediciii. 

Um    den  Medicamenten   die   nöthige  Kraft   zu  verleihen,   müssen  schon 
])ei  dem  Einsammeln  der  Droguen,  Avie  wir  sahen,  gewisse  Gebete  gesprochen, 

l)ei  der  Bereitung  bestimmte  Beschwö- 
rungen gemurmelt  werden.  Aber  auch 
bei  dem  Eingeben  der  Medicin  wieder- 
holen sich  bisweilen  ähnliche  Dinge. 
So  betet  man  auf  Keisar  zu  Mahka- 
rom  manouwe,  vordem  man  die  Arznei 
einnehmen  lässt,  dass  er  eine  günstige 
AVirkung  veranlassen  möge.  Wenn 
mau  im  Seranglao-  und  Gorong- 
Archipel  ein  Kind  Curcuma  -  Saft 
gegen  Verstopfung  trinken  lässt,  so 
niuss  man  dabei  sprechen: 

„In  dem  Namen  des  gütigen  Got- 
tes. Ich  glaube  an  Gott,  seine  Engel, 
seine  Gesandten,  seine  Bücher  und  an 
die  Vorherbestimmung,  und  dass  das 
Gute  sowohl,  als  das  Böse  von  Gott 
kommt." 

Bei  den  uordamerikanischen 
Indianern  berichtet  Schoolcraft  von 
einer  Art  von  Medicin-Männern,  welche, 
wenn  sie  sich  vorbeireitet  haben,  dem 
Ivranken  die  Arznei  einzugeben,  sich 
an  dieselbe  wenden,  als  wenn  es  eine 
empfindende  Person   wäre  und  sagen: 

„Du    bist    geschaifen    worden    für 

den  Gebrauch  des  Menschen;  Du  sollst 

die  Pflicht  erfüllen,  für  welche  Du  be- 

Fig.  54.     Gefäss  mit  sehr  zauberkräftiger  stimmt    worden     Ijist ;     Du    sollst    den 

Medicin  der  Battaker.  Körper    dieses    Mannes    reinigen;    Du 

sollst  wirken  gleich  einem,  der  rein- 
fegt und  reinigt  alles,  was  an  ihm 
schadhaft  ist;  und  wenn  Du  zu  kräftig  bist,  so  sollst  Du  zurückkehren  aus 
des  Patienten  Körper,   ohne  ihm  Schaden  zu  thun." 

Als  eine  der  originellsten  Erscheinungen  wohl  verdient  es  hervorgehoben 
zu  werden,  wenn  wir  sehen,  dass  der  Medicin-Mann  die  von  ihm  dem  Krauken 


Museum  für  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


53.    Das  Emnehmen  der  Medicin.  115 

bereitete  Arzuei  mit  diesem  gemeinsam  selber  einnimmt.  Dieses  beobachtete 
Matthews  bei  einer  grossen  Heil-Ceremonie  der  Navajö -In dianer,  dem  so- 
genannten „Gesang  gegen  die  Berge",  von  welchem  früher  bereits  die 
Rede  war.  Bei  dem  einen  Akte  dieser  Feierlichkeit  besprengte  der  Medicin- 
Mann  mit  einer  Abkochung  Kopf,  Brust  und  Augenbrauen  der  in  besonderer 
Weise  gemalten  Gottheiten  und  gab  darauf  der  Patientin  in  zwei  Absätzen 
davon  zu  trinken.  Auch  ihre  Begleiterin  musste  zwei  Schluck  davon  nehmen, 
und  schliesslich  nahm  der  Medicin-Mann  selber  in  zwei  Absätzen  davon  ein. 
Die  Zuschauer  erhielten  den  üeberrest  und  sie  trockneten  sorgfältig  die 
Schüssel  aus,  damit  kein  Tropfeu  verloren  ginge. 


8* 


VI. 


Die  Arzneiverordnungslehre  der 
Naturvölker. 


54.   Abkochungen  und  Umschläge. 

Es  bleibt  uns  jetzt  noch  zu  untersuchen  übrig,  in  welchen  Formen  und 
in  Avelcher  Weise  die  Naturvölker  ihre  Medicamente  anzuwenden  pflegen. 
Hier  steht  wohl  entschieden  obenan  das  Decoct,  die  Abkochung,  welche 
sie  aus  allerlei  Wurzeln,  Rinden,  Blättern  u.  s.  w.  herzustellen  wissen.  Für 
gewöhnlich  sind  diese  Abkochungen  zu  innerlichem  Gebrauche  bestimmt; 
bisweilen  aber  werden  sie  auch  als  medicamentöse  Waschung  u.  s.  w.  an- 
gewendet. Der  Pflanzenaufguss,  das  Infus,  ist  wunderbarer  Weise  nur  in 
Ausnahmefällen  anzutreffen.  An  Häufigkeit  dem  Decocte  am  nächsten 
steht  der  Umschlag,  das  Cataplasma.  Dasselbe  wird  aber  in  anderer  Weise 
hergestellt  als  dieses  bei  uns  gebräuchlich  ist.  Saftreiche  Blätter  oder  voll- 
saftige Wurzeln  werden  feingestampft  bis  sie  einen  Brei  bilden,  und  diesen 
legt  man  dann  dem  kranken  Theile  auf.  Anstatt  die  Drogue  zu  zerstampfen. 
Avird  sie  in  manchen  Fällen  auch  gekaut,  um  dann,  mit  dem  Speichel  innig 
vermischt,  zur  äusserlichen  Anwendung  zu  gelangen.  An  diese  Cataplasmen 
i^chliesst  sich  an  das  Auflegen  heissgemachter  oder  auch  kühler  Blätter 
und  die  Applikation  von  heisser  Asche.  Mit  beiden  sucht  man  ähnliche 
therapeutische  Erfolge  zu  erzielen,  wie  mit  den  Umschlägen. 

So  wird  in  Mittel-Sumatra  bei  asthmatischen  Beschwerden  ein  Tabaks- 
blatt mit  warmem  Oel  auf  die  Brust  gelegt.  Die  Süd-Australier  wenden 
das  Auflegen  heissgemachter  Blätter  gegen  den  Tenesmus  bei  Durchfällen 
an.  Die  Karok-Indianer  in  Nord-Californien  heilen  damit  Rheuma- 
tismus und  die  Eingeborenen  der  Insel  Engano  wenden  sie  gegen  Ge- 
schwüre an.  In  Selebes  und  auch  in  Victoria  dienen  frische  Blätter, 
kühl  aufgelegt,  als  ein  gut  wirkender  Wundverband. 


55.   Einreibungen,  Salben,  Pflaster  und  Pulyer. 

Dass  die  Naturvölker  auch  Oele  und  thierische  Fette  zu  Einreibungen 
benutzen,  das  wird  uns  kaum  zu  überraschen  vermögen.  Aber  auch  medica- 
mentöse Salben  stellen  sie  sich  her  und  wenden  sie  bei  Wunden,  bei  Ver- 
brennungen, bei  Hautausschlägen  und  dergleichen  an.  Je  nach  der  den 
betreifenden  Volksstamm  umgebenden  Natur  sind  diese  Fette  natürliche!" 
Weise  von  verschiedener  Art.  Cocosöl  dominirt  im  Süden;  Fischthran  und 
Bärenfett  tritt  dafür  im  Norden  auf.  Die  Fette  sind  zuweilen  auch  aus 
giftigen  Thieren    hergestellt   und    werden    dann    auch    zur  Bekämpfung  der 


120  VI.    Dio  Arziioiverordnungslehre  der  Naturvölker. 

(hu'cli  iluis  Tliier  hcrvürgcruteueu  Ycrgiftuiig  angewendet.  So  ist  bei  den 
Central-Mexicanern  Scorpionenöl  im  Gebrauch,  und  bei  denCariben  wird 
ein  aus  Schlangenköpfen  gewonnenes  Oel  als  Antidotuin  gegen  Schlangen- 
l)isse  angewendet.  In  Mittel-Sumatra  wird  Ijei  Hals-  und  Brustschmer/cen 
etwas  Sirih-Kalk  aufgeschmiert.  und  zwar  geschieht  dieses  gewölmlicli  in 
der  Figur  eines  Kreuzes. 

Ausser  mit  den  Salben  sind  die  Naturvölker  auch  mit  der  Anfertigung 
und  Herstellung  von    Pflastern  Avohl  vertraut,  wozu  sie  bisweilen  bestimmte 

Baumharze  als  geeigneten  Klebestoff  verwen- 
den. Solche  Pflaster  werden  nicht  nur  bei 
äusserlichen  Krankheiten  aufgelegt,  sondern 
auch  bei  innerlichen  Leiden  recunirt  man  zu- 
w^eilen  auf  ihre  Hülfe.  Eine  eigenthünüiche 
Gewohnheit  der  Y  a  m  a  m  a  d  i  und  einiger 
ihnen  benachbarter  Indianerstämme  Bra- 
siliens mag  hier  angeschlossen  werden.  Die- 
selbe besteht  darin,  dass  sie  sich  den  kranken 
Körpertheil  mit  Yo gelfedern  bekleben  lassen. 
Die  Anwendung  des  Medicaraentes  in  Pulver- 
Kg.  55.  Ring  aus  Gelbholz-  ^orm  als  äusserliches  Mittel  scheint  eine  ziem- 
stücken, Mittel  gegen  Fieber  liehe  Seltenheit  zu  sein.  In  gewissen  Fällen 
und  Kopfschmerzen.   Flor  es.         kommt  sie  aber  bei  den  Dacota-In  dianern, 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  -i-itt  -  j  /-i  i 

Nach  Photographie.  sowic    bei    den  Marrari  und  am  Longo  und 

auch  bei  den  Australnegern  vor. 
Grobe  Stückchen  Gelbholz,  zu  einem  Halbringe  vereinigt,  dadurch,  dass 
man  sie  auf  einen  Faden  aufzieht,  werden  auf  der  Insel  Flores  äusserlich 
gegen  Fieber  und  Kopfschmerzen  gebraucht  (Fig.  55). 


56.   Abführmittel  und  Klystiere. 

Zahh'eiche  Abführmittel  sind  den  Xaturvölkern  wohlbekannt  und  auch 
Stomachicis  begegnen  wir  zuweilen  bei  ihnen.  Manche  Yolksstämme  ver- 
fügen sogar  über  eine  gewisse  Abwechslung  in  ihren  Abführmitteln;  wenig- 
stens wird  uns  von  mehreren  ihrer  Droguen  berichtet,  dass  sie  dieselben 
ihrer  abführenden  Wirkung  wegen  in  Anwendung  ziehen.  Auch  die  Hand- 
habung der  Klystiere  ist  einzelnen  Yölkern  nicht  unbekannt,  z.  B.  den  Bil- 
qula,  den  Dacota-Indianern  und  den  Negern  von  Liberia.  Sie  be- 
dienen sich  dazu  eigens  construirter  Spritzen,  und  als  Injectionsflüssigkeit 
werden  bisweilen  Decocte  benutzt. 

Die  Chorotegans  machen  Eiugiessungen  von  Decocten  mit  Hülfe 
eines  besonderen  Rohres. 

Die  Klystierspritze  der  Liberia-Neger  (Fig.  50)  ist  eine  sich  flaschen- 
halsartig verjüngende  Kalebasse;  die  Bihiula  giessen  Haifischthran  ein  mit 
Hülfe  eines  Salzkrautrohres;  als  Mundstück  hierzu  bedienen  sie  sich  des 
Flügelknochens  von  einem  Adler.  Auch  die  alten  Maya-Yölker  machten 
vdii  Klystieren  einen  ausgiebigen  Gebrauch. 

Abführmittel  sowohl,  als  auch  Klystiere  bringen  die  Perser  häutig  in 
Anwendung.     Als  Instrument  für  Letztere  dient  nach  Folak  ein  sehr  hoher 


57.    Brechmittel.  121 

Trichter  mit  abgeruudeteni  imd  wie  ein  Katheter  umgebogenem  Ende.  „Ver- 
möge des  Luftdiaicks  stürzt  die  Flüssigkeit  mit  brodelndem  Geräusche  in 
das  Rectum.  In  keinem  Hause  fehlt  dieser  Trichter;  gewöhnlich  ist  er  von 
Glas,  bei  reichen  Familien  von  Silber  mit  einer  Vorrichtung  zum  Auseinander- 
schraul)en."  Sehr  complicirt  sind  die  Vorschriften  über  die  zum  Klysma  oder 
als  Abführmittel  auszuwählenden  Stoffe,  sowie  ül)er  die  am  Abfülu'tage  ein- 
zuhaltende Diät.  „An  dem  Tage,  an  welchem  der  Perser  zum  Abführen 
einnimmt,  ist  er  in  geschäftlichen  Angelegenheiten  nicht  zu  sprechen,  sondern 
lehnt  alle  diesfallsigen  Zumuthungen  mit  den  Worten  ab:  „Ich  habe  Medicin 
genommen."  Beamte  und  selbst  Minister  entschuldigen  damit  ihr  Nicht- 
erscheinen bei  Hofe,  oder  die  Unterlassung  von 
.Berufsgeschäften." 

Die  Min  CO  pi  es  auf  den  An  dam  an  en  essen, 
wenn  sie  Verstopfungen  zu  beseitigen  wünschen, 
die  Bienenlarven,  welche  sich  in  den  Honig- 
w^aben  vorfinden. 

Der  Cimosität  wegen  müssen  wir  noch  eines       Fig.  56.   Klystierspritze  für 
Abführmittels    der   W in nebago -Indianer   ge-  '\ach  B»«n ^' 

denken,  das  ist  die  Rinde  des  weissen  Hollunders. 

Die  abführende  Wirkung  hat  diese  aber  nur,  w^enn  der  Medicin-Mann  sie  von 
oben  nach  unten  schalet,  d.  h.  von  den  Zweigen  nach  der  Wurzel  zu.  Schabt 
er  sie  aber  in  umgekehrter  Richtung,  also  von  der  AVurzel  aufwärts  gegen 
den  Stiel,  so  wirkt  sie  nicht  abführend,  sondern  als  Brechmittel. 


57.  Brechmittel. 

Brechmittel  Avenden  die  Naturvölker  vielfach  an,  aber  nicht  alle  sind 
medicamentöser  Natur.  Das  Erbrechen  wird  von  den  Naturvölkern  als  ein 
wichtiger  Heilfaktor  angesehen,  und  eine  ganze  Anzahl  von  pflanzlichen 
Brechmitteln  stehen  ihnen  zur  Verfügung.  Auch  das  Trinken  von  See- 
wasser wird  von  ihnen  mit  gutem  Erfolge  als  Emeticum  benutzt,  z.  B.  von 
den  Haidah-Indianern  und  von  den  Eingeborenen  einiger  Südsee-Inseln. 

Aber  auch  mechanischer  Hülfsmittel  bedient  man  sich  zuweilen.  Die 
Karayä-Indianer  in  Brasilien  fertigen  sich  extra  für  diesen  Zweck 
Holzstücke  (Fig.  57)  von  etwas  über  Fingerlänge  und  von  der  Dicke  eines 
Daumens.  Dieselben  werden  vorn  ein  Wenig  abgeschrägt  und  dann  im 
Feuer  angekohlt.  Dies  Holzstück  wird  tief  in  den  Schlund  eingeführt,  Ins 
die  erwünschte  Wirkung  erzielt  ist.  Die  Dacota-Indianer  kitzeln  sich 
bisweilen  zu  gleichem  Zw^eck  den  Schlund  mit  einer  Vogelfeder. 

Nicht  in  allen  Fällen  hat  das  absichtliche  HervoiTufen  von  Erbrechen 
die  Bedeutung  einer  therapeutischen  Maassnahme.  Die  soeben  erwähnten 
Karayä-Indianer  rufen  täglich  in  der  geschilderten  Weise  Erbrechen 
hervor  aus  prophylactischen  oder  hygieinischen  Gründen.  Sie  sind  der  An- 
sicht, dass  es  nöthig  sei,  täglich  den  Magen  von  dem  überflüssigen  Speisen- 
ballast zu  befreien,  um  sich  gesund  und  leistungsfähig  zu  erhalten.  Auch 
in  Ecuador  soll  Aehnliches  gebräuchlich  sein.  Es  erinnert  dieses  in  etwas 
an  jene  Zeit,  die  nur  wenige  Jahrzehnte  hinter  uns  liegt,  avo  auch  bei  uns 


]22 


^^I.    Die  Arzneiverordnuiiffslehre  der  Xaturvölker. 


jjännntliclie  Kinder  am  Soniiabeiid  oder  wenigstens  einmal  im  Monat  durcli 
ein  Brechmittel  ihren  Magen  entlasten  mussten. 

Eine  hervorragende  Rolle  spielt  bei  den  In  dianer- Völkern  und  nament- 
lich bei  deren  Medicin-Männern  eine  besondere  Art  des  künstlich  provo- 
cirten  Erbrechens,  die  man  als  das  rituelle  Erbrechen  bezeichnen  könnte. 
Ich  meine  hier  nicht  das  bei  ihren  Heilmanipulationen  unter  "Würge- 
bewegungen  erfolgende  Hervorbringen  von  Fröschen,  Schlangen  und  anderem 
(lethier,  von  Holzstücken.  Knochen,  Scherben  u.  s.  \v.  oder  von  ihren 
magischen  Medicin-Steinen,  welche  sie  als  das  die  Krankheit  darstellende 
Princip  aus  des  Patienten  Körper  heraussaugten.  Hier  ist  ein  wirkliches 
Erbrechen  gemeint,  das  durch  das  Einnehmen  eines  besonderen  Emeticum 
absichtlich  hervorgerufen  wird.  Wir  haben  dasselbe  Avohl  aufzufassen  als 
einen  religiösen  Reinigungsakt,  als  eine  weihevolle  Vorbereitung  des  mensch- 
lichen Körpers  für  die  Aufnahme  der  unsterblichen  Gottheit,  ganz  ähnlich. 

wie  man  durch  strenges  Fasten  sich 
bereitet,  wenn  man  in  nähere  Be- 
ziehung zu  den  Göttern  zu  treten 
wünscht. 

Matthews  hatte  die  Gelegen- 
heit, bei  einem  grossen  Medicin- 
Tanze  der  Navajö- Indianer  in 
Arizona  etwas  derartiges  zu  be- 
obachten. 

Es  handelte  sich  hier  um  eine 
Heilungsceremonie,  welche  als  „der 
Gesang  gegen  die  Berge"  be- 
zeichnet wird  und  welche  neun  volle 
Tage  in  Anspruch  nahm.  Am  vier- 
ten Tage  hatte  jeder,  der  da  wollte. 
Mann  oder  "Weib,  zu  der  Medicin- 
Hütte  Zutritt.  Sie  setzten  sich  auf 
die    Erde,    und    vor    iedem    Theil- 

?tt^!nA°nl'^Ä.Sf^''*"F''"'''°^"^^^^^^^^         nehmer  war  ein  kleiner  Erdhaufen 
Erregung  von  Jirbrechen.     Karaya- Indianer.  ^         i  ta  •       • 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  -  Nach  Photographie,     aufgeschüttet.    Dann  muSSten  Sie  6111 

Brechmittel  einnehmen,  das  aus  fünf- 
zehn verschiedenen  Pflanzenarten  gemischt  war.  Die  Erdhaufen  dienten  zur 
Aufnahme  des  Erbrochenen  und  wurden  nach  erfolgter  Wirkung  in  be- 
sonderer Weise  hinausbefördert.  Danach  bestreute  der  Medicin-Manii  die 
Anwesenden  mit  Medicin. 

Auch  Niblack  berichtet  von  den  Küsten-Indianern  des  südlichen 
Alaska,  dass  sie  sich  für  Gottesgerichte  und  besondere  Ceremonien  durch 
Brechmittel  vorzubereiten  pflegen. 

Myron  Ells  wohnte  einer  Kraiikenbehaudlung  der  Twana-Indianer 
bei.  Der  Medicin-Maun  sass  der  Krauken  gegenüber.  Sein  Haupt  dauernd 
auf  und  nieder  schwingend,  sang  er,  begleitet  von  dem  Gesänge  der  An- 
wesenden, seine  Beschwörungen.  Nach  zwölf  Minuten  begann  er  heftig  über 
sich  hin  auf  die  Erde  zu  erbrechen.  Dann  kam  eine  Pause  von  wenigen 
Minuten,  worauf  der  Mediciii-Mann  sich  abwusch  und  dann  hei  der  Patientin 
die  Saugecur  begann. 


58.    Inhalationen.    —    ö9.    Einschlürfungen  und  Einträufelungen.       123 

Wie  bereits  gesagt,  werden  aber  auch  die  Einetica  sehr  vielfach  als 
wirkliche  Heilmittel  angewendet  bei  allen  möglichen  Magenverstimmungen, 
auch  l)ei  denjenigen,  welche  nur  als  Begleiterscheinung  einer  allgemeinen 
Infectionskrankheit  aufgefasst  werden  müssen.  Das  Eingeben  von  Brech- 
mitteln, um  Gifte  aus  dem  Magen  wieder  zu  entfernen,  ist  einigen  nord- 
araerikanischen  Indianer- Stämmen  geläufig. 


58.  Inhal ationen. 

Mancherlei  Pflanzen  werden  auch  als  Medicamente  zur  Inhalation  ge- 
])raucht.  Bisweilen  findet  diese  Inhalation  in  der  Form  von  Räucherungeu 
statt,  welche  mit  der  betreffenden  Pflanze  ausgefühii  werden.  "Wir  finden 
diesen  Gebrauch  in  Amerika  bei  den  Dacota,  den  Karoks  und  den 
Navajo,  in  Afrika  bei  den  Aschanti  und  in  Harrär,  in  Asien  bei  den 
Tataren.  Kopfschmerz,  Epilepsie,  Husten  und  Erkältungen  sind  die 
Krankheiten,  welche  diese  medicamentösen  Räucherungen  behufs  der  Inha- 
lation veranlassen.  Die  Harrari  räuchern  aber  auch  den  Körper  mit  ge- 
Avissen  Medicamenten,  um  Ausschläge,  Pocken  und  Fieber  zu  heilen. 

Eine  andere  Form  der  Inhalation  haben  die  Karayä-Indianer  in 
Brasilien.  Sie  fertigen  aus  bestimmten  Arzneistoff"en  eine  Riechessenz, 
mit  welcher  sie  Kopfschmerzen  zu  bekämpfen  suchen.  Die  Harrari  pulveri- 
siren  eine  bestimmte  Drogue  und  halten  sie  Epileptischen  und  Tobsüchtigen 
unter  die  Nase.  Ein  anderes  Pulver  ziehen  sie  in  die  Nase  ein,  wenn  sie 
vom  Teufelsschlag,  d.  h.  vom  Hexensclmss  befallen  sind  oder  wenn  sie  an 
Schlaflosigkeit  leiden,  und  auch  beim  Schnupfen  und  Husten  junger  Mädchen 
lassen  sie  ein  Schnupfpulver  benutzen,  das  aber  aus  der  Asche  einer  be- 
stimmten Medicinalpflanze  l)esteht. 


59.   Emschlürfimsen  und  Einträufelunffen. 


'» 


Es  ist  von  hier  nur  noch  ein  Schritt  zu  den  feuchten  Einschlürfungen 
in  die  Nase,  die  wir  als  eine  Ai't  der  Nasendouche  anerkennen  müssen. 
Wir  finden  dieselben  wiederum  in  Harrär,  sowie  bei  den  Aschanti  und 
den  Keisar- Insulanern.  Bei  Allen  ist  Kopfschmerz  die  Veranlassung;  bei 
den  Harrari  ausserdem  auch  Nasenbluten.  Auf  Keisar  ist  solch  Koi)f- 
schmerz  eine  ganz  kostspielige  Sache.  Der  Medicin-Mann  nimmt  die  Blätter 
eines  Quarree  genannten  Baumes,  stampft  diese  fein,  wäscht  den  Kopf 
damit  und  lässt  den  Kranken  auch  die  Feuchtigkeit  mit  der  Nase  auf- 
schnaufen. Wird  man  gesund,  dann  ist  mau  verpflichtet,  ein  Schaf  zu 
schlachten.  Ein  Stück  von  dem  Ohr,  die  Lippen  und  die  Leber  werden 
gekocht  und  mit  etwas  Reis  und  Sirih-Pinang  auf  einen  Teller  und  dann 
mit  einem  Umschlagetuch  darunter  auf  eine  Reiswanne  gelegt.  Der  Marne 
bringt  dieses  durch  einander  und  wirft  es  unter  den  Baum,  von  wo  er  die 
Heilmittel  geholt  hat.  Den  Teller  und  die  Reiswanne  bringt  er  zurück, 
während  er  das  Umschlagetuch  behält.  Die  Hälfte  des  geschlachteten  Schafes 
erhält    er    »leichzeitii]^    als  Antheil.    die    andere  Hälfte  wird  gebraucht,    um 


124  VI.    D\v,  Arzneiverordnuiigslehre  der  Naturvölker. 

den  Blutsvorwaiulton .  wclcho  don  Krnnkon  versorgt  haben,  eine  Malilzoit 
/n  bereiten. 

Die  Nasendonclie  der  Aschanti  beschreibt  Bowditch  tblgendermaassen : 
„Ein  Mann  khigte  sehr  über  Kopfschmerzen,  und  eine  seiner  Frauen 
brachte  ihm  ein  Decoct  von  Kräutern  und  ein  hohles  Stück  Holz  mit  zwei 
Höhren,  die  sie  ihm  in  die  Nasenlöcher  steckte,  dann  den  Kopf  zurück- 
lehnte und  den  Decoct  hineingoss,  den  er  alsdann  durch  den  Mund  wieder 
von  sich  gab." 

Auch  in  das  Ohr  und  in  die  Augen  werden  von  den  Naturvölkern  Ein- 
träufelungen gemacht.  Wir  wollen  davon  aber  erst  später  sprechen,  weil 
Avir  den  Erkrankungen  dieser  Organe  einen  besonderen  Abschnitt  widmen 
wollen. 


60.  Pillen. 

Besonders  interessant  ist  es  mir  erschienen,  dass  wir  in  dem  Arzneieu- 
schatz  dieser  uncivilisirten  Volksstämme  auch  einige  Mal  der  Pillenform 
begegnen.  Pillen  fertigen  die  Australneger  von  Victoria  aus  einer 
Baumrinde  zur  Bekämpfung  der  Dysenterie.  Die  Indianer  Süd-Cali- 
forniens  rollen  den  Kotli  der  wilden  Tauben  zu  Pillen  und  gebrauchen 
diese  gegen  Gonorrhoe.  Die  Dacota- Indianer  und  die  benachbarten 
Stämme  wissen  Pillen  aus  dem  Cambium  gewisser  Bäume  herzustellen  und 
sie  heilen  damit  dyspeptische  Zustände.  Die  Kunst  des  Pillendi-ehens  war 
auch  den  alten  Völkern  Neu-Spaniens  bekannt.  Sie  benutzten  als  Klebe- 
stoff das  Guttapercha,  in  welches  sie  das  wirksame  Medicament  hineinkneteten. 
Pallas  fand  heilige  Pillen,  aus  Tibet  eingeführt,  bei  den  Kalmücken  im 
Gebrauch.  Vornehme  und  Reiche  führen  sie  beständig  bei  sich  und  nehmen 
sie  in  schweren  Krankheiten  ein,  wenn  der  Tod  fast  unvermeidlich  scheint. 
Sie  dienen  dazu,  die  Seele  von  dem  Zeitlichen  zu  entfernen  und  zu  heiligen. 
Sie  sind  von  Erbsengrösse  und  sehen  schwarz  aus.  Ihre  Wirkung  soll  eine 
abführende  sein. 

Bei  den  Persern  stehen  gewisse  Pillen  in  hohem  Ansehen,  welche  aus 
Bernstein,  Ambra,  Rubinen,  Gold  und  gestossenen  Perlen  gefertigt  werden. 
Sie  dienen  als  Aphrodisiaca. 


<>1.  Die  hautröthendeii  Mittel. 

AVir  haben  l)ereits  eine  ganze  Anzahl  von  Medicamenten-Gruppen  be- 
sprochen, die  wir  in  dem  Arzneischatze  der  Naturvölker  fanden.  Es  mögen 
aber  noch  zwei  derselben  hier  angeführt  werden,  nämlich  die  Rubefacientia 
und  die  Narcotica.  Die  ableitende  und  häufig  schmerzstillende  Wirkung 
der  hautröthenden  Mittel  ist  den  uncivilisirten  Volksstämmen  wohlbekannt. 
Manche  Anwendung  erhitzter  Blätter  oder  heisser  Asche  ist  in  diese  Rubrik 
zu  bringen.  Die  Süd-Californier  verstehen  es,  aus  Nesselstengeln  eine 
Paste  zu  bereiten,  welche,  auf  die  blosse  Haut  gelegt,  Blasen  zieht,  be- 
sonders wenn  der  Patient  sieh  dabei  dicht  au  das  Feuer  setzt.  Die  Nieder- 
Californier  benutzen  ebenfalls  die  Nessel  als  Rubefaciens,  aber  sie  peitschen 
damit  den  kranken  Köi-pertheil  oder  sie  setzen  Ameisen  an  denselben.    Die 


62.    Die  Narcotica.  125 

Chippeway-  und  Cieek-Iudianer  haben  einige  Pflanzen  im  Gebrauch, 
deren  Saft  eine  hautreizende  Wirkung  besitzt.  Die  Einwohner  von  Tonga 
und  Samoa  wenden  den  Saft  eines  Rankengewächses  an.  der  so  scharf  ist. 
dass  seine  Wirkung  derjenigen  eines  AetzkaH  ähnlich  ist.  Diesen  die  Haut 
röthenden  und  reizenden  Mitteln  am  näclisten  verwandt  sind  dann  die  Scarifi- 
cationen  und  gewisse  Methoden  des  Glühens.  Ihre  Verbreitung  ist  eine  sehr 
ausgedehnte.  Da  sie  aber  als  ein,  wenn  auch  nur  kleiner  akiurgischer  Ein- 
griff zu  betrachten  sind,  so  sollen  sie  erst  später  in  dem  der  kleinen 
Chirurgie  gewidmeten  Capitel  ihre  Besprechung  finden. 


62.  Die  Narcotica. 

Um  nun  auf  die  Narcotica  zu  kommen,  so  ist  die  Anwendung  von 
Opium  und  Hanf  Haschisch  oder  Dacha  als  ein  betäubendes  Rauchmaterial 
ja  schon  vieltach  besprochen  worden  und  allbekannt.  Beide  Stoffe  sind 
aber  nur  als  Genussmittel  aufzufassen  und  werden  meines  Wissens  niemals 
aus  therapeutischen  Gründen  angewandt.  Es  kommen  aber  auch  Medica- 
mente vor,  welche  die  Naturvölker  nun  wirklich  in  der  ausgesprochenen  Ab- 
sicht verordnen,  um  Schmerzen  zu  betäuben  oder  eine  Art  von  Narcose  her- 
vorzurufen. Die  Tataren  und  Kasaken  am  Jenes  sei  bereiten  aus  den 
Zweigen  und  Blättern  einer  Alpenrose  (Rhododendron  Chrysanthum),  welche 
sie  von  den  Koibalen  bekommen,  ein  Decoct,  zu  welchem  Zweck  sie  die 
Pflanze  „in  einem  wohlverdeckten  oder  lieber  verschmierten  Topf  im  Ofen 
schmoren"  lassen.  „Auf  diese  Weise  bekommen  sie,  sagt  Pallas,  einen  starken, 
bittern  braunen  Trank,  welcher  eingenommen  den  Kranken  in  eine  fieber- 
hafte Hitze  und  Art  von  Trunkenheit,  ja  Sinnlosigkeit  setzt,  während 
welcher  sich  in  denjenigen  Gliedern  oder  inneren  Theilen,  welche  mit 
Schmerzen  oder  Fehlern  behaftet  sind,  ein  unaufhörliches  Ivrübeln  spüren 
lässt.  Der  Rausch  vergeht  aber  geschwinder  als  der  von  starken  Getränken 
entstehende,  lässt  weder  Kopfweh,  noch  die  allergeringste  Unpässlichkeit 
nach,  und  gemeiniglich  spürt  der  Kranke  nach  einer  einzigen  oder  der  zweyten 
Portion  den  behafteten  Theil  ganz  gesund  und  hergestellt.  Während  der 
Hitze,  welche  die  Arzuey  erweckt,  haben  die  Ki'anken  starken  Durst;  trinken 
sie  alsdann  kaltes  Wasser,  so  erfolgt  ein  heftiges  aber  heilsames  Erbrechen, 
welches  besonders  bey  Zufällen  im  Uuterleibe  dienlich  befunden  wird.  Sonst 
brauchen  es  die  Kasaken  fast  wider  allerley  rheumatische  Zufälle  und 
wider  chronische  Gliederschmerzen,  die  es  unter  heftigen  Krübeln  unfehl- 
])ar  genesen  soll.'' 

Eine  Narcose  zum  Zweck  der  Ausftihrung  einer  Operation  hat  Felkin 
in  Uganda  in  Central-Afrika  beobachtet.  Hier  machte  ein  eingeborener 
Operateiu'  an  einer  Ki-eissenden  den  Kaiserschnitt.  Zuvor  aber  hatte  man 
die  Patientin  durch  Banana-Weiu  in  einen  Zustand  von  halber  Betäubung 
versetzt. 

Ein  weit  verbreitetes  Narcoticum,  um  sich  von  Schmerzen  zu  be- 
freien, ist  der  Tabak.  Die  Eingeborenen  von  Mittel- Sumatra  ver- 
ordnen bei  Erkältungen  des  Kopfes  eine  Cigarre  zu  rauchen,  die  Dacota-, 
die  Creek-  und  Winnebago-Indianer  u.  s.  w.  lassen  bei  asthmatischen 
Beschwerden  eine  Pfeife  Tabak  rauchen.     Auch  die  südlichen  Mexicaner 


12G  VI.    Die  Arzneiverordnungslehre  der  Naturvölker. 

bekämpfen  das  Asthma  ebeuso,   aber  sie  wenden  die  Tabakspfeife  auch  bei 
rheumatischen  Schmerzen  an. 

Die  Ipurina-Indianer  in  Brasilien  erzielen  durch  den  Tabak  eine 
vollständige  Narkose.  Unheilbare  Kranke  werden  auf  diese  Weise  betäubt 
und  in  den  Fluss  gestürzt,  um  bei  dem  Wassergeist  Heilung  zu  finden. 
Auch  zu  dem  Zweck  einer  absonderlichen  Operation  narcotisirt  der  Medicin- 
Mann  dieses  Volkes  den  Patienten  in  gleicher  Weise.  Er  saugt  ihm  dann 
die  Eingeweide  aus  dem  Körper  und  setzt  ihm  dafür  thierische  ein.  Wenn 
dann  der  Kranke  wieder  erwacht,  so  ist  er  vollkommen  davon  überzeugt, 
„nunmehr  den  Magen,  die  Leber  u.  s.  w.  eines  Schweines  oder  sonst  eines 
Thieres  in  sich  zu  haben." 

Aber  auch  noch  ein  anderes  Mittel,  um  eine  Narcose  hervorzurufen 
darf  man,  wie  ich  glaube,  nicht  unterschätzen,  das  vielfach  von  den  Natur- 
völkern angewendet  wird.  Der  betäubende  Lärm  der  Rasseln  und  Trommeln, 
der  monotone  Gesang  des  Medicin-Mannes  und  seiner  Gehülfen,  die  sich 
dauernd  wiederholenden  gleichförmigen  Bewegungen  des  Arztes,  sein  häufig 
erwähntes  Schwingen  der  Hände,  dies  Alles  muss  eine  Wirkung  auf  den 
Patienten  ausüben,  welche  wir  nur  als  eine  hypnotisirende  zu  bezeichnen 
vermögen;  ein  Weisser  hat  es  selbst  an  sich  empfunden.  Er  hatte  einem 
Medicin-Maune  der  Guyana-Indianer  Kopfschmerzen  vorgeheuchelt,  um 
die  Art  seiner  Behandlung  kennen  zu  lernen. 

Den  bei  ihm  in  der  dunklen  Hütte  hervorgerufenen  Zustand  schildert 
er  mit  folgenden  Worten: 

„Einer  fi'eiwilligen  Bewegung  entzogen,  erschien  es  mir,  als  wenn  ich 
einem  endlosen  unaufhörlichen  Getöse  ausgesetzt  sei,  das  ständig  hinauf- 
schwoll; meine  einzigen  Gedanken  waren  darauf  gerichtet,  das  Wunder  zu 
ergründen,  das  die  Ursache  des  Geräusches  bildete:  ein  angenehmer,  indessen 
fruchtloser  Versuch,  um  sich  dessen  zu  erinnern,  ob  je  zuvor  eine  Zeit  be- 
standen, in  der  es  kein  Geräusch  gegeben.  Wenn  hin  und  wieder  das  Ge- 
räusch füi*  Augenblicke  verschwand,  nämlich  dann,  wenn  der  Peaiman 
(der  Thiergeist)  vermuthlicher  Weise  entschwunden  war  durch's  Dach,  oder 
wenn  er  nur  von  grosser  Entfernung  aus  gehört  werden  konnte,  erwachte 
ich  halb  besinnungslos.  Aber  sobald  er  auch  zurückkam  und  das  Geräusch 
anschwoll,  verfiel  ich  allmählich  mehr  und  mehr  in  einen  Zustand  von 
Betäubung.  Als  am  Morgen  das  Getöse  geendet  hatte,  erwachte  ich  all- 
mählich. Ich  brauche  wohl  kaum  hinzuzufügen,  dass  mein  Kopf  nichts 
weniger  als  curirt  war  von  seinen  Schmerzen." 

In  den  Krankengeschichten,  welche  uns  berichtet  werden,  ist  wieder- 
holentlich  davon  die  Rede,  dass  die  Patienten  wie  todt,  oder  wie  sterbend 
zui'  Erde  fallen.  Wenn  sie  dann  bald  darauf  wie  zu  einem  neuen  Leben 
erwachend  sich  erheben,  sich  die  Pfeife  anzünden  und  rauchen  und  fi-öhlich 
mit  den  Ihrigen  plaudern,  so  kann  ihr  lebloser  Zustand  doch  nur  entweder 
ein  erheuchelter  gewesen  sein,  oder  eine  wahre  Hypnose.  Ich  glaube  be- 
stimmt, dass  es  das  Letztere  ist. 


03.    Das  Bepusten  und  Bespeieu.  127 


G3.  Das  Bepusten  und  Bespeien. 

Wir  haben  uoch  zweier  besonderer  Arten  der  therapeutischen  Maass- 
nahmen  zu  gedenken,  das  ist  das  Bepusten  und  das  Bespeien.  Wem  fiele 
bei  dem  Bepusten  nicht  seine  Kindheit  ein,  wo  die  liebende  Mutter  gegen 
die  schmerzende  Stelle  pustete  und  nun  theils  diu-ch  das  Kühlende  des  Luft- 
stromSj  theils  durch  die  Ablenkung  der  Aufmerksamkeit  die  Schmerzen  ver- 
trieb. So  wird  auch  in  Mittel- Sumatra  den  Fieberkranken  der  Kopf 
bepustet,  um  ihnen  Kühlung  und  gleichzeitig  eine  Linderung  der  Kopf- 
schmerzen zu  bringen.  Auch  in  Canada  und  in  Victoria  ist  das  Be- 
pusten der  Kranken  gebräuchlich,  und  in  Alaska  pustet  ihnen  der  Medicin- 
Mann  in  Mund  und  Nase.  In  diesen  Ländern  hat  das  Bepusten,  wie  es 
scheint,  aber  nur  den  Zweck,  den  Krankheitsdämon  aus  dem  Körper  zu 
entfernen.  Die  Körperstelle,  welche  der  Mediciu-Mann  der  Eingeborenen 
von  Victoria  zum  Bepusten  auswählt,  ist  der  Bauchnabel  seines  Patienten. 

Mit  dem  Bespeien,  das  wir  hauptsächlich  im  malayischen  Archipele, 
aber  auch  in  Victoria  im  Gebrauche  finden,  hat  es  scheinbar  eine  andere 
Bewaudtniss.  Man  möchte  glauben,  dass  es  sich  hier  ausschliesslich  um 
eine  therapeutische  Maassnahme  handelt.  Denn  wenn  wir  von  den  Austral- 
negern  absehen,  so  werden  in  allen  Fällen  ausnahmslos  bestimmte  Pflanzen- 
theile  gekaut,  bisweilen  mehrere  gemeinsam,  nach  Art  einer  gemischten 
Medicin,  und  auf  des  Patienten  Körper  gespieen.  In  Mittel-Sumatra 
benutzt  man  sogar  verschiedene  Medicamente  bei  verschiedenen  Krankheiten,, 
denen  aber  immer  einige  bestimmte,  für  alle  Fälle  gleiche  Grundstoffe  bei- 
gemischt werden  müssen. 

Die  Medicin-Männer  in  Victoria  benutzten  zum  Bespeien  nun  aller- 
dings nur  einfaches  Wasser,  aber  gerade  bei  ihnen  kann  die  therapeutische 
Absicht  dieses  Verfjihrens  nicht  dem  geringsten  Zweifel  unterliegen.  Die 
Patienten  nämlich,  bei  welchen  sie  diese  Ai't  der  Behandlung  anwenden, 
sind  die  Fieberkranken,  deren  Körper  sie  von  oben  bis  unten  mit  einem 
Sprühregen  von  Wasser  aus  ihrem  Munde  berieseln.  Dass  die  Verdunstung 
desselben  mit  einer  starken  Wärmeentziehung  verbunden  sein  muss  und 
dass  in  Folge  dessen  die  Fieberhitze  verringert  werden  kann,  das  liegt  wohl 
klar  auf  der  Hand.  Von  den  Eetar -Insulanern  wird  in  ähnlicher  Weise 
der  Bauchschmerz  behandelt,  und  in  Bali  werden  die  geschwollenen  Drüsen 
der  Kinder  mit  gekauten  Medicamenten  bespieen,  bei  einer  dem  Ziegen- 
peter ähnlichen  Krankheit.  Hier  hat  man  für  ein  durch  Bespeien  geheiltes 
Organ  einen  ganz  besonderen  Ausdruck. 

Ob  es  aber  bei  den  übrigen  malayischen  Inselvölkern,  welche  hier 
in  Betracht  zu  ziehen  sind,  sich  ganz  allein  um  rein  therapeutische  Ab- 
sichten ihrer  Medicin-Männer  handelt,  das  muss  doch  schon  ein  wenig 
zweifelhaft  werden,  wenn  wir  erfahren,  welche  Krankheiten  es  denn  eigent- 
lich sind,  die  in  Mittel-Sumatra  in  der  geschilderten  Weise  behandelt 
werden.  Es  sind  Phantasien,  Irrsinn  und  zeitweilige  Bewusstlosigkeit,  also 
alles  Krankheitserscheinungen,  welche  so  recht  eigentlich  dem  Eindringen 
böser  Geister  in  den  Körper  zugeschrieben  werden.  Sollte  hier  nicht  der 
Gedanke  verborgen  liegen,  dass  die,  man  könnte  sagen,  unehrerbietige  Art 
der  Darreichung  des  Medicamentes  zur  schnelleren  Vertreibung  des  Dämons. 


128  VI.    Die  Arznei verorduungslehre  der   Xaturvölker. 

beuut/t  werden  soll?  Hier  führen  uns  die  Einwohner  von  Koetei  in 
Borneo  w^ahrscheinlich  auf  die  richtige  Spur.  Sie  beschmieren  und  be- 
speien ihre  kleinen  Kinder  unter  dem  Mui'meln  bestimmter  Gebete  fort- 
dauernd mit  gewissen  Medicinen.  ,.um  die  bösen  Geister  zu  verjagen'*.  Am 
deutlichsten  ausgesprochen  aber  finden  wir  diese  Anschauung  auf  Ambon 
und  den  Uliase-Iuseln.  Man  benutzt  hier  als  Medicament  zum  Zerkauen 
lauter  scharfe  und  aromatische  Substanzen,  Muscatnuss ,  Gewürznelken, 
Gember  u.  s.  w.  Wenn  man  nun  hiermit  den  Kranken  liespeit,  so  wall 
man  theils  durch  die  hierin  liegende  Beleidigung,  theils  aber  auch  durch 
das  Prickeln,  das  die  Medicamente  hervorrufen,  den  l)ösen  Dämon  nöthigen, 
dass  er  den  armen  Patienten  verlässt. 

Bei  einer  Behandlung  der  klopfenden  Kopfschmerzen  auf  Bali  sollen 
die  geheiligten  Symbole  des  männlichen  und  des  weiblichen  Principes  die  Ver- 
treibung der  Ki-ankheit  unterstützen.  Jacobs  führt  aus  einem  medicinischen 
"Werke  dieser  Insel  die  folgende  Verordnung  gegen  dieses  Leiden  an:  „Alte 
Sirih-Blätter.  deren  Blattnerven  parallel  laufen,  7  Stück,  Wurzeln  von 
Gamougan  (Zingiber  amarineus)  drei  Stück,  auf  deren  jedem  man  erst 
mit  einem  Messer  die  Form  eines  Penis  einkratzt;  eine  rothe  Zwiebel,  worin 
vorher  die  Form  einer  Vulva  ausgeschnitten  wird.  Dies  Alles  muss  fein- 
gekaut und  mit  diesem  Speichel  die  Stirn  bespieen  werden.'* 

Die  S  am  0  an  er  glauben,  wie  Turner  berichtet,  dass  Krankheit  durch 
den  Zorn  irgend  einer  bestimmten  Gottheit  entstände,  und  die  Freunde  des 
Elranken  rufen  die  Hülfe  des  Oberpriesters  des  Dorfes  an  und  gewähren 
ihm  jede  Forderung,  um  den  Unwillen  der  Gottheit  zu  sühnen.  Häufig  ver- 
langt er,  dass  sie  ihre  Sünden  bekennen.  Zum  Zeichen  der  Reue  nimmt 
dann  jedes  Familienglied  etwas  Wasser  in  den  Mund  und  speit  es  gegen 
den  Patienten. 


64.  Die   Impfung. 

Auch  die  subcutane  Methode  treffen  wir  zweimal  bei  den  Natiu'völkern 
an  und  zwar  beide  Male  in  der  Form  der  prophylaktischen  Impfung.  Es 
ist  ihnen  auch  sehr  w^ohl  bekannt,  dass  diese  Schutzkraft  keine  dauernde 
ist,  sondern  dass  sie  nach  einer  gewissen  Zeit  wiederum  verloren  geht. 
Dann  muss  die  Impfung  wiederholt  werden.  Weniger  als  zehn  Jahre  waren 
es  in  dem  einen  Fall,  für  welche  die  Schutzkraft  erhalten  sein  soll.  Es 
handelte  sich  um  ein  Präservativ-Mittel  gegen  die  Bisse  von  giftigen  Schlangen, 
welches  die  Buschneger  in  Surinam  mit  Erfolg  sich  in  Einschnitte  hinein- 
bringen, die  sie  zu  diesem  Zw^ecke  sich  in  die  Haut  machen.  Bei  den 
Asch  an  ti,  welche  ebenfalls  sich  auf  das  Impfen  verstehen,  ist  es  eine  wirk- 
liche Pocken-Impfung,  welche  nach  Bowditch  auch  in  den  maurischen 
Ländern  Sitte  ist.  „Sie  nehmen  die  Materie  und  impfen  den  Kranken  an 
sieben  Stellen  (die  mystische  Zahl),  sowohl  an  Armen  als  Beinen.  Die 
Krankheit  dauert  nur  wenige  Tage  und  selten  stirbt  Jemand  daran." 

Es  mag  hier  daran  erinnert  werden,  dass  die  Pockenimpfung  angeblich 
auch  bei  den  Chinesen  seit  alten  Zeiten  wohlbekannt  war.  „Die  Alten, 
so  heisst  es  in  einer  von  Lockhart  citirten  chinesischen  Schrift,  besassen 
die  Kenntniss  der  Inoculation  der  Blattern:   sie  ist  auf  uns  gekommen  von 


64.    Die  Impfung.  129 

der  Zeit  des  Tschin-tsung  aus  der  Dynastie  Sung  (das  entspräche  dem 
Jahre  1014),  und  wurde  von  einem  Philosophen  erfunden.  Wenn  die  Krank- 
heit sjiontan  ausbricht,  so  ist  sie  sehr  schwer  und  oft  tödtlich,  während  sie 
durch  Inoculation  herbeigeführt  gemeiniglich  mild  verläuft  und  nicht  mehr 
als  ein  Todesfall  unter  zehntausend  Fällen  vorkommt."  Es  folgt  dann  eine 
Reihe  von  Vorschriften  über  den  Bezug  der  Lymphe,  über  die  Wahl  der 
Jahreszeit  und  der  Tage,  und  über  das  hygieinische  Verhalten  des  Patienten. 
Eine  Schilderung  des  Verlaufes  und  der  Wirkung  schliesst  sich  an,  und 
dann  heisst  es:  „Wenn  nach  vierzelmtägigem  Warten  das  Fieber  nicht  er- 
scheint, so  kann  die  Inoculation  wiederholt  werden,  wenn  die  Jahreszeit 
noch  günstig  ist.'* 

In  P  e  r  s  i  e  n  ist  ebenfalls  das  Impfen  Sitte  und  wird  von  den 
Chirurgen  und  Badern  ausgeführt.  Sie  machen  auf  der  Mitte  des  Vorder- 
arms leichte  Hautritze  und  reiben  nach  gestillter  Blutung  die  gepulverten 
abgefalleneu  Impfschorfe  hinein.  „Die  Heilung  erfolgt  fast  immer,  doch 
bleiben  ziemlich  ausgedehnte  Narben  zurück." 

Bei  den  Siamesen  war  es  gebräuchlich,  als  eine  Art  der  Schutz- 
impfung geriebene  Pockenschorfe  in  die  Nase  zu  blasen. 


Bartels,  Mediciti  der  Naturvölker. 


VII. 

Die  Wassercur. 


9* 


65.  Kalte  Bäder. 

lu  dem  Bespeien  der  Fieberki'anken  mit  Wasser,  wie  wii*  es  die  Mediciu- 
Männer  in  Victoria  ausführen  sahen,  haben  wir  bereits  eine  Form  der 
Hydrotherapie  der  Naturvölker  kennen  gelernt,  und  dass  den  Anwohnern 
des  Meeresstrandes  und  der  Ufer  von  Flüssen  und  Seen  auch  die  segens- 
reiche Wirkung  kalter  Bäder  nicht  unbekannt  geblieben  ist,  das  wird  wohl 
Niemanden  üben'aschen.  Bisweilen  scheint  man  mit  diesen  Bädern  aller- 
dings auch  einen  rechten  Unfiig  zu  treiben  und  sie  in  recht  uuzweckmässiger 
Weise  anzuwenden.  In  Victoria  wenigstens  sterben  viele  junge  Leute, 
wenn  sie  vom  Fieber  befallen  werden,  weil  der  Medicin-Mann  sie  veranlasst, 
drei-  bis  viermal  täglich  im  Flusse  zu  baden.  Bei  den  Skagit-Indianern 
in  Columbia  sah  Holmes  einen  alten  Mann  in  den  letzten  Stadien  der 
Schwindsucht  klappernd  vor  Frost  nach  der  Einwirkung  eines  kalten  Bades, 
das  er  bei  einer  Lufttemperatur  von  40  Grad  Fahrenheit  hatte  nehmen 
müssen.  Auch  die  Huatstecos  haben  viele  Pockenkranke  verloren,  weil 
sie  sie  mit  kalten  Bädern  behandelten.  Das  Gleiche  gilt  von  Mittel- 
Sumatra. 

Die  Moquis  und  die  Pueblos  wenden  keine  kalten  Bäder  an,  während 
sie  bei  den  Pimas,  den  Nieder-Californiern  und  den  Bewohnern  der 
Insel  Saleyer  sehr  geAvöhnlich  sind.  Die  Dacota,  Creeks  und  Chippe- 
ways,  die  Klamath  in  Oregon  und  die  Flatheads  lassen  die  kalten 
Bäder  direct  dem  Dampfbade  folgen.  Die  Indianer  von  Honduras 
lassen  ihre  Kranken  ein  kurzes  Flussbad  nehmen,  und  dann  müssen  sie 
sich  zum  Feuer  legen.  Die  Moquis  gehen,  wenn  sie  fieberkrank  sind,  in 
das  kalte  Wasser  und  bleiben  darin,  „bis  sie  gesund  oder  todt  sind.**  Wir 
hätten  hier  also  ein  Beispiel  eines  perpetuirlichen  Bades.  Beiden  Winne- 
bagos  wird  als  kaltes  Bad  „irgend  ein  natürlicher  Fluss  oder  eine  Quelle 
benutzt,  in  welche  der  Kranke  in  sitzender  Stellung  gebracht  wird,  so  dass 
ihm  das  AVasser  bis  zum  Kinn  reicht;  oder  wenn  solch  natürliches  Bad 
der  Entfernung  wegen  nicht  zu  beschaffen  ist,  so  wird  der  Kranke  in  Blan- 
kets  gewickelt,  und  kaltes  Wasser  auf  ihn  gegossen;  das  wird  fortgesetzt, 
solange  es  dem  Operateur  gefällt.  Diese  Vornahme  hat  bisweilen  einen 
günstigen  Erfolg  in  Fällen  von  Fieber;  aber  gewöhnlicher  ist  das  Resultat 
eine  Congestiou  zu  wichtigen  Eingeweiden  oder  zum  Gehh-n." 

In  ähnlicher  Weise  pflegen  die  Dacota-Indianer,  die  Eingeborenen 
von  Kroe  in  Sumatra,  die  Doreseu  in  Neu-Guinea  und  die  Ein- 
geborenen  von    Süd -Australien    bisweilen   ihre   Ki'anken    kalt    zu    über- 


134  VII.    Die  Wassercur. 

giessen,  und  in  Victoria  spritzt  ihnen  der  Medicin-Manu  mit  den  hohlen 
Händen  "Wasser  über  den  Körper.  Eine  die  Temperatur  herabmindernde 
Wirkung  haben  zweifellos  auch  gewisse  Waschungen.  Sie  werden  in  Süd- 
Californien  und  von  den  Dacota-Indianern  mit  gewöhnlichem  Wasser 
ausgeführt;  in  Victoria  und  auf  Buru,  bisAveilen  aber  auch  bei  den  Dacota, 
werden  besondere  Pflanzendecocte  hierzu  verwendet.  In  Mittel- Sumatra 
und  bei  den  Aschanti  macht  man  diese  Waschungen  mit  kühlenden  oder 
mit  stärkenden  Pflanzensäften. 


66.   Warme  Bäder  und  Triiikcuren. 

Ausser  den  kalten  Bädern  werden  auch  bisweilen  heisse  Bäder  in  Ge- 
brauch gezogen.  Das  wird  aber  nur  von  den  Nez-Percez  und  von  den 
Indianern  Columbiens  gemeldet.  Allerdings  scheinen  sie  bei  diesen 
Stämmen  ein  sehr  beliebtes  Mittel  zu  sein. 

Auch  die  Heilwirkung  gewisser  Thermalwässer  ist  den  Naturvölkern 
wohlbekannt,  wenn  sich  zufällig  solche  Heilquellen  in  dem  von  ihnen  l)e- 
wohnten  Gebiete  vorfinden.  Es  mag  hier  an  die  heissen  Quellen  von  Neu- 
seeland erinnert  werden,  welche  vielfach  von  den  Eingeborenen  zum  Baden 
benutzt  werden.  Auch  die  Haidah-Indianer  gebrauchen  nach  Jacobsen 
mit  gutem  Erfolge  eine  warme  Schwefelquelle,  um  sich  von  syphilitischen 
Erkrankungen  zu  befreien.  In  ähnlicher  Weise  behandeln  die  Eingeborenen 
von  Mittel -Sumatra  ihre  an  Krätze  und  an  Hautausschlägen  Erkrankten. 

Von  den  Siamesen  sagt  Bastian:  „Kranke  in  Aynthia  baden  zur 
Heilung  in  dem  Theile  des  Flusses,  der  bei  dem  Kloster  Prot-Satr  vor- 
überfliesst  und  die  Kräfte  des  Teiches  Bethesda  besitzt."  Auch  die  Perser 
machen  von  den  zahlreichen  Heilquellen  in  ihrem  Lande  für  Badecuren 
einen  ausgiebigen  Gebrauch. 

Im  Seranglao-  und  Gorong-Archipel  und  auf  den  Babar-Inseln 
versteht  man  es,  aus  bestimmten  Pflanzen  medicamentöse  Bäder  ftii'  er- 
krankte Kinder  herzustellen. 

An  diese  Badecuren  schliesst  sich  der  Gebrauch  der  Heilwasser  für 
bestimmte  Trinkcuren  an,  wie  wir  ihn  bei  den  Central-Mexicanern  und 
bei  den  Buräten  vorfinden.  Die  Ersteren  benutzen  ein  Wasser,  welches 
bei  Fiebern  eine  günstige  Wirkung  ausüben  soll,  und  die  Buräten  trinken 
das  Pogromnische  Sauerwasser,  worüber  Pallas  Folgendes  berichtet: 
„Die  Buräten  bedienen  sich  desselben  wider  allerley  Ki^ankheiten  und 
trinken,  nach  Vorschrift  ihrer  Lamen,  deren  jährlich  einige  hierher  kommen 
und  den  Quell  mit  Gebeten  seegnen,  gemeiniglich  sieben  Tage  lang,  täglich 
di'ey  bis  viermahl  zu  sieben  Schaalen,  welche  kleinen  Spülkummen  gleich 
sind.  Sie  werden  von  dem  Genuss  des  Wassers  matt  und  etwas  fieberhaft, 
und  viele  genesen  von  allerley  Zufällen.  Von  schädlichen  oder  gar  tödt- 
lichen  Wirkungen  wissen  die  Buräten  unter  sich  nichts,  und  man  sieht 
leicht,  dass  in  ein  paar  Fällen,  welche  von  den  Russen  erzählt  werden, 
nur  der  unmässige  Genuss  bey  vorhergehenden  schweren  Krankheiten  der- 
gleichen habe  nach  sich  ziehen  können." 

Noch  einer  Art  der  Bäder  haben  wir  zu  gedenken,  welche  vor  nicht 
gar  langer  Zeit  auch  bei  uns  noch  eine  ziemliche  Rolle  spielte;   ich  meine 


67.    Schwitzcuren.  135 

die  Thierbäder.  Sie  bestehen  bekannte rmaassen  darin,  dass  der  Patient 
das  erkrankte  Glied  in  den  noch  warmen,  frisch  geöffneten  Leib  eines  so- 
eben geschhichteten  Thieres  steckt.  Nur  ein  einziges  Beispiel  für  diese 
Sitte  ist  mir  bei  den  Naturvölkern  bekannt  geworden.  Dasselbe  betrifft 
die  Onkanagan-Indianer  in  Nord-Amerika.  Ein  verzweifelter  Fall 
von  Schwindsucht  wurde  von  ihnen  dadurch  angeblich  geheilt,  dass  sie  42 
Tage  hindurch  täglich  einen  Hund  tödteten,  ihm  den  Bauch  aufschnitten 
und  die  Beine  des  Patienten  in  die  noch  warmen  Eingeweide  legten.  Aller- 
dings wiu'den  gewisse  Rindenabkochungen  von  dem  Kranken  noch  ausserdem 
gebraucht. 


67.  Schwitzcuren. 

Wir  wenden  uns  jetzt  der  Besprechung  eines  Heilfactors  zu,  welcher 
in  der  Therapie  und  der  Gesundheitspflege  der  Naturvölker  eine  hervor- 
ragende Stellung  einnimmt,  das  ist  die  künstlich  gesteigerte  Körperwärme, 
die  Transpiration,  das  Schwitzen.  Auf  den  Inselgruppen  des  malayischen 
Archipels  wird  dieses  vorwiegend  dadurch  erzielt,  dass  man  den  Kranken 
dicht  au  das  Feuer  legt  oder  dass  man  sogar  unter  seiner  Lagerstätte  ein 
Schwälfeuer  entzündet.  Diese  Methode  spielt  auch  in  der  Wochenbettpflege 
dieser  Volksstämme  eine  bedeutende  Rolle  und  sie  ist  von  mir  bereits  an 
anderer  Stelle  ausführlich  besprochen  worden.  In  Dorej  und  in  Mittel- 
Sumatra  wird  hierfüi'  auch  ein  Liegen  in  der  Sonne  in  Anwendung  gezogen. 

Die  Australneger  von  Victoria  haben  eine  besondere  Methode,  um 
heisse  Asche  auf  den  Körper  einwirken  zu  lassen.  „Wenn  es  an  den  Lenden 
oder  Unterschenkeln  sehr  schmerzt,  so  nimmt  der  Ai'zt  einen  guten  Haufen 
vorbereiteter  heisser  Asche,  welche  nur  von  Rinde  gemacht  ist;  der  Patient 
Avird  auf  den  Bauch  gelegt,  und  der  Arzt  reibt  höchst  unbarmherzig  die 
heisse  Asche  auf  den  befallenen  Theil,  wie  ein  Schlächter,  der  Fleisch  salzen 
will;  wenn  die  Lenden  und  Unterschenkel  schmerzen,  wird  der  Kranke  bis 
nahe  zu  den  Knieen  in  den  Berg  von  heisser  Asche  gesteckt,  indessen  der 
Ai'zt  die  befallenen  Theile  mit  heisser  Asche  reibt.  Während  dieser  Vor- 
nahme macht  der  Arzt  seine  Beschwörungen,  wobei  er  gelegentlich  einen 
Theil  des  Staubes  mit  einem  zischenden  Geräusche  in  die  Luft  schlägt. 
Wenn  er  genügend  manipulirt  hat,  wird  der  Kranke  in  sein  Gewand  ge- 
wickelt." 

Ein  weiteres  Mittel,  die  Transpiration  zu  erregen,  welches  vielfach  bei 
den  Völkern  Amerikas  gebräuchlich  ist,  bildet  der  Tanz.  Wir  düi'fen 
hierbei  eins  aber  nicht  vergessen;  der  Tanz  dieser  Stämme  ist  nicht  wie 
bei  unserem  Volke  ein  Vergnügen,  eine  Volksbelustigung,  sondern  er  ist  fast 
unter  allen  Umständen  eine  rituelle  Handlung,  ein  Gottesdienst.  Der  Er- 
krankte s^plber  tanzt  nicht  mit,  als  Heilfactor  kommt  der  Tanz  nicht  in 
Betracht.  Der  Medicin-Mann  aber  und  seine  Gehülfen  müssen  sehr  häufig 
Tänze  aufführen,  wenn  sie  den  Patienten  von  seineu  Leiden  befi'eien  wollen. 
Trotzdem  ist  der  Tanz  auch  für  das  allgemeine  Volk  von  einer  grossen 
Wichtigkeit,  denn  er  dient  als  bedeutsame  prophylactische  Maassregel.  So 
heisst  es  bei  Bancroft  von  den  Süd-Californiern:  „Um  das  Missfallen  der 
(liottheit   abzuwenden    und    dem   bösen  Eiufluss    der   Zauberer   entgesenzu- 


136  VII.    Die  Wassercur. 

arbeiten,  werden  regelmässige  Tänze  zur  Sühne  und  Abbitte  abgehalten, 
in  welchen  sich  der  gesanimte  Stamm  vereinigt." 

Sehr  lehrreich  ist  hi<'rtur  die  Erzäldung  eines  Klamath-Indiauers 
in  Oregon,  deren  Mittheilung  Avir  Gatschel  verdanken.  Ich  will  sie  in  wört- 
licher Uebersetzung  hier  folgen  lassen:  „Um  zu  schwitzen  während  fünf 
Tagen  sollen  wir  gehen,  um  einen  Tanz  zu  haben,  die  alten  "Weiber  eben- 
falls. Ihr  sollt  gehen  zu  einem  Schmause,  um  zu  essen.  Ich  tiirchte,  ich 
muss  machen  zu  warm.  Ijaut  müsst  ihr  singen;  bei  fünf  Feuern  habt  ihr 
zu  singen.  Ihr,  noch  dazu,  Weiber  und  Genossen  beginnt  zu  tanzen  mit 
Anstrengung;  nach  und  nach  sollt  ihr  Uebertluss  essen  morgen.  „^Krank- 
heit will  herankommen,""  der  Schamane  so  sagt,  manche  Tamänuash- 
Medicin  (zu  ihm)  „„das  ist  so,""  sagt;  „„an  Pocken,  sagt  sie,  wird  leiden 
(das  Volk)"",  die  Tamänuash,  gerade  so  sagt  sie.  Es  ist  klagend  das 
Volk,  all  erschreckt  durch  die  Pocken.  So  der  Schamane  vor  dem  Schwitzen 
spricht:  „„Wie  viele  Esskübel  zählst  Du?  wie  viele,  schon,  Kübel?  Zweimal 
zehn  und  fünf;  so  viel  zähle  ich."" 

„Diese  Anordnungen  haben  den  Zweck,  das  Volk  in  dem  gemeinsamen 
Tanzhause  zu  sammeln  zu  einem  fünf  Nächte  dauernden  Tanze.  Der  Tanz 
wird  rings  um  die  Feuer  ausgeführt  mit  meistens  übermenschlichen  An- 
strengungen, in  der  Absicht,  eine  profuse  Perspiration  hervorzurufen  und 
dadui'ch  irgend  einer  Ansteckung  durch  Krankheit  vorzubeugen.  Der  Be- 
schwörer oder  Schamaue  ist  betraut  mit  der  feierlichen  Aufführung  aller 
Tänze,  von  denen  die  meisten  einen  religiösen  Charakter  haben.  Diese  Art 
des  Schwitzens  heisst  „Wäla,"  während  das  Schwätzen  in  einem  Temaz- 
calli  oder  Schwitzhause  „Spückli"  ist.  Der  Kiuks  ist  eingeführt  als  alle 
diese  Worte  sprechend.  Die  Partikel  „Mat"  bezeichnet  die  Worte,  welche 
von  einem  Anderen  als  dem  Erzähler  gegeben  werden,  i'lks  ist  der  volle 
Tisch,  Korb  oder  Kübel,  in  welchem  die  Lebensmittel  hereingebracht  werden; 
aber  es  bezeichnet  auch  die  Nahrung  selber  und  das  Tanzfest,  bei  welchem 
sie  gegessen  wird.  Fünffach  brennend,  weil  fünf  Feuer  brennen.  Die  jungen 
Männer  entkleiden  sich  während  der  Feier  bis  zu  den  Hüften  und  beginnen 
ihren  Tanz,  nachdem  die  Weiber  einen  beendet  haben." 

,,Yayayä-as  (eine  Tamänuash-Medicin)  bedeutet  eine  bestimmte 
Tamänuash- Zauberkraft,  welche  den  Beschw^örer  inspirirt;  der  Beschwörer 
erzählt  dem  Volke,  was  die  Yaj^ayä-as  ihm  sagt." 

„Der  Kiuks  erhält  die  Begeisterung  diu'ch  die  Yayayä-as  nur  nach 
dem  Schwitzen;  dann  kann  er  dem  Volke  erzählen,  wann  die  Ki*ankheit 
kommen  will." 

Bei  den  Dacota  und  ihren  Nachbarn  wird  bei  Krankheiten  eine  Schwitz- 
procedur  in  Anwendung  gezogen,  welche  von  den  benachbarten  Weissen 
als  Grund-Schwätzen  oder  Bodenschwitzen  (ground-sweat)  be- 
zeichnet wird. 

„Das  wird  auf  folgende  Weise  gemacht.  Ein  kleiner  Haufen  Klötze 
wird  auf  der  für  die  Operation  bestimmten  Stelle  verbrannt.  Wenn  die  Erde 
noch  heiss  ist,  wird  eine  Aushöhlung  gemacht,  um  den  Körper  des  Patienten 
aufzunehmen,  in  welche  er  dann  gelegt  wird,  mit  der  nothAvendigen  Kleidung, 
um  den  Schweiss  zu  absorbiren,  welche  über  den  Körper  gepackt  und  Avorüber 
heisse  Erde  gebreitet  ward,  während  nur  der  Kopf  herausragt.  Dieser  Process 
des  reichlichen  SchAvitzens,    bei   mehr  funktionellen  Störungen  der  GcAvebe, 


68.    Das  Dampfbad.  137 

giebt  der  capillaren  Structur  einen  solchen  Impuls,  dass  die  Deposite  schnell 
entfei'nt  werden." 

Eine  ganz  ähnliche  Maassnahme  hatte  Hughan  bei  den  Austral- 
negern  von  Victoria  zu  beobachten  Gelegenheit.  „Es  wurde  ein  Loch 
in  den  Boden  gegraben  von  ungefähr  ein  Fuss  Tiefe,  auf  dessen  Boden 
dünne  Baumrinde  gelegt  wurde,  und  auf  das  Feuer  wurden  feuchte  Blätter 
bis  zum  Rande  des  Loches  gelegt;  über  dieses  Loch  stellte  sich  der  völlig 
nackte  Kranke.  Der  leidende  Körpertheil  wird  unmittelbar  über  die  Blätter 
gehalten  und  der  Hitze  des  Feuers  ausgesetzt,  das  einen  Dampf  aussendet, 
der  nicht  entweichen  kann,  da  Opossum-Decken  auf  das  behandelte  Indivi- 
duum gehäuft  werden,  dem  bald  der  Schweiss  aus  jeder  Pore  quillt". 


68.  Das  Dampfbad. 

Die  verbreitetste  Schwitzprocedur  bei  den  Völkern  Amerikas  und  zu- 
gleich die  bedeutungsvollste  ist  aber  das  Schwitzen  im  sogenannten  Dampf- 
bade, in  besonders  errichteten  Schwitzhütten  oder  Schwitzhäusern.  Diese 
werden  entweder  jedesmal  für  den  besonderen  Zweck 
neu  aufgeführt,  oder  es  sind  ständige  Einrichtungen. 
Das  Letztere  ist  namentlich  im  centralen  Amerika 
der  Fall.  Hier  sind  es  auch  meistens  steinerne  Ge- 
bäude, bisweilen  klein,  dass  nur  ein  bis  zwei  Personen 
darin  Platz  finden,  bisweilen  aber  auch  gross  und  ge- 
räumig und  einer  ganzen  Anzahl  von  Menschen  gleich- 
zeitig Raum  gewährend.  In  den  nördlicheren  Gegenden  pjg.  53  Schwitzbad  der 
werden  die  Schwitzhäuser  meistens  in  Form  ganz  klei-  nordamerikanischen  In- 
ner  Hütten  errichtet,  mehrere  Stangen  werden  in  die  ^^„\°'J;,f'e?nem'MSk: 
Erde  gesteckt,  ihre  Spitzen  bringt  man  kuppeiförmig  brett  der  Wabeno. 
zusammen,   befestigt   sie  in  dieser  Stellung  und  deckt  Nach  sdwoicraft. 

den    ganzen    Bau    mit    dichtem    Blattwerk    oder   mit 

Büffelfellen  zu,  so  dass  nur  ein  lochartiger  Eingang  und  manchmal  eine 
kleine  Luftöffnung  fi-eigelassen  wird.  Den  Boden  hat  man  vorher  entweder 
ausgehöhlt  oder  geglättet.  Man  wählt  liir  die  Errichtung  solcher  Schwitz- 
liütten  für  gewöhnlich  eine  Stelle  hart  an  einem  Seeufer  oder  an  einem 
Fluss  oder  einem  Bache  aus,  um  einestheils  das  zur  Erzeugung  des 
Dampfes  erforderliche  Wasser  l^equem  bei  der  Hand  zu  haben  und  um 
andererseits  in  der  Lage  zu  sein,  dem  Dampfbade  schnell  ein  kaltes  Bad 
folgen  zu  lassen. 

Die  Art  der  Construction  dieser  für  den  besonderen  Zweck  errichteten 
Schwitzhütten  richtet  sich  bisweilen  auch  nach  bestimmten  rituellen  Vor- 
schriften; wir  kommen  darauf  noch  zurück  (Fig.  58). 

Die  massiv  aufgerichteten  Schwitzhäuser  werden  mit  einem  aztekischeu 
Worte  Temescal  oder  mit  dem  spanischen  Estufa  bezeichnet.  Stoll 
schildert  sie  uns  von  den  Indianern  Guatemalas,  bei  welchen  hierfür 
der  Quiche-Name  Tuli  gebräuchlich  ist:  „In  allen  den  zahlreichen 
Dörfern,  welche  noch  indianische  Sitte  aufrecht  erhalten,  findet  man  ge- 
wöhnlich   hinter    dem    Wolmhause    V)ackofenförmige,    halbkugelige    Bauten, 


138 


VII.    Die  Wassercur. 


deren  Durchmesser  und  Höhe  mehrere  Fuss  beträgt.  Sie  sind  aus  Stein 
oder  Lehmziegehi  gebaut.  Die  EingangsöfFnung  ist  so  klein,  dass  ein 
Mensch  eben  noch  durchkriechen  kann.  Im  Inneren,  worin  sich  dem  Ein- 
gang gegenüber  ein  Paar  als  Herd  dienende  Steine  befinden,  wird  Feuer 
angemacht,  dessen  Rauch  durch  ein  in  der  Kuppel  befindliches  Loch  ent- 
weicht. Gleichzeitig  werden  drei  Schüsseln  voll  Wasser  in  den  Ofen  ge- 
stellt, und  zwar  zwei  davon  neben  das  Feuer,  damit  ihr  Wasser  sich  erhitze, 
die  dritte  aber  entfernt  davon,  da  ihr  Wasser  nicht  heiss  werden  soll. 
Wenn  das  Feuer  abgebrannt  ist,  so  kriechen  eine  oder  mehrere  Personen 
nackend  in  den  Temazcal  hinein,  löschen  die  Gluth  durch  Uebergiessen 
mit  Wasser;  der  sich  entwickelnde  AVasserdampf,  dessen  Entweichen  durch 
Verschliessen  des  Eingangs  und  des  Kamins  verhindert  wird,  erfüllt  den 
Ofen.  Die  Badenden  haben  dünne  Zweige  irgend  welcher  Pflanzen  bei 
sich,  welche  sie  in  die  Schüsseln  mit  dem  heissen  Wasser  tauchen  und  wo- 
mit sie  alsdann  sich 
selbst  oder  Einer  den 
Anderen  schlagen,  um 
den  Ausbruch  des 
Schweisses  zu  be- 
fördern. In  diesem 
Dampfbad  verweilen 
sie  etwa  zwanzig  Mi- 
nuten. Das  geschil- 
derte Yerfahi-en  ist 
das  unter  den  Po- 
konchi  -  Indianern 
von  Tactic  übliche, 
doch  glaube  ich  nicht, 
dass  erhebliche  Ab- 
weichungen von  dem- 
selben anderwärts  vor- 
kommen. Die  hall)- 
kugelige  Kuppelbaute 
ist  für  den  Tuh  die  ge- 
wöhnliche, doch  kom- 
men auch  vierkantige,  mit  liachem  Dach  versehene  Schwitzöfen  vor"  (Fig.  .59). 
Die  grössten  Schwitzhäuser  finden  sich  nach  Bancroft  bei  den  Pueblos 
in  Neu-Slexico.  „Jedes  Dorf  hat  ein  bis  sechs  dieser  eigenthümlichen 
Gebäude.  Ein  grosser  halbunterirdischer  Raum  ist  gleichzeitig  das  Bade- 
haus, Rathhaus,  Berathungshaus ,  Clubhaus  und  Kii'che.  Es  besteht  aus 
einer  weiten  Aushöhlung,  deren  Dach  fast  in  gleicher  Ebene  mit  dem  Erd- 
boden ist,  manchmal  ein  wenig  darüber,  und  getragen  wird  von  dicken  Balken 
oder  Pfeilern  von  Mauerwerk.  Rund  um  die  Wände  laufen  Bänke,  und  in 
der  Mitte  des  Estrichs  ist  ein  viereckiger  Steinherd  für  das  Feuer.  Der 
Eintritt  geschieht  mit  Hülfe  einer  Leiter  durch  ein  Loch  in  der  Decke,  das 
gerade  über  dem  Feuerplatze  angebracht  ist,  so  dass  es  zugleich  als  Venti- 
lator dient  und  dem  Rauch  fi-eien  Austritt  gestattet.  Gewöhnhch  sind  sie 
von  runder  Form  und  von  grossen  und  kleinen  Dimensionen.  Sie  sind  ent- 
weder innerhalb  des  grossen  Bauplatzes  errichtet,  oder  in  den  Hof  ausser- 


Fig.  59. 


Scliwitzhütte  der  Indianer  von  Guatemala. 
Nach  StoU. 


C8.    Das  Dampfbad. 


139 


halb  desselben  eingegraben.  In  einigen  der  Ruinen  werden  sie  gefunden, 
erbaut  auf  der  Mitte  von  dem,  das  einst  ein  pyramidaler  Pfeiler  war,  und 
vier  Stockwerke  hoch.  In  Jemez  ist  die  Estufa  von  einem  Stockwerk,  25 
Fuss  breit  und  30  Fuss  hoch.  Die  Euineu  von  Chettro  Kettle  enthalten 
6  Estufas,  jede  2  oder  3  Stockwerke  hoch.  In  Bonito  sind  Estufas 
175  Fuss  im  Umfange,  erbaut  aus  abwechselnden  Schichten  von  dicken  und 
dünnen  Steinplatten." 

In  den  kleinen  Scliwitzhütten  der  nördlicheren  Stämme  wird  die  Ent- 
wickelung  des  Dampfes  dadurch  hervorgerufen,  dass  Steine  glühend  gemacht 
und  dann  mit  Wasser  Übergossen  werden.  Bisweilen  macht  man  die  Steine 
neben  der  Hütte  glühend  und  bringt  sie  dann  erst  in  die  Hütte  hinein, 
in  anderen  Fällen  aber  findet  die  Erhitzung  der  Steine  gleich  auf  dem  Boden 


Fig.  60.     Wöchnerin  der  Eouquouyennes-Indianer  im  Dampfbade. 

Nach.  Crevaux. 


der  Hütte  Statt.  Letzteres  scheint  das  häufigere  zu  sein.  Die  auf  diese 
Weise  hervorgerufene  Entwickeluug  des  Dampfes  wird  als  eine  ganz  ge- 
waltige geschildert,  als  „wahrhaft  erstickend",  und  er  erzeugt  in  kui'zer  Zeit 
eine  sehr  hochgradige  Transpiration.  Die  Schwitzhütte  der  Dacota -In- 
dianer ist  nur  3 — 4  Fuss  breit  und  ebenso  hoch;  die  glühend  gemachten 
Steine  haben  jeder  einzelne  ein  Gewicht  von  3 — 4  Kilo.  Bei  den  Nez- 
Percez  hat  dagegen  die  Schwitzhütte  bei  3  bis  zu  8  Fuss  Höhe  oft  einen 
Durchmesser  von  15  Fuss.  In  einer  so  kleinen  Hütte  muss  der  Patient 
natürliclier  Weise  hockend  verweilen,  während  ein  Gehülfe  ihm  die  glühenden 
Steine  mit  Wasser  begiesst. 

Bei  den  Central -Mexicanern  wird  der  Patient  mit  den  Füssen 
voran  wie  in  einen  Backofen  hineingeschoben  und  er  liegt  dann,  durch  eine 
untergebreitete  Matte  gescliützt,  auf  den  heissen  Steinen  mit  dem  Kopfe  in  der 


140  VII.    Die  Wassercur. 

Nähe  des  Luftloches.  lu  den  grösseren  Temescali  liegen  die  Scbwitzendeu 
mit  den  Füssen  gegen  das  Feuer  gekelii-t.  Bei  den  Rouquouyennes- 
Indianeru  in  Süd -Amerika  wird  der  Patient  oberhalb  der  Steine  in  einer 
Hängematte  gelagert  (Fig.  60).  Diese  Proceduren  werden  stets  vollständig 
nackend  vorgenommen.  Unmittelbar  aus  dem  Schwitzraume  mit  seiner  oft 
wahrhaft  erstickenden  Luft  stürzen  sich  die  Indianer  in  das  kalte  Wasser 
des  benachbarten  Flusses. 

Ln  Principe  sehr  ähnlich  ist  eine  Schwitzvorrichtung,  wie  sie  die  Nar- 
rinyeri  in  Süd- Australien  bei  rheumatischen  Affectionen  anwenden. 
„Sie  zünden  ein  Feuer  an  und  machen  Steine  heiss,  wie  zum  Kochen.  Dann 
machen  sie  eine  Art  Gestell  aus  Stangen  und  der  Kranke  wird  darauf  ge- 
setzt. Unter  das  Gestell  bringen  sie  einige  der  heissen  Steine  und  giessen, 
nachdem  sie  den  Ki-ankeu  mit  Wolldecken  bis  zum  Kopfe  eingehüllt  und 
die  mit  heissen  Steinen  bedeckte  Stelle  ebenso  abgeschlossen  haben,  Wasser 
auf  die  Steine  und  der  Dampf  steigt  dann  unter  den  Decken  auf  und  hüllt 
den  Körper  der  Patienten  ein.  Diese  Behandlungsmethode  ist  oft  sehr  er- 
folgreich." 

In  Nord-Californien  wird  das  Feuer  im  Temescal  im  Anfange 
des  AVinters  entzündet  und  darf  bis  zum  Frühjahr  nicht  erlöschen.  Diese 
Art  der  profusen  Schweissentwickelung  wird  gegen  allerlei  Krankheit  an- 
gewendet, aber  es  ist  auch  eine  hervorragend  hygieinische  Maassnahme,  um 
sich  den  Körper  gesund  zu  erhalten.  Doch  das  Schwitzhaus  dient  auch 
rituellen  Zwecken,  und  keine  wichtige  politische  und  religiöse  Vornahme, 
kein  Medicin-Tanz ,  ja  nicht  einmal  die  Besichtigung  seiner  Medicamente 
seitens  des  Medicin-Mannes  kann  vorgenommen  werden,  ohne  dass  zuvor 
die  speciell  bei  der  Feier  Betheiligten  die  reinigende  und  heiligende  Ein- 
wirkung eines  Schwitzbades  hätten  auf  sich  einwirken  lassen.  Darum  ist 
bei  manchen  Stämmen  das  Schwitzhaus  nur  den  Auserwählten  zugänglich. 
Weiber  dürfen  bei  den  Schastas  und  einigen  anderen  Stämmen  nur  hinein^ 
wenn  sie  dem  ärztlichen  Stande  angehören.  Bei  den  Pueblos  schlafen  die 
Männer  im  Temescal  und  die  Frauen  dürfen  ihnen  nur  das  Essen  dorthin 
bringen.  Gottesdienste  und  Rathsversammlungeu  werden  darin  abgehalten. 
Bei  den  Dacota  und  den  benachbarten  Indianern  wird  die  gewöhnliche 
Schwitzhütte  aus  vier  Pfosten,  diejenige  für  feierliche  Vornahmen  aus  acht 
Pfosten  construirt.  In  letzterem  Falle  werden  auch  acht  glühend  gemachte 
Steine  hineingebracht.  Wenn  es  sich  aber  um  ein  besonders  grosses  Medicin- 
Fest  handelt,  dann  sind  für  die  Schwitzhütte  neunzig  Pfosten  und  neunzig 
Heizsteine  erforderlich . 

Ueber  die  Schwitzhütten  erhielt  Gatscliet  von  einer  K 1  a  m  a  t  h  - 
Indianerin  in  Oregon  folgenden  Bericht:  „Das  Seevolk  hat  zwei  Arten 
von  Schwitz-Hütten.  Zu  weinen  über  einen  Todten,  sie  bauen  Schwitz- 
Hütten,  den  Boden  ausgrabend;  sie  werden  gedeckt,  diese  Schwitz-Hütten, 
mit  Erde  zugedeckt.  Eine  andere  Schwitz-Hütte  bauen  sie  von  Weiden, 
einem  kleinen  Cajüten-Fenster  ähnlich.  Blankets  breiten  sie  über  die 
Schwitz-Hütte,  wenn  in  ihr  sie  schwitzen;  Wenn  Kinder  sterben,  oder 
Avenn  ein  Ehemann  Wittwer  wird,  oder  die  Frau  verwittwet  wird,  sie  weint 
aus  Ursache  des  Todes,  gehen  schwitzen  viele  Angehörige,  die  er  zurück- 
gelassen hat;  fünf  Tage  schwitzen  sie  dann.  Sammelnd  die  Steine,  sie 
machen   sie    heiss,    sie    häufen    sie    auf  (nach  dem  Gebrauch);    diese  Steine 


C8.    Das  Dampfbad.  141 

haben  niemals  gedient  zum  Schwitzen.  Die  Schwitz-Hütte,  vor  ihr  machen 
sie  sie  heiss,  heiss  wenn  sie  sind,  sie  bringen  zugleich  sie  hinein,  giessen 
auf  sie  Wasser,  sie  besprengen.  Sie  schwitzen  dann  mehrere  Stunden  und 
wenn  sie  hinreichend  gewärmt  sind,  so  verlassen  sie  und  sie  kühlen  sich 
selbst  ab,  ohne  Anzug,  nur  baden  gehen  in  einen  Bach,  Fluss  oder  See 
dabei.  Sie  wollen  schwitzen  für  lange  Stunden,  um  sich  stark  zu  machen, 
so  biegen  sie  nieder  junge  Fichtenzweige,  sie  binden  zusammen  kleine 
Baumzweige  mit  Stricken.  Von  Weidenrinde  die  Stricke  sie  machen.  Nach 
Hause  gehend  häufen  sie  Steinhügel  auf,  kleine  Steine  zur  Erinnerung  an 
den  Todten,  Steine  von  gleicher  Grösse  aussuchend." 


VIII. 

Massagecuren 


69.  Die  legitime  Massage. 

Einer  Behaudlungsmethocle  haben  wir  noch  zu  gedenken,  welche  nament- 
hch  in  Japan  und  in  niederländisch  Indien  eine  weite  Verbreitung 
gefunden  hat.  Die  Japaner  nennen  sie  Ambuk  (Fig.  61),  die  Malayen 
Pitjak.  Es  ist  eine  regelrecht  ausgeführte  Massage.  Die  höchst  angenehme 
und  wohlthätige  Wirkung  derselben  wird  uns  von  den  verschiedensten 
Seiten  bestätigt.  Das  Gefühl  der  Ermüdung  und  Mattigkeit  soll  schnell 
dadurch  schwinden  und  allerlei  Schmerzen  werden  eiligst  durch  sie  beseitigt. 
Es  möge  genügen,  wenn  wir  hier  anführen,  was  Thomsen  aus  persönlicher 
Erfahruno;  über  diese  Maassnahme  sagt.    Er  lernte  sie  auf  der  Oster insel 


Fig.  61.   Massage.   Nach  einem  japanischen  Holzschnitt. 
Im  Besitz  des  Museums  für  Völkerkunde,  Berlin. 

kennen,  wo  sie  mit  dem  Namen  Lomilomi  bezeichnet  wird:  „Bei  mehr  als 
einer  Gelegenheit  habe  ich  mich  selber  von  der  Thatsache  überzeugt,  völlig 
erschöpft  diu-ch  Ueberanstrengung,  und  mich  den  geschickten  Knetungen, 
Frictionen  und  dem  Streichen  und  Drücken  der  in  dieser  Behandlung  Be- 
wanderten überlassend.  Der  hartfäustige  Eingeborene  ist  keineswegs  zart 
bei  der  Operation,  sondern  mit  den  Handflächen  und  Knöcheln  traktirt  er 
gewaltig  jeden  Muskel  und  jede  Sehne  sowohl,  wie  auch  jedes  Gelenk  und 
jeden  Wirbel,  bis  der  erschöpfte  Patient  in  einen  Zustand  von  vergessender 
Somnolenz  sinkt." 

Selbst  auf  die  ungünstige  Lage  der  Frucht  im  Mutterleibe  vermögen 
geschickte  Masseure  verbessernd  einzuwirken,  wie  uns  mancherlei  Angaben 
über  die  malayisclien  Völker  bestätigen.     Dass  auch  in  Persien  und  in 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  10 


140  VIII.    Massagecuren. 

der  Türkei    das    Kueteu    eine    sich    dem  Bade    gewöhnlich    anschhessende 
Maassnahme  ist,  das  dürfte  wohl  allgemein  bekannt  sein. 

Von  den  Samoauern  berichtet  Turner:  „Massage  und  Einsalbungen 
mit  wohlriechendem  Oel  ist  bei  den  eingeborenen  Aerzten  gewöhnlich  und 
hierzu  werden  häufig  Zaubermittel  gefugt,  bestehend  aus  Waldblumen  in 
einheimisches  Zeug  gewickelt  und  auf  einen  sichtbaren  Platz  auf  das  Dach 
über  dem  Kranken  gelegt." 


70.  Die  yersteckte  Massage. 

Viele  Manipulationen  der  Medicin-Männer  nun  können  wir  nicht  um- 
hin, ebenfalls  als  eine  Form  der  Massage  anzusprechen.  "Wenn  wir  er- 
fahren, dass  der  Medicin-Mann  den  Patienten  mit  den  Händen  knetet  und 
packt,  ihn  mit  den  Fäusten,  den  Knieen  und  den  Füssen  di-ückt,  ihn  schlägt, 
ihn  stösst  und  seinen  Körper  reibt,  während  er  dabei  seine  monotonen  Be- 
schw'örungsgesänge  erschallen  lässt,  so  ist  das  doch  eine  Massage,  die  er 
ausführt;  und  wenn  wir  auch  sehr  gern  anerkennen  wollen,  dass  bei  der 
Beseitigung  der  Beschwerden  des  Kranken  die  durch  des  Medicin-Mannes 
wundersames  Gebahren  hervorgerufene  Suggestion  eine  erhebliche  Rolle 
spielt,  so  werden  wir  die  Heilwirkung  dieser  massirendeu  Handgriffe  doch 
auch  nicht  unterschätzen  dürfen. 

Wenn  einem  Siamesen  von  einem  bösen  Feinde,  gewöhnlich  von 
einem  Laoten,  durch  Zauberei  Dämonen  (Phi  Phob)  in  den  Körper  getrieben 
wurden,  so  lässt  er  einen  Mo -Phi,  einen  Dämonenarzt  rufen,  deren  be- 
rühmteste Cambodjer  sind.  Dieser  vertreibt  ihm  die  bösen  Geister  ..durch 
Fächeln  und  Beiben  mit  Heilkräutern".  Auch  bei  den  Mincopies  auf 
den  Andamanen  ist  solch  ein  Reiben  im  Gebrauch.  Hier  übernehmen 
die  Freunde  eines  am  Fieber  Erkrankten  den  Liebesdienst,  ihren  kranken 
Genossen  fortwährend  mit  grossen  Gü' gm a -Blättern  zu  reiben.  ,,Da  nur 
eine  kleine  Anzahl  dieser  Fälle  tödtlich  endet,  so  wird  ein  grosses  Vertrauen 
in  diese  Behandlung  gesetzt,  welche  jedenfalls  keinen  Schaden  anzurichten 
im  Stande  ist." 

Turner  berichtet  von  der  Südsee -In  sei  Fakaofo  oder  der  Bow- 
di  teil -Insel.  „Abgesehen  von  dem  Gotte  Tui  Tolelau  war  hier  ein  be- 
sonderer, Krankheiten  verursachender  Gott,  dessen  Priester  vom  Kranken 
Opfer  von  feinen  Matten  empfing.  Wenn  die  Freunde  des  Ki-anken  ein 
Geschenk  zu  dem  Priester  brachten,  so  versprach  er,  zu  dem  Gott  für  die 
Wiederherstellung  zu  beten,  und  dann  ging  er  zum  KJranken  und  salbte 
ihm  den  befallenen  Theil  mit  Oel.  Er  benutzte  kein  besonderes  Oel.  Wenn 
er  sich  niedergesetzt  hatte,  so  rief  er  irgend  Jemanden  von  der  Familie, 
ihm  Oel  zu  reichen,  und  nachdem  er  die  Hand  in  die  Schale  getaucht 
hatte,  strich  er  sanft  zwei  bis  dreimal  über  den  befallenen  Theil.  Medicin 
wurde  für  den  Kranken  nicht  benutzt.  Wenn  der  Körper  heiss  war,  legten 
sie  ihn  in  kaltes  Wasser;  wenn  er  kalt  w^ar,  zündeten  sie  ein  Feuer  an 
und  wärmten  ihn." 

Die  wohlthätige  Wirkung  eines  circulären  Druckes,  um  bestimmte 
Schmerzen  zu  lindern,  ist  den  Naturvölkern  wohl  bekannt.  Ein  circulär 
um    den  Kopf  gelegtes  Band   oder  Tuch    wird    fest   zusammengeschnürt  in 


70.    Die  versteckte  Massage. 


147 


Mittel-Sumatra,  sowie  bei  den  Australuegeru  vom  Port  Lincoln  und 
von  Victoria. 

Am  Yukon-Fluss  in  Alaska  sah  Jacohsen  die  Behandlung  eines 
an  einem  epidemischen  Schnupfen  und  Husten  (also  vielleicht  an  einer 
Influenza)  erkrankten  Mädchens.  „Wälu^end  sie  schwach  und  kraftlos  dalag, 
band  der  Medicin-Mann  einen  Lederriemen  um  ihren  Kopf,  steckte  einen 
Stock  durch  den  Riemen  und  hob  den  Kopf  mit  jeder  Minute  hoch  und 
senkte  ihn  wieder  hinab.  Dabei  führte  er  ein  ernstes  Gespräch  mit  dem 
Teufel  (Tonrak),  indem  er  denselben  bald  heftig  bedrohte,  bald  ihn  flehent- 
lich bat,  die  Patientin  zu  verlassen,  indem  er  ihm  zugleich  „Tobaky" 
versprach." 

Bei  den  Australiern  ist  auch  ein  sehr  festes  Zuziehen  des  Gürtels 
gebräuchlich,  um  sich  von  Schmerzen  zu  befi'eien.  Ein  bevorzugtes  Mittel 
bei  den  Skagit-In- 
dianern  in  Bri- 
tisch -  Columbien 
in  der  Lungen- 
schwindsucht ist  das 
Herumbinden  eines 
Strickes  fest  um  den 
Brustkorl) ,  um  auf 
diese  Weise  das 
Zwerchfell  zu  zwin- 
gen, dass  es  tiefe 
Respirations  -  Beweg- 
ungen macht,  ohne 
die  Hülfe  der  Brust- 
muskeln in  Anspruch 
zu  nehmen. 

Die  Mincopies 
auf    den    A  n  d  a  m  a  - 
neu   haben   mehrere 
Methoden,  bei  denen 
die      circuläre     Um- 
schliessung    des    lei- 
denden Theiles  zur  Geltung  kommt:  ..Gegen  Husten  kauen  sie  den  dicken 
Theil  der  langen  Blätter  einer  ji-ni  genannten  Pflanze  (Alpinia  spec),  und 
wenn  sie  den  bitteren  Saft  ausgekaut  und  heruntergeschluckt  haben,  binden 
sie  die  ausgekauten  Fasern  rings  um  den  Hals." 

Bei  allerlei  schmerzhaften  Klrankheiten  aber  umgeben  sie  den  kranken 
Körpertheil  mit  einer  besonderen  Art  ihrer  Halsbänder,  welche  den  Namen 
Tschon-ga-tah  führen  (Fig.  62).  Diese  Halsbänder  sind  überwiegend  aus 
Menschenknochen,  bisweilen  auch  aus  denen  der  Scliil(ikröte  gefertigt  und 
ausserdem  mit  Dentalium  octogonum  oder  Helix-Ai'ten  verziert.  Die  Knochen 
sind  mit  rother  Farbe  dick  überstrichen,  so  dass  sie  nur  mit  ihren  Enden  jfrei 
aus  dieser  aufgetragenen  farbigen  Masse  hervorsehen.  Sie  sind  auf  ebenfalls 
rothgefärbte  Bindfäden  mit  Hülfe  von  Durchbohrungen  in  ihrer  Längsaxe 
aufgereiht.  Einzelne  Knochen  sind  auch  ausserdem  noch  in  rothe  Lajjpen  ge- 
wickelt. Es  wird  bei  diesen  Menschenknochen,  wie  Man  berichtet,  nicht  für  noth- 

10* 


Fig.  62.    Tschon-ga-tah,   zauberkräftiges  Halsband  aus  Menschen- 
knochen.    Mincopies  (Andamanen). 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


148  VIII.    Massagecuren. 

wendig  erachtet,  dass  sie  einem  Erwachsenen  augehört  haben;  auch  diejenigen 
von  Kindern  werden  als  wirksam  betrachtet  und  das  in  Fig.  G2  abgebildete 
Tschon-ga-tah  enthält  unter  anderen  ein  Wadenbein  und  zwei  Schlüsselbeine 
von  Kindern.  Ausgefallene  Zähne  und  Kielerstückej  sowie  auch  die  Knochen 
schon  vor  langer  Zeit  Verstorbener  werden  ebenfalls  bisweilen  zu  solch 
einem  Halsschmucke  verarbeitet.  Der  Glaube  ist,  dass  durch  die  Wirksam- 
keit des  entkörperten  Geistes,  dem  einstmals  diese  Knochen  angehörten, 
dem  Träger  vor  den  Dämonen  der  Ki-ankheit  Schutz  gewährt  wird  aus 
Dankbarkeit  für  die  Achtung  und  das  Gedenken,  was  man  dem  Geiste 
dadurch  erweist,  dass  man  seine  Knochen  als  Halsschmuck  trägt. 

Nicht  selten  borgen  auch  mehrere  Freunde  gleichzeitig  dem  Kranken 
ihren  Halsschmuck,  damit  er  sein  krankes  Glied  damit  umschlingen  könne. 

Dass  die  Medicin-Männer  bei  ihren  massirenden  Handgriffen  für  ge- 
wöhnlich nicht  gerade  sehr  zart  vorgehen,  das  haben  wir  schon  von  den 
Oster-Insulanern  erfahren.  Es  wird  uns  allerdings  mehrmals  nur  von 
einem  Reiben  berichtet,  so  aus  Kroe  und  Mittel-Sumatra,  von  den 
Yamamadi-Indianern  und  aus  Victoria;  aber  hier  wurde  wenigstens 
in  einem  Falle  das  Reiben  mit  heisser  Asche  so  gewaltsam  vorgenommen, 
„als  wenn  der  Schlächter  Fleisch  einsalzen  wolle".  Sonst  wird  vom  Pressen, 
Kneten  und  Drücken  gesprochen,  was  mehrmals  noch  besonders  als  stark 
bezeichnet  wird.  Nicht  nur  die  Finger,  sondern  auch  die  Fäuste,  ja  selbst 
die  Kniee  werden  hierzu  benutzt  und  bei  den  Narrinyeri  in  Süd- 
Australien  wird  dieses  fortgesetzt,  bis  der  Kranke  stöhnt.  Der  Bauch  und 
die  Herzgrube  sind  für  diese  Maassnahmen  besonders  beliebt.  Vielfach 
wird  auch  vom  Stossen  und  Schlagen  des  Körpers  gesprochen,  und  wenn 
man  sich  klar  macht,  wie  der  Medicin-Mann  bei  seinen  Beschwörangs- 
versuchen  tanzt  und  umherspringt  und  immer  wieder  über  den  Patienten 
herfällt,  so  kann  man  es  sich  ja  auch  deutlich  vorstellen,  wie  selbst  jene 
Handgriffe,  die  er  als  zarte  beabsichtigt,  doch  einen  gewissen  Grad  von 
Gewalt  und  Heftigkeit  erhalten  müssen.  Es  wird  uns  kaum  befremden, 
dass  bei  solch  rohem  Vorgehen  der  tödtliche  Ausgang  öfter  beschleu- 
nigt wird. 

Bei  den  Australnegern  und  den  Annamiten  werden  auch  die  Füsse 
zum  Massiren  gebraucht.  Die  Eingeborenen  von  Victoria  treten  den  Bauch 
und  den  Rücken  des  Kranken,  der  zu  diesem  Zwecke  bisweilen  von  vier 
Schwarzen  gehalten  wird.  Manchmal  geht  es  sehr  roh  hierbei  zu:  der 
Medicin-Mann  „setzt  seinen  Fuss  an  das  Ohr  des  Patienten  und  })resst 
dasselbe,  bis  dem  Banken  buchstäblich  das  Wasser  aus  den  Augen  strömt." 
Dem  Berichterstatter  sind  aber  Fälle  bekannt,  wo  durch  diese  Gewaltmaass- 
regel die  völlige  Heilung  herbeigeführt  wurde.  Auf  einer  Handzeichnung 
von  George  Gattin  sehen  wir,  wie  der  Medicin-Mann  der  Schwarzfuss- 
Tn dianer  dem  Ki'anken  seinen  Fuss  auf  den  Bauch  gesetzt  hat  (Fig.  63). 

V^on  den  Australneger-Stämmen  am  Port  Lincoln  Avird  der  Unter- 
leib des  Kranken  getreten,  es  wird  aber  ganz  besonders  hervorgehoben,  dass 
dieses  Treten  ein  sanftes  ist.  Sanft  tritt  auch  die  Hebamme  bei  den  Anna- 
miten den  Leib  der  soeben  entbundenen  Frau,  um  so  die  Nachgeburt  zu 
entfernen.  Sie  hält  sich  dabei  an  einem  Dachljalkeu  des  Hauses  schwelgend 
fest  und  steigert  dann  allmählich  den  Druck ,  so  dass  die  Procedur  für  die 
Frau  doch  schliesslich  eine  ganz  empfindliche  wird. 


70.    Die  versteckte  Massage. 


149 


Aber  das  Kneten,  Reiben  und  Streichen  kann  auch  ganz  sanft  aus- 
geftihrt  werden,  namentlich  wenn  weibliche  Hände  die  Massage  vollführen: 
Samuel  Ella  sah  oft  in  den  Hütten  der  Südsee-Insulaner  den  Ehegatten 
oder  den  Sohn  mit  dem  Kopfe  auf  dem  Schoosse  des  Weibes  liegen,  das 
langsam  und  bedächtig  mit  ihren  Händen,  oder  besser  noch  mit  ihi'en 
Fingerspitzen  die  Stirn,  die  Schläfen  und  den  Scheitel  in  ihrem  Schoosse 
knetete,  und  dabei  leise  ein  Lied  vor  sich  hin  sang.  Das  wirkte  besser,  wie 
ein  Narcoticum.  Der  Ki-anke  schlief  ein  und  wenn  er  erwachte  war  die 
Neuralgie  und  der  Kopfschmerz  verschwunden. 


Fig.  63.   Medicin-Mann  der  Schwarzfuss-Indianer,  einen  Kranken  behandelnd. 
Nach  einer  Zeichnung  von  Catlin  im  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 


Wenigstens  im  Anfange  sanft  ist  auch  eine  Art  der  Massage,  welche 
die  Eingeborenen  von  Victoria  bei  Rheumatismus  und  ähnlichen  Be- 
schwerden anwenden.  Der  Arzt  setzt  sich  dem  Kranken  gegenüber,  stimmt 
einen  eintönigen  Gesang  an  und  streicht  in  Zwischenräumen  abwärts  über 
den  befallenen  Theil.  Allerdings  schliesst  sich  dann  diesem  Verfahren  auch 
das  Reiben  mit  heisser  Asche  und  das  Schlagen  gegen  den  Körper  an. 

Im  westlichen  Borneo  haben  die  Medi ein  -  Männer  die  Gewohnheit, 
ihre  Patienten  stundenlang  mit  einer  Art  von  Steinen  zu  bestreichen,  welche 
sie  behaupten  von  den  Geistern  bekommen  zu  haben.  Es  ist  wohl  hier 
nicht  zu  bezweifeln,  dass  solch  ein  Bestreichen,  welches  mehrere  Stunden 
ohne  Unterbrechung  anhält,  nicht  ohne  eine  hypnotische  Einwirkung  auf 
den  Kranken  abgehen  kann. 


IX. 


Verhaltungsvorschriften  für  den 

Kranken. 


71.  Die  Diät. 

Au  manchen  Anzeichen  konnten  wir  bereits  erkennen,  dass  den  Natur- 
völkern ein  gewisses  Verständniss  für  hygieinische  und  prophylactische  Maass- 
regeln nicht  vollständig  unbekannt  ist.  Und  so  finden  wir  auch  bei  ihrer 
Ki'ankenbehandlung  einiges,  was  wir  der  grossen  Gruppe  der  diätetischen 
Vorschriften  einziu'eihen  vermögen.  Nicht  Alles  erscheint  uns  hier  zweck- 
mässig und  uachahmungswerth,  und  vielfachen  Aberglauben  sehen  wir  hier- 
mit verquickt.  Manches  aber  mag  für  gewisse  körperliche  Leiden  ganz 
rationell  und  zweckmässig  sein,  z.  B.  ihre  Brechmittel  und  Purganzen. 
Bei  der  Besj)rechung  dieser  im  Allgemeinen  als  diätetisch  zu  bezeichnenden 
Verordnungen  beginnen  wir  zuerst  mit  der  Diät.  Prophylactisch  spielt 
dieselbe  eine  grosse  Rolle  während  der  gesammten  Schwangerschaft.  Allerlei 
Speisen  sind  sorgfältig  zu  meiden,  weil  sie  dem  im  Mutterleibe  keimenden 
Leben  Schaden  und  Krankheit  zu  bringen  vermögen.  Ja  selbst  auf  den 
Yater  werden  diese  Speiseverbote  ausgedehnt,  und  eine  Uebertretung  der- 
selben von  seiner  Seite  vermag  ebenfalls  den  Embryo  schwer  zu  schädigen 
und  dessen  Seele  zu  beunruhigen.  Auch  nach  einem  Traume  darf  man 
nicht  zu  frühzeitig  Nahrung  zu  sich  nehmen,  weil  man  sonst  den  Seinigen 
Krankheiten  zu  bringen  vermag.  Wir  ersehen  das  aus  dem  Beschwörungs- 
gesange  eines  Medicin-Maunes  der  Klamath- In  dianer,  welcher  lautet: 

„Deshalb  war  dieser  (der  Patient)  beschädigt,  weil  die  Mutter  nach  dem 
Träumen  in  der  Frühe  gegessen  hatte.  Nun  kehrt  er  gegen  das  Geisterland 
sein  Gesicht." 

Den  Ipurina -In dianern  ist  das  Harpuniren  der  Flussrochen  ver- 
boten, weil  der  Genuss  ihres  Fettes  Blindheit  verursachen  soll. 

Aber  nicht  nur  als  vorbeugende  Maassregel,  sondern  auch  in  den  Fällen 
von  wirklicher  Erkrankung  treten  uns  diätetische  Vorschriften  mehrfach 
entgegen.  Bei  einer  antisyphilitischen  Cur  ist  es  den  Marokkanern  vor- 
geschrieben, das  "Wasser  nur  in  abgekochtem  Zustande  zu  geniessen.  Auch 
die  Dacota-In dianer  halten  bei  Krankheiten  das  Wassertrinken  für  schäd- 
lich, weil  es  Galle  erzeuge.  Ihre  Patienten  dürfen  nur  bestimmte  medica- 
mentöse  Tränke,  die  schleimig,  bitter  oder  adstringirend  sind,  zu  sich  nehmen, 
um  ihren  Durst  zu  stillen.  Die  Chippeway  verbieten  das  Wasser,  wenn 
eine  Wolfsmilchart  (Euphorbia  corollata)  als  Abführmittel  verordnet  ist. 
Eine  Reihe  von  Todesfällen  werden  auf  die  Uebertretung  dieses  Verbotes 
geschoben.     Den   Australnegern    in   Victoria    verbieten    ihre    Medicin- 


154  IX.    Verhaltungsvorschriften  für  den  Kranken. 

prämier,  wenn  sie  au  Fieber  leiden,  animalische  Kost.  Die  Indianer  von 
Honduras  setzen  ihre  Kranken  auf  eine  strenge  Diät,  welche  hauptsäch- 
lich aus  Iguana-Brühe  bestehen  soll.  Die  Neu-Mexicaner  unterziehen 
sich  bei  Hautkrankheiten  einer  Hungercur.  Die  Dacota-Tii dianer  stopfen 
ihre  Patienten  mit  Fleisch  und  starken  8u])pen. 

..Nach  der  Ansicht  der  chinesischen  Aerzte,  schreibt  Bastian,  rühren 
fast  alle  Krankheiten,  mehr  oder  weniger  direct,  von  Flatulenz  her,  weshalb 
die  Ja-Lom  genannten  Medicinen  vielfach  gebraucht  werden,  um  als  Carmi- 
native  die  Winde  (Lom)  abzutreiben.  Hühner  und  Orangen  Averden  von 
den  Siamesen  unter  diejenigen  Dinge  gerechnet,  die  Salong  sind,  d.  h. 
dem  Kranken  schädlich  und  deshalb  von  ihm  zu  vermeiden.  Andere  Ess- 
sachen müssen  dagegen  bis  zum  letzten  Augenblick  eingestopft  werden,  um 
Leib  und  Seele  zusammenzuhalten.'- 

Die  Eingeborenen  der  Inseln  Leti,  Moa  und  Lakor  haben  bei  der 
Kolik  Fleisch,  Fische,  Zucker  und  spanischen  Pfeffer  zu  meiden.  Den 
Watubela-Insulanern  ist  bei  dem  Aussatz  den  Octopus  (Tintenfisch)  zu 
essen  verboten.  Die  Pockenkranken  in  Mittel- Sumatra  dürfen  nichts 
Saures  und  keinen  Pfeöer  geniessen,  und  bei  den  Annamiten  dürfen  sie 
zur  Zeit  der  Abschuppung  keine  schuppentragenden  Fische  essen.  Dafür 
isst  man,  um  die  zurückbleibenden  rotlien  Flecke  schnell  zu  vertreiben,  Krebse 
und  Krabben.  Auch  Nudeln  dürfen  pockenkranke  Annamiten  nicht  essen, 
wegen  der  Aehnlichkeit  derselben  mit  Würmern.  Sie  fürchten,  dass  diese 
in  die  durch  die  Krankheit  erweichten  inneren  Organe  in  die  Leber  und 
die  Lungen  eindringen  und  so  den  Tod  veriu'sachen  könnten. 

Ein  wichtiger  Gesprächsstoff  bei  gemeinsamen  Mahlzeiten,  sowie  ein 
Hauptgegeustand  der  Erörterung  bei  ärztlichen  Consultationen  bildet  auch 
in  Persien  die  Diät.  Namentlich  sind  es  Reissuppeu  mit  den  verschieden- 
artigsten Zusätzen,  welche  an  dem  Abführtage  oder  in  der  Reconvalescenz 
dem  Patienten  zu  verordnen  sind.  ..Auf  die  passende  Wahl  dieser  Ingre- 
dienzien, sagt  Polalc.  Granatäpfelkörner,  Pflaumen,  Oxymel,  Orangen-,  Li- 
monen-  und  saurer  Traubensaft,  Essig,  Dill,  Linsen,  Wicken,  saure  Milch, 
Knoblauch,  Tamarinden,  Chamillen,  Küi'bis  u.  s.  w,  wird  grosses  Gewicht 
gelegt,  da  man  jedem  einzelnen  sowohl,  als  den  verschiedenen  Mischungen 
eine  specielle  Wirkung  zuschreibt." 


73.  Sonstiges  Verhalten. 

Es  sind  aber  auch  noch  fernere  Vorschriften,  welche,  abgesehen  von 
der  leiblichen  Ernährung,  den  Kranken  von  ihren  Medicin-Männern  gemacht 
werden.  Eine  solche  treffen  wir  z.  B.  bei  den  Annamiten  und  wiederum 
während  der  Pocken  an.  Der  Reconvalescent  darf  nicht  barfuss  gehen,  aus 
Furcht,  auf  Hühnermist  zu  treten;  denn  das  würde  unfehlbar  einen  Rück- 
fall zur  Folge  haben.  Diese  und  die  vorher  erwähnte  Vorsicht,  d.  h.  die 
Vermeidung  des  Nudelessens,  müssen  möglichst  lange  l)eobachtet  werden, 
mindestens  aber  während  dreier  Monate  und  zehn  Tage. 

Die  Walla-Walla-Indianer  in  Nord-Amerika  weisen  ihre  Eecon- 
valescenten  an,  täglich  mehrere  Stunden  zu  singen.  Ob  hier  che  Absicht 
vorliegt,    die  Lunge  und  die  Brustmuskeln  zu  üben,    oder  ob  es  sich  allein 


72.    Sonstiges  Verhalte<n.  155 

um  Beschwörungsgesänge  oder  Dankeslieder  handelt,  darüber  ist  uns  nichts 
Näheres  bekannt.  Wenn  die  Samoaner  glauben,  dass  die  Le  Sa  (das 
heilige  Wesen)  genannte  Gottheit  in  einem  Krankheitsfalle  versöhnt  werden 
müsse,  so  rodet  der  Kranke  als  Sühne  ein  Stück  Waldland  aus,  was 
sicherlich  für  mancherlei  Yerdauungsbeschwerden  eine  unfehlbare  Hülfe 
schaffen  muss. 

Das  Schlafen  des  Kranken  wird  unter  Umständen  für  schadenbringend 
angesehen.  So  Hess  eine  Indianer-Frau  vom  Leech  Lake,  um  ihi^en 
schwer  erkrankten  zehnjährigen  Sohn  wiederherstellen  zu  lassen,  zehn  Medicin- 
Männer  herbeirufen,  damit  sie  den  Medicin-Gesang  sängen.  Jeder  musste 
;«vier  Gesänge  anstimmen,  und  während  dieser  ganzen  Zeit  durfte  das  arme, 
kranke  Kind  nicht  schlafen.  Die  Nieder-Californier  wiederholen  bei 
ihren  Schwerkranken  zu  Haus  die  Manipulationen,  welche  sie  den  Medicin- 
Mann  haben  vemchten  sehen.  Versucht  der  Patient  aber  einzuschlummern, 
so  halten  sie  das  für  den  herannahenden  Tod,  und  sie  wecken  ihn  dann 
durch  Stösse  und  Püffe,  die  sie  gegen  seinen  Kopf  und  seinen  Körper  aus- 
führen, in  der  Absicht,  ihm  das  Leben  nicht  entfliehen  zu  lassen. 

Ganz  besonders  vorsichtig  muss  sich  nach  einem  in  Marokko  herr- 
schenden Glauben  derjenige  halten,  welchem  die  Syphilis  vertrieben  werden 
soll.  Er  muss  allein  in  seinem  Zimmer  bleiben  und  darf  durch  Nichts  be- 
lästigt und  von  keinem  Gläubiger  behelligt  und  bedrängt  werden.  In 
letzterer  Beziehung  schützen  ihn  die  Gerichte.  Aber  auch  in  geschlecht- 
licher Beziehung  muss  er  jegliche  Aufregung  meiden;  nur  eine  alte  Frau 
oder  ein  männlicher  Verwandter  darf,  um  ihn  zu  bedienen,  sein  Zimmer 
betreten.  Ist  dem  Kranken  dennoch  eine  Aufregung  nicht  erspart  geblieben, 
so  muss  man  ihn  mit  Rosmarin  durchräuchern,  um  den  Schaden  wieder 
gut  zu  machen. 

Einer  besonderen  Maassnahme  haben  wir  noch  zu  gedenken,  welcher 
wir  auf  den  Watubela-Inseln  begegnen.  Wenn  hier  ein  Säugling  von 
Krankheit  befallen  wird,  so  ist  die  Mutter  verpflichtet,  die  ihm  verordneten 
Medicamente  einzunehmen,  damit  sie  dem  Kinde  durch  die  Muttermilch 
zugeführt  werden. 


X. 

Die  übernatürliche  Diagnose 


73.  Laien  diagiiosticiren  die  Kranklieit. 

Phantastisch,  wie  ihre  Auffassung  der  Krankheit,  sind  bei  den  Natur- 
völkern auch  vielfach  die  ärztlichen  Behandlungsmethoden.  Ist  die  Gott- 
heit erzürnt,  oder  ein  Gebot  üliertreteu,  so  ist  es  die  Sache  des  Medicin- 
Mannes,  zu  bestimmen,  durch  welche  Opfer  man  ihren  Zorn  zu  besänftigen 
und  die  begangene  Sünde  zu  sühnen  vermag.  Hat  ein  Dämon  sich  des 
Kranken  l)emächtigt,  so  muss  er  verjagt  und  vertrieben,  oder  gütlichst  über- 
redet oder  durch  Ueberlistung  veranlasst  werden,  die  neubezogene  Wohnung 
wieder  zu  verlassen.  Die  entflohene  Seele,  den  entführten  Schatten,  das 
geraubte  Nierenfett  u.  s.  w.  muss  man  dem  Räuber  abjagen  und  in  den 
KörjDer  des  Kranken  wiederum  zurückbringen,  eine  liöswillige  Bezauljerung 
muss  man  dm-ch  kräftigen  Gegenzau])er  brechen.  Ist  die  Krankheit  ein 
Fremdkörper  oder  ein  in  den  Leib  des  Patienten  hineingezaubertes  Thier, 
so  ist  es  die  Aufgabe  des  Arztes,  diese  Dinge  wieder  herauszubefördern. 
Hiermit  wird  bisweilen  gleichzeitig  auch  der  Versuch  zu  verbinden  sein,  die 
Letzteren  irgendwo  festzubannen,  sie  zu  vernichten  und  auf  immer  unschäd- 
lich zu  machen. 

In  manchen  Fällen  ist  bei  diesen  Maassnahmen  der  Medicin-Mann  mit 
dem  Kranken  allein;  in  der  Regel  aber  sind  die  Yerwandten  und  Freunde 
zugegen,  und  zuweilen  sogar  wird  die  Krankenbehandlung  zu  einer  grossen 
öffentlichen  Schaustellung,  zu  einer  rituellen  Ceremonie,  zu  einem  „Medicin- 
Tanze",  wozu  nicht  nur  die  Gaugenossen  sich  einfinden,  sondern  von  weit 
und  l)reit  viel  Volks  zusammenströmt. 

AVir  können  es  der  Vollständigkeit  wegen  nicht  unterlassen,  hier  einige 
Beispiele  solcher  übernatürlicher  Heilversuche  folgen  zu  lassen;  denn  hier 
und  da  sind  ihnen  Manipulationen  beigemischt,  welche  auch  in  dem  Heil- 
mittelschatze der  Culturvölker  allmählich  sich  eine  vollberechtigte  Stellung 
erworben  haben.  Dahin  gehört  die  kräftige  Massage,  nebst  der  Hypnose 
und  der  Suggestion. 

Soll  die  ärztliche  Behandlung  von  einem  günstigen  Erfolge  gekrönt 
sein,  so  kommt  es  natürlicher  AVeise  vor  Allem  darauf  au,  zuvor  die  richtige 
Diagnose  zu  stellen,  sich  über  die  Aetiologie  der  Krankheit,  über  ihi-e  Ent- 
stehungsursache ein  klares  Bild  zu  machen,  denn  hiervon  hängt  ja  doch 
ganz  wesentlich  die  Wahl  der  richtigen  Methode  der  Behandlung  ab.  Um 
diesen  Zweck  nun  sicher  zu  erreichen,  werden  von  den  Naturvölkern  ver- 
schiedenartige Wege  eingeschlagen. 


160  X.    Die  überuatürliclie  Diagnose. 

Fast  inüsste  es  als  überflüssig  ersclieinen,  wenn  wir  hier  noch  zuvor 
auf  die  Erörterung  der  Frage  eingehen,  wer  denn  nun  eigentlich  diese 
Diagnose  stellt  und  ihr  entsprechend  die  Behandlungsmethode  auswählt. 
Man  sollte  meinen,  dass  dieses  stets  das  Amt  und  Vorrecht  des  Medicin- 
Mannes  sei.  Für  die  Mehrzahl  der  Fälle  trifft  das  nun  allerdings  auch  zu. 
wir  begegnen  aber  auch  einigen  interessanten  Ausnahmen  von  dieser  Regel. 

Wenn  bei  den  Indianern  in  Central -Mexico  Jemand  erkrankt, 
so  kommen  seine  Freunde  und  Verwandten  bei  ihm  zusammen,  um  über 
die  Xatur  seines  Leidens  und  über  die  dagegen  einzuschlagende  Curmethode 
eine  Berathung  abzuhalten.  Auch  bei  den  Navajo  von  Arizona  finden 
wir  etwas  ganz  Aelmliches.  "Wenn  hier  ein  Kranker  es  für  wünschens- 
werth  hält,  dass  zu  seiner  Wiederherstellung  ein  grosser  Mediciu-Tanz  al)- 
gehalten  werde,  so  ist  es  auch  nicht  der  Medicin-Mann,  der  die  für  diesen 
Krankheitsfall  geeignete  Art  des  Mediciu-Tanzes  bestimmt,  sondern  die 
Freunde  und  Verwandten  des  Erkrankten  stellen  fest,  welcher  von  den  ver- 
schiedenen Medicin-Täuzen  für  diese  Krankheit  von  dem  Medicin-Manne 
inscenirt  w^erdeu  soll.  Das  klingt  nun  sehr  absonderlich,  und  dennoch  müssen 
wir  uns  fragen,  kommt  denn  bei  uns  in  Europa  gar  nichts  Derartiges  vor? 
Sehen  wir  denn  nicht  bei  unserem  Landvolke  im  Grunde  genommen  ganz 
das  Gleiche?  Ist  es  denn  nicht  auch  hier  der  hohe  Familienrath  und  zwar 
vorzugsweise  der  weibliche  Theil  desselben,  welcher  sich  um  das  Kranken- 
bett versammelt  und  auf  das  Eingehendste  deliberirt  und  erörtert,  w^o  der 
Patient  die  Krankheit  her  hat,  „wovon  es  sich  angesponnen  hat"  und  wen 
von  dem  grossen  Heilpersonale  man  nun  herbeiholen  müsse,  den  Ej'äuter- 
mann,  den  Besprecher,  den  Gliedersetzer  oder  die  Streichfi^au,  oder  vielleicht 
gar  den  Pater  Kapuziner,  um  „das  böse  Wesen"  zu  vertreiben? 

Bei  den  Samoanern  hatten  wir  schon  gesehen,  dass  es  der  Priester 
ist,  welcher  den  Grund  der  Krankheit  angiebt.  Er  bestimmt  aber  zugleich 
auch  die  Opfergaben,  welche  dem  Patienten  die  Heilung  verschaffen  werden. 

Aber  auch  wenn  bei  den  Naturvölkern  sofort  der  Medicin-Mann  herbei- 
gerufen wird,  bedarf  er  doch  bisweilen  noch  einer  besonderen  Mittelsperson 
behufs  Entscheidung  der  Diagnose.  Bei  den  von  Serpa  Pinto  besuchten 
Ganguella-Negern  am  Zambesi  wendet  man  sich  zu  diesem  Zweck  zu- 
vor erst  an  den  Wahrsager,  und  nach  dessen  Ausspruch  richtet  dann  der 
Medicin-Mann  seinen  Heilplan  ein.  In  Buru  muss  der  Arzt  ein  Weib  erst 
in  einen  hypnotischen  Zustand  versetzen,  in  welchem  sie  dann  die  wahre 
Ursache  der  Erkrankung  zu  erkennen  vermag.  Auch  der  Medicin-Mann 
der  Annamiten  bedarf  für  die  Stellung  der  Diagnose  einer  besonderen 
Mittelsperson.  Es  ist  das  der  sogenannte  Ngoi  kinh,  sein  ständiger  Ge- 
hülfe. Auch  diesem  scheint  ein  hypnotischer  Zustand  die  Fähigkeit  des 
Hellsehens  zu  verleihen.  Man  setzt  ihn  hinter  einen  Banibusschirm,  Avelcher 
dann  dicht  mit  Decken  umhüllt  wird.  Ein  Opfer  wird  für  den  Ngöi  kinh 
dargebracht  und  darauf  zeigt  man  ihm  ausserhalb  der  Umhüllung  irgend 
einen  Gegenstand,  welchen  er  nun  erkennen  muss,  um  dadurch  zu  prüfen, 
ob  er  nun  hellsehend  geworden  ist.  Er  spricht  in  seinem  Käfig  ein  Gebet 
und  er  sieht  dann  eine  leuchtende  Klarheit  vor  seinen  Augen  niedersteigen, 
welche  ihn  den  vorgehaltenen  Gegenstand  deutlich  erkennen  lässt.  Nun 
schreitet  der  Thäy  phäp  zur  Ceremonie.  Unter  körperlichen  Verrenkungen 
lässt  er  seine  Anrufungen  erschallen,   und  nach  einiger  Zeit  erblickt  dann. 


I 


74.    Der  Medicin-Mann  stellt  die  Diagnose.  161 

■wenn  die  Beschwörungen  erfolgreich  sind,  das  Medium  einen  Schatten, 
■welcher  von  dem  Opfer  isst.  Dieses  theilt  er  nun  dem  Medicin-Manne  und 
den  an^wesenden  Zuschauern  mit,  denn  dieser  Schatten  ist  der  Dämon, 
welcher  die  Krankheit  verursacht  hat.  Nun  ist  der  Thäy  phai)  orientirt 
und  seine  Sache  ist  es  jetzt,  mit  diesem  Dämon  fertig  zu  werden. 

Bei  den  Loango-Negern  lässt  man  nach  Bastian  in  Krankheitsfällen 
einen  im  Prophezeien  geschickten  Ganga  rufen,  der  sich  bei  Anbruch  der 
Dunkelheit  vor  einem  Feuer  in  Extase  versetzt  und  dann  gegen  Mitternacht 
bewusstlos  niederfällt.  Bei  der  Rückkehr  zum  Leben  bestimmt  er  dann,  ob 
es  ein  Endoxe  (Zauberer)  gewesen,  der  die  Krankheit  verursacht,  ob  ein 
Bruch  der  Quixilles  (der '  Speiseverbote)  oder  ob  ein  Fetisch  der  Urheber 
sei.  Im  letzteren  Falle  miisste  dann  der  Ganga,  der  für  diesen  Fall 
Specialarzt  ist  und  den  die  Krankheit  heilenden  Fetisch  besitzt,  aufgesucht 
werden,  „damit  er  durch  entsprechende  Ceremonien  den  beleidigten  Dämon 
Avieder  besänftigt".  Dazu  niuss  dieser  letztere  Ganga  dann  erst  „von  seinem 
Fetische  in  Besessenheit  ergriffen  werden;  und  ist  dann  der  Geist  zur  Be- 
geisterung in  sein  Haupt  eingetreten,  so  spricht  dieser  aus  ihm  und  ver- 
kündet die  Heilmittel  für  den  Kranken,  die  von  den  Umstehenden  auf- 
notirt  und  vor  dem  zum  Bewusstsein  zurückgekehrten  Ganga,  der  sich 
nach  dem  Verlassen  des  Fetischs  an  Nichts  von  dem  vorher  Gesprochenen 
erinnert,  wiederholt  werden". 

In  einem  Tlieile  von  Samoa  wendet  sich,  wie  Turner  Ijerichtet,  der 
Kranke  selber  direct  an  die  Gottheit: 

..Le  Sa  war  au  einem  Platze  eine  Hausgottheit  und  war  als  ein  Tausend- 
fuss  incarnirt.  Wenn  irgend  Jemand  von  solchem  Thiere  gebissen  wird 
oder  anderweitig  krank  ist,  so  wird  ein  Opfer,  bestehend  aus  einer  feinen 
Matte  und  einem  Fächer  dargebracht  und  der  Gott  mit  folgenden  Worten 
angeredet: 

Herr!    Wenn  Du  erzürnt  bist, 
Sag'  uns  den  Grund 
Und  sende  Heilung." 

Leider  wird  uns  keine  Andeutung  gegeben,  in  welcher  Weise  die  Gott- 
heit antwortet. 


74.   Der  Medicin-Mann  stellt  die  Diagnose. 

Wenn  der  Medicin-Mann  die  Diagnose  der  Erkrankung  zu  stellen  hat, 
so  bedarf  er  zu  diesem  Zwecke  bisweilen  gewisser  zauberkräftiger  Maass- 
nalimen.  Er  muss  eine  Art  von  Orakel  l)efragen,  was  in  verschiedener 
AVeise  ausgeführt  wird.  Bevor  er  die  Diagnose  stellt,  unterwirft  der  Medicin- 
Mann  den  Patienten  bei  manchen  Stämmen  einem  Krankenexamen;  so 
bei  den  Australnegern  in  Victoria,  bei  den  alten  Maya-Völkern  und 
bei  den  Indianern  des  nordwestlichen  Canada.  Bei  diesen  amerika- 
nischen Völkern  handelt  es  sich  aber  im  Wesentlichen  bloss  um  ein 
Sündenbekenntniss.  welches  der  Medicin-Mann  aus  dem  armen  Kranken 
herausexaminirt. 

Bei  den  Maya  warf  darauf  der  Medicin-^Nfann  Loose,  um  daraus  zu 
ersehen,  welche  Opfer  für  die  Wiederherstellung  des  Erkrankten  dargeljraclit 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  11 


102 


X.    Die  übernatürliche  Diairnose. 


Avenk'u   inüssteii.     Solch  einen  Looszanber,  um   die  Ursache  der  Krankheit 
ausfindig  zu  machen,  wenden  audi  die  Medicin-Männer  im  Seranglao-  und 
im   Ct  (»roiig-Arcliipel    an.     Sie   benutzen    dazu    bestimmte  Körner,    deren 
gerade  oder  ungerade  Anzahl  nach  dem  AVurte  die  betrefi:'ende 
Entscheidung  fällt.    Auch  sonst  sind  gerade  die  östlichen  Insel- 
gruppen des  malayischen  Archipels  das  bevorzugte  Gebiet 
für    dieses  Diagnosen-Orakel.     Genauere  Beschreibungen    des- 
selben   liegen    nicht   vor.      Wir   erfahren    nur.    dass    man    auf 
Keisar.    auf  Romang,  Dama,  Teun,  Nila  und  Serua  für 
V    «I  diesen  Zweck  ein  Ei  benutzt;  aufEetar  und  im  Seranglao- 

\1  und  im  Goroug- Archipel  wird  eine  entzwei  gespaltene  Ka- 

\b  lapa-Nuss  um  Rath   gefragt.     Auf  Ambou  und  den  Uliase- 

Inseln  herrscht  eine  gewisse  Auswahl  in  diesen  Orakeln. 
Entweder  wird  die  Diagnose  mit  Hülfe  der  Durchschneidung 
einer  Z^viebel  oder  einer  Gemberwurzel  gestellt,  oder  es  wird 
geraspelte  Kalapa-Nuss  in  bestimmter  Weise  ausgestreut  oder 
eine  Art  von  Wasserzauber  in  Anwendung  gezogen.  Auf  der 
Insel  Flores  nimmt  man  einen  besonderen  Bambuszweig  mit 
daran  befindlichen  Opfergaben  (Fig.  64),  den  man  in's  Feuer 
hält,  um  zu  sehen,  ob  ein  Geist  die  Krankheit  verursacht  hat. 
Letzteres  wird  als  erwiesen  betrachtet,  wenn  der  Bambus- 
zweig im  Feuer  einen  krachenden  Ton  hören  lässt. 

Die  alten  Mexicaner  benutzten  einen  Krystall  oder 
einen  durchsichtigen  Stein,  um  mit  seiner  Hülfe  die  Ursache 
der  Erkrankung  zu  erforschen. 

Der  Thäy   ngäi    der  Annamiten,    auch  eine  Art  ihrer 

Medicin-lMänner,    stellt    die    Diagnose  nach   den  Bewegungen 

eines  weissen  Holzstückes,  das  er  unter  Beschwörungen  in  ein 

Gefäss  mit  Wasser  geworfen  hat,  oder  er  betrachtet  ein  Licht 

durch    die  Zwischenräume    seiner  Finger.     Er   hat  aber  auch 

noch  eine  andere  Methode  der  Diagnosenstellung,  welche  darin 

besteht,   dass  er  dem  Patienten  mehrere  Tage  hinter  einander 

ein  Brechmittel   verordnet.     Tritt  nach  diesem  Erbrechen  ein^ 

dann   ist    es    eine    gewöhnliche  Krankheit,    welche   mit  Medi- 

camenten    behandelt    werden    muss.      Aber    wenn    das    Brechmittel    seine 

Wirkung   verfehlt,    so  ist  die  Krankheit  durch  Zauberkraft  bedingt  und  es 

muss  zu  Beschwörungen  geschritten  werden. 


Fig.  64.  Batu- 
buszweig  mit 
Opfergaben; 
zur  Diagnose 
der  Krankhei- 
ten.   Flores. 

Mus.f.Völkerk,, 

Berlin.    Nach 

Photographie. 


75.  Die  Diagnose  wird  yoii  Greistern  gestellt. 

Aber  auch  noch  schwierigeren  Aufgaben  müssen  die  Medicin-Männer 
sich  unterziehen,  um  die  Diagnose  der  Krankheit  sicher  zu  stellen.  Sie 
Ijedürfen  dazu  der  Hülfe  der  Geisterwelt,  mit  welcher  sie  sich  zu  diesem 
Zweck  in  Verbindung  setzen  müssen.  In  Nias  begiebt  sich  dann  der 
Medicin-Mann  allein  in  den  Wald.  Hier  sucht  er  mit  lautem  Geschrei 
den  Bela,  den  ihn  beschützenden  Geist,  und  lässt  sich  von  ihm  einen  an- 
deren Geist  nennen,  welcher  in  der  betreffenden  Krankheit  als  Helfer  auf- 
zutreten geeignet  ist.    Wenn  der  Bela  ihm  nicht  behülflich  ist,  den  richtigen 


75.    Die  Diagnose  wird  von  Geistern  o-estellt. 


163 


Hülfsgeist  auszuspüreu ,  dann  kann  seine  ärztliche  Behandlung  auch  nicht 
von  Erfolg  begleitet  sein.  x4.uf  den  Luang-  und  Sermata-Inseln  sammelt 
der  Medicin-Mauu  die  bösen  Geister  vor  seinem  Hause  und  fordert  sie  auf, 
ilim  bekannt  zu  machen,  was  die  Ursache  der  Krankheit  ist.  Hat  einer 
der  Dämonen  ihm  dieses  verkündet,  so  werden  ihm  Rinder.  Ziegen  oder 
»Schweine  geopfert.  Die  übrigen  bösen  Geister  aber  jagt  der  Medicin-Mann 
durch  das  Aussprechen  von  Beschwörungsformeln  von  dannen.  Solche  Be- 
rathungen  mit  den  Dämonen  finden  a])er  manchmal  auch  im  Beisein  der 
Kranken  oder  ihrer  für  sie  um  Hülfe  bittenden  Angehörigen  statt.  Der 
Medicin-Mann  der  Minangkabauer  in  Sumatra  tritt  zu  diesem  Zwecke 
bisweilen  hinter  einen  Vorhang  und  gebietet  dem  Krauken  und  seiner  Um- 
gebung,   das    allerstrengste    Stillschweigen    zu    beobachten.      Nach    einigen 


Fig.  65.    Consultation  des  Medicin-Mannes  der  Sioux- In  dianer, 

in  dessen  Medicin-Hütte  die  Manidos  fliegen. 

Nach  Schoolcraft. 


^Minuten  erscheinen  dem  Ai'zte  hinter  dem  Vorhange  ein  oder  mehrere  ihm 
befi-eundete  Geister  und  man  hört  ihn  nun,  wie  er  diese  über  das  Wesen 
der  Krankheit  um  Rath  beft-agt  und  über  die  Heilmittel,  welche  er  an- 
wenden soll.  Bald  darauf  kommt  er  hervor,  erzählt  dem  Kranken  die  Ur- 
sache seiner  Erkrankung  und  überreicht  ihm  die  nöthigen  Medicamente, 
nachdem  er  dieselben  bespieen  und  einen  Zaubersegen  über  sie  gesprochen  hat. 
Das  Aufsuchen  der  Kraükheit  durch  die  Vermittelung  von  Hülfsgeisteru 
hat  aber  wohl  unstreitig  seine  bedeutungsvollste  Ausbildung  bei  den  In- 
dianern Nord-Amerikas  gefunden,  bei  den  Sioux,  den  Creek.  den 
Chippeway,  den  Winnebagos  und  den  Klamath.  Der  Vorgang  ist 
psychologisch  nicht  vollkommen  zu  versteh(m.  aber  wir  dürfen  bei  den  Natur- 
völkern  auch    nicht  l)ei  allen  ihren  Begriffen'  eine  gar  zu  scharfe  Lcjgik  er- 

11* 


104  X.    Die  ül)ernatürliche  Diagnose. 

warten.  Der  Patient  ist  krank,  und  doch  ist  ihm  die  Krankheit  fern.  Denn 
die  helfenden  Geister,  meistens  in  Thierifestalt,  die  sogenannten  Manidos. 
müssen  sie  suchen  in  aller  AVeit,  im  K(>ld.  im  Walde,  in  den  Lüften,  im 
AV asser  und  selbst  unter  der  Erde  und  über  den  AV^olken.  Und  dennoch 
wird  die  Krankheit  direct  aus  dem  Körper  des  Leidenden  ausgetrieben, 
verjagt,  oder  in  anderer  A\^eise  entfernt  und  fortgenonnnon. 

Uns  liegt  die  Beschreibung  solch  einer  Aufsuihung  der  Krankheit  von 
den  Sioux-Indianern  am  Leech  Lake  vor  (Fig.  65). 

Acht  oben  noch  belaubte  Pfosten,  12 — 20  Fuss  hoch,  wurden  senkrecht 
in  die  Erde  ge])fianzt  und  mit  Häuten  dicht  umkleidet,  so  dass  eine  enge, 
an  einen  Schanzkorb  erinnernde  Hütte  entstand.  An  das  Tjaub  oben  hing 
man  die  Opfergabeu.  Au  Händen  und  Füssen  gebunden  wurde  der  Medicin- 
Mann,  der  J^s'sakkid,  hier  hineingeschoben.  Neben  dem  Bau  nehmen 
die  Alusikanten  Platz,  d.  h.  die  Trommler  und  die  Rassler.  Ihnen  und  der 
Hütte  gegenül)er  sitzen  die  um  Rath  fragenden  Angehörigen  des  Kranken 
und  die  Zuschauer.  Der  Patient  selber  ist  ruhig  zu  Hause  gebheben,  häufig 
in  einem  ganz  anderen  Lager.  Der  Medicin-Mann  fordert  aus  seiner  Hütte 
von  seinem  Gehülfen  die  Pfeife  und  ruft  ihm  zu: 

„Lade  ein!" 

Dieser  ruft  dann  gegen  Norden: 

„Eule,  Du  bist  eingeladen,  zu  rauchen!" 

Der  Chorus  des  A^olkes  bestätigt  dieses.  So  wird  in  gleicher  AVeise 
von  Osten  der  Meuabazh  (die  Schildkröte?),  von  AVesten  der  Donner, 
von  Süden  der  Schmetterling  eingeladen.  Nach  diesen  Einladungen 
herrscht  Schweigen  im  Volke.  „Sie  blicken  in  die  Luft,  um  zu  sehen,  ob 
die  Geister  kommen.  Der  Medicin-Mann  singt,  die  Musikanten  stimmen 
mit  ein,  die  Hütte  erzittert;  ein  Getöse  entsteht.  Es  sind  die  Geister. 
t  welche  aus  den  vier  Richtungen  des  Horizontes  kommen;  ihrer  sind  acht, 
eine  heilige  Zahl."  A^oran  ist  die  Schildkröte,  welche  auch  gleichsam 
den  Sprecher  für  die  anderen  Geister  abgiebt.  Jedesmal  wenn  ein  Manido 
anlangt,  w^ird  ein  schwerer  Schlag  gehört,  als  wenn  ein  schwerer  Gegenstand 
zur  Erde  fiele,  und  die  Hütte  wird  dadurch  heftig  erschüttert  (Fig.  6G). 
Hat  der  Medicin-Mann  alle  Manidos  versammelt,  über  welche  er  zu  ge- 
bieten vermag,  so  kann  er  sie  aussenden  in  die  entferntesten  Tlieile  der 
Erde  und  im  Augenblick  sind  sie  zurück  und  müssen  ihm  Rede  und  Ant- 
wort stehen.  Er  tritt  mit  seinen  Manidos  in  eine  Berathung  ein;  man 
hört  in  der  Hütte  sprechen.  Es  herrscht  eine  grosse  Ordnung  in  der 
Discussion,  die  Geister  sprechen  nur  Einer  nach  dem  Anderen,  aber  ein 
Jeder  mit  anderer  Stimme.  Der  Indianer,  welcher  sich  Raths  erholen 
wollte,  wendete  sich  mit  seiner  Frage  an  die  Schildkröte  direct.  Diese  ant- 
wortete aber  nicht,  und  als  der  Medicin-Mann  nach  der  Ursache  hiervon 
gefragt  w^urde,  gab  er  an,  dass  die  Opfergabe  zu  gering  sei.  Darauf  erbot 
sich  der  Fragesteller,  noch  einigen  Tabak  und  Cattun  zu  geben.  Aber  noch 
immer  blieb  die  Schildkröte  stumm.  Auf  erneutes  Befragen,  warum  sie 
nicht  sprechen  wolle,  rief  sie  endlich: 

„Gut  denn,  alter  Knauser,  Du  musst  noch  etwas  Zucker  hinzufügen; 
nur  dann  spreche  ich!" 


75.    Die  Diagnose  wird  von  Geistern  gestellt. 


165 


Diese  Vorschrift  wird  erfüllt,  man  hört  die  Geister  unterhandeln  und 
endlich,  nachdem  die  Geister  hpi  und  her  geflogen,  giebt  die  Schildkröte 
Bescheid,  was  die  Ursache  der  Krankheit  sei,  und  wie  man  ihr  begegnen 
müsse. 

Bei  den  Klamath-Indianern  in  Oregon  werden  für  ähnliche  Zwecke 
eine  grosse  Anzahl  von  Beschwörungsgesängen  gebraucht,  welche  der  Medicin- 
Mann  mit  tiefer  Stimme  vorträgt  und  manche  derselben  endlos  wiederholt. 
Bisweilen  singen  auch  die  Anwesenden  den  einen  oder  den  anderen  Be- 
schwörungsgesang mit.  Der  Text  des  Gesanges  ist  immer  so  abgefasst, 
als  wenn  der  Manido  selber  ihn  sänge,  und  er  drückt  im  Allgemeinen 
aus,  was  der  Manido  verrichtet,  um  die  Krankheit  aufzusuchen.  Das  ist 
nun  fast  immer  dem  Wesen  und  den 
Lebensgewohnheiten  desjenigen  Thieres 
angepasst,  dessen  übernatürliches  Ab- 
l)ild  durch  den  betreffenden  Manido 
dargestellt  wird. 

Es  mögen  aus  Gatchefs  Zusammen- 
stellung hier  einige  wenige  Beispiele 
folgen. 

Die  schwarze  Maus  singt: 

.,Ueber    was    gehe    ich    mit    meinen 

Pfoten? 
Meine    Pfoten    schleichen    über    das 

Haar  von  der  Krankheit." 

Der  Fischfalke  singt: 

„Hoch    oben    in    den    Wolken    fliege 

ich  und  ziehe  meine  Kreise. 
Durch   die   hellen   Wolken   trage   ich 

meine  Beute." 


Der 
lautet: 


Gesang     des     Stinkthiers 


Fig.  66.    Die  Manidos,  in  die  Medicin-Hütte 
fliegend,  nach  der  Zeichnung  auf  einem  Musik- 
brett der  Mide  der  Chippeway-Indianer. 
Nach  Hoffman. 


„Im  Nordwinde  tanze  ich  umher,  den  Schwanz  ausgebreitet,  festlich  und 
fröhlich." 

Der  Holzspecht  lässt  sich  folgendermaassen  hören: 

„Der  Holzspecht  bin  ich,  haftend  fest, 
Aufwärts  blickend  hafte  ich  am  Baumstumpf; 
Der  Holzspecht  bin  ich,  haftend  fest, 
Abwärts  blicke  ich  und  halte  mich  selbst." 

Der  Otter,  einer  der  wichtigsten  Manidos,  wird  folgender  Gesang  in 
den  Mund  gelegt: 

„Der  Otter  Sprössling,  ich  tauche  in's  Wasser, 

Wenn  ich  verschlungen  werde  von  ihm,  leuchtet  der  Grund  auf. 

Die  Erde  wird  gerüttelt  in  ihren  Gnandfesten. " 


166  X.    Die  übernatürliche  Diagnose. 

Der  Sinn  des  Gesanges  ist  nach   Gatchet  folgender: 

„Das  Thier  hat  die  Krankheit  im  Wasser  aufgefunden  und  verfolgt  sie 
von  dort  aus  bis  auf  das  Ufer.  Hier  setzt  sie  das  Ufer  in  Brand  und  der 
Boden  wankt  unter  ihren  verheerenden  Tritten." 

Es  ist  ja  eben  die  Krankheit,  wie  bereits  oben  gesagt,  welche  die 
Manidos  ausstöbern  und  verfolgen,  und  dass  diesell)e  fern  vom  Patienten 
ihren  Aufenthalt  hat,  das  zeigt  ausser  dem  zuletzt  citirten  auch  der  Be- 
schwörungsgesang, welcher  der  Krankheit  selber  in  den  Mund  gelegt 
wird.     Er  lautet: 

„Von  Krankheit  bin  ich  hingestreckt, 
Ich  bin  oben  in  den  lichten  Wolken." 

Jedoch  singt  die  Lerche: 

„Die  von  mir  gebrachte,  der  Lerche,  gebrachte  Krankheit 
Breitet  sich  überall  aus.'' 

Und  die  körperlichen  Schmerzen  singen: 

„Ich,  die  Schmerzhaftigkeit,  bin  über  sie  gekommen." 

So  hat  doch  also  wiederum  die  Krankheit  sich  zu  dem  Menschen 
hinbegeben.  Wie  wir  schon  oben  gesagt  haben,  die  Logik  ist  nicht  bis 
in  die  Einzelheiten  durchgeführt. 

In  Ann  am  wird  zuweilen  dem  Kranken  unter  BescliM'örungen  und 
gewissen  feierlichen  Maassuahmeu  an  jeden  Finger  der  linken  Hand  ein 
Papierstreifen  angebunden,  auf  welchem  je  eine  der  fünf  Dämonengruppen 
aufgeschrieben  ist.  Der  Finger,  welcher  während  der  Beschwörung  zuerst 
sich  beugt,  zeigt  die  Dämonengruppe  an.  welcher  der  krankmachende  böse 
Geist  angehört. 

Bisweilen  muss  der  böse  Geist  sich  selber  aus  dem  Körper  des  Patienten 
heraus  zu  erkennen  geben,  z.  B.  in  Laos  und  bei  den  Annamiten.  L^m 
ihn  hierzu  zu  zwingen,  umbindet  der  Zauberarzt  mit  sieben  BaumwoUen- 
fäden  die  Daumen  und  die  grossen  Zehen  des  Patienten,  spricht  seine  Be- 
schAVÖrungsformeln  und  tastet  mit  seinen  Fingern  drückend  den  Körper  des 
Kranken  ab,  um  den  Sitz  des  bösen  Geistes  ausfindig  zu  machen.  Hat  er 
die  richtige  Stelle  gefunden,  dann  bringt  er  den  Dämon  zum  Schreien,  der 
nun  dui'ch  des  Patienten  Mund  auf  des  Medicin- Mannes  Befragen  den 
Namen  desjenigen  Zauberers  entdeckt,  der  die  Krankheit  veranlasst  hat. 
sowie  die  näheren  Umstände  der  Bezauberung.  Nach  gegebener  Auskunft 
fliegt  der  Dämon  von  dannen.  Auch  in  Ann  am  "w-ird  der  Dämon  nicht 
selten  vom  Thäy-phäp  veranlasst,  durch  den  Mund  des  Krauken  Rede 
zu  stehen,  und  einer  dieser  Thäy-phäp  in  Cholou  lässt,  anstatt  den 
Körper  des  Patienten  abzutasten,  auf  ihm  zwei  Holzkugeln  rollen;  wenn 
die  den  Sitz  des  Dämons  berühren,  so  muss  der  Letztere  sich  zu  erkennen 
geben. 


ii).   Prognose  und  Semiotik.  1G7 


76.  Prognose  und  Semiotik. 

"Wenn  mm  die  Ursache  und  die  Diagnose  der  Erkrankung  glücklich 
herausgefunden  ist.  und  wenn  der  Medicin-Mann  den  geeigneten  Curplan 
festgestellt  hat,  so  muss  es  natürlicher  Weise  auch  noch  ein  ganz  be- 
rechtigtes Interesse  darbieten,  ülier  den  voraussichtlichen  Verlauf  der  Krank- 
heit und  über  den  Erfolg  der  angeordneten  Behandlung  etwas  Genaueres 
zu  erfahren.  Dass  hier  nicht  minder  abergläubische  Maassnahmen  im  Spiele 
sind,  als  bei  dem  Stellen  der  Diagnose,  das  wird  uns  kaum  überraschen 
können.  Aber  bisweilen  stossen  wir  auch  auf  eine  prognostische  Angabe 
oder  auf  ein  Signum  pathognomonicum ,  denen  schon  unzweifelhaft  ganz 
richtige  klinische  Beobachtungen  zu  Grunde  liegen.  Zu  diesen  Letzteren 
haben  wir  wohl  gCAvisse  Angaben  der  Eingeborenen  von  der  Insel  Nias  zu 
rechnen,  welche  sich  über  die  Prognose  der  sie  plötzlich  liefallenden  Fieber 
die  folgenden  Ansichten  gebildet  haben.  „Sie  glauben,  dass  sie  mehr  den 
Anfcällen  ausgesetzt  sind,  wenn  sie  allein  in  der  Pflanzung  arbeiten,  oder 
wenn  sie  einen  langen  Weg  zu  machen  haben,  oder  wenn  es  regnet  und 
zu  gleicher  Zeit  die  Sonne  scheint,  oder  wenn  der  Regenbogen  erscheint. 
Avelchen  sie  für  ein  grosses  Netz  halten,  das  von  den  mächtigsten  Geistern 
ausgespannt  wird,  um  sich  der  Menschen  zu  bemächtigen."  Danach  richtet 
sich  nun  auch  die  Therapie:  ,.Wenn  die  Anfälle,  welche  sie  packen,  leichte 
sind,  so  kann  es  nützlich  sein,  den  Kranken  mit  Speichel  von  denen,  die 
Sirih  gekaut  haben,  einzureiben,  während  man  gleichzeitig  dem  Ada  Tdba- 
gösa  ein  Opfer  von  Hühnern  und  Ferkeln  darbringt.  Wenn  sich  aber  zu 
dem  Fieber  Delirien  gesellen,  dann  binden  sie  die  vier  Füsse  eines  Schweines 
fest  zusammen,  hängen  es  an  einen  zwischen  den  Pfoten  durchgeführten 
Stock  auf,  und  nachdem  sie  es  verschiedene  Male  geschaukelt  haben,  opfern 
sie  es  dem  Adü  Fangöla  mbechu.^' 

Wenn  in  Siam  Jemand  am  Fieber  erkrankt  ist,  so  wird  nach  Bastian 
der  Chao,  der  oberste  der  Teufel,  beschworen  „und  gefragt,  welchen  Verlauf 
die  Krankheit  nehmen  werde.  Zuweilen  wird  geantwortet,  die  Krankheit 
hat  Heilung  zu  erwarten;  zu  anderen  Zeiten  heisst  es,  die  Krankheit  wird 
zum  Theil  geheilt  werden,  aber  nicht  ganz  vorbeigehen." 

Auf  Samoa  wird  an  einer  Stelle  der  Leatualoa  verehrt,  der  lange 
Gott  oder  der  Tausendfuss.  „Ein  Baum  bei  dem  Hause  war  die  Residenz 
dieses  Geschöpfes.  Wenn  irgend  Jemand  von  der  Familie  krank  war,  so 
ging  er  mit  einer  feinen  Matte  zu  dem  Baume  und  breitete  sie  unter  dem- 
selben aus,  und  hier  wartete  er  bis  der  Tausendfuss  hervorkam.  Kommt 
dieser  hervor  und  kriecht  unter  die  Matte,  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass 
der  Kranke  mit  Matten  bedeckt  und  begraben  werden  wird;  wenn  er  aber 
oben  auf  die  Matte  kriecht,  so  bedeutet  das  die  Wiederherstellung  des 
Patienten." 

Von  den  Papua  der  Geelvinkbai  in  Neu-Guinea  erzählt  uns 
V.  Hasselt,  dass  sie  ihre  Ahnentiguren  benutzen,  um  die  Prognose  der  Krank- 
heit zu  stellen:  ..Jede  Familie  hat  ihren  besonderen  Korwar  (Ahnenfigur), 
eine  nach  dem  Muster  des  Mon  (des  Götterbildes)  geschnitzte,  aber  wesent- 
lich kleinere  Figur,  bei  welcher  gewöhnlich  Schamlosigkeiten  vermieden 
werden.     Ein  solcher  Kor  war  bildet  das  Medium,  durch  welches  der  Geist 


168  X.    Die  übernatürliche  Diagnose. 

eines  Abgescliiedeuen  mit  seinen  Hinterbliebenen  in  Verbindung  stellt.  Der 
Papua  nennt  dalier  ein  solelies  IJild  aueli  „Vater''  oder  „Mutter''  und  identiti- 
eirt  es  mit  dem  lietreffenden  Todten.  Die  Figur  wird  mit  bunten  La])pen 
geschmückt;  mau  bietet  ihr  Tabak  an  und  verrichtet  vor  ihr  den  Seml)ak, 
eine  Grussform,  bei  welcher  der  Papua  sich  zur  Erde  neigt  und  die  fest- 
geschlossenen Hände  an  die  Stirn  i)resst." 

..Der  Hausvater  oder  irgend  ein  Zauberer  nimmt  naeli  der  eben  er- 
wähnten Ehrenbezeigung  die  Figur  in  die  Hand,  redet  sie  an  und  er- 
kundigt sich,  ob  man  bei  dem.  was  man  vor  hat,  z.  B.  liei  einer  Eeise  oder 
einem  Trepang-  und  Schildkrötenfang.  Glück  oder  Unglück  haben  Avird, 
ob  ein  krankes  Faniilienglied  genesen  wird  u.  s.  w.  Antwortet  der  Kor- 
war  nicht,  dann  ist  Alles  in  Ordnung;  spricht  er  dagegen,  d.  h.  kommt  es 
dem  Fi-agenden  vor,  als  ob  die  Figur  sich  bewege,  so  sieht  die  Sache  be- 
denklich aus." 

„Besonders  in  Krankheitsfällen  wird  derselbe  Üeissig  zu  Rathe  gezogen, 
Einst  fand  ich  beim  Besuche  einer  schwerkranken  Frau  am  Kopfende  ihres 
Lagers  vier  oder  fünf  Korwars  befestigt.  Auf  meine  Fi-agen,  ob  diese 
Alle  ihr  gehörten,  lautete  die  Antwort:  „„Nein,  meine  Verwandten  und 
Freunde  sind  so  gut  gewesen,  mir  einige  zu  borgen.""  Ausgediente  Kor- 
wars aus  früheren  Zeiten  haben  ihre  Kraft  eingebüsst  und  können  verkauft 
werden.'^ 

Finsch  sah  bei  den  Gilbert-Insulanern  eine  Wahrsagerin  bei  einem 
kranken  Kinde  thätig.  Sie  legte  vier  Steinchen  in  verschiedenen  Figuren  um 
das  Lager  des  Kindes,  um  danach  den  Ausgang  der  Krankheit  vorauszusagen. 

Auf  den  Babar -Inseln  herrscht,  um  die  Prognose  der  Krankheit 
zu  stellen,  eine  ganz  regelrechte  Opferschau,  welche  von  dem  Medicin- 
Manne  oder  dem  Familienvater  vorgenommen  wird.  Eine  ganze  Eeihe 
einzelner  Opfergaben  wird  unter  Gebeten  auf  dem  Opferplatze  niedergelegt. 
Ein  Opfertliier,  gewöhnlich  ein  Huhn  oder  ein  Ferkel,  wird  in  ganz  be- 
sonderer Weise  getödtet  und  auf  eine  bestimmte  Art  zerstückelt,  und  man 
ersieht  nun  aus  der  Lage  der  Eingeweide,  aus  dem  Verhalten  gewisser 
Blutgefässe  am  Herzen,  wie  der  Verlauf  der  Krankheit  sich  gestalten  wird. 
AVenn  z.  B.  ein  Kind  am  Fieber  erkrankt  ist,  so  wird  dasselbe  gerettet 
Averden,  wenn  das  Herz  des  geopferten  Ferkels  glatt  erscheint;  findet  mau 
aber  Knoten  am  Herzen,  dann  besteht  für  das  Kind  grosse  Lebensgefahr. 

Die  Indianer  in  Michoacan  in  dem  centralen  Mexico  haben  den 
Glauben,  dass,  wenn  sie  das  Blatt  einer  bestimmten  Pflanze  auf  eine  ge- 
schwnirige  Stelle  des  Körpers  bringen  und  dieses  an  derselben  haften  bleibt, 
dann  wird  der  Kranke  sicher  genesen;  wenn  aber  das  Blatt  herunterfällt, 
so  ist  es  um  sein  Leben  geschehen.  Die  alten  Maya-Völker  sollen  mit 
Hülfe  des  Krystalles  die  Prognose  gestellt  haben,  der  ihnen  auch  schon 
für  das  Herausfinden  der  Diagnose  dienstlich  war.  AVenn  am  Congo  das 
Feuer,  an  welchem  der  Medicin-Mann  seine  Heilceremonien  vornimmt, 
Funken  sprüht,  so  Avird  das  als  ein  günstiges  Zeichen  angesehen. 

Die  Eingeborenen  von  Mittel-Sumatra  erfahren  zur  Zeit  einer  Pocken- 
epidemie durch  einen  Traum,  ob  sie  der  Krankheit  verfallen  Averden.  Wenn 
sie  im  Traume  den  bösen  Geist  Ninieq  erblicken,  der  zu  ihnen  kommt  und 
ihnen  Früchte  bietet,  so  wird  die  Krankheit  sie  ergreifen,  und  an  der  Art 
der  Früchte  erkennen  sie,  ob  diese  Krankheit  eine  schwere  sein  Avird. 


7G.    Prognose  und  Semiotik.  169 

Eine  sehr  üble  Prognose  giebt  es  bei  der  Pockenerkrankuug  eines 
Kindes  in  Annam,  wenn  man  ein  unbekanntes  Kind  erblickt,  das  in  das 
Haus  zu  gelangen  sucht.  Man  niuss  das  zu  verhindern  suchen  und  nie 
den  Kranken  unbeobachtet  lassen,  auch  muss  man  ihn  durch  Anmiete  u.  s.  w. 
vor  dem  Eindringen  dieses  Dämons  schützen. 

Bei  allen  Lungenaffectionen  ist  den  Australnegern  von  Victoria 
die  semiotische  Wichtigkeit  des  Si^eichels  wohlbekannt.  Sie  beobachten 
den  Auswurf  der  Patienten  auf  das  Genaueste  und  sie  widmen  dem 
Letzteren  eine  ganz  besondere  Aufmerksamkeit,  wenn  sich  Blut  in  dem 
Auswurfe  zu  zeigen  beginnt. 

Auch  hierin  haben  wir  wiederum  einen  Beweis,  wie  immer  wieder  aus 
dem  Wust  phantastischer  Begriife  vereinzelte  gute  Naturbeobachtungen 
sich  Bahn  zu  brechen  vermögen. 


XL 


Die  übernatürliche  Kranken 
behandlung. 


77.   Opfer  und  Oebet. 

Wenn  diese  Vorbereitungen  getroffen  sind  und  die  eigentliche  ärztliche 
Behandlung  nun  beginnen  soll,  so  sehen  wir,  dass  dieselbe  in  einer  grossen 
Anzahl  von  Fällen  dui'ch  Opfer  und  Gebete  eingeleitet  werden  muss. 

Entweder  betet  der  Medicin-Mann  für  die  erkrankte  Person,  wie  z.  B. 
in  dem  Seranglao-  und  Gorong-Archipel,  oder  diese  betet  selber,  oder 
sie  spricht  dem  Medicin-Manne  die  von  diesem  vorgesprochene  Gebets- 
formel nach.  Der  "Wortlaut  eines  solchen  Gebetes  liegt  uns  von  den 
Navajö- In  dianern  vor.  Die  Patientin  musste  folgendes  Gebet  au  den 
Berggeist  Dsilyi'  Neyäni  richten: 

„Ragender  iu  den  Bergen! 

Herr  der  Berge! 

Junger  Mann! 

Oberhavipt ! 

Ich  habe  Dir  ein  Opfer  gebracht! 

Ich  habe  ein  Kauchen  für  Dich  bereitet! 

Stelle  mir  meine  Beine  wieder  her! 

Stelle  mir  meinen  Körper  wieder  her! 

Stelle  mir  meinen  Geist  wieder  her! 

Stelle  mir  meine  Stimme  wieder  her! 

Stelle  all  meine  Schönheit  wieder  her! 

Mache  alles  schönheitsvoll  vor  mir! 

Mache  alles  schönheitsvoll  hinter  mir! 

Mache  schönheitsvoll  meine  Worte ! 

Es  ist  vollendet  in  Schönheit! 

Es  ist  vollendet  in  Schönheit! 

Es  ist  vollendet  in  Schönheit! 

Es  ist  vollendet  in  Schönheit!" 

Auch  gemeinsame  Gebete  der  ganzen  Bevölkerung  müssen  unter  Um- 
ständen gesprochen  werden,  Avenn  der  Zorn  der  Gottheit  besänftigt  werden 
soll.     Dieses  hatte  Jacobs  einmal  auf  Bali  zu  beobachten  Gelegenheit. 

Es  kommt  aber  auch  vor,  dass  nicht  nur  in  dem  Augenblicke  der  Ge- 
fahr die  Zuflucht  zu  den  Gebeten  genommen  wird,  sondern  dass  dieselben 
auch  vorbeugend  im  Gebrauche  sind,  um  sich  und  die  Seinen  vor  Ki'ank- 
heit  zu  bewahren.  So  haben  die  Samoaner  die  Gewohnheit,  vor  jeghcher 
Mahlzeit   ein    Feuer   zu    entzünden.     Der   Aelteste    der   Familie   ruft    dann 


174 


XI.    Die  übernatürliche  Krankenbehandlung. 


Irgendemen  jiuf,  dass  er  das  Feuor  anblase,  damit  es  aufflamme;  dann  bittet 
er  Alle,  stillzuschweigen  und  spricht  darauf  laut  das  folgende  Gebet: 

„Dieses  Licht  ist  füi'  Euch,  o  König,  und  Ihr  h()heren  und  niederen 
Götter!  Wenn  einer  von  Euch  vergessen  ist,  so  möge  er  nicht  zürnen;  dieses 
Licht  ist  für  Euch  Alle!  Seid  dieser  Familie  gnädig!  Gebt  Allen  Leben 
und  möge  Eure  Gegenwart  günstig  sein.  Lasst  unsere  Kinder  gesegnet  sein 
und  sich  mehren.  Haltet  ferne  von  uns  Geldbussen  und  Krankheiten.  Seht 
auf  unsere  Armuth  und  sendet  uns  Nahrung  zum  Essen  vind  Kleider,  um  uns 
warm  zu  halten.  Treibt  fort  von  uns  umherschiifende  Götter,  damit  sie  nicht 
kommen  und  Krankheit  und  Tod  verursachen.  Schützt  die  Familie  durch 
Eure  Gegenwart  und  möge  Gesundheit  und  langes  Leben  uns  Allen  be- 
schieden sein!" 


Aeussere  Ansicht.  Innere  Ansicht. 

Fig.  67.  u.  68,   Schamanen trommel  der  Burjäten. 
Museum  für  Völkerkunde,  'Berlin.  —  Nach  Photographie. 


Bisweilen  ist  das  Opfer  allein  schon  ausreichend,  um  die  glückliche 
Wiederherstellung  des  Ki-anken  zu  bewirken.  Denn  durch  das  Opfer  wird 
die  Sünde  gesühnt.  Doch  muss  das  Opfer  ausreichend  sein.  Die  Gottheit 
Nafuana  aufSamoa  z.B.  heilt  nur  diejenigen,  welche  feine  Matten  opfern. 
AVer  jedoch  armselige  Opfer  bringt,  die  nur  aus  geringen  Matten  bestehen, 
dessen  Krankheit  verlängert  sie. 

In  anderen  Fällen  aber  dient  das  Opfer  nur  dazu,  dem  Krankheits- 
dämon für  den  befallenen  Menschen  einen  anderen  Ersatz  zu  bieten,  welchen 
er  freiwillig  als  Tauschartikel  annimmt,  oder  der  ihn  immerhin  doch  einiger- 
maassen  zu  entschädigen  vermag,  wenn  ihn  der  Medicin-Mann  aus  diesem 
vertreibt. 

Wenn  wir  die  uns  zugänglichen  Berichte  über  diese  Opfer  näher  be- 
trachten, so  finden  wir,  was  uns  wohl  kaum  verwunderlich  erscheinen  wird, 
eine  ganze  Reihe  complicirter  Förmlichkeiten.  Die  Opfergaben  müssen  aus 
besonderen  Stoffen  zusammengestellt,  bisweilen  auch  noch  künstlich  gefärbt. 


(1.    Opfei'  und  Gebet. 


175 


vor  Allem  abei  zu  bestimmter  Zeit  und  uacli  bestimmten  Vorschriften  dar- 
gebracht werden.  Es  haben  aber  diese  Ritualien  im  Ganzen  doch  nur  ein 
sehr  untergeordnetes  Interesse  für  uns  und  wir  können  sie  daher  an  dieser 
Stelle  übergehen.  Für  uns  sind  die  übernatürlichen  Manipulationen  bei 
Weitem  von  grösserer  Wichtigkeit,  welche  die  Medicin-Männer  auszuführen 
])flegen,  um  ihre  Patienten  von  der  Krankheit  zu  befreien. 

Ein   Gebet,    welches   die  Akkader  und    die  Assyrer   an   die   Sonne 
richteten,  um  Heilung  zu  erflehen,  möge  hier  noch  seine  Stelle  finden: 

„Du  leitest  in  Deinem  Lauf  das  Menschengeschlecht  (wörtlich:  die  Schwarz- 
köpfigen), 

Lass  über  ihm  leuchten  einen  heilsamen   Strahl,    der  ihn  befreie  von  seinen 
Leiden! 

Der  Mensch,  Sohn  seines  Got- 
tes, hat  seine  Sünde  und 
Missethat  vor  Dir  be- 
kannt. 

Seine  Hände  und  Füsse  leiden 
grausamen  Schmerz,  er 
wird  von  der  Krank- 
heit schrecklich  verun- 
reinigt. 

Sonne!  Lass  meine  erhobe- 
nen Hände  nicht  un- 
beachtet! 

Geniesse  seine  Speisen,  weise 
sein  Opfer  nicht  von 
Dir,  führe  ihm  seinen 
Gott  wieder  zu,  (auf 
dass  er  eine  Stütze  ge- 
währe) seiner  Hand! 

Mögen,  auf  Deinen  Befehl, 
seine  Sünde  vergeben, 
seine  Missethat  ver- 
gessen sein!" 


Fig.  69.     Trommel  und  Trommelstock  eines  Medicin- 

Mannes  der  Indianer   von  Portland  in   Oregon. 

Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Nach  einem  Aquarell. 


r 


Ein  Beispiel,  dass  der  blosse  Anblick  der  Gottheit  die  Kranken  heilt, 
wird  uns  von  der  zu  den  Ne-u-Hebriden  gehörenden  Insel  Aneiteum 
berichtet.  Turner  erzählt:  „Mit  anderen  Dingen  wurde  mir  1859  ein  alter, 
glatter  Stock  von  Eisenholz  gebracht,  etwas  länger  und  dicker  als  ein  ge- 
wöhnlicher Spazierstock.  Er  hatte  seit  Alters  her  in  der  Familie  Eines  aus 
der  Krankheitsmacherzunft  gedient,  er  wurde  als  die  Repräsentation  des 
(lOttes  betrachtet  und  wurde  jedesmal  von  dem  Priester  mitgenommen, 
wenn  er  einen  Krankheitsfall  besuchte.  Die  Augen  des  armen  Patienten 
glänzten  bei  dem  Anblick  des  Stockes.  Alles  was  der  Priester  that,  war 
meistens,  dass  er  vor  dem  Kranken  sass,  sich  auf  diesen  heiligen  Stock 
stützend,  ihm  eine  kurze  Rede  hielt  und  ihm  sagte,  er  habe  nichts  mehr 
zu  fürchten,  und  dass  er  die  AViederherstellung  erwarten  könne." 


176 


XI.    Die  übernatürliche  Krankenbeliandluni;. 


78.   Die  Trommel  als  Handwerkszeug  des  Medicin-Maniies. 

Bevor  wir  aber  diese  Heilmiiuipulationen  einer  geuauereu  Musterung 
unterziehen,  müssen  wir  zuvor  nocli  das  hauptsächlichste  Handwerkszeug 
der  Medicin-Männer  kennen  lernen,  welches  sie  im  Allgemeinen  bei  diesen 
Proceduren  nicht  entbehren  können.  Da  steht  die  Trommel  obenan,  oder 
besser  gesagt,  das  Tambourin;  denn  fast  alle  die  Medicin-Manns-Trommelu, 
welche  Avir  in  Sibirien,  in  Hinterindien  und  in  Amerika  finden,  sind 
Hallitrommeln,  nur  auf  einer  Seite  mit  dem  gespannten  Leder  überzogen. 
Ihre  Grösse  schwankt  von  der  eines  Dessert-Tellers  bis  zu  derjenigen  eines 

kleinen  Wagenrades.  AVir  fin- 
den sie  mit  Fedeini  geschmückt 
bei  den  n  o  r  d  a  m  e  r  i  k  a  n  i  - 
sehen  Indianern,  na- 
mentlich mit  denjenigen  des 
Truthahnes  (Fig.  70),  welche 
sich  einer  ganz  besonderen  Hei- 
ligkeit erfreuen.  Auch  allerlei 
Klapperw^erk  ist  daran  gehängt, 
besonders  bei  den  Völkern  S  i  - 
biriens,  um  den  Schall  und 
das  Getöse  noch  zu  verstärken. 
Der  Steg,  an  dem  sie  gehalten 
wird,  nimmt  in  einzelnen  Fäl- 
len die  rohe  Gestalt  eines  Men- 
schen an.  Das  ist  dann  natür- 
licher Weise  das  Bild  von 
irgend  einem  mächtigen  Geist. 
Das  Fell  der  Trommel  wird 
öfter  bemalt.  Eine  B  u  r j  ä  t  e  n  - 
Trommel  (Fig.  67)  trägt  innen 
und  aussen  Figm-eu,  unter 
denen  man  zweigartige  Orna- 
mente, sowie  Pferde  und  Stein- 
böcke erkennt,  aber  ausserdem 
ist  eine  primitive  Menschen- 
gestalt über  die  ganze  Trommelfellfiäche  gemalt.  Dieselbe  erscheint  wie 
ein  schwaches  Abbild  der  Dämonenfigur,  welche  den  Grifi"  der  Trommel 
bildet  (Fig.  68). 

Aus  Portland  in  Oregon  stammt  die  Trommel  eines  Medicin-Mannes 
(Fig.  69),  deren  Innenfläche  in  dem  für  jene  Gegenden  gebräucliHchen 
Kuuststiele  einen  Walfisch,  einen  Adler  und  den  Donnervogel  und  darüber 
den  Bogen  des  Firmamentes  zeigt.  Eine  Medicin-Manns-Trommel  aus  Mis- 
souri ist  tambourinartig  flach,  aber  ausnahmsweise  auf  beiden  Seiten  mit 
Haut  überzogen,  und  mit  Schellen  und  Truthalmfedern  geschmückt.  Die 
eine  Seite  (Fig.  70)  trägt,  in  rother  Farbe  aufgemalt,  einen  Kreis  mit  Strahlen 
und  um  ihn  herum  zahlreiche  Punkte.  Wahrscheinlich  soll  es  die  Sonne 
mit    den  Sternen    sein.     Auf   der    anderen  Seite  (Fig.  71)    sind  zwei  kleine 


Fig.  70.     Flache  Trommel  eiues  Medicia-Mannes   der 

Indianer  von  Missouri.    Vorderansicht. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  einem  Aquarell. 


78.    Die  Trommel  als  Handwerkszeug  des  Medicin-Mannes. 


1" 


Fische  und  zwei  Vögel,  wahrscheinlich  Manidos.  d.  h.  dienstbare  Thier- 
geister,  zwischen  drei  roh  gezeichneten  Menschenköpfen.  Die  Fische  sind 
gehörnt;  aus  dem  Schnabel  der  Yögel  geht  eine  Wellenlinie  aus.  Beides 
soll  voraussichtlich  ihre  übernatürliche  Rraft  bezeichnen.  Von  den  Menschen- 
köpfen ist  der  eine  gehörnt,  mit  aufrecht  stehenden,  kurzen  Strahlen  zwischen 
den  Hörnern,  während  die  beiden  anderen  Köi^fe  nur  diese  Strahlenglorie 
tragen.  Wir  haben  darin,  wie  wir  aus  den  uns  ihrer  Bedeutung  nach  l)e- 
kannten  Bildern  der  Musikbretter  entnehmen  können,  drei  Medicin-Männer 
im  Zustande  der  Inspiration  zu  erkennen. 

Diese  Trommeln  sind  nicht  Musikinstrumente  in  dem  gewöhnlichen 
Sinne  des  Wortes.  Sie  stellen  vielmehr  ein  wichtiges  Heilwerkzeug  dar. 
denn  sie  dienen  den  mächtigen 
Geistern  zum  Sitz.  Das  kommt 
))ei  dem  Schamanen  der  sibi- 
rischen Völker  zum  deut- 
lichen Ausdi"uck.  Mit  jedem 
Beschwörungsgesange  ladet  er 
einen  seiner  hülfreichen  Geister 
ein,  in  seine  Trommel  her- 
niederzusteigen. Ein  deutlicher 
Ruck  derselben  liefert  den  Be- 
weis, dass  der  Geist  diesem 
ßufe  willig  gefolgt  ist.  Auch 
ruft  der  Geist  bei  den  Altai- 
Tartaren  durch  des  Scha- 
manen Mund,  bevor  er  in  die 
Trommel  eintritt: 

„He,    Schamane,    da   bin  ich!" 

Mit  jedem  neu  eintreten- 
den Dämon  wird  die  Trommel 
schwerer  und  sinkt  zur  Seite, 
und  endlich  vermag  der  Me- 
dicin-Mann  sie  nur  noch  mit 
dem  Schenkel  gestützt  zu  hal- 
ten. Nun  ist  die  Trommel  der 
Götter   voll,    und  bei   seinem 

Heilswerk  hat  der  Medicin-Mann  jetzt  die  Dämonen  in  der  Trommel  als 
seine  speciellen  Geliülfen  zur  Seite.  Und  darum  ist  auch  der  Medicin-Mann 
um  so  mächtiger,  und  um  so  sicherer  ist  der  Erfolg  seiner  Behandlung,  je 
grösser  die  Zahl  der  Geister  ist,  welcher  er  zu  gebieten  vermag.  Radioff 
hat  uns  mehrere  solche  Beschwörungsgesange  zugänglich  gemacht,  durch 
welche  der  Schamane  der  Altai-Tartaren  die  Geister  in  seine  Trommel 
i'uft.     Einer  dersell)en  lautet: 

„Komme  her,   o  junge  Wolke, 
Drückend  dies  mein  Schulterblatt! 
Volk  und  Leute,  meine  Schulter 
Drückend,  kijmmet  her  zu  mir! 
Täng-Sarif,  Du  Sohn  des  Himmels, 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  12 


Fig. 


'i\.     Flache  Trommel  eines  Medicin-Mannes  der 
Indianer  von  Missouri.     Hinteransicht. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  einem  Aquarell. 


17S 


XL    Die  übernatürliche  Krankenbeliandlunor. 


Uelgöns  Sohn,  o  Kenjidäi! 

Du,   mein  Auge   mir  zum   Schauen, 

Meine  Hand  zum  Greifen  mir. 

Du,  mein  Fuss,  mir  zum  Enteilen, 

Du,  mein  Huf,  sobald  ich  stolpre, 

Meine  Rechte  führt  den  Orbu   (Trommelstock) 

Tönend,  komm  zu  meiner  Rechten!" 

Ein  anderer  Geist  Avird  gerufen: 

.,Mit  dem  Stock  aus  gelbem   Rohre, 
Mit  dem  gelben  Falben  Du! 
Mit  dem  gelben,  seid'nen  Zügel, 
^lit  dem  Pelz  aus  gelber  Seide, 
Kan  Kartysch,  des   IJelgön  Sohn! 
Spielend  komm  zu  meiner  Rechten, 
Die  den  Orbu  schlafend   schwingt. "' 


Fig. 


"2.    Eassel  des  Medicin-Mannes  der  Indianer  in  Portland,  Oregon. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  einem  Aquarell. 


Xatüi'licher  Weise  sind  diese  Gesäuge  für  das  Studium  der  Mythologie 
und  der  Dämonologie  der  betreffenden  A-^ölker  von  einer  ausserordentlich 
hohen  Bedeutung. 


79,   Die  Rassel  und  andere  musikalische  Instrumente  als  Handwerks- 
zeug des  Medicin-Mannes. 

Ein  zweites  wichtiges  Handwerkszeug  des  ]\[edicin-Mannes.  dessen  Be- 
sprechung wir  am  geeignetsten  hier  gleich  folgen  lassen,  ist  die  Rassel.  Sie 
tritt  uns  in  den  verschiedensten  Formen  entgegen.    Gewöhnlich  ist  sie  durch 


79.  Die  Rassel  und  andere  musikalische  Instrumente  des  Medicin-Mannes.      179 


irgend  einen  hohlen  Gegenstand  dargestellt,  in  welchen  8teinchen,  Körner 
oder  dergleichen  hineingethau  sind,  um  hei  einem  Schütteln  des  Apparates 
den  rasselnden  Ton  zu  verursachen.  Bei  den  Medicin-Männern  der  Huna 
von  Portland  in  Oregon  jedoch  ist  die  Rassel  (Fig.  72)  ein  kiu'zer,  mit 
Federn  geschmückter  Stab,  an  welchem  augehängte  Hirschhufe  und  See- 
])apageienschnäbel  das  Rasselgeräuscli  erzeugen. 

Wahrscheinlich  bezieht  sich  hierauf  ein  Beschwürungsgcsang  der  Kla- 
luath-Indianer  in  Oregon: 

„Die  Füsse  eines  jungen  Hirsches  sind  mein  Medicin-Werkzeug." 

Er  wird  als  ..D^i"  Frau 
(xesang"  bezeichnet. 

Auch  der  Bacsa  der  Kir- 
gisen hat  einen  Stab,  an  dessen 
oberem  Ende  ein  Brettchen  mit 
daran  hängenden  Glöckchen  an- 
gebracht ist.  Aehnliche  stab- 
artige Easseln  besitzen  auch  an- 
dere sibirische  Völker. 

Bei  den  D  a  c  o  t  a ,  den 
Ohippeway  und  den  benach- 
barten Indianern  ist  die  Me- 
dicin-Manns-Bassel  ein  Kürl)is. 
Bei  allen  heiligen  und  ärztlichen 
Handlungen  (Fig.  73),  sowie  auch 
l)eim  Bereiten  der  Medicin  spielt 
sie  eine  wichtige  Rolle.  Gewöhn- 
Hch  werden  mit  dem  Klange  der 
Rassel  alle  BeschAvörungsgesänge 
l>egleitet.  Sie  ist  daher  ohne  allen 
Zweifel  nach  dem  Glauben  der 
Indianer  ebenfalls  mit  über- 
natürlicher Ki-aft  beseelt. 

Einen  Feljergang  zu  etwas 
vollkommeneren  Formen  bildet 
aus  Holamux  in  Oregon  eine 
Kürbis-Rassel,  Avelche  an  einem 
langen   Handgrifle   ])efestigt   und 

mit  einem  roh  eingeschnittenen  Menschenantlitz,  das  ein  Strahlenkranz  um- 
giebt,  verziert  ist  (Fig.  74).  Die  allerreichste  Entwickelung  in  der  Form 
bat  aber  unstreitig  die  Rassel  bei  den  so  bewunderungswürdig  kunstgewandten 
Xordwest-Stämmen  Xord- Amerikas  erlangt.  Das  Berliner  Museum 
für  Völkerkunde  besitzt  eine  sehr  reichhaltige  Sammlung  derselben.  Sie 
sind  sämmtlich  kunstvoll  in  Holz  geschnitzt,  und  stellen  Menschen-  oder 
\'ogelköpfe  oder  auch  ganz  coraplicirte  und  dann  immer  geschmackvoll  be- 
malte Gruppen  dar.  Jegliches  religiöse  Fest  dieser  Indianer  erfordert 
eine  bestimmte  Art  der  Rasseln.  Diejenige  für  den  Medicin-Mann  der 
Haidah-Indianer  (Fig.  75)  stellt  einen  grossschnäbligen  Vogel  dar,  den 
mythischen  Raben,    den  Bringer  des  Lichts,    den  Frheber  des  Lebens,    der 

12»^ 


Fig.  7.3.    Medicin-Maua  der  Dacota- In  dianer, 

zur  Heilung  eines  Kranken  rasselnd. 

Nach  Schoolcraft. 


ISO 


XI.    Die   übernatürliche  Krankenbehandluno;- 


in  dem  Sclin:il)('l  die  Kohle  hält.  Ein  liTosses  Antlitz,  das  seine  Brnst  ein- 
nimmt, soll  die  Sonne  hedenten.  Anf  seinem  Kücken  liegt  ein  kleiner 
Mann,  sich  auf  seine  Ellenbogen  stützend  und  einen  Frosch  zwischen  den 
Zähnen  haltend.  Das  soll  der  "Wolf  sein,  der  den  Tod  und  das  Feuer 
syndiolisirt.  Ein  phantastischer  Vogelkopf,  entstanden  aus  dem  Gesichte 
der  Eule  und  dem  Schwänze  des  Haben,  der  auf  dem  hinteren  Theile  des 
Rabenrückens  sitzt,  beisst  in  die  Zunge  des  Frosches.  Dieses  Letztere  soll 
,.Medicin"  bezeichnen,  d.  h.  es  soll  erkennen  lassen,  dass  die  Rassel  voll  über- 
natürliclier  Kräfte  ist.  Die  Medicin-]\ränner  der  Nutka  in  Britisch- 
Colunil)ien  Ix'uutzen  zum  Curiren  der  Krankheiten  sackfiirmige  Rasseln 
von  Kupfer,  welche  mit  Cedernbast  verziert  sind  (Fig.  76). 

Von    anderen    musikalischen   Instrumenten    sind   noch  Pfeifen,   Becken 
und  Stöcke  zu  nennen,    und  ganz  vereinzelt  kommt  in  Buru   die  Tuba,   in 

Loango  die  Guitarre  und  l)ei  den  Kirgisen 
eine  mit  Klapperblechen  geschmückte  violoncell- 
artige Geige  vor.  Alle  diese  Dinge  finden  wir 
meist  in  den  Händen  der  Gehülfen  des  Medicin- 
Maunes.  Ihre  Ver])reitung  scheint  aber  eine  nur 
beschränkte  zu  sein.  Das  Aneinanderschlagen 
von  Stöcken  linden  wir  bei  einigen  Indianer- 
Stämmen  Nord- Amerikas  und  bei  den  Ka- 
tschinzen;  die  Becken  sind  in  Nias,  Buru  und 
an  der  Loango -Küste  gebräuchlich,  und  die 
Pfeifen  finden  wir  bei  den  Win nebago-In di- 
anern, den  Navajö  in  Arizona,  bei  den  Ni- 
assern  und  bei  den  Loango  -  Negern.  Die 
vorher  erwähnte  Geige  wird  von  dem  Medicin- 
Manne  selber  gespielt. 


Fig.  74.    Rassel  eines  Medicin- 

Mannes     der    Indianer     von 

Holamux. 

Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  einem  Aquarell. 


80.  Medicin-Sack  und  Medicin-Steine. 


Ein  wichtiges  Werkzeug  des  Medicin-Mannes, 
das  den  Schwerpunkt  seiner  Verbreitung  bei  den 
In  dianer- Stämmen  von  Nord -Amerika  hat, 
ist  der  sogenannte  Medicin-Sack.  Wir  dürfen  hierbei  nicht  vergessen,  dass 
jeder  Indianer  seinen  Mediciu-Beutel  besitzt,  der  ihn  wie  ein  Talisman 
dmx'h  das  ganze  Leben  begleitet.  Wenn  er  als  Jüngling  auszieht,  um  seinen 
Totem  zu  suchen,  so  A\drd  das  erste  Exemplar  seines  Totemthieres,  dessen 
er  habhaft  wird,  abgehäutet,  der  Medicin-Sack  daraus  gefertigt  und  dieser 
mit  Gras  oder  Moos  gefüllt.  Niemals  wieder  darf  er  geöffnet  werden.  Das 
ist  nun  mit  dem  Medicin-Sacke  der  Medicin-Mäuner  etwas  Anderes.  Sie 
verbergen  darin  eine  Menge  von  absonderlichen  Dingen,  denen  sie  eine 
übernatürliche  Kraft  beilegen.  Ihnen  ist  auch  gestattet,  den  Beutel  zu 
öffnen,  wenn  auch  nui'  nach  vorhergegangenem  feierlichen  Schwitzen.  Bei 
gewissen  grösseren  Medicin-Tänzen  sind  die  Mediciu-Männer  sogar  ver- 
pflichtet, sich  gegenseitig  die  Schätze  ihres  Medicin-Beutels  zu  zeigen  (Fig.  77) 
und  deren  Kräfte  aus  einander  zu  setzen.  Wie  ein  Gewehi'  wird  er  bei  den 
Einführungen   von  Novizen   benutzt,   und    der   aus    ihm  scheinbar  gefeuerte 


80.    Medicin-Sack  und  Medicin-Steine. 


181 


Fig.  75.    Kassel  eines  Medicin-Mannes  der  Haidah- 

Indianer. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin    —  Nach  einem  Aquarell. 


iiiagisclie  Schiiss  streckt  den  Candidateii  bewusstlos  zu  Boden.  Aber  auch 
ihre  wirklichen  Medicamente  heben  sie  in  dem  Medicin-Beutel  auf.  Stets 
sind  die  Haare  des  Felles  nach  aussen  gekehrt,  oder  die  Federn,  wenn  es 
ein  Vogelbalg  ist.     Stinkthier  und  Otter  (Fig.  .51)  sind  er]iel)lich  bevorzugt, 

Medicin-Beutel,  wenn  auch 
nur  kleine,  sind  auch  bei  den 
Aerzteu  der  Kaff  er  n  und  Ba- 
sutho  (Fig.  20)  im  Gebrauch. 
Sie  sind  aus  gegerbtem  Leder 
gefertigt,  werden  gewöhnlich  am 
Halse  getragen  und  enthalten  aller- 
lei absonderliche  Dinge,  Krallen 
von  Kaubthieren,  Hufe  von  An- 
tik»pen ,  Fusswin'zelknochen  von 
verschiedenem  Wild  u.  s.  w.  Diese 
(Ueuen  ihnen  als  Würfel  bei  ihren 
geschätzten  Wahrsagerkünsten. 

In  ähnlicher  Weise  trägt  der  Medicin-Mann  bei  den  Anstralnegern  in 
Victoria  seineZauberknochen  undSteine  in  einem  besonderen  Beutel  niitherum. 
Diesen  darf  er  niemals  aus  den  Augen  lassen,  wie  wir  oben  bereits  berichtet  hal)en. 

Wir  haben  che  Medicin-Steine  schon 
erwähnt,  welche  die  Medicin-Männer  in 
ihi-em  Medicin-Beutel  tragen.  Diese  sind 
ebenfalls  mit  übernatürlicher  Kraft  begabt, 
und  werden  bei  feierlichen  Gelegenheiten 
von  den  Mediciu-Männern  scheinbar  ver- 
schluckt und  ])ald  darauf  wieder  ausge- 
Ijrochen,  Auch  thun  die  Medicin-Männer 
häufig  so,  als  Avenn  sie  diese  Steine  aus 
dem  Körper  des  Kranken  heraussaugten. 
Auch  kleine  Schneckenhäuser  und  fossile 
Conchylien  können  zu  dem  gleichen  Zwecke 
benutzt  werden. 

Bei  den  C  h  i  p  p  e  w  a  y  s  wei'den  sie 
Mi'gis  (Fig.  78)  genannt,  und  die  vier  ver- 
schiedenen Grade  der  Mi  de- Brüderschaft 
unterscheiden  sich  unter  Anderem  auch 
durch  die  Form  ihrer  Mi'gis  von  einander. 
Hier  sind  es  Perlen  und  die  Schalen  von 
Schnecken,  Avelche  sich  in  ihrem  Lande  nicht 
vorfinden;  diesell)en  müssen  also aufdemWege 
des  Handels  in  ihren  Besitz  gekommen  sein. 

Bei  den  Ipurina-Indianern  in  Bra- 
silien giebt  der  Medicin-Mann  dem  Can- 
didaten,  der  in  seine  Lehre  tritt,  einen  oder 
mehrere  kleine  Steinchen  zu  verschlucken, 
Ta])ak   erregtem  Erl)rechen  zum  Vorschein 

körner,    offenbar  von  weit  her  importirt,    dieselben,    die   bei    der  Kranken 
behandlung  scheiiil)ar  aus  dem  Krirper  des  Kranken  ausgesaugt  werden.^* 


Fig.  76.  Kupferne  Kassel  eines  Medicin- 
Mannes  der  Nutka-Indianer. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


,,die   er  unter 
gebracht   hat. 


heftigem,    durch 
Es  sind  Quarz- 


182 


XI.    Die   übernatürliche  Krankenheliandluiio:. 


Der  iirztliclic  Caiulidiit  der  01n])poway  hat  bei  der  fcierliclien  Cere- 
inoiiio  seiner  Aufiialiiiic  in  den  ^fi de- Orden  eine  Perle  hernnterzusclilnci<en. 
Dann  scluvitet  er  rin^s  nni  die  MecHcin-Hütte.  welche  zu  diesem  Feste  be- 
sonders errichtet  ist.  wobei  er  dauernd  einen  bestimmten  Kuf  ausstösst.  bis 
er  plötzlich  hinsinkt,  zu  husten  beginnt  und  in  Convnlsionen  verfallt.  Die 
Perle,  die  er  schluckte,  ist  die  Krankheit;  diese  erstickt  ihn.  Mit  letztei- 
Kraftanstrengung  schlejjjjt  er  sich  bis  zu  der  Gruppe  der  ihn  einführenden 
Mi  des.  Hier  bringt  er  unter  mühevollen  Würgebewegungeu  das  Kügelchen 
wieder  aus  dem  Halse  heraus.  Die  Mi  des  haben  ihn  dabei  unterstützt  und 
gemeinsam  gerufen:  ya  aaa  !  ya  aaa!  ya  aaa!  Nun  nimmt  er  das  Kügelchen 
aus   dem    Mund    und    legt   es   als   seinen    Medicinstein    in   den    oberen   Theil 


Fig.  77.    Mide  der  nordamerikanischeu  Indianer  zeigen  sich  den  Inhalt  ilirer  Medicin-Säcke. 

Nach  Schoolcraft. 


seines  Medicin-Sackes  hinein,  um  bei  geeigneter  Gelegenheit  davon  Gelu'auch 
nuichen  zu  können. 

Bei  einem  Einführungsfeste,  das  die  Mide  der  Winnebago-Indianer 
feierten,  mussten  nach  der  Erledigung  einiger  anderer  Ceremonien  die  Caudi- 
daten  sich  auf  eine  Decke  knien.  Acht  Medicin-Mäuner  marschirten  dann 
in  einer  Keihe  rings  um  die  Medicin-Hütte  mit  ihren  Medicin-Säcken  in 
der  Hand.  Als  sie  den  Umgang  vollendet  hatten,  machten  sie  Halt  und 
einer  von  ihnen  hielt  eine  Rede.  Das  wird  wiederholt,  bis  alle  gesprochen 
haben.  „Sie  schliessen  dann  einen  Ki'eis  und  legen  die  Medicinsäcke  vor 
sich  auf  den  Teppich.  Dann  beginnen  sie  zu  würgen  und  Breclianstrengungei> 
zu  maciien.  srch  überbeugend,  bis  ihr  Kopf  beinahe  in  Berühi'ung  mit  ihrem 
Medicinsack  kommt,  in  welchen  sie  vomiren,  oder  aus  ihrem  Munde  eine 
kleine  weisse  Seemuschel  von  der  Grösse^  ungefähr  einer  Bohne  niederlegen. 
Diese  nennen  sie  den  Medicin-Stein,  und  sie  behaupten,   dass  sie  ihn  in 


81.    Das  Heraussaue-en  der  Krankheit. 


183 


ihrem  Magen  tragen  und  dass  er  bei  diesen  Gelegenheiten  ausgebrochen 
wird.  Diese  Steine  stecken  sie  in  ihre  Medicinsäcke  und  dann  nehmen  sie 
Phitz  am  Ende  der  Laube,  entgegengesetzt  und  mit  dem  Gesicht  nach  den 
Candidaten.-' 

Bei  den  nordwestlichen  Stämmen  von  Nord-Amerika  treffen  wir 
aber  auch  ziemlich  grosse  Steine  an,  welche  als  Mediciu- Manns -Steine 
bezeichnet  werden.  Sie  haben  die  Grösse  einer  Handfläche  und  darüber; 
im  Munde  können  sie  also  nicht  beherbergt  werden.  Auch  sind  sie  mit 
rohen  Skulpturen  bedeckt.  Es  sind  grosse  flach  abgerollte  Steine,  deren 
einer  aus  West-Vancouver  den  Kopf  eines  Fisches  und  vielleicht  eines 
Frosches  eingeschnitten  trägt  (Fig.  81);  ein  Anderer  (Fig.  79),  ebendaher, 
zeigt  einen  Schwertwal  und  ein  nach  abwärts  gekehrtes  Menschengesicht, 
und  ein  Dritter  (Fig.  80)  mit  zwei  Gesichtern  soll  angeblich  eine  Seeotter 
zur  Darstellung  l)ringen.  Alle  drei  gehören  zu  der  Sammlung  des  Capitän 
Jacohsen  im  Museum  für  "Völkerkunde  in  Berlin. 

Etwas  Aehnliches  findet  sich  übrigens  auch  in  dem  malayischen 
Archii^el.  In  dem  westlichen  Borneo 
besitzen  die  Medicin-Männer  eine  Art 
von  Steinen,  welche  sie,  wie  sie  be- 
haupten, von  den  Geistern  erhalten 
haben.  Durch  eine  besondere  Kunst- 
fertigkeit lassen  sie  diese  Steine  schein- 
bar von  dem  Dache  ihrer  Wohnung 
heruntei'fallen.  Sie  gebrauchen  sie  für 
ihre  Heilmanipulationen  und  bestrei- 
chen damit  stundenlang  den  Körper 
ihrer  Patienten. 

Wir  wollen  im  Anschlüsse  hieran 
noch  eine  Art  der  Hülfsinstrumente 
erwähnen,  welche  für  den  Medicin- 
Mann  derGiljaken  zu  den  unentbehr- 
lichen Eequisiten  gehört.  Es  sind  das 
aus  Holzklötzen  gefertigte  Menscheu- 

figui-en  (Fig.  82),  welche  von  unglaublich  roher  Ausführung  sind.  Sie  stellen 
den  Schutzgeist  des  Schamanen  vor  und  haben  während  seiner  Zauljer- 
ceremonien  ihren  Platz  am  Feuer.  Bisweilen  haben  sie  auch  noch  eine 
Anzahl  von  Untergeistern  in  ihrer  Gewalt.  So  sehen  wir  einen  solchen 
hölzernen  Geist,  auf  dessen  Kopfe  sich  sieben  plumpe  Zacken  befinden. 
Das  sollen  die  sieben  Hülfsgeister  sein,  über  deren  Kraft  und  Fähigkeiten 
der  Schamane  nun  elienfalls  verfügen  kann. 


Fig.  78.    Mi'gis,  Medicia-Steine  der  Mide 
von  Leech  Lake. 

Nach  Ho  ff  man. 


81.   Das  Heraussaugen  der  Krankheit. 

Die  übernatürliche,  ärztliche  Behandlung  der  Medicin-Männer  scheint 
uacli  dem  Principe  des  „Doppelt  reisst  nicht'-  eingerichtet  zu  sein;  wenigstens 
-eben  wir,  dass  sie  gar  nicht  selten  mehrere  Methoden  der  magischen 
Therapie  zu  gleicher  Zeit  in  Wirksamkeit  treten  lassen.  Bei  manchen 
Stämmen  schreiten  sie  erst  dazu,  wenn  die  medicamentöse  Behandlung  nicht 


184 


XI.    Die  übernatürliche  Kraiikenbehaiidluug. 


/n  dem  gewünsohtcMi  Resultate  j^etühi-t  hat.  Andere  Vülkerscliaften  aber 
faiiij:eii  gleich  mit  d(u-  magischen  Behaudlung  au  uud  erst,  weuu  diese  iui 
Stiche  gelassen  liat.  nehmen  sie  zu  den  Mediciunenten  ihre  Zuflucht.  Unter 
den  mechanischen,  magischen  Behandlungsmethoden  ist  das  Aussaugen  der 
Krankheit  ganz  besonders  weit  verbreitet.  Der  Medicin-Mann  setzt  den 
Mund  oder  sein  besonderes  Instrument  auf  den  leidenden  Köi'pertheil  und 
saugt  mit  grosser  Anstrengung  und  Ausdauer,  nicht  selten  stundenlang  und 
bis  es  blutet.  Dann  bringt  er  unter  besonderen  Förmlichkeiten  dasjenige 
aus  dem  INfunde  hervoi-,  was  die  Krankheit  verursacht  hatte,  Holzstückchen. 
Dornen,  ]\ruschelschalen,  Krallen,  kleine  Knochen,  u.  s.  w.  (Fig.  8).  Selbst 
Würmer,  einen  Frosch  oder  eine  Schlange  saugt  er  so  aus  dem  Körper 
heraus.  Ein  Beschwörungsgesang  des  Medicin  -  Mannes  der  Klamath- 
Indianer  lautet: 

„Was  entferne  ich  aus  meinem  Munde? 

Die  Krankheit  ziehe  ich  aus  meinem 
Munde. 

Was    ist   das  Ding,    das  ich  herausnehme? 

Es  ist  die  Krankheit,  die  ich  heraus- 
nehme ! " 

Nachdem  der  Medicin-Mann  der  Clio- 
rotegan -Indianer  die  leidenden  Theile 
des  Kranken  geknetet  und  gesogen  hat, 
bringt  er  unter  absonderlichen  Sprüngen 
eine  schwarze  Substanz  aus  seinem  Munde 
hervor,  die  er  als  die  Ursache  der  Ki-ank- 
heit  ausgiebt.  Die  Freunde  des  Patienten 
nehmen  diesen  Stofi'  und  zertrampeln  ihn 
unter  betäubendem  Lärm.  Hierauf  l)ezieht 
sich    zweifellos    auch    ein    Medicin -Manns- 


Fig.  79     Medicin-Manns-Stein, 
Vancouver. 


Gesang  der  Klamath-Indiauer 


Museum  f  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


„Was  kommt  aus  meinem  Munde? 
Eine  schwarze  Masse  hängt  von  meinem 
Munde  hernieder." 
Bei  den  Dacota  wirft  sich  der  Medicin-Mann  neben  dem  Patienten 
auf  die  Knie  nieder  und  saugt  mit  „einer  Energie,  welche  übermenschlich 
erscheint,  wobei  er  die  Kürbisrassel  heftig  schüttelt.  Auf  diese  Weise  pum])t 
der  Gott,  welcher  in  dem  Arzte  wohnt,  die  Krankheit  aus  dem  Leidenden. 
Xachdem  er  so  eine  beträchtliche  Zeit  hindurch  gesogen  hat,  richtet  er 
sich  auf  seinen  Füssen  auf  in  sichtlicher  Erschöpfung,  derartig  heulend, 
dass  man  es,  wenn  das  Wetter  still  ist,  eine  Meile  weit  hört,  seine  Seiten 
schlagend,  die  Erde  mit  den  Füssen  stampfend  und  schlagend  so,  als  wollte 
er  sie  erzittern  machen,  und  eine  Schale  mit  Wasser  an  seinen  Mund  haltend, 
bringt  er  unter  einem  singenden  Blubbern  dasjenige  hervor  und  sjjeit  es  in 
die  Schüssel,  was  er  aus  der  kranken  Person  herausgesogen  hat.  Diese 
anstrengende  und  ekelhafte  Operation  wird  in  kurzen  Zwischenräumen  auf 
Stunden  wiederholt."  In  vielen  Fällen  ist  es  al)er  immer  wieder  der  „Medicin- 
Stein'"',  Avelchen  der  Arzt  aus  dem  erki-ankten  Körper  saugt.  Es  wurde 
oben  schon  erwähnt,  dass  wir  diesen  dann  wahrscheinlich  gleichsam  als  die 
coagulirte  Krankheit  ansehen  müssen. 


81.    Das  Heraussaugen  der  Krankheit. 


185 


Auch  in  unsichtbarem  Zustande  wird,  wie  ebenfalls  oljeu  erwähnt, 
die  Krankheit  in  manchen  Fällen  ausgesogen. 

Hierüber  verdanken  wir  Ehr enr eich  eine  Notiz,  welche  die  Ipur ina- 
in dianer  in  Brasilien  betrifft:  „Bei  der  Krankenbehandlung,  der  ich  am 
Acinam  beiwohnte,  saugte  der  Medicin-Mann  zunächst  an  der  Körperstelle 
des  Patienten,  die  der  Sitz  des  Leidens  zu  sein  schien,  und  zwar  mit  solcher 
Intensität,  dass  ein  weithin  hörbarer  klatschender  Ton  erzeugt  wurde  und 
grosse  blaue  Flecke,  wie  nach  Application  eines  trockenen  Schröpf kopfes, 
sichtbar  blieben.  Dann  brachte  er  unter  lautem  Rülpsen  ein  Steinclien  aus 
dem  Munde  hervor,  bepustete  und  beleckte  es  mehrere  Male,  rieb  es  sich 
selbst  an  verschiedenen  Körpertheilen,  Unterarmen,  Unterschenkel  und 
Achsel,  ein  und  liess  es  dann  sehr  geschickt  wieder 
verschwinden." 

„Ehe  er  das  Saugen  wieder  begann,  schlug  er 
rechts  und  links  mit  Händen  und  Füssen  aus.  Nun- 
mehr kamen  andere  Körperstellen  des  Patienten 
an  die  Peihe,  Avobei  immer  ein  Stein,  wahrschein- 
lich immer  derselbe,  aus  dem  Munde  hervorgeholt 
und  wegpracticirt  wurde.  Zum  Schluss  ging  er  in 
einen  Winkel,  um  ki'äftig  auszuspeien,  und  wieder- 
holte dasselbe  unter  einem  Baum  vor  der  Hütte, 
trat  das  Sputum  mit  dem  Fusse  aus,  und  machte, 
sich  plötzlich  umdi'ehend,  mit  Händen  und  Füssen 
abwehrende  Bewegungen." 

Die  Isthmus  -  Indianer  nehmen  vor  dem 
Saugen  bestimmte  Medicamente  in  den  Mund,  die 
Creek.  Winnebago  und  Chippeway  u.  s.  w. 
kauen  bisweilen  eine  gelbe  Wurzel  aus,  deren  Saft 
sie  ausspeien,  um  zu  beweisen,  dass  sie  dem  Pa- 
tienten die  versetzte  Galle  ausgesogen  haben.  Auf 
den  A  am -Inseln  wird  die  zu  saugende  Stelle  erst 
mit  kleingekautem  Gember  bedeckt.  Da  in  dem 
malayischen  Archipel  der  Gember,  wie  wir  sahen, 
auch  zum  Bespeien  des  Ki-anken  benutzt  wird,  um  Yis  80.  Medicin-Manns-Stein, 
den  Krankheitsdämon    aus    seinem  Körper  heraus-  Vancouver. 

zutreiben,    so   müssen  wir  hier  wahrscheinlich  auch    **"^' Nach^PhotograpMe.'^^^"' 
wohl  einen  ähnlichen  Gedankengang  vermuthen. 

In  unsichtbarer  Form  wird  die  Krankheit  bei  den  Ist  hm  us- In  dianern 
ausgesogen.  Der  Medicin-Mann  stürzt  dann  plötzlich  mit  aufgeblasenen 
Backen  davon  und  thut,  als  wenn  er  etwas  ausspuckte.  Dann  stösst  er 
Flüche  und  Yei'wünschungen  aus  gegen  die  Krankheit,  die  er  soeben  ent- 
fernt hat.  Bei  den  Klallams  kommt  der  Medicin-Mann  so  in  Erregung, 
dass  er  den  kranken  Theil  auch  mit  den  Zähnen  packt.  Um  ein  Mädchen 
von  einer  Erkrankung  der  Seite  zu  heilen,  zog  er  dieselbe  nackend  aus, 
wai'f  darauf  selber  sein  Blanket  ab  und  begann  zu  singen  und  heftig  zu 
gesticuliren.  Die  Assistenten  schlugen  den  Takt  mit  kleinen  Stöcken  an 
hölzernen  Gefässen  und  Trommeln,  wobei  sie  fortwährend  sangen.  ,.Nach- 
dem  sich  der  Medicin-Mann  in  dieser  Weise  ungefähr  eine  halbe  Stunde 
hindurcli  angestrengt  hatte,  bis  der  Schweiss  von  seinem  Kör{)er  rann,  warf 


186  XI.    Die  übernatürliche  Ivrankenbeliandlung. 

er  s^ich  plötzlich  auf  das  junge  Weib,  hielt  ihre  Seite  mit  den  Zähnen  ge- 
])aekt  und  schüttelte  sie  für  einige  Minuten,  während  die  Patientin  an 
grosser  Erschöpfung  zu  leiden  schien.  Er  verliess  dann  seinen  Platz  und 
schrie,  dass  er  es  bekommen  habe,  zur  selben  Zeit  seine  Hände  vor  seinen 
Mund  haltend;  danach  tauchte  er  in's  Wasser  und  behauptete,  mit  grosser 
Schwierigkeit  die  Krankheit,  welche  er  herausgezogen  habe,  nieder  zu  halten." 
Die  Saugekraft  der  jMedicin-Männer  gilt,  wie  man  begreifen  wird,  als 
eine  übernatürliche.  Es  sind  die  Geister,  die  sie  beseelen,  welche  durch 
ihren  Mund  diese  Wirkung  ausüben.  Die  Dacota  glauben,  dass  es  Tliier- 
geister  sind,  die  Manidos,  welche  für  die  Medicin-Männer  das  Aussaugen 
l)esorgeu,  und  darauf  bezieht  sich  auch  bei  den  Klaniath-Indianern  ein 
Beschwörungsgesang : 

„Ich,  der  Käfer,  ich  beisse  und  sauge." 


83.  Das  Aufsuchen  des  Locus  affectus. 

Für  die  Saugecur  bleibt  es  sich  nun  nicht  gleich,  auf  welcher  Stelle 
der  Mund  aufgesetzt  wird.    Wenn  eine  örtliche  Schmerzhaftigkeit  nicht  den 

Locus   affectus  zu  erkennen  giebt,    so  muss 
^^<^^k  ^^^^^^^^  derselbe  sorgfältig  aufgesucht  werden.    Die 

^'  ^''^         "       Aerzte  der Schastas  in  Nord-Californien 

■  ;  '    -^  werden  hierin  von  einer  Collegin  unterstützt. 

["^^'i^:  ''^     welche  l)ei  dem  Kranken  wie  ein  Hund  so- 

lange bellt,  bis  sich  der  Geist  hierdurch 
l)ewegen  lässt,  ihr  die  richtige  Stelle  an- 
zuzeigen. Bei  den  Dieyerie  in  Süd- 
Australien  betastet  der  Medicin  -  Mann 
sorgfältig  den  Körper  des  Ki-anken,  bis  er 
Fig.  81.   Medicin-Manns-Stein,  vorgiel)t,    etwas   zu   fühlen.     Dann  saugt  er 

Vancouver.  einige  Minuten  an  dieser  Stelle  und  entfernt 

^"'' kI?pSog?apiüe''^'"'  sicli   danach   eine  kleine   Strecke  von  dem 

Lager.  Dabei  bricht  er  ein  kleines  Stück 
Holz  ab,  das  er  verbirgt,  und  kehrt  zum  Lagerplatze  zurück,  macht  sich 
mit  einer  rothglühenden  Kohle  die  Hände  heiss  und  knetet  dann  an  dem 
Körper  des  Kranken  herum,  bis  er  dann  plötzlich  zu  Aller  Erstaunen  das 
kleine  Holzstückchen  zum  Vorschein  bringt. 

Die  in  Figur  83  wiedergegebene  Zeichnung  auf  einem  Musikl)rett  der 
Chi  pijeway- In  dianer  zeigt  uns  einen  Medicin-Mann,  der  einen  vor  ihm 
auf  der  Erde  liegenden  Kranken  behandelt.  In  der  linken  Hand  hält  er 
ein  Instrument,  entweder  die  Hassel  oder  die  Trommel.  Von  seinem  Auge 
verläuft  eine  Linie  gerade  zur  Herzgrube  des  Patienten.  Diese  bedeutet, 
dass  er  nun  den  Locus  affectus  aufgefunden  hat.  Hier  hat  der  Krankheits- 
Dämon  seinen  Sitz  aufgeschlagen  und  von  hier  muss  er  auch  vertrieben 
oder  vielmehr  herausgesogen  werden. 

Bei  einer  allgemeinen  Erkrankung  wählen  die  ]\redicin-Männer  der 
Eingeborenen  von  Süd-Australien  und  Victoria  die  Magengrube  zum 
Heraussaugen  der  Krankheit  aus,  und  l)ei  den  Indianern  von  Vancouver 
konnte  Jacohsen  das  Gleiche  beobachten. 


83.    Das  Hei-ausnehmeu  der  Ki-ankheit. 


187 


Der  Locus  affectus  wird  aber  auch  bei  anderen  Gelegenheiten  auf- 
gesucht. Die  Laoten  z.  B.  Avünschen  zu  wissen,  an  welcher  Körperstelle 
sich  der  Krankheitsdämon  verborgen  hat,  da  er  nur  von  dieser  Stelle  aus 
zu  bewegen  ist,  durch  den  Mund  des  Kranken  Auskunft  zu  geben.  Zu 
diesem  Behufe  bindet  der  Medicin-Mann  sieben  Baumwollenfäden  um  die 
Daumen  und  um  die  grossen  Zehen  des  Kranken,  spricht  seine  Beschwö- 
rungsformeln und  drückt  mit  seinen  Fingern  ganz  allmählich  alle  Theile 
des  Körpers,  einen  nach  dem  anderen,  bis  er  die  richtige  Stelle  gefunden 
hat.  Die  Ostjaken  suchen  füi'  das  Ansetzen  ihrer  Birkenschwamm-Moxen 
dadurch  die  geeignetste  Stelle  herauszufinden,  dass  sie  an  dem  erkrankten 
Theile  eine  glühende  Kohle  auf  verschiedene  Hautstellen  bringen.  Dort, 
wo  der  Schmerz  nicht  gleich  empfunden 
wird,  ist  für  die  Moxe  der  geeignete 
Punkt. 


sammengekauter 
Stelle  gelegt  wird, 


83.  Das  Herausnelimen  der  Krankheit. 

Das  Kneten,  Pressen,  Drücken  und 
Streichen,  wie  wir  es  in  der  Massage 
kennen  gelernt  haben,  hatte  zweifellos 
ursi^rün glich  auch  nur  den  Zweck,  die 
Krankheit  oder  den  Krankheitsdämon  aus 
dem  Patienten  herauszunehmen.  Hierhin 
haben  wir  es  zu  rechnen,  wenn  uns  von 
den  Eingeborenen  der  Inseln  Leti,  Moa 
und  Lakor  berichtet  wird,  dass  dem 
Patienten  zuerst  der  Körper  mit  Kalapa- 
Oel  eingerieben  und  dann  ein  aus  sieben 
Sirili-  und  sieben  Piuang- Stücken  zu- 
Brei auf  die  kranke 
Darüber  deckt  man 
dann  ein  bezaubertes  Tuch  und  nach 
einer  Viertelstunde  findet  man  nun  in 
dem    gekauten    Brei    den    Fremdkörper. 

welcher  die  Krankheit  verursacht  hat.  Auf  der  Insel  Eetar  und  auf  den 
Kei -Inseln  schmiert  man  den  kranken  Körpertheil  ebenfalls,  bevor  man  den 
magischen  Fremdkörper  aus  ihm  entfernt,  mit  kleingekauten  Medicamenten 
ein;  auf  der  erstgenannten  Insel  wird  die  Stelle  vorher  gekniffen. 

Die  Indianer  Britisch  Columbiens  verbinden  mit  dem  mechanischen 
Fortnehmen  der  Krankheit  gleichzeitig  auch  das  Aussaugen  und  die  gewalt- 
same Massage.  So  heisst  es  bei  Bancroft:  „Der  Hexenmeister,  häufig  grotesk 
bemalt,  tritt  in  den  Kreis,  singt  einen  Gesang,  und  geht  daran  den  bösen 
Geist  von  dem  kranken  Manne  zu  zwingen,  indem  er  beide  geljallten  Fäuste 
mit  aller  Macht  in  seine  Magengrube  presst,  und  ebenso  andere  Theile  des 
Körpers  knetet  und  schlägt,  ihn  gelegentlich  mit  seinen  eigenen  Fingern 
stossend,  und  indem  er  Blut  aus  demjenigen  Theile  heraussaugt,  der  als 
der  befallene  betrachtet  wird.  Die  Zuschauer  schlagen  mit  ihren  Stöcken, 
und  alle  mit  Einschluss  des  Arztes,  und  oft  auch  der  Patient  gegen  seinen 


Fi^.  82.    Hülfsgeist  des  Schamanen  der 
Giljaken    mit  sieben  dienstbaren  Gei- 
stern auf  dem  Kopfe. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


188 


XI.    Die  übernatürliche  Krankenbehandluns. 


AVillcn,  imtcrlialtoii  einen  unaufhörlielien  (lesang  oder  Geheul.  Hier  ist 
übrigens  eine  gewisse  Methode  in  der  Tollheit,  und  wenn  die  Routine  a'oII- 
endet  ist,  wird  sie  von  Xeueni  begonnen,  und  dies  wird  mehrere  Stunden 
hindui'ch  alle  Tage  wiederholt,  bis  der  Fall  entschieden  ist.  Bei  einigen 
Stäniinen  extrahirt  der  Arzt  schliesslich  den  Geist,  in  der  Form  eines 
kleinen  Knochens  oder  eines  anderen  Gegenstandes,  aus  dem  Körper,  oder 
dem  Munde  des  Patienten  durch  irgend  ein  Taschenspielerkunststück." 

Eine  besondere  Methode,  das  die  Krankheit  erzeugende  Thier,  den  so- 
genannten Fresser  (Wurm,  Schlange,  Eidechse  u.  s.  w.),  aus  dem  Körper 
des  Kranken  herauszuholen,  haben  die  Medicin-Männer,  die  Amagrjira 
wokupata  der  Xosa-Kaffern.  Es  wird  zuvor  ein  Opferthier  geschlachtet, 
oft  in  besonders  grausamer  Weise.  Im  Jahre  1888  wurde  in  Mtata  ein 
Ochse  bei  solcher  Gelegenheit  lebendig  geschunden  und  ihm  ein  Vorderbein 
mit  dem  Schulterblatt  abgelöst,  „sodass  er  auf  drei  Beinen  umhertaumelte". 
Darauf  formt  der  Medicin-Mann  aus  Lehm  und  frischem  Kuhdünger  einige 

Kugeln ,  an  Grösse 
einer  gewöhnlichen  Ke- 
gelkugel gleich.  Diese 
legt  er  auf  die  schmerz- 
hafte Stelle  und  dinickt 
sie  unter  Aechzen  und 
Stöhnen,  damit  sie  die 
giftigen  Fresser  aus 
dem  Körper  saugen 
sollen.  Dann  nimmt 
er  die  Kugel  vor  den 
Mund ,  bläst  daran 
herum,  als  wenn  er 
jene  Dinge  heraus- 
ziehen Avollte ,  und 
verdreht  dabei  ganz 
schrecklich  die  Augen. 
Im  Munde  verborgen 
hat  er  sich  schon  mit 
solchen  Dingen  versehen,  die  er  auffinden  will.  Merken  die  Umstehenden, 
die  sich  ja  in  grosser  Furcht  und  Aufi-egung  befinden,  nicht  genau  darauf, 
so  practicirt  er  jene  Dinge  in  die  Kugeln;  sein  Aechzen  und  Stöhnen  lässt 
nach  und  er  behauptet,  dass  nun  der  Kranke  genesen  sei. 

Die  Süd-Australier  nehmen  in  unsichtbarer  Form  die  Krankheit  von 
dem  Patienten  fort  und  werfen  sie  scheinljar  in  das  Wasser  oder  sie  ver- 
brennen sie.  Die  Nieder-Californier  versuchen  in  verzweifelten  Fällen, 
die  Krankheit  mit  den  Fingern  aus  dem  Munde  des  Patienten  heraus- 
zuziehen. In  gleicher  Absicht  stecken  die  Yakis  dem  Kranken  einen  Stock 
in  den  Mund,  um  so  die  Krankheit  aus  seinem  Magen  zu  ziehen.  Bei 
Ehrenreich  lesen  wir  über  die  Yamamadi: 

..Eine  Krankenbehandlung,  der  ich  beiwohnte,  unterschied  sich  dadurch 
von  der  gewöhnlichen  indianischen  Curmethode,  dass  sie  vollkommen  laut- 
los, ohne  Saugen  oder  Anblasen  des  Patienten  vor  sich  ging.  Die  Umgebung 
der   leidenden  Stelle  —  es  handelte  sich  um  eine  linksseitige  Supraorbital- 


Fig.  83.    Medicin-Mann  der  Chippeway-Indianer,  den  Lotus 

aflfectus  eines  Kranken  findend.     Von  einem  Musikbrett. 

Nach  Iloffman. 


84.    Der  Exorcismus  durch  den  Medicin-Mann.  189 

nem-algie  —  wurde  mit  der  linken  Hand  gekniffen  und  gezupft,  während 
die  rechte  den  Kranken  fest  im  Genick  i^ackte.  Nach  einigen  solchen 
Griffen  blies  der  Zauberer  in  die  hohle  Faust  und  that,  als  ob  er  einen 
Gegenstand  zwischen  den  Fingern  aufmerksam  betrachte.  Diesen  imaginären 
Krankheitsstofi'  rieb  er  sich  sodann  in  die  Brustgegend  oder  die  Achsel- 
liöhle  ein.  Nachdem  sich  dieses  Spiel  sechs  bis  acht  Mal  wiederholt  hatte, 
Avandte  sich  der  Arzt  um.  strich  sich  die  Hände  an  einem  Balken  ab  und 
verliess  die  Hütte.  Draussen  grub  er  ein  Loch,  in  welches  er  Wasser,  das 
er  aus  seinem  Munde  ülier  die  Hände  spülte,  abfliessen  liess,  riel)  nochmals 

i     sorgfältig  seine  Hand  ab  und  schüttete  das  Loch  wieder  zu." 

Durch  Beschwörungen   und  Verfluchungen  wird  der  Fremdkörper,    be- 
ziehungsweise   die  Krankheit,    auf  der  Lisel  Serang  und  bei  den  Topan- 
tunuasu    auf    Selebes    aus    dem    Kranken    heraus- 
geholt. 

Auch  die  Klamath- Indianer  haben  für  diesen 
Zweck  ihre  Beschwörung,  den  sogenannten  Spinnen - 
Gesang.     Derselbe    ist   nicht    gerade  sehr  geistreich; 

\     er  lautet: 

„Ich,  die  Spinne,  gehe  hinauf. 
Aufwärts  wandere  ich." 

Dabei  wird  ein  ovales  Stückchen  Hirschleder  dem  CMppeway- Indianer, 
Patienten   auf   die    kranke   Stelle    gelegt,    ein   Blanket         eine  Frau  heilend, 

wird  darüber  gebreitet  und  hier  hinein  zieht  sich  nun  ^«^  einem^Musikbrett  der 
die  Ki-ankheit.  Nach  Hoffrmn. 


84.   Der  Exorcismus  durch  den  Medicin-Mann. 

Yon  den  ältesten  Zeiten  l)is  zum  heutigen  Tage  und  über  die  ganze 
Erde  hin  hat  eine  Art  der  Krankenbehandlung  ihre  Ausbreitung  gefunden, 
das  ist  der  Exorcismus,  das  Bannen  und  Beschwören  und  die  Austreibung 
der  Kj'ankheitsdämonen.  "Wir  haben  ja  bereits  die  musikalischen  Instrumente 
kennen  gelernt,  welcher  der  Medicin-Mann  hierzu  bedarf;  es  wurden  auch 
schon  manche  der  Beschwörungsgesänge  an  geeigneter  Stelle  angeführt. 
AVir  finden  aber  in  der  Technik  sowohl  als  auch  in  der  Auffassung  dieser 
Exorcismen  noch  mancherlei  kleine  Verschiedenheiten.  Wir  geben  hier  zwei 
Darstellungen  von  dem  Exorcismus  des  Medicin-Mannes  bei  den  Indianern. 
Die  Figuren  83  und  84  sind  den  Zeichnungen  auf  einem  Musikbrette  ent- 
nommen, das  sich  in  dem  Besitze  eines  Mi  de  der  Chippeway -Indianer 
befand.  Figui*  84  zeigt  die  Behandlung  einer  Frau  und  Figm*  83  diejenige 
eines  Mannes.     Beide  Medicin-Männner  schwingen  die  Rassel. 

Figur  85  giebt  eine  Krankenbehandlung  bei  den  Mandan-Indianern 
nach  einer  Handzeichnung  von  George  Catlin. 

Der  Medicin-Mann  umtanzt  den  Patienten,  welcher  schwach  und  elend 
am  Boden  liegt.  Ganz  ebenso,  wie  auf  Figur  63,  welche  von  der  Feder 
<lesselben  Malers  eine  Krankenbehandlung  bei  den  Schwarzfuss-Indi- 
anern  zur  Darstellung  ])ringt.  halten  Männer,  Frauen  und  fast  alle  Kinder 
die    rechte    Hand    vor    ihren    Mund.      Wollen    sie    sich    vielleicht    dadurch 


190  XI.    Die  übernatürliche  Krankeubehandlung. 

schützeu.  tlass  der  Dämon,  der  die  Krankheit  vernrsaehte,  wenn  er  nnn 
ans  dem  Kranken  verjagt  Avird.  nicht  in  ihren  Körper  hineinfahre? 

Oft  reicht  die  Macht  des  Medicin-Mannes  aus,  den  Dämon,  welcher  die 
Krankheit  macht,  und  damit  diese  selber  aus  dem  Körper  des  Patienten 
herauszutreiben.  In  manchen  Fällen  muss  aher  ein  hülfreicher  Geist  für 
ihn  diese  mühevolle  Arbeit  übernehmen.  Nicht  selten  wird  durch  mechanische 
Eingriffe  das  Entweichen  des  Dämons  unterstützt  und  erleichtert.  Meistens 
geschieht  es  mit  Tjärm  und  Geschrei,  um  den  Dämon  zu  erschrecken  und  ihm 
Furcht  einzujagen.  Auch  mit  Beleidigungen  wird  es  versucht,  die  nmnchmal 
den  bösen  Geist  bewegen,  sein  Oj)fer  faliren  zu  lassen.  Von  grosser  Wirkung 
hält  man  bei  einigen  Völkern  das  Ausräuchern  des  bösen  Geistes,  und 
manchmal  gelingt  auch  die  Befreiung  des  Kranken  auf  dem  Wege  der 
Ueberlistung,  oder  der  gütlichen  ITeberredung.  Wenn  es  nun  nicht  nur  ge- 
lingt, den  bösen  Geist  zu  vertreiben,  sondern  auch  lutch  ihn  festzubannen 
oder  gar  zu  vernichten,  so  ist  die  Aufgabe  des  Medicin-Mannes  in  der  aller- 
vollkommensten  AVeise  gelöst. 

Wenn  bei  den  Koniagas  eine  Person  krank  wird,  so  Avird  angenommen, 
dass  irgend  ein  böser  Geist  von  ihr  Besitz  genommen  hat,  und  es  ist  das 
Geschäft  des  Schamanen,  den  Geist  zu  beschwören,  zu  bekämpfen  und  aus 
dem  Manne  auszutreiben.  Zu  diesem  Zwecke  setzt  er  sich  mit  dem  magischen 
Tambourin  bewaffnet  zu  dem  Patienten  und  murmelt  seine  Incantationen. 
Ein  weiblicher  Assistent  l)egleitet  ihn  mit  Aechzeii  und  Brummen.  Sollte 
dies  erfolglos  sein,  so  nähert  sich  der  Schamane  dem  Bette  und  wirft  sich 
auf  den  Körper  des  Leidenden;  dann  den  Dämon  fassend,  ringt  er  mit  ihm, 
überwindet  ihn  und  wirft  ihn  hinaus,  während  die  Assistenten  schreien: 

.,Er  ist  gegangen!    Er  ist  gegangen!" 

Auf  den  Luang-  und  Sermata-Inseln  und  bei  den  Topantuuuasu 
in  Selebes  schlägt  man  bei  gewissen  Krankheiten  auf  den  armen  Patienten 
ein.  um  auf  diese  Weise  den  bösen  Geist  aus  ihm  herauszuprügeln. 

Auf  Samoa  giebt  es  bestimmte  eingeborene  Aerzte,  welche  in  dem 
Rufe  stehen,  dass  sie  die  Schwändsucht,  Mumu  genannt,  oder  besser 
gesagt,  den  Dämon,  der  sie  verursacht,  mit  dem  Speere  durchbohren 
können.  Wenn  solch  ein  Arzt  gerufen  wird,  so  setzt  er  sich  vor  den  Kranken 
nieder  und  singt: 

„0  Munin!    0   Mumu! 

Ich  bin  im  Begriff,  Dich  zu  spiessen ! " 

„Dann  springt  er  auf  und  sclnvingt  den  Speer  über  dem  Haupte  des 
Kranken  und  verlässt  darauf  das  Haus.  Niemand  darf  während  dieser 
Ceremonie  sprechen  oder  lächeln.*' 

Auch  auf  den  Nicoljaren  erscheinen  die  Medicin-Männer  häufig  mit 
dem  Speere  in  der  Hand  bei  dem  Patienten,  um  den  bösen  Geist,  den  Iwi, 
zu  durchbohren,  der  die  Krankheit  verursacht  hat. 

Dieses  Herausschrecken  und  A^erjagen  der  Krankheitsdänionen  findet 
in  grossem  Stile  bei  Epidemien  Statt.  Wir  Avollen  diese  Maassnahmen  hier 
übergehen,  weil  wir  sie  später  noch  im  Zusammenhange  ganz  ausführlich 
zu  besprechen  haben. 

Dass  der  von  dem  Medicin-Manne  und  seinen  Gehülfeu  hervorgebrachte 
betäubende  Lärm    zum  Zweck   hat,    den  Krankheitsdämon    zu    erschrecken. 


85.    Das  Ausräuchern  der  Ivrankheitsdämonen. 


191 


das  liegt  wohl  deutlich  auf  der  Hand.    In  einigen  Schilderungen  wird  diese 
Absicht  aber  auch  noch  besonders  hervorgehoben, 

Den  Wunsch,  den  bösen  Geist,  der  die  Krankheit  gebracht  hat,  zu 
beschimpfen  und  zu  beleidigen,  finden  wir  bei  den  Australnegern  von 
Victoria  und  bei  den  Eingeborenen  des  Seranglao-  und  Gorong- 
Archipeles. 

85.   Das  Ausräucliern  der  Krankheitsdämonen. 

Das  Ausräuchern,  namentlich  bei  bestimmten  Erkrankungen,  hat  eben- 
lalls  eine  räumlich  sehr  weite  Verbreitung.  Meist  sind  es  wohl  stark 
schwälende  Pflanzen,  die  gleichzeitig  einen  intensiven  Geruch  verbreiten,^ 
welche  man  zu  diesen  Ausräucherungen  in  Anwendung  zieht.  Auch  Hörn 
und  Haare  sind  hierfür  beliebt. 


Fig.  85.    Medicin-Maan  der  Mandan-Indianer,  einen  Kranken  heilend. 
Nach  einer  Handzeichnung  von  CaÜin.    Im  Besitz  des  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Die  Mi  de  der  Chip  i^eway-In  dianer  benutzen  zum  Ausräuchern  der 
Dämonen  eine  Cypressenart,  weil  sie  glauben,  dass  die  Xadeln  der  Zweige 
die  bösen  Geister  stechen  und  dass  die  "Wirksamkeit  der  Ausräucherung 
hierdurch  bedeutend  erhöht  werden  würde.  Auch  bei  den  Central- 
Amerikanern  sind  Ausräucherungen  der  Dämonen  im  Gebrauch,  sowie 
auch  bei  den  Harrari  in  Afrika,  bei  sibirischen  Völkern,  in  Laos  und 
auf  verschiedenen  Insel grup})en  des  malayi sehen  Archipels.  Die  Samo- 
jeden  und  Ostjaken  verbrennen  zu  diesem  Zwecke  Rennthierhaare,  Avonach 
der  Besessene  in  einen  stundenlangen  Schlaf  verfällt.  Auf  den  Kei- 
Inseln  werden  Büffelhaare  und  abgeschnittene  Haare  der  Papua-Sklaven 
in  Anwendung  gezogen,  und  mit  BüÖelhaaren  räuchert  man  auch  auf  dem 
Seranglao-  und  Gorong-Archipel  den  Schatten  des  Dämon  aus  dem 
Kranken  heraus.  Bei  den  Indianern  des  centralen  Mexico  spielt  für 
diese  Räuclierungen  der  Sal]>eter  eine  hervorragende  Rolle.  Aus  seinen 
Rückständen  in  der  Asche  sucht  dann  der  Medicin-Mann  irgend  eine  grosse 
Ameise  oder  einen  Wurm  hervor,  um  sie  als  die  ausgetriebenen  Kraukheits- 


1 92  XI.    Die  übernatürliche  Krankenbehandlung. 

Dämonen  dem  Patienten  nnd  seinen  Angehörigen  zu  deren  grosser  Genug- 
tliuung  vorzustellen.  Auf  Keisar  werden  die  zum  Käuchern  bestimmten 
Holzarten  unter  der  Lagerstätte  des  Kranken  verbrannt. 

Bei  den  Mosquito- Indianern  entzündet  man  das  Feuer  neben  dem 
Kopfe  des  Patienten  und  der  Medicin-Mann  bläst  ihm  dann  den  Rauch 
über  sein  Gesicht. 

Am  complicirtesten  scheinen  diese  Maassnahmen  bei  den  Laoten  sich 
zu  gestalten.  Aymonier  berichtet  darüber:  ,,AVenn  in  Souren  ein  Mensch 
von  bösen  Geistern  besessen  ist,  so  bringt  man  ihn  an  einen  Kreuzweg  und 
umgiebt  ihn  mit  einer  Art  von  Pallisade,  welche  durch  Pfosten  gebildet 
wird,  die  man  in  die  Erde  steckt.  Darül)er  gelegte  Stäbe  bilden  das  Dach, 
so  dass  der  Patient  nun  wie  in  einem  Kähg  sitzt,  und  zwar  auf  einem 
kleinen  Gestell,  unter  welches  eine  Schaale  mit  Tabak  und  spanischem 
Pfeifer  gestellt  wird.  Neben  dem  Käfig  errichtet  man  eine  kleine  Pyramide 
aus  Holzscheiten  in  di'eissig  Schichten.  AVenn  alles  dieses  vorbereitet  ist, 
werden  glühende  Kohlen  in  die  Schaale  geworfen,  um  den  Patienten  tüchtig 
duiThzuräuchern  und  ihm  die  Geister  auszutreiben.  Fast  erstickend  ruft 
der  Kranke:  „Aber  ich  bin  ja  nur  ein  Mensch!''  Die  Medicin-Mäuner 
lassen  ihn  schreien  und  wimmern  ])is  Alles  in  der  Schaale  verbrannt  ist. 
denn  sie  meinen,  dass  dieser  Ausruf  nur  ein  Kniff  der  bösen  Geister  ist.'" 

Eine  hervorragende  Rolle  spielen  die  Räucherungen  der  Patientinneu  in 
der  Wochenbettpflege  der  uncivilisirten  Völker  (Fig.  60).  Auch  hier  liegt  zweifel- 
los ursprünglich  der  Gedanke  zu  Grunde,  dass  ein  böser  Geist,  der  Geist 
der  Ea"ankheit,  der  Unreinigkeit  auf  diese  Weise  verjagt  werden  muss.  Ich 
habe  über  diese  Verhältnisse  an  anderer  Stelle  ausführlich  gehandelt. 


86.   Der  Exorcismiis  durch  übernatürliche  Grehülfen. 

Dem  Medicin-Mann  wird  sein  Werk  der  Teufelsaustreibung  um  so  besser 
gelingen,  wenn  ihm  übernatürliche  Hülfskräfte  zur  Verfügung  stehen.  Darauf 
zielt  ja  auch  das  Gebet  und  das  Opfer  ab  in  vielen  Fällen,  Avodurch  man 
die  Gottheit  veranlassen  will,  die  Vertreibung  der  Krankheitsdämonen  zu 
übernehmen.  Und  darum  müssen  auch,  wie  auf  Sumatra,  in  Ann  am  und 
auf  Keisar  nach  glücklich  erfolgter  Heilung  Dankopfer  dargebracht  werden. 
Bei  den  Toj)antunuasu  sind  es  die  Schutzgeister  des  Stammes,  denen 
geopfert  wird,  um  die  bösen  Geister  zu  vertreiben,  welche  die  Ki-ankheit 
verursacht  haben. 

Dem  Medicin-Manne  der  Annamiten  hilft  sein  grosses  Kriegsheer  von 
Geistern,  dem  Medicin-Manne  der  Indianer  stehen  seine  Manidos  zu 
Gebote,  der  Schamane  der  sibirischen  Volksstämme  ruft  seine  Hülfsgeister 
in  die  Trommel  herab. 

Der  australische  Medicin-Mann  in  Victoria  beschAvört  den  ihn 
schützenden  Geist  eines  verstorbenen  Medicin-Mannes,  in  den  Körper  des 
Kj'anken  hineinzufahren  und  die  Krankheit  herauszuholen.  Auf  N  i  a  s  sucht 
der  Medicin-Mann  einen  Hülfsgenius,  der  ihm  dann  behülflich  ist,  einen 
Adü,  einen  Geist,  aufzufinden,  der  die  Rolle  eines  Vermittlers  übernimmt. 
Dieser  letztere  überredet  nun  den  Dämon,  welcher  als  Krankheit  in  den 
Patienten  gefahren  ist,  diesen  wiederum  freizulassen  und  dafür  die  Schweine 
zu    nehmen,    die    ihm    geopfert    worden   sind.     Aber  auch  noch  eine  andere 


86.    Der  Exorcismus  durch  übernatürliche   Gehülfen.  193 

Methode  giebt  es  auf  Nias,  welche  Modigliani  bei  der  Behandlung  einer 
alten,  an  Erbrechen  und  Hustenanfällen  leidenden  Frau  mit  ansah.  Die 
vorher  geschilderte  Heilungsart  hatte  keinen  Erfolg  gehabt,  weil  ein  dem 
Medicin-Manne  feindlicher  böser  Geist  ihn  den  richtigen  Adii  nicht  hatte 
finden  lassen.  Er  rief  sich  nun  einen  Collegen  zu  Hülfe  und  mit  vereinten 
Kräften  hatten  sie  bald  den  geeigneten  Adii  gefunden,  „der  dieses  Mal  durch 
eine  rohe  Holzfigur  mit  nur  einem  ausgearbeiteten  Arme  dargestellt  war. 
Sie  hatten  ihn  zuerst  unter  das  Haus  gebracht,  dann  hinein  und  schliess- 
lich auf  das  Dach  in  verschiedenen  Pausen,  vielleicht  damit  er  gut  sehen 
könne,  welche  und  wie  viele  böse  Geister  hineingingen,  und  zuletzt  wurde 
er  auf  das  Bett  gelegt  und  mit  einer  aus  Ringen  von  Cocosblättern  ge- 
fertigten Kette  von  6  Meter  Länge  daselbst  angebunden,  welche  auf  die 
Erde  herabhiug.  Im  Inneren  der  Hütte  waren  andere  gleiche  Ringe  an 
dem  Bilde  des  Adü  Nüho  und  an  der  Matte,  auf  welcher  die  Kranke  lag, 
befestigt." 

.,Um  einen  anderen,  mächtigeren  Sumunge  zu  erhalten,  wurde  noch  ein 
Huhn  geopfert,  in  der  Sorge,  dass  der  böse  Geist  nicht  befriedigt  sei  (Hab- 
gier begleitet  die  Niasser  in  allen  Lebenslagen);  aber  da  die  Absicht  nicht 
sofort  erreicht  wurde,  so  rief  der  Ere  seinen  Bela,  seinen  Beschützer,  in- 
dem er  magische  Worte  wiederholte  und  grosse  Schläge  auf  seine  heilige 
Trommel  führte.  Er  tödtete  darauf  ein  altes  und  sehr  mageres  Schwein, 
indem  er  ihm  ein  langes  Messer  in  die  linke  Schulter  stiess  und  mit  grosser 
Geschicklichkeit  bis  in  das  Herz  drang,  und  ihm  einige  Borsten  ausreissend, 
tauchte  er  dieselben  in  das  Blut  und  bestrich  dem  Ädil  das  Gesicht.  Dann 
sengte  er  die  anderen  ab  und  zertheilte  das  Thier,  ohne  es  abgehäutet  zu 
haben.  Das  Opferthier  wurde  darauf  vertheilt,  und  was  von  dem  Schweine 
übrig  blieb,  wurde  vor  der  Hütte  gelassen  unter  der  Kette,  die  vom  Dache 
herunterhing.'" 

„Jetzt  kam  der  letzte  Theil  der  Ceremonie:  alle  Ausgänge  des  Hauses 
wurden  geschlossen,  mit  Ausnahme  eines  im  Dache  angebrachten  Klapp- 
fensters, durch  welches  ein  Theil  der  Kette  ging,  um  sich  mit  derjenigen 
zu  vereinigen,  welche  an  dem  Adü  vor  dem  Hause  hing;  und  alle  Familien- 
glieder fingen  an  zu  heulen  und  zu  toben,  während  der  mit  Lanze  und 
Messer  bewaffnete  Medicin-Mann  einen  Geist  zu  verwunden  und  in  die 
Flucht  zu  schlagen  suchte,  der  in  den  Körper  der  Kranken  gefahren  war 
und  von  ihm  allein  gesehen  wurde." 

Man  nimmt  nun  an,  dass  „der  in  Schrecken  gesetzte  böse  Geist  durch 
alle  diese  Zwangsmaassregeln  immer  durch  den  Adil,  der  von  der  Höhe 
des  Hauses  her  den  Kj-anken  beschützt,  getrieben,  auf  irgend  eine  Weise 
zu  fliehen  sucht,  und  keine  andere  Oeffnung  als  die  Dachluke  findet,  an 
der  Kette  in  die  Höhe  klimmt  und  dann  von  dem  Hause  herabläuft,  die 
Ueberreste  des  kurz  vorher  geopferten  Schweines  entdeckt  und  sich  auf 
Letztere  fallen  lässt.  Wenn  er  das  Haus  verlassen  und  das  Schwein  als 
Gegenstand  seines  bösen  Einflusses  erwählt  hat,  so  wird  der  Adü  ihn  daran 
verhindern,  zurückzukehren." 

Eine  ganz  ähnliche  Heilmethode  wird  von  von  Bosenberg  ebenfalls  aus 
Nias  beschrieben.     AVir  können  sie  hier  mit  Stillschweigen  übergehen. 


Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  l'J 


19-1  XI.    Die  überuatürliclie  Kraukenbehandlung. 


87.  Das  Fangen,  Festbannen  und  Vernichten  der  Krankheitsdäniouen. 

In  Yictori;!  wohnte  TJiomas  einer  Krankenbehandlung  bei,  welche 
drei  junge  Männer  betraf.  Sie  hatten  im  Freien  überaachtet  und  be- 
haupteten nun.  von  der  Krankheit  Tur-run  befallen  zu  sein,  welche  darin 
Itesteht,  dass  Zaul)erer  ihnen  dünne  Baumzweige  in  die  Augen  gestossen 
hätten.  „Sie  waren  in  Verzweiflung,  und  Muthlosigkeit  breitete  sich  im 
Volke  aus  und  es  herrschte  grosse  Verwirrung  im  Lager.  Aber  sogleich 
erschienen  neun  weibliche  Aerzte.  Sie  legten  die  jungen  Männer  an  ein 
ganz  von  Baumrinde  entzündetes  grosses  Feuer,  das  sie  speciell  für  sie  be- 
reitet hatten,  und  an  einem  angemessenen  Platze  abseits  vom  Hauptlager. 
Jede  der  neun  Frauen  hielt  in  der  einen  Hand  ein  Stück  brennender  Binde 
und  in  der  anderen  ein  Bündel  Zweige,  die  vom  Pallee  gepflückt  waren. 
Jede  Frau  berührte  die  Kranken  mit  den  Z^veigen  am  Kopfe.  Die  weib- 
lichen Aerzte  gingen  dann  rings  um  das  Feuer,  wobei  sie  die  Blätter  der 
Zweige  an  der  Flamme  gut  erwärmten,  und  die  heissen  Blätter  wurden 
dann  gegen  die  Brust  der  Kranken  gerieben,  und  gegen  die  Stelle,  wo  der 
Marm-bu-la  (das  Nierenfett)  sitzt,  und  gegen  den  Nabel.  Und  sie  be- 
schleunigten ihre  Schritte  und  erhitzten  die  Blätter  mehr  und  mehr,  und  sie 
rieben  die  Blätter  gewaltsam,  gegen  die  Augenbrauen,  den  Kopf  und  die 
Hände  der  Kranken,  wobei  sie  die  ganze  Zeit  fremdartige  Gesänge  und 
schreckliche  Anzeichen  von  Betrübniss  und  Trotz  wiederholten.  Als  das 
gemacht  Avar,  warf  jede  der  Frauen  ihren  Zweig  in  das  Feuer.  Sie  nahmen 
nächstdem  Kun-nun-der  (Kohlenpulver)  und  jeder  weibliche  Arzt  machte 
jedem  Patienten  einen  schwarzen  Strich  vom  Nabel  bis  zu  der  Brust,  und 
dann  einen  schwarzen  Strich  von  jedem  Mundwinkel  bis  zum  Ohre.  Als 
das  alles  geschehen  war,  wurden  die  sichtlich  sehr  erschöpften  Kranken 
nach  ihrer  Hütte  (Miam)  zurückgebracht.  Aber  so  gross  war  das  Zutrauen 
der  Kranken  zu  dieser  Behandlungsmethode,  dass  sie  geheilt  waren  und 
kui'z  darauf  ihren  gewohnten  Beschäftigungen  nachgingen.  V^ährend  des 
ExiDcrimentes,  als  die  weiblichen  Aerzte  besonders  beschäftigt  waren,  wurde 
der  Stärkste  der  drei  Schwarzen  ohnmächtig  und  wiu'de  von  der  einen  der 
weiblichen  Aerzte  unterstützt  und  gehalten.'' 

Der  Sinn  dieser  Cerenionie  ist  vermuthlich  der,  dass  die  Kj'anklieit  in 
die  Zweige  und  Blätter  gebannt  wird,  und  wenn  man  sie  nun  in  diesen 
gefangen  hält,  dann  wird  sie  mit  den  Zweigen  in  das  Feuer  geworfen  und 
sie  muss  dann  natürlicher  Weise  verbrennen. 

Hieran  erinnert  eine  Procedur,  welche  von  den  Steinen  mit  einem 
kranken  AVeibe  der  Yuruma-Indianer  vornehmen  sah.  „Die  Frau  lag 
in  der  Hängematte;  mit  einem  grünen  Zweige  rieb  ihr  der  College  Gesicht, 
Hals,  Brust  und  Bauch,  mit  beiden  Fäusten  aus  Leibeskräften  zudrückend, 
und  pustete,  als  Avollte  er  sich  bei  der  Anstrengung  die  Seele  auspressen. 
Dann  nahm  er  den  Zweig  in  die  hohlen  Hände,  vorsichtig,  als  ob  er  von 
einer  Flüssigkeit  zu  verschütten  fürchte,  und  trabte  hinaus,  ihn  fortzuwerfen, 
immer  aus  dem  tiefsten  Inneren  ächzend.  Wiederkehrend  unterwarf  er  den 
Rücken  der  Frau  derselben  Procedur;  er  wedelte  den  Zweig,  auf  dem  sie 
gelegen,  zuerst  wie  abstäubend  und  begann  zu  kneten;  mit  derselben  wichtigen 
Aengstlichkeit  brachte  er  die  gefangene  Materie  in"s  Freie." 


87.  Das  Fangen,  Festbannen  und  Vernicliten  der  Krankheitsdämonen.     195 


Aehulich  ist  auch  die  Methode  der  Papua  von  der  Geelvinkbai  in 
Neu- Guinea,  v.  Hasselt  schreibt:  .,Mauchmal  kueipt  der  Konorr  (d.  h. 
der  Zauberer)  Daumen  uud  Zeigefinger  der  rechten  Hand  so  zusammen, 
als  ob  er  ein  Stück  von  dem  Leibe  des  Kranken  festhielte,  bringt  die 
geschlossenen  Finger  an  seinen  Mund,  pfeift  und  öffnet  die  Finger  wieder, 
um  den  vermeintlichen  Swangie  oder  Manoin  (Dämonen)  fortfliegen  zu 
lassen." 

Auf  den  Aaru-Inseln  und  im  Babar-Archipel  schlägt  man  Epilep- 
tische mit  gewissen  Blättern,  damit  der  böse  Geist  in  dieselben  fahre.  Ist 
das  glücklich  gelungen,  dann  werden  sie  fortgeworfen. 

Von  der  Behandlung  eines  Kindes  in  Ko  et  ei  in  Borneo  mit  einer 
AVunde  am  Beine  berichtet  Tromp.  Der  Medicin-Mann  holte  ein  Blatt 
hervor  „und  legte  es,  Beschwörungen  murmelnd,  mit  allerlei  fremdartigen 
Geberden  auf  die  eiternde  Stelle.  Als  dann  ein  Fleck  auf  das  Blatt  kam. 
so  war  dieses  der  böse  Geist,  der  die  Qual  ver- 
ursacht hatte;  der  Medicin-Mann  guckte  es  einige 
Zeit  an,  und  entfernte  sich  dann  mit  ein  Paar 
Riesensprüngen  plötzlich  aus  der  Gesellschaft. 
Das  musste  bedeuten,  dass  der  böse  Geist  plötz- 
lich in  ilm  gefahren  war,  und  als  er  entfliehen 
Avollte,  ihn  mitgeführt  hatte.  Der  Medicin-Mann 
wurde  dann  von  einigen  anderen  nicht  Dienst 
thuenden  Mediciu-Mänuern  wieder  zurückgeholt 
und  kam  hinkend  mit  einem  traurigen  Gesichts- 
ausdi'uck  wieder,  sehr  passend,  um  anzuzeigen, 
dass  der  böse  Geist  noch  in  ihm  sei..  Aengstlich 
])licken  die  Umstehenden  umher,  aus  Furcht,  dass 
der  böse  Geist,  der  den  Behabei  sicherlich  zu 
verlassen  sucht,  in  sie  fahre,  bis  endlich  das 
Gesicht  des  Letzteren  sich  aufklärt  und  er  wie- 
dei"  begann  gut  zu  laufen  zum  Zeichen,  dass  der 
gefährliche  Geist  gewichen  sei.  Wie  diese  Ent- 
weichung stattgefunden  hatte,  wodurch  sie  ver- 
ursacht war,  wohin  der  Böse  gegangen  war,  ohne 
Jemanden    aus    der   zahlreichen    Gesellschaft   zu 

verletzen,    das  konnte  ich  nicht  in  Erfahrung  bringen;    vermuthlich  wusste 
man  es  selber  nicht." 

Auf  Ambon  und  den  Uliase-Inseln  nimmt  der  Medicin-Mann  ein 
Pfeflerkorn  und  drückt  mit  diesem  den  Patienten  an  verschiedenen  Stellen, 
bis  es  schmerzt.  So  zwingt  er  unter  Beschwörungen  den  Ki-ankheitsdämon 
in  das  Pfefferkorn  und  dieses  wird  dann  in  einen  Korb  gelegt  und  an 
einem  bestimmten  Orte  fortgeworfen. 

Bei  den  Annamiten  bannt  der  Medicin-Mann  den  Ki-ankheitsdämon 
in  einen  seiner  Gehülfen  oder  auch  in  besondere  kleine  Puppen.  Auf  den 
Inseln  Romang,  Dama,  Teun.  Nila  und  Serua  fertigen  die  Medicin- 
Männer  ein  Figürchen  aus  einem  Palmblatte  (Fig.  86)  und  stellen  es  über 
den  Kopf  des  Kranken.  Davor  legt  man  „als  Opfer  oder  als  Lockmittel 
Sirih-Pinang  und  etwas  Reis  mit  einer  halben  leeren  Eierschale,  wovon  ein 
Bischen  von  dem  Inhalt  auf  die  Stirn  des  Kranken  gelegt  wird.     Der  böse 

13* 


Fig.  86.    Menschliche  Figur  aus 

einem  Koliblatt,  in  welche  der 

Krankheitsdämon  gelockt  wird. 

Dama. 

Nach  Riedel. 


196  XI.    Die  übernatürliche  Krankenbehandlung. 

Geist  verlässt.  durch  das  Stückcheu  auf  der  Stirn  augereizt,  den  Körper  des 
Xrankou.  isst  dasjenige,  was  auf  der  Stirn  des  Kranken  liegt,  und  begiebt 
sich  darauf  in  das  Bild,  um  den  dargeboteneu  Sirih-Piuang  und  Reis  un- 
gestört zu  gemessen.  Indessen  betet  und  pfeift  der  Mediciu-Maun  und  ruft 
den  Dämon.  Dann  presst  er  in  einem  bestimmten  Augeulilicke  wüthend 
das  Bild  und  schlägt  ihm  den  Kopf  ab,  damit  der  böse  Geist,  der  in  dem 
Bilde  ist,  nicht  mehr  im  Stande  sei,  zurückzukehren.'' 

AVährend  hier  der  Krankheitsdämon  in  die  Figur  eines  Menschen  ge- 
bannt wird,  so  findet  es  sich  auch  bisweilen,  dass  eine  Thierfigur  für  diesen 
Zweck  hergestellt  wird.  Das  ist  besonders  dann  der  Fall,  wenn  man  auch 
den  bösen  Geist,  der  die  Krankheit  verursacht,  sich  in  der  Gestalt  eines 
Thieres  vorstellt.  Auf  Tanembar  und  den  Timorlao-Inseln  suchen  alte 
"Weiber  die  Epilepsie,  welche  man  sich  auf  jenen  Inselgruppen  bisweilen 
durch  einen  in  dem  Patienten  sitzenden  Vogel  entstanden  denkt,  dadurch 
zu  heilen,  dass  sie  eine  Vogelfigur  anfertigen.  Dieser  opfern  sie  dann  am 
Abend  Reis  und  ein  Huhn  und  schiessen  nach  ihr  mit  Pfeil  und  Bogen. 

Auch  bei  den  Dacota-Indiauern  wird,  wie  wir  sahen,  sehr  häufig 
die  Krankheit  dadurch  zu  erklären  gesucht,  dass  sie  annehmen,  der  Geist 
eines  Thieres  oder  besser  ein  Geist  in  Thiergestalt,  sei  in  den  Körper  des 
Patienten  gedi-ungen.  Dann  fertigt  der  Medicin-Mann  aus  Baumrinde  das 
Bild  dieses  Thieres  und  stellt  es  vor  der  Hütte  des  Kranken  in  eine 
Schüssel,  in  welcher  sich  rothe  Erde  mit  Wasser  gemischt  befindet.  Mit 
Avilden  Bewegungen  und  mit  Rasseln  macht  er  sich  um  den  Ki-anken  zu 
thun.  Indessen  stellt  sich  eine  Frau  mit  gespreizten  Beinen  über  die 
Schüssel  und  hebt  ihi-e  Kleider  bis  zu  den  Knien  in  die  Höhe,  während 
zwei  bis  di'ei  Indianer  mit  geladeneu  Gewehren  bereitstehen.  Es  ist  je- 
doch nur  Pulver  und  ein  Baumwollenpfi-opf,  aber  keine  Kugel  in  dem  Ge- 
wehr. Die  Thür  der  Hütte  ist  geöffnet,  damit  die  Indianer  den  Medicin- 
Mann  sehen  können.  Sowie  dieser  ihnen  das  Zeichen  giebt,  feuern  sie  auf 
das  Rindenthier,  um  es  in  Stücke  zu  zertrümmern.  Dann  tritt  die  Frau 
bei  Seite  und  der  Medicin-Mann  macht  einen  „Satz  zu  der  Schüssel  auf 
seinen  Händen  und  Knien  und  beginnt  in  dem  Wasser  zu  blubbern,  zu 
singen  und  allerlei  Lärm  zu  machen.  Während  dessen  macht  die  Frau 
einen  Sprung  auf  den  Rücken  des  Arztes  und  steht  hier  einen  Augenblick. 
Dann  steigt  sie  herunter,  und  sowie  er  seine  Beschwöruugsgesänge  l)eendet 
hat,  packt  ihn  die  Frau  bei  seinen  Kopfhaaren  und  zerrt  ihn  in  die  Hütte 
ziu'ück,  aus  der  er  hervorgesprungen  war.  Werden  noch  irgendwelche 
Trümmer  des  Thieres  gefunden,  auf  das  geschossen  wurde,  so  werden  sie 
sorgfältig  verbrannt,  und  dann  ist  für  diesmal  die  Ceremonie  zu  Ende. 
Wenn  dieses  den  Kj'anken  nicht  heilt,  so  wird  eine  ähnliche  Ceremonie 
vorgenommen,  aber  es  wird  eine  andere  Thierart  geschnitzt  und  nach  der- 
selben geschossen." 


88.  Bas  Bemalen  und  das  Ummalen  des  Kranken. 

Als  weiter  oben  von  der  Behandlung  der  Australneger  die  Rede 
war,  dui'ch  welche  die  Tur-run-Krankheit  vertrieben  wurde,  da  haben 
wir  es  bereits  erwähnt,  dass  die  weiblichen  Aerzte  zum  Schlüsse  ihrer  Heil- 


88.    Das  Bemalen  und  das  Ummalen  des  Kranken.  197 

ceremonie  den  drei  Patienten  mit  Kohlenpiilver  einen  schwarzen  Strich  vom 
Nabel  aufwärts  bis  zur  Brust  und  einen  von  jedem  Mundwinkel  bis  zum 
Ohi-e  malten.  Dass  dieses  Bemalen  in  den  Augen  jener  Leute  eine  be- 
sondere Bedeutung  besitzen  muss,  das  liegt  wohl  auf  der  Hand;  aber  es  ist 
nicht  leicht,  sich  eine  klare  Vorstellung  davon  zu  machen,  was  sie  nun 
eigentlich  damit  bezwecken.  Um  so  wichtiger  ist  es  daher,  dass  wir  uns 
auf  dem  Erdkreise  umblicken,  ob  diese  Vornahme  ganz  vereinzelt  dasteht 
ohne  Analogie,  oder  ob  wir  auch  sonst  noch  irgendwo  ähnliche  Erschei- 
nungen anzutreffen  vermögen. 

Da  ist  zuerst  wieder  ein  Beschwörungsgesang  der  Klamath-Indianer 
zu  erwähnen,  der  als  „der  Frau  Gesang"  bezeichnet  ist.  Er  hat  den 
AVortlaut: 

„Bemalt  bin  ich  am  Körper, 

Ich,  eine  Frau,  ]:)in  schwarz  bemalt." 

"Wir  können  allerdings  nicht  ersehen,  ob  sie  eine  kranke  Frau  vor- 
stellen soll. 

Den  Australnegeru  von  Gippsland  wird  von  den  Medicin-Männern 
häufig  vorgeschrieben,  dass,  wenn  sie  krank  sind,  sie  ihr  Gesicht  weiss  be- 
malen sollen.  Die  Miucopies  auf  den  Andamanen  fertigen  eine  ockerrothe 
Farbe,  Koi'ob  genannt,  aus  Eisenoxyd,  das  sie  mit  dem  Fett  vom  Schwein, 
von  der  Schildkröte,  bisweilen  auch  von  einem  Iguana  oder  von  einem 
Dugong  mischen.  Diese  Farbe  hat  nicht  nur  kosmetische  Bedeutung,  sondern 
sie  wird  auch  zu  Heilzwecken  benutzt.  Denn  sie  bemalen  damit  den  Fieber- 
kranken die  Oberlippe  und,  wenn  dieselben  verheirathet  sind,  auch  den  Hals. 

An  der  Loango-Küste  sah  Soyaux  eine  Patientin,  welche  an  Schlaf- 
losigkeit und  an  heftigen  Schmerzen  im  rechten  Arm  und  Beine  litt.  „Der 
Zustand  währte  schon  beinahe  eine  Woche,  und  verschiedene  aus  rotlien 
und  schwarzen  und  gelben  Tupfen  gebildete  Figuren  auf  der  Haut  der 
leidenden  Körpertheile  verrathen,  dass  ein  N'ganga  seine  Zauberkünste 
gegen  die  &ankheit  versucht  hat."  Von  der  Insel  Saleijer  heisst  es,  dass 
fiir  die  Behandlung  von  Fi eberanf allen  den  Kranken  das  Gesicht  mit  allerlei 
Schminken  bestrichen  wird. 

Haben  wir  nun  in  diesen  Bemalungen  eine  Art  der  Weihung  und 
Heiligung  zu  erkennen,  oder  sollen  sie  den  Dämon  der  Krankheit  er- 
schrecken, oder  sind  sie  dazu  bestimmt,  ihm  die  Wege  vorzuzeiclmen,  auf 
welchen  er  den  Kranken  verlassen  soll?  —  ich  weiss  es  nicht  zu  sagen. 
Verständlicher  werden  uns  aber  diese  Bemalungen  schon,  wenn  sie  mit 
Opferblut  ausgeführt  werden.  Dieses  stammt  in  Nieder  -  Californien 
von  einer  der  nächsten  weiblichen  Verwandten;  dieselbe  muss  sich  in  den 
kleinen  Finger  schneiden  und  das  Blut  auf  den  kranken  Theil  des  Patienten 
träufeln  lassen. 

Bei  den  Betschuanen  lässt  der  Medicin-Mann  das  Blut  des  Opfer- 
thieres  auf  den  Erkrankten  fliessen.  Die  Mosquito-In dianer  hegen  auf 
Anordnung  ihrer  Medicin-Männer  Tage  lang  mit  Blut  beschmiert,  allen 
AVettern  ausgesetzt,  am  Ufer,  um  ihre  Wiederherstellung  zu  erwarten.  Die 
Ostjaken  nehmen  zwar  nicht  das  Blut,  aber  das  Fett  des  Opferthieres,  um 
damit  des  Patienten  Stirn  und  seine  kranken  Glieder  zu  bestreichen. 

Einer  höchst  interessanten  Ceremonie  hat  Matthews  in  Arizona  l)ei- 
gewohnt.     Man  könnte  diese  Art  der  Heilungsmethode  als  das  Sitzen  auf 


198 


XI.    Die   übernatürliche  Krankeubehamlluug. 


dem  Gemälde  bezeiclmen.  Es  war  ein  grosser,  schon  einige  Male  erAvälmter. 
Medicin-Tanz  der  Navajö,  deren  diese  Indianer  siebzehn  besitzen  sollen. 
Er  führt  den  Namen  ..der  Gesang  gegen  die  Berge"  und  schildert  die 
Wanderungen  eines  ihrer  Proj^heten  durch  die  überirdischen  Gefilde  der 
Welt.  Neun  volle  Tage  nimmt  dieser  Medicin-Tanz  in  Anspruch;  die  vier 
ersten  hatte  man  schon  vor  Monaten  gefeiert;  fünf  Feiertage  standen 
noch  aus. 

Eine  Medicin -Hütte  (Fig.  87)  wurde  errichtet,  von  weit  und  breit 
strömten  die  Stammesgenossen  zusammen  und  ein  reiches  Rituale  kam  zur 
Entwickeluug.  Einzelnes  daraus  wurde  früher  schon  erwähnt;  es  ausführ- 
lich zu  schildern  fehlt  hier  der  Raum.  Uns  interessiren  an  dieser  Stelle 
die  an  vier  Tagen  ausgeführten  Trocken  gern  aide  (dry  paintings).  Sie 
werden  durchaus  nicht  ohne  Kunst  und  mit  grosser  Sorgfalt  crefertifft. 


Fig.  87.    Medicin-Hütte  der  Navaju-Indianer. 
Nach  Mattheus. 

Feierlich  werden  die  Farben  bereitet;  rother,  gelber  und  weisser  Sand- 
stein und  Kohle  werden  zu  feinem  Pulver  zerrieben.  Sie  bilden  die  Grund- 
farben und  sie  sind  gleichzeitig  auch  von  einer  heiligen  Bedeutung.  Schwarz 
ist  der  Norden,  weiss  der  Osten,  gelb  der  Westen  und  der  Süden  blau. 
Letzteres,  sowie  auch  die  anderen  Mischfarben  werden  diu'ch  Yermengung 
der  Pulver  erzeugt.  Die  Schüler  des  Medicin-Maunes  haben  die  Bilder  zu 
fertigen,  je  eines  an  einem  Tag,  vier  an  der  Zahl.  Da  zu  jedem  der 
siebzehn  Medicin-Tänze  vier  Bilder  gehören,  müssen  sie  CS  verschiedene 
Zeichnungen  auswendig  kennen. 

In  den  geebneten  Boden  wird  die  Zeichnung  furchenartig  eingekratzt 
und  in  diese  Furchen  dann  das  färbende  Pulver  hineingestreut.  Sorgfältig 
überwacht  der  Medicin-Mann  die  Arbeit;  ohne  jedoch  selber  mit  Hand  an- 
zulegen; aber  hier  und  da,  wo  es  ihm  nöthig  erscheint,  ordnet  er  die  Ver- 


88.    Das  Bemalen  und  das   ünamalen  des  Kranken. 


199 


hesserimg  von  Zeichenfelilern  an.  Denn  die  Zeichnung  nuiss  nach  streng 
ritueller  Vorschrift  gefertigt  werden  und  jede  willkürliche  Abweichung  da- 
von würde  ein  Sacrilegiuni  sein.  Menschliche  Figuren  werden  zuerst  nackt 
ausgeführt  und  danach  erst  die  ihnen  bestimmte  Kleidung  darüber  gemalt. 
Zwölf  Männer  hatten  an  einem  der  Bilder  (Fig.  88)  volle  sieben  Stunden 
arbeiten  müssen. 

Auf  einer  bestimmten  Stelle  dieser  Bilder  muss  der  Patient  sich  nieder- 
setzen (in  diesem  Falle  war  es  eine  Frau),    und  zu  dem  Rituale  gehörte  es 


Fiff.  88. 


Trockengemälde  der  Navajü-Indianer. 
Nach  Matthews. 


unter  anderem,  dass  der  Medicin-Mann  seine  Hände  mit  Speichel  befeuchtete, 
sie  gegen  geeignete  Punkte  der  Zeichnung  anthiickte  und  dann  die  Patientin 
damit  bestrich.  Das  ist  also  auch  eine  Art  der  Bemalung  des  Kji'anken. 
Zuerst  nahm  der  Medicin-Mann  auf  die  geschilderte  Weise  Staub  von  den 
Füssen  der  gemalten  Gottheiten  und  brachte  ihn  auf  die  Füsse  der  Patientin. 
Dann  nahm  er  nach  der  Keihe  Staub  von  den  Knien,  vom  Leibe,  von  der 
Brust,  von  den  Schultern  und  dem  Kopfe  der  Figuren  und  applicirte  sie 
den    betreffenden  Theilen    der   Kranken,    womit   er  jedesmal    eine    kräftige 


200  XI.    Die  übernatürliclie  Krankenbehandlung. 

Massage  verband.  Hier  liegt  das  Heiligende  der  Bemalung  deutlich  zu 
Tage,  denn  die  Körpertheile  der  Gottheiten  werden  hier  allmählich  in  den 
menschlichen  Körper  gebracht  und  das  muss  natürlicher  Weise  dann  die 
Krankheit  zur  schleunigsten  Flucht  veranlassen. 

Von  dieser  Heilwirkung  waren  auch  die  Anderen  überzeugt,  denn  als 
die  Patientin  fortgegangen  war,  nahten  sich  mehrere  Zuschauer  dem  Ge- 
mälde und  nahmen  etwas  von  dem  Farbenstaub  der  Figuren,  um  damit  die 
schmerzhatten  Stelleu  ihres  Körpers  zu  betupfen.  Wer  ein  Leiden  au  seinen 
Beinen  hatte,  der  nahm  Staub  von  den  Beinen  des  Götterbildes,  und  wer 
an  dem  Kopfe  litt,  nahm  Staub  vom  Kopfe  u.  s.  w.  Unter  Rasseln  und 
Gesang  wurden  am  Schlüsse  der  Ceremonie  jedesmal  die  Bilder  von  dem 
Mediciu-Manne  verwischt,  wobei  er  eine  ganz  besondere  Reihenfolge  einhielt. 

An  einem  der  Tage  vorher  hatte  schon  der  Medicin-Mann  eine  Um- 
malung  der  Patientin  vorgenommen.  Er  hatte  mit  der  Rassel  die  Zeich- 
nung des  Tages  ausgelöscht;  die  kranke  Frau  wurde  von  zwei  sie  unter- 
stützenden Weibern  aufgerichtet  und  „da,  wo  die  Zeichnung  gewesen  war, 
auf  die  Seite  gelegt  mit  dem  Gesicht  nach  Osten.  AVährend  sie  hier  lag, 
ging  der  Medicin-Mann  singend  um  sie  herum,  schrieb  bei  ihren  Füssen 
mit  dem  Finger  eine  gerade  Linie  iu  den  Sand  und  kratzte  sie  mit  dem 
Fusse  aus,  schrieb  bei  ihrem  Kopfe  ein  Kreuz  und  wischte  es  in  gleicher 
Weise  aus,  zog  strahlenförmige  Linien  in  allen  Richtungen  von  ihrem  Körper 
aus  und  verwischte  sie,  gab  ihr  eine  leichte  Massage,  pfiff  über  sie  vom 
Koj)fe  bis  zu  den  Füssen  und  rund  um  sie  her  und  pfiff  gegen  das  Rauch- 
loch, als  wenn  er  etwas  fortpfiffe.  Die  letzte  Operation  war  eine  kräftige 
Massage,  bei  welcher  er  ihr  jeden  Theil  ihres  Körjjers  gCAvaltsam  knetete  und 
ihre  Gelenke  heftig  zog,  wobei  sie  stöhnte  und  Zeichen  von  Schmerz  äusserte. 
Als  dieses  beendet  war,  stand  sie  auf  Ein  Blanket  wurde  nördlich  vom  Feuer 
auf  die  Erde  gebreitet,  in  dessen  Nähe  der  Manu  in  Immergrün  (einer  der 
Tänzer)  verborgen  war.  Beim  letzten  Erscheinen  desselben  fiel  die  Frau  um, 
sichtlich  paralysirt  und  an  Athembeschwerden  leidend;  was  alles  vielleicht 
erheuchelt  war,  aber  als  ein  Zeichen  betrachtet  wurde,  dass  die  richtige 
Ceremonie  oder  das  Heilmittel  für  ihre  Leiden  gefunden  war  und  dass  kein 
anderes  versucht  zu  werden  brauche.  Der  Medicin-Mann  rief  sie  zum  Be- 
wusstsein  zurück,  indem  er  Zickzacklinien  von  ihrem  Körper  nach  Osten 
und  Westen  und  gerade  Linien  nach  Norden  und  Süden  zog,  gleich  ihren 
Symbolen,  den  Ketten  und  Blitzstrahlen,  wobei  er  in  verschiedenen  Rich- 
tungen über  sie  hinwegschritt  und  rasselte." 

Als  sie  nun  gänzlich  aufgewacht  war,  diiickte  er  mit  Truthahnfedern 
geschmückte  Zauberstäbe  gegen  verschiedene  Stellen  ihres  Körpers,  und 
danach  trat  eine  Pause  ein,  welche  die  versammelten  Zuschauer  und  Assi- 
stenten mit  Singen,  Rasseln,  Spielen  und  Rauchen  ausfüllten. 


89.  Das  Zurüekholeii  der  Seele  oder  des  Schattens. 

Die  Methoden  der  ärztlichen  Behandlung,  welche  wir  bisher  betrachteten, 
haben  uns  sämmtlich  den  Beweis  geliefert,  dass  sie  auf  das  Engste  zu  den 
Anschauungen  in  Beziehung  stehen,  welche  die  uncivilisirten  Nationen  sich 
von    der   Natur   und    dem    Wesen    der   Krankheiten    gebildet   haben.     Wir 


89.    Das  Zurückholen  der  Seele  oder  des  Schattens.  201 

hatten  nun  früher  bereits  gesehen,  dass  die  Ki-ankheit  auch  dadurch  ent- 
stehen kann,  dass  ein  Dämon  dem  Menschen  die  Seele  entführt  oder  ihm 
seinen  Schatten  raubt,  und  wenn  der  Kranke  genesen  soll,  so  muss  der 
Mediciu-Mann  ihm  das  Entfühi'te  wieder  verschaffen.  Diese  Aufgabe  ist 
natürlich  nicht  leicht,  denn  erst  muss  gesucht  werden,  wer  die  Seele  raubte, 
oder  wie  sie  sonst  verloren  ging;  dann  muss  der  Medicin-Mann  den  Platz 
entdecken,  avo  der  Dämon  sie  gefangen  hält,  oder  wo  sie  sich  verbirgt,  und 
endlich  muss  er  den  bösen  Geist  zwingen  oder  auf  gütliche  Weise  ver- 
anlassen, dass  er  ihm  die  Seele  zum  Zurückbringen  überlässt. 

Eine  solche  Entführung  der  Seele  ist  auf  Sumatra  und  aufNias,  auf 
Ambon  und  den  Uliase-Inseln  bekannt,  aber  auch  die  Indianer  Nord- 
Amerikas  glauben  an  dieselbe.  Auf  Ambon  kann  auch  der  Schatten  ent- 
führt werden.  Bei  den  Twana-,  Chemakum-  und  Klallam-Indianern 
kann  die  Seele  auf  einem  Lagerplatz  zurückgelassen  werden.  Sehr  ver- 
breitet ist  aber  der  Griaube  bei  den  Indianern,  dass  die  Seele  in  das 
Geisterland  auswandern  könne.  Dann  verfällt  der  Kranke  sichtlich  in  seinen 
Kräften  Lind  sein  Tod  ist  ganz  unvermeidlich,  wenn  die  Seele  ihm  nicht 
zurückgebracht  wird. 

Bei  den  Topantunuasu  auf  Selebes  vermag  auch  ein  Sclireck  die 
Seele  aus  dem  Körper  des  Menschen  zu  verscheuchen.  Sie  sind  der  Meinung, 
dass  dieses  bei  den  Epileptikern  der  Fall  ist.  Die  Kranken  werden  dann 
mit  Ruthen  geschlagen,  um  das  Mitleid  der  entflohenen  Seele  zu  erregen. 
Um  ihrem  Körper  die  Misshandlungen  zu  ersparen,  kehrt  sie  dann  willig 
in  denselben  zurück. 

Auf  Ambon  und  den  Uliase-Inseln  bringen  die  bösen  Geister  die 
von  ihnen  entführten  Schatten  und  Seelen  der  Menschen  in  die  Wälder 
und  an  einsame  Plätze.  Hier  sucht  sie  Nachts  der  Medicin-Mann  auf,  be- 
waffnet mit  „einem  Feuerbrand,  um  dem  Bösen  Furcht  einzujagen,  nimmt 
an  der  Stelle  einen  Zweig,  gleichgültig  von  welchem  Baume,  schlägt  damit 
links  und  rechts,  als  ob  er  ihn  fangen  wollte,  während  er  den  Namen  des 
Ki-anken  ruft,  und  kehrt  damit  nach  Hause  zurück.  Wenn  er  dann  zu 
dem  Kranken  kommt,  so  schlägt  er  diesen  mit  dem  Zweig,  in  welchen,  wie 
man  sich  vorstellt,  der  Schatten  gefahren  ist,  auf  den  Kopf  und  den  Körper 
und  bringt  auf  diese  Weise  den  Schatten  wieder  in  den  Körper  des  Kranken 
zurück." 

Wenn  auf  Nias  der  Medicin-Mann  von  dem  Ädü  entsprechend  unter- 
stützt wii'd,  dann  sieht  er,  aber  er  nur  allein,  eine  leuchtende  Fliege.  Diese 
sucht  er  mit  einem  Tuche  zu  fangen,  denn  es  ist  der  Schatten,  welcher  zimick- 
kehrt.  Hat  er  ihn  erwischt,  dann  reibt  er  ihn  in  die  Stirn  und  die  Brust 
des  Patienten  hinein  und  auf  diese  Weise  wird  jener  gerettet. 

Eine  grosse  Ceremonie  bildet  das  Zurückholen  der  Seele  bei  den 
Minangkabauer  auf  Sumatra.  Der  weibliche  Arzt,  welchem  dieses  ob- 
liegt, lässt  acht  nach  besonderer  Yorschrift  bereitete  Opferingredienzien  auf 
eine  erhöhte  Stelle  legen,  und  unter  dem  Verbrennen  von  Benzoe-Harz  in 
einer  Kohlenpfanue  ladet  sie  dann  ihre  Hülfsgeister  ein,  sie  in  dieser  Ai'beit 
zu  unterstützen.  Sie  legt  sich  nieder  und  wird  dicht  mit  Decken  zugedeckt. 
Ungefähr  eine  Viertelstunde  später  spürt  man  am  Zittern  ihrer  Beine,  dass 
ihre  Seele  ihren  Körper  verlässt  und  sich  auf  der  Reise  nach  dem  Dorfe 
der  Djihins,  der  Geister  befindet.  Dort  angelangt,  erzählt  sie  ihren  Freunden 


202  XI.    Die  übernatürliche  Krankenbehandlung. 

und  Freundinnen,  was  der  Zweck  ihres  Besuches  ist  (dieses  hört  man  aber 
nicht),  worauf  die  Aelteste  der  weiblichen  Djihins,  Mande  Roehiah,  mit 
einigem  Gefolge,  worunter  auch  männliche,  um  dem  Räuber  der  Seele 
Respect  einzuflösseu,  die  Gefangene  suchen   geht. 

Manchmal,  d.  h.  bei  einem  ernstlichen  Krankheitsfall,  verlangt  der  böse 
Geist  liir  die  Herausgabe  ein  Opfer,  und.  als  Unterpfand  für  die  Erfüllung 
eines  diesbezüglich  abgelegten  Gelübdes,  ein  Ai'mband,  einen  Bjis  oder  eine 
andere  Kostbarkeit.  Diese  Gegenstände  werden  dann  auch  öfters  zu  diesem 
Zwecke  an  die  Doekoen  (die  Medicin-Frau)  abgegeben.  Glückt  es  der 
Mande  Roehiah  nicht,  die  Seele  zurückzubekommen,  dann  ist  kein  Zweifel, 
dass  der  Patient  sterben  wird.  Wird  sie  ihr  jedoch  überlassen,  dann  bringt 
sie  sie  unter  dem  Geleite  von  einem  grossen  Gefolge,  das  sie  gegen  die 
Angriffe  von  neuen  Räubern  sicherstellen  muss,  zurück,  und  die  Herstellung 
des  Patienten  kann  danach  erwartet  werden. 

Die  Ankunft  der  Djihins,  welche  den  Lebensgeist  zurückfiihren,  wird 
angekündigt  durch  neues  Zittern  in  den  Beinen  der  Aerztin,  die  selber 
jedoch,  d.  h.  ihre  Seele,  noch  in  der  Geisteransiedelung  zm-ückgeblieben 
ist.  Von  dem  Stimmengetöse,  das  sich  unter  der  Decke  hören  lässt,  wird 
angenommen,  dass  es  von  den  in  die  Aerztin  gefahrenen  Geistern  herrühi'e. 
Die  Geister  werden  dann  zu  dem  Speiseopfer  eingeladen  und  der  älteste 
weibliche  Geist  befiehlt  darauf  seinen  Genossinnen,  die  mitgeführte  Seele 
nun  wieder  in  den  Körper  des  Kranken  zu  bringen.  Sie  thun  das  unter 
folgendem  Gesang: 

„Die  Lakoep  (eine  wilde  Mangga)  trägt  Früchte; 
Sie  trägt  deren  sieben  und  zwanzig. 
Den  Lebensgeist  haben  wir  geholt, 
Er  hat  seineu  Sitz  in  dem  Körper. 

Die  Lakoep  trägt  Früchte: 
Sie  trägt  deren  ein  Körbchen  voll. 
Den  Lebensgeist  haben  wir  geholt, 
Er  hat  seinen  Sitz  in  dem  Ringfinger. 

Die  Lakoep  trägt  Früchte; 
Sie  trägt  deren  ein  Körbchen  voll. 
Den  Lebensgeist  haben  wir  geholt, 
Er  hat  seinen  Sitz  im  Daumen. 

Die  Lakoep  trägt  Früchte: 

Sie  trägt  deren  ein  Körbchen  voll. 

Den  Lebensgeist  haben  wir  geholt, 

Er  hat  seinen  Sitz  in  der  grossen  Zehe. 

Die  Lakoep  trägt  Früchte; 

Sie  trägt  deren  ein  und  zwanzig. 

Den  Lebensgeist  haben  wir  geholt, 

Er  hat  seinen  Sitz  in  der  Pupille  des  Auges." 

Dann  wird  an  die  Führeriu  der  Geister  noch  die  Frage  gerichtet,  was 
nun  noch  füi*  den  Ej-anken  gethan  werden  soll.  Sie  bestimmt  dann  ein 
Bad,  ein  Opfer  oder  dergleichen;  in  Bezug  auf  die  Medicamente  schreibt 
sie  aber  vor,  dass  hierüber  die  Aerztin  befragt  werden  müsse. 


89.    Das  Zurückholen  der  Seele  oder  des  Schattens. 


203 


Wir  hatten  gesehen,  dass  bei  den  Indianern  die  Seele  in  das  Geister- 
land entführt  wird  oder  entflieht,  nnd  die  Medicin-Männer  der  Haidah- 
In dianer  besitzen,  wie  schon  früher  gesagt  wurde,  besondere  knöcherne 
Instrumente,  um  die  fliehende  Seele  des  Patienten  festzuhalten  (Fig.  89). 
In    einem  Beschwörungsgesange    der  Modoc-Indianer   singt    der  Kranke: 

„Als  icli  ankam  in  dem  Geisterland, 
Klagte  die  Erde  und  schrie.'' 

Bei  den  Canadiern  versetzt  der  Medicin  -  Mann  den  Patienten  in 
magischen  Schlaf.  Dann  bringt  sein  Hülfsgeist  die  Seele  zurück,  und  nun 
erweckt  er  den  Kranken  mit  einem  Schrei,  dessen  Heilung  dann  glücklich 
vollendet  ist.  Die  Twana-Indianer  im  Washington-Territorium  führen 
die  Ceremonie,  um  die 
verlorene  Seele  zurück- 
zuholen ,  des  Nachts 
aus,  weil  diese  der 
Tageszeit  in  dem  Gei- 
sterlande entspricht. 
Um  die  Rückkehr  aus 
dem  Geisterlande  mög- 
lichst zu  erleichtern, 
muss  die  Erde  ver- 
schiedentlich aufge- 
graben werden.  Pan- 
tomimisch führt  der 
Medicin -Mann  seine 
Reise  auf,  das  Ueber- 
setzen  über  Flüsse 
u.  s.  w.,  bis  er  die 
Wohnung  der  Geister 
erreicht.  Er  überrum- 
pelt sie  und  entreisst 
die  Gefangene,  was  die 
Zuschauer  mit  einem 
allgemeinen  Lärme  ])e- 
gleiten.  So  di'ückt  auch 
der  Schamane  der  si- 
birischen Völker  pantomimisch  aus,  wie  er  in  die  höhereu  Himmel 
eindringt,  und  deutlich  hören  die  Zuschauer  das  Geräusch,  wenn  er  die 
Scheidewände  zwischen  je  zwei  Himmeln  durchbricht. 

Eine  Wiederherstellung  des  Patienten  kann  hier,  wie  schon  gesagt, 
nur  dann  eintreten,  wenn  es  die  Seele  zurückzubringen  gelingt.  Ist  dieses 
njcht  ausführbar,  dann  stirbt  der  Kranke.  Auf  Ambou  und  den  Uliase- 
Inseln  weiss  der^Medicin-Mann  aber  hier  auch  noch  Rath. 

Zu  diesem  Zwecke  geht  er  des  Nachts  aus,  und  wenn  er  vor  die  Woh- 
nung eines  Dorf-Genossen  kommt,  so  fragt  er.  wer  ist  da?  Ist  man  un- 
v£i'sichtig  genug,  darauf  zu  antworten,  so  nimmt  er  einen  Kloss  Erde  vor 
der  Thür  dieser  Wohnung  auf.  Hierin  hat  er  dann  die  Seele  des  Autwort- 
gebers gefangen  und  nun  legt  er  den  Kloss  unter  das  Kissen  des  Kranken 


Fig.  89.    Knochenwerkzeuge  der  Medicin-Männer  der  Haidah- 

Indianer,  um  die  fliehende  Seele  des  Patienten  festzuhalten. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  einem  Aquarell. 


204  XI.    Die  übernatürliche  Krankenl^ehandlung. 

und  briugt  die  Seele  in  seinen  Körper.  Darauf  giebt  er  zwei  Schüsse  ab, 
um  der  Seele  Fiu-cht  einzujagen,  damit  sie  nicht  wieder  zu  ihrem  vorigen 
Besitzer  zurückzukehren  wagt. 


90.  Das  Zurückbringen  geraubter  Körpertheile. 

Eine  Ursache  der  Erkrankung  hatten  wir  endlich  auch  in  dem  Um- 
stände zu  erkennen,  dass  ein  normaler  Körperl)estandtheil  des  Menschen 
seinen  ihm  zukommenden  Platz  verlässt,  oder  dem  reclitmässigen  Besitzen- 
böswillig  geraubt  und  entwendet  wird.  Von  der  in  eine  andere  Region  des 
Körpers  gewanderten  Galle  bei  den  Chippeway-Indianern  ist  schon  oben 
die  Rede  gewesen.  Dieselbe  soll  aber  nicht  an  ihre  normale  Stelle  zurück- 
kehren, sondern  sie  wird,  wie  wir  gesehen  haben,  von  dem  Medicin-Manne 
aus  den  Körpertheilen,  in  die  sie  gewandert  ist,  herausgesogen.  Bei  den 
Indianern  glaubt  man  aber  auch  an  die  Möglichkeit,  dass  das  Herz  aus 
dem  Körper  herauswandere.  Das  können  wir  aus  einem  Beschwöruugs- 
gesange  der  Modo  es  entnehmen,  in  welchem  der  Kranke  singen  niuss: 

„Jetzt  ist  mein  Herz  zurückgekehrt." 

Etwas  Aehnliches  kennt  unsere  Volksmedicin.  Man  glaubt  besonders 
in  unseren  Alpenländern,  dass  die  Gebärmutter  in  der  Gestalt  einer  Kröte 
der  schlafenden  Frau  zum  Munde  herauskriechen  könne.  Auf  demselben 
Wege  kriecht  sie  zurück.  Aber  auch  in  wachem  Zustande  des  weiblichen 
"Wesens  kann  sie  innerhalb  des  Körpers  nach  aufwärts  wandern,  sich  heben, 
wie  der  Yolksausdruck  lautet.  Das  macht  dann  die  erheblichsten  Beschwerden, 
die  bis  zu  Krämpfen  ausarten  können.  Eine  kräftige  Beschwörung  bannt 
dann  wieder  die  „Hebmutter"  an  ihren  ursprünglichen  Platz. 

Eine  hervorragende  Rolle  aber  spielt  das  Verlorengehen  eines  Körper- 
theiles  in  der  Pathologie  der  Eingeborenen  von  Australien.  Es  ist  der 
Verlust  des  Marm-bu-la,  des  Nierenfettes,  der  in  Victoria  schwere 
Krankheiten  erzeugt.  Wenn  ein  Schwarzer  allein,  und  fern  von  dem  Lager- 
platze ist,  dann  kommt  es  sehr  häufig  vor,  dass  der  Geist  eines  wilden 
Schwarzen  ihm  das  Nierenfett  raubt.  Seine  Kraft  ist  dann  gebrochen,  sein 
Tod  ist  gewiss,  wenn  das  Nierenfett  ihm  nicht  zurückgebracht  wird.  Mühsam 
nui'  ist  er  noch  im  Stande,  zu  dem  Lager  zurückzukriechen.  Thomas  sah 
einen  solchen  Ki-anken,  ein  Freund  und  sein  Bruder  stützten  ihn  in  ihren 
Armen  und  hielten  ihm  den  Koj^f  aufrecht,  da  eine  plötzliche  Schwäche 
ihn  übermannte.  Rings  um  sie  her  nahmen  die  Männer  Platz  in  di'ei  Kreisen, 
deren  innersten  die  ältesten,  deren  äussersten  die  jungen  Leute  einnahmen. 
Die  Weiber  hielten  die  Hunde  in  Ruhe;  Todtenstille  herrschte  im  Lager. 
Ein  kleines  Feuer  von  qualmender  Rinde,  an  dem  aber  keine  Flamme  her- 
vorbrechen durfte,  war  zur  Rechten  und  ungefähr  3  Yards  von  dem  kranken, 
sterbenden  Mann  bereitet;  und  in  einer  Entfernung  von  ungefähr  200  Yards 
in  der  Richtung  der  Stelle,  wo  ihm  das  Fett  genommen  wurde,  waren  in 
kiu'zen  Abständen  besondere  schwälende  Rindenstücke  hingelegt,  welche 
auf  dem  Boden  wie  ungeheure  Feuerfiiegen  aussahen.  Ein  Mann  wartete 
die  Rindenstücke  ab  und  unterhielt  ihr  Glimmen,  liess  aber  keine  Flamme 
aufkommen.    Ein  ])esonders  geschickter  Medicin-Mann,  3Idlcolm  mit  Namen, 


91.    Die  sj^mpathetische  Krankenbehandlung.  205 

war  gerufen  und  begann  seine  Arbeit.  „Er  verschwand  in  der  Dunkelheit; 
Zw'eige  knackten,  als  er  seinen  vermeintlichen  Flug  durch  die  Bäume  gen 
Himmel  begann.  Malcolms  Stimme  wurde  gehört.  „Goo-goo-goo"  war  der 
Ton,  den  man  dui'ch  die  stille  Nacht  hörte,  und  der  Mann,  der  den  Körper 
hielt,  antwortete  „Goo-goo-goo".  Malcolm  konnte  nicht  sogleich  den  wilden 
Schwarzen  finden,  der  das  Nierenfett  geraubt  hatte,  und  er  war  daher,  wie 
die  Schwarzen  glaubten,  gezwungen,  einen  langen  Flug  zu  machen.  Er 
war  ungefähr  dreiviertel  Stunde  abwesend.  Als  durch  das  Rascheln  der 
Zweige  Malcolms  Rückkehr  angezeigt  wurde,  schrie  der  alte  Mann,  der 
neben  dem  Kranken  sass: 

„Komm,  bringe  zurück  das  Merenfett,  mach'  hurtig!" 

Jede  Silbe  wurde  betont  und  langsam  und  feierlich  ausgerufen. 

,,Malcolm  erschien,  und  ohne  ein  Wort  zu  sprechen  packte  er  den  sterben- 
den Manu  und  rieb  ihn  heftig,  sein  Augenmerk  hauptsächlich  auf  die  Seiten 
des  armen  Menschen  richtend,  welche  er  unbarmherzig  stiess  und  schlug." 

Dann  erklärte  er  die  Heilung  für  glücklich  vollendet  und  hell  aufjauchzte 
das  ganze  Yolk.  Der  Ki-anke  erhob  sich,  zündete  seine  Pfeife  an  und 
rauchte  vergnügt  in  der  Mitte  seiner  Freunde. 

Kein  einziger  Schw^arzer  zweifelt  daran,  dass  ihr  Arzt  wü-klich  durch 
die  Luft  geflogen  ist;  ja  Viele  wollen  sogar  gesehen  haben,  dass,  wenn  er 
von   solchem  Fluge  ziu'ückkehrt,  sein  Körper  dicht  mit  Federn  bedeckt  ist. 


91.  Die  sympathetische  Krankenbehandlung. 

Wir  hallen  zum  Schluss  nun  noch  einen  Blick  auf  die  sympathetischen 
Heilmethoden  zu  werfen.  Im  Ganzen  ist  ihre  Zahl  sehr  gering,  verschwindend 
gegen  die  übrigen  Behandlungsarten.  Als  eine  sympathetische  Heilmethode 
müssen  wir  es  aber  betrachten,  wenn  die  alten  Central-Amerikaner,  um 
sich  von  eigener  Krankheit  zu  befi'eien,  ihre  Sklaven  und  selbst  ihre  Kinder 
füi'  sich  in  den  Tod  gehen  liessen.  Eine  sympathetische  Heilmethode  ist 
es  auch  und  im  Grunde  genommen  nichts  Anderes,  als  ein  symbolisches 
Menschenopfer,  wenn  bei  den  Indianern  Nieder-Californiens  ein  Kind 
oder  eine  Schwester  des  Kranken  sich  in  den  kleinen  Finger  schneiden 
muss,  um  das  daraus  hervorrinnende  Blut  auf  den  Patienten  tropfen  zu 
lassen. 

Hierher  gehört  auch  die  oben  besprochene  Sitte  der  Australneger, 
wo  die  Frau  des  Kranken  ihr  Zahnfleisch  reiben  muss,  bis  es  blutet,  und 
wo  der  Patient  dann  dieses  Blut  als  Medicin  heruntertrinkt. 

Auch  das  Unschädlichmachen  einer  Bezauberung  durch  die  Anw^endung 
eines  Gegenzaubers,  der  die  Krankheit  dem  böswilligen  Anstifter  in  den 
eigenen  Körper  zwnngt,  ist  unzweifelhaft  auch  eine  sympathetische  Behand- 
lungsmethode. Sicherlich  gehört  aber  eine  Art  der  Heilung  hierher,  wie 
sie  die  Dieyerie  in  Süd-Australien  üben. 

„Stösst  hier  einem  Kinde  irgend  ein  Unfall  zu,  so  erhalten  alle  Ver- 
wandten sofort  Schläge  mit  Stöcken  oder  Bumerangs  gegen  den  Kopf,  bis 
das  Blut  über  die  Gesichter  fliesst.  Von  dieser  chirurgischen  Operation 
nehmen  sie  an.  dass  sie  die  Schmerzen  des  Kindes  lindere." 


206  XI.    Die  übematürliclie  Krankenbehaudlung. 

Taplin  erziihltvou  deuNarriiiyori.  welche  ebeufalls  in  Süd-Australieu 
wohnen,  dass  er  Aviederholenthch  graubärtige  Leute  fast  naekeiid  vor  ihrem 
erkrankten  Sohn  einen  langen,  feierlichen  Tanz  habe  aufführen  sehen  und 
dass  sie  hinterher  fest  davon  durchdrungen  waren,  dass  sie  für  die  Wieder- 
herstellung des  Patienten  etwas  Erkleckliches  geleistet  hätten. 

Dieser  Tanz  lässt  nun  allerdiiigs  wohl  auch  noch  eine  andere  Deutung 
zu.  Vielleicht  hatten  die  alten  Leute  die  Absicht,  auf  diese  AVeise  einen 
Krankheitsdämon  zu  vertreiben. 

Sympathetische  Krankenbehandlung  ist  ohne  allen  Zweifel  auch  bei 
den  Akkadern  und  Assyrern  im  Schwange  gewesen.  Dies  lehren  uns 
gewisse  Stellen  ilii'er  Beschwörungs-Gesänge.  Denn  sicherlich  sind  die  in 
denselben  geschilderten  Vorgänge  neben  dem  Hersagen  der  Beschwöiung 
in  Wirklichkeit  auch  ziu'  Ausführung  gekommen.  So  wird  in  einer  Zauber- 
formel, deren  lateinische  Uebersetzung  wir  Jensen  verdanken,  eine  Dattel, 
eine  Blüthenhülle,  eine  WollHocke  von  dem  Schaf  und  eine  von  der  Ziege 
nebst  Knoblauchschalen  in  das  Feuer  geworfen.  Jeder  Act  ist  von  einer 
Beschwörung  begleitet.     Die  für  den  Knoblauch  bestimmte  lautet: 

„Wie  dieser  Knoblauch  abgeschält  und  in  das  Feiier  geworfen  wird, 
Die  verbrennende  Flamme  hat  ihn  verbrannt, 
In  den  Gemüsegarten  wird  er  nicht  gepflanzt  werden, 
An  dem   See  oder  Graben  wird  er  nicht  gesetzt  werden. 
Seine  Wurzel  wird  den  Boden  nicht  fassen, 

Sein  Stengel   wird  nicht  hervorsprossen  und  die  Sonne  wird  ihn  nicht  sehen, 
Zur  Speise  der  Gottheit  oder  des  Königs  wird  er  nicht  genommen  werden,  — 
So  möge  er  diese  Beschreiung  herausreissen. 
Und  verjagen  das  Joch 

Der  Krankheit,  der  Pein,  des  Verbrechens,  des  Fehls,  des  Unrechts,  des  Frevels. 
Die  Krankheit,  die  in  meinem  Körper,  in  meinem  Fleisch,  in  meinem  Lager  ist, 
0  dass  wie  dieser  Knoblauch  sie  abgeschält  werde! 

Die  zu  dieser  Zeit  verbrennende  Flamme,  o  dass  sie  doch  sie  vei'brenne! 
Die  Beschreiung,    o  dass  sie  herausgehe  und  ich,  o  dass  ich  das  Licht  sehen 

möge ! " 

Aehnlich,  nur  um  mehrere  Verse  küi'zer,  sind  die  Formeln,  welche  sich 
auf  die  anderen  Gegenstände  beziehen.  Jedesmals  ist  dann  der  Wortlaut 
für  den  Gegenstand  passend  abgeändert: 

„Wie  diese  Schafsw^ollfiocke  genommen  und  in  das  Feuer  geworfen  wird, 
Die  verbrennende  Flamme  hat  sie  verbrannt. 
Auf  ihr  Schaf  wird  sie  nicht  wieder  zurückkehren, 

Für    die    Kleider    der    Gottheit    oder    des  Königs    wird    sie    nicht    genommen 

werden,  u.  s.  w." 

Unwillkürlich  wird  man  hierbei  an  die  sympathetischen  Vornahmen 
der  europäischen  Volksmedicin  erinnert.  Auf  dieselben  näher  einzugehen, 
muss  ich  mir  hier  aber  versagen. 


XII. 


Einzelne  Capitel  der  speciellen 
Pathologie  und  Therapie. 


92.  Die  Augenkrankheiten. 

Es  ist  in  eleu  vorhergehenden  Seiten  wiederholentHch  von  allerlei  Krank- 
heiten die  Rede  gewesen,  mit  denen  die  Aerzte  der  imcivilisirten  Völker 
sich  mehr  oder  weniger  häufig  beschäftigen  müssen.  Yielleicht  ist  es  uns 
aber  nicht  uninteressant,  wenn  wir  hier  noch  ein  Paar  Krankheitsgruppen 
herausgreifen,  um  sie  ein  Wenig  eingehender  zu  besprechen.  Mit  den  Augen- 
krankheiten und  den  Ohrenleiden  wollen  wir  den  Anfang  machen. 

Der  vielfache  Aufenthalt  am  offenen  Feuer  und  in  rauchigen  Hütten  muss 
bei  vielen  uncivilisirten  Völkern  eine  häufige  Gelegenheitsursache  für  allerlei 
entzündliche  Processe  an  den  Augen  abgeben. 

Auch  die  Fliegen  verursachen  in  Australien  und  in  Indien  vielfach 
Augenentzündungen  und  es  wird  besonders  darauf  aufmerksam  gemacht, 
wie  ungemein  lässig  die  Eingeborenen  im  Verjagen  dieser  Thiere  sind. 

Unter  den  55  Medicinalpflanzen  der  Chippeway-Indianer  finden  wir 
nicht  weniger  als  4,  welche  zu  Waschungen  erkrankter  Augen  gebraucht 
werden;  unter  den  G5  Medicinaldroguen  von  Harrär  sind  5,  welche  für 
Augenleiden  berechnet  sind.  Paulitschke  führt  aber  besonders  an,  dass  die 
Harrari  neunerlei  Methoden  besitzen,  um  gegen  die  bei  ihnen  sehr  häufigen 
Augenleiden  anzukämpfen.  Die  gebräuchlichste  derselben  ist,  dass  man 
Gold-  und  Silbertheilcheu,  sowie  Kampfer,  Moschus  und  Perlen  pulverisirt 
und  das  Gemenge  in  das  kranke  Auge  einstäubt.  Entschieden  billiger  Avar 
das  Vorgehen  eines  Medicin-Mannes  am  unteren  Murray  in  Victoria. 
Demselben  hatte  sich  ein  Colonist  anvertraut,  bei  welchem  eine  hartnäckige 
Augenentzündung  den  europäischen  Mitteln  nicht  weichen  wollte.  Der 
Schwarze  riss  einige  Haare  von  seinem  Kopfe,  steckte  sie  in  den  Mund 
und  kaute  sie  nach  und  nach  ganz  klein.  Dann  stellte  er  den  Kranken  an 
die  Wand  der  Hütte,  öffnete  mit  dem  Zeigefinger  und  Daumen  jeder  Hand 
dessen  Augen  und  spie  ihm  die  Haare  aus  seinem  Munde  hinein.  Der 
Kranke  wälzte  sich  vor  Schmerzen,  aber  seine  Augen  wurden  schnell  geheilt. 

Die  Klamath-Indianer  in  Oregon  haben  ebenfalls  die  Sitte,  Augen- 
pulver in  Anwendung  zu  ziehen.  Einer  derselben  erzählte  Gatschet  von  der 
Thätigkeit  ihrer  Medicin-Männer.     In  dieser  Erzählung  sagte  er  auch: 

,.Die  Augen  aber,  wenn  sie  geschwürig  sind,  in  Blut  Kohle  mischend, 
er  schüttet  es  in  die  Augen,  eine  Laus  noch  dazu  fühii  er  ein  in  das  Auge, 
das  Weisse  von  dem  Auge  hervorkehrend,  um  auszuessen." 

Die  Twana-,  die  Chemakum-  und  die  Klallam-Indianer,  sowie 
die  Mittel- Sumatraner  bedienen  sich  bei  Augenentzündungen  bestimmter 

Bartels.  Medicin  der  Naturvolker.  14 


21')        XII.    Einzelne  Capitel  dei'  speciellen  Pathologie  und  Therapie. 


Pflauzeniiut'güsse  zum  "Waschen  der  Auijeu.  Das  Gleiche  gilt,  Avie  schon 
gesagt,  von  den  ChippeAvay.  und  auch  hei  den  Aschanti  und  den  Harrari 
werden  einige  Pflanzen  wahrscheinlich  in  ähnlicher  AVeise  angCAvendet.  Die 
Aschanti  träufeln  auch  den  Saft  bestimmter  Blätter  in  die  Augen  ein; 
ebenso  ist  es  auf  dem  Seranglao-  und  dem  Gorong-Archipele  gebräuch- 
lich. Hier  wird  die  betreffende  Pflanze  aber  erst  mit  Milch  gekocht  und 
durch  ein  feines  Tuch  geseiht,  bevor  mau  den  Saft  in's  Auge  träufelt. 

Die  Eingeborenen  von  Mittel-Sumatra  haben  besondere  Namen  für 
die  Augeneutzündung,  für  die  Kurzsichtigkeit  und  für  die  Blindheit.  Die 
Letztere  macht  wohl  überall  einen  grossen  Eindnick,  und  bei  den  Kla- 
math -Indianern  wird  sie  auch  in  den  Beschwörungsgesängen  der  Medicin- 
Männer  erwähnt.  Hier  tritt  „das  blinde  Medicin-Mädchen"  auf  und  singt: 

„Ich   suche    am  Boden   mit   meinen   Händen,    finde    hier   die  Federn   des 

Goldammers  und  verschlinge  sie," 

Und  ferner: 

„Schnell,  macht  Augen  für  mich!" 

Zum  Schutze  der  Augen 
treffen  wir  auch,  wenn  auch 
nur  vereinzelte  Maassnahmen  an. 
Hier  ist  in  allererster  Linie  der 
Schneebrille  (Fig.  90)  Erwäh- 
nung zu  thun,  wie  sie  bei  den 
Polarvölkern  gebräuchlich  ist. 
Zwei  durch  einen  Nasensteg  ver- 
Inmdene,  convex  ausgearbeitete 
Holzdecken  werden  zum  Schutze 
gegen  das  blendende  Beflexlicht 
der  endlosen  Schneeflächen  vor 
die  Augen  gebunden.  In  jeder 
Holzdecke  befindet  sich  ein  sehr 
schmaler,  quergestellter  Schlitz, 
welcher  gerade  soviel  Licht  eindringen  lässt,  wie  zum  deutlichen  Sehen  er- 
forderlich ist.  Bisweilen  wird  die  Schneebrille  ersetzt  durch  einen  anderen 
Augenschutz,  der  gewöhnlich  als  Jagdhut  (Fig.  91)  bezeichnet  wird.  Er  ist 
ebenfalls  von  Holz  gefertigt;  ein  Hut  ist  das  Ding  aber  nicht  wohl  zu 
nennen,  obgleich  es  auf  dem  Kopfe  getragen  wird.  Es  gleicht  einer  Mütze 
mit  grossem  Schh'm,  der  aber  der  ganze  Deckel  fehlt.  Ein  hölzerner  Keif 
umgiebt  den  Kopf  und  an  ihm  hängt  eine  weit  über  die  Augen  vortretende 
mützenschiimähnliche  Holzplatte,  welche  für  gewöhnlich  mit  geschnitzten 
Knochenstücken  vom  Walross  geziert  ist.  Fallas  fand  eine  di'itte  Schutz- 
vorrichtung bei  den  Kalmücken.  Dieselben  banden  sich,  wenn  sie  am 
Feuer  sassen,  einen  schmalen  Florstreifen  über  die  Augen. 

An  eine  besondere  Art  von  Augenerki-ankung  glauben  die  Austral- 
neger  von  Victoria.  Sie  entsteht  durch  Fremdkörper,  welche  durch 
Zauberkraft  dem  armen  Opfer  hinter  die  Augen  gebracht  sind.  Die  Krank- 
heit führt  einen  besonderen  Namen  und  befällt  bisweilen  mehrere  zugleich. 
Ein    Mann    war   wegen    einer    Ophthalmie    mehrere  Wochen    im    Hospital, 


Fig.  90.    Schneebrillen.    Alaska. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Xach  Photographie. 


92.    Die  Augenkrankheiten. 


211 


und  als  er  eutlassen  wurde,  kounte  er  uiclits  sehen.  Ein  berühmter  Wer- 
raa])  (Medicin-Manu)  des  Goulhurn- Stammes  zog  ihm  aus  dem  Kopfe 
liinter  den  Augen  mehrere  verfaulte  Strohhalme  hervor,  und  am  zweiten 
Morgen  danach  konnte  er  die  Schifte  in  der  Bucht  und  am  dritten  die  Berg- 
spitzen sehen.  Drei  junge  Männer  hatten  im  Freien  geschlafen,  und  als  sie 
erwachten,  erklärten  sie  plötzlich,  dass  sie  von  dieser  Tur-run  genannten 
KJrankheit  befallen  seien.  Gewisse  Zaul)erer  hätten  dünne  Zweige  einer 
weiblichen  Eiche  ihnen  in  die  Augen  gestossen.  Tiefe  Verzweiflung  hatte 
sie  befallen  und  grosse  Verwirrung  entstand  im  Lager.  Neun  weibliche 
Aerzte  Avurden  herbeigerufen  und  diesen  gelang  es,  die  Ki-anken  zu  heilen. 
Die  Einzelheiten  dieser  Behaudluncc  wurden  weiter  oben  schon  erwähnt. 


Fig.  91.    Jagdhut  der  Eskimo  von  Alaska. 
Museum  für  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


In  Marokko  sind  allerlei  Augenkrankheiten  ein  weitverbreitetes  Vor- 
kommniss  und  Erblindete  trift"t  man  gar  nicht  selten.  Man  tröstet  sich  bei 
einer  Erkrankung  der  Augen,  dass  man  sich  in  Gottes  Hand  befindet;  bis- 
weilen aber  wird  etwas  in  Wasser  verriebener  Alaun  in  die  Augen  ein- 
geträufelt. Im  Atlas -Gebirge  und  im  Besonderen  in  der  Gegend  von 
Da  de  SS  giebt  es  besondere  Staaroperateure,  deren  Kunst  in  den  Familien 
erblich  ist.  Sie  führen  diese  Operation  entweder  „mit  einem  Spatel  oder 
mit  einer  Nadel"  aus.  Dobhert  (Quedenfeldfs  Gewährsmann)  hatte  Gelegen- 
heit, einen  derartig  Operirten  zu  sehen.  Die  Linse  war  seitwärts  umgelegt 
und  der  Patient  war  völlig  erblindet.  Augenkranke  und  Erblindete  triftt 
man  auch  häufig  in  Persien  an,  obgleich  die  dortigen  Kehäls  oder  Augen- 

14* 


212        XII.    Einzelne  Capitel  der  speciellen  Pathologie  und  Therapie. 

ärzte  sich  eines  besonderen  Rufes  erfreuen  und  bis  nach  Arabien,  der 
Türkei  und  Indien  und  sogar  l)is  nacli  Aegypten  und  Clnna  ihre  Praxis 
ausgebreitet  haben.  Audi  sie  bissen  sich,  wie  PolaJc  berichtet,  auf  allerlei 
Operationen    an    den    Augen    ein. 


03.   Die  Ohrenkrankhoitcn. 

Um  nun  zu  den  Ohrenkrankheiten  überzugehen,  so  möge  zuerst  ein 
eigenthümlicher  Glaube  der  Annamiten  hier  seine  Stelle  finden.  Ein 
kleines  Thier,  Con  räy  genannt,  hat  das  Ohr  zu  beschützen  und  wohnt  in 
demsell^en;  das  Ohrenschmalz  sind  seine  Excremente.  Wenn  es  mit  anderen 
Thieren  oder  mit  Fremdkörpern  kämpft,  um  ihnen  das  Eindringen  in  das 
Ohr  zu  verwehren,  so  entstellt  dadurch  das  Ohrenklingen.  Der  Yerlust 
des  Con  räv  ist  eine  der  Ursachen  für  die  Taubheit. 

Die  Annamiten  glauben  auch,  dass  beide  Ohren  mit  einander  in  einer 
directen  Verbindung  stehen.  Wenn  eine  Ameise  in  ein  Ohr  eindringt,  so 
verschliesst  man  schnell  das  andere,  weil  man  annimmt,  dass  sie  nun  keine 
Luft  zum  Athmen  habe  und  in  Folge  dessen  eiligst  wieder  herauskriechen 
müsse.  Gegen  Erkrankungen  der  Ohren  nehmen  sie  E-äucherungen  mit  der 
Haut  einer  nicht  giftigen  Schlange  vor.  Die  Harrari  besitzen  eine  Pflanze, 
die  sie  gegen  Ohrenschmerzen  und  Taubheit  auf  das  kranke  Ohr  legen. 

Die  Aschanti  pressen  einen  Saft  aus  und  träufeln  ihn  gegen  Ohren- 
schmerzen in  das  Ohr.  Auch  die  Mittel-Sumatraner  bedienen  sich  der 
Einträufelungen  in  die  Ohren  und  zwar  bei  dem  Ohrenlaufen  ihrer  Kinder. 
Sie  benutzten  dazu  den  mit  Klapperöl  gekochten  Milchsaft  einer  Cactus- 
pflanze,  welche,  wie  wir  schon  erwähnten,  zu  diesem  Zwecke  besonders 
angepflanzt  wird.  Es  spricht  dieses  w^olil  unzweifelhaft  dafür,  dass  die  zum 
Ohrenfluss  führenden  Mittelohrentzündungen  der  Kinder  bei  ihnen  eine  sehr 
gewöhnliche  Erscheinung  sind.  Gegen  die  Taubheit,  welche  sie  mit  einem 
eigenen  Namen  bezeichnen,  ist  ihnen  aber  kein  Mittel  bekannt. 

Bei  den  Marokkanern  wird  der  Ohrenfluss  in  der  Weise  behandelt, 
„dass  der  Aj^zt  oder  ein  Bekannter  des  Kranken  sich  den  Mund  mit  Oel 
füllt  und  Letzteres  dem  Patienten  geschickt  in  das  kranke  Ohr  hinein- 
spritzt." 


94.   Geisteskrankheiten  und  die  Epilepsie. 

Wenn  wir  aus  der  grossen  Zahl  der  Erkrankungen,  denen  die  Natur- 
völker unterworfen  sein  können,  hier  auch  nur  wenige  herausgreifen  wollen, 
so  können  wir  doch  unmöglich  die  Geisteskrankheiten  übergehen.  Ihnen 
gebührt  unstreitig  eine  besondere  Betrachtung.  Denn  der  Geistesgestörte 
vor  Allem  muss  für  seine  Umgebung  den  Eindruck  erwecken,  als  ob  ein 
Anderer  aus  ihm  spräche,  als  ob  ein  Anderer  die  unsinnigen  und  unzweck- 
mässigen Handlungen  mit  seinen  Gliedmaassen  verrichtete,  und  dieser  Andere 
kann  doch  nur  ein  böser  Geist,  ein  Dämon  sein.  Er  hat  die  Seele  des 
Kranken   verjagt   oder  sie  in  die  Gefangenschaft  al)geführt,    er  hat  sich  an 


94.    Geisteskrankheiten  und  die  Epilepsie.  213 

ilire  Stelle  gesetzt  und  er  zwingt  mm  den  armen  Patienten,  nach  seinem 
Willen  zu  handeln  und  zu  reden.  Das  entspricht  ja  nun  so  ganz  und  gar 
dem  Bilde,  das  das  Naturkind  sich  von  einer  grossen  Zahl  von  Krank- 
heiten zu  nmchen  2:)flegt.  Die  vorigen  Seiten  haben  dafür  die  mannigfachsten 
Beweise  geliefert.  Es  ist  aber  wold  nur  zu  wahrscheinlich,  dass  gerade 
die  Geisteskrankheiten  es  waren,  die  den  Menschen  ganz  plötzlich  und 
scheinbar  unvermittelt,  als  einen  ganz  Anderen  wie  bisher,  und  als  für  die 
nächsten  Freunde  und  Angehörigen  nicht  selten  schädlich  und  gefährlich 
erscheinen  lassen,  dass,  wie  gesagt,  die  Geisteskrankheiten  es  gerade  ge- 
wesen sind,  welche  für  sich  selber  sowohl,  als  für  eine  ganze  Reihe  von 
anderen  Erkrankungen  zu  der  Annahme  einer  Besessenheit  die  Ursache 
wurden. 

Mit  den  Geisteskrankheiten  gemeinsam  müssen  wir  auch  die  Epilepsie 
betrachten.  Denn  wenn  der  unglückliche  Epileptiker,  soeben  noch  gesund 
und  frisch,  plötzlich  besinnungslos  zu  Boden  stürzt,  scheinbar  „entseelt", 
dann  ist  der  Glaube  wohl  l)egreiflicli,  dass  seine  Seele  ihm  entfloh  oder 
aus  seinem  Körper  vertriel^eu  wurde.  Und  wenn  nun  die  krampfhaften 
Zuckungen  folgen,  Avenn  der  Schaum  dem  Patienten  auf  die  Lippen  tritt, 
dann  ist  es  der  Dämon,  welcher  ihn  schüttelt  und  seinen  Mund  ?um  Schäumen 
veranlasst. 

Die  Auffassung  der  Geisteskrankheiten  und  der  Epilepsie  als  eine  Be- 
sessenheit ist  nun,  wie  gesagt,  die  am  meisten  verbreitete.  Wir  finden  sie 
in  allen  Erdtheilen,  und  selbst  bei  uns  ist  bekanntermaassen  diese  An- 
schauung noch  nicht  gänzlich  ausgestorben.  Je  nach  der  Dämonologie  der 
betrefi'enden  Völker  ist  die  Art  und  Eigenschaft  des  bösen  Geistes,  der  von 
dem  Kranken  Besitz  ergreift,  natürlicher  Weise  eine  verschiedene.  Bei 
Nationen,  welche  dem  Monotheismus  huldigen,  muss  selbstverständlich  der 
Teufel  diese  Function  übernehmen.  Bei  anderen  Völkern  sind  es  die  Geister, 
welche  den  Luftraum  unsicher  machen.  Die  bösen  Seegeister  sind  es  auf 
dorn  Seranglao-  undGorong-Archipele,  welche  die  Epilepsie  verursachen. 
Auch  dämonische  Tliiere  werden  genannt,  so  der  Geist  eines  Bockes  auf  den 
Luang-  und  Sermata-Inseln,  einer  Ziege  auf  den  Inseln  Leti,  Moa  und 
Lakor,  beidemal  bei  Epilepsie.  Auf  Tänembar  und  den  Timorlao- 
Inseln  macht  die  Besessenheit  durch  Geister,  die  sonst  in  Vögeln  wohnen, 
soAvohl  epileptisch,  als  auch  geisteskrank.  Auf  der  Insel  Eetar  sendet  der 
böse  Geist  den  Vogel  Perliku  in  den  Kopf  des  Krauken,  um  ihn  epilep- 
tisch zu  machen.  Wimner  im  Kopfe  veranlassen  in  Harrär  eine  Art  der 
Geistesgestörtheit. 

Die  alleinige  Ursache  dieser  Erkrankungen  ist  die  Besessenheit  aber 
nicht.  Bei  den  Topantunuasu  auf  Selebes  ist  es  das  Fliehen  der  Seele 
allein,  welches  die  Epilepsie  bedingt.  Ein  Erschrecken  der  Seele  ist  die 
Ursache  hierfür. 

Noch  einer  anderen  Anschauung  haben  wir  zu  gedenken,  welche  bei 
mohammedanischen  Völkern  namentlich  vielfach  verbreitet  ist.  Nicht  ein 
Dämon  steckt  in  dem  Kranken,  sondern  seine  Seele  weilt  bei  der  Gottheit. 
Still  verloren  in  ihren  Anblick,  grübelnd  über  den  Wahrheiten  göttlicher 
Oftenbarung  und  Lehre,  abgekehrt  von  den  irdischen  Dingen,  erscheint  er 
dem  profanen,  kurzsichtigen  Volk  wie  ein  Mensch  mit  umnachtetem  Geiste. 
Aber  wie  ein  Heiliger  wird  er  geachtet.  Jegliches  ist  ihm  zu  thun  erlaul)t 


214         XII.    Einzelne  Capitel  der  speciellen  Pathologie  und  Therapie. 

und  schon  die  blosse  Berührung  durch  ihn  hiiugt  dem  Beglückten  Heil 
und  Segen. 

AVirksanier  Zauber  von  böswilliger  Hand  oder  einem  Verbotszeichen 
einverleibt,  kann  den  Irrsinn  gleichfalls  erzeugen.  Letzteres  glaubt  man 
auf  Anibon  und  den  UHase-Inseln,  ersteres  ebenfalls  und  ausserdem 
noch  aufSerang.  Der  Name  des  auserkorenen  Opfers  aufgeschrieben  oder 
eine  Figur,  die  es  vorstellen  soll,  in  einen  hohen  Baum  geschleudert  oder 
mit  einem  Kleiderfetzen  des  Betreffenden  begraben,  ist  für  diesen  Zauber 
ausreichend.  Der  Genuss  von  verbotenen  Speisen  verursacht  auf  der  Insel 
Eetar  die  Geisteskrankheiten. 

]\Ianchen  Natui'völkern  ist  es  aber  auch  nicht  entgangen,  dass  die  Erb- 
lichkeit bei  diesen  Krankheiten  eine  nicht  unwichtige  Rolle  spielt.  Neben 
der  Besessenheit  machen  sie  daher  für  eine  lleilic  dieser  Krankheitsfälle 
auch  die  Vererbung  verantwortlich.  Dieses  gilt  für  die  Epilepsie  auf  Leti, 
Moa  und  Lakor.  auf  Tanembar  und  den  Timoriao -In  sein,  während 
]nan  auf  den  letzteren,  sowie  auf  Buru  und  den  Kei-Inseln  an  die  Erb- 
lichkeit der  Geisteskrankheiten  glaubt. 

Dass  man  die  Geisteskranken  unter  Umständen  verehrt,  haben  wir  soeben 
bereits  berichtet.  Auf  Buru,  auf  den  Kei-Inseln  und  dem  Seranglao- 
und  Gor ong- Archipel  wird  ihnen  aber  keine  Verehrung  gezollt,  und 
auf  den  Watubela-Iuseln  Averdeu  sie  sogar  mit  Misstrauen  behandelt. 

AVeit  entfernt  sind  auch  viele  Naturvölker,  das  No-restraint-System 
zu  befolgen.  Auf  Buru,  auf  Eetar  und  auf  Selebes  bindet  man  die 
Geisteskranken  an,  wenn  sie  Schaden  thun;  auch  auf  Samoa  werden  sie, 
wenn  sie  toben,  an  Händen  und  Füssen  gebunden.  Auf  Sumatra  wurde 
eine  tobsüchtige  Frau  von  vier  anderen  Weibern  festgehalten,  bei  den  Anna- 
mi ten  werden  sie  sogar  unter  solchen  Umständen  an  Ketten  gelegt.  Ver- 
schiedene Arten  der  Geistesstörungen  sind  es,  deren  unsere  Berichterstatter 
Erwähnung  thun.  Ein  Heilmittel  gegen  Trübsinn  und  Abgeschlagenlieit 
der  Glieder  wird  bei  den  Harrari  erwähnt.  Melancholischen  Zuständen 
unterliegen  auch  die  Australneger  von  Victoria.  „Sie  träumen,  sitzen 
stumpfsinnig  am  Feuer,  und  mit  der  Zeit  werden  die  Lungen  oder  andere 
innere  Theile  befallen  und  sie  sterben."  Tödtliche  Melancholie  ist  es  ja 
auch,  wenn  wir  diese  armen  Naturkinder  aus  Furcht  vor  einer  heimtückischen 
Bezauberung  oder  vor  dem  bösen  Blick,  der  sie  traf,  elendiglich  zu  Grunde 
gehen  sehen. 

Von  den  Unruhigen  sprachen  Avir  schon ,  aber  auch  wahre  An- 
fälle von  Tol)sucht  werden  erwähnt.  Thomas  sah  einen  alten  Austral- 
neger in  Victoria,  der  aus  behaglichem  Schlafe  heraus  ijlötzlich  gegen 
Mitternacht  in  einen  Tobsuchtsanfall  verfiel.  Grosse  Erregung  herrschte 
im  Lager,  Fackeln  Avurden  angezündet,  alle  Männer  strömten  zusammen. 
„Der  Alte  tanzte,  hatte  Schaum  vor  dem  Munde  und  bot  jegliches  Symptom 
gefährlichen  AVahnsinns."  Thomas  wollte  ihn  beruhigen,  die  Leute  aber 
litten  es  nicht  und  behaupteten,  der  l)öse  Geist  Krum-lu-dart-Buneif  wäre 
in  ihn  gefahren.  Dreiviertel  Stunden  währte  dieses  wilde  Umherspringen 
des  armen  Besessenen;  dann  fiel  er  matt  und  erschöpft  zur  Erde  und  wurde 
darauf  von  seinen  Freunden  in  seine  "Wohnung  gel)racht.  Nun  trat  Kühe 
im  Lager  ein;  bald  lag  alles  im  tiefen  Schlafe;  auch  der  Kranke  war  ein- 
geschlummert und  man  hat  von  dem  Dämon  nichts  mehr  gehört. 


94.    Geisteskranklieiteu  und  die  Epilepsie.  215 

In  Mittel-Siuiiatra  kennt  man  eine  Krankheit,  welche  von  den  Ein- 
geborenen als  Saki  si-djoendai  bezeichnet  wird.  Sie  ist  eine  ausschliess- 
liche Erkrankung  des  weiblichen  Geschlechts.  Die  Weiber  reissen  sich 
dann  die  Kleider  A^om  Leibe,  raufen  sich  die  Haare  aus  und  sie  glauben 
in  den  Flaggen  eine  Person  zu  sehen,  gewöhnlich  einen  Mann,  der  ihnen 
die  Krankheit  zugefügt  habe.  Diesem  wollen  sie  dann  zu  Leibe  und  sie 
laufen  dabei  kreischend  und  scheltend  und  in  den  meisten  Fällen  gänzlich 
nackend  umher.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass  diese  Psychose  epidemisch 
vorkommen  soll.  Ganz  ähnliche  Erscheinungen  macht  aber  auch  die  'als 
Säki  si-mabou-boengo  bezeichnete  Krankheit,  jedoch  ist  ihr  Auftreten 
nicht  epidemisch.  Der  Name  Sfiki  giloe  bezeichnet  daselbst  ebenfalls  eine 
Geisteskrankheit,  nähere  Sj^mptome  werden  aber  nicht  erwähnt. 

An  die  Säki-si-djoendai  erinnert  eine  Psychose  bei  den  Kat- 
schi nzen.  Avelche  von  Pallas  beschrieben  wurde.  Auch  sie  befällt  nur  das 
weibliche  Geschlecht  und  ist  unter  den  jungen  Mädchen  „sehr  gemein  ge- 
worden. Sie  beginnt  hauptsächlich  um  die  Zeit,  wenn  die  Menstruation 
sich  einstellen  will,  und  soll  oft  einige  Jahre  dauern.  Sie  laufen,  wenn  sie 
ihre  Anfälle  bekommen,  oft  aus  den  Jurten  weg.  schreyen  und  stellen  sich 
ungebärdig,  raufen  sich  die  Haare  aus  und  wollen  sich  erhänken  oder  sonst 
das  Leben  nehmen.  Die  Anfälle  dauern  nur  einige  Stunden  und  stellen 
sich  ohne  gewisse  Ordnung  bald  wöchentlich  ein,  bald  bleiben  sie  einen 
ganzen  Monath  aus.  Ich  habe  dergleichen  Mädchen  gesehen,  die  in  den 
Zwischenzeiten  ganz  vernünftig  und  ordentlich  waren.'* 

Eine  krankhafte  Schreckhaftigkeit,  welche  bis  zu  "Wuthanfällen  sich 
steigert,  kommt  bei  vielen  sibirischen  Völkern  vor,  so  bei  den  Samo- 
jeden,  den  Ostjaken  und  Tungusen,  bei  den  Kamtschadalen,  den 
Jakuten  und  Buräten,  und  bei  den  Jenesseischen  Tataren.  „Jede  un- 
vermuthete  Berührung  z.  Ex.  in  den  Seiten  oder  an  anderen  reizbaren 
Stellen,  unversehenes  Zui'ufen  und  Pfeifen,  oder  andere  fürchterliche  und 
schleunige  Erscheinungen  bringen  diese  Leute  ausser  sich  und  fast  in  eine 
Art  von  TVuth."  Bei  den  Samojeden  und  Jakuten  „geht  diese  Wuth  so 
weit,  dass  sie,  ohne  zu  wissen  was  sie  thun,  das  erste  Beil,  Messer  oder 
andere  schädliche  Werkzeuge  erhaschen  und  die  Person,  welche  der  Grund 
ihres  Entsetzens  ist,  oder  jeden  andern,  der  ihnen  alsdann  in  den  Wiu'f 
kömmt,  zu  verwunden  oder  gar  zu  tödten  suchen,  wenn  sie  nicht  mit  Ge- 
walt abgehalten  und  alle  schädlichen  Werkzeuge  vor  ihnen  weggenommen 
werden.  Wenn  sie  alsdann  ihre  Wuth  auf  keine  Art  auslassen  können,  so 
schlagen  sie  um  sich,  schreyen,  wälzen  sich  und  sind  vollkommen  wie 
Rasende." 

Ein  ähnlicher  LTsinn  ist  in  Indonesien  unter  dem  Namen  des  Amok- 
Laufens  bekannt. 

Exorcismus  in  irgend  einer  Form  ist  natürlicher  Weise  das  Haupt- 
mittel gegen  diese  Geisteskrankheiten.  Unter  den  Gö  Medicinaldroguen  von 
Harrär  finden  Avir  nicht  weniger  als  sieben  gegen  Geisteskrankheiten  und 
eine  unter  diesen  auch  gegen  Epilepsie.  Sind  dieses  auch  nur  Medicamente, 
so  ersieht  man  doch  aus  der  Art  ihrer  Anwendung,  dass  sie  die  Dämonen 
austreiben  sollen.  Eins  nur  wird  in  Wahnsinnszuständen  als  eine  Abkochung 
getrunken.  Die  anderen  werden  in  die  Nase  eingesogen,  gepulvert  und  als 
Riechmittel  gebraucht,  oder  zum  Ausräuchern  genommen. 


210        XII.    Einzelne  Capitel  der  .si)eciellen  Pathologie  und  Therapie. 

Um  (Ion  Exorcismns  bcciueni  und  Aviederliolt  ausüben  zu  können  und 
den  geeigneten  Augenblick  nicht  zu  verpassen,  bringt  man  bei  den  An  na- 
nnten die  Geisteskranken  gleich  bei  dem  Medicin-Manne  unter.  Hier  bei 
dem  Thay  phap  trifft  man  sie  dann  sehr  häufig  mit  einer  Kette  am  Fuss, 
damit  man  sie  rasch  anschliessen  kann,  wenn  ihre  Wuthanlalle  zum  Aus- 
l)rucli  kommen.  Ihre  Familie  aber  sorgt  dabei  für  ihren  Unterhalt  und  für 
ihre  Ernähiung. 

Bei  der  oben  beschriebenen  Tobsucht  der  Frauen  in  Sumatra  giebt 
der  Arzt  der  Kranken  ..einem  '^{"'rank"  von  Wasser,  gemischt  mit  der  Asche 
von  verbranntem  Papier,  worauf  Koransprüche  geschrieben  waren.  Ausser- 
dem werden  ihre  Nägel  mit  dem  Nameu  Allah  beschrieben,  wozu  als  Feder 
eine  zerl)rochene  Nadel  und  als  Tinte  der  Saft  von  einem  Dasoen  gebraucht 
wird. 

Van  Hasselt  sah  eine  an  dieser  Ki-ankheit  leidende  Frau,  die  so  rasend 
Avar,  dass  sie  von  vier  Anderen  gehalten  werden  musste.  Während  dessen 
machte  der  Arzt  seine  medicamentösen  Bespeiuugen  und  sprach  mit  un- 
störbarer  Ruhe  seine  Beschwörungsformeln  her.  Neben  ihm  stand  ein 
Käucherbecken,  und  anhaltend  drehte  er  ein  schnm-rendes  Instrument,  dessen 
eintöniges  Gebrumme  von  dem  Kreischen  der  Ki'auken  übertönt  wurde. 

Die  übrigen  Geisteskrankheiten  behandeln  die  Sumatrauer  in  folgender 
Weise.  Dreimal  täglich  Averden  die  Kranken  vom  Medicin-Manne  mit  dem 
Ausgekauten  von  bestimmten  Medicameuten  bespieen. 

..Danach  werden  sie  in  den  Fluss  unter  Wasser  getaucht,  solange  sie  es 
nur  eben,  ohne  zu  sticken,  aushalten  können,  und  darauf  beräuchert  dadurch, 
dass  man  sie  über  brennende  Federn  oder  anderen  thierischen  Abfall  hält, 
so  dass  sie  heftig  zu  husten  beginnen,  wonach  dicht  an  ihrem  Ohre  ein  Ge- 
wehr abgeschossen  wird." 

Die  Eäucherungen  als  Heilmittel  gegen  die  Psychosen  haben  wir  schon 
von  den  Harrari  erwähnt.  Auch  auf  den  Kei-Inseln  räuchert  man  die 
Kranken,  oder  besser  gesagt,  die  in  ihnen  hausenden  Dämonen  mit  Büffel- 
liorn  und  Papuahaaren.  Bei  den  oben  geschilderten  Wuthanfällen  der  Sa- 
mojeden  und  der  Ostjaken  haben  dieselben  nach  Pallas  ein  uufehll)ares 
Mittel : 

„Sie  zünden  nur  ein  Stück  Renuthierfell  oder  einen  Büschel  Rennthier- 
haare  an  und  lassen  dem  Behafteten  den  Rauch  davon  in  die  Nase  gehu; 
davon  verfällt  derselbe  sogleich  in  eine  Mattigkeit  und  Schlummer,  der  oft 
vier  und  zwanzig  Stunden  dauert  und  den  Kranken  bey  völligen  Sinnen 
verlässt." 

Als  eine  Art  des  Exorcismus  müssen  wir  auch  die  folgende  Methode 
betrachten,  welche  auf  dem  Seranglao-  und  Gorong-Archipele  bei  der 
Epilepsie  gebräuchlich  ist.  Um  den  Kranken  zu  heilen.  ..kämmt  man  das 
Haar  oder  man  drückt  bis  es  blutet  mit  einem  Cent,  am  liebsten  aber  mit 
einer  chinesischen  Münze  unter  den  Ohren,  dem  Kinn  und  den  Achseln, 
um  den  bösen  Geist  zu  vertreiben." 

Von  der  Art  der  Behandlung  Epileptischer  auf  Tauembar  und  den 
Timorlao-Inseln  haben  wir  fi'üher  bereits  berichtet.  Entsprechend  der 
Auffassung,  dass  ein  Geist  in  Vogelgestalt  in  dem  Kranken  sitzt,  wird  eine 
Vogelfigur  gemacht  und  mit  Pfeilen  nach  derselben  geschossen. 


94.    Geisteskrankheiten  nnd  die  Epilepsie.  217 

Dass  man  in  Selebes  den  Epileptiker  schlägt,  damit  seine  Seele,  von 
Mitleid  ergriffen,  in  seinen  Körper  wieder  zurückkehren  soll,  das  haben  wir 
oben  bereits  gesagt.  Das  Schlagen  der  Epileptiker  und  der  Geisteskranken 
spielt  überhaupt  in  Indonesien  eine  hervorragende  Rolle.  Abgesehen  von 
Selebes  finden  wir  es  auf  den  Babar- und  Aaru-Inseln,  aufTanembar 
und  den  Timoriao-  und  auf  den  Luang-  und  Sermata-Inseln.  Zum 
Schlagen  werden  Baunizweige  benutzt,  und  auf  den  Luang-  und  Sermata- 
und  den  Aaru-Inseln  müssen  sie  von  bestimmten  Baumarten  sein.  Die 
Vorstellung,  den  bösen  Geist  im  wahren  Sinne  des  Wortes  aus  dem  armen 
Kranken  herauszuprügeln,  finden  wir  nur  auf  Selebes  vor  und  auf  den 
Luang-  und  Sermata-Inseln.  Auf  Tauembar  und  den  Timorlao- 
Inseln,  sowie  auf  den  Babar-  und  Aaru-Inseln  stellt  man  sich  vor,  dass 
durch  dieses  Schlagen  der  böse  Dämon  veranlasst  würde,  in  die  Zweige 
hineinzufahren.  Hat  man  ihn  hierin  glücklich  gefangen,  dann  werden  die 
Zweige  behutsam  und  vorsichtig  bei  Seite  gebracht  und  in  geeigneter  Weise 
vernichtet. 

Die  Mincopies  auf  den  Andamanen  behandeln  ihre  Epileptischen 
mit  Besprengungen  von  kaltem  Wasser,  und  darauf  scarificiren  sie  ihnen 
die  Stirn. 

Einer  besonderen  Nervenkrankheit  müssen  wir  hier  noch  Erwähnung 
tliun.  welche  in  Java  unter  dem  Namen  Lata,  in  Malacca  als  Lattah 
bezeichnet  wird.  Es  ist.  wie  Virchoiv  sich  ausdrückt:  .,eine  Neurose,  welche 
dem  Hypnotismus  mit  Neigung  zur  Suggestion  nahe  verwandt  ist." 

Vaughan  Stevens  macht  von  dieser  Krankheit,  wie  er  sie  bei  den  Orang 
utan  in  Malacca  beobachtet  hat,  folgende  Beschreibung: 

„Wenn  ich  ein  Lattah-Weib  ansehe  und  plötzlich  eine  sprungweise 
Bewegung,  einen  Schrei,  oder  eine  Handlung  vornehme,  so  wird  sie  das 
wiederholen  und  nur  eine  wirkliche  Buhepause  wird  ihr  wieder  die  Herr- 
schaft über  ihre  Nerven  zurückgeben.  Als  ich  eines  Tages  mit  einem  Weibe 
ülier  diesen  Gegenstand  sprach,  fragte  ich  sie,  wenn  ich  sie  aufforderte,  ihre 
Hand  in  das  Feuer  zu  stecken,  würde  sie  es  thun?  Sie  war  bis  dahin  ganz 
ruhig,  aber  nun  begann  sie  zu  schreien,  und  der  alte  Penglima,  der  bei  mir 
sass,  ergriff  sofort  eine  Cocosnussschale  mit  Wasser  und  schüttete  es  in 
das  Feuer.  Das  Weib  ergriff*  unmittelbar  darauf  mein  Gefäss  mit  Curry 
und  Reis,  welches  zu  meiner  Mittagsmahlzeit  bereit  stand,  und  schüttete  es 
über  das  Feuer,  in  Nachahmung  der  gesehenen  Handlung.  Jetzt  sprang 
die  Frau  des  Penglima  auf  und  lief  in  das  Jungle,  indem  sie  die  Arme 
über  den  Kopf  sclnvenkte.  Das  Weib  ahmte  ihr  nach  und  rannte  hinter 
ihr  her.  Der  Penglima  erklärte  mir  nun  den  Vorgang.  Das  Weib  hätte 
sicherlich  ihre  Hand  in  das  Feuer  gesteckt,  wenn  er  dasselbe  nicht  aus- 
gelöscht hätte,  und  seine  Frau  habe  das  Weib  in  das  Jungle  gelockt,  wo 
sie  wieder  ruhig  werden  würde." 

,,Der  Mann  zeigte  mir  an  seinem  Ellbogen  drei  lange  Narben,  welche 
von  einer  Verletzung  in  seiner  Kindheit  herrührten.  Damals  kam  ein  Mann 
zu  seiner  Mutter,  setzte  sich  ihr  gegenüber,  plauderte  mit  ihr  und  nahm 
fast  gedankenlos  ein  Stück  Zuckerrohr,  das  er  mit  seinem  Parang  spaltete, 
um  davon  zu  essen.  Im  nächsten  Augenl)lick  ergriff  di(>  Mutter  gleichfalls 
einen  Parang  und  verwundete  damit  das  Kind,  das  sie  hielt,  einigemal, 
bevor  der  Mann  es  befreien  konnte." 


218        XII.    Einzelne  Ca})itel  der  speciellen  Pathologie  und  Therapie. 

..Wegen  der  Lattah  verbergen  sich  die  Weiber,  die  ein  Kind  an  der 
Brust  haben,  in  der  Hütte,  sobald  ein  Fremder,  namentlich  ein  ^Malaie, 
die  Niederlassung  betritt  oder  seinen  Weg  durch  dieselbe  nimmt.  Oft  genug 
sieht  man  auch  eine  Gesellschaft  von  Bleu  das  von  einem  Ort  zu  einem 
anderen  ziehen,  wobei  einzelne  Männer  Kinder  tragen.  Das  geschieht,  wenn 
die  Frau  Lattah  ist  und  in  Besorgniss  geräth,  dass  irgend  ein  ungewöhn- 
licher Gegenstand  dem  Kinde  Schaden  zufügen  würde.  Fremden  wird  die 
Existenz  einer  Lattah  verheimlicht." 


XIIL 


Die  Gesundheitspflege  und  die 
Epidemien. 


95.   Die  prirate  Grcsuii(llieitsi>tlege. 


Aeussere  Ansicht. 


Tief  in  das  sociale  Leben  der  Naturvölker  einschneidend  sind,  wie  man 
sich  wohl  denken  kann,  die  ansteckenden  Krankheiten,  die  Epidemien,  und 
bei  dem  Ausbruche  derselben 
sehen  wir  sie  nicht  selten  voll- 
kommen den  Kopf  verlieren, 
wie  das  ja  in  ähnlicher  "Weise 
auch  bei  civilisirten  I^ationen 
vorkommt.  Aber  auch  man- 
chem mehr  oder  weniger  ge- 
schickten Versuche,  mit  der 
Epidemie  den  Kampf  aufzu- 
nehmen, begegnen  wir  bereits, 
und  wir  haben  hierin  mit 
gutem  Rechte  die  Anlange 
einer  öffentlichen  Ge- 
sundheitspflege zu  er- 
kennen. Wollen  wir  daher 
einen  Einblick  gewinnen,  was 
die  Naturvölker  sich  über  die 
epidemischen  Erkrankungen 
für  Vorstellungen  machen,  und 
in  welcher  Weise  sie  dieselben 
zu  behandeln  und  zu  heilen 
und  ihre  Weiterverbreitung  zu 
verhindern  bestrebt  sind,  so 
können  wir  dabei  die  Be- 
sprechung ihrer  Hygieine  nicht 
gut  umgehen.  Es  lässt  sich 
das  Eine  nicht  ohne  das  An- 
dere abhandeln. 

In  dem  Verlaufe  der  vor- 
liegenden Untersuchungen  sind 
wir  auf  hygieinische  Maass- 
regeln hier  und  da  wohl  schon 
gestossen.  Allerdings  gehörten 
dieselben  meist  der  privaten  Gesundheitspflege  an.  Absichthch  heiwor- 
gerufenes  Erbrechen,   um  den  überladenen  Magen  zu  entlasten,  Purganzen, 


Innere  Ansicht. 

Fig.  92u.  93.  Eespirator  der  Kwixpagmut  in  Alaska. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


09O 


XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien. 


um  die  Verdauung  zu  regeln,  die  Massage  zur  Bekämpfung  der  Ueber- 
müdung,  der  (-Jebraucli  von  See-  und  Flussbädern  und  das  Transi)iriren  in 
der  Schwitzhütte  haben  wir  in  dieses  Gebiet  zu  rechnen.  Ferner  sind  hierher 
zu  zählen  die  Schutzvomchtungen  arktischer  Völker,  um  ihre  Augen  vor 
zu  greller  Beleuchtung  zu  beschützen,  d.  h.  ihre  oben  bereits  erw'ähnton 
Augenschinne  (.lagdhüte)  und  Schneebrillen.  Audi  den  bei  den  Kalmücken 
gebräuchlichen  Augeuflor,  um  den  Rauch  des  Herdfeuers  von  den  Augen  al)- 
zuhalten,  dürfen  wir  nicht  mit  StillschAveigen  übergehen. 

In  dieses  Gebiet  gehört  aber  auch  eine  Vorrichtung  der  Kwixpagmut. 
eines  Indianer-  oder  Eskimo- Stammes,  über  welche  uns  Jacobsen  berichtet. 
..Dieselbe  besteht  aus  einer  Art  von  Respirator  (Fig.  92  u.  93),  welchen  diese 
Leute  bei  ihren  Schwitzbädern  in  den  Mund  nehmen,  damit  der  Rauch 
des  Feuers  nicht  in  ihre  Lungen  eiudi'ingen  könne.  Dieser  Respirator  wird 
aus  einem  Geflecht  von  feinem  Grase  hergestellt,  welches  durch  einen  kleinen 
hölzernen  Pflock,  der  in  den  Mund  gesteckt  w'ird,  testen  Halt  gewannt." 


Fig.  94.    Steinernes  Amulet  eines 

Medicin  -  Mannes    der    Tschim- 

sian-Indianer. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Nach  Photographie. 


Fig.  95.    Japanerin,  deren  Kücken  mit  Moxen- 

Narben  bedeckt  ist. 

Nach  einem  japanischen  Holzschnitt. 


Auch  die  Kauterisation  und  das  Scarificii'en  werden  bei  einzelnen  Völker- 
schaften aus  hygieinischen  Rücksichten  ausgeführt.  Beides  benutzen  wieder- 
holentlich  die  Fullali  in  Ost- Afrika  bei  ihren  Kindern,  um  sie  vor 
Krankheiten  zu  bewahi'en,  wenn  sie  dereinst  erwachsen  sein  werden. 

Die  Indianer  im  nördlichen  Mexico  pflegen,  w^enn  durch  anstrengende 
Märsche  ihre  Beine  und  Füsse  ermüdet  sind,  diu'ch  Scariticationen  mit 
scharfen  Feuerstein  -  Splittern  ihi'e  Extremitäten  wieder  leistungsfähig  zu 
machen.  „In  den  äussersten  Fällen  reiben  sie  dieselben  auch  noch  mit  dem 
beissenden  Blatte  der  Maguey  ein,  welches  auf  ihren  abgehärteten  Körper 
wäe  ein  Emolliens  w'irkt  und  ihi-e  Leiden  prompt  erleichtert." 

Die  Eingeborenen  der  Oster-Insel  bedienen  sich  gewisser  Blätter  als 
Prophylaxe  gegen  bestimmte  Krankheiten. 

Eines  besonderen  vorbeugenden  Heilmittels  der  japanischen  Volks- 
medicin  haben  Avir  noch  zu  gedenken.  Das  sind  die  Moxen,  deren  An- 
wendung, wie  Wernieh  sagt,  walu-scheinlich  japanesisches  Eigenthum  ist 
und   nicht  von   den  Chinesen  überkommen  wurde.     „Auch  die  Chinesen 


95.    Die  private  Gesundheitspflege. 


223 


keunen  zwar  das  Brennen  am  Körper  zu  verschiedenen  Zwecken:  einmal 
gehört  bei  den  Bonzen  dasselbe  zu  den  Merkzeichen  der  abgelegten  Ge- 
lübde; es  wird  zu  diesem  Zweck  gewöhnlich  auf  dem  Schädel  vorgenommen; 
dann  wenden  sie  es  jetzt  in  ziemlich  energischer  Weise  als  Heilmittel  gegen 
Ki-ankheiteu  au  —  vielleicht  auch  erst  nachdem  sie  das  geeignete  Mittel 
aus  Japan  überkommen  haben.  Denn  es  steht  fest,  dass  die  Artemisia 
vulgaris  s.  Moxa,  welche  auf  dem  Ibuki- Berge  in  der  japanischen 
Landschaft  Omi  wächst,  in  Massen  nach  China  exportirt  wird.'' 

Die  Moxa  spielt  nach  Wernich  in  Japan  nicht  die  Bolle  eines  Heil- 
mittels, sondern  überwiegend  die  eines  Präservativs,  und  er  fährt  fort: 
„Einen  Japaner  zu  sehen,  der  nicht  an  den  Waden  und  an  der  Wirbel- 
säule Narben  von  Moxen  hatte,  gehörte  mir  in  der  Poliklinik  zu  den 
seltensten  Erfalirungen.     An    der   ersteren  Stelle   bilden    sie    angebUch   den 


Fig.  96    Japaner  und  Japanerin,  denen  Moxen  gesetzt  werden. 
Nach  einem  japanischen  Holzschnitt. 


besten  Schutz  gegen  Kak-ke,  auf  dem  Bücken  angebracht,  gewöhnlich  zu 
beiden  Seiten  der  Processus  spinosi  in  Zahl  von  einigen  dreissig  hinlaufend, 
verhindern  sie,  dass  Lepra  und  Gehirnkrankheiten  das  Individuum 
befallen.*' 

Unsere  Figur  95  zeigt  nach  einem  japanischen  Holzschnitt  eine 
Japanerin  bei  den  Geheimnissen  ihi'er  Toilette.  Ihr  Oberkörper  ist  vöUig 
entblösst,  und  längs  ihi-er  Wirbelsäule  erkennt  man  deutlich  eine  Anzahl 
von  Moxen -Narben. 

„Noch  andere  Schutzpunkte  sind:  die  Fusssohle  gegen  Krämpfe,  der 
Ellbogen  bei  Schulterrheumatismus,  Brustbein  und  Schlüsselbeine  gegen 
Ausbruch  von  Brustkrankheiten  u.  s.  ^\.  Mau  muss  dabei,  vielleicht 
angeregt  dui'ch  die  Empfindlichkeit  einiger  dieser  Stellen,  nicht  an  die 
Schmerzhaftigkeit    unserer    Moxen    denken.      Die    Blätter    der    Ai-temisia, 


224 


XIII.    Die  Gesundheitspflege  uud  die  Epidemien. 


■welche  sich  im  Mai  mit  einem  sammetartigeu  Foment  bedecken,  werden 
getrocknet,  zu  einer  wolligen  zunderähnlichen  Masse  zerstampft  und  aus 
dieser  dann  kleine  cylindrische  Stäbchen  gerollt,  diese  mit  Speichel  auf  die 
Haut  geklebt  und  angezündet.  Bis  auf  die  Haut  abgebrannt  üben  sie  eine 
sehr  schwache  cauterisireude  "Wirkung  aus.  Diese  aber  wird  auch  nur  ver- 
langt, denn  nicht  Ableitung,  noch  weniger  eine  Entzündung  an  der  ge- 
brannten Stelle  ist  der  Zweck  des  Heilverfahrens,  sondern  es  muss  die 
Stelle  für  vielfache  Wiederholungen,  die  am  segensreichsten  wirken,  fi-ei 
gehalten  werden,  und  der  unmittelbare  Effect  soll  nicht  sein,  schädliche 
Potenzen  abzulenken,  sondern  die  cauterisirte  Stelle  aus  der  Moxe  frische 
Lebenski-aft  einsaugen  zu  lassen,  damit  der  Körper  dadiu'ch  zu  grösserem 
Widerstände  gegen  die  Krankheit  gestärkt  werde.'' 


Fig.  97  u.  98.   Amulete  eines  Medicin-Mannes  der  Tschimsian-In dianer. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

Ein  solches  Ansetzen  der  Moxen  bei  einem  Manne  und  einem  Weibe, 
Avelche  ihre?  ganzen  Erscheinung  nach  sicherlich  dem  niederen  Volke  an- 
gehören, sehen  wir  auf  der  nach  einem  japanischen  Holzschnitte  ge- 
fertigten Figui'  96.  Das  Geschäft  des  Moxen-Setzens  ist  nicht  eine  Obliegen- 
heit der  Aerzte,  „sondern  von  Alters  her  niedriger  Leute,  bestimmter  armer 
Weiber  oder  der  Familienmütter;  die  Aerzte  werden  nur  um  Bezeichnung 
der  günstigen  Punkte  angegangen,  für  die  meisten  prophylactischen  Zwecke 
stehen  jedoch  auch  diese  durch  Tradition  fest." 

Führen  wir  nun  noch  die  oben  bereits  ausführlich  geschilderten  Im- 
pfungen an,  sowie  die  Vorschriften  der  Diät  und  die  unter  bestimmten  Ver- 
hältnissen den  Naturvölkern  auferlegten  Speiseverbote,  so  würde  wohl  so 
ziemlich  Alles  besprochen  sein,  was  der  privaten  Gesundheitspflege  zuzu- 
zählen wäre. 


9G.    Die  Amulete. 


T^ö 


96.  Die  Amulete. 

Einer  in  Bezug  auf  ihre  weite  Verbreitung  hervorragenden  Maassnahme 
der  privaten  Gesundheitspflege  müssen  Avir  aber  allerdings  noch  gedenken. 
Das  ist  das  Tragen  von  Anmieten  und  Talismanen.  Bekanntermaassen  ist 
dieses  keines weges  allein  auf  die  uncivilisirten  Nationen  beschränkt;  auch 
bei  den  Kulturvölkern  treffen  wir  es  vielfach  in  einer  oder  der  anderen 
"Weise  an.  Die  Begriffe  des  Talismans  und  des  Amulcts  haben  sich  all- 
mählich derartig  verschollen,  dass  sie  jetzt  gemeinhin  beide  für  dieselbe 
Sache  angCAvendet  werden,  und  dass  eine  strenge  Trennung  ihrer  ursprüng- 
lichen Bedeutung  nur  noch  ein  historisches  Interesse  beanspruchen  könnte. 
Beide  Bezeichnungen  werden  aus  dem  Arabischen  abgeleitet  und  zwar 
Amulet  von  dem  Worte  Hamalet,  Anhängsel,  und  Talisman  von  dem 
AVorte  Tilsam.  im  Pluralis  Taläsim,  Zauberbild.    Für  gewöhnlich  werden 


Flg.  yy.     Amulet  eines  Medicin-Mannes 
der  Tschimsian-Indianer. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Fig.  100.   Igel  aas  Holz,  Amulet  der  Giljaken 
gegen  Krankheit. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


die  Amulete  an  dem  blossen  Körper  des  Menschen  angebracht.  In  manchen 
Fällen  sind  sie  aber  auch  an  seinem  Anzüge  befestigt,  oder  an  seinen 
"Waffen,  an  seiner  Lagerstätte  oder  inwendig  oder  aussen  am  Hause. 

Der  Sinn  und  die  Bedeutung,  welche  diesen  Anmieten  zu  Grunde 
liegen,  sind  nicht  in  allen  Fällen  die  Gleichen.  Oft  genügt  der  Name  der 
Gottheit  allein,  der  in  passlicher  Form  am  Körper  angebracht  wird;  bald 
auch  ist  es  ein  angehängter  Spruch,  oder  auch  ein  besonderes  Gebet.  Für 
gewöhnlich  al)er  ist  das  Amulet  ein  symbolisches  Zeichen,  dem  an  und  für 
sich  übernatürliche  Kraft  innewohnt  (wie  z.  B.  dem  Symbolum  der  Gottheit), 
oder  dem  durch  besondere  Weihe  die  erwünschte  Wirksamkeit  erst  verliehen 
werden  muss. 

Von  unserem  Standpunkte  aus  haben  wir  zwei  Hauptgruppen  der 
Amulete  zu  unterscheiden,  nämlich  solche,  welche  vor  dem  Ausbruche  der 
Krankheit  schützen,  und  solche,  die  nach  ausgebrochener  Krankheit  noch 
einen  wirksamen  Schutz  zu  gewähren  vermögen.  Auch  sie  schieben  sich 
aber  vielfach   durch  einander,    so  dass   die  absolute  Trennung  nicht  immer 


mit  Genauigkeit  durchgeführt  werden  kann. 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker. 


15 


220  XIII.    Die  (.Tesundheitspflege  und   die  Epidemien. 

AV ollen  wir  uns  nun  den  Sinn  der  Anmiete  zu  vergegenwärtigen  suchen, 
so  müssen  wir  die  Form  derselben  in  etwas  nähere  Betrachtung  ziehen. 

Wir  finden  bei  den  Tschimsian  im  nordwestlichen  Amerika  kleine, 
gewöhidicli  menschliche  Figürchen  in  Knochen  oder  Stein,  welche  als 
Amulet  der  Medicin-Männer  bezeichnet  werden  (Fig.  99).  Das  Museum 
für  Völkerkunde  in  Berlin  besitzt  zwei  solche  knöcherne  Menschen- 
figürcheu  (Fig.  97  u.  98),  von  denen  die  eine  einen  grossen  Schopf  aus  wirklichen 
Haaren  trägt.  Ein  in  derselben  Sammlung  befindliches  steinernes  Amulet 
besteht  aus  einem  Yogelkopf  und  zwei  Menschengesichtern  (Fig.  94).  Wie 
haben  wir  diese  Anmiete  zu  deuten?  Wahrscheinlich  ist  es  die  Gottheit 
selbst,  die  sich  in  diesen  Figuren  verköqDert  hat;  und  somit  wäre  dieses 
Amulet  gleichsam  als  ein  Fetisch  zu  betrachten. 

Als  von  den  Medicin-Steinen  die  Bede  war,  erw^ähnten  wir  auch  einige 
grössere,  mit  figürlichen  Darstellungen  versehene  und  zum  Verschlucken 
viel  zu  umfangreiche  Steine  der  Medicin-Männer  von  Vancouver.  Auch 
diese  werden  wir,  wie  ich  glaube,  in  die  gleiche  Kategorie  einzuordnen 
haben. 

In  manchen  Fällen  ist  das  Amulet  nur  ein  Zeichen  für  die  Gott- 
heit oder  für  deren  Boten,  dass  der  Träger  oder  Besitzer  zu  den  Aus- 
erwählten   gehört;    daher    darf  ihm    die  Krankheit   nicht   gebracht  w^erden. 


Fig.  101.    Tiger  aus  Stroh,  in  welchen  die  Krankheit  gebannt  wird.    Golden 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

Es  ist  das  Amulet  oder  Abzeichen  also  eine  Art  von  Freibriel,  welchen  er 
fLihrt.  So  muss  der  Süd-Slave,  der  die  Pestfrau  in  das  Dorf  getragen 
oder  gefahren  hat,  dieser  zuerst  seine  Wohnung  bekannt  geben,  damit  sie 
dieselbe  verschonen  kann.  So  mussten  die  Juden  in  Aegypten  ihre 
Häuser  mit  dem  Blute  des  Passah-Lammes  bezeichnen,  als  das  Sterben  der 
Erstgeburt  cbohte.     Es  heisst  IL  Mosis  12: 

„Und  sollt  seines  Blutes  nehmen  und  beide  Pfosten  an  der  Thür  und 
die  oberste  Schwelle  damit  bestreichen  an  den  Hävisern,  da  sie  es  innen  essen. 

Denn  ich  will  in  derselben  Nacht  durch  Aegyptenland  gehen  und  alle 
Erstgeburt  schlagen  u.  s.  w. 

Und  das  Blut  soll  Euer  Zeichen  sein  an  den  Häusern,  darin  Ihr  seid, 
dass  wenn  ich  das  Blut  sehe,  für  Euch  über  gehe,  und  Euch  nicht  die 
Plage  -widerfahre,  die  Euch  verderbe,  wenn  ich  Aegyptenland   schlage." 

Ist  nun  dieser  Freibrief  im  Allgemeinen  nur  für  ganz  besondere  Ver- 
hältnisse nothwendig,  da  die  Gottheit  nicht  immer  zürnt  und  nicht  immer 
zu  strafen  beabsichtigt,  so  schwännen  dagegen  die  bösen  Geister  dauernd 
umher,  auf  Unheil  bedacht.  Ihnen  gefeit  gegenüber  zu  stehen,  ist  nun  in 
dem  Leben  aller  Naturkinder  ein  unumgängliches  Erforderniss.  Aber  auch 
hier  gewährt  ihnen  den  Schutz  das  Zeichen,  das  ein  Stärkerer  über  sie 
wacht,  dass  sie  die  Kinder  Gottes  sind.     Das  Symbol  der  Gottheit  ist  ge- 


90.    Die  Amulete. 


227 


nügeiul.  um  die  Dämonen  in  Schranken  zu  halten.  Denn  in  diesem  Sym- 
hohim  steckt  ein  Theil  von  der  Kraft  und  der  Stärke  der  Gottheit  selber, 
vor  der  die  Krankheits-Dämonen  Hiehen  müssen. 

Diese  Kraft,  die  Teufel  zu  verscheuchen,  wohnt  bekanntlich  dem  Kreuzes- 
zeichen inue.  Das  Gleiche  eiTeichen  die  muhammedanischen  Völker  dadurch, 
dass  sie  einen  wirksamen  Spruch  des  Koran  in  einer  Kapsel  oder  in  einem 
kleinen  Täschchen  an  sich  tragen.  Bei  den  Assyrern  und  Babyloniern 
waren  es  kleine  Cylinder  von  Thon  oder  Stein  mit  Götterfiguren  und  heiligen 
Inschriften.  xA.uch  der  Fleck,  den  der  fromme  Brahmine  sich  täglicli  auf 
die  Stirn  malen  lässt,  hat  eine  ganz  analoge  Bedeutung. 

Durch  besondere  Zaubermanipulationen  oder  durch  die  kraftvolle  "Weihe 
des  Dieners  der  Gottheit  kann  aber  auch  jeglichem  anderen  Dinge,   sei  es 


Fig.  10"2.    Menschenkopf  au.s  Holz; 

Amulet  der  Giljaken  gegen  alle 

Krankheiten. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photograiiliie. 


Fig.  103.    Menschen figürchen  zwischen  zwei 
Holzstücken  eingeklemmt;  Amulet  der  Gol- 
den gegen  Brust-  und  Achseischraerzen. 
Sammlung  Umlauff,  Hamburg.  Xach  Photographie. 


ein  Kunstproduct  oder  etwas  Natürliches,  solche  Zauberki'aft  einverleibt 
werden.  Das  ist  dann  nun  recht  eigentlich  das  Amulet,  und  dieser  Gruppe 
sind  auch  die  meisten  der  Amulete  hinzuzurechnen,  welclier  sich  die  Natur- 
völker bedienen.  Vielfach  sind  sie  höchst  unansehnlich,  ein  Stein,  eine 
"Wurzel,  ein  Stück  Holz,  ein  Knochen,  eine  Kralle  u.  s.  w.  Oft  aber  zeichnen 
sie  sich  auch  durch  ihre  phantastische  Form,  oder  Avenn  es  Xatiu'producte 
sind,  durch  die  Seltenheit  ihres  Vorkommens  aus.  Ihre  Herstellung  ist  ein 
lucratives  Geschäft  der  Medicin-Männer,  Priester  und  Zauberer.  Wie  diese 
Dinge  wirken  und  augewendet  werden,  lehrt  uns  sehr  gut  die  Vorschrift 
einer  ak  k  a  d  i  s  c h  e n  Beschwörungsformel : 


„Von  weissem  Zeuge  zwei  doppelte  lange  Streifen 
An  das  Bett  und  den  Tritt 


15* 


228 


XIII.    Die  CTesuiidlieit.spflege  und  die  Epidemien. 


Als  Talisman  zur  rechten  Hand  er  heftet; 

Von  schwarzem  Zeuo-e  zwei  do]ipelte  lange  Streifen 

Zur  linken   Hand   er  heftet. 

Der  böse  Dämon,  der  böse  Alal^  der  böse  Giffim, 

Der  böse  Tcla/,  der  böse  Gott,  der  böse  Maskim, 

Der  Schreckgeist,  das  Gespenst,  der  Vampyr, 

Die  böse  Zauberei,  der  Zaubertrank,  das  flüssige  Gift, 

Was  Schmerzen  verursacht,  was  heftig  erregt,  was  bösartig  einwirkt, 

Ihr  Haupt, 

Auf  sein  Haupt, 

Ihre  Hand  auf  seine   Hand, 

Ihren  Fuss  auf  seinen  Fuss 

Werden  sie  nimmer  legen; 

Sie  werden  nimmer  zurückkehren! 

Geist  des  Himmels,  beschwöre  sie! 

Geist  der  Erde,  beschwöre  sie!" 

Nun  wird  uns  noch  von  eigentliümlichen  Anmieten  einiger  sibirischer 
Völker  berichtet,  welche  wir  eingehender  besprechen  müssen.  Wir  finden  sie 
besonders  zahlreich  und  von  sehr  grosser  Formverschiedenheit  bei  den  Golden 
in  Sibirien.     Aber  auch  bei  den  Giljaken  kommen  sie  in  mannigtachen 


Fig.  104.  Amulet  der  Golden  gegen 
Kückensehmerzen. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.   Nach  Photographie. 


Fig.  105.    Hölzerner  Bär;  Amulet  der 

Giljaken  gegen  Krankheiten. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  Photographie. 


Variationen  vor.  Eine  reiche  Samndung  dieser  Dinge  hat  Capitän  Jacohsen 
für  das  Berliner  Museum  für  Völkerkunde  erworben.  Eine  zweite 
Sammlung,  welche  vielfache  Ergänzungen  zu  der  ersten  bietet,  wurde  von 
dem  Hamburger  Naturalienhändler  Herrn  Umlauff  im  Jalire  1892  in  Berlin 
ausgestellt.  Diese  Amulete  gehören  der  Mehrzahl  nach  zu  denjenigen, 
welche  einem  besonderen  Vorkommniss  angepasst  sind.  Ein  Theil  derselben 
wird  als  Amulet  gegen  Krankheit  im  Allgemeinen  bezeichnet.  Bei  den 
Giljaken  ist  es  z.B.  ein  rohgeschnitzter  Igel  (Mepit)  aus  Holz  (Fig.  100), 
in  einen  Lappen  eingewickelt,  der  „gegen  Krankheiten  in  der  Jurte  be- 
wahrt wird";  oder  eine  rohe  hölzerne  Menschenfigur  (Fig.  102)  mit  einer 
Kapuze  aus  Zeug,  „als  Amulet  gegen  alle  Krankheiten  dienend",  und  ein 
kleiner,  hölzerner  Bär  (Fig.  105),  „vom  Schamanen  gefertigt,  wenn  ein  Krank- 
heitsfall eintritt  und  im  AValde  versteckt,  bis  die  Krankheit  vorüber  ist". 

Bei  den  Golden  ist  es  ein  Tiger  aus  Stroh  (Fig.  101),  oder  etwas  besser 
ausgeführte  Menschenfiguren  aus  Holz  (Fig.  106),  „in  welche  die  Krankheit 
gebannt  wird". 

Hierin  haben  wir  nun  wohl  den  Schlüssel  zur  Erklärung  dieser  Art 
der  „Amulete"  gefunden.  Die  Krankheit  soll  in  sie  hineinfahren,  oder  sie 
soll  mit  anderen  Worten  den  Patienten  verlassen  und  statt  seiner  diese 
Thier-  oder  Menschenbilder  in  Besitz  nehmen,  als  Ersatz  für  den  nun  frei- 


9G.    Die  Amulete. 


229 


gelassenen  Menschen.  Wir  treffen  somit  also  hier  auf  die  weitverbreitete 
Anschauung,  dass  mau  sich  von  einer  Krankheit  zu  befreien  vermöge  da- 
durch, dass  man  einen  Ersatzmann  stellt.  In  dem  deutscheu  Epos  hat 
dieser  Glaube  in  der  Geschichte  des  armen  Heinrich  seine  Verherrlichung 
gefunden  und  auch  bei  den  alten  Central-Amerikauern  haben  ähnliche 
Ansichten  geherrscht. 

Nun  verstellen  wir  auch  eine  Gruppe  höchst  primitiver  Menschen- 
ügürchen  von  der  Insel  Xias  (Fig.  107),  welchen  bei  Krankheiten  geopfert 
wird  und  die  dabei  mit  Palmblättern  gesckmückt  Averden.  "Wahrscheinlich 
sind  dieses  ebenfalls  nur  Ersatzmänner  für  die  erkrankten  Personen.  Bei 
dem  Kampfe  gegen  die  Epidemien  treffen  wir  auf  ganz  Aehnliches. 


Fig.  106.    Hölzerne  Menschen- 

figur  der  Golden,    in  welche 

die  Krankheit  gebannt  wird. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Fig.  107.   Holzfiguren,  denen  in  Krankheiten  geopfert 

wird.     Nias. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photogi'aphie. 


Ein  Theil  dieser  Amulete  der  Golden  und  der  Giljaken  lässt  dui'ch 
ihre  äussere  Erscheinung  schon  erkennen,  in  welchen  Körpertheilen  die  Er- 
krankung sitzt,  gegen  die  sie  Hülfe  bringen  sollen.  Bei  den  Golden  hilft 
ein  kiu'zes  Stück  Holz  mit  grossein  nasenähnlichen  Vorsprung  (Fig.  108) 
gegen  Nasenübel,  eine  kleine  männliche  Gestalt  mit  dicken  Genitalien  gegen 
(Treschlechtskrankheiten,  ein  hölzernes  Herz  (Fig.  109)  gegen  Herzleiden 
und  Brustschmerzen.  Auch  die  Giljaken  fertigen  solch  ein  hölzernes 
Herz  (Fig.  110),  das  aber  unten  gespalten  ist,  und  tragen  es  gegen  Brust- 
schmerzen am  Halse.  Ein  Bär,  dem  ein  anderer  auf  dem  Rücken  sitzt 
(Fig.  125),  ein  Mensch,  auf  dessen  Rücken  ein  fliegender  Vogel  geschnitzt 
ist  (Fig.  130),  heilen  Rücken-  und  Krenzschmerzen;  eine  ISrenschenfigur  mit 
einer   Kröte    auf   der  Brust  (Fig.  113)    hilft    gegen  Krankheiten    der  Brust 


23U 


XIII.    Die  Gebundheittspflege  und  die  Epidemien. 


und  des  Leibes.  Ein  Bär  (Fig.  111).  der  sich  in  seine  Brust  l)eisst.  soll 
Brustschmerzeu  vertreiljen;  eine  rohe  Menschenfigur  (Fig.  119)  ohne  Arme 
und  Beine,  deren  Leih  von  ol)en  uach  unten  durchl)ohrt  ist  (die  also  einen 
immer  „offenen"  Lei!)  hat),  beseitigt  den  Durchfall.  Gegen  Brust-  und 
Achselschmerzen  liabeii  die  Golden  auch  eine  kleine  Menschenfigur 
(Fig.  lu;^)  so  an  einem  ßienien  aufgehängt,  dass  sich  jederseits  ein  daneben 
häugender  kleiner  Balken  fest  an  ihre  Seiten  presst. 

Schmerzen  im  Kreuz  und  in  den  Gelenken  scheinen  eine  weitverbreitete 
Beschwerde  zu  sein.  Wenigstens  finden  wir  gegen  diese  Leiden  bei  den 
(Jolden  uud  Giljaken  mehrere  Amiüete  im  Gebrauch.  Von  den  ersteren 
war  ja  schon  die  Bede:  die  Letzteren  haben  das  Uebereinstimmende,  dass 
sie,  als  wenn  sie  ganze  Menschen  wären,  oben  in  ein  Menschengesicht  aus- 
laufen, wie  die  hölzerne  Hand  (Fig.  1B2),  welche  Beissen  im  Handgelenk 
heilt.     Audi  die   Figur    mit    durchbohrtem   Bauche  ist  ja  eigentlich  nur  ein 


Fig.  108.    Amulet  der  Golden 

gegen  Nasenübel. 

Sammlung  Umlauft',  Hamburg. 

Nach  Photographie. 


Fig.  109.    Hölzernes  Herz; 

Amulet  der  Golden  gegen 

Herzleiden  u.Brustscbmerzen. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Fig.  110.  Hölzernes  gespalt. 
Herz;  Amulet  der  Gilja- 
ken gegen  Brustschmerzen. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Bauch  mit  menschlichem  Antlitz.  Meistens  ist  in  diesen  Anmieten  aber 
auch  noch  eine  Gelenkverbindung  in  der  Weise  ausgeschnitzt,  dass  die 
Theile,  wie  zwei  vereinigte  Kettenglieder  in  einander  greifen  (Fig.  112, 
133,  134).  Es  soll  dieses  wohl  den  Grad  der  Gelenkigkeit  ausdrücken, 
welchen  das  erkrankte  Glied  wieder  zurückerhalten  soll. 

Für  diese  Anschauung  sprechen  auch  die  hölzernen  Arme  (Fig.  127), 
welche  als  Anmiete  gegen  Steifigkeit  im  Bereiche  der  oberen  Extremitäten 
benutzt  werden.  Auch  sie  haben  oben  Menschengesichter,  und  mit  ihnen 
sind  wir  nun  schon  ganz  nahe  an  der  Opferung  des  erkrankten  Theiles 
in  effigie,  wie  sie  seit  Jahrhunderten  in  Europa  gebräuchlich  ist.  Es  sei 
hier  an  die  Votivgaben  erinnert,  Avelche  wir,  meist  aus  Wachs  gefertigt,  an 
den  Altären  unserer  Alpenländer  u.  s.  w.  finden. 

„Die  kranken  Leute  bringen 
Ihr  dar  als  Opfcrspend" 


OG.    Die  Amulete. 


231 


Aus  Wachs  gebildete  Glieder, 
Viel  wächserne  Füss'  und  Hand". 
Und  wer  eine  Wachshand  opfert, 
Dem  heilt  an  der  Hand  die  Wund', 
Und  wer  einen  Wachsfuss  opfert, 
Dem  wird  der  Fuss  gesund." 

Bei  den  Eömern  waren  diese  Exvoto-Körpertheile  meist  aus  ge- 
branntem Thon  hergestellt.  Sie  sind  in  grosser  Menge  gefimden,  und  nament- 
lich halben  die  ßegulirungsarbeiten  am  Tiber  in  Rom  an  der  Stelle,  wo 
die  Cella  dos  einstigen  Tempels  des  Aesculap  in  den  Strom  h inunter gestüi'zt 
war,  bei  der  Baggeruug  eine  reiche  Ausbeute  ergeben. 

Die  Ideenassociation  ist  bei  einigen  der  uns  beschäftigenden  Amulete 
nicht   sehr   deutlich    ausgeprägt.     Warum    ein   eidechsenartiges  Wesen    mit 


Fig.  111.  Hölzerner  Bär,  sich 
in  die  Brust  beissend;  Amulet 
der  Giljakeu  gegen  Brust- 
schmerzen. 


M 


Fig.  112.  Hölzerue  Menschenfigur 

mit  Gelenken  in  den  Extremitäten; 

Amulet  der  Golden  gegen  Eheu- 

matismus. 


Fig.  llo.  Rohe  Menschenfigur 
mit  einer  Kröte  auf  der  Brust; 
Amulet  der  Giljaken  gegen 
Krankh.  der  Brust  u.  desLeibes. 


Museum  für  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


tief  eingeschnittenen  Querfurchen  gegen  Geschlechtskrankheiten  (Fig.  128). 
ein  Tiger  gegen  Brustschmerzen  kleiner  Kinder,  ein  Panther  (Fig.  129) 
gegen  Schmerzen  im  Unterleibe,  ein  im  Stalle  aufgehängter  Bogen  mit  zwei 
kleinen  Menschenfigürchen  darunter  (Fig.  131)  gegen  Augenkrankheiten 
helfen  soll,  das  ist  nicht  recht  zu  verstehen.  Allenfalls  kann  man  noch 
folgen  bei  einem  Menschenkopf  mit  umwickeltem  Untergesicht  (Fig.  120). 
als  Mittel  gegen  Zahnschmerzen,  bei  einem  Thierkopf,  der  auf  einen  Fisch- 
wirbel  beisst  (Fig.  104),  (oder  zwei  solcher  Köpfe),  als  Mittel  gegen  Rücken- 
schmerzen. 

Eine  reiche  Sammlung  interessanter  Amulete  ist  von  Vaughan  Stevens 
unter  den  Orang  Semang  in  Malacca  für  das  Museum  für  Völker- 
kunde in  Berlin  erworben  worden.  In  ihrer  allgemeinen  äusseren  Er- 
scheinung   sind   sie    sämmtlich    ganz    übereinstimmend.      Sie   bestehen   Alle 


232 


XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien. 


aus  einem  annähernd  Zweimarkstück-dicken  Bambuscylinder,  ungefähr  von 
einem  Fuss  Länge.  Dieselben  sind  ganz  überdeckt  mit  eingeschnittenen, 
geometrischen  Ornamenten.  Keines  stimmt  mit  dem  Anderen  überein  und 
jedes  schützt  vor  einer  bestimmten  Erkrankung.  Sie  Averden  ausschhessHch 
von  Männern  benutzt  und  dienen  als  Ansatzstücke  für  die  Pustrohre  dieser 
Leute.     Je  nach  Bedürfniss  werden  sie  crewecliselt. 


^ 


Hinteransich  t .  Vorderansicht. 

Fig.  114  u.  115.    Hölzerne,  abgezehrte  Menschenfigur;  Amulet  der  Golden  gegen  die 

Auszehrung. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

Durch  die  gleichen  Ornamente  werden  aber  auch  die  Weiber  vor  den 
betreifenden  Krankheiten  bewahrt.  Aber  lür  diese  ist  das  Ornament  in  die 
viereckige  Platte  eines  grossen  Bambuskammes  eingeschnitten,  der  dann 
mit  seinen  langen  Zähnen  in  die  Haare  der  Frau  hineingesteckt  wird.  Die 
Deutung  und  Erklärung  dieser  Ornamente  ist  ohne  Schlüssel  gar  nicht 
möglich.  Denn  dieselben  sind  in  der  Weise  gebildet,  dass  man  aus  der 
Figur,    die  man  eigentlich  meint,   immer  einzelne  Strichgruppen  besonders 


9G.    Die  Amulete.  233 

zeichnet  uud  diese  Gruppen  in  regelmässigen  Reihen  unter  einander  setzt. 
So  kann  natürUch  kein  iMensch  ergründen,  wie  die  Gruppen  ursprünglich  in 
einander  gehören.  Figur  124  stellt  einen  solchen  Fi-auenkamm  dar.  Es 
Avird  über  diese  höchst  merkwürdigen  Dinge  aus  der  Feder  des  Professor 
Albert  Grünivedel  in  allernächster  Zeit  eine  ausführliche  Abhandlung  er- 
scheinen. 

Ein  Amulet  der  Golden  verdient  noch  unser  ganz  besonderes  Interesse, 
da  der  Schamane  sich  sichtlich  bemüht  hat,  in  ihm  die  äussere  Erscheinung 
des  Kranken  zum  deutlichen  Ausdi'uck  zu  bringen.  Es  ist  eine  ganze  mensch- 
liche Figur  (Fig.  114),  wie  fast  alle  diese  Amulete  in  Holz  geschnitten;  eine 
Anzahl  querer  Einkerbungen  am  Rücken  soll  zweifellos  das  starke  Hervor- 
treten der  Dorufortsätze  der  Wirbel  bezeichnen.  Auch  die  Rippen  (Fig.  115) 
treten  stark  hervor,  und  da  ein  solches  Amulet  hergestellt  wird,  wenn  Jemand 
an  der  Schwindsucht  erkrankt  ist,  so  müssen  wir  in  der  ganzen  Figur  das 
Jammerbild  eines  Schwindsüchtigen  erkennen.  Wir  haben  daher  in  dieser 
Holzschnitzerei  das  höchst  merkwürdige  Beispiel  einer  pathologisch-anato- 
mischen Darstellung  vor  uns.  Aehnlich  ist  ein  Amulet  der  Giljaken  gegen 
das  Blutspeien.  Es  stellt  eine  rohe  Menschentigur 
dar,   bei    welcher   oberflächlich    eingeschnittene  Linien  ^       y^^. 

am  Brustkorbe  die  in  Folge  der  Abmagerung  hervor- 
tretenden Rippen  andeuten  sollen.  Man  sieht,  dass 
auch  diesem  Stück  der  gleiche  Gedanke  zu  Grunde 
liegt.  Diese  Figiu'en  verdienen  um  so  mehr  unsere 
Beachtung,  als  sie  fast  vcillig  vereinzelt  dastehen.  Denn 
trotz  der  so  sehr  grossen  Zahl  der  Bilder,  Figuren, 
Amulete  u.  s.  av.,  Avelche  wir  als  auf  das  Ki'anksein  S°t  iJecheu'(?  nach^der 
bezüglich  besitzen,  sind  charakteristische  Darstellungen  Zeichauo"- auf  einem  Mu- 
von  Kranken  doch  die  allergrössten  Seltenheiten.  sikbrett   der   Wabeno 

Ausser  unserem  Tuberkulösen  wüsste  ich  niu-  noch  ^''  "'ftraner!''''^''' 
von  einem  Musikbrett  der  Indianer  (Fig.  32)  das  Bild  Nach  Schooicraft. 

eines   Mannes    (Fig.    116)    anzuführen,    welcher    Blut- 
erbrechen  hat.    und    drei  Masken   der  Singhalesen.     Zu   dem   Indianer- 
Bilde  gehört  der  Gesang: 

„Ich  ringe  um  das  Leben!  —  Wabeno!  tödte  es." 

Von  den  Singhalesen-Masken  stellen  zwei  die  Dämonen  Korasannijä 
(Fig.  117)  uud  Ammukkusannijä,  die  Teufel  der  einseitigen  Lähmung  vor 
und  zeigen  das  charakteristische  schiefe  Gesicht  einer  Facialisparalyse. 
Eine  chitte  Maske,  ebenfalls  von  den  Singhalesen,  zeigt  einen  Verwun- 
deten mit  abgehauener  Nase  und  gespaltener  Lippe,  den  Helden  Lascorin 
(Fig.  118),  welcher  singt: 

„Ich  bin  der  Mann,  der  auszog  zur  Schlacht  mit  den  Mala  baren.  Ich 
focht  brav;  ich  war  gefangen.  Obwohl  ich  meine  Nase  verlor  und  die  Lippen 
zerhauen  sind,   bin  ich  Dein  Gatte,  Dein  Sclave." 

Hier  schliesst  sich  noch  eine  Vase  an,  welche  einem  altperuanischen 
Gräberfelde  entstammt.  Sie  zeigt  einen  Mann  (Fig.  121),  dessen  Körper 
über  und  über  mit  dicken  Beulen  ül)erdeckt  ist.  Sie  müssen  ilm  erheblich 
quälen;    denn    er   ist  eihüg  bemüht,    sich  durch  Ki-atzen  Linderung  zu  ver- 


234 


XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien. 


SfliaÖC'ii,  Damit  ist  aber  nun  auch  der  Voiratli  (h'i'artiij;t'r  Gej^cnstäude  zu 
Ende  und  es  hat  beinahe  den  Anschein,  als  ob  die  Xaturvölker  es  absicht- 
lich vermieden,  bildliche  Darstellungen  von  den  Kranken  herzustellen. 

Noch  eine  andere  ^Merkwürdigkeit  auf  medicinischem  Gebiete  haben 
wir  bei  den  Golden  zu  verzeichnen.  Es  ist  das  der  Umstand,  dass  sich 
ihre  Medicin-Männer  für  ihre  Verordnungen  besonderer  Recepte  bedienen. 
"Was  die  Grösse  der  Letzteren  anbetrifft,  so  gebühi-t  ihnen  vor  den  euro- 
päischen der  Vorrang,  denn  sie  messen  ungefähr  einen  halben  Meter 
im  Geviert.  Sie  bestehen  aus  grobem  chinesischen  Papier,  und  auf  dieses 
zeichnet  der  Schamane  mit  Farbe  diejenigen  Gegenstände  auf,  welche  für 
die  Herstellung  des  Kranken  als  Anmiete  geschnitzt  werden  müssen. 


Fig.  117.  Holzmaske  der  sin  schale  8 i- 

6 eben  Teufelstänzer,  den  Teufel  der 

einseitigen  Lähmung  darstellend. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Nach  Photographie. 


Fig.  118.    Singhalesische  Maske,  einen  Ver- 
wundeten darstellend. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Ein  solches  Golden-Recept  (Fig.  122),  das  das  Museum  für  Völker- 
kunde in  Berlin  besitzt,  zeigt  unten  zwei  Tiger  neben  einer  Pflanze  und 
oben  eine  rohe  Menschenfigur,  welche  neben  sich  auf  der  einen  Seite  vier, 
auf  der  anderen  Seite  fünf  langgestreckte  Gegenstände  hat,  die  an  schmale 
Lanzenspitzen  erinnern,  aber  oben  eine  kleine  Raute  tragen.  Vielleicht 
sollen  das  auch  Menschen  sein.  Dieses  Recept  hilft  gegen  Kinderkrank- 
heiten und  das  Museum  besitzt  auch  die  Stücke,  Avelche  nach  demselben 
geschnitzt  Avorden  sind.  Sie  sind  in  Figur  128  dargestellt;  es  sind  dabei 
noch  zwei  kleine  Holzmenschen  mehr.  Einen  Tiger,  wie  das  Recept  ihn 
fordert,  haben  wir  schon  in  Figur  101  kennen  gelernt. 

In  der  Ausstellung  des  Herrn  Umlauf  (in  Berlin  (1892)  hatte  Herr 
Capitän  Jacohsen  die  Güte,  mich  auf  ein  Bild  aufmerksam  zu  machen,  das 
aus  einem  Tempel  in  Korea  stammt.  Es  zeigt  fast  die  gleichen  Figuren, 
wie  unser  Recept  der  Golden,  so  dass  man  sich  nur  schwer  des  Gedankens 


Die  öfFentliche  Cxesundheitspflege. 


235 


erwehren  kann,  dass  hier  nicht  gemeinsame  Beeinflussungen  zu  Grunde 
hegen  sollten.  Es  ist  das  eine  Sache,  die  noch  ihrer  genaueren  Auf- 
khlrung  harrt. 


97.  Die  öffentliche  Gresimcllieitspflege. 

Wir  müssen  es  als  einen  Uel)ergang  betrachten  von  der  privaten  zu 
der  öfientlichen  Gesundheitspflege,  wenn  wir.  um  dem  Ausbruch  von  Epi- 
demien vorzubeugen,  der  Aufführung  allgemeiner  Tänze  l)egegnen.  Es  ist 
das    von    den    Klamath-Indianern   in  Oregon    weiter   oben    bereits    be- 


Fig.  119.    Hölzerne  Menschen-     Fig.  r20.  Hölzerner  Menschen-    Fig.  121.  Altperuanisches 

figur  mit  durchbohrtem  Leib;     köpf   mit   umhüUter    Wange;     Thongefäss,  einen  mit  Beulen 

Amulet   der  Giljaken   gegen    Amulet  der  Giljaken  gegen     überdeckten  Mann  darstellend, 

Durchfall.  Zahnschmerzen.  iler  sieh  juckt. 

Museum  für  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

richtet  worden.  Auch  eine  Ceremonie  der  Nez-Percez-Indianer  gehört 
hierher,  denn  auch  sie  steht  nicht  in  dem  Belieben  des  Einzelnen,  sondern 
sie  muss  zu  bestimmter  Zeit  von  sämmtlichen  Männern  des  Stammes  aus- 
gefülu-t  werden,  welche  sich  zwischen  dem  18.  und  dem  40.  Lebensjahre 
befinden.  Diese  Feierlichkeit  findet  Statt,  um  den  Slawisch,  den  Geist  der 
Ermüdung  zu  überwinden.  Jedes  Jahr  wird  sie  wiederholt  und  ihre  Dauer 
])eträgt  3  bis  7  Tage.  „Sie  besteht  darin,  dass  "Weidenstöcke  durch  den 
Schlund  in  den  Magen  gestossen  werden,  gefolgt  von  heissen  und  kalten 
Bädern  und  der  Enthaltung  von  Nahrung."  Die  Indianer  sind  fest  davon 
überzeugt,  dass  sie  hierdurch  ganz  erhel)liche  Körperkräfte  und  eine  un- 
gewöhnliche Ausdauer  in  Strapazen  erwerben. 


236 


XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien. 


Wenn  wir  uns  nun  mit  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  der  uncivili- 
sirteu  Völker  beschäftigen  wollen,  so  sind  es  wohl  namentlich  folgende 
Punkte,  denen  wir  unsere  besondere  Aufmerksamkeit  widmen  müssen.  Zu- 
vörderst haben  wir  darauf  zu  achten,  wie  man  sich  vor  der  Berührung  mit 
dem  Inficirten  schützt.  Darauf  wären  ihre  Maassregelu  zu  besprechen,  die 
von  der  ansteckenden  Krankheit  Ergriffenen  in  geeigneter  Weise  unterzu- 
bringen, um  eine  Weiterverschleppung  der  Seuche  soviel  wie  möglich  zu 
verhindern.  Es  muss  aber  wohl  als  practisch  erscheinen,  dass  wir  an  dieser 
Stelle  zugleich  diejenigen  Nachrichten  zusammenstellen,  welche  uns  über 
ihre  Unterbringung    der  Krauken    im  Allgemeinen  Auskunft    geben.     Auch 


Fig.  122.    Kecept  eines  SchamaneQ  der  Golden. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

wie  man  für  den  Kranken  sorgt,  in  leiblicher  wie  in  therapeutischer  Weise, 
müsste  im  Anschluss  hieran  besprochen  werden. 

Ferner  inüssen  wir  ihre  Versuche  berücksichtigen,  vor  der  Epidemie 
zu  entfliehen.  Auch  die  Maassregeln  sind  zu  beachten,  welche  sie  ergreifen, 
um  der  Seuche  den  Eintritt  in  die  Ortschaft  zu  verwehren,  oder  wenn  sie 
bereits  eingedrungen  ist,  sie  aus  der  Ansiedelung  wieder  zu  vertreiben. 
Endlich  müssen  wir  darauf  achten,  wie  man  mit  der  Beseitigung  solcher 
Leichen  verfährt,  welche  an  ansteckenden  Krankheiten  oder  sonst  unter 
unnatürlichen  Verhältnissen  gestorben  waren.  Den  Beschluss  würde  die 
Untersuchung  l)ilden,   wie  es  die  Naturvölker  unternehmen,  nach  dem  Er- 


98.    Der  Schutz  vor  der  Berühruiicr  mit  den  Inficirten. 


237 


lösclieu  der  Epidemie  oder  nach  der  Evaciiirung  des  Ki'aukeu  ihre  Ort- 
schaften sowohl,  als  auch  die  einzelnen  "Wohnstätten  wiederum  zu  assaniren 
und  von  Neuem  bewohnbar  zu  machen. 

Dass  uns  bei  allen  diesen  Manipulationen  ebenfalls  vielerlei  Aberglaube 
und  manches  Uebernatürliche  entgegentritt,  das  kann  uns  nach  dem  bisher 
Gesehenen  nicht  überraschen.  Aber  der  Grund  ist  doch  immerhin  gelegt 
für  die  Anfänge  einer  öffentlichen  Gesundheitspflege. 


Fig.  123.    Hölzerne  Gegenstände,  welche  nach  dem 

Schamanen-Kecepte  geschnitzt  sind. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Nach  Photographie. 


Fig.  124    Weiberkamra  der  Orang 

Semang;  Amulet  geg.  Krankheit. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


98.  Der  Schutz  vor  der  Berührung  mit  den  Inficirten. 

Eine  der  wichtigsten  Gesundheitsregeln  bei  ansteckenden  Ki*anklieiten 
bleibt  es  natürlich,  dass  man  die  Berührung  und  den  näheren  Verkehr  mit 
solchen  Personen  sorgfältig  vermeidet,  welche  die  Seuche  bereits  ergriffen 
hat.  Solch  eine  Vorsichtsmaassregel  setzt  aber  doch  immer  schon  ein  Yer- 
ständniss  für  die  Thatsache  voraus,  dass  es  gewisse  Erkrankungen  giebt. 
welchen  die  Eigenschaft  innewohnt,  dass,  wenn  sie  einen  Menschen  befallen 
haben,  sie  auch  auf  andere  Personen  übergehen,  wenn  diese  in  irgend  einer 
Weise  mit  dem  Erkrankten  in  Berührung  kommen.  Diese  Uebertrag- 
barkeit  der  Krankheit  von  dem  einen  Menschen  auf  Andere  bildet  ja  eben 


2oS  XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien. 

(las  Wesen  der  Inl'cction.  Und  Avenn  nun  diese  Einsicht  gewonnen  ist,  so 
liegt  der  zweite  Schritt  in  dem  Denken  nicht  fern,  dass  mau,  um  sich  vor  der 
Ansteckung  zu  schützen,  die  Gemeinschaft  mit  dem  Kranken  vermeiden 
müsse.  Entweder  geht  man  dann  nicht  zu  ihm:  man  entfernt  sich  von  ihm 
und  überlässt  ihn  seinem  Schicksal,  oder  man  bringt  ihn  aus  dem  Hause 
und  man  untersagt  ihm  den  Zutritt  zur  eigenen  Wohnung. 

Ehrenreich  berichtet  von  den  Karaya  in  Brasilien,  dass  bei  ihnen 
die  Lungentuberkulose  in  steter  Zunahme  begriffen  sei,  und  dass  die  Ein- 
geborenen von  der  Tnfectiosität  derselben  vollkommen  durchdrungen  sind- 
Naht  sich  ein  fremder  Besucher  ihrer  Hütte,  so  richten  sie  zuvor  die  Frage 
au  ihn:  „Giebt  es  auch  keinen  Catarrh?"  Und  erst  wenn  dieses  verneint 
worden  ist,  wird  ihm  das  Betreten  der  Hütte  gestattet. 

Etwas  energischer  ist  die  Abwehr,  welche  die  Kirgisen  ihren  Inli- 
cirten  entgegensetzen.  Wenn  zu  der  Zeit  einer  Pockenepidemie  ein  Kranker 
sich  ihren  Wohnungen  naht,  so  macheu  sie,  wie  Pallas  schreibt,  sich  kein 
Gewissen  daraus,  mit  ihren  Pfeilen  auf  ihn  zu  schiessen. 

Harmand,  welcher  eine  Expedition 
nach    dem    Me-Khong    in    Hinter- 
indien   unternommen    hatte,   fand    in 
den  Territorien  der  Khas,  wohin  die 
Laoten    uur    selten    vordringen,    vor 
allen    Dörfern ,     welche    die    Cholera 
einmal   heimgesucht   hatte,    ein  Holz- 
Fig.  125.    Ein  Bär  auf  dem  Rücken  eines      stück  aufgehängt  (Fig.  12G),  das  rechts 
Anderen  sitzend,  liolzgeschnitzt;  Amulet  der      ^^^^^   ünkg   niit  Einkerbungen  von  ver- 
(riliaken  gegen  Rückenschmerzen.  i  •    i  r^   ■•  i  -rv 

\,     ,  ■?  „    ,     ,    D    T  schiedener  Grosse  versehen  war.    Das 

Mus.  t.  \ olkerkunde.  Berlin.  rr    •    i  i     -p 

Nach  Photographie.  ist  eine  Art  der  Zeichenschrift,  welche 

Folgendes  zu  bedeuten  hat:  ..Wer 
in  den  nächsten  zwölf  Tagen  sich  untersteht,  in  unsere  Pallisade  einzu- 
dringen, Avird  gefangen  genommen  und  muss  an  uns  vier  Büffel  und  zwölf 
Tical  an  Lösegeld  bezahlen." 

Die  andere  Seite  der  Einkerbungen  soll  die  Anzahl  der  Männer,  Frauen 
und  Kinder  im  Dorfe  bezeichnen. 

Vielfach  begegnen  w^ir  der  Gewohnheit,  dass  man  den  ansteckenden 
Ki'anken  entflieht j  oder  dass  man  sie  aus  der  Ortschaft  entfernt;  beide 
Maassregeln  haben  wir  später  noch  zu  besprechen. 

Einen  grossen  Schritt  vorwärts  in  der  Rücksicht  auf  die  Gesundlieit 
des  Nebenmenschen  Avurde  von  Harmand  ebenfalls  auf  seiner  Reise  am 
Me-Khong  gesehen,  und  zwar  an  Dörfern  von  Attapeu,  welche  denen 
der  Laoten  benachbart  waren.  Hier  waren  bisw^eilen  über  den  Fuss wegen 
und  an  dem  Thore  des  Dorfes  Bambusstücke  in  Sternform  mit  Blätter- 
büscheln  daran  aufgehängt,  um  die  Aufmerksamkeit  der  Wanderer  auf  sich 
zu  lenken.  Die  Bedeutung  dieser  sonderbaren  Zeichen  ist  die,  dass  in  dem 
Dorfe  irgend  eine  Seuche  entweder  unter  dem  Vieh  oder  unter  den  Menschen 
grassirt. 


99.    Die  Unterbriiii'uuo;  der  ansteckenden  Kranken. 


239 


99.  Die  Uiiterbriugiiiig-  der  austcekciKloii  Kranken. 

Das  Fortscluiffen  inficirter  Patienten  ist  nicht  bei  allen  Naturvölkern 
in  Gebrauch,  wie  wir  oben  bereits  angedeutet  haben.  Al)er  auch  die- 
jenigen Yolksstäiume,  bei  welchen  solche  Evacuatiouen  stattzutiuden  pflegen, 
nehmen  dieselben,  wie  es  den  Anschein  hat,  nicht  gleich  bei  dem  ersten 
Erkrankungsfalle  vor.  Erst  wenn  die  Anzahl  der  von  der  Seuche  Er-' 
fifrififeneu  in  raschem  Ansteigen  begriffen  ist,  nehmen  sie  zu  dieser  Maass- 
it'gel  ihre  Zuflucht.  Das  bestätigt  uns  Modigliani  von  der  Insel  Nias, 
dass  bei  vereinzelten  Krankheitsfällen  die  Patienten  ruhic;  in  ihren  Häusern 


Fig.  126.  Bambusstück,  vor 
den  Dörfern  der  Khäs  in 
Hinter  in  dien  aufge- 
hängt, um  das  Betreten  zu 
verbieten 
Nach  Ilarmand. 


Fig.  127.  Hölzerne  Arme 
mit  Gelenken;  Amulete  der 
Golden  gegen  Steifigkeit 
im  Bereiche  der  oberen  Ex- 
tremitäten. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


Fig.  128.  Holzthier  (Ei- 
dechse? Tiger?)  mit  ein- 
gekerbtem Kücken;  Amulet 
der  Golden  gegen  Ge- 
schlechtskrankheiten. 

Sammlung  Umlanff,  Hamburg. 
Nach  Photographie. 


verbleiben;   nimmt  aber  die  Zahl  der  Erkrankungen  zu,  so  bringt  man  sie 
aus  der  Ortschaft  heraus. 

Es  ist  bereits  manchen  der  Naturvölker  zum  Bewusstsein  gekommen, 
dass  der  Aussatz  zu  den  ansteckenden  Krankheiten  gehört  und  dass  man 
also  aus  diesem  Grunde  den  Verkehr  mit  den  Aussätzigen  zu  meiden  habe. 
Auf  der  Insel  Keisar  begnügt  man  sich  damit,  den  Aussätzigen  das  Hei- 
rathen  zu  verbieten.  Denn  wunderbarer  Weise  ist  man  hier  der  Ansicht, 
dass  der  Aussatz  zwar  auf  dem  Wege  der  Vererbung  übertragen  werden 
könne,  dass  er  aber  nicht  ansteckend  sei.  Umgekehrt  ist  es  auf  den  Watu- 
bela-Inseln.  Hier  glaubt  man,  dass  eine  Vererbung  nur  in  den  aller- 
seltensten  Fällen  vorkomme,  dass  aber  die  Ansteckung  möglich  sei;  und 
aus  diesem  Grunde  schickt  man  die  Erkrankten  nach  Gorong,  damit  sie 
dort  medicamentös  behandelt  würden. 


240  .  XIII.    Die  Gesundheitspflegf   und   die  Epidemien. 

In  Mittel- Sumatra  wordon  die  Aussätzigen  aus  dem  Dorfe  verl)annt 
und  ziehen  in  den  AVald.  Hiei-  hoffen  sie,  dass  die  Geister  der  Goenoeeng- 
padang  ihnen  gnädi«;-  sind  und  ihnen  die  Gesundheit  Aviedergeben.  Bevor 
man  sie  dazu  verurtheilt,  sich  in  die  AViklniss  zu  begeben,  hält  man  eine 
Berathung  mit  den  Häuptern  des  Dorfes,  sowie  mit  den  Familiengliedern 
der  Kranken  ab.  Wird  dann  von  diesen  die  Verbannung  beschlossen,  so 
müssen  sich  die  Patienten  dem  Urtheilsspruch  fügen.  Diese  Art  der  Ver- 
bannung führt  den  Namen  Pai  taraq,  das  heisst  soviel,  als  „von  den 
"Wald-  und  Berggeistern  Heilung  erbitten." 

In  der  Landschaft  Kroe  in  Sumatra  werden  Aussätzige  mit  nur 
leichten  Affectioneu  ruhig  in  der  Ortschaft  geduldet.  Nimmt  ihr  Leiden 
aber  grössere  Dimensionen  an,  dann  zwingt  man  sie,  das  Dorf  zu  verlassen 
und  ihren  Aufenthalt  im  Walde  zu  nehmen.  Für  diesen  Zweck  errichtet 
man  ihnen  aber  eine  besondere  kleine  Hütte.  Auch  auf  Bali  herrscht  der 
Gebrauch,  die  am  Aussatz  Erkrankten  aus  dem  Dorfe  zu  verweisen  unt 
zwar  ohne  Ansehung  der  Kaste,  welcher  sie  angehören.  Für  gewöhnlich 
werden  sie  nach  dem  Seestrande  geschickt.  Jacobs,  welcher  dieses  berichtet, 
ist  der  Ansicht,  dass  es  sich  hier  nicht  eigentlich  um  eine  hygieinische 
Maassregel  handelt;  denn  manchmal  sendet  man  die  Kranken  auch  einfach 


Fig.  129.   Hölzerner  Panther;  Amulet  der  Golden  gegen  Schmerzen  im  Unterleibe. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

nach  einem  anderen  Dorfe.  Hier  liegt  wahrscheinlich  der  Gedanke  zu 
Grunde,  den  Leidenden,  dessen  Krankheit  eine  langdauernde  ist  und  den 
man  natürlicher  Weise  für  bezaubert  hält,  dem  Einfluss  der  bösen  Zauberer 
zu  entrücken. 

Eine  besondere  Art  der  Unterbringung  von  Pockenkranken  finden  wir 
nur  auf  der  Insel  Nias.  Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  hier  das  Fort- 
schaffen der  Patienten  erst  dann  vorgenommen  wird,  wenn  es  sich  nicht 
mehr  um  vereinzelte  Erkrankungen  handelt,  sondern  wenn  die  Seuche  be- 
reits erheblich  an  Ausdehnung  gewonnen  hat.  Dann  werden  die  Ki-ankeu 
aus  dem  Dorfe  vertrieben  und  sie  müssen  auf  dem  freien  Felde  bleiben. 
Es  wird  dann  aber  hier  für  sie  ein  besonderes  Schutzdach  errichtet.  Wir 
müssen  hierin,  wie  man  sieht,  die  primitiven  Anfänge  einer  Unterbringung 
der  ansteckenden  Kranken  in  einer  für  diesen  Zweck  besonders  errichteten 
und  von  den  bewohnten  Plätzen  abgelegenen  Seuchenbaracke  erkennen. 
Diese  wohlgemeinte  Schutzmaassregel  verliert  aber  dadurch  sehr  an  Wertli, 
dass  keine  Spur  einer  Vorsicht  herrscht  in  dem  Gebrauche  der  inficirten 
Kleider.  Auch  wohnen  die  Leute  ohne  Scheu  in  den  Häusern,  in  denen 
die  Kranken  bis  zu  ihrer  Fortschaffung  gelegen  hatten.  Und  so  wird  es 
wohl  verständlich,  dass  trotz  der  Evacuation  der  Inficirten  dennoch  die 
Pocken  auf  der  Insel  eine  recht  erhebliche  Zahl  von  Opfern  fordern. 


100.   Die  Versomun^  der  ansteckenden  Ki-anken. 


241 


100.  Die  Versorgung-  der  aiisteckeudeii  Kranken. 

Die  Versorgung  dieser  armen  Ausgestosseneu  wird  auf  sehr  verschiedene 
Weise  gehandhabt.  Wenn  die  Niasser  ihre  Pockenkranken  unter  das  im 
Felde  für  sie  errichtete  Schutzdach  transportiren ,  so  lassen  sie  ihnen  zm* 
Ueberwachuug  und  Pflege  einen  Stammesgenossen  zurück,  welcher  früher 
bereits  die  Pocken  glücklich  ül)erstandeu  hatte.  Derselbe  sorgt  dafür,  dass 
die  Kranken  täglich  mehrmals  in  frischem  Wasser  baden,  und  er  holt  ihnen 
auch  die  Speisen  herbei,  Avclche  die  Leute  im  Dorfe  übrig  gelassen  halien. 


Fig.  130.   Hölzerne  Menschenfigur 

mit    fliegendem    Vogel    auf   dem 

Rücken ;    Amulet    der    Golden 

gegen  Kreuzschmerzen. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Xach  Photograpliie. 


Fig.  131.    Amulet  der  Golden  gegen  Augen- 
krankheiten. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photograpliie. 


Auch  auf  dem  Seranglao-  und  Gorong -Archipele  lässt  man  die 
an  den  Pocken  Erkrankten  fleissig  baden  und  die  Efflorescenzen  mit  Kaiapa- 
Milch  liefeuchten.  Ausserdem  verordnet  man  Abführmittel,  unter  denen  das 
Kaiapa- Wasser  und  die  Wurzel  der  Curcuma  longa  ganz  besonderes  Ver- 
trauen geniesseu. 

Die  Traos  in  Cochiuchina  verlassen  ilu'e  Pockenkranken,  aber  sie 
setzen  ihnen  Wasser  und  gekochten  Reis  an  das  Lager.  Ganz  ähnlich  ver- 
halten sich  die  Tungusen  und  die  Buräten.  indem  sie  ebenfalls  den 
Patienten,  bevor  sie  dieselben  verlassen,  die  nothwendigsten  Nahrungsmittel 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  16 


242 


XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien. 


zurechtstellen.  Auch  die  Indianer  im  nördlichen  Mexico  verlassen  die 
Ihrigen,  wenn  diese  von  ansteckenden  Krankheiten  befallen  werden.  Aber 
sie  stellen  den  Patienten  Wasser  und  wilde  Früchte  hin,  so  dass  sie  die- 
selben bequem  erreichen  können. 

Die  Auuamiten  pflegen  die  Betten  ihrer  an  den  Pocken  erkrankten 
Kinder  mit  Netzen  zu  umstellen  und  die  Patienten  niemals  allein  zu  lassen, 
weil  sonst  die  grosse  Gefahr  besteht,  dass  ein  Dämon  in  der  Gestalt  eines 
fremden  Kindes  sich  zu  ihnen  schleicht  und  sich  ihrer  bemächtigt.  Unter 
dem  Bette  der  Pockenkranken  muss  man  einen  grünen  Fisch  ohne  Schuppen, 
mit  Namen  Ca  tre,  liegen  haben,  weil  derselbe  die  Eigenschaft  besitzen 
soll,  das  Gift  der  Krankheit  an  sich  zu  ziehen. 

Den  an  dem  Aussatze  Leidenden  auf  Bali,  welche, 
Avie  bereits  erwähnt,  zum  Meeresstrande  verbannt 
werden,  sendet  mau  dorthin  regelmässig  ihre  Nahrung. 
Wenn  man  in  Mittel -Sumatra  einen  Aussätzigen 
in  die  Wildniss  treibt,  so  giebt  man  ihm  zehn  Maass 
gestosseueu  Reis,  Sirih,  Tabak  u.  s.  w.,  ausserdem  aber 
ein  Beil  und  ein  Kappmesser  mit.  Wenn  seine  Nah- 
rung aufgezehrt  ist,  so  ist  es  ihm  gestattet,  wieder  zu 
kommen  und  sich  neue  Vorräthe  zu  holen;  aber  er 
darf  sich  dann  nicht  länger,  als  durchaus  nöthig  ist, 
im  Dorfe  aufhalten.  In  der  Landschaft  Lebang  in 
Sumatra  müssen  die  Aussätzigen  auch  im  AValde 
ihren  Aufenthalt  nehmen.  Sie  werden  daselbst  mit 
Lebensmitteln  versehen,  und  ein  einheimischer  Arzt 
besucht  sie  von  Zeit  zu  Zeit  und  unterzieht  sie  seiner 
Behandlung.  Diese  soll  bisweilen  die  Heilung  herbei- 
führen. 


Fig.  132.  Hölzerne  Hand 

mit  Menschengesicht; 
Amulet  der  G  i  1  j  a  k  e  n 
gegen  Eeissen  im  Hand- 
gelenk. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


101. 


Die  Unterbringung:  der  niclit  ansteckenden 
Kranken. 


An  die  Erörterungen  in  den  beiden  letzten  Ab- 
schnitten werden  wir  am  geeignetsten  gleich  die  Be- 
sprechung anschliessen  können,  wie  die  Naturvölker 
ihre  Patienten,  die  nicht  an  ansteckenden  Ki*ankheiten  leiden,  unterbringen 
und  wie  sie  für  dieselben  sorgen. ,  Da  finden  wir  als  eine  ganz  besonders 
häufige  Maassregel  erwähnt,  dass  man  den  Kranken,  besonders  dann,  wenn 
er  im  Fieberfrost  sich  befindet,  möglichst  nahe  bei  dem  Herdfeuer  lagert,  oder 
in  manchen  Fällen  sogar  direct  unter  seiner  Lagerstätte  ein  Feuer  ent- 
zündet.    Wir  sprachen  Aveiter  oben  bereits  hiervon. 

Die  Weddah  auf  Ceylon  suchen  für  ihren  Kranken  einen  schattigen 
Ort  aus  und  sie  legen  ein  Paar  grosse  Blätter  über  den  Patienten.  Die 
Mincopies  auf  den  An  dam  an en  richten  ein  Lager  her  aus  den  Blättern 
des  Gü'gma  (Trigonostemon  longifolius). 

Auf  Mansinam  in  Neu-Guinea  lebt  nach  van  Hasselt  „ein  Papua- 
Doctor,  welcher  um  sein  Haus  herum  eine  Anzahl  Hütten  für  die  zu  ihm 
gebrachten  Patienten  aufgerichtet  hat.  Während  sein  Haus  sehr  solid  ist, 
lassen  diese  Hütten,   was  Dauerhaftigkeit  anlangt,  sehr  zu  wünschen  übrig.'' 


10].    Die  Uiiterbrinffuno-  der  nicht  ansteckenden  Kranken. 


24- 


Trotz  dieser  Mangelhaftigkeit  der  Constructiou  verdient  diese  Anlage  dennoch 
in  höchstem  Maasse  unsere  Beachtung.  Denn  wir  haheu  hier  ganz  zweifellos 
die  primitiven  Anfänge  einer  Krankenhausanlage  vor  uns,  eine  That- 
saclie,  welche,  soweit  meine  Kenntnisse  reichen,  bisher  ganz  vereinzelt  bei 
den  Naturvölkern  dasteht. 

Die  nordanierikani sehen  Indianer  werden,  wenigstens  für  den 
wichtigsten  Theil  der  ärztlichen  Behandhing,  wie  wir  gesehen  haben,  ge- 
wöhnlich in  ein  besonderes  BauAverk  gebracht,  in  die  Medicin-Hütte,  welche 
entweder  ständig  in  der  Ansiedelung  sich  befindet,  oder  welche  eigens  für 
den  besonderen  Krankheitsfall  errichtet  wird.  Bisweilen,  wenn  das  Letztere 
stattfindet,  dürfen  dann  l)(>stimnite  Bäume  nicht  die  Pfosten  liefern,  weil 
ihr   Holz    dem    Patienten    Schaden   bringen    würde.      Vermaa;    der   Kranke 


Fig.  133.    Hölzerne  Mensclientigürchen  mit  Gelenken 
im  Mittelkörper  oder  in  den  Extremitäten;   Amulet 

der  Giljaken  gegen  Fuss-  und  Beinschmerzen. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


Fig.  184.    Hölzernes  Mensehen- 
figürchen  mit  Gelenk  im  Mittel- 
körper;   Amulet  der  Golden 
gegen  Fusskrankheiten. 

Mus.  f  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


nicht  allein,  oder  von  den  Seinigen  gestützt,  zu  der  Medicin-Hütte  zu  kommen, 
so  trägt  man  ihn  mit  seinem  Bett  oder  auf  einer  Ijesondereu  Tragbahre 
hinein.  Er  wird,  wenn  er  zu  gehen  vermochte,  auf  einer  Matte  oder  auf 
einem  Mantel,  einem  sogenannten  Blanket,  gelagert. 

Gatschet  erzählt  von  den  Klamath-Indianern  in  Oregon,  dass  solche 
Krankenljehandlung  im  Winterhause  vorgenommen  wird.  Die  Oeflfnung  an 
der  Spitze  der  Hütte  Avird  dabei  geschlossen,  und  die  ganze  Versammlung, 
sowie  der  Medicin-Mann  und  der  Patient,  sitzen  dann  in  tiefster  Finsterniss. 

Auf  den  Patienten,  welcher  in  der  Medicin-Hütte  auf  dem  Blanket 
gelagert  ist,  ])ezieht  sich  ein  Beschwörungsgesang  des  Medicin-Mannes  bei 
den  Dacota-lndianern,  welchen  sich  das  Volk  als  von  einem  ihrer  Götter 
gesungen  zu  denken  hat: 

16^ 


244  Xlll.    Die  CTeöuiidliuitsplle<j;e  und  die  E])idemieu. 

„Fliegend,  gottgleicli  umkreise  icli  die  Himmel: 
Ich  erleuchte  die  Erde  bis  zu  ihrem  Mittelpunkt. 
Der  kleine  Ochse  liegt,  sich  windend,  auf  der  Erde: 
Ich  lege  meinen  Pfeil  auf  die  Sehne." 

Der  kleine  Ochse  ist  der  Patient:  der  Pfeil  soll  wahrscheinlich  den 
Kranklieitsdänion  voniicliten.  Bei  länger  dunernder  Erkrankung  werden  die 
Indianer  in  ihrer  Wohnung  behandelt,  und  in  einigen  Fällen  werden  dabei 
ganz  besondere  Maassnahmen  getroffen. 

So  wird  nns  von  den  Mosquito-Indianern  berichtet,  dass  sie  ilire 
Patienten,  wenn  die  gewöhnlichen  Heilmethoden  nicht  sogleich  die  gewünschte 
Besserung  bringen,  mit  bemalten  Stöcken  einzuzäunen  pflegen.  Dabei  wird 
ein  strenges  Gebot  ertheilt,  dass  Niemand  dem  Ki'anken  sich  nahen  darf. 
Der  Medicin-Mann  bringt  ihm  selber  die  Nahrung,  wobei  er  „mit  kläg- 
licher Anstrengung  flüstert  und  über  den  Patienten  Beschwörungsformeln 
murmelt,  um  den  bösen  Geist  zu  vertreiben.'"  Selbst  auch  nur  in  die  Nähe 
der  Hütte  darf  weder  eine  Schwangere  kommen,  noch  auch  ein  Mann,  der 
kürzlich  erst  einen  Freund  oder  Verwandten  begraben  hat.  Auch  muss 
man  es  sorgfältig  vermeiden,  an  der  AVindseite  der  Hütte  vorüber  zu  gehen. 
weil  das.  dem  Patienten  den  Athem  benimmt.  ,.Ein  etwaiges  Brechen 
dieser  Verbote  lässt  dem  Medicin-Manne  einen  glücklichen  Ausschlupf,  im 
Falle  seine  Heilmittel  keinen  Erfolg  gehabt  haben." 

Von  den  Winnebago-In dianern  wird  eine  ähnliche  Sitte  berichtet. 
Dieselben  umstellen  Ijisweilen  das  Krankenlager  mit  Stöcken,  auf  denen 
Schildkröten,  Schlangen,  Kröten  und  Eidechsen  aufgesteckt  sind,  tmi  den 
bösen  Geist  zu  vertreiben. 

Eine  Absperrung  der  Patienten  findet  auch  bei  den  Laoten  Statt.  Die- 
selben sind  dann  kelam,  d.h.  „im  Zustande  der  Zurückgezogenheit." 
Das  Haus  wird  dabei  mit  einem  dreifachen  Strick,  der  aus  Gras  geflochten 
ist,  umgeben.  An  jeder  Ecke  des  Gebäudes  wird  ein  Pfosten  aufgestellt 
mit  einem  scheibenähnlichen,  runden  Geflecht  von  Bambusspähneu.  Fremden 
ist  es  streng  verboten,  in  diese  Umzäunung  einzutreten.  Sollten  sie  sich 
an  dieses  Verbot  nicht  kehren,  so  müssen  sie  eine  Strafe  bezahlen,  weil 
sonst  der  Tod  des  Patienten  in  Folge  der  Störung  seiner  Zurückgezogenheit 
unvermeidlich  sein  würde. 

Hieran  erinnert  das  Umstellen  mit  Netzen  des  Bettes  von  den  pocken- 
kranken Kindern,  wie  wir  es  bei  den  Annamiten  kennen  gelernt  haben. 
Auch  von  Nias  wird  berichtet,  dass  ein  Kranker,  dessen  Zahnschmerz  den 
Bananen-Umschlägen  nicht  weichen  will,  einem  bestimmten  Geiste  opfern 
muss.  Dabei  lässt  man  ihn  mehrere  Tage  eingeschlossen  in  seiner  Hütte, 
ohne  dass  es  ihm  gestattet  ist,  einen  Besuch  zu  empfangen. 

Bei  den  Laoten  fanden  wir  in  Suren  den  Gebrauch,  die  Besessenen 
auf  einem  Kreuzwege  auszuräuchern,  nachdem  man  einen  Bambuskäfig  um 
sie  gebaut  hat.  Auch  die  Annamiten  schliessen  den  Kranken  bisAveilen 
in  solchem  Käfig  ein,  wenn  der  böse  Geist  sich  geäussert  hat,  welches  Oj^fer 
er  verlangt.  Innerhalb  dieses  Käfigs  wird  darauf  ein  kleiner  Altar  errichtet, 
der  zur  Darbriugung  des  geforderten  Opfers  benutzt  wird. 

Eine  merkwürdige  Art,  den  Patienten  unterzubringen,  hat  Ehrenreich 
bei  den  Yamamadi-Iudianern  in  Brasilien  beobachtet.  Es  handelte 
sich    nicht    um   eine  ansteckende  Krankheit;    sondern  der  betreftcnde  Mann 


101.    Die  Uli  t  erbrill  ff  uno;  der  niclit  ansteckenden  Krani?eii. 


245 


-war  vier  Tage  zuvor  von  einer  giftigen  Schlange  gebissen  worden  und  be- 
fand sich  schon  auf  dem  Wege  der  Besserung.  Von  seiner  Hütte  hatte 
man  einen  langen  Zaun  aus  horizontalen  Stangen  weit  in  den  Wald  hin- 
ausgel)aut.  „Nach  Angabe  des  uns  begleitenden  Ipurins  sollte  diese 
Einrichtung  dem  Kranken  ermöglichen,  behufs  Defäcation  vor  das  Dorf  zu 
gelangen.  Ob  diese  Erklärung  richtig  ist,  steht  dahin.  Jedenfalls  liegt  eine 
abergläubische  Vorstellung  vor.  Entweder  darf  ein  derartiger  Kranker  von 
Niemand  zur  Hülfeleistung  Ijerührt  werden,  oder  wir  haben  einen  analogen 
(Tebrauch  wie  liei  gewissen  Stämmen  am  Orinoco,  die  nach  alten  Berichten 
vom  Hause  eines  Schwerkranken  oder  Moribunden  aus  eine  Schnur  in  den 
Wald  hinausziehen,  um  der  Seele  den  Weg 
zu  weisen." 

Bei  den  Siamesen  heiTscht  der  Glaube, 
dass  die  verschiedenen  Constellationen  auf  das 
AVohl  und  Wehe  des  Patienten  einen  wesent- 
lichen Einfluss  ausül)en.  Darum  muss  an  kri- 
tischen Tagen  der  Krankheit  das  Bett  des 
Patienten  von  einem  Striche  des  Compass  zu 
einem  anderen  umgestellt  werden,  je  nach  dem 
Thiere  der  Coustellation  (Katze,  Wiesel,  Maus, 
Elefant,  Löwe  u.  s.  av.),  welches  über  den  be- 
treffenden Tag  die  Herrschaft  besitzt. 

Auf  vielen  Inselgruppen  des  malayi  sehen 
Archipels  begegnen  wir  einer  merkwürdigen 
Sitte.  Wenn  hier  eine  Krankheit  sich  lange 
hinschleppt  oder  einen  bedrohlichen  Charakter 
annimmt,  so  muss  der  Patient  seine  Wohnung 
verlassen  und  in  das  Haus  anderer  Leute 
ziehen.  Bisweilen  thut  er  das  aus  eigenem 
Antrieb  oder  von  seinen  Verwandten  veran- 
lasst; an  anderen  Orten  aber  wird  dieser  Um- 
zug vom  Medicin- Manne  angeordnet.  Die 
Leute  sind  fest  davon  überzeugt,  dass  diese 
Maassregel  die  bisher  vergeblich  angestrebte 
Heilung  herbeizuführen  vermöge.  Als  der  Be- 
weggrund für  dieses  Verhalten  wird  nicht  immer 
das  Gleiche  angegeben.  Auf  den  Inseln  Leti, 
Moa  und  Lakor  geschieht  es,  weil  bei  der 
Erbauung  desjenigen  Hauses,  in  welchem  der 
Ki-anke  bisher  seine  AVohnung  hatte,  die  durch  den  Ritus  vorgeschriebenen 
Vorsichtsmaassregeln  nicht  genommen  worden  sind.  Auf  den  Watubela- 
Inseln  wird  das  Haus  des  Kranken  als  „zu  warm"  erklärt  und  er  muss 
es  deshalb  verlassen.  Wir  begegnen  dieser  Bezeichnung  später  noch  wieder. 
Die  Annamiten  bringen  die  sterbenden  Pockenkranken,  deren  Bruder 
gleichzeitig  an  der  Krankheit  darniederliegt,  heimlich  in  eine  andere  Be- 
hausung, damit,  wenn  bei  Ersterem  das  Ende  eintritt,  er  nicht  seinen 
Bruder  mit  sich  nehme. 

Der  gewöhnlichste  Grund  dieses  Wohnungswechsels  und.  wie  mir  scheinen 
will,  der  ursprüngliche,  liegt  aber  in  einem  anderen  Gedanken.     Der  Kranke 


Fig.  135.    Korb  mit  daranhängen- 
den Bambuscylindern,  zum  Speise- 
uud   Trankopfer   für   den   Krank- 
heits-Dämon.    Bonerate 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


240  XIII.    Die  Geisuudheit.spfiege  und  die  Epidemien. 

ist  in  der  Däiiioneu  GoAvnlt  und  darum  kann  er  nicht  wieder  genesen.  Ge- 
lingt es  nun.  ihn  den  Dämonen  zu  stehlen,  ihn  heimlich  aus  ihrem  Bereich 
zu  entfuhren  und  ihn  vor  ihnen  verborgen  zu  halten,  so  nuiss  der  Schaden, 
den  sie  ihm  brachten,  nicht  ferner  mehr  auf  ihn  einwirken  können.  So 
niuss  dann  die  Krankheit  von  ihm  weichen  und  die  Gesundheit  kehrt  ihm 
zurück. 

Die  weite  Verbreitung  diesei'  Auffassung  in  den  geiiannttMi  Insel- 
gebieten si)richt  allein  wohl  schon  daliir,  dass  wir  hier  den  ursprünglichen 
Gedanken  vor  uns  haben.  Denn  die  Eingeborenen  von  Buru,  von  Serang 
und  von  Serauglao,  von  den  Kei-  und  den  Luang-  und  Sermata- 
Inseln,  von  Eetar,  von  den  Babar-  und  Aaru-Inseln  und  theilweise 
auch  von  den  AYatubela-Iuseln  geben  als  Grund  für  diese  Maassregel 
übereinstimmend  an,  dass  sie  die  bösen  Geister  irreführen  wollen.  Auf  den 
Aaru-Inseln  Avird  der  Kranke  dann  auf  Schleichwegen  in  die  neue  AVoh- 
nung  gebracht,  und  auf  den  Babar-Inseln  nimmt  man  diesen  Umzug  erst 
vor,  nachdem  man  zuvor  gewisse  Zauberceremonien  ausgeführt  hat. 

Bei  den  Mincoj)ies  auf  den  Andamanen  und  bei  den  Samoanern 
suchen  die  Freunde  und  Verwandten  den  armen  Kranken  möglichst  ihre 
Ijciden  erträglicher  zu  machen.  „Jegliche  Berücksichtigung  wird  den  Be- 
düi-fuissen  und  Wünschen  des  Kranken  zu  Theil  und  die  Freunde  thun 
alles,  um  die  Heilung  herbeizuführen,"  berichtet  Man  von  den  Mincopies, 
und  Turner  schreibt  von  den  Samoanern:  „Die  Behandlung  des  Kranken 
war  unwandelbar  menschlich.  Es  fehlte  ihm  an  keiner  Nahrung,  die  er  zu 
haben  wünschte,  bei  Tage  oder  bei  Nacht,  wenn  es  nur  in  der  Macht  seiner 
Freunde  stand,  sie  zu  besorgen.  Nahm  die  Krankheit  eine  gefährliche 
Wendung,  so  wurden  Boten  zu  den  entfernten  Freunden  geschickt,  dass 
sie  kommen  möchten,  um  ihrem  scheidenden  Verwandten  Lebewohl  zu  sagen, 
(Je  vornehmer,  um  so  mehr  Freunde.)  Jeder  brachte  eine  feine  Matte  oder 
sonst  ein  werthvolles  Geschenk  als  Abschiedsgabe  für  den  Freund  mit,  als 
Beisteuer  für  die  Bezahlung  der  einheimischen  Aerzte  und  Beschwörer  und 
zum  Unterhalt  für  die  versammelten  Freunde," 


103.  Das  Schicksal  der  Schwerkranken,  Siechen  und  Krüppel. 

In  diesem  Verlegen  der  Patienten,  sowie  in  ihrer  Lagerung  am  Feuer- 
platz u.  s.  w.  haben  Avir  schon  eine  ganz  unzweifelhafte  Fürsorge  für  die 
Kranken  zu  erkennen,  und  wiederholentlich  wird  uns  auch  bestätigt,  dass 
die  Patienten  von  Seiten  ihrer  Angehörigen  die  nöthige  Versorgung  und 
Verpflegung  erhalten.  Das  berichtet  Veih  und  van  Uasselt  von  Mittel - 
Sumatra,  Riedel  von  den  Watubela-,  den  Kei-  und  den  Babar-Inseln, 
sowie  von  Eetar  und  Selebes,  Auch  die  Dacota-Indianer  verpflegen  ihre 
Schwerkranken  gut,  besonders  allerdings  die  Männer  und  die  Knaben.  Auf 
den  Aaru-Inseln  überwachen  die  Frauen  den  Kranken  im  Hause,  w^ährend 
die  Männer  draussen  verweilen  und  durch  Schüsse  den  bösen  Geist,  der 
die  Krankheit  bedingt,  zu  vertreiben  suchen.  Die  Australneger  vom  Port 
Lincoln  bezeigen  ein  grosses  Mitleid  mit  kranken  Personen,  namentlich 
die  Frauen,  welche  ihr  Mitgefühl  durch  reichliche  Thränen  zu  erkennen 
geben.     Auch   bei    den  Loango-Negern  gehört  es  zum  guten  Tone,    dass 


102.    Das  Schicksal  der  Schwerkranken,  Siechen  und  Krüppel.         247 


-1^- 


eine    grosse    Zahl   befreundeter    Weiber    den    Patienten   umlagert   und   ein 
lautes  Klagegeheul  erschallen  lässt. 

Wir  müssen  uns  aber  die  Frage  vorlegen,  ob  wir  denn  nun  bei  allen 
Naturvölkern  diese  aufmerksame  Fürsorge  für  die  Kranken  antreffen.  Leider 
können  wir  es  ja  nicht  leugnen,  dass  auch  bei  den  civilisirten  Nationen  ein 
schwer  Erkrankter,  dessen  Leiden  sich  lange  hinziehen,  vielfach  als  eine 
recht  beschwerliche  Last  empfunden  wird.  Wenn  das  nun  schon  bei  den 
Trägern  der  Civilisation  vorkommt,  was  soll  man  dann  von  den  niederen 
Yolksstämmen  erwarten,  zumal  wenn  sie  nicht  feste  Wohnplätze  besitzen, 
sondern  wenn  sie  als  Nomaden-  oder  Jägervolk  mit  kurzen  Unterbrechungen, 
ja  selbst  von  Tag  zu  Tage,  neue  Lagerplätze  aufzusuchen  gezwungen  sind. 
Man  muss  es  sich  nur  vorstellen,  wie  ein  solcher  Auszug  des  ganzen 
Stammes  mit  nicht  unerhelilichen  INEühseligkeiten  und  häufig  auch  mit 
grossen  Entbehrungen  und 
Gefahren  verbunden  ist.  Man 
male  es  sich  aus,  was  es 
heisst,  unter  solchen  Ver- 
hältnissen einen  Schwer- 
kranken, einen  Siechen  oder 
einen  unbehülflichen  Ki'üp- 
pel  mit  sich  führen  zu 
müssen,  und  es  wird  dann 
manche  barbarische  Maass- 
regel der  Naturvölker,  wenn 
auch  vom  Standpunkte  der 
Menschlichkeit  aus  nicht 
natürlich  und  entschuldl)ar, 
so  doch  wenigstens  begreif- 
lich erscheinen. 

So  heisst  es  von  den 
Eingeborenen  Süd-Austra- 
liens: „Wenn  irgend  Je- 
mand seinem  Stamm  zur 
Last  fällt  durch  Krank- 
heit oder  chronisches  Siech- 
thum,  so  wird  er  von  sei- 
nen Genossen  verlassen  und  dem  Tode  preisgegeben."  Auch  von  den 
Queniult-Indianern  in  NordAvest-Amerika  heisst  es,  dass  sie  die  Alten, 
die  Kranken  und  die  Krüppel  im  Stiche  lassen,  damit  sie  den  Tod  finden. 
Noch  grausamer  gehen  die  Nieder-Californier  vor:  Sie  vernachlässigen 
ihre  alten  Invaliden  und  verweigern  ihnen  die  Abwartung.  wenn  ihre  letzte 
Krankheit  lange  dauert  und  die  Heilung  unwahrscheinlich  erscheint.  Li 
manchen  Fällen  wird  aber  auch  der  Patient  durch  Ersticken  aus  dem  Leben 
befördert. 

Ehrenreich  erzählt  von  den  Ipurina-Indianern: 

„Die  bei  Naturvölkern  vielfach  geübte  Tödtung  hoffnungsloser  Kranker, 
bei  denen  sich  alle  Künste  der  Zauberer  unwirksam  erweisen,  scheint  auch 
bei  den  Ipurina  im  Schwange  zu  sein.  Es  sprechen  hierfür  folgende  Er- 
mittelungen,   in    denen    der   Einfluss    der   Suggestion    seitens    verschmitzter 


Fig.  136.    Häuschen  mit  Opfergaben  geiüUt,  zur  Be- 
sänftigung der  Krankiieits-Dämonen.     Süla  Besi. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


248  XIII.    Die  (-resundlioitspllef^e   und   die  Epidemien. 

Schamanen  auf  das  Gemütli  des  Xatnrnieuschen  sich  in  besonders  charakteri- 
stisclier  AVeise  bekundet.  Man  vertraut  solche  Patienten  der  Obhut  der 
Inhisi.  ..der  grossen  AVasserschLange''  an,  die  in  der  Ipurina-AIythologie 
überhaupt  eine  wichtige  Rolle  spielt.  Ihr  Ijiebliugsaul'enthalt  soll  bei  den 
grossen  Steinmassen  im  Flusse  unterhalb  Hyutanaham  sein,  wo  sie  ge- 
legentlich Kanus  in  den  Grund  zieht." 

.,Sind  Kranke  da,  die  in  ihrem  verzweifelten  Zustande  nur  noch  von 
der  Schlange  Hülfe  erwarten,  so  geht  einer  der  Schamanen  an  den  Fluss, 
um  den  ,,Wass ergeist''  zu  rufen.  Nachdem  sich  alle  Begleiter  entfernt, 
erscheint  derselbe  und  ffagt  zunächst  nach  den  mitgebrachten  Geschenken. 
Ist  er  damit  zufrieden,  so  erklärt  er  sich  zur  Aufnahme  dos  Kranken  bereit. 
Dieser  wird  nun  mit  Tabak  betäubt  und  in  den  Fluss  geworfen,  auf  dessen 
Grund  er  „mit  dumpfem  Knall"  niederfällt  und  erwacht.  Der  Wassergeist 
nimmt  ihn  in  sein  Haus  auf  und  stellt  ihn  wieder  her.  Die  Art  der  Cur 
wurde  leider  so  unklar  geschildert,  dass  sich  die  Erzählung  nicht  wieder- 
geben lässt,  die  Genesenen  bleiben  dann  für  immer  im  Reiche  der  Wasser- 
schlange und  leben  dort  herrlich  und  in  Fi-euden,  ohne  das  YerlangeUj 
wieder  an  die  Oberwelt  zu  kommen.  Auch  die  zufällig  Ertrunkenen  finden 
daselbst  Aufnahme,  wogegen  bereits  auf  der  Erde  Gestorl)ene  zurückgewiesen 
werden.  Moribunde  Leute  sollen  nicht  selten  von  den  Zauberern  durch 
Keulenschläge  ins  Jenseits  befördert  werden." 


103.   Die  Flucht  vor  der  Seuche. 

Wenn  die  Naturvölker  in  der  vorher  geschilderten  Weise  mit  ihren 
Patienten  verfahren  nur  aus  dem  Grunde,  weil  sie  ihnen  hinderlich  und 
lästig  sind,  so  kann  es  kaum  verwunderlich  erscheinen,  dass  sie  sich  nicht 
besonders  th eilnehmend  um  die  Patienten  kümmern,  wenn  zu  dieser  Un- 
bequemlichkeit sich  auch  noch  für  ihr  eigenes  Leben  die  directe  Gefahr 
hinzugesellt,  oder  mit  anderen  Worten,  wenn  der  Kranke  von  einer  an- 
steckenden Krankheit  befallen  wurde.  Wenn  sie  es  sehen,  wie  die  Krank- 
heit, oder  ihren  Anschauungen  entsprechend,  der  Krankheitsdämon  rasch 
hinter  einander  gleich  eine  grössere  Zahl  ihrer  Stammesgenossen  darnieder- 
wirft und  dahinrafft,  so  leben  sie  in  der  gerechten  Furcht,  dass  er  es  auch 
auf  ihr  Leben  abgesehen  hat  und  dass  er  nur  einen  günstigen  Augenblick 
abAv artet,  um  sie  selber  auch  in  seine  Gewalt  zu  bekommen.  Nur  in  einer 
schleunigen  Flucht  erblicken  sie  dann  die  wirksame  Hülfe.  Denn  wenn  es 
ihnen  glücklich  gelingt,  aus  dem  Machtbereiche  des  bösen  Geistes  zu  ent- 
rinnen, dann  glauben  sie  natürlich  fest,  dass  nun  ihr  Leben  gerettet  sei. 
Dass  in  einer  grossen  Reihe  von  Fällen  sie  den  Krankheitskeim  bereits 
mit  sich  nehmen,  davon  haben  sie  ebenso  wenig  einen  Begriff,  wie  die  un- 
glücklichen Oholeraflüchtlinge  civilisirtor  Staaten,  von  denen  wir  erst  in 
allerjüngster  Zeit  so  viele  traurige  Beispiele  zu  sehen  vermochten. 

Die  Flucht  der  Buräten  und  Tungusen  vor  den  Pockenkranken  haben 
wir  oben  bereits  erwähnt,  und  ebenso  auch  diejenige  der  Kirgisen,  sowie 
die  der  Traos  in  Cochinchina.  Hier  flieht  die  gesammte  Einwohner- 
schaft; „eine  Mutter  lässt  ihr  Kind  im  Stich,  eine  Frau  ihren  Gatten;  die 
Furcht  entschuldigt  Alles." 


103.    Die  Flucht  vor  der  Seuclie. 


249 


Aelinlich  klingt  van  HasseWs  Bericht  aus  Mittel-Sumatra,  an  den 
Grenzen  des  holländischen  Gebietes.  „Jeder  flüchtet,  um  sein  eigenes 
Lel)en  zu  retten;  Kinder  lassen  ihre  Eltern,  Eltern  ihre  Kinder  der  Seuche 
zur  Beute.  Die  Dörfer  sind  allein  von  den  Kranken  bewohnt;  Jeder  der 
noch  zu  gehen  vermag,  sucht  ein  Versteck  in  der  Wildniss,  Aber  auch 
dort  findet  ihn  der  unerbittliche  Ninieq.^^ 

Auch  auf  Aml)on,  den  Uliase-  und  "Watubela-Inseln,  sowie  auf 
Serang  und  Sei  ei)  es  ist  bei  dem  Ausbruch  einer  Pockenepidemie  diese 
Flucht  in  die  Wälder  gebräuchlich.  Die  Eingeborenen  von  Serang 
schwärmen  dann  Monate  lang  in  den  unzugänglichsten  "Walddistricten  um- 
her, um  nicht  mit  dem  Pockengeiste  in  Berührung  zu  kommen.     AYenn  die 


Fig.  137.    Idol,  das  die  Pocken  vom 
Dorfe  abhält.    Nias. 

Nach  Modigliani. 


Fig.  138.    Hölzerne  Menschenköpfe,  zur  Abwehr  von 

Epidemien  dienend.    Süla-Besi. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


Watubela- Insulaner  auf  diese  Weise  in  die  AVälder  geflohen  sind,  so  wird 
die  grösstmögliche  Stille  beobachtet,  um  den  „Herrn  Seuche''  in  den 
Glauben  zu  bringen,  dass  alle  Menschen  gestorben  sind. 

In  der  Gegend  von  Atopeu  am  Me-khong  in  Hinterindien  hat 
Uarmand  wiederholentlich  solche  verlassene  Dörfer  angetroffen.  In  einem 
derselben  fand  er  zwei  Greise,  eine  elende  Frau  und  einen  armen  Blinden, 
welche,  von  ihren  nächsten  Angehörigen  verlassen  und  umringt  von  Cholera- 
leichen, dem  sicheren  Hungertode  preisgegeben  waren.  „Nichts  vermag  eine 
A'orstellung  zu  gebeu  von  der  Ergebenheit  dieser  unglücklichen,  welche  das 
Ende  ihrer  Leiden  erwarteten  und  welche  ihr  Schicksal  hinnahmen  als  eine 
Sache,  die  sich  von  selbst  versteht." 


2r)0  XIII.    Die  CTesundheitspflege  uud  die  Epidemien. 


104.  Die  (xreiizsi)erre  für  die  Seuelie. 

Unter  den  wilden  Stämmen  am  Me-khong  hal)en  wir  bereits  eine 
Maassregel  kennen  gelernt,  um  zu  der  Zeit  epidemischer  Krankheit  Fremden 
den  Zutritt  zu  der  Ortschaft  streng  zu  verwehren.  AVenn  es  nun  auch  den 
Anschein  hat,  als  wenn  es  hier,  analog  wie  bei  uns,  der  Mensch  wäre,  den 
mau  als  vielleicht  schon  Inticirten  fürchtet,  so  ist,  wie  ich  wohl  glauben 
möchte,  die  Auffassung  dieser  Naturvölker  wahrscheinlich  doch  eine  andere. 
Der  herannahende  Fremdling  bringt  ihnen  Gefahr,  weil  er  den  Krankheits- 
Dämon  mitl)ringen  könnte.  Derselbe  kann  ja  bereits  in  den  AVanderer 
hineingefahren  sein,  oder,  auf  ihm  hockend,  von  ihm  mitgebracht  werden. 
Er  könnte  auf  der  Jagd  nach  dem  Fremden,  diesem  unmittelbar  auf  dem 
Fusse  folgend,  gemeinsam  mit  ihm  die  Umzäunung  des  Dorfes  passiren. 
So  fassen  die  Süd-Slaven  die  Seuche  auf  Es  sind  die  Pestfrauen, 
welche  heranziehen,  Dämonenweiber,  die  aber  nicht  zu  Fuss  die  auserwählte 
Ortschaft  zu  betreten  pflegen,  Sie  lassen  sich  von  einem  Einwohner  tragen, 
um  vor  den  Hunden  sicher  zu  sein,  oder  sie  steigen  auf  seinen  Wagen, 
Vor  sein  Haus  geht  es  dann  zuerst,  damit  sie  dasselbe  kennen  lernen,  und 
dieses  verschonen  sie  aus  Dankbarkeit  für  den  geleisteten  Liebesdienst, 

Dass  der  hereindringende  Dämon  es  ist,  den  man  fürchtet,  das  zeigte 
schon  das  eben  besprochene  Fliehen  zum  AValde,  Aber  auch  andere  Maass- 
nahmen  noch  liefern  uns  für  diese  Anschauung  den  Beweis,  Auf  Nias 
werden  vorsorglich  die  Fusswege  schlecht  gemacht  und  Gräben  im  Dorfe 
aufgeworfen.     Auf  den  Aaru-Inseln  gräbt  man  Zaubermittel  in  die  Erde 


und  bringt  den  Schutzgeistern  Opfer  dar.  Das  ist  die  Aufgabe  der  Dorf- 
ältesten, Sühnopfer  für  begangenes  Unrecht  sind  auch  auf  Nias,  auf 
Eetar  und  den  AVatubela-Ius  ein  gebräuchlich;  es  betheiligt  sich  bei 
denselben  die  gesammte  Einwohnerschaft, 

Auf  den  Luang-  und  Sermata-Inseln  bringt  man  den  Geistern 
Opfer  dar,  um  sie  zur  Hülfeleistung  zu  zwingen.  Bei  den  Topantunuasu 
auf  Selebes  schlachtet  man  in  Epidemien  einen  weissen  Büffel,  dessen 
Kopf  zuerst  als  Opfer  für  die  Gottheit  in  den  benachbarten  Bach  geworfen 
wird.  Darauf  wird  das  Tliier  geviertheilt  und  jeder  Theil  wird  an  einer 
Stange,  entsprechend  den  vier  Himmelsrichtungen,  aufgehängt. 

Aber  man  sucht  sich  auch  wohl  mit  dem  Opfer  an  die  Krankheits- 
dämonen selber  zu  wenden.  Die  Lamponger  in  Kroe  auf  Sumatra  be- 
zeigen dem  bösen  Geiste  Roehan,  dem  Briuger  der  Epidemien  besondere 
Ehrfurcht.  Auf  Bonerate  versorgen  sie  ihn  mit  Speise  uud  Trank,  Sie 
hängen  dazu  einen  Korb  (Fig,  13ö)  vor  dem  Hause  auf  und  legen  in  diesen 
die  Opfer  hinein.  An  demselben  hängen  mehrere  Cylinder  von  Bambus, 
welche  mit  Wasser  angefüllt  werden.  Dieses  trinkt  der  Dämon  dann  aus. 
Die  Tungusen  und  die  Buräten  setzen  beim  Ausbruch  von  Pockeu- 
epidemien  Milch  und  Thee  und  auch  Fleischspeisen  vor  ihre  Jurten  und 
bitten  die  Krankheit  flehentlich  und  mit  andächtigen  Verbeugungen,  an  ihrer 
Wohnung  vorüber  zu  gehen.  Die  Winnebago- In  dianer  hängen  für  die 
Krankheitsdämonen  eine  Menge  Averthvoller  Opfergaben  an  Bäumen  und 
Stangen  in  der  Nähe  ihrer  Dörfer  auf.  Hier  sind  Hunde  ein  bevorzugtes 
Opferthicr,     Auf  Süla-Besi  stellt  man  ein  Häuschen  (Fig,  13ü),   das  man 


I(i4.    Die  Greuzsperre  für  die  Seuche. 


251 


mit  Opfergaben   füllt,   vor   das    Dorf,    um    die  Kraukheits-Dämoneu  zu  be- 
sänftigen. 

Um  gewaltsam  den  Dorfeiugang  zu  sperren,  stellen  die  Niasser  an 
demsel])en  ein  Standbild  des  Adi<  Fangiiru  auf  (Fig.  137).  Dieses  Idol,  das 
3Iodigliani  noch  an  einem  Dorfeingang  stehen  sah,  war  roh  aus  einem 
Cocosstamm  geschnitten,  es  zeigte  schlecht  ausgeführte  menschliche  Formen, 
und  in  die  Augenhöhlen  waren,  um  es  monströser  erscheinen  zu  lassen  oder 
vielleicht,    um    das  Weisse    im  Auge    bei    einem,    der  in  krampfhaften  Zu- 


^»S3> 


Fig.  139.    Menschenfigürchen  aus  Palmblättern,  an 
eiaem  Einge  schwebend,    zum  Schutze  gegen  Epi- 
demien gebraucht.     Saleijer. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


Fig.  140.    „Talisman"  zur  Abwehr  von 

Epidemien.    Tschittagoug. 
Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.  Nach  Photographie. 


sammenziehungen  stirbt,  darzustellen,  zwei  sehr  weisse  Steincheu  eingesetzt. 
Zum  Schutz  vor  Krankheiten  stellen,  wie  Herold  in  der  Berliner  Gesell- 
schaft für  Erdkunde  berichtete,  die  dem  Ewe- Stamme  angehörenden 
Buschneger  im  Togo -Lande  kleine  rohe  Thonliguren  vor  ihren  Dörfern 
auf.  welchen  sie  als  "Waffe  gegen  die  Dämonen  Stöcke  in  die  Hände  geben. 
Wahrscheinlich  haben  auf  Süla-Bcsi  in  Niederländisch  Indien  die 
Fa-nap  genannten  hölzernen  Menschenköpfe  (Fig.  1.B8)  eine  ganz  ähnliche 
Bedeutung.     Sie    werden  l)ei    grassirendeu  Krankheiten  von  der  gesammten 


252  XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Ejjidemien. 

Einwohnerschaft  in  ein  kleines  Häuschen  ausserhall)  des  Dorfes  gehracht, 
um  die  Seuche  ah/uwehi-en. 

AVenn  auf  den  Andamanen  eine  Ejjideniie  ansl)richt,  so  schwingt  der 
Mediciu-Muun  der  Mincopies  „ein  brennendes  Holzscheit  und  bittet  den 
bösen  Geist,  dass  er  sich  in  der  Entfernung  halte;  bisweilen  pflanzt  er  als 
eine  fernere  Vorsichtsmaassregel  wenige  Fuss  hohe  Pfähle  vor  jeder  Hütte 
auf,  welche  in  Streifen  mit  schwarzem  Bienenwachs  (tö.bul-pid)  bemalt 
sind.  Der  Geruch  des  Letzteren  ist  dem  Dämon  (Namens  EWem-chäu. 
gala)  besonders  unangenehm  und  veranlasst  schleunigst  seine  Entfernung 
aus  ihrer  Mitte. 

Auf  der  Insel  Klein  Kei  fand  Jacohsen  als  Schutz  gegen  epidemische 
Krankheiten  einen  eigenthümlicli  geschnitzten  Pfahl  mit  angesetzten  Seiten- 
sparren, an  denen  eine  reichliche  Anzahl  grösserer  Schneckenhäuser  an- 
gebracht wai".  Eine  kleine  holzgeschnitzte  Ahnenfigur,  der  Schutzgeist  des 
Doifes,  ist  ebenfalls  sitzend  daran  angebracht.  Diese  Pfosten  werden  auf 
der  das  Dorf  umschliessenden  Steinmauer,  und  zwar  beim  Eingaugsthore, 
aufgestellt,  und  bei  dem  Ausbruch  von  Epidemien  werden  dem  Schutzgeiste 
hier  Opfer  dargebracht. 

Ebenfalls  zur  Abwehr  von  Epidemien  dienen  die  Tau-Tau-likol)alla 
auf  der  Insel  Saleijer,  die  „tanzenden  Puppen"  (Fig.  139).  Es  sind  das 
fünf  kleine  Menschenfigürchen  aus  Palmblättern,  welche  an  einem  horizon- 
talen Bambusringe  an  feinen  Fäden  aufgehängt  sind  und  schon  bei  dem 
allerleisesten  Luftzuge  sich  tanzend  liewegen.  (3b  sie  nach  Art  der  Vogel- 
scheuchen wirken  sollen,  oder  ob  sie  mit  übernatürlicher,  abwehrender  Macht 
begabt  sind,  oder  ob  sie  den  dummen  Teufeln  als  Ersatzmänner  unter- 
geschoben werden,  das  ist  zur  Zeit  noch  nicht  zu  entscheiden. 

Es  möge  hier  ein  allerdings  etwas  verstümmelter  Zauberspruch  der 
Akkader  seine  Stelle  finden,  welcher  uns  die  Bestätigung  liefert,  dass 
schon  in  uralter  Zeit  ganz  analoge  Anschauungen  gangbar  waren: 

.,Zur  Erhebung  Euerer  Hände  habe  ich  mich  in  einen  dunkelblauen  Schleier 

gehüllt ; 
Ich  habe  ein  vielfai'biges  Kleid  angelegt;  — -  —  — 
Ich  habe  die  Zauberbinde  vervollkommnet,  ich  habe  sie  gereinigt,  ich  habe 

mich  mit  Glanz  umhüllt! 

Stelle  zwei  an  einander  gebundene  Bilder,  untadelhafte  Bilder,  welche  die 

bösen  Dämonen  verjagen, 
Neben  den  Kopf  des  Kranken,  zur  Rechten  und  Linken. 
Stelle   das  Bild   des  Gottes   Unyal-nirra  (iVergal),   der  nicht  seines  Gleichen 

hat,  an  die  Umzäunung  des  Hauses. 
Stelle  das  Bild  des  Gottes,  der-  im  Glänze  der  Tapferkeit  strahlt,  der  nicht 

seines  Gleichen  hat.  — 
Und  das  Bild  des  Gottes  Narudi  des  Gebieters  der  mächtigen  Götter, 
Auf  den  Boden  unter  das  Bett. 
Zur  Abhaltung    alles    nahenden  Ungemachs    stelle   den  Gott  —  —  —  und 

den  Gott  Lutarak  an  die  Thür. 
Zur  Abweisung  alles  Uebels  stelle  als  Scheuche  an  die  Thür  —  —  — 
Unter  den  Thorweg  stelle  den  streitbaren  Helden,  der  von  Kriegsruhm  strahlt. 
Auf  die  Schwelle   der  Thür   stelle  den  streitbaren  Helden,    der  seine  Hand 

dem  Feinde  entgegenstreckt. 


I(i4.    Die  Cirenzsperre  für  die  Seuche. 


253 


Stelle  ihn  zur  Rechten  und  Linken. 

Stelle  die  wachsamen  Bilder  des  Ea  und  Silik-mulu-kln  s  unter  den  Thorweg; 

Stelle  sie  zur  Rechten  und  Linken! 

—  —  —  Die  Zauberkraft  Silih-mulu-khi's^  die  dem  Bilde  innewohnt. 

0,  die  Ihr  dem  Ocean  entsprossen,  ihr  Glänzenden,  Kinder  des  Ea^ 
Esset,  was  mundet,  trinket,  was  süss  schmeckt. 
Dank  Euerem  Schutz,  kein  Ungemach  eindringe!" 

Bei  den  Hügelstämmen  von  Tschittagong  hat  JRiebecli  Folgendes 
gefunden.  Sie  stellen,  um  sich  vor  Krankheiten  zu  schützen,  eigentliümliche 
Gegenstände  in  ihrem  Dorfe  auf.  Das  Eine  (Fig.  140)  ist  ein  schräg  auf- 
gestellter Stab,  an  welchem,  in  besonderer  Weise  aufgehäugt,  fünf  dütenartig 
zusammengerollte  Blätter  hängen, 
aus  denen  je  ein  Bausch  von  roher 
Baumwolle  heraussieht.  Der  andere 
Gegenstand  (Fig.  141)  ist  scheinbar 
eine  nach  unten  zugesj)itzte  Palmen- 
blattrippe,  an  der  man  noch  die 
Spuren  von  den  Ansätzen  der  Seiten- 
])lätter  bemerkt.  Ein  peitschenartig 
auslaufender  Stal)  kreuzt  diesen  in 
schräger  Eichtung,  und  au  dem 
Ende  der  Peitscheuschnur  hängt 
ein  aus  weissen  und  rothen  Baum- 
wollentäden  über  zwei  sich  kreu- 
zende Stäbe  geflochtenes  Quadrat. 

Was  haben  Avir  uns  unter  die- 
sen Dingen  vorzustellen?  Ist  das 
eine  Art  von  Talisman?  Ich  glaube 
nicht,  dass  man  es  so  deuten  darf. 
Mir  Avill  es  scheinen,  als  hätten 
wir  an  eine  andere  Erklärung  zu 
denken.  Es  schweben  mir  dabei 
die  Ver])otszeichen  vor,  mit  denen 
die    Insulaner     des     malayi  sehen 

Archipels  ihre  Anpflanzungen  zu  schützen  j^flegen.  Sollten  diese  zui'  Zeit 
einer  Seuche  errichteten  Apparate  nicht  vielleicht  auch  derartige  Verbots- 
zeichen sein?  Das  Verbot  gilt  natürlich  den  Krankheits-Dämouen.  und 
durch  die  kräftigen  Beschwörungsformeln  ist,  wie  die  Eingel)orenen  wahr- 
scheinlich glauben,  den  ungehorsamen  Uebertretern  des  Verbots,  auch 
wenn  sie  Geister  sind,  die  dem  Verbotszeichen  anhaftende  Schädigung  un- 
ausbleiblich. 

Einen  ganz  ähnlichen  Sinn  haben  wahrscheinlich  auch  die  kleinen 
weissen  Flaggen,  welche  Jacobs  auf  Bali  au  Bandjusstangen  befestigt,  an 
dem  Eingange  von  fast  allen  Grundstücken  sah.  wenn  Epidemien  herrschen. 
Angeblich  sollen  sie  ein  Zeichen  für  den  Vorühergehenden  sein,  dass  hier  eine 
böse  Krankheit  herrscht.  Aber  unsere  obige  Erklärung  halte  ich  für  viel 
wahrscheinlicher. 


Fig.  141.  „Talisman"  zur  Abwehr  von  Epidemien. 

Tschittagong. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


254 


XIII.    Die  Gesiindheitspflege  und  die  Epidemien. 


105.  Das  Vertreibeil  der  Epidemien. 

Ist  es  den  Krankheitsdämonen  mm  dennoch  gelnngen,  in  eine  Ort- 
schaft den  Eintritt  zn  erzwingen,  so  entspriclit  es  vollkommen  den  herr- 
schenden Anschannngen,  dass  man  sie  wieder  vertreihen  muss.  Dieses  ge- 
schieht zum  Theil  mit  (irewalt,  theils  aber  auch  durch  freundliche  Ueber- 
redung  und  durch  das  Darbieten  einer  Entschädigung.  Niemals  ist  das 
ein  privates  Unternehmen,  sondern  es  wird  in  allen  Fällen  als  eine  An- 
gelegenheit der  ganzen  Gemeinde  betrachtet.  Bevor  man  zu  diesen  Maass- 
nahmen  schreitet,  wird  von  den  Aeltesten  Eath  gehalten.  Auf  Buru  ver- 
fertigt man  dann  ein  Boot,  eine  sogenannte  Prauw,  sechs  Meter  lang  und 
einen  halben  Meter  breit,  und  rüstet  sie  mit  den  nöthigen  Rudern,  mit 
Segeln  und  Ankern  u.  s.  w.  aus.  Am  Vorder-  und  am  Hintersteven  wird 
eine  Flagge  aufgehisst.  Das  ist  gewöhnlich  die  holländische,  und  hierin 
liegt  eine  Anspielung,  dass  die  Dämonen  der  Epidemie  als  von  den  Hol- 
ländern  ausgeschickt  betrachtet  w'erden.     Der  Bord  der  Prauw   wird  mit 


Fig.  142.    Schiffsmodell  von  Süla-Besi  zum  Vertreiben  von  Epidemien. 
Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

jungen  Kaiapablättern  verziert  und  eine  Matte  und  ein  Stück  weisser  Kattun 
wird  auf  ihrem  Boden  ausgebreitet.  Nun  kommen  allerlei  Lebensmittel 
hinein,  von  bestimmter  Art  und  in  grosser  Menge.  „AVenn  dieses  alles  am 
Strande  bereit  ist,  so  wird  eine  Nacht  und  einen  Tag  auf  entsetzliche  Weise 
auf  der  Tuba,  Trommel,  Gong  und  Buku  musicirt,  wälu"end  die  Bewohner 
der  befallenen  Dorfschaft  allerlei  Sprünge  machen,  welche  unter  den  Namen 
Epkiki  und  Tjeval  bekannt  sind,  um  dem  bösen  Geiste  Furcht  einzujagen 
und  ihn  in  das  Boot  zu  treiben.  Am  folgenden  Morgen  werden  zehn 
kräftige  junge  Männer  ausgesucht,  w^elche  mit  Rotan-,  Kaiapa-  und  Ai'eng- 
Zweigen,  die  in  ein  irdenes  Gefäss  voll  Wasser  getaucht  werden,  auf  die 
Anwesenden  schlagen.  Darauf  begeben  sie  sich  springend  an  den  Strand 
und  legen  die  Zweige  mit  in  die  am  vorigen  Tage  bereitgestellte  Prauw." 
Sie  haben  nun  also  die  Krankheits-Dämonen  glücklich  in  den  Zweigen  ge- 
faugen.  Jetzt  binden  sie  noch  einen  lebendigen  Hahn  in  dem  Schiffe  fest 
und  sie  bringen  dann  in  aller  Eile  eine  andere  Prauw  in  das  Wasser  und 
bugsiren  die  mit  Lebensmitteln  beladene  Prauw  in  das  Meer  hinaus.  Wenn 
sie  auf  das  Meer  gekommen  sind,  so  wird  djas  Fahrzeug  losgelassen.     Einer 


105.    Das  Vertreiben  der  Epidemien. 


255 


der  zeliu  Ruderer  spricht  dabei  ein  lautes  Gebet.  Der  lebende  Halm  muss 
Sorge  tragen,  dass  die  nun  im  Boote  sitzenden  Dämonen  den  Ruderern 
keinen  Schaden  zufügen.  Sind  sie  zum  Strande  zurückgekehrt,  so  nehmen 
sie  Alle,  und  mit  ihnen  auch  die  gesammte  Bevölkerung,  Männer,  Frauen 
und  Kinder  gemeinsam,  ein  Bad  in  der  See,  damit  sie  die  Krankheit  nicht 
wieder  befalle. 

Die  ausführliche  Schilderung  dieses  einen  Beispiels  genügt  im  All- 
gemeinen auch  für  die  Uebrigen.  In  der  Auswahl  der  Opfergaben  kommen 
allerlei  Yerschiedenheiten  vor;  auch  in  den  Grössenverhältnissen  der  Prauw 
linden  sich  mancherlei  Unterschiede.  Es  sind  dieselben  aber  doch  füi'  uns 
von  untergeordneter  Bedeutung.  Wechselnd  ist  auch  die  Form  des  Schiffs- 
modells, das  der  See  überantwortet  wird.  Unsere  Figuren  142  und  143 
zeigen  sie  von  Süla-Besi  und  Timoriao. 


Fig.  143.   Flossmodell  von  Timoriao,  zum  Vertreiben  von  Epidemien. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

Auf  den  Luaug-  und  Sermata-Inseln  wird  das  Boot  mit  zwanzig 
bis  dreissig  in  Holz  geschnitzten  menschlichen  Figuren  bemannt,  „welche 
die  Ki-anken  darstellen  sollen".  Auch  auf  den  Tanembar-  und  Timor- 
lao-Inseln  kommen  dergleichen  hölzerne  Menschen  in  die  Prauw,  welche 
von  denjenigen  Familienhäuptern  geschnitzt  werden  müssen,  deren  An- 
gehörige erkrankt  sind.  Das  sind  natürlicher  AVeise  Ersatzmänner,  welche 
die  Dämonen  in  ihrer  Dummheit  für  wirkliche  Menschen  ansehen  sollen. 

Die  den  Figuren  umgehängten  Körbchen  dienen  dazu,  die  Oj)fer  auf- 
zunehmen. 

Solche  Schiffchen  werden  auch  in  Sumatra  und  in  Slam  den  Flüssen 
übergeben.  Von  den  Siamesen  wird  dann  ebenfalls  eine  Menschentigur 
in  das  Schiffchen  gesetzt,  van  Hasselt  schreil)t  von  Mittel-Sumatra: 
„Auf  den  Nebenflüssen  sieht  man  des  Abends  häufig  kleine  aus  einem  Blatt 
gemachte  Prauwen  (Boote),  oder  auch  Häuschen,  worin  ein  Licht  brennt, 
auf  einem  Floss  treiben.  Auch  das  ist  eins  der  vielen  bei  Krankheiten 
angewendeten    Mittel,   um    die   bösen    Geister   zu   verjagen/^     Diese   Dinge 


256  XIII.    Die  Gesuudlieitspflege  und  die  Epidemien. 

bleiben  einen  Tag  und  eine  Naclit  in  der  Woluning  des  Erkrankten  stehen 
und  sind  in  dieser  Zeit  mit  Heilmitteln  gefüllt,  die  vor  der  Aussetzung 
herausgenommen  und  von  dem  Kranken  dann  nach  Vorschrift  angcAvendet 
werden.  Dieses  Stehen  im  Hause  des  Kranken  hat,  wie  ich  mir  denke, 
den  tieferen  Sinn,  dass  die  Kraukheitsdämoneu  von  ihm  weichen  und  in 
die  Häuschen  oder  die  Scliifichen  übersiedeln.  Vielleiclit  liat  es  einen  ähn- 
lichen Zweck,  wenn  auf  Eetar  in  das  Boot  ein  Kahi})atopf  gesetzt  wird, 
in  welchen  alle  Erki^ankten  im  Dorf  liineingespieen  haben  müssen. 

Die  Gebete,  welche  der  Dorfälteste  spricht,  oder  der  Priester  oder  einer 
der  Kuderer,  wenn  das  Zauberfahrzeug  in  die  See  bugsirt  wird,  haben  im 
Prinzipe  viel  Aelmlichkeit  unter  einander.  Man  geht  mit  der  Krankheit 
im  Ganzen  sehr  höflich  um;  „Herr  Seuche",  sagt  man  auf  den  Watu- 
bela-Inseln,  „Herr  Grossvater  Krankheit"  auf  der  Insel  Buru  u.  s.  w. 
Man  macht  ihr  auf  Tanembar-  und  den  Timorlao-Inseln  freundliclie 
Vorstellungen : 

,.0h  (Krankheit)!  ziehe  von  hier  fort!  kehre  zurück!  Was  thust  Du 
hier  in  diesem  armen  Lande!" 

Mau  redet  ihr  auf  den  "SVatubela-Inseln  zu,  sich  bessere  Weide- 
plätze zu  suchen : 

„Herr  Seuche!  am  Strande  habt  Ihr  jetzt  keine  Wohnung  mehr!  Die 
Wohnung  ist  in  Staub  zerfallen!  Zieht  fort  von  hier  nach  einem  günstigeren 
und  besseren  Orte!" 

Auf  der  Insel  Buru  giebt  man  der  Krankheit  zu  verstehen,  dass  die 
Mittel  der  Bevölkerung  erschöpft  sind: 

„Herr  Grossvater  Pocken!  Geht  weg!  geht  gutwillig  weg!  geht  und 
besucht  ein  anderes  Land!  Wir  haben  Euch  Speisen  für  die  Reise  zurecht 
gelegt!     Wir  haben  jetzt  nichts  mehr  zu  geben!" 

Aber  man  kann  hier  auch  recht  deutlich  sehen,  wie  eine  künstlich  auf- 
gepfi^opfte  Cultur  althergebrachte  Gebräuche  zwar  nicht  ohne  Weiteres 
vernichten,  al)er  wohl  das  Verstäudniss  für  die  betreffende  Maassnahme 
auszulöschen  im  Stande  ist.  Das  Gerippe  bleibt,  doch  der  Geist  geht  ver- 
loren. Die  zum  Islam  bekehrte  Bevölkerung  vom  Seranglao-  und  Gorong- 
Archipel  übt  nach  wie  vor  den  alten  Gebrauch  bei  dem  Verjagen  der 
Epidemien  aus.  Das  Schiffchen  wird  gefertigt,  die  Opfer  werden  dar- 
gebracht und  auch  das  Gebet  muss  gesi^rochen  werden  ])ei  dem  Ablassen 
des  kleinen  Fahrzeuges  in   die  See.     Aber  wie  anders  klingt  dieses  Gebet: 

„.4l/ah  ist  gross!  Al/ah  ist  gross!     Ich  bezeuge,    dass  kein  Gott  ist,    als 

Allah!     Ich    bezeuge,  dass  Muhhamad   der  Gesandte  Gottes    ist!     Kommt  zu 

dem    Gebet!     Kommt  zu    dem   Heil!     Allah   ist    gross!     Allah   ist  gross!     Es 

giebt  keinen  Gott  als  Allah l'-^ 

Wo  ist  nun  da  das  Verständniss  geblieben?  Was  hat  Allah  mit  dem 
Schiffclien  zu  thun,  welchem  die  Seuche  aufge})ackt  worden  ist?  Soll  es 
ein  Opfer  für  ihn  darstellen?  Das  wird  man  doch  wohl  nicht  annehmen 
wollen!  Die  ganze  Sache  ist  eben  Nichts,  als  ein  Ueberlebsel  aus  heid- 
nischer Zeit.     ]\[an    erinnert    sich    noch    sehr   wohl  des  gesammten  Eituale. 


lOG.    Die  Todten. 


257 


und  da  ein  Gebet  uocli  dazu  gehört,  so  kann  es  nur  an  Allah  gerichtet 
sein.  Das  ist  Nichts,  was  uns  verwundern  darf.  Haben  sich  doch  auch 
mancherlei  Feste  der  christhchen  Kirche  in  einer  ganz  analogen  Weise  als 
eigentlich  für  heidnische  Gottheiten  bestimmt  erkennen  lassen. 

Noch  ein  zweites  Ueberlebsel.  das  sich  auf  unseren  Gegenstand  bezieht,  hat 
Jacobsen  auf  West- Allor  gefunden  (Fig.  144).  Man  fertigt  auch  hier  eine 
kleine  Prauw  und  stattet  sie  mit  hölzernen  Menschen  aus.  Diese  sind  aber 
nicht  mehr  die  Ersatzmänner  fih-  die  Krankheit,  sondern  sie  sind  mit  Schild 
und  Schwert  bewaffnet  und  ebenen  dazu,  Krankheit  und  Unglück  abzuwehren. 
Das  Boot  wird  auch  nicht  mehr  ins  Meer  geschickt,  sondern  es  hat  im 
Hause  seinen  Platz.  Xiu'  ein  Schatten  der  ursprünglichen  Idee  tritt  uns 
also  hier  entgegen,  und  im  Grunde  genommen  ist  nichts  mehr  geblieben, 
als  die  allgemeine  äussere  Form. 

Hieran  können  wir  nun  noch  anschliessen,  wie  man  auf  den  Kei- 
Inseln    verfährt,     üni    eine  Epidemie    zu  vertreiben,    begiebt  sich   die  Be- 


Fig.  144.     Schiffsmodell  zur  Abwehr  von  Epidemien.    West- Allor. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

völkerung  an  den  Strand.  Hier  wird  ein  besonderes  Gestell  errichtet  und 
Speisen  und  Getränke  darauf  niedergelegt.  Dann  spricht  der  Priester  die 
Beschwörung  aus.  und  sofort  flüchtet  Alles  dann  im  schnellen  Lauf  in  das 
Dorf  und  in  die  Wohnungen  zurück. 

Jagt  man  in  Xias  die  Seuche  aus  dem  Dorf,  so  bewachen  die  Ki'ieger 
ihre  Häuser,  damit  die  Dämonen  nicht  in  diese  hinein  schlüpfen.  Auch  in 
den  benachbarten  Ortschaften  sind  die  Medicin-Männer  dann  an  der  Arbeit, 
dass  sie  den  flüchtenden  Dämonen  den  Zugang  zu  ihren  Dörfern  sicher 
versperren. 


106.  Die  Todten. 

Bei  den  vielfachen  Vorsichtsmaassregeln  dem  lebenden  Inficii'ten  gegen- 
über muss  es  interessant  erscheinen,  zu  sehen,  wie  man  sich  gegen  die 
Todten  verhält.  Ein  Todter  ist  ein  unheimlicher  Kumpan  und  schon,  wenn 
er  eines  gewöhnlichen  Todes  stirbt,    müssen  allerlei  Ceremonien  beobachtet 


ßartel-s.  Medicin  der  Naturvölker. 


17 


258  XIII.    Die  Gesundheitspflege  und  die  Epidemien. 

werden,  damit  seine  Seele  kein  Unheil  anstiftet.  Um  so  vorsichtiger  niuss 
man  mit  ihm  verfahren,  wenn  er  unter  a])Sonderlichen  Verhältnissen  stirbt. 
Die  gewöhnliche  Art  der  Beisetzung  ist  für  ihn  dann  nicht  angebracht. 
Allerlei  wichtige  Vorsieh tsmaassregelu  müssen  sein  Wiederkommen  ver- 
hindern. Sie  alle  hier  näher  aufzuführen,  müssen  wir  uns  jedoch  versagen. 
Aber  von  einigen  Todteu  soll  doch  an  dieser  Stelle  die  Rede  sein,  nämlich 
von  solchen,  welche  das  Opfer  einer  Epidemie  geworden  sind. 

In  Boeleleng  und  Djembrana  auf  Bali  darf  man  die  Leiche  eines 
an  den  Pocken  Verstorbenen  nicht  verbrennen.  Man  legt  sie  in  ein  offenes 
Grab  und  lässt  sie  in  dieser  AVeise  liegen.  Es  düi'fen  daselbst  übrigens 
auch  am  Aussatz  Gestorbene  nicht  verbrannt  werden,  wenigstens  nicht  sofort 
Man  begräbt  sie  zuerst  und  nach  einiger  Zeit  werden  sie  wieder  ausgegraben 
und  dann  verbrannt. 

Harmand  fand  in  den  fi"ülier  schon  erwähnten  Dörfern  am  Me-khong, 
welche  die  Einwohner  wegen  einer  Seuche  verlassen  hatten,  die  Todten  noch 
in  ihren  Häusern  liegen.  Die  Tliüren  aber  hatten  die  Leute  vor  ihrer  Flucht 
noch  verbarrikadirt  und  die  Mauern  und  die  Dächer  mit  einer  Unzahl  von 
Bambusspiessen  besteckt,  so  dass  sie  an  grosse  Nadelkissen  erinnerten.  „Der 
Zweck  dieses  Gebrauches,  sagt  Harmand,  ist  ohne  Zweifel,  die  Leichen  vor 
den  Angriffen  der  Raubthiere  zu  schützen."  AVohl  möglich  ist  es,  dass  er 
hierin  Recht  hat;  ich  halte  es  aber  nicht  für  walu'scheinhch.  Die  Absicht 
ist,  wie  ich  vermuthen  möchte,  eine  vollkommen  andere.  Nicht  der  Ge- 
storbene soll  vor  den  Raubthieren  geschützt  werden,  sondern  die  lebenden 
Flüchtlinge  vor  den  Todten.  Den  Seelen  der  Todten  und  den  in  ihren 
Körpern  noch  sitzenden  Krankheitsdämonen  soll  die  Verfolgung  ihrer  Dorf- 
genossen unmöglich  gemacht  werden.  Darum  sind  sie  gefangen  in  ihrem 
Hause,  und  darum  verrammelt  man  Thüren  und  Fenster.  Und  sollte  es 
ihnen  dennoch  gelingen,  üe  so  ausgeführte  Blockade  zu  brechen,  so  sollen 
die  Stacheln  auf  dem  Dach  und  den  Mauern  das  weitere  Entkommen  un- 
möglich machen. 

Einer  höchst  ekelhaften  Sitte  gedenkt  Engehard  von  der  Insel  Saleijer. 
AVeun  hier  Jemand  an  den  Pocken  gestorben  ist,  dann  nehmen  die  Leute 
unter  dem  Sterbehause  ein  Sturzbad  mit  dem  Wasser,  womit  man  die  Leiche 
gewaschen  hat.  Das  betrachten  sie  als  ein  untrügliches  Mittel,  um  sich  vor 
der  Ki'ankheit  zu  sichern. 

Es  muss  uns  in  hohem  Grade  überraschen,  sogar  die  primitiven  An- 
fangsgründe einer  pathologischen  Anatomie  zu  entdecken.  Turner  be- 
richtet von  Samoa: 

„Wenn  eine  Person  an  einem  Leiden  starb,  das  auf  einige  andere 
Familienglieder  überging,  so  öffneten  sie  die  Leiche,  „um  die  Krankheit  zu 
suchen".  Traf  es  sich,  dass  sie  irgend  eine  entzündete  Substanz  fanden,  so 
nahmen  sie  sie  heraus  und  verbrannten  sie,  in  dem  Glauben,  dass  dieses 
dem  Uebergreifen  der  Krankheit  auf  andere  Familienglieder  vorbeugen 
würde.    Dies  geschah,  wenn  der  Leichnam  im  Grabe  lag." 


I 


107.    Die  As.sanimng  der  Wohnplätze.  259 


107.  Die  Assaiiiruii};-  der  Wohiiplätze. 

Es  bleibt  luis  mm  iiocli  zu  l)etrn(liteii  übrig,  was  für  Anstalten  die 
Xaturvülker  treffen,  wenn  e))i(leniiselie  Erkrankungen  in  ihren  Hänsern  ge- 
wüthet  haben.  Das  ist  ihnen  ja  sehr  wohl  Ijekannt,  dass  in  dem  Hause 
etwas  stecken  muss,  was  immer  wieder  die  neuen  Erkrankungen  hervor- 
gerufen hat.  Dieses  schadenbringende  Agens  nniss  man  nun  zu  vernicliten 
suchen.  Wir  haben  weiter  oben  schon  erwälint,  dass  dann  auf  den  Watu- 
l)ela-Tnseln  das  Haus  als  ein  „warmes"  bezeichnet  wird.  Diesen  Be- 
griff des  ., warmen",  oder  des  „zu  warmen  Hauses"  finden  wir  auch  auf 
mehreren  anderen  Inselgruppen  des  malayischen  Archipels.  Eigentlich 
heisst  das  natürlich  niclits  Anderes,  als  dass  in  dem  Gebäude  irgend  etwas 
steckt,  das  den  Einwohnern  Krankheiten  bringt.  Ist  es  in  Annam  ein 
magischer  Nagel,  den  böswillige  Menschen  in  den  Hauspfosten  schlugen, 
sind  es  auf  Serang  Zaubergeräthe,  die  der  feindliche  Nachbar  unter 
die  Hausschwelle  grub,  so  wird  für  gewöhnlich  das  Haus  doch  „warm" 
sein,  weil  die  Krankheitsdämonen  Quartier  darin  nahmen.  Und  auch  wenn 
man  uns  berichtet,  das  Haus  ist  „Avarm",  weil  bei  seiner  Erbauung  die 
feststehenden  Vorschriften  vernachlässigt  worden  sind,  so  heisst  das  doch 
eigentlich  nichts  Anderes,  als  dass  eine  Schutzmaassregel  unterblieben  ist, 
welche,  wenn  man  sie  ausgeführt  hätte,  den  bösen  Geistern  den  Eintritt  in 
das  Haus  verwehrt  haben  würde. 

Dass  ein  warmes  Haus  zum  Bewohnen  nicht  mehr  als  geeignet  er- 
scheint, das  liegt  unter  diesen  Umständen  natürlicher  Weise  auf  der  Hand. 
Es  muss  von  den  Einwohnern  verlassen  werden  und  in  erster  Linie  von 
den  Patienten.  Es  war  davon  ja  schon  die  Rede.  Auf  Ambon  und  den 
Uliase-Inseln  wird  dann  das  Haus  mit  geweihtem  Wasser  besprengt; 
auf  der  Insel  Serang  besprengt  man  in  gleicher  Weise  innen  das  Haus; 
aussen  aber  schlägt  man  die  Wände  mit  Kaiapablättern,  um  so  die 
Krankheitsdämonen  zu  fangen  und  sie  aus  dem  Dorfe  zu  entfernen.  Auf 
den  Kei-Inseln  hält  man  es  für  ausreichend,  vier  verschiedene  Wurzel- 
arten, welche  allein  die  Altbetagten  kenneu,  an  dem  Mittelpfosten  des 
Hauses  zu  befestigen,  und  auf  Keisar  schlachtet  der  Priester,  ohne  dass 
Jemand  daliei  sein  darf,  ein  Schaf  auf  eine  ganz  besondere  W^eise.  Das 
muss  hinter  dem  Hause  geschehen  und  zwar  an  der  West-  und  Südseite 
desselben. 

Svoboda  berichtet  von  den  Xicobarcni.  dass  die  für  gewölmlich  im 
Walde  hausenden  und  den  das  Jungle  Durchwandernden  Kranklieiten  brin- 
genden Seelengeister,  die  Iwis,  bisweilen  auch  in  die  Wolmimgen  gelangen. 
Man  sucht  sich  ihrer  daim  daselbst  „durch  einen  sehr  complicirten  x\pparat 
zu  entledigen.  Solange  sie  Niemanden  angreifen,  ist  man  recht  tolerant  mit 
ihnen.  Wenn  aber  Erki'ankungen  vorkommen,  oder  man  sonst  Ursache  hat, 
ül)er  den  unheilvollen  Einfiuss  der  bösen  Geister  zu  klagen,  so  muss  die  Hütte 
davon  befreit  werden." 

.,]\ran  tiifft  also  Vorbereitimgen  wie  zu  einem  Feste,  und  ladet  die  Freimde 
dazu  ein  (zum  Teufelsfeste).  AVährend  gegessen,  getrunken  und  geraucht 
wird,  beginnen  die  Weiber  ein  Klagegeheul ,  opfeni  ihre  Geräthe,  Lebens- 
mittel, indem  sie  alles  zerstören  und  vor  che  Hütte  in  den  Fluthbereich  werfen. 

17* 


260  XI  l[.     Die   (Tesuii(llieits}iile<'-e   und   rlio   Kpidomieii. 

Brim  CJn>tiii;ililc  weiden  die  l)(•^t(■ll  Stücke  voll  eiiiein  Schweine  .■luti^etrageii. 
Alliuählich  i;eratlieii  die  Manloeiie  (die  Zauberärzto)  diucli  den  .ircnossoiieii 
Paliinveiii  in  Autre.u'uiiij,'  und  herinnen  die  Bcsclnvüruuj;".  Ihr  (Icsiclit  ist 
roth  mit  Schwciiiehlut  ani;('stricheii.  ihr  Kcli-pei'  mit  Oel  ciii^ericheii.  ]\lit 
tiefen  Truien  stimmen  sie  ein  K'hiuelied  an.  lauten  wiM  hin  und  hei',  (h'iiii 
sie  "Wollen  den  Iwi  taiiiicii.  um  ihn  auf  ein  hereitstelieiides  JJoot  zu  hriiiuen. 
Erst  schiiH'iclieiu  sie  ihm.  dann  aher  schelten  uml  l)eschim))fen  sie  ihn  i^an/ 
ordentlich,  und  während  die  \\'eil)er  immer  mehr  heulen,  entwickelt  sich  ein 
tingirter  Kampf.  Man  rin.ut  mit  ihm.  bis  er  erwischt  ist,  s(jcUuin  bringt  man 
ihu  iu  den  (i(eisteik(ub  und  darin   in   das  Geisterschiff." 

„Einige  junge  licute  bemannen  ein  Canoe.  nehmen  das  Geisterseliifl'  in'> 
Schlepptau  und  rudein  im  l'iiumph  recht  weit  hinaus;  dann,  so])al(l  sie  an- 
uehnieu,  dass  Wind  und  Strömung  es  nicht  mehr  /urückbringen.  überlassen 
sie  es  mit  dem    iwi   seinem   Schicksale,  auf  dass  er  baldigst  umkomme." 

Es  kommt  also  schliesslich  auf  etwas  Aehnliclies  heraus.  AVie  bei  dem 
o1)en  geschilderten  \'ertreiben  der  ansteckenden  Ki-ankheiten  aus  den  ( )rt- 
schafteii. 

Wenn  nun  aber  alle  diese  Maassregeln  den  ei'hoftten  Erfolg  nicht  l)ieteii 
wollen,  dann  geht  mau  auch  noch  energischer  vor.  AufSerang  wird  unter 
solchen  rniständen  das  Haus  einfach  verlassen  und  eine  neue  Wohnung 
muss  errichtet  werden.  Ja  sie  gehen  hier  auch  noch  einen  Schritt  weiter: 
sie  verlassen  das  warme  Haus  und  reissen  es  vollständig  nieder.  Wenn  die 
Mosquito -In dianer  von  einer  Epidemie  heimgesucht  werden,  dann  brennen 
sie  bisw^eilen  eine  ganze  Ortschaft  ab.  Jedenfalls  ist  das  Mittel  prol)at.  und 
eine  wirksamere  Desinfektion  vermag  wohl  kaum  gedacht  zu  werden. 

Das  Yerbreunen  der  gesammten  Habe  des  Todten  Avird  auch  bisAveilen 
angeordnet,  und  dem  Verstorbenen  seinen  Besitz  an  (lerätheu,  Schmuck 
und  Kleidung  u.  s.  w.  mit  auf  den  Scheiterhaufen  oder  in  das  Grab  zu 
geben,  ist  ein  nicht  ungewöhnliches  Verhalten.  Bei  den  Sporkanes- 
Indianern  iu  Nord-Amerika  soll  aus  diesem  Grunde  die  Verpflegung 
der  Schwerkranken  sehr  vernachlässigt  werden. 

Dass  Schinutz  und  Unsauberkeit  der  Wohnstätten  und  Ortschaften  in 
einer  bestimmten  Beziehung  steht  zu  der  Ausbreitung  epidemischer  Er- 
krankungen, und  dass  man  durch  die  Beseitigung  dieser  Uebelstä,nde  eine 
Abnahme  der  Seuche  zu  erzielen  vermag,  das  sind  Gesichtspunkte.  Avelche 
erst  seit  Kurzem  in  den  Kulturstaaten  sich  Anerkennung  verschafften.  I'm 
so  interessanter  muss  es  erscheinen,  dass  wir  auch  bei  den  Naturvölkern 
vereinzelte  Maassregeln  vorfinden .  welche  auf  ähnliche  Anschauungen 
schliessen  lassen. 

Um  ein  Haus  von  den  schädlichen  Agentien,  welche  die  Erkrankungen 
hervorriefen,  zu  befreien  und  es  wieder  bewohnbar  zu  machen,  muss  man 
auf  Eetar  unter  dem  Hause  allen  Kehricht  zusammenfegen.  Er  wird  dann 
in  einem  Korbe  gesammelt  und  folgende  Opfergaben  legt  man  darauf:  ein 
Ei,  etwas  Reis,  Sirih-Pinang  und  Tabak.  So  versorgt,  wird  nun  der  Müll- 
korb aus  dem  Dorfe  hinausgetragen  und  am  Eusse  eines  Berges  unter  (ie- 
beten  niedergesetzt  und  daselbst  zurückgelassen. 

Eine  Strassenreinigung  lernen  wir  in  dem  Seranglao  -  Archipele 
kennen.  AVenn  hier  die  männliche  Einwohnerschaft  das  Boot,  dem  die  Seuche 
aufgepackt  -wurde,    hinunter  zu  dem  Strande  schafft,    um  es  dem  Meere  zu 


107.    Die  Assaiiirung  der  Wolmplätze.  261 

ül)ergel)eii,  dann  müssen  die  "NVeiber  zu  derselben  Zeit  die  Strassen  des 
Dorfes  reinigen  und  allen  Kehricht  seewärts  fegen. 

Beiläufig  wollen  wir  hier  noch  iKMuerken,  dass  auf  Tanenibar  und 
den  Timorlao-Inseln  eine  liochgradige  und  wohlberechtigte  Scheu  be- 
steht, solch  ein  Epidemieboot  an  ihrem  Strande  antreiben  zu  lassen.  Sorg- 
fältig wird  die  Landung  verhindert,  und  sollte  es  dennoch  einer  AVelle  ge- 
Hngen,  dasselbe  unversehens  auf  das  l  fer  zu  werfen,  dann  ist  man  eiligst 
bei  der  Hand,  das  Boot  und  Alles,  was  sich  darauf  befindet,  sofort  am 
Strande  zu  verbrennen. 

Die  Ewe-Neger  im  Togo-Lande  benutzen,  wie  Herold  jüngst  l)e- 
lichtet,  einen  l)estimmten  Platz  voi'  dem  Dorfe  gemeinsam  für  die  Defäkation. 
J  )er  einzige  gut  gehaltene  Weg,  den  die  Dorfbewohner  anzulegen  sich  heralt- 
lassen,  führt  zu  dieser  wichtigen  Stelle. 

Auch  von  den  Buschnegern  in  Surinam  hel)t  Joest  diese  Einrich- 
tungen rühmend  hervor.     Er  sagt: 

„Die  Buschneger  besassen,  wenn  auch  etwas  ursprüngliche,  so  doch 
durchaus  zweckentsprechende  und  reinliche  Verschlage,  hinter  welche  der 
Sterbhche  sich  zurückziehen  konnte,  wenn  er  allein  zu  sein  wünschte :  im  Ur- 
wald dicht  beim  Dorf  eine  Wand  von  Pahnblättern,  dahinter  eine  kleine 
(ilru])e,  eine  einfache  Sitzvorrichtimg,  ein  Haufen  Sand  und  mehrere  Kale- 
])assen  mit  AVasser,  Sapieiiti  sat." 

Deiselbe  Beiseude  erzählt  von  den  Karail)en  und  Arowaken  in  Su- 
rinam: ..Zur  Befriedigmig  seiner  Bedürhiisse  entfernt  sich  der  Indianer  von 
dem  Dorf,  scharrt  eine  kleine  Grulie  in  den  Boden  und  wirft  dieselbe  später 
wieder  sorgfältig  zu,  nachdem  er  sich  mit  Sand  gereinigt;  die  am  AV asser 
Lebenden  begeben  sich  zu  diesem  Zweck  in  den  Fluss.'* 

lieber  die  Karayä- Indianer  sagt  Ehrenreich: 

..Von  kulturhistorischem  Interesse  und  liezeichnend  für  das  Anstands- 
gefühl dieser  Wilden  ist  die  Art  ihrer  Defäkation.  Dieselbe  geschielit  mög- 
lichst weit  al)seits  vom  Dorfe.  Es  wird  ein  Loch  in  den  Sand  gemacht.  Das 
Individuum  setzt  sich  mit  ausgestreckten  Beinen  darauf,  den  Oberkörper 
hinter  einer«  Matte  verl)ergend.  Die  Excremente  werden  stets  sorgfältig  ver- 
graben." 

Wir  konnten  diese  wichtigen  Punkte  der  öffentlichen  Gesundheitspflege 
nicht  mit  Stillschweigen  übergehen  und  wir  werden  nicht  anstehen  kömien, 
diesen  A\'ilden  unsere  volle  Anerkennung  zu  zollen.  Ihre  Maassnahmeu  stehen 
ungleich  liöhei-,  als  Vieles,  das  wir  auf  demselben  Gebiete  in  unseren  Dörfern 
und  kleinen  Städten  antreffen,  und  das  in  nicht  geringem  Alansse  zur  A'er- 
lireitung  mancher  Epidemien  l)eizutragen  geeignet  ist. 


XIV. 

Die  kleine  Chirurgie. 


108.  Das  Bliitsaugcn. 

Das  niedicinische  AVisseu  imd  Können  der  Naturvölker,  wie  es  uns 
in  den  vorhergehenden  Abschnitten  entgegengetreten  ist,  musste  uns  mit 
Recht  in  vielen  Fällen  sehr  bedenklich  und  fragwürdig  erscheinen.  Einem 
grossen  Irrthuni  verfielen  wir  aber,  wenn  wir  ihre  chirurgischen  Fähigkeiten 
nach  dem  gleichen  Maassstabe  beurtheilen  wollten.  Mancher  zweck- 
entsprechenden Maassnahme,  zielbewusst  und  wohlüberlegt,  begegnen  wir 
hier,  und  selbst  von  manchem  kühnen  Eingrifte  erfahren  wir,  der  ein  grosses 
Können,  eine  scharfe  Ueberlegung  und  ein  nicht  alltägliches  Handgeschick 
erfordert.  Dass  aber  auch  ihr  chirurgisches  Handeln  in  vielen  Beziehungen 
geleitet  Avird  von  ihren  allgemeinen  Anschauungen  über  die  Natur  und  das 
Wesen  der  Krankheiten,  das  muss  uns  Avohl  natürlich  erscheinen,  und  dieser 
Einfluss  tritt  besonders  häufig  bei  der  kleinen  Chirurgie  zu  Tage. 

Immerhin  ist  es  wohl  zu  begreifen,  dass  der  stete  Kampf  mit  der  um- 
gebenden Natur,  mit  den  Raub-  und  Jagdthieren  und  mit  den  feindlichen 
Nachbarn  den  Naturvölkern  manche  Verletzung  bringen  muss,  deren  un- 
mittelbare Ursache  ihnen  klar  und  deutlich  vor  Augen  liegt.  Hier  bedarf 
es  nicht  der  Anschauung,  dass  eine  Bezauberung  oder  Yerfluchung,  dass 
eine  Besessenheit  das  Kranksein  bedinge;  nun  ist  es  nicht  ein  unbekannter 
Feind,  mächtig,  gewaltsam  und  übernatürlich,  mit  dem  der  schwache  Mensch 
den  Kampf  aufnehmen  soll;  wohlbekannt  ist  die  Aetiologie  und  muthvoU 
Avird  die  Behandlung  begonnen.  Und  mit  der  Häufigkeit  der  Verletzungen 
wuchs  auch  unstreitig  das  chirurgische  Geschick;  mit  dem  bei  Naturvölkern 
meist  sehr  günstigen  Verlauf  vermehrte  sich  aber  auch  der  chirurgische 
Muth,  und  so  werden  Avir  Operationen  begegnen,  die  man  in  den  grossen 
Kliniken  Europas  noch  vor  wenigen  Jahrzehnten  nur  mit  Zagen  unternahm. 

AVir  wollen  uns  in  unseren  Betrachtungen  zuerst  der  kleinen  Chirurgie 
zuwenden,  von  der  wir  übrigens  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  bereits 
die  eine  oder  andere  Maassnahme  angetroffen  haben. 

Ungemein  weit  verbreitet  finden  Avir  die  Gewohnheit,  dem  erkrankten 
Körper  Blut  zu  entziehen.  Man  thut  Avohl  nicht  unrecht,  Avenn  man  die 
Blutentziehuugen  als  ein  Gemeingut  des  gesammteu  ]\[enscliengeschlechts 
betrachtet.  In  der  Art  der  Ausführung  derselben  bestehen  jedoch  mancherlei 
Unterschiede  und  besondere  Vorschriften.  Bald  geschieht  dieses  ohne  vor- 
herige Verletzung  der  Haut,  bald  Averden  irgendAvo  am  Körper  Einschnitte 
oder  Eiukratzuugon  gemacht,  also  eine  Art  von  Scarificationen,  bald  sind 
es  regelrechte  Venaesectiouen,  bald  unserem  Schröpfen  verAvandte  Processe. 


2GG  XIV.    Die  kk-iue  Chirurgie. 

Die  scliiiic'rzl)('rulii!ii;ende  Wirkiiuif  des  Speichels  und  der  Zunge  ist  dea 
Naturkindern  wohlhckjinnt.  Der  arme  Lazarus,  dem  die  Hunde  die  Seliwäreu 
lecken,  Sigurd  der  Drachentödter,  der  den  in  Fafnirs  Blut  verbrannten  Finger 
in  jähem  Schmerze  zum  Munde  führt,  finden  überall  in  der  AVeit  ihre  viel-  ' 
fachen  Analogien.  Von  Einreibungen  mit  Speichel  ist  weiter  oben  schon 
die  Rede  gewesen.  Auch  das  Saugen  an  dem  sclimei-zhaften  Theile  haben 
wir  bereits  kennen  gelernt.  Dass  seine  Wirkung  eine  energische  ist,  das 
wurde  ebenfalls  schon  gesagt.  Liegt  dieser  Procedur  nun  auch  der  Gedanke 
zu  Grunde,  den  bösen  Geist,  das  dämonische  Thier  oder  den  in  den  Körper 
hiueingezauberten  Fremdkörper  aus  dem  Patienten  zu  entfernen,  so  darf 
man  doch  niclit  unberücksichtigt  lassen,  dass  solch  ein  energischer  Sauge- 
process  mindestens  wie  ein  trockener  Schröpfkojjf  wirkt.  Musste  man 
dieses  auch  schon  a  priori  annehmen,  nach  den  Schilderungen,  die  wir 
von  diesem  Saugen  besitzen,  das  nicht  selten  stundenlang  fortgesetzt  wird, 
so  liegen  uns  doch  ausserdem  auch  noch  ganz  bestimmte  Bestätigungen 
hierfür  vor. 

Gihhs  hat  l)ei  den  Nord-Californiern  solch  eine  Saugecur  beschrieben. 
Bei  derselben  hatten  erst  vier  junge  und,  als  diese  ermattet  waren,  vier 
alte  Weil)er  au  dem  Patienten  herumgesogen,  bis  sie  über  seinem  ganzen 
Körper  Beulen  hatten  aufschiessen  lassen.  Das  klassische  Gebiet  dieses 
schröpfenden  Saugens  ist  Australien  und  Amerika.  Von  Afrika  ist 
mir  bisher  keine  derartige  Angabe  bekannt  gew^orden.  und  aus  Asien  wird 
solches  Aussaugen  nur  von  einigen  Inseln  Indonesiens,  z.  B.  von  den 
Andamanen  berichtet. 

Aber  nicht  als  blinder  Schröpfkopf  allein,  sondern  auch  als  Ijlutiger 
wirkt  dieses  Saugen.  Denn  gar  nicht  selten  heisst  es  in  den  Berichten,  dass 
dem  Patienten  Blut  ausgesogen  wird.  Ausnahmsweise  nur  wird  dabei  an- 
gegeben, dass  der  Medicin-Maun  ihn  zuvor  scariticirte ;  und  da  es  anderer- 
seits dann  heisst,  dass  Letzterer  das  ausgesogene  Blut  ausgespien  habe,  so 
kann  ein  Zweifel  nicht  bestehen,  dass  es  sich  nicht  nur  um  ein  Zuführen 
des  Blutes  in  die  Haut,  sondern  um  eine  Blutentziehung  im  w^ahren  Sinne 
des  Wortes  handelt.  Von  den  0  nk  an  ag  an -In  dianern  in  Bri  tisch - 
Columbien  wird  uns  dieses  noch  extra  bestätigt.  Der  Berichterstatter 
sagt,  er  habe  sie  oft  ganze  Mund  voll  Blut  aussaugen  sehen,  ohne  dass  an 
der  Haut  ßine  Spur  zu  erkennen  war.  Auch  in  Californien  saugen  sie. 
bis  das  Blut  fliesst,  und  das  Gleiche  gilt  von  den  Klamath  und  Karoks, 
sowie  von  den  Eingeborenen  Australiens.  Aus  dem  malayi sehen 
Archipel  wird  nun  dieses  Blutaussaugen  von  dem  Serauglao-  und 
Gorong  -  Archipel  und  von  den  Kei-  und  Aaru- Inseln  berichtet; 
auf  den  Letzteren  wird  diese  Methode  direct  als  eine  Art  des  Aderlasses 
bezeichnet. 

Als  einen  Uebergang  zu  der  vorausgeschickten  Scarificatiou  haben  wir 
es  wahrscheinlich  zu  betrachten,  wenn  uns  von  den  Keisar-Insulanern 
berichtet  wird,  dass  sie  auf  die  zu  saugende  Stelle  vorher  Kawi-Blätter 
auflegen.  Die  Menge  des  ausgesogenen  Blutes  lieträgt  dann  manchmal 
zwei  volle  Kalapa-Schalen. 

Das  Aussaugen  der  blutenden  Wunden  ist  nach  Bissen  und  Stichen 
giftiger  Thiere,  z.  B.  von  Schlangen  und  Scorpionen  u.  s.  w.  bei  sehr  vielen 
Yolksstämmen    im   Gebrauch.     Die  Opoates    im    nördliclien  Mexico    üben 


109.    Das  Scarificiren. 


267 


dieses  Aussauj^en  auch  uacli  Pl'eilscliussverletzuiigeii  aus,  und  die  Austral- 
iieger  von  Victoria  haben  die  Gewohnheit,  überhaupt  aus  jeder  frischen 
AVunde  das  Bhit  ansznsaui>;en. 


109.   Das  Scarificiren. 

AVeit  verbreitet  ist  der  Gebrauch,  den  Körper  bei  allerh'i  Beschwerden 
zu  scarificiren.  Die  Scarificationen  werden  je  nach  dem  Bildungsgrade 
des  betreffenden  A^olkes  entweder  mit  ihren  gewöhnlichen  Messern  oder  mit 
scharfen  Splittern  von  Muscheln,  von  Feuerstein  oder  von  01)sidian,  mit 
Glasscherben,  Dornen  und  Fischgräten  ausgefiüirt.  Der  scharfe  Stein- 
sphtter  als  Scarificationsinstrument  wird  uns  von  den  Indianern  Nieder- 
Oaliforniens  und  des  nördlichen  Mexico,  sowie  von  den  Flatheads  und 
den  Mincopies  l)estätigt.  Die  Dacota,  die  Creek-  und  die  "Winue- 
bago-Indianer,  sowie  die  Eingeborenen  von  Alaska  und  die  Karaya- 
Indianer  in  Brasilien  be- 
dienen sich  ihrer  Steimnesser 
hierzu.  Die  A  u  s  t  r  a  1  - 
n  e  g  e  r  i  n  n  e  n  aus  Vi c- 
toria  und  die  Mincopies 
bringen  sich  mit  Glas- 
scherben Schnitte  bei.  Bei 
den  Mincopies  pflegt  die- 
ses Scarificiren  von  AVeibern 
ausgeführt  zu  werden.  Ent- 
weder thut  es  die  Frau  des 
Erkrankten,  oder  eine  an- 
dere weibliche  A^erwandte. 
Die    Süd-Mexicaner  und 

die   Mosquitos    scarificiren    mit   Fischgräten,    und    die  alten  Mexicaner 
wendeten  für  diesen  Z^veck  Dornen  an. 

Die  Karayä-Indiauer  in  Brasilien  fertigen  sich  aber  zum  Scarifi- 
ciren auch  noch  ganz  besondere  Instrumente,  welche  sie  i-saura  nennen. 
Solch  Ai)i)arat  l)esteht  nach  Ehrenreich  „aus  einem  drei-  oder  viereckigen 
Stückchen  Cnyen-Schale  (Fig.  145),  dessen  eine  Fläche  mit  einer  centimeter- 
dicken  AVachs-  oder  Harzschicht  beschwert  ist,  während  der  andere  eine 
Reihe  scharfer  Fischzähnchen  trägt.  Solche  Schröpfer  w^erden  paarweise 
£iufbewahrt,  indem  die  convexe  Kratzfläche  des  Einen  auf  der  concaven  des 
Anderen  liegt.  Die  Zähnchen  schützt  mau  durch  dazwischen  gelegte 
Baumwolle.'" 

„AVährend  der  Patient  sich  krampfhaft  an  einen  Pfahl  festklammert, 
drückt  man  ihm  die  Spitzchen  tief  in  die  Haut  des  leidenden  Körpertheils 
ein  und  ritzt  dieselbe  mit  raschen  Zügen  nach  verschiedenen  Eichtungen 
hin  auf.  Das  Blut  wird  mit  Palmblattstreifen  abgekratzt,  die  AVunden  im 
Bade  mit  Sand  abgerieben.  Nicht  selten  soll  zur  Erliöhung  der  ableitenden 
AVirkung  gestossener  Pfeft'er  aufgelegt  werden." 

Die  Aschanti  schlagen  die  Stelle,  welche  sie  scarificiren  wollen,  mit 
dem  stachlichen  Blatte  einer  bestimmten  Pflanze. 


Fig.  145 


Scarificationsinstrumente  aus  Fischzähnen. 
Karayä-Indianer. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  ßei'lin.  —  Nach  Photographie. 


2G8 


XrV.    Die  kleine   ('liiiuririe. 


Bei   den  Eiiigclxirenon    der  AVatu1)ela-Iiis('hi   im   inalayisclicii  Ar 
cliii^el   Avird   vor  dem  searifieirendeii  Eiuschuitt  an  der  ausgewählten  Stelle 
mit   (Miier  besonderen  Band)uszange  eine  Hautt'alte  in  die  Höhe  genommen. 

Bisweilen  müssen  die  Einschnitte  eine  bestimmte  geometrische  Figur 
bilden,  so  z.  B.  b(>i  den  Lappen  diejenige  eines  kleinen  gleicharmigen 
Kreuzes.  Hiervon  konnte  ich  mich  selbst  überzeugen,  als  ich  einmal  einem 
Lappen  eine  Luxatio  subcoracoidea  zu  reponii-en  hatte.  Er  gehörte  einer 
Hagenbeck' ^v\w\\  Truppe  an. 

Bei  den  Dacota-Indianern  und  denjenigen  von  Canada  macht  der 
Medicin-Mann   dem  Patienten  bisweilen  P^inschnitte  in  die  Haut,    damit  er 

ihm  an  diesen  Stellen  um  so  befjuemt'r 
das  Blut  aussaugen  könne. 


!■'» 

I 


110.   Der  Aclerlass. 

Wir  l)egeguen  aber  auch  bei  den 
Naturvölkern  der  kunstgerechten  Venae- 
section.  Die  Aderlass-Lancette  fertigen 
sich  die  nordamerikanischen  Indi- 
aner aus  einer  Messerspitze  oder  aus 
einem  Feuersteinsplitter,  womit  sie  einen 
Holzgriö'  armireu,  und  die  sie  nur  soweit 
aus  diesem  hervorragen  lassen,  als  er 
in  die  Vene  eindringen  soll.  Entweder 
stechen  sie  dann  freihändig  in  die  Vene 
ein,  oder  sie  setzen  das  Instrument 
auf  dieselbe  auf  und  führen  mit  einem 
Stück  Holz  einen  Schlag  auf  den  Hand- 
griff desselben  aus,  so  dass  die  Spitze 
in  die  Ader  eindringt. 

In  ganz  analoger  "Weise  Avurde  der 
Aderlass  auch  bei  den  alten  Peru- 
anern ausgeführt,  von  Tschudi  sagt: 
„Das  Instrument  dazu  bestand  in 
einem  zugespitzten,  scharfen  Steinsplitter,  der  in  ein  gespaltenes  Hölzchen 
eingeklemmt  und  festgebunden  wurde.  Beim  Aderlasse  wurde  ein  leichter 
Schlag  auf  den  am  gehörigen  Orte  aufgesetzten  Splitter  gegeben,  ähnlich 
wie  es  die  Thierärzte  beim  Aderlassen  von  Pferden,  Kindvieh  u.  s.  w.  machen." 
Einen  Muschelscherben  oder  ein  Stück  Bergkrystall  wenden  die  Eiu- 
gel)orenen  von  Australien  an. 

Die  Kwix})agmut  an  der  Mündung  des  Yukon  in  Alaska  benutzen 
eiserner  Messerchen  zum  Aderlass  (Fig.  14G). 

Einer  originellen  Art,  die  Vene  zu  öffnen,  bedienen  sich  angeblich  die 
Isthmus-Indianer.  ,.Der  0])erateur  schiesst  einen  kleinen  Pfeil  mit  einem 
Bogen  in  verschiedene  Theile  des  Körpers  von  dem  Patienten,  bis  zufällig 
eine  Vene  eröffnet  wird.  Der  Pfeil  wird  in  kurzem  Abstände  von  dem 
Punkte  gehalten,  um  einem  zu  tiefen  Eindringen  vorzubeugen."  Jedenfalls 
steht  diese  Methode  vollständig  vereinzelt  da:    nirgends  in  der  Welt  findet 


Fig.  146.  Aderlass-Messer  der  Kwixpagraut 
in  Alaska. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


111.    Das  Schröpfen. 


269 


sich;  wie  ich  glauhe.  hierfür  irgend  eine  Analogie,  und  das  Verfahren  zeugt 
ohne  Zweifel  von  sehr  geringen  anatomischen  Anschauungen. 

Der  Aderlass  an  den  Armveuen  scheint  auch  von  den  Naturvölkern 
bevorzugt  zu  werden.  Er  wird  uns  von  verschiedenen  Theilen  Australiens, 
sowie  von  mehreren  Indianer-Stämmen  berichtet.  Um  Kopfschmerzen 
zu  bekämpfen,  machen  die  Karayä  in  Brasilien  den  Aderlass  an  der 
Stirnvene.  Die  Indianer  in  Honduras  machen  die  Venaesection  am 
Ober-  oder  Unterschenkel  oder  an  der  Schulter,  und  die  Eingeljorenen  von 
Central-Californien  venaeseciren  am  rechten  Arme,  wenn  die  Erkrankung 
im  Rumpfe  sitzt,  und  am  linken  Arme,  wenn  die  Extremitäten  befallen  sind. 
Die  alten  Peruaner  machten  den  Aderlass  an  den  Venen  der  Nasenwurzel. 
In  Victoria  und  Süd-Australien  ist  der  Aderlass  ein  Vorrecht  der  ver- 
heiratheten  Männer.  Die  Junggesellen  und  das  weibliche  Geschlecht  dürfen 
auch  nicht  einmal  Augenzeugen  dieser  feierliclien  Handlung  sein. 


Fig.  147.     Medicin-Mann  der  Chippeway-Indianer,  die  Krankheit  aussaugend. 

Nach  Iloffman. 

Von  den  persischen  Chirurgen  oder  Badern  wird  der  Aderlass  häuhg 
ausgeübt;  der  Aj'zt  hält  ihn  unter  seiner  "Würde.  „Die  Ader  wird  mittelst 
einer  sehr  feineu  pfriemenartigen  Lancette  (nischter)  geöffnet,  nachdem 
vorher  der  01)erarm  mit  einem  dünnen  Lederbändchen  festgeschnürt  und 
dem  zu  Operirenden,  damit  er  die  Finger  bewege,  eine  Kugel  in  die  Hand 
gegeben  worden.  Man  hat  besondere  Anzeichen  für  die  bäsilik  (vena 
basilica),  die  keifäl  (v.  zephalica),  die  säfen,  die  salvatella  und  ramina. 
An  Tagen,  an  welchen  es  nach  der  Berechnung  der  Astrologen  besonders 
gut  ist.  zur  Ader  zu  lassen,  fliesst  in  der  Rinne  vor  den  Barbierstuben  das 
Blut  buchstäbUch  in  Strömen." 


•  111.  Das  Schröpfen. 

Eine  ganz  ausserordentlich  weite  Verbreitung  hat  l)ei  den  Naturvölkern 
auch  das  Schröpfen  gefiuulen;  die  Art  der  Ausführung  ist  aber  für  gewöhn- 
lich in  hohem  Grade  verschieden  von  der  bei  uns  gebräuchlichen.  Als 
Schröpfkopf  fuugii-t  direct  oder  indirect  gewöhnlich  der  Mund  des  Mediciu- 


270 


XIV.    Die   kleiiio   ('hinir<rie. 


1 


Mjtimes.  AVir  liabeii  ihre  Methoden  des  directen  Saugens  an  den  be- 
troffenen Stellen  ja  oben  bereits  ausluhrlich  besprochen  und  brauchen  darauf 
nicht  wieder  zurückzukoninien.  Hier  interessiren  uns  nur  solche  Eingriffe, 
wo  ein  besonderes  Hnlfsinstrument  in  Anwendung  kommt,  wenn  auch  im 
üebrigen  des  Medicin-]\r:innes  ]\[und  den  Haupttheil  der  Arbeit  zu  leisten  hat. 
B(!i  den  Navajo-lndianern  in  Arizona  und  einigen  ihnen  benach- 
barten Stämmen  bedient  sich  der  dem  Mi  de- Orden  angehörende  Medicin- 
Manu  zum  Aussaugen  der  Krankheit  eines  besonderen  knöchernen  Rohres, 
das  er  ähnlich  einem  Stethoscop  auf  die  erkrankte  Stelle  setzt.  Die  gleiche 
Afetliodo  ist  bei  den  Mi  de  der  Chippeway-Indianer  (Fig.  147)  ge- 
bräuchlich. In  Alaska  nimmt  man  hierzu  die  Tibia  oder  den  Flügel- 
knochen eines  Adlers.  Wir  müssen  hierin  bereits  den  Uebergang  zu  einem 
wirklichen  Schröpf-Iustrumente  erkennen. 

Diejenigen  Völker  nun,  welche  sich  zum  Schröpfen  eines  besonderen 
"Werkzeuges  bedienen,  benutzen  dazu  gewöhnlich  ein  Ochsen-  oder  Büffel- 
horn,  beziehungsweise  das  obere  Ende  eines  solchen.  Die  Spitze  ist  mit 
einem  kleinen  Loche  dui'chl^ohrt;    an  ihr  ward  gesogen,  um  einen  luftleeren 

Raum  herzustellen,  und  wenn  dieses  ge- 
schehen ist,  so  wird  die  kleine  Oeffnung 
schnell  mit  einem  Stückchen  Wachs 
verschlossen.  Diese  Methode  üben  z.  K. 
die  Haussa  in  Nord-Afrika  (Fig. 
148)  und  die  Kaffern  und  Basutho 
in  Süd -Afrika,  die  Eingeborenen 
der  Luang-  und  Sermata-Inseln 
und  der  Inseln  Leti,  Moa  und 
Lakor  im  malayischen  Archipel, 
und  auch  die  Winnebagos,  die 
Creek-  und  die  Dacota-Indianer 
in  Nord-Amerika. 
Von  den  Marutse  in  Süd -Afrika  schreibt  Holub:  „Oertliche  Blut- 
entziehungen mit  Metall-,  Hörn-  und  Knochenmessern  bewirkt,  und  das 
Blut  mit  Hornsaugröhren  ausgesogen,  fand  ich  wie  unter  den  Betschuanas 
gemein  und  gewöhnlich  an  den  Schläfen,  Wangen,  Oberarmen,  der  Brust 
und  an  den  Schultern  applicirt.  Es  soll  Schmerzen  an  diesen  Körpertheilen 
mildern;  wie  ich  bemerken  konnte,  meinte  man  hiermit  Neuralgien  sowohl 
als  Entzündungsschmerzen  der  betreffenden  oder  der  Nachbarorgane." 

Aus  Marokko  hat  Max  Quedenfeldt  einen  Schröpf  köpf  (Fig.  149)  mit- 
gebracht, welcher  das  gleiche  Princip  in  vervollkommneter  Weise  darstellt. 
Der  Schröpf  köpf  ist  aus  Messing  und  hat  die  Form  eines  hohen,  aber  nur 
sehr  schmalen  Bechers;  seine  Höhe  beträgt  ungefähr  12  cm.  bei  einem 
Durchmesser  von  höchstens  4  cm.  Aus  seinem  unteren  Drittheil  geht  seit- 
lich in  horizontaler  Richtung  ein  schmales,  leicht  gebogenes  Rohr  hervor, 
länger  als  die  Höhe  des  Schröpfkopfs.  Wenn  der  Schröpfkopf  aufgesetzt 
ist,  so  muss  der  Scliröpfeude  an  dem  Ende  dieses  Messingrohres  saugen, 
um  so  die  Luft  im  Schröjjfkopf  zu  verdünnen.  Der  Name  dieses  Instru- 
mentes ist  el-korära.  hi  Marokko  sind. aber  auch  gläserne  Schröpfköpfe 
im  Gebrauch,  die  ganz  nach  Art  der  unsrigen  mit  Hülfe  brennender  Papier- 
streifen luftleer  gemacht  werden. 


7ig.  148.     Schröpfkopf  der  Haussa. 

Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin. 

Nach  Photographie. 


112.    Die  Ritual-Operationen. 


271 


Der  imblutige  Scliröpfkopf  bei  den  Persern  wird  mit  dem  Namen 
Kuze,  d.  h.  Krug,  bezeichnet:  „Man  drückt  einen  Teig  glatt  auf  die  be- 
treffende Körjj erstelle,  legt  ein  angezündetes  Kerzeben  oder  ein  Stück  Baum- 
wolle darauf  und  lässt  dieses  unter  einem  darüber  gestürzten  Krug  von 
H — 4  Zoll  Mündungsweite  verbrennen." 

Auf  den  Inseln  Leti,  Moa  und  Lakor  wird  die  ausgewählte  Stelle 
zuerst  blind  geschröpft,  dann  scarificirt  und  darauf  das  Schröpfhorn  noch 
einmal  aufgesetzt,  um  nun  das  Blut  zu  entziehen. 

Ausser  der  vorher  erwähnten  Methode  des  blinden  haben  die  Perser 
auch  noch  das  blutige  Schröpfen,  für  welches  sie  als  Schröpf  köpf  (hed- 
schämeh)  sich  ebenfalls  eines  Hornes  l)edienen.  Auch  hierüber  erstattet 
uns  Polak  Bericht:  ..Zwischen  den  Schulterblättern  ist  der  Körper  fast 
jeden  Persers  ganz  mit  Striemen  durchfurcht.  Anfangs  glaubte  ich,  die- 
selben rührten  von  Rutheustreichen  her,  bis  ich  sah,  dass  Streiche  aus- 
schliesslich nur  auf  die  Fusssohlen  ertheilt  wurden,  und  nun  Schröpf- 
narben in  den  Striemen  erkannte.  Das  Verfahren  ist  im  ganzen  Orient 
noch  dasselbe,  wie  zu  den  älte- 
sten Zeiten  der  Aegypter. 
Man  macht  die  Schnitte  mit 
einem  Easirmesser  und  stülpt 
ein  Hom  darüber,  wodurch  das 
Blut  herausgezogen  Avird.  Mit 
Bezug  auf  dieses  Verfahren 
lautet  daher  die  Ordination 
des  Ai'ztes  „ein  l)is  drei  Hörn 
Blut". 


113.  Die  Ritual-Operationen, 


Fig.  149.    Schröpfkopf  aus  Marokko. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


Wir  dürfen  an  dieser  Stelle 
auch  die  rituellen  Operationen 

nicht  unerwähnt  lassen,  denn  sie  gehören  zum  grösseren  Theile  in  das  Gebiet 
der  kleinen  Chirurgie,  und  meistens  ist  es  auch  nicht  der  eigentliche  Medicin- 
Mann,  sondern  nur  ein  niederes  Heilpersonal,  welches  sich  mit  ihnen  be- 
schäftigt. Die  Operateure  für  das  weibliche  Geschlecht  sind,  wo  wir  diese 
Operationen  antreffen,  wohl  durchgehends  bestimmte  Weiber.  Bei  dieser  so- 
genannten Beschneidung  der  Mädchen  handelt  es  sich  auf  einigen  Inseln 
des  malayischen  Archi2iels  nur  um  das  Abschneiden  eines  Stückchens 
von  dem  Praeinitium  clitoridis.  Bei  den  ostafrikanischen  Völkern  aber 
werden  Theile  des  Mons  Veneris  sowie  der  grossen  Labien  excidirt,  ge- 
meinhin mit  schmutzigen  Rasirmessem.  Durch  passende  Lagening  mit  ge- 
schlossenen Beinen,  oder  selbst  bisweilen  durch  eine  Xath  wird  eine  Ver-* 
Schmelzung  der  beiden  Wundflächen  und  dadurch  auch  ein  Verschluss  der 
Vulva  erzielt.  Ein  eingelegtes  Röhrchen  sorgt  dafür,  dass  die  Verwachsung 
keine  vollkommene  wird,  so  dass  eine  Oeffnung  für  die  Entleerung  des  Urins 
zurückbleibt.  Das  liezeiclmet  man  als  die  Iufi])ulation.  Für  die  Ver- 
heirathung  wird  die  Verwachsung  zum  Theil  und  später  für  die  Entbindung 
vollständig    auf  l)lutigom    AVege    wiederaufgetrennt.      Nach    glücklich    über- 


272 


X  I  \'.     Die   kleine  Chirurgie. 


1 


standeueiu  Woclienhett  wird  häutig  die  lutibulatiou  wiederholt.  Ausführ- 
liches über  diesen  (xegeustaud  habe  ich  iu  meiner  Bearbeitung  des  P/oss'schen 
Werkes:  Das  AVeil)  in  der  Natur-  und  Völkei'kunde  zusammengestellt 
lieber  die  allbekannte  Beschneidung  der  Knaben  braucht  hier  nur  wenig 
gesagt  zu  werden,  im  nördlichen  und  centralen  Afrika  und  bei  den  moliani- 
medanischen  Vülksstämmeu  Asiens  wird  sie  ebenfalls  meist  mit  Rasir- 
messern  ausgeführt.  Die  alttestamentarischen  Juden  schei- 
nen Feuersteiumesser  dazu  l)enutzt  zu  haben.  In  dem 
malayischen  Archipel  pflegt  ein  scharfer  Bambusspalm 
als  Operationsinstrument  zu  dienen. 

In  dem  letztgenannten  Inselgebiet  hat  man  aber  zwei 
Methoden  der  Beschneidung.  Die  eine  besteht  in  der  all- 
bekannten Art.  in  der  circuläreu  Al)tragung  des  Präputium. 
Bei  der  anderen,  z.  B.  auf  der  Insel  Serang  gebräuchlichen 
Art  zieht  ein  alter  Mann  dem  Jünglinge,  der  beschnitten 
werden  soll,  das  Präputium  so  weit  wie  möglich  vor  und 
schiebt  ein  Stück  Holz  iu  die  Oeffnung  hinein.  Darauf 
setzt  er  ein  Messer  in  der  Längsrichtung  auf  die  Vorhaut 
und  schlägt  auf  dieses  mit  einem  anderen  Stück  Holz.  Auf 
diese  Weise  wird  dann  nur  eine  Längsspaltuug  der  Vor- 
haut, aber  nicht  eine  circuläre  Abtragung  derselben  aus- 
geführt. Die  Blutstillung  nach  den  Besclmeidungen  wird 
meistens  mit  sehr  einfachen  Mitteln,  entweder  durch  eine 
Art  der  Tamponade,  oder  durch  Bestreuen  mit  styptischen 
Pulvern  iu  zufriedenstellender  Weise  herbeigeführt. 


113.   Kosmetiselie  Operiitioncii. 

AVir  haben  hier  noch  einer  Anzahl  anderweitiger  o[)era- 
tiver  Eingriffe  zu  gedenken,  welche  in  den  allermeisten 
Fällen  sich  auch  in  den  Händen  besonderer,  nicht  eigent- 
lich medicinisch  geschulter  Specialisten  befinden.  Es  sind 
das  die  kosmetischen  Operationen.  Dieselben  dienen  be- 
kanntlich dazu,  den  Körper  je  nach  den  herrschenden 
Schönheitsbegriifen  in  seiner  äusseren  Erscheinung  zu  ver- 
vollkommnen. Die  Ausführung  der  Operation  ist  gewöhnlich 
mit  einem  Feste  verbunden  und  entweder  wird  das  kindliche 
Alter  oder  das  Alter  der  Pubertät  als  der  Zeitpunkt  für  das 
Operiren  gewählt.  Das  ist  besonderen  Gesetzen  unterworfen. 
Die  Art  und  Weise  des  Operireus  soll  hier  nicht  näher  geschildert 
werden;  sie  ist  ja  auch  hinreichend  bekannt  und  vielfach  schon  erörtert 
forden.  Auch  liegt,  wde  das  ja  bereits  betont  worden  ist,  keiner  einzigen 
von  diesen  Operationen  ein  eigentlicher  Heilzweck  zu  Grunde,  sondern  alle 
sind  sie  ausschliesslich  nur  dazu  bestimmt,  die  körperliche  Schönheit  zu  er- 
höhen. Es  sind  nur  die  Rücksichten  der  Vollständigkeit,  welche  für  ihre 
Aufzählung  an  dieser  Stelle  die  Veranlassung  abgeben. 

Zuerst   sind   zu   nennen    die  schmückenden  Einschnitte,    mit  denen  an 
bestimmten  Körperstellen  iu  regelmässiger  Weise  die  Haut  durchtrennt  wird. 


Fig.  150.     Instru- 
ment der  Ha  118  sa, 
zum  Ausziehen  von 
Dornen. 

Mus.  f.  Völkerkunde, 

Berliu. 
Nach  Photograpliie. 


113.    Kosmetische  Operationen. 


273 


Die  nach  dieser  Operation  zurückbleibenden  Narben  bilden  dann  ein  helles, 
oft  geometrisches  Muster  auf  den  gewöhnlich  dunkelfarbigen  Körpern  der 
so  Yerschönerten.  In  vielen  Fällen  ist  es  erwünscht,  diese  Narben  erhaben 
erscheinen  zu  lassen.  Die  sofortige  Verheilung  der  fiischen  Einschnitte  wird 
dann  auf  das  Sorgfältigste  verhindert  und  in  die  Wunde  streut  man  noch 
besondere  Irritantia  ein,  um  eine  möglichst  massige  Narbe  entstehen  zu 
lassen.  Das  giebt  dann  die  leistenförmig  oder  knopfförmig  hervorspringenden 
Narben  Wülste,  nach  langer  schmerzhafter  Leidenszeit  ein  grosser  Schmuck 
für  den  viel  beneideten  Besitzer, 

Zahlreiche  kleine  Verletzungen  mit  stechenden  Instrumenten,  welche 
zuvor  in  einen  Farbstoff  «getaucht  wurden,  bilden  bekanntlich  das  Wesen 
der  Tätto wirung.  Diese  Art  der  Verschönerung  hat  ja  auch  unter  den 
sogenannten    civilisirten  Nationen    eine   nicht   geringe  Zahl   von  Verehrern, 


Fig.  151.   Kleines  Operations-    Fig.  152.    Scheeren  vom  Heu-    Fig.  153.   Instrument  der  Da- 
messer der  Haussa  (West-    schreekenkrebsz. Eröffnen v.Ge-    yaken  (Borneo),  zum  Eröff- 
Afrika).  schwüren,  aufYap (Carolinen).  nen  von  Abscessen, 

Mus.  f,  Völkerkunde,  Berlin.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.      K.k.Naturhist. Hofmuseum.Wien. 

Nach  Photographie.  Nach  Photographie.  Nach  Photographie, 

Mit  nadelartigen  Instrumenten,  von  denen  entweder  ein  einzelnes  oder 
mehrere  mit  einander  vereinigte  zur  Anwendung  kommen,  werden  die  Ein- 
stiche freihändig  gemacht.  In  der  Südsee  befolgt  man  aber  eine  etwas 
andere  Methode.  Hier  haben  sie  ganz  kleine,  einem  Miniaturkamm  ähn- 
liche Instramente,  welche  rechtwinklig  an  einem  Handgriffe  befestigt  sind, 
Ihre  Zinken  werden  in  den  Farbstoff  getaucht  und  dann  auf  die  auserwählte 
Körperstelle  aufgesetzt;  ein  Schlag  mit  einem  hölzernen  Schlägel  treibt  nun 
das  Instrument  in  die  Haut  hinein. 

Zu  erwähnen  ist  nun  auch  noch  die  Herstellung  von  jenen  Dui'ch- 
bohrungen,  in  welche  Schmucksachen  hineingesteckt  oder  eingehängt  werden 
sollen.  Primitive  Messer,  spitze  Knochen  und  Domen  dienen  als  Opera- 
tionsinstramente.  Solche  Durchbohi'ungen  bringen  sie  an  in  der  Nasen- 
scheidewand und  im  Nasenflügel.  Ersteres  ist  in  Neu-Caledonien  und 
in  Australien   und   Letzteres   in    Indien   eine   weitverbreitete  Sitte,     Die 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  18 


274  XIV.    Die  kleine  Chirurgie. 

Olirniuscliel  muss  auf  verschiedene  Weise  herhalten,  und  sie  wird  bisweilen 
über  den  ganzen  Helix  hin  mit  einem  System  von  Durchbohrungen  verziert. 

Auch  die  Ober-  und  Unterlippe  entgeht  nicht  diesem  Triebe  der  Ver- 
schönerung. Manchmal  ist  es  ihr  mittlerer  Tlieil,  bisweilen  aber  auch  die 
beiden  Seiten,  in  deren  künstlich  gemachte  Löcher  dann  Schmuckknöpfe 
oder  Schniuckzapfen  hineingesteckt  werden.  Aus  den  kleinen  Stichöiihungen 
verstehen  die  Wilden,  durch  die  Federkraft  zusammengerollter  Blätter  u.  s.  w., 
von  denen  immer  grössere  hineingesteckt  werden,  allmählich  Löcher  von 
enormem  Durchmesser  zu  erzeugen.  Auch  hierüber  findet  der  Leser  Ge- 
naueres in  meiner  mehrfach  citirten  Bearbeitung  des  AVerkes  von  Heinrich 
Ploss  über  das  Weib. 

Diu"chbohrungeu  der  Glans  penis  werden  von  einigen  Naturvölkern 
ebenfalls  vorgenommen.  Man  schiebt  in  dieselben  zu  erotischem  Zwecke 
dann  besondere  kleine  Heizapparate  ein.  In  ähnlicher  Absicht  machen 
Andere  einen  Einschnitt  in  die  Rückenhaut  des  Penis  und  schieben  kleine 
Steine  und  andere  Fi^emdkörper  unter  dieselbe,  um  sie  daselbst  einheilen 
zu  lassen.    Die  Heimath  dieser  bestialischen  Gebräuche  ist  der  malayische 

Archipel. 
,„i  „^t^^i^^i^wi  ^^-,  V.  Mikluclio-Maclay  berichtet, 

''^^^^^^^^^^^^s-"^  (jgj.  Harnröhrenmündung  aus  eine 

Fig.  154.   Zahuzange  der  Haussa  (West-Afrika),    mediane  Spaltung  der  Glans  penis 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  -  Nach  Photographie.       ^j^  i^j-er  Unterseite  vorgenommen 

wird.  Auch  diese  Operation  wird 
ausgefühi't,  um  das  Wollustgefühl  beim  Coitus  zu  erhöhen.  Dieselbe  ist 
aber  nicht  zu  verwechseln  mit  der  Mika-Operation,  auf  die  wir  noch  zu- 
rückkommen müssen. 


114.  Die  Entfernung-  fremder  Körper  und  die  Behandlung  der 

Abseesse. 

Kaum  als  chirurgische  Operation  zu  bezeichnen  ist  die  Entfernung  klei- 
ner Fremdkörper  aus  der  Haut,  wie  Dornen,  Stacheln,  Splittern,  s.  w., 
oder  kleiner  Insekten,  z.  B.  der  so  unbequemen  und  nicht  selten  sogar  ge- 
fährlichen Sandflöhe.  Auch  der  Medina-Wurm  ist  hier  anzuschliessen. 
Hiervon  befi-eit  wohl  fast  Jeder  sich  selbst  und  nur  in  seltenen  Ausnahme- 
fällen wird  dafür  fachmännische  Hülfe  beansprucht.  Als  Instrument  dient 
irgend  ein  Dorn  oder  sonst  ein  scharfspitziger  Gegenstand.  Bei  den  Ka- 
rayä-Iudianern  in  Brasilien  sind  dafür  scharfe  Fischzähne  im  Gebrauch. 

Der  Absonderlichkeit  wegen  mag  eine  Sitte  aus  Cambodja  hier  an- 
geführt werden.  Man  hält  daselbst  für  das  einzige  Mittel,  um  eine  in 
der  Kehle  steckengebliebene  Fischgräte  zu  entfernen,  das  Trinken  desjenigen 
Wassers,  in  welchem  sich  Jemand  die  Füsse  gewaschen  hat,  der  mit  den 
Füssen  voran  geboren  wurde. 

Die  Haussa  im  nordwestlichen  Afrika  haben  zum  Dornausziehen  eine 
eiserne  Pincette  (Fig.  150)  mit  kurzen  Armen  und  mit  einem  sehr  langen 
Stiele,  welcher  dicht  mit  einem  Lederstreifen  umwunden  ist. 


114.    Die  Entfernung  fremder  Körper  und  die  Behandlung  der  Abscesse.     275 


Die  Behandlung  von  Abscessen  fällt  aber  meistens  sachverständigen 
Händen  zu.  Ganz  ähnHch,  wie  bei  uns,  pflegt  das  erste  Mittel,  zu  dem 
gegriffen  wird,  ein  Kataplasmiren  der  befallenen  Stelle  zu  sein.  Wir  finden 
dieses  in  Australien,  auf  der  Osterinsel,  aufEngano,  bei  den  Aschanti 
und  bei  mehreren  Indianer-Stämmen  in  Nord-Amerika.  Heisse  oder 
zerquetschte  Blätter,  oder  andere  schmierige  und  breiige  Substanzen  liefern 
das  Material  dazu.  In  Süd-Californien  und  in  Victoria  werden  auch 
Waschungen  der  erkrankten  Stelle,  bei  den  Dacota-Indianern  Einsal- 
bungen  und  in  Süd-Australien  und  bei  den  Aschanti  Pflaster  an- 
gewendet. In  Australien  und  auf  Engano  legt  man  auch  heisse  Asche 
auf,  und  bei  den  Bilqula  und  anderen 
Indianer-Stämmen  wird  die  Stelle  auch 
wohl  cauterisirt. 

In  Nieder- Californien  pflegt  der 
Medicin-Mann  das  Greschwür  durch  Saugen 
zu  zersprengen.  An  dem  Frazer  Biver  in 
Nordwest- Amerika  wird  das  Geschwür 
mit  plumpem  Messer  scarificirt.  Auch  die 
Bilqula  schneiden  dasselbe  mit  einer  Reihe 
paralleler  Incisionen  ein,  und  die  Austral- 
neger  von  Victoria  öffnen  hartnäckige 
Abscesse  mit  ihrem  Knochenmesser. 

Die  Südsee-Insulaner  von  Tahiti, 
Samoa,  Tonga  und  den  Loyalitäts- 
Inseln  eröfi'nen  ihre  Geschwüre  und  Fu- 
runkel und  sogar  tiefsitzende  Abscesse  mit 
denselben  rohen  Werkzeugen,  wie  sie  sie 
auch  zur  Blutentziehung  benutzen,  d.  h. 
mit  scharfen  Steinsplittern,  mit  Glas-  und 
Muschelscherben,  mit  grossen  Dornen  und 
mit  Haitischzähnen.  Hamilton  sah  auf  den 
Nicobaren,  wie  die  Unterkinnlade  eines 
Fisches  mit  scharfen  Zälmen  auf  eine  Ge- 
schwulst aufgesetzt  und  dann  mit  einem 
Stocke  darauf  geschlagen  wurde.  Es  er- 
folgte eine  heftige  Blutimg,  danach  aber 
baldige  Heilung.  Auf  der  Karolinen- 
Insel  Yap  ist  zum  Eröffnen  von  Ge- 
schwüren die  gezahnte  Scheere  eines  Heuschreckenkrebses,  einer  Squilla 
im  Gebrauch  (Fig.  152). 

Von  den  Haussa  wird  für  diese  Zwecke  der  kleinen  chirui'gischen 
Operationen  ein  kleines  Messer  (Fig.  151)  benutzt.  Es  hat  die  Form  einer 
kleinen  Lancette,  deren  Spitze  abgeschliffen  ist.  Mit  seinem  Talon  steckt 
es  fest  in  einem  Holzgriff,  welcher  ungefähr  die  fünffache  Länge  von  der 
kleinen  eisernen  Klinge  besitzt.  Dieser  Griff  ist  aber  noch  vollständig  mit 
einem  groben  Stofl"  umwickelt,  so  dass  von  ihm  gar  nichts  zu  sehen  ist. 

Die  Dayaken  in  Borneo  bedienen  sich  zum  Erötfnen  von  Fmnmkeln 
und  Abscessen  einer  holzigen  Wurzel  (Fig.  153),  welche  sie  Pinjampo  nennen 
und  der  sie  durch  Zuschneiden  und  Glätten  eine  Form  gegeben  haben,  die 

18* 


Fig    155.   Zahnärztliches  Besteck  der 

Haussa. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Pliotogi-aphie. 


'6 


XI \'.    Die  kleine  Chirurorie. 


au  eineu  grossen  Angelhaken  erinnert.  Das  Instrument  bietet  eine  ganz 
gute  Handhabe  und  der  kleine  widerhakenartige  Fortsatz  dient  vermuthlich 
dem  Daumen  zur  Stütze,  wenn  die  Faust  den  Griff  umklammert,  um  die 
Spitze  in  den  Abscess  einzusenken.  Auch  zur  Behandlung  schmerzhafter 
Körperstellen  bedienen  sie  sich  desselben  Instramentes ;  diese  werden  ki'äftig 
damit  betupft,  weil  die  Dayaken  glauben,  dass  sie  auf  diese  "Weise  den 
Schmerz  aus  dem  Körper  herausziehen  könnten. 

Von  den  Kirgisen  berichtet  Pallas,  dass  sich  l)ei  ihnen  harte  Ge- 
schwülste entwickeln.  Es  kann  nach  der  Beschreibung  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  dieses  Milzbrandcarbunkel  sind.  Die  Behandlung  schildert  er 
folgendermaassen :  ..Die  unter  dem  gemeinen  Volke  übliche  Cur,  da  nämlich 

die  harte  und  fast  knorpligte  Ge- 
schwulst mit  einer  langen  Nadel 
verschiedentlich  diu'chstochen  und 
mit  einer  Vermischung  von  Ta- 
bak mit  Salmiak  eingerieben,  dem 
Kranken  aber  alles  kalte  Getränk 
und  gewisse  Speisen  aufs  schärfste 
verboten  werden." 

Von  den  Australnegern 
in  Victoria  werden  bisweilen 
die  Geschwüre  einfach  umbunden. 
Bei  den  Fullah  vom  RioNunez 
legt  man  bei  Geschwüren  an  den 
Extremitäten  feste  Umbindungen 
oberhalb  derselben  an.  Sie  glau- 
ben auf  diese  Weise  zu  verhin- 
dern, dass  das  schlechte  Blut  zum 
Herzen  gelangen  könne.  Corre 
fand  dort  eine  Ulceration  durch 
Compression  mit  einer  Kupfer- 
platte in  Behandlung. 


Fig.  156.    Mann  der  Bawenda,    dem  beim  Aus- 
meisseln  eines  Zahnes  der  Kiefer  durch  die  Wange 

getrieben  wurde. 

Nach  Photographie. 


115.  Die  Zahnhellkunde. 


Sollen  wir  die  kleine  Chirurgie 
vollständig  behandeln,  so  müssen 
w^ir  im  Anschluss  an  die  Abscesse  auch  noch  von  der  Zahnheilkunde  ein  Paar 
Worte  sagen.  In  den  Berichten  über  die  Naturvölker  ist  sehr  häufig  auch 
von  den  Zähnen  die  Rede,  da  es  nicht  selten  bei  ihnen  gebräuchlich  ist, 
an  ihren  Zahnreihen  dm'ch  Ausfeilungen,  Ausmeisselungen  oder  durch 
Ausschlagen  sogenannte  Verschönerungen  vorzunehmen.  Von  diesen  zu 
sprechen  ist  hier  nicht  der  Ort,  da  sie  nicht  zu  Heilzwecken  ausgeführt 
werden.  Es  muss  uns  aber  überraschend  sein,  dass  wir,  gerade  da  so  viel- 
fach die  Emailschicht  der  Zähne  verletzt  und  zerstört  wird,  so  wenig  über 
Zahnoperatiouen  und  Ki^ankheiten  der  Zähne  hören. 

Die  Behandlung  der  Zahnschmerzen  bei  den  Australnegern  Victo- 
rias haben  wir  oben  bereits  besprochen.    Sie  bestand  in  Bananen-Umschlägen 


llö.    Die  Zahnheilkunde.  277 

oder  in  tagelanger  EinspeiTung  des  Kranken.  Ein  Amulett,  das  Zahn- 
schmerz vertreibt,  hatten  wir  von  den  Giljaken  kennen  gelernt.  Es  ist  in 
Fig.  120  abgebildet.  Wir  sehen  da  einen  kleinen  Menschenkopf  in  roher 
Ausführung  in  Holz  geschnitzt,  dessen  ganze  untere  Gesichtshälfte  durch 
einen  herumgelegten  Lappen  eingehüllt  wird. 

Aus  Sokotö  von  den  Haussa  hat  Robert  Flegel  Instrumente  zur 
Zahnoperation  mitgebracht.  Das  Eine  derselben,  mit  Namen  Massassaki, 
wird  zum  Lockern  des  Zahnfleisches  benutzt.  Die  anderen  Instrumente 
sind  Zangen,  Awarteki  genannt  (Fig.  154),  mit  welchen  die  Zähne  aus- 
gezogen werden.  Füi^  dieses  Armamentarium  besitzen  sie  ein  besonderes 
kleines  Lederfutteral  (Fig.  155). 

Sehr  roh  ist  die  Behandlung  kranker  Zähne  bei  den  Bawenda  im 
nördlichen  Transvaal.  Sie  suchen  sie  mit  ihren  Assegaien-Spitzen  oder  mit 
Meisselschlägen  aus  dem  Kiefer  zu  entfernen.  Mit  welcher  Gewalt  sie  dabei 
zu  Werke  gehen,  das  zeigt  die  Photographie  eines  armen  Patienten  (Fig.  156), 
dem  bei  einer  solchen  Gelegenheit  ein  grosses  Stück  des  horizontalen  Unter- 
kiefer-Astes durch  die  Weichtheile  der  Wange  hindurchgetrieben  wurde. 


XV. 

Die  grosse  Chirurgie. 


116.  Allgemeines. 

Ein  Capitel,  das  von  der  grossen  Chirurgie  der  uncivilisirten  Volks- 
stämnie  handelt,  kann,  wie  sich  das  wohl  von  selbst  versteht,  nur  eine  sehr 
geringe  Ausdehnung  besitzen.  Denn  es  muss  uns  ja  nur  mit  Verwunderung 
erfüllen,  dass  sich  über  diesen  Gegenstand  überhaupt  etwas  berichten  lässt. 

"Wir  stehen  hier  einem  Probleme  gegenüber,  dessen  Lösung  wohl  kaum 
je  gelingen  wird.  Ueberrascht  uns  bei  den  Naturvölkern  gewöhnlich  die 
Indolenz,  selbst  schweren  Erkrankungen  gegenüber,  wofür  nur  eine  ihnen 
innewohnende  hochgradige  Unkenntniss  der  normalen  und  pathologischen 
Lebensvorgänge  die  einzige  Erklärung  zu  bieten  scheint,  so  liegen  wiederum 
andererseits  Avohlbeglaubigte  Fälle  von  Operationen  vor,  welche  überhaupt 
nur  erdacht  werden  können,  wenn  die  Vorstellungen  von  dem  anatomischen 
Bau  des  Körpers  und  von  den  physiologischen  Eigenschaften  seiner  einzelnen 
Organe  doch  schon  ziemlich  hochentwickelte  sind,  immerhin,  wie  wir  es  nur 
gestehen  wollen,  höhere,  als  wir  sie  unter  den  civilisirten  Nationen  selbst 
bei  gebildeten  I^aien  voraussetzen  dürfen.  Ausserdem  gehört  zu  diesen 
Operationen  ein  nicht  unbedeutender  chirurgischer  Muth  und  ein  Vertrauen 
auf  das  eigene  Können,  das  durch  die  unvermeidlichen  Schwierigkeiten, 
welche  bei  jedem  grösseren  operativen  Eingriff  unvorhergesehen  hervortreten 
können,  sich  auch  nicht  in  dem  geringsten  Maasse  aus  der  Ruhe  und 
Fassung  bringen  lässt. 

Wie  dieses  ßäthsel  zu  lösen  ist,  vermögen  wir,  wie  gesagt,  bisher  noch 
nicht  anzugeben.  Wir  stellen  hier  nm*  diese  merkwürdige  Thatsache  fest 
und  wir  wollen  sofort  dazu  schreiten,  an  der  Hand  der  uns  vorliegenden 
Berichte  die  chirurgischen  Maassnahmen  der  Naturvölker  einer  genaueren 
Betrachtung  zu  unterziehen. 

Das,  was  für  den  Chirurgen  natürlicher  Weise  in  allererster  Linie  in 
Frage  kommen  muss,  das  ist  die  Behandlung  seiner  Stammesgenossen,  wenn 
sie  eine  Verwundung  erlitten  haben.  Darum  wollen  wir  die  Besprechung, 
wie  diese  Leute  die  Wunden  behandeln,  auch  den  übrigen  Dingen  voraus- 
gehen lassen. 


282  XV.    Die  grosse  Chirurgie. 


117.  Die  Wundbehandlung. 

lieber  die  Wundbeliaudlung  der  Natui'völker  sind  die  uns  zur  Ver- 
fiigunfT  stehenden  Nachrichten  nicht  sehr  aiisgiel)ig.  Es  hat  den  Anschein, 
als  wenn  sie  im  Ganzen  sehr  wenig  ITiiistände  damit  machen.  Sie  verlassen 
sich  dabei  wahrscheinlich  auf  ihre  glückliche  Heilfähigkeit,  die  diese  Natur- 
kinder fast  ausnahmslos  vor  den  civilisirteu  Nationen  auszeichnet.  Und  so 
bekümmern  sie  sich  entweder  gar  nicht  um  ihre  Wunden,  wie  die  Flathead- 
Indianer,  die  Süd-Australier  und  die  Eingeborenen  von  Neu-Guinea. 
oder  sie  bedecken  sie  mit  einer  Art  von  Kataplasmen,  die  aus  allerlei  Blättern 
oder  aus  dem  saftigen  Baumbast  gefertigt  werden.  Dieses  letztere  Verfahren 
wird  von  den  Karok-  und  von  den  Dacota-Indianern,  von  den  Süd- 
Californiern,  den  Eingeborenen  von  Tanembar  und  den  Timorlao- 
Inseln  und  dem  Seranglao-  und  Gorong- Archipel,  sowie  von  den 
Asch  an ti  angewendet. 

Die  Leute  von  Selebes  legen  Msche  Blätter  auf  und  das  Gleiche  wird 
uns  von  den  Samoanern,  von  den  Mincopies  auf  den  Andamanen. 
sowie  von  den  Singhalesen,  den  Tamilen  und  den  Weddah  auf  Ceylon 
berichtet.  Dass  die  Letzteren  es  von  den  Singhalesen  gelernt  hätten, 
haben  wir,  wie  fi^üher  schon  betont  worden  ist,  durchaus  nicht  nöthig.  an- 
zunehmen, da,  wie  wir  eben  gesehen  haben,  auch  andere  Völker  dasselbe 
Verfahren  selbstständig  erfanden. 

Die  Kara3'ä  in  Brasilien  bestreuen  die  Wunde  mit  Kohlenpulver, 
und  die  Engano-Lisulaner  bedecken  sie  mit  warmer  Asche  und  mit  er- 
hitzten Baumblättern.  In  Wunden  der  Kopfhaut  blasen  die  S  am  o  an  er 
den  Rauch  von  verbranntem  Wallnussholz.  In  Süd-Californien  sind  auch 
Salben  gebräuchlich,  in  Alaska  Pflaster  aus  Cedernharz,  und  in  Süd- 
Australien  wird  die  Wunde  bisweilen  mit  einem  Thonklumpen  zugeklebt. 
Auch  die  Harrari  wenden  bei  Brandwunden  medicamentöse  Pflaster  an. 

Die  Australneger  in  Victoria  sollen,  wie  gesagt,  die  AVunden  aus- 
saugen, und  sie  setzen  das  so  lauge  fort,  bis  kein  Blut  mehr  entleert  werden 
kann.  Kommt  auf  diese  Weise  nur  wenig  Blut  aus  der  Wunde  heraus, 
dann  glauben  sie,  dass  nicht  Alles  richtig  sei.  Dann  bringen  sie  den 
Patienten  in  eine  solche  Lage,  die  ihrer  Meinung  nach  den  Abfluss  des 
Blutes  befördern  muss,  und  durch  Compression  der  gegenüber  liegenden 
Theile  suchen  sie  denselben  auch  noch  zu  unterstützen.  Führt  das  aber 
Alles  noch  nicht  zum  Ziel,  dann  sondiren  sie  die  Wunde  mit  einem  scharfen 
Instrument,  das  sie  aus  einem  Knochen  gefertigt  haben.  Wenn  die  Wunde 
sich  völlig  gereinigt  hat,  so  legen  sie  einen  Harzklumpen  darauf.  Sie  haben 
aber  ein  gutes  Verständniss  für  die  schädliche  Wirkung  verhaltener  Wund- 
sekrete, und  wenn  in  dieser  Beziehung  nicht  Alles  in  Ordnung  ist,  so 
machen  sie  die  Wunde  wieder  auf 

Die  Central-Amerikaner  pflegen  die  Wunden  zu  cauterisiren,  um 
Entzündungen  vorzubeugen. 

DieDacota  und  die  benachbarten  In  dianer- Stämme  sorgen  nicht  selten 
durch  eingelegte  Wieken  von  weichem  Baumbast  für  den  Abfluss  des  Eiters, 
und    sie  benutzen  sogar  ein  besonderes  Verfahren,    um  die  Wunden  auszu- 


117.    Die  Wundbehandlung.  283 

spritzen.  Hierzu  bedienen  sie  sich  dann  einer  Blase  oder  Federspuhle, 
welche  die  Funktion  der  Spritze  übernehmen  müssen. 

Die  Opoates-In dianer  sind  dafür  berühmt,  ausgezeichnete  Wund- 
balsame anzufertigen.  Rosmarin  ist  in  denselben  ein  sehr  gebräuchlicher 
Bestandtheil.  Wasser  verbieten  sie  ihren  Verwundeten  streng,  aber  sie 
haben  für  dieselben  mehrere  vegetabilische  Tränke. 

Ausserordentlich  selten  begegnet  man  dem  Versuch,  die  Wunden  sofort 
zum  Verschluss  zu  bringen.  Allerdings  wird  von  südaustralischen  Stämmen 
berichtet,  dass  sie  zuweilen  eine  Art  Compressiv- Verfahren  auAvendeu,  um 
die  Wundi'änder  einander  zu  nähern.  Um  so  bemerkenswerther  ist  daher 
die  Angabe  Schoolcraft's,  dass  die  Indianer  der  Vereinigten  Staaten 
bisweilen  Schnittwunden  mit  Fäden  aus  Lindenbast  oder  aus  den  langen 
Schenkelsehnen  von  Thiereu  zunähen  und  die  Suturen  nicht  vor  dem  sechsten 
Tage  entfernen.  Auch  FelJcin  sah  eine  Wundnaht  in  Central- Afrika,  durch 
welche  der  Leib  nach  einem  glücklich  ausgeführten  Kaiserschnitte  geschlossen 
wurde.  Es  war  eine  Sutura  circumvoluta  (Fig.  157).  Auch  bei  der  In- 
fibulation  der  Mädchen  im  nordöstlichen  Afrika  wird 
bisweilen  eine  Naht  angewendet. 

Die  Winnebago  -  Indianer  lassen  eine  böse 
Wunde  fast  niemals  prima  intentione  heilen,  sondern 
sie  halten  sie  sorgfältig  offen,  dass  sie  von  unten 
herauf  heilen  kann. 

Unter  dem  uns  vorHegenden  chirurgischen  Materiale 
der  Indianer  haben  vnr  auch  Höhlenwunden  an- 
getroffen. Ein  Indianer-Häuptling  hatte  einen  Stich 
vorn  zwischen  der  vierten  und  fünften  Rippe  erhalten, 
der  ihm  die  Brusthöhle  öffnete.  Eine  reichliche  Blutung 

war  eingetreten.  „       ,     ^     , 

o  1  T       r  1     •        •  1    Ä-  TT     4.  i-  11   11-  1      Fig.  157.  Vernähte Bauch- 

.,öchliesslich  m  emem  heltigen  Hustenantall  blieb        wunde  einer  Frau  in 

ein  Lappen  der  Lunge  in  der  AVunde  stecken.    Dieses    Uganda,  bei  welcher  der 

Ereigniss  stillte  die  Blutung,    setzte  aber  die  Facultät    Kaiserschnitt  ausgeführt 

war. 
des  Dorfes  in  Verlegenheit.    Eine  Consultation  wurde  j^^ch  Feikin. 

abgehalten,  in  welcher  entschieden  wurde,  dass  die  Lunge 

nicht  reponirt  werden  dürfe,  um  fernerem  Blutverluste  vorzubeugen,  und  dass 
das  herausgetretene  Stück  der  Lunge  abgeschnitten,  gekocht  und  von  dem 
Häuptling  gegessen  werden  müsse.  Das  wurde  in  verabredeter  Weise  aus- 
geführt. Granulationen  bildeten  sich  unverzüglich  auf  der  Schnittfläche  der 
Lunge,  der  Process  der  Eiterung  in  der  äusseren  Wunde  begann  sofort 
nach  Befreiung  der  strangulirten  Lunge,  welche  an  ihren  Platz  in  der  Brust 
zurückkehrte.  Die  Hautdecken  schlössen  sich  über  dem  Intercostalraum, 
aber  die  Muskelsulistanz  blieb  verlagert,''  sodass  eine  Lungenhernie  ent- 
stand, die  bei  jedem  Hustenstosse  sich  stark  hervorwölbte. 

Ein  anderer  Indianer  hatte  zwei  Tatzenschläge  von  einem  Grizzly- 
Bären  erhalten.  Der  eine  ging  ihm  links  über  das  Gesicht,  hatte  ihm  Ohr 
und  Wange  zerrissen  und  das  linke  Auge  vernichtet.  Der  andere  hatte 
ihm  an  zwei  Stellen  die  linke  Thoraxhälfte  eröffnet.  Blut  und  Luft  drang 
daraus  hervor. 

Als  man  ihn  auffand,  hielt  man  ihn  für  todt.  Er  wurde  in  seine  Hütte 
getragen,    und  in  eine  solche  Lage  gebracht,    dass  Blut  und  Eiter  frei  aus 


284  XV.    Die  grosse  Chirurgie. 

der  Brust  ausfliesseu  konnten.  Seine  Wunden  wm'den  emsig  mit  schleimigen 
Decocten  gewaschen  und  in  wenigen  Monaten  war  er  im  Stande,  die  Reise 
nach  der  Agency  at  Sault  Ste.  Marie  zu  unternehmen. 

Ueber  eine  perlbrirende  Bauchwunde  bei  einem  Weddah  auf  Ceylon 
liegt  uns  ein  Bericht  von  Baker  vor.  Der  Weddah  wurde  auf  einer  Jagd 
plötzlich  von  einem  grossen  Eber  überrascht.  Dieser  stellte  sich  sofort,  und 
der  Weddah  ging  mit  Bogen  und  Pfeilen  zum  Angriff  vor.  „Aber  kaum 
hatte  er  die  Bestie  verwundet,  als  er  mit  grosser  Wuth  attackirt  wurde.  In 
einem  Augenblick  war  der  Eber  an  ihm  und  im  nächsten  Moment  lag  der 
Weddah  auf  dem  Boden  mit  seinen  Eingeweiden  aussen.  Glücklicher 
Weise  war  ein  Begleiter  mit  ihm,  welcher  die  Eingeweide  zurückplacirte 
und  ihn  verband.  Ich  sah  den  Mann  einige  Jahre  später;  er  war  völlig 
wohl,  hatte  aber  eine  schreckliche  Geschwulst  vorn  am  Bauch,  welcher 
quer  durchzogen  Avar  von  einer  breiten  blauen  Narbe  von  ungefähr  8  Zoll 
Länge." 

Ob  hier  von  dem  Gefährten  eine  Bauchnaht  angelegt  wurde,  geht  aus 
dieser  Geschichte  nicht  hei'vor.  Immerhin  aber  müssen  wir  dem  Erfolge  der 
Operation  imsere  volle  Anerkennung  zollen,  obgleich,  wie  das  bei  der  Schwere 
der  Verletzmig  nicht  übeiTaschen  kann,  ein  grosser  Bauchbruch  (die  „schreck- 
liche Geschwidst'")  sich  ausgebildet  hatte. 


118.   Die  Behandlung  der  Schusswunden. 

Wohl  muss  es  uns  verwunderlich  erscheinen,  dass  wir  so  wenig  darüber 
erfahren,  wie  sich  die  uncivilisirten  Völker  mit  ihren  Schusswunden  abzu- 
finden pflegen.  Bei  ihren  Kämpfen  mit  Bogen  und  Pfeil,  mit  dem  Wurf- 
spiess  und  mit  dem  europäischen  Gewehre  kann  es  an  derartigen  Ver- 
letzungen doch  nicht  fehlen.  Und  dennoch  finden  wir  in  den  uns  zu  Gebote 
stehenden  Berichten  dieselben  nur  ganz  vereinzelt  erwähnt. 

Aus  den  Pfeil  wunden  saugen,  wie  wir  früher  schon  sagten,  die  0  p  o  a  t  e  s  -I  n  d  i- 
aner  in  Mexico  sobald  wie  möglich  das  Blut  heraus.  Dann  streuen  sie  Peyote- 
Pulver  ein.  „Nach  zwei  Tagen  wird  die  Wunde  gereinigt  und  mehr  von  dem- 
selben Pulver  applicirt;  diese  Operation  wird  jeden  zweiten  Tag  wiederholt 
und  schliesslich  wird  gepulverte  Lechugilla-Wiu'zel  angewendet.  Bei  diesem 
Vorgehen  werden  die  Wunden,  nachdem  sie  vollständig  geeitert  haben,  ge- 
heilt. Aus  den  Blättern  der  Maguey,  Lechugilla  und  Date-palm,  wie  von 
dem  Rosmarin  machen  sie  ausgezeichnete  Balsame  zur  Heilung  von  Wunden. 
Sie  haben  verschiedene  vegetabilische  Substanzen,  um  den  Durst  verwundeter 
Personen  zu  löschen,  während  Wasser  als  schädlich  betrachtet  wird." 

Von  den  Dacota-Indianern  wird  angegeben,  dass  sie  die  Schuss- 
wunden meist  der  Natm-  überlassen.  Und  so  scheint  es  auch  dem  42  Jahre 
alten  Kiowa -Häuptling  Sitamore  ergangen  zu  sein,  der  in  einem  Gefechte 
mit  den  Pawnee-Indianern  einen  Pfeilschuss  in  die  rechte  Hinterbacke 
erhielt.  Der  Schaft  wurde  herausgezogen,  die  eiserne  Pfeilspitze  aber  konnte 
nicht  entfernt  werden,  weil  sie  zu  tief  in  den  Körper  eingedrungen  war. 
Unmittelbar  nach  der  Verletzung  entleerte  der  Kranke  blutigen  Urin.  Seine 
Wunde  heilte  und  sechs  Jahre  hindurch  vermochte  er  wieder  die  Büftel  zu 
jagen.     Dann   zwangen   ihn  zunehmende  Urinbeschwerden,    die  Hülfe  eines 


119.    Die  Blutstillung.  285 

amerikanischeu  Militärarztes  aufzusuchen.  Dieser  fand  einen  sehr  grossen 
Blasenstein,  den  er  durch  einen  glücklich  verlaufenden  Seitensteinschnitt 
extrahirte.  Der  Stein  war  eiförmig,  aus  Triplephosphaten  bestehend,  und 
enthielt  als  Kern  die  vier  Ceutimeter  lange  Pfeilspitze.  Er  ist  in  dem 
amerikanischen  Kriegsberichte  abgebildet. 

Geschickter  pflegen  die  Winnebago-Indianer  mit  den  Schusswunden 
umzugehen. 

„An  erster  Stelle  reinigen  sie  die  Wunde  vollständig,  und  wenn  es  ein 
Gewehrschuss  ist,  so  extrahiren  sie,  wenn  es  ausführbar  ist,  die  Kugel,  dann 
setzen  sie  den  Mund  auf  die  Wunde  und  extrahiren  durch  lange  fortgesetztes 
Saugen  geronnenes  Blut  und  fremde  Stoffe,  welche  in  die  Wunde  hinein- 
gekommen sein  mögen;  danach  machen  sie  Verljände,  um  die  Entzündung  zu 
mildern  und  Eiterung  hervorzurufen.  Gemeinsam  mit  der  guten  Constitution 
unterstützt  gewöhnlich  das  Temperament  des  Kranken  die  Heilung.  Die 
Indianer  verlassen  sich,  wenn  sie  verwundet  sind,  selber  auf  ihre  Wider- 
standskraft und  sie  ertragen  Entbehrungen  und  Schmerzen,  ohne  an  den 
nervösen  Erregungen  zu  leiden,  welche  häufig  die  Genesung  der  Weissen 
verzögern." 

Die  Karok-Indianer  verschliessen  ihre  Pfeilschusswunden  mit  dem 
Theer  von  der  Pinus  edulis. 

Bowditch  führt  von  den  Aschanti  an,  dass  Schusswunden  an  den  Ex- 
tremitäten gewöhnlich  bei  ihnen  zum  Tode  führen,  sobald  ein  Knochen  zer- 
schmettert ist,  oder  ein  grosses  Blutgefäss  zerrissen  wurde.  Im  letzteren 
Falle  tritt  der  Tod  durch  Verblutung  ein,  weil  sie  es  nicht  verstehen,  das 
blutende  Gefäss  zum  Verschluss  zu  bringen. 

Das  chirurgische  Können  der  Eingeborenen  in  dem  Gebiete  des  Quango 
scheint  dagegen  ein  wesentlich  Höheres  zu  sein.  Wolff'  berichtet  von  seiner 
Expedition  dorthin: 

„Unterwegs  hatte  ich  Gelegenheit,  die  chirm^gische  Kunst  der  Neger 
zu  bewundern.  Einem  Neger  war  im  Kriege  durch  eine  Kugel  das  Schien- 
bein zerschmettert  worden;  zu  ihm  gerufen,  fand  ich  den  Unterschenkel  in 
einem  festen  gefensterten  Verbände,  der,  aus  an  einander  gebundenen  Binsen- 
stäben verfertigt,  sich  oben  an  dem  Knie  und  unten  an  den  Knöcheln  stützte. 
Er  stellte  das  gebrochene  Glied  fest  und  übte  zugleich  eine  Extension  aus, 
that  also  Alles,  was  wir  von  einem  festen  Verbände  verlangen  können. 
Gegenüber  der  Wunde  war  der  Verband  ausgeschnitten,  damit  der  Eiter 
und  das  Wundsekret  abfliessen  konnte." 

Die  Mincopies  auf  den  Andamanen  pflegen  die  Schusswunden  mit 
Blättern  zu  verbinden;  und  von  den  Samoanern  hören  wir  dui'ch  Turner: 
„Um  einen  mit  Widerhaken  versehenen  Speer  aus  dem  Arm  oder  dem  Bein 
zu  ziehen,  schneiden  sie  das  Glied  an  der  entgegengesetzten  Seite  ein  und 
stossen  ihn  gerade  durch.     Amputation  wird  nie  ausgeführt." 


119.  Die  Blutstillung. 

Das  Stillen  von  Blutungen  macht  den  Naturvölkern  meist  sehr  erheb- 
liche Schwierigkeiten.  Für  gewöhnlich  wissen  sie  gar  nichts  damit  anzu- 
fangen.    Die   Haidah-Indianer    und    diejenigen    von    iVlaska    benutzen 


286  XV.    Die  grosse  (.-hirurgie. 

zur  Blutstilluug  Adlerdaunen,  die  Dacota-  und  Winnebago-Tndianer 
wenden  pflanzliche  und  mineralische  Styptica  an,  und  die  Karaya  in  Bra- 
silien verstehen  sich  sogar  auf  das  Abbinden  der  Glieder.  Auch  die  blut- 
stillenden Pulver  einiger  nordamerikanischer  Indianer-Stämme  werden 
in  der  Weise  angewendet,  dass  die  blutende  Wunde  vollkommen  mit  ihnen 
ausgestopft  wird  und  dass  sie  ausserdem  noch  durch  eine  fest  herumgelegte 
Binde  das  Pulver  an  seiner  Stelle  zu  halten  suchen.  Es  ist  also  sicherlich 
der  circuläre  Druck,  der  bei  dieser  Art  der  Blutstillung  besonders  wirk- 
sam ist. 

Die  Eingeborenen  von  Manahiki  oder  der  Humphreys-Insel  in  der 
Südsee  wenden  gegen  Blutungen  aus  Venen  oder  Arterien  Verbände  mit 
dem  schwammigen  Kerne  einer  alten  Cocosnuss  an. 

In  Marokko  ist  das  Abhacken  von  Gliedmaassen  als  Justizmaassregel 
im  Gebrauch.  Durch  circuläre  Umschnürung  des  Stumpfes  sucht  man  der 
Blutung  Herr  zu  werden.  Wenn  das  aber  nicht  zum  Ziele  führt,  so  steckt 
man  die  Wunde  in  heisses  Pech. 

Wenn  in  Mittel-Sumatra  Jemand  verwundet  ist,  und  man  kann  das 
ausströmende  Blut  nicht  stillen,  dann  glauben  sie,  dass  der  Palasieq,  ein 
dämonischer  Mensch,  an  der  Wunde  gesogen  habe  und  dass  sie  dadurch 
unheilbar  wird  und  dass  der  Verletzte  daran  sterben  müsse. 

Von  den  Südsee-Insulanern,  und  zwar  von  den  Eingeborenen  von 
Tahiti,  Samoa.  Tonga  und  den  Loyalitäts-Inseln  berichtet  Ella,  dass 
sie  eine  plumpe  Art  von  Tourniquet  in  Anwendung  ziehen,  um  den  Versuch 
zu  machen,  starke  Blutungen  zum  Stehen  zu  bringen.  Dazu  benutzen  sie 
zahlreiche  Lagen  von  der  Tapa,  dem  einheimischen  Kleiderstoff,  welcher 
aus  der  Rinde  des  Papiermaulbeerbaumes  gefertigt  wird. 

Um  starkes  Nasenbluten  zu  stillen,  wird  von  den  Indianern  Nord- 
Amerikas  feingepulverte  und  heissgeniachte  Kohle  in  die  Nasenlöcher 
hineingestopft.  Die  Harrari  haben  Medicamente,  welche  sie  dabei  in  die 
Nase  einschlürfen. 

Wenn  ein  Kind  auf  Nias  Nasenbluten  hat,  so  ist  das  für  den  Vater 
eine  Strafe,  weil  er  während  der  Schwangerschaft  seiner  Frau  ein  Schwein 
geschlachtet  hat.  Um  das  Nasenbluten  zu  stillen,  ist  er  dann  gezwungen, 
dem  Add  Famo  ni  amahoo  ein  Opfer  zu  bringen. 


120.  Das  Olühen. 

Einer  ganz  ausserordentlichen  Beliebtheit  erfreut  sich  dieCauterisation. 
Die  Behandlung  mit  heissen  Blättern  und  mit  heisser  Asche  sind  ja  eigent- 
lich schon  in  dieses  Gebiet  zu  rechnen.     Davon  war  oben  bereits  die  Rede. 

Die  Mincopies  auf  den  An  dam  an  en  wenden  zur  Erleichterung  der 
Beschwerden  bei  Hautkrankheiten  eine  Form  des  Glühens  an.  Sie  nehmen 
einen  grossen,  flachen  Stein,  erwärmen  denselben  sorgfältig  am  Feuer  und 
legen  ihn  dann  auf  den  befallenen  Körpertheil. 

Aber  auch  noch  energischere  Cauterien  werden  dabei  herangezogen. 
Das  finden  wir  bei  den  Choctaw-In dianern  und  bei  den  Indianern 
von  Nicaragua.     Die  Letzteren    werden    durch    diese  Procedur  nur  in  ge- 


120.    Das  Glühen. 


287 


ringem  Grade  angegriffen.  Bei  den  Bilqula  wird  die  Cauterisation  mit 
Schiesspulver  oder  mit  Baumrinde  ausgeführt. 

Die  Twana-,  Chemakum-  und  Klallam-Indianer  wenden  die 
Cauterisation  zur  Bekämpfung  rheumatischer  Affectionen  an.  Auch  sie  be- 
nutzen dazu  die  Cedernrinde,  häufig  aber  auch  ein  rothglühend  gemachtes 
Eisenstück. 

Auf  den  Gilbert -In  sein  ist  nach  Finsch  das  Cauterisiren  diu'ch  Auf- 
legen kleiner  Stückchen  gUmmeuder  Cocusnussschale  gebräuchlich. 

Auch  hartnäckige  Geschwüre  pflegen  einige  Indianer-Stämme  Xord- 
Amerikas  mit  dem  Cauterium  actuale  zu  behandeln,  und  die  Süd-Cali- 
fornier  legen  bei  frischer  Syphilis  eine  glühende  Kohle  auf  die  indurirte 
Stelle,  um  sie  so  zur  Heilimg  zu  bringen. 

Als  eine  Art  der  Cauterisation  müssen  wir  natürlicher  Weise  auch 
die  Behandlung  der  Wunden  und  Blutungen  mit  heisser  Asche  und  erhitzten 
Blättern  betrachten,  und  dass  die  Indianer  in  Cen- 
tral-Amerika  die  Wunden  direct  cauterisiren,  das 
wurde  oben  schon  gesagt.  Auch  ist  bereits  die  pro- 
phylaktische Cauterisation  derFullah  in  Ost-Afrika 
besprochen  worden. 

In  Marokko  ist  das  Cauterisiren  eine  sehr  ge- 
wöhnliche Maassnahme.  Es  werden  hierzu  besondere 
Glüheisen  (Fig.  158)  gebraucht,  die  in  einem  irdenen 
Kohlenbecken  erhitzt  werden.  Ein  kleiner  Handblase- 
balg dient  dazu,  die  Gluth  gehörig  anzufachen.  Drei 
Formen  von  Glüheisen  sind  hier  im  Gebrauch,  ein 
messei-fbrmiges,  ein  spatenförmiges  und  ein  münzen- 
förmiges. Man  sieht  auf  den  marokkanischen 
Märkten,  sowie  in  Tunesien  und  in  Tripolis,  die 
Heilkünstler  in  ihren  dachförmigen  Wanderzelten  sitzen, 
mit  den  Glüheisen  zu  sofortiger  Anwendung  bereit. 
„Man  brennt,  sagt  Quedenfeldt^  nicht  allein  Wunden 
und  Geschwüre  aus,  sondern  rückt  auch  einer  schlecht 
geheilten  VeiTenkung,  Rheumatismen,  Magencatan-hen, 
kurz  allen  rebellischen  Krankheiten,  sogar  Milz-  und 
Lebertumoren  damit  zu  Leibe.  Der  Operateur  er- 
liält   eine    Okia  (Unze,    ungefähr   fünf  Pfennige)    für 

das  Brennen  als  geringstes  Honorar;  Reiche  aber  zahlen  bis  zu  einer 
Peseta,  und  im  Falle,  dass  das  Glüheisen  post  hoc  oder  propter  hoc  Heilung 
gebracht,  geben  sie  noch  einen  Hammel,  ein  Paar  neuer  gelber  Lederschuhe 
und  dergleichen  drauf." 

Ganz  ähnlich  klingen  die  Schilderungen,  welche  lloore  von  der  ärzt- 
lichen Thätigkeit  der  Eingeborenen  von  Rad  seh  put  an  a  entwirft.  Hier  scheinen 
sich  besonders  die  Bheels  eines  hervorragenden  Vertrauens  zu  erfi-euen. 
Das  bei  den  verschiedenartigsten  innerlichen  und  äusseren  Leiden  in  An- 
wendung gezogene  Glüheisen,  der  Dhag,  ist  gewöhnlich  ein  am  Ende  ab- 
geflachtes Eisenstück,  welches  in  dem  Augenblick  auf  die  Haut  aufgesetzt 
wird,  wenn  es  stark  rothglühend  geworden  ist. 

In  einigen  Gegenden  von  Radschputana,  nämlich  in  den  Districten 
der  Bheels,  wird  häufig  die  Application  des  Glüheisens  als  Specialität  von 


Fig.  158.    Glüheiseu  aus 
Marokko. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


288 


XV.    Die  grosse  Chirurgie. 


einem  Weibe  betrieben.  Die  Brandscliorfe  werden  linienförmig.  kreuzweise 
oder  in  der  Form  eines  Rostes  angelegt,  oder  auch  fleckweise,  von  der 
Grösse  eines  Zwei-Anna-Stückes  bis  zu  der  einer  Rupie.  Gebrannt  wird 
alles,  was  eine  Anschwellung  macht,  sei  es  eine  entzündliche  Schwellung, 
ein  Tumor,  eine  Cyste,  eine  Hernie  oder  ein  ven-enkter  Schulterkopf.  Diese 
unvorsichtige  Anwendung  des  Glüheisens  richtet  vielfach  erheblichen  Schaden 
an.  So  war  z.  B.  eine  Hydi'ocele  auf  diese  Weise  zur  Verjauchung  und 
der  Testikel  zur  Gangrän  gebracht.  Die  Zahl  der  applicirten  Glüheisen 
richtet  sich  nach  der  Grösse  der  Geschwulst.  Einen  lipomatösen  Tumor 
hat  Moore  mit  fünfzig  Brandschorfen  bedeckt  gesehen. 

Auf  chinesischem  und  japanischem  Gebiet  wird  das  Glüheisen  durch 
die  Moxa  ersetzt.  Wir  haben  früher  schon  hiervon  gesprochen.  Sie  war 
vor  wenigen  Jahrzehnten  in  etwas  energischerer  Form  auch  bei  uns  noch 
im  Gebrauch  und  bedarf  hier  keiner  näheren  Beschreibung. 

An  den  milden  Reiz  der  jaf)anischen  Moxen  erinnert  ein  Veifahren 
der  Mincopies  auf  den  Andamanen:  „Bei  Phthisis  oder  wenn  irgend  ein 


Fig.  159.  Krankentragstuhl,  Sumatra.    Fig.  160.  Stuhl  für  einen  gelähmten  Knaben,  Sumatra. 

Nach  van  Hasselt.  Nach  ran  Hassclt. 


inneres  Organ  erki'ankt  ist,  so  werden  von  den  Freunden  des  Kranken 
Schritte  gethan,  um  die  Machinationen  des  bösen  Geistes,  dem  die  Leiden 
des  Opfers  zugeschrieben  werden,  zu  Nichte  zu  machen.  Zu  diesem  Zwecke 
werden  ein  oder  mehrere  Knochen-Halsbänder  (Fig.  62)  erst  fest  auf  der  Stelle 
des  Schmerzes  befestigt,  darauf  wird  ein  Stück  Bienenwachs  tö-bul-pid 
über  ein  Feuer  gehalten,  bis  es  tropft,  und  dieses  wird  dann  auf  das 
Fleisch  schnell  applicirt.  Das  anhaftende  Wachs  wird  nicht  entfernt,  aber 
es  fällt  in  einigen  Tagen  von  selber  ab." 

Erwähnen  müssen  wir  aber  noch,  dass  auch  auf  Tahiti,  Samoa. 
Tonga  und  den  Loyalitäts-Inseln  das  Glüheisen  bisweilen  angewendet 
wird.  Auf  Tonga  und  Samoa  wird  es  manchmal  auch  durch  eine  zer- 
quetschte Weinrebe  ersetzt,  deren  scharfer  Saft  dem  Aetzkali  nicht  un- 
ähnlich wirkt.  Ella  sah  sie  bei  einer  Lähmung  der  Beine  anwenden.  Der 
Kranke  collabirte  mehr  in  Folge  dieser  Behandlung,  als  durch  seine  ur- 
sprüngliche Krankheit. 


121.    Knocheubrüclie  luid  Verrenkungen. 


289 


131.   Knocheubrüclie  und  Verrenkungen. 

Dass  die  uncivilisirteu  Völker  sich  auch  mit  Knochenbrücheu  und  Ver- 
renkungen beschäftigen  müssen,  das  ist  bei  ihrer  Lebensweise  selbstverständ- 
lich. Der  Mechanismus  der  Luxationen  scheint  ihnen  aber  nur  selten  zu 
vollem  Bewusstsein  zu  gelangen.  Wenigstens  sind  unsere  Nachrichten  hier- 
über von  einer  überraschenden  Dürftigkeit.  Bei  den  Hindu  und  bei  den 
Marokkanern  wird,  wie  gesagt,  auch  gegen  diese  Verletzung  mit  dem  Glüh- 
eisen vorgegangen,  und  sogar  die  inveterirten  Fälle  hoffen  sie  auf  solche 
Weise  zu  heilen.  Die  Aschanti  mischen  den  Brei  einer  bestimmten  Pflanze 
mit  Pfeffer  und  legen  ihn  auf  das  verrenkte  Glied. 


\r\\ 


Fig.  161.    Kranken-Tragbahre  der  Maori,  Neu-Seeland. 
Nach  Thompson- Longmore. 


Ueber  eine  Einrenkung  nach  den  Regeln  der  Kunst  fand  ich  nur  eine 
einzige  Angabe.  Dieselbe  stammt  von  der  Insel  Nias.  Man  hält  daselbst 
ausschliesslich  solche  Personen  für  befähigt,  Luxationen  wieder  einzurenken, 
welche  mit  den  Füssen  voran  geboren  worden  sind.  Allerdings  ist  es  anderen 
Leuten  erlaubt,  den  für  die  Einrenkung  nothwendigen  Zug  an  dem  luxirten 
Gliede  auszuül)en,  aber  nur  diese  durch  die  Eigenart  ihrer  Geburt  Bevor- 
zugten dürfen  mit  ihren  Händen  den  Rücktritt  des  verrenkten  Gelenkkopfes 
in  die  Gelenkhöhle  dirigiren. 

Ein  geschicktes  Einrichten  und  Bandagiren  gebrochener  Glied maassen 
wird  uns  von  verschiedenen  Naturvölkern  berichtet.  Sie  benutzen  zu  diesem 
Zwecke  ftir  gewöhnlich  Schienen,  welche  sie  aus  Holz  oder  aus  Baumrinde 
fertigen  und  die  durch  sorgfältig  angelegte  Bandagen  an  dem  frakturii'ten 
Gliede  befestigt  werden.  Das  wird  namentlich  von  vielen  Indianer- 
Stämmen  gemeldet  von  der  Nordwestküste  an  bis  südlich  zu  den 
wilden  Stämmen  Brasiliens.     Ihre  Befähigung  ist  aber  nicht  gleich,  denn 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  19 


290  XV.    Die  gi-osse  Chirurgie. 

während  niaii  z.  B.  von  den  Creeks  und  von  den  Winnebagos  die  ge- 
schickte Handhabung  derartiger  Verbände  rülunend  liervorhebt,  werden  die 
ihnen  benachbarten  Dacota  als  ungeschickt  im  Anlegen  von  Schienen 
bezeichnet. 

Die  Schienen  sind  von  Holz  oder  von  Rinde,  Letzteres  z.  B.  bei  den 
Bilqula-Indianern.  Einige  Stämme  lassen  die  Verletzten  in  dem  Schienen- 
verbande  liegen,  bis  die  Consolidation  der  gebrochenen  Knochenenden  er- 
folgt ist.  Die  Heilresultate  bei  einigen  nordamerikanischen  Indianer- 
Stämmen  werden  als  nicht  sehr  günstige  geschildert,  weil  sie  es  unter- 
liessen,  die  nothwendige  Extension  anzuwenden. 

Auch  die  Eingeborenen  von  Manahiki  oder  der  Humphreys-Insel 
verstehen  sich  auf  das  Anlegen  von  Schienenverbänden  bei  Knochenbrüchen, 
und  die  Mincopies  auf  den  Andamanen  legen  auch  hierbei  Blä,tter- 
verbände  au. 

Die  Winnebago-Indianer  wagen  sich  aber  sogar  an  die  compli- 
cirteu  Fracturen  heran.  Diese  sow^ohl,  als  auch  die  einfachen  Knochen- 
brüche bandagiren  sie  nach  erfolgter  Einrichtung  mit  Schienen,  und  sie  binden 
dann  die  Extremität  in  extendirter  Lage  fest.  In  dieser  Verfassung  muss 
der  Verletzte  verbleiben,  bis  die  Fragmente  sich  vereinigt  haben. 

Von  den  Hi  ndu-Aerzten  in  Eadschputana  berichtet  Moore,  dass 
sie  zwar  die  gebrochenen  Glieder  mit  Bambusstücken  schienen  und  banda- 
giren, dass  sie  aber  keine  E.ej)Osition  der  verschobenen  Fragmente  vor- 
nehmen und  dass  daher  sehr  häufig  eine  Unbrauchbarkeit  des  Gliedes  entsteht. 
Auch  werden  die  Bandagen  oft  zu  fest  augelegt,  und  in  Folge  dessen  sieht 
man  Druckgescliwüre  gar  nicht  selten. 

Die  Eingeborenen  der  Insel  N  i  a  s  bandagiren  das  gebrochene  Glied 
mit  einem  Baumwollenstoff  oder  mit  dünn  und  weich  gemachter  Baumrinde. 
Wenn  Schmerzen  eintreten  oder  Entzündung,  so  wird  das  Glied  mit  dem 
ganzen  Verbände  zur  Kühlung  in  einen  fi'isch  ausgehöhlten  Bananenstamra 
gelegt,  welcher  je  nach  Bedürfniss  mehrmals  gewechselt  wird.  Nach  dem 
Verlaufe  von  vier  Wochen  entfernen  sie  den  V^erband,  weil  sie  den  Glauben 
haben,  dass  in  diesem  Zeitraum  die  Heilung  glücklich  erfolgt  sein  müsse. 
„Wenn  dann  das  Glied  von  Neuem  bricht,  oder  wenn  der  Patient  lahm 
bleibt,  so  wird  die  Schuld  nicht  dem  Arzte  zugeschrieben,  denn,  wie  sie 
sagen,  wer  kann  sehen,  was  im  Inneren  eines  Menschen  vorgeht!" 

Am  originellsten  und  für  uns  überraschendsten  ist  unstreitig  die  Be- 
handlungsmethode eines  im  Uebrigeu  besonders  tief  stehenden  Volkes,  näm- 
lich der  Eingeborenen  von  Süd-Australien.  Auch  hier  werden  zwar  von 
einigen  Stämmen  die  Fracturen  geschient,  aber  bei  einigen  Anderen  werden 
die  Glieder  nach  erfolgter  Geradestreckung  in  eine  Umhüllung  von  Thon 
eingebettet.  Dieser  erhärtet  dann  und  schützt  die  Bruchenden  vor  erneuter 
Verschiebung. 

Bei  einem  Knaben,  welcher  durch  einen  Sturz  vom  Pferde  eine  Fractur 
des  Kiefers  erlitten  hatte,  bedeckten  sie  sein  ganzes  Gesicht  mit  einer  dicken 
Maske  von  Thon.  Die  Heilung  war  eine  ausgezeichnete.  In  einem  Falle 
hatten  sie  einem  verunglückten  Manne  den  gebrochenen  Schenkel  mit 
Schienen  und  Bandagen  verbunden.  Als  sie  ihn  dann  aber  zu  dem  Lager 
der  Seinigen  bringen  wollten,  nahmen  sie  ihm  den  Schienenverband  al)  und 


122.    Der  Krankentransport. 


291 


ersetzten  denselben  durch  solch  einen  Verband  von  erhärtendem  Thon. 
Auch  hier  war  die  Heilung  eine  vollkommene,  ohne  eine  Spur  von  Diffor- 
7iiität  oder  Lahmheit  zurückzulassen. 


133.   Der  Krankentransport. 

Es  wird  vielleicht  am  passendsten  sein,  wenn  wir  ein  dieser  Stelle 
gleich  folgen  lassen,  was  wir  über  den  Krankentransport  der  Naturvölker 
erfuhren,  van  Hasselt  fand  bei  der  niederländischen  Expedition  nach 
Mittel-Sumatra  für  die  Beförderung  der  Kranken  und  Verletzten  Hänge- 
matten   im  Gebrauch,    welche    meistens   aus  Baumrinde   hergestellt   werden. 


Fig.  162.    Kranken-Tragbahre  der  Dacota-Indianer. 
Nach  Schoolcraft. 


Man  benutzt  dort  aber  auch  einen  besonderen  Stuhl  (Fig.  159),  der  nach  Art 
einer  sogenannten  Kraxen,  wie  sie  bei  uns  in  den  Alpen  gebräuchlich  sind, 
auf  dem  Rücken  getragen  wurde.  Auf  einem  ähnlichen  Stühlchen  (Fig.  160) 
wui'de  auch  ein  sechsjähriger  Knalle  getragen,  welcher  angeblich  durch  den 
Dämon  Isjtanah  vollständig  lahm  war.  Der  Stuhl  hat  eine  kleine  Lehne, 
einen  schmalen  Sitz,  und  die  schräg  nach  hinten  gerichteten  vorderen  Füsse 
stützen  sich  gegen  die  hinteren  Füsse  des  Stuhles. 

Von  den  Maori  auf  Xeu- Seeland  wird  eine  Art  Hängematte  zum 
Transporte  benutzt,  welche  sie  mit  dem  Namen  Amoo  (Fig.  161)  be- 
zeichnen. Sie  hängt  an  zwei  parallelen  Tragestangen,  welche  auf  den 
Schultern  der  Träger  ruhen  und  vorn  und  hinten  durch  ein  Querholz  ver- 
bunden sind.  Zu  den  Stangen  benutzt  man  passende  Baumäste,  und  das 
Netzwerk  der  Hängematte  improvisirt  man  aus  dem  wilden  Flachs,  welcher 

19* 


292  XV.    Die  grosse  Chirurgie. 

fest  und  haltbar  ist,  eine  Höhe  von  mehreren  Fuss  erreicht  und  überall 
wächst.  Diese  Tragen  sind  so  practisch  befunden ,  dass  sie  auch  von  den 
Aveisseu  Occupationstruppen  adoptirt  werden  sind.  Uebrigens  gilt  das 
Letztere  auch  von  den  verschiedenen  Arten  der  Hängematten  und  Trage- 
einrichtuugen,  wie  sie  im  Himalaja  und  von  den  verschiedenen  Stämmen 
Indiens  in  i^nwendung  gezogen  werden. 

Die  Dacota-  und  Winnebago-Iudianer  construiren  für  ihre  Ver- 
wundeten in  sehr  geschickter  Weise  Sänften  (Fig.  1G2),  und  sie  kommen 
damit  sclmeller  zu  Stande,  als  das  bei  den  Weissen  der  Fall  zu  sein  pflegt. 

„Zu  diesem  Zwecke  nehmen  sie  zwei  Stangen,  4  oder  5  Fuss  länger, 
als  die  zu  befördernde  Person,  und  legen  sie  parallel  auf  die  Erde  2  oder 
3  Fuss  von  einander  entfernt.  Quer  darül)er  in  passender  Entfernung 
werden  zwei  kurze  Stangen  gelegt,  rechtwinklig  zu  den  ersten  und  hier  mit 
ledernen  Riemen  festgebimden.  lieber  die  Stangen  wird  ein  Blanket  oder 
ein  Büifelkleid  gelegt,  das  ausgespannt  und  in  gleicher  Weise  festgebunden 
wii'd.  Hierauf  ^ard  der  Kranke  gelagert.  Zwei  Tragriemen  werden  nun  an 
die  Enden  der  langen  Stangen  gebimden,  in  der  Weise,  dass,  wenn  die  Träger 
zwischen  ihnen  stehen,  die  Mitte  des  Riemens  fest  oben  auf  ilirem  Kopfe 
liegt,  und  sie  bequem  mit  den  Händen  die  Enden  der  Stangen  fassen  können. 
Wenn  sie  aufbrechen,  so  kauert  sich  eine  Person  an  jedem  Ende  der  Trage 
nieder,  und  weim  sie  den  Riemen  über  ihren  Kopf  gelegt  haben,  fassen  sie 
mit  den  Händen  die  Stangen  und  richten  sich  auf,  wenn  nöthig,  von  einigen 
Beistehenden  unterstützt,  imd  dann  brechen  sie  auf  und  halten  Schritt  mit 
einander,  imd  auf  diese  Weise  werden  Ki-anke  und  Yerwimdete  manchmal 
sicher  ^^ele  Meilen  an  einem  Tage  befördert  in  einer  Gegend  ohne  irgend 
einen  Weg  füi'  Wagen  oder  Pferde."  Bisweilen  werden  auch,  wenn  es  das 
Terrain  ffestattet.  die  beiden  Träger  durch  zwei  Pferde  ersetzt. 


123.  Amputationen. 

Lassen  sich  die  uucivihsirten  Völker  auch  auf  Amputationen  ein?  Das 
ist  eine  Frage,  deren  Erörterung  wir  noch  zu  imtemehmen  haben.  Ueberall 
dort,  wo  man  ims  berichtet,  dass  die  Eingeborenen  weder  von  der  Behand- 
lung schwerer  Wunden,  noch  auch  von  einer  Stillimg  der  Blutung  irgend- 
welche Ahnung  besitzen,  werden  wir  es  nicht  erwarten  können,  dass  sie  sich 
an  Amputationen  wagen.  Ja  sogar  von  solchen  Volksstämmen,  welche  in 
Bezug  auf  ihr  chirurgisches  Können  immerliin  schon  eine  leidliche  Ent- 
wickelungsstufe  erstiegen  haben,  wird  es  uns  manchmal  ausdrücklich  berichtet, 
dass  sie  Amputationen  nicht  imternehmen.  So  hören  wir  von  den  Creek- 
Indianern,  dass  sie  niemals  amputiren.  Das  Gleiche  gilt  von  den  Winne- 
bago-Indianern,  und  der  Berichterstatter  fügt  hinzu:  „Ihre  Praxis  lehrt, 
dass  die  Amputation  nicht  immer  nothwendig  ist,  wenn  die  weissen  Chh'urgen 
dieses  erklären." 

Den  Dacota-Indianern  wird  nachgesagt,  dass  sie  „selten"  ein  Glied 
amputiren.  Wir  müssen  hieraus  die  Folgerung  ziehen,  dass  es  doch  bis- 
weilen vorkommen  muss. 

Ein  Insulaner  der  Loj^alitäts-Insel  Uvea  wollte  sich  von  einem 
Panaritium    befreien.     Er  holte  einen  Meissel  aus  der  Werkstatt,    setzte  ihn 


123.    Amputationen. 


293 


;iuf  den  Finger  und  Hess  diu'ch  einen  Hamniersclilag  sich  von  einem  Freunde 
den  Finger  aniputiren.     Es  musste  eine  Nachamputation  gemacht  werden. 

Die  Amputation  der  einen  oder  beider  Hände  wird,  wie  bekannt,  bei 
manchen  Stämmen  als  eine  Schartrichteroperation  zum  Zweck  der  Bestrafung 
ausgefiüirt.  Quedenfeldt  berichtet,  dass  in  solchen  Fällen  oft  mit  heissem 
Pech  die  Blutung  gestillt  wird.  "Wir  hatten  das  oben  bereits  erwähnt. 
AVahrscheiulich  dürfen  wir  aber  auch  annehmen,  dass  in  diesen  Ländern, 
Avo  man  hier  und  da  den  glücklichen  Ausgang  einer  solchen  Strafamputation 
zu  beobachten  vermag,  man  wohl  auch  bei 
Zerschmetterungen  der  Finger  und  Hände 
ein  ähnliches  Yerftihren  versuchen  wird. 

Corre  sah  einen  Füll  ah  vom  Rio 
Nuiiez,  dem  man  wegen  Diebstahls  die 
Hand  abgehackt  hatte.  Der  Amputations- 
stumpf war  „tres  regulier"  und  in  voll- 
kommenster Weise  vernarbt. 

Capello  imd  Ivens  erzählen  von  ihrer 
Reise  in  das  Yacca -Gebiet  von  West- 
Afrika,  dass  Fälle  von  amputirten  Schenkeln 
bei  den  Negern  gewöhnlich  waren,  veran- 
lasst durch  die  Zerstörungen,  welche  der 
Sandfloh  in  ihren  TJnterextremitäten  hervor- 
gebracht hatte.  Die  Schwarzen  „hatten  es 
zugelassen,  die  Beute  dieses  schlimmen  In- 
sektes zu  werden,  so  dass  dann  schliesslich 
jegliche  Behandlimg,  abgesehen  von  der 
Amputation,  immöglich  ist,  weil  der  be- 
fallene Theil  buchstäblich  von  den  Thieren 
wimmelt".  Es  geht  aus  dieser  Angabe  nicht 
mit  Sicherheit  hervor,  wer  denn  nun  die 
Amputation  ausgeführt  hat;  ob  sie  von  den 
Negern  imternommen  wurde,  oder  ob  die 
armen  Leute  von  Europäern  amputirt 
Avorden  sind. 

Krücken  und  prothetische  Apparate  sind 
im  Ganzen  wohl  den  Naturvölkern  unbekannt. 
Wir  haben  ja  schon  gehört,  dass  das  lahme 
Kindchen  in  Mittel- Sumatra  auf  einer 
stuhlfönnigen  Trage  auf  dem  Rücken  beiör- 
dert  wurde;  Krücken  oder  stützende  Stöcke 
scheint  dasselbe  nicht  besessen  zu  haben. 

Bei  den  Buschnegern  in  Guyana  traf  Crevaux  ein  Kind  und  ein 
junges  Mädchen,  welche  beide  lahm  waren  in  Folge  einer  Hüftgelenks- 
entzündung. Auch  hier  war  der  Gebrauch  der  Krücken  unbekannt;  die 
Kranken  schleppten  sich  mühsam  Aveiter,  indem  sie  sich  mit  einem  grossen 
Stocke  stützten. 

Pallas  hat  bei  den  Sagajern  am  grossen  Syr  von  einem  berühmten 
Schamanen  in  Erfahrung  gel)racht,  dass  ihm  die  Geister  schon  den  einen 
Fuss   unbrauchbar   gemaclit    hätten.     Er   sollte    aber   im  Stande    sein,    „mit 


Fig.  163.  Fetisch  vou  Beiiguela  (Cen- 
tral-Afrika)  mit  einem  Nabelbruch. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  Photographie. 


294  XV.    Die  grosse  Chirurgie.  I 

soinom  hölzernen  Fasse  die  besten  Zauberspifuigc  zu  verrichten".  Es  ist 
im  liöchsten  Grade  bedauerhch,  dass  die  von  Fallas  abgeschickten  Boten 
d(^n  AVnndennann  nicht  zn  Hause  trafen.  Er  hatte  sich  jedenfalls  aus  dem 
Staube  gemaclit.  um  vor  Pallas  nicht  seine  Zaid)erkünste  zeigen  zu  müssen. 
"Wir  kommen  aber  dadui'ch  um  die  INIöglichkeit.  über  die  gewiss  recht  interes- 
santen Einzelheiten  dieses  »Stelzfusses  etwas  (genaueres  in  Erfahrung  zu 
bringen. 


134.  Die  Bruclischädcn. 

Von  den  Unterleibsbrüchen  stehen  bei  den  Naturvölkern  in  Bezug  auf 
ihre  Anzahl  und  Verbreitung  die  Nabelbrüche  bei  "Weitem  obenan.  Es  liängt 
dieses  mit  der  Art  zusammen.  Avie  der  Nabelstrang  von  dem  Kinde  getrennt 
wird  und  wie  die  Mütter  und  die  helfenden  AVeiber  nachher  mit  dem  Nalx'l 


Fig.  164.     Bruchband,  Marokko.     Aeussere  Ansicht. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

des  Kindes  verfahren.  Ausführliches  über  dieses  Thema  findet  man  in 
meinem  mehrfach  citirten  "Werke  zusammengestellt.  Namentlich  sind  es  die 
afrikanischen  Völker,  bei  welchen  grosse  Nabelbrüche  zu  den  ganz  alltäg- 
lichen Erscheinungen  gehören.  Dieses  ist  ihnen  so  zum  Bewusstsein  ge- 
kommen, dass  sie  sehr  häufig  sogar  ihre  in  Holz  geschnitzten  Fetischfiguren 
(Fig.  1G3)  mit  einer  grossen  Nabelhernie  darstellen.  Das  gilt  für  viele 
ihrer  weiblichen  Figuren  sowohl,  als  auch  für  männliche.  Es  muss  daher 
bei  uns  die  Vermuthung  erw(^cken,  dass  sie  solch  einen  Nabelbruch  entweder 
für  eine  grosse  körperliche  Schönheit  ansehen,  oder  dass  sie  ihn  sogar  als 
zur  normalen  mensciilichen  Form  geh()rig  betrachten. 

Hiernach  lässt  es  sich  wohl  begreifen,  dass  von  Schutz  Vorrichtungen 
«xler  von  Maassnahmen,  um  einer  allmählichen  Wrgrösserung  der  Nabel- 
brüche zuvorzukommen,  bei  diesen  Volksstämmen  nirgends  die  Rede  ist 
Allerdings  ist  mir  abei-  auch  keine  Angabe  bekannt,  dass  bei  dieser  Art 
der  Missbildungen  bedrohliche  Erscheinungen  gesehen  worden  wären. 


124.    Die  Bruchscliäden. 


295 


Was  die  Leiste iil)rüclie  aubetriÖt.  so  ist  von  diesen  nur  selten  die  Rede. 
In  Harrär  haben  sie  ein  Medikament,  Avelches  den  Namen  Martäss  führt 
nnd  ..zerstossen,  mit  Eindssuppe  genossen,  gegen  den  Leistenbruch"  gebnuicht 
wird.  Auf  der  Lisel  Bali  behandeln  die  Siiecialärzte  für  Bauchkrankheiten 
auch  die  Leistenbrüche  mit  ilii'er  Massage. 

Gefährlicher  ist  schon  ein  Eingriff,  dessen  Endergebniss  Moore  bei  einem 
Inder  in  Radschputana  sah.  Der  einheimische  Arzt  hatte  ihm  das  Glüh- 
t'isen  auf  einen  eiugekleuiuiten  Leistenbruch  gesetzt,  sicherlich  ohne  irgend 
welche  Ahnung  von  dem   Wesen  der  Erkrankung  zu  lial)en. 

Ein  Eingeborener  der  Loyalitäts -Insel  Uvea  operirte  sich  selbst 
eine  Schenkelhemie.     Er  ging  an  dieser  Operation  zu  Grunde. 

Von  den  Indianer-Stämmen  der  Vereinigten  Staaten  g\ehi  School- 
craft  an.  dass  sie  bei  einer  Kinkleiiiimnig  der  Leistenbrüche  allerdings  rathlos 


Fig.  165.     Bruchband,  Marokko.    Innere  Ansicht. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


daständen,  für  die  nicht  eingeklemmten  Brüche  al)er  fertigen  sie  eine  Bandage, 
welche  den  Bruch  zurückdrängt  imd  in  der  That  eine  wirksame  Hülfe  leistet. 

Ein  sclion  ziemlich  vollkommenes  imd  ganz  sinnreich  constrmrtes  Bruch- 
band hat  Quedenfeldt  aus  Marokko  mitgebracht. 

Aelmlich  wie  bei  unseren  Bruchbändern  geht  eine  mit  rothein  Leder 
überzogene  Feder  im  Halbkreis  um  die  eine  Körperhälfte;  ein  langer  Riemen 
an  dem  hinteren  Ende  und  eine  Schnalle  an  dem  vorderen  gestatten  es.  den 
Verschluss  zu  vollenden.  Am  vorderen  Ende  der  Feder  ist  ein  Zahnrad, 
gegen  welches  ein  vertikaler  Stab  sich  anstennnt.  Er  trägt  an  seinem  untei'en 
Ende  die  Mitte  eines  horizontalen  Eisenstabes,  mid  an  den  freien  Enden 
des  Letzteren  sitzt  wiederum  ein  verticaler  Stab,  der  unten  die  Pelotte 
trägt.  Dieses  System  von  Stäben  mit  den  l)eiden  Pelotten  ei-innert  in  der 
Form    an    eine  kleine  Waage  mit  aufgekippten  Wiegeschalen.     Die  Pelotten 


29(3  XV.    Die  grosse  Chirurgie. 

bilden  flache  Kugelschaleii  mul  sind  cljeiifalls  mit  rothein  Leder  bekleidet. 
Das  Bruchl)an(l  ist  für  nnou  doppelseitigen  Leistenbruch  bestimmt  (Fig.  164 
und  1G5). 


125.  Operationen  an  den  niäunliehen  Harn-  und  Oeschlcchtsorganen. 

Blutige  Oi)eratiüiU'n  an  den  niännliclicn  (jcsclilechtstheilen  werden  seit 
uralten  Zeiten  ausgeführt.  Von  den  leichteren  derselben,  den  Beschnei- 
dungen u.  s.  ^\^.,  haben  wir  früher  bereits  g('s])r()chen.  Ei'innert  soll  hier 
auch  nur  werden,  ohne  dass  wir  näher  auf  den  Gegenstand  eingehen,  an  die 
bei  orientahschen  Völkern  so  weit  verbreitete  Castration. 

Die  Castration  führen  übrigens  auch  die  Eingeborenen  von  Tahiti, 
Samoa,  Tonga  und  den  Loyalitäts- Inseln  aus  zur  Beseitigung  der 
Hydrocele  imd  zur  Behandlung  von  Hodenentzihidungen. 

Einer  näheren  Betrachtung  müssen  wir  aber  einige  andere  Operationen 
unterziehen.    Wir  nennen  hier  zuerst  die  Lithotomie. 

Die  Steinbeschwerden  sind  einzelnen  der  uncivilisirten  Völker  wohl- 
bekannt. Lnter  dem  Heilscliatze  der  Asclianti  befindet  sich  nach  Bowditch 
das  Neeöndoo,  „die  Arzney,  die  sie  am  höchsten  halten.  Vier  Nüsse 
wachsen  in  emer  Hülse  auf  einem  sehr  grossen  Baum  vom  härtesten  Holze; 
sie  werden  begierig  gekauft,  da  sie  nur  an  den  Grenzen  von  Empoöngwa 
wachsen,  und  die  mit  dem  Steine  Behafteten  gebrauchen  sie  mit  vielem 
Erfolge". 

Nach  Fleming  Carroiv  wird  von  den  Chinesen  gegen  die  Stein- 
beschwerden die  Moxa  oder  das  Glüheisen  angewendet.  In  Laos  fand  Bock 
eine  grosse  Anzahl  von  Steinki-anlvcn,  er  unterlässt  es  jedoch,  anzugeben,  wie 
man  ihre  Beschwerden  zu  lindem  sucht.  Auch  in  Indien  kommt  der  Blasen- 
stein in  einer  ganz  erstaunlichen  Häufigkeit  vor.  Jetzt  suchen  die  Inder  in 
nelen  Fällen  in  den  Eegieruugshospitälem  Hülfe,  und  dass  der  Beistand  der 
einheimischen  Aerzte  nicht  immer  ein  sehr  befriedigender  ist,  das  beweisen 
Fälle,  wie  sie  Moore  in  üadschputana  gesehen  hat,  wo  schliesslich  der  in 
den  Blasenhals  eingekeilte  Blasenstein  aus  einem  Abscess  am  Damm  sich 
entleerte.  Eine  Reihe  der  einheimischen  Aerzte  wagt  sich  aber  auch  an 
den  »Steinschnitt  heran.  Es  sind  dieses  meistens  Specialisten,  älmlich  yäe 
die  europäischen  Steinschneider  fi^üherer  Jahrhunderte.  Auch  ihre  Opera- 
tiousmethode  scheint  im  x\llgemeinen  die  gleiche  zu  sein.  Ein  Finger  wird 
in  den  After  geführt  und  vom  Mastdarm  aus  der  Stein  fest  gegen  das 
Perinäum  angedrückt,  bis  sich  dort  eine  Eihöhung  hervorwölben  lässt.  Daim 
wii'd  mit  einem  gewöhnlichen  Rasirmesser  ein  tiefer  Einschnitt  in  den  Damm 
gemacht,  bis  auch  die  Wände  der  Harnblase  durchtrennt  sind,  imd  danach 
wird  der  Stein  mit  einer  Zange  entfernt. 

Die  Aelmhclilveit  zwischen  diesen  indischen  Lithotomisten  und  den 
alten  Steinsclmeidern  Europas  wird  durch  den  Umstand  noch  erhöht,  dass 
auch  die  Ersteren,  Praxis  suchend,  im  Lande  umherziehen.  Uebrigens  haben 
sie  nach  der  Angabe  von  Keelan  in  Hyderabad  auch  innerhche  Mittel 
gegen  den  Stein.  Unter  diesen  Medicamenten,  Avelchen  man  die  Fähigkeit 
zuschreibt,  die  Steine  innerhalb  der  Harnblase  aufzulösen,  spielen  gei)ulverte 
Perlen  eine  hervorragende  Eolle.     Diese,  sowie  auch  werthvoUe  Steine  werden 


125.    Operationen  an  den  männlichen  Harn-  und  Geschlechtsorganen.     297 

in  Gegenwart  der  Patienten  zerstossen  imd.  dem  einzelnen  Fall  entsprechend, 
iJmen  darauf  eingegeben.  Diese  kostbare  ]\Iedicin  nehmen  sie  mit  vollem 
Vertrauen  ein. 

Unter  den  Matakau-  oder  Yerbotszeichen  von  der  Insel  Serang  findet 
sich  auch  eins  (Fig.  16G),  das  demjenigen,  Avelcher  das  Verbot  übertritt,  ein 
Bluturiniren  anzaul)eni  soll.  Es  giebt  ja  nun  bekanntlich  allerdings  gewisse 
Malaria-Erkraukuugen ,  bei  welchen  blutiger  Uiin  gelassen  wird.  Hierher 
gehört  das  namenthch  an  der  Goldküste  Afrikas  sehr  geAvöhnhche  Black- 
wate r-Fever.  Aber  bei  unserem  Matakau  ist  doch  höchst  Avahrscheinlich  an 
Steinbescliwerden  gedacht  worden.  Es  b<^steht  aus  einem  horizontalen  Holzstück, 
auf  welchem,  von  Domen  oder  Spähnclieu  getragen,  fimf  ringförmig  zusammen- 
gerollte Blätter  sich  finden.  Die  Blattstreifen  sind  aber  derartig  zusammen- 
gebogen, dass  sie  in  eine  vordere  Spitze  auslaufen.  Wie  ich  vermuthe.  soll 
jedes  Blatt  einen  spitzen  Blasenstein  repräseutireu.  dessen  Spitze  die  Schleim- 
haut verletzen  und  die  Blutung  hervorrufen  soll. 

Eine  eigenthümhche  Operation  an  den  mämilichen  Genitalien  wird  uns 
\()n  V.  MiJclucho-Maclai/  imd  einigen  Anderen  berichtet.  Sie  ist  bisher  eine 
unbestrittene  Domäne  gewisser  Stämme  von  Australien  und  Avird  im  All- 
gemeinen mit  dem  Namen  jNIika,  von  dem  am  Coopers  Creek  wolmenden 
Dieyerie-Stamme  mit  dem  Namen  Kulpi 
bezeichnet.  Sie  besteht  in  einer  vollständigen 
Aufschlitzimg  der  Hanu'ölu'e  auf  der  Untei'- 
seite  des  Penis,  von  dem  Orificium  cutaneum 
in  der  Eichel  bis  zu  dem  Hodensack  hin- 
Diese  absonderliche  Operation  wird  bei  fast 

allen   Jünglingen    der   betreffenden   Stämme 

1  •        \  u  "ir    Fig.  166.  Verbotszeichen  von  Serangr, 

vorgenommen   und  zwar  un  Alter  von  zwölf    ^^-  ^^^  Uebertreter  Blutharnen  ver^ 

bis   Aäerzehn  Jahi'en.     Wenigstens   hat   man  ursacht. 

gerade  Knaben  dieses  Alters  mit  noch  ent-  Nach  Riedel. 

zündeten  oder  fiisch  vernarbten  Wunden  ge- 
sehen.   Nach  überstandener  Operation  dürfen  sie  wie  die  erwachsenen  Männer 
ohne  das  bei  KJnaben  übliche  Schamtuch  umlier  gehen. 

Nach  Taplin  wird  die  Operation  in  folgender  Weise  ausgeführt.  Ein 
passend  gearbeiteter  Känguru-Knochen  (vom  Walibi)  wii^d  in  die  Harm'öhre 
eingeführt  bis  zum  Ansätze  des  Scrotum,  und  dann  wird  er  hier  so  hervor- 
gedrängt, dass  er  durch  die  Weichtheile  zu  Tage  tritt.  Schliesslich  nimmt 
darauf  der  Operateur  die  Aufschlitzung  mit  einem  Steinmesser  vor.  Nach 
einem  anderen  Berichte  wird  der  Einschnitt  auch  ohne  die  Leitimgssonde 
.lusgefühi't;  es  wird  jedoch  dazu  der  Penis  auf  ein  Stück  Baumrinde  auf- 
gelegt. Die  Nasims  am  Golf  von  Carpentaria  sollen  sich  zum  Operiren 
ausser  des  Quarzsplitters  auch  Avohl  einer  scharfen  Muschel  becüenen.  v.  Mik- 
lucho-Maclaij  Inldet  ein  zur  jMika-Operation  dienendes  Messer  von  den  Ein- 
geborenen am  Herbert-Flusse  ab.  .,Dasselbe  ist  ein  Quarzitsphtter  mit 
einem  Stiel,  Avelcher  aus  dem  (durch  Fettzusatz)  gehärteten  Safte  des  Gras- 
baumes (Xanthorrhoea)  hergestellt  ist"  (Fig.  167).  Bei  den  Dieyerie  wird 
gleich  nach  der  0]){M'ation  ein  Baumrindenstück  so  auf  der  Wunde  befestigt, 
dass  sie  sich  Jiiclit  wieder  schliessen  kann.  Die  Nasims  legen  ein  Stöckchen 
oder  einen  dünnen  KJnochen  in  die  frische  Wunde,  um  sie  an  sofortiger  Ver-- 
klebunc:  zu  hindern. 


298 


XA'.    Die  grosse  Chirurgie. 


IcIxT  die  Wirkung  dieser  Harnrcihienspaltuug  erfahren  wir  dann  noch 
Folgendes.  Die  Urethra  liihlet  nun  natürlich  keine  Eöhi-e.  sondern  nur  eine 
flache  TJiinie  auf  der  T^nters(Mte  des  Gliedes.  I"nd  die  äussere  Oeffnung  der 
Haiiir(ihi'e  lietindet  sich  hart  vor  dem  Hodensack.  Der  Urin  wird  wie  von 
den  australischen  AVeihern  mit  breitgestellten  Beinen  im  Stehen  entleert. 
..Wenn  die  Wunde  geheilt  ist.  erscheint  (bei  den  Nasims)  der  Penis  sehr 
zusammengt^zogen.  und  hat  iin  coUabnten  Zustande  das  Aussehen  eines 
grossen  Knopfes.''  *)  ..Bei  dei'  Erection  soll  der  o])erirte  Penis  sehr  breit  und 
flach  werden  und  das  Sperma  bei  der  Ejacnlation  ausserhalb  der  Vagina 
ausfliessen."  Was  mit  dieser  Operation  bezweckt  wird,  lässt  sich  aus  letzterer 
Angabe  ersehen.  Es  handelt  sich  wohl  zweifellos  um  eine  Beschränkung  der 
Nachkommenschaft,  und  die  Eingeborenen  vom  Hei'bert-Elusse  geben  dies 
auch  ohne  AVeiteres  als  den  Bew^eggrund  hierfür  an.     Die  Stämme  vom  Port 

Lincoln  sagen  allerdings,  dass  sie  es  nur  tliäten, 
weil  ihre  Väter  es  so  gemacht  hätten.  Aber  auch 
die  Nasim-AVeibei-  bestätigen,  dass  solche  Män- 
ner sie  nicht  zu  befruchten  vermöchten. 

Es  ist  nun  sehr  bemerkensw^erth,  dass  einzehie 
Alänner  im  Stamme  ausgespart  Averden,  denen  der 
Penis  nicht  verstümmelt  ist.  Im  Allgemeinen 
scheinen  dieses  besonders  klüftige  Leute  zu  sein. 
Nur  bei  den  Nasim  ist  es  umgekehrt:  „Es 
scheint,  dass  die  stärksten  jungen  Leute  vorzugs- 
Aveise  für  die  Operation  gewählt  werden,  welche 
Wahl  bei  diesem  Stamme  als  eine  Ehre  angesehen 
Avird."  Allerdings  giebt  der  Berichterstatter  an, 
dass  sie  von  den  AVeibern  bevorzugt  Averden. 

Wenn  nun  auch  die  Eingeborenen  Austra- 
liens, soAveit  bis  jetzt  unsere  Nachrichten  reichen, 
mit  dieser  kosmetischen,  oder,  wenn  man  will,  mit 
dieser  nationalökonomischen  Operation,  eine  völhg 
isolirte  Stellung  einnehmen,  so  gilt  doch  nicht  das 
Gleiche  auch  von  der  Urethrotomia  externa 
überhaupt.  Für  diese  ward  uns  eine  Analogie 
von  Karl  von  den  Steinen  mitgetheilt.  Bei  seiner 
Xingu -Expedition  in  Brasilien  traf  er  bei  den  Bakairi  im  Wasser 
Candirüs.  d.  h.  ..ein  hier  2  cm  langes  transparentes  Fischchen  mit  gelber 
Iris,  das  gern  in  die  ihm  zugänghchen  Körperhöhlen  eindringt.  AVenn  das- 
selbe, wie  häufig  vorkommen  soll,  in  die  Urethra  schlüpft,  ist  die  Lage  Avegen 
der  gleich  Haken  sich  in  die  Schleimhaut  einbohrenden  Flossen  sehr  laitisch ; 
gehngt  es  nicht  durch  ein  warmes  Bad  den  Störenhied  herauszuschaffen, 
bleibt  nui'  die  Operation  übrig.  Es  soll  sich  der  Sertanejo  alsdaim  auch 
nicht  besinnen,  die  Urethrotomie  auszuführen  und  in  vielen  Fällen  an  diesem 
lieroischen  AVrfaliren  zu  Grunde  gehen.'* 


Fig.    167.      Steiamesser    der 
Australneger    vom    Her- 
bert-Fluss    für    die    Mika- 
Operation. 

Aus  Zeitschr.  f.  Ethnologie. 
Bd    XIV. 


*)  Die  sehr  gute  Photogi'aphie  eines  solchen  Operirten  hat  kürzlich  die 
Berliner  anthropologische  Gesellschaft  von  Herrn  JB.  H.  Pur  cell  in  Melbourne 
erhalten. 


126.    Operationen  am   Halse  und  Trepanationen. 


299 


126.   Operationen  am  Halse  und  Trepanationen. 

Die  Operationen  au  dem  Halse  würde  ich  uiclit  mit  in  das  Bereich 
dieser  Besprechuiigeu  gezogen  haben,  wenn  nicht  gerade  von  ihnen  ein  paar 
interessante  Beis])iek^  genu4det  würden.  Der  Eine  wurde  in  Persien  PolaJc 
von  einem  emheimischen  Chirurgen  mitgetheilt.  Der  Letztere  fand  bei  einem 
Patienten  am  Halse  eine  grosse  Anschwelhmg.  Er  wollte  den  Mann  davon 
befreien,  aber  schon  nach  den  allerersten  Schnitten  trat  eine  profuse  Blutimg 
ein.     Nun    erst  durchschaute    ei'    den  Ernst   der  Situation.     Er  erklärte  dem 


Fig.  168.   Eiserner  Haken      Fig.  169.    Eiserner  Haken  und      Fig.    170.      Hohlmeisselartiges 
für  Halsoperationen,  Spatel  für  Halsoperationen,         Instrument  f.  Haisoperationen. 

Haussa.  Haussa  Haussa. 

Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


Patienten  imd  dessen  Angehörigen,  dass  er  eiligst  nach  seinem  Hause  müsse, 
um  noch  einige  Instrumente  zur  Blutstilkmg  zu  holen.  Er  eilte  ibii:  imd 
floh  aus  der  Stadt,  den  Kranken  seinem  Schicksal  ül)erlassend. 

Man   kann    aus   dieser  Geschichte    ersehen,    wie    ausserordentlich  wenig 
i    die   persischen  Chirargen    von  der  Gefährlichkeit   solcher  Operationen  am 
Halse    wissen.     Wahrscheinlich    hat   unser   Operateur    sich    die  Verhältnisse 
'    vorgestellt  ungefähr  wie  bei  einem  Blutgeschwür. 

Da   scheinen    die   Medicin-IVIänner    der   Fullah    im    Gebiete    des    Rio 
Nunez    doch    einen    bedeutend    hciheren  Grad    von   Geschicklichkeit    zu    be- 


300  XV.    Die  grosse  Chirurgie. 

sitzeu.  Dieselben  l)ekämi)feu  die  so  äusserst  gefährliche  Schlafkrankheit 
durch  eine  Ausschälung  der  geschwollenen  Drüsen  am  Halse.  Corre  hat 
solch  einen  Füll  ah  gesehen,  der  die  Operation  in  seiner  Kindheit  durch- 
gemacht hatte.  Er  zeigte  an  jeder  Seite  des  Halses  eine  Narbe  von  ausser- 
ordenthcher  Grösse. 

Unter  den  chirurgischen  Tnstrunieuten,  Avelehc  Robert  Flegel  von  den 
Haussa  mitgebracht  hat.  betinden  sich  auch  einige,  Avelche  bei  einer  Hals- 
krankheit  in  Anwendung  kommeUj  die  mit  dem  Namen  Beli  bezeiclmet  wird. 
Sie  soll  unserer  Bräime  ähnlich  sein  und  es  sollen  mit  den  Instrumenten 
schleimige  Haute  aus  dem  Halse  herausgeholt  werden.  Es  sind  zwei  kleine 
eiserne  Haken  (Fig.  168,  109),  deren  unigebogcMies  Ende  aus  einem  flachen 
Eisenstück  bestellt;  feiner  gehört  dazu  ein  spatelähnliches  Instrument  (Fig.  169), 
das  ^delleicht  zum  Niederhalten  der  Zimge  benutzt  wird.  Das  vierte  Stück  end- 
lich erinnert  an  einen  Hohlmeissel  (Fig.  170),  an  dessen  gedi-ehtem  Stiel  eine 
kleine  Schelle  hängt,  nebst  ein  Paar  kleinen  Ringen.  Ein  Zeugstreifen  ist 
um  den  Stiel  gebunden.  Diese  Instrumente  gehören  in  ein  kleines  wurst- 
förmiges  Besteck  von  Leder  (Fig.  171). 

Als  oben  von  den  Ejiochenbrüchen  die  Bede  war,  hatten  wir  bereits 
den  Fall  berichtet  von  dem  Indianer,  welclieni  nach  einer  Verletzung  durch 


Fig.  171.    Lederfutteral  für  ein  chirurgisches  Besteck  der  Haussa. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 

einen  Grizzly-Bären  Knochensplitter  aus  dein  Gehirn  gezogen  wui'den.  Es 
ist  das  ja  nicht  eigentlich  eine  Trepanation,  sondern  eine  Operation,  wie  die 
Noth  sie  vorschrieb. 

Aber  auch  von  wahren  Trepanationen  hegen  uns  genaue  Be- 
lichte vor.  Samuel  Ella  lebte  lange  Zeit  unter  den  Eingeborenen  der 
Loyalitäts-Insel  Uvea,  welche  sich  noch  in  der  Steinzeit  befinden,  deren 
Culturstufe  also  ungefähi-  derjenigen  entspricht,  auf  welcher  einst  die  Euro- 
päer während  der  neolithi sehen  Periode  standen.  Ella  schi-eibt  nun  von 
den  Uvea-Insulanern:  ..Eine  wahrhaft  überraschende  Operation  wird  hier 
ausgefülu-t.  Hier  herrscht  die  Ansicht,  dass  Koi)fschmerz,  Neiu'algie,  Schwindel 
imd  andere  Gehimaflectionen  durch  einen  Spalt  im  Kopfe  oder  durch  Druck 
des  Schädels  auf  das  Gehirn  verursacht  würden.  Das  Heilmittel  hierfür 
besteht  darin,  dass  sie  die  Weichtheile  des  Kopfes  mit  einem  — |— -  oder  "j"- 
Schnitte  dm-chtrennen  und  mit  einem  Stück  Glas  den  Schädel  sorgfältig  und 
liehutsam  schaben,  bis  sie  in  den  Knochen  in  ungefährer  Ausdehnung  eines 
Kronenstückes  ein  Loch  bis  auf  die  Dura  niater  gemacht  haben.  Manchmal 
wird  die  Schabe-Operation  durch  einen  uugescliickten  Operateur  oder  in 
Folge  der  Ungeduld  der  Freunde  bis  auf  die  Pia  mater  ausgedehnt,  und 
dann  ist  der  Tod  des  Patienten  die  Folge." 


126.    Operationen  am  Halse  und  Trepanationen. 


301 


.,Im  besten  Falle  stirbt  die  Hälfte  von  denen,  die  sich  dieser  Operation 
unterziehen;  jedoch  ist  aus  Aberglauben  und  Sitte  dieser  barbarische  Ge- 
brauch so  heiTschend  geworden,  dass  nur  sehr  wenige  erwachsene 
JNIänner  ohne  dieses  Loch  im  Schädel  sind.  Es  ist  mir  berichtet 
worden,  dass  bisweilen  der  Versuch  gemacht  würde,  die  so  exponirten  Mem- 
branen im  Schädel  durch  das  Einsetzen  eines  Stückes  Cocosnussschale  imtei- 
die  Kopfhaut  zu  decken.  Für  diesen  Zweck  wählen  sie  ein  sehr  dauer- 
haftes und  hartes  Stück  der  Schale,  von  dem  sie  die  weichen  Theile  ab- 
schaben und  es  ganz  glatt  schleifen,  und  sie  bringen  dann  eine  Platte  hiervon 
zwischen  die  Kopfhaut  imd  den  Schädel."  , 

„Früher  war  das  Trepanations-Iiistrument  einfach  ein  Haifischzahn,  jetzt 
wird  aber  ein  Stück  zerbrochenes  Glas  für  geeigneter  angesehen.  Die  für 
gewöhnhch  gewählte  Stelle  des 
Schädels  ist  die  Gegend,  wo  die 
Sagittalnaht  mit  der  Ki^anznaht 
sich  verbindet,  oder  etwas  weiter 
oben,  gemäss  der  Amiahme,  dass 
hier  ein  Schädelbruch  bestehe." 

Diese  interessante  Angabe 
wird  auch  von  George  Turner 
bestätigt.  Er  sagt:  „Auf  Uea 
bestand  die  Behandlung  von  Kopf- 
schmerzen darin,  den  Schmerz  aus 
der  Höhe  des  Kopfes  durch  folgen- 
den schreckhchen  chirurgischen 
Eingrifi"  herauszulassen.  Die  Kopf- 
haut wurde  aufgeschlitzt  und  um- 
geschlagen und  der  Schädelkno- 
chen mit  einer  feinschneidigen 
Muschel  durchgeschabt,  bis  die 
Dura  mater  erreicht  war.  Man 
duldete  nur  den  Austritt  von 
sehr  wenig  Blut.  In  manchen 
Fällen  wurde  die  geschabte  Oeff- 
uung  mit  einem  dünnen  Stück 
Cocosnussschale  bedeckt;  anderen- 
falls   wurde    die    dui'chschnittene 

Kopfhaut  einfach  an  ihre  alte  Stelle  gebracht.  Diese  Cur  hatte  manch- 
mal den  Tod,  meistens  aber  Heilung  zm*  Folge.  Dieses  IVIittel  gegen  Kopf- 
schmerzen hatte  eine  solche  Ausbreitung  erlangt,  dass  die  scharfspitzigen 
Keulen  ganz  eigens  zu  dem  Zweck  gefertigt  wurden,  um  diese  weiche  Stelle 
auf  der  Höhe  des  Kopfes  zu  treffen  und  den  unmittelliaren  Tod  zu  ver- 
ursachen." 

Da  diese  Notiz  von  Turner  sich  in  seinem  Werke  über  Sani oa  befindet, 
so  ist  dui'ch  unvollständiges  Citiren  verbreitet  worden,  dass  auch  bei  den 
Samoanern  solche  Trepanationen  gebräuchlich  wären.  Das  ist  nicht  der 
Fall  und  es  handelt  sich  hier  ehifach  um  eine  Verwechselung. 

Wenn  wir  nun  hören,  dass  die  Medicin-^Nfänner  der  Uvea- Insulaner 
von    ihren  in  so  primitiver  Weise  Operirten    noch    die  Hälfte   am  Leben  er- 


Fig.  172.    Trepanirter  Schädel  einer  Mumie  aus 

Neu-Caledonien. 
Sammlung  TJmlauff,  Hamburg.  —  Nach  Photographie. 


302  XV.    Die  ^i-Dsse  Chirurgie. 

luilteu,  st)  kann  uns  ilicses  ausgezeiclincti'  Resultat  iiiclit  geuu}^  mit  Be- 
wunderung erfüllen.  Denn  fragen  wir,  was  bei  den  civilisirlen  Völkern  iu 
den  Händen  der  geschicktesten  Opei'ateure  die  ^Prepanation  fiii-  Erfolge  bot,. 
i)evor  die  Einführung  dei'  antiseptischen  ^Nfethode  die  Wundeiterungen  aus- 
zuschliessen  vermochte,  so  fällt  der  Verghnch  im  höchsten  (Irade  ungünstig 
für  die  Culturvölker  aus.  Der  berühmte  Dieffenhach  schreibt  in  seiner  ..opera- 
tiven Ohirurgie  (11.   17): 

..Seit  vielen  Jahren  hal)e  ich  die  l\ej)anation  mehr  gescheuet,  als 
<lie  Kopfverletzungen,  welche  mir  vorkamen;  sie  ist  mir  in  den  meisten 
Fällen  als  ein  sicheres  INlittel  erschienen,  den  Kranken  umzubringen,  und 
unter  den  vielen  Hundei'ten  von  Kopfverletzungen,  bei  welchen  ich  nicht 
trepauirte,  wäre  der  Ausgang,  während  ich  so  nui'  verhältnissmässig  wenige 
Kranke  verlor,  wahrscheinlich  bei  einer  grösseren  Zalil  ungünstig  gewesen, 
wenn  ich  in  der  Trepanation  ein  Heilmittel  zu  linden  geglaubt  hätte.  In 
früheren  Jahren,  avo  ich  nach  empfangenen  Grundsätzen  vielfach  trepauirte, 
war  der  Tod  bei  Weitem  in  der  Älehrzahl  d(M-  Fälle  der  Ausgang." 

in  dem  Besitze  des  Herrn  Umlauff'  in  Hamburg  befindet  sich  die 
Mumie  eines  Neu-Caledoniers  (Fig.  172),  welcher  einer  Trepanation  er- 
legen ist.  Ich  schliesse  dieses  aus  dem  Umstände,  dass  die  Operation  nicht 
ganz  vollendet  wurde.  AN^dirscheinlich  also  starb  der  Patient  unter  den 
Händen  seiner  Operateure.  Dass  er  die  Operation  nicht  überlebte,  zeigt 
auch  der  Mangel  jeglicher  entzündlichen  Reaction  au  den  Rändern  der 
Knochenwunde;  und  dass  es  nicht  eine  Trepanation  sein  kann,  die  man  an 
eintMU  eben  Verstorbenen  ausführte,  etwa  um  der  Seele  einen  Ausweg  zu 
schaffen,  das  wird  wiederum  dadurch  bewiesen,  dass  die  Operation  unvoll- 
endet blieb.  Denn  wenn  der  Mann  bereits  eine  Leiche  war,  so  ist  es  natür- 
lich nicht  einzusehen,  warum  man  die  Operation  nicht  zu  Ende  führte. 

Die  Trepanatiouswunde  hat  ihren  Sitz  auf  der  Höhe  des  rechten  Stirnbeins, 
ungefähr  entsprechend  dem  Tuber  frontale.  Sie  bildet  eine  fast  kreisrimde 
Oefftiung  von  der  ungefähren  Gröss(>  eines  grossen  Zwauzigpfemiigstücks. 
Der  Knochen  ist  in  senkrechter  Richtung  durchschnitten,  doch  man  erkennt 
deutlich  an  den  Rändern  dei'  Knochenwunde,  dass  nicht  ein  circulär  schneiden- 
des Instrument,  ähnlich  einer  Trei)ankrone.  den  Knochen  durchtrennte,  sondern 
dass   diese  Durchschneidung  freihändig  mit  kui'zen  Zügen  stattgehabt  hatte. 

Diese  immerhin  nicht  kleine  Oefthung  ist  dem  Oi)erateur  nun  sicherhch 
nicht  als  vollkommen  hinreichend  erschienen,  deim  er  hat  den  Versuch  ge- 
macht, dieselbe  noch  nach  hinten  zu  vergrössem.  Mtm  sieht,  dass  er  um 
ein  halbmondförmiges  Stück  die  Tre])anationsöffiiung  noch  erweitern  wollte. 
Der  Schädel  war  schon  so  tief  eingeschnitten,  dass  man  die  Form  und  Aus- 
dehnung der  Nacho])eration  ganz  klar  und  deutlich  erkennen  kann;  aber  die 
Schnitte  sind  noch  nicht  durch  die  ganze  Dicke  des  Schädels  gegangen  und 
so  haftet  das  umschnittene  Stück  noch  unverrückt  an  seinem  ursprünglichen 
Platze.  Nur  an  der  lateralen  Spitze  durchsetzt  der  Schnitt  schon  die  ganz(^ 
Dicke  des  Knochens,  imd  von  dem  für  die  Entfernung  bestimmten  Stück  ist 
die  äussere  Knochenlamelle  heruntergesprengt. 

Die  Trepanationen  des  Schädels  gehören  zu  den  allerältesten  Opera- 
tionen der  Menschheit.  An  verschiedenen  Stellen  Europas  haben  sich 
unter  Skeletten  der  neolithischen  Periode,  der  sogen;uniten  jüngeren  Stein- 
zeit,   mehrfach    Schädel    vorgefunden,    welche    ohne    allen    Zweifel    trepanirt 


12(i.    Operationen  am   Halse  und  Trepanationen. 


303 


Avorden  waren.  Audi  die  lierausgesclmittenen  Kiiocheiischeiben  hat  initii 
wiederholeutlich  entdeckt,  nnd  es  konnte  nachgewiesen  werden,  dass  dieselben 
;ils  Amulete  getragen  worden  sind.  Als  den  Entdecker  dieser  Thatsache 
müssen  wir  Prunieres  bezeichnen;  ganz  eingehend  ist  dieselbe  darauf  von 
Faul  Broca  studirt.  Ein  Theil  der  Schädel  war  ganz  bestimmt  erst  nach 
dem  Tode  der  Trepanation  unterworlen  worden,  bei  anderen  aber  bewies 
deutliche  Veiiiarbuug  an  den  Jiändern  des  kiuisthchen  »Schädeldefektes,  dass 
die  alten  Chirurgen  der  Steinzeit  nicht  nur  am  Lebenden  operirt  hatten, 
sondern  auch  dass  der  Patient  die  Operation  auf  lange  Zeit  überlebte.  Auf 
die  hypothetischen  Erörterungen,  wai'um  man  zu  thesen  Operationen  schritt, 
können  wir  hier  nicht  näher  eingehen.  Sie  sind  in  der  Abhandlung  von  Till- 
manns   in    l)equeniei-  Weise    zusammengestellt    woi'den.     Als  eine  Regel  wird 


Fig.  173.     Trepanirter  Peruaner-Schädel,  Pisac. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  —  Nach  Photographie. 


es    bei    diesen   prähistoiischen  Trepanationen  hingestellt,    dass  sie  niemals  im 
Stirnbein  ihren  Sitz  haben. 

Bei  dem  oben  erwähnten  Neu-Caledonier  der  Sammlimg  ümlau/f' 
sass  aber,  wie  sich  der  Leser  erinnern  wird,  die  Trepanationsööiiimg  gerade 
im  Stiiiibein;  und  diis  Gleiche  hatte  Statt  an  einem  alten  Peruaner-Schädel 
;ius  einem  präcolumbischen  Ciräberfelde  in  Yucay,  welcher  von  Squier 
abgebildet  wurde.  Die  Form  der  Trepanatious-Wimde  ist  hier  eine  un- 
gewöhnliche und  Squier  stellt  die  Vermuthimg  auf,  dass  diese  Operation  mit 
einem  Meissel  ausgeführt  worden  sei.  Man  sieht  auf  dem  reciiten  Stimbehi 
dieses  Schädels  zwei  Paar  pai'allele  Linien,  welche  sich  rechtwinklig  schneiden. 
Sie  sind  tief  in  den  Ejiochen  eingedrimgen  und  das  kleine,  quadratische  Feld, 
das  sie   uraschliessen,   ist   aus   der  ganzen  Dicke  des  Schädels  entfernt.     Das 


304  XV.    Die  gx'osse   ('hirurgie. 

Präpjiiat  hat  Nelaton  voigelegeu.  Derselbe  gab  seine  Ansieht  dahin  ab.  dass 
der  Operirte  die  Trei)anation  \nu  imgefähr  14  Tage  überlebt  haben  müsse. 

Dem  Mnseum  für  A'^ölkerkunde  in  Berlin  ist  dnich  Hettner  aus 
einem  alten  Grabe  von  Pisac  in  Peru  eltcntalls  ein  trej)anirter  Schädel 
(Fig.  173)  zugegangen.  Die  grosse  Trepmiati(msöftiumg  hat  in  der  Seiten- 
fläche des  linken  Stiiiibeins  ihren  Sitz;  mit  ihrem  hinteren  Rande  greift  sie 
sogar  noch  ein  ganz  klein  Wenig  in  das  linke  Scheitelbein  hinein,  da  der 
untere  Theil  der  Sutura  coronaria  mit  hinweggenomnien  Avurde.  Der  untere 
Rand  liegt  nur  ganz  wenig  oberhalb  der  oberen  Grenze  der  Schläfenbein- 
schu])pe,  und  von  dem  grossen  Keilbeinflügel  ist  das  oberste  Ende  noch  mit 
entfenit. 

Die  Form  der  Knochenwimde  lässt  es  vermuthen,  dass,  ganz  älmUch 
wie  bei  dem  Neu-Caledonier-Schädel,  der  Oi)erateur  es  für  nöthig  ge- 
halten hat,  die  Trepanationsöfiinmg  nachträglich  noch  um  ein  gewisses  Stück 
zu  vcrgrössern.  Das  primär  tre])anirte  Stück,  dem  hinteren  Theile  der  Wimde 
entsprechend,  hatte  nahezu  die  Form  eines  Quadi'ats,  dessen  obere  Seite  etwas 
convex  ist.     Bei  einer  Länge  von  28  mm  hat  sie  eine  Höhe  von  26  mm. 

Dieses  ausgeschnittene  Stück  hat  nun  sicherlich  nicht  ausgereicht,  um 
den  angestrebten  Zweck  zu  erfüllen,  mid  so  hat  dann  der  Operateur  die 
Wmide  nach  vora  um  ein  mii'egc^mässig  dreiseitiges  Feld  vergrössei"t.  Dabei 
ist  die  obere  vordere  Ecke  des  ursprimglichen  Quadrates  als  ein  in  die 
Knochenöfiiiimg  einspringender  Yorsprung  stehen  geblieben,  imd  er  legt  nun 
Zeugniss  ab  für  diese  nachträghche  Erweiterimg  der  Wimde.  Das  secimdär 
entfernte  Ejiochenstück  hatte  an  seinem  hinteren  Rande  eine  Höhe  von  17  mm, 
wähi'end  es  vorn  nur  8  mm  hoch  war;  seine  Llhige  betrug  9  mm.  Somit 
hat  also  der  gesammte  künstliche  Knochendefect  eine  Länge  von  37  mm. 
An  der  operirten  Stelle  ist  der  Schädel  sehr  dünn  gewesen,  was  die  Operation 
ohne  Zweifel  nicht  imwesenthch  erleichtert  hat.  Mit  was  lür  einem  Instru- 
mente dieselbe  vorgenommen  wurde,  das  lässt  sich  aus  der  Knochenwunde 
nicht  ersehen.  Aber  darüber  kann  kein  Zweifel  herrschen,  dass  der  Operii'te 
die  Trepanation  giückhch  überstanden  hat  imd  dass  er  lange  Zeit  nach  der- 
selben, wahrscheinlich  Jahre  laug  hinterher,  sich  noch  am  Leben  befunden 
hat.  Das  lehren  deutlich  die  Ränder  der  Knochenwimde,  welche  vollständig 
übemarbt  und  mit  neuer  Knochenrindensubstanz  bedeckt  sind,  welche  die 
Ränder  wie  zugeschärft  erscheinen  lässt.  Nur  der  dem  grossen  Keilbeinflügel 
angehörende  Theil  zeigt  eine  massige  ostitische  Verdickung.  Auch  die  den 
Rändern  benachbarten  Knochentheile  lassen  die  Reste  entzündlicher  Reaction 
erkemien.  Dieses  Reactionsfeld  hat  nach  vom  eine  Ausdelmimg  von  3  mm, 
nach  imten  eine  von  5 — 6  mm,  und  am  oberen  Rande  begleitet  es  die  Wunde 
in  der  Ausdehnimg  eines  ganzen  Centimeters. 

Wir  hatten  oben  von  den  Trepanationen  der  Uvea-Ius ulaner  Bericht  er- 
stattet. Dieselben  trep^miren  aber  ausser  dem  Schädel  auch  noch  die  Extre- 
mitätenknochen. Auch  hierüber  erfahren  wir  Näheres  durch  iJ/?a.  Derselbe 
sagt  von  diesen  Eingeborenen  der  Loyalitäts-Inselu:  „Dieses  Mittel  der 
Ejiochenausschabimg  wird  bei  dem  alten  Volke  in.  ähnlicher  Weise  bei  Rheuma- 
tismus angewendet.  Die  Haut  wird  in  der  Längsrichtung  eingeschnitten  und 
darauf  die  Mitte  der  Ulna  oder  des  Schienbeins  blossgelegt.  Dann  Avird  die 
Oberfläche  des  Knochens  mit  Glas  geschabt,  bis  ein  grosses  Stück  der  äusseren 
Ijamelle  entfenit  ist." 


-7^ 


12  (.    Der  Bauchschnitt  oder  die  Laparotomien.  305 

Wir  sehen,  dass  es  an  chirm^gischeni  ]Muth  diesen  Xaturkindeni  nicht 
gebricht,  imd  immer  muss  es  ims  mit  Bewimdermig  enüUen,  dass  solche  Avahr- 
hch  kühnen  Eingriffe  doch  schhessKch  noch  zu  Heilimgen  führen.  Allerdings 
wird  der  angestreifte  Zweck  nur  imvollkonnnen  oder  gar  nicht  erreicht.  Denn 
Ella  sagt:  „Ich  hal)e  niemals  Jemanden  gefunden,  der  sich  dieser  Operation 
unterzogen  hatte,  welcher  angegeben  hätte,  dass  sie  in  der  angestrel)ten  Ab- 
sicht wirksam  gewesen  sei.  Sie  Avaren  rhemnatisch  gebheben  mid  litten 
ausserdem  noch  grosse  Pein  durch  die  im  Verlaufe  des  Vernarb migsprocesses 
zu  Stande  kommende  Fixirmig  der  Haut  an  den  Knochen." 


137.   Der  Bauchschnitt  oder  die  Laparotomien. 

Sogar  an  das  Aufschneiden  des  Leibes,  an  die  Lai)aroton)4en,   wagen 

sich   die    Natiu'völker    heran.     Bancroft   berichtet   von    einem   Onkanagan- 

Indianer,   den   sein  Gewähi'smami  operiren   sah.     Es   wm'de  ihm  mit  einem 

,    Messer  der  Bauch  aufgeschnitten  imd  aus  dem  Lmeren  desselben  eine  grosse 

'    Menge    Fett   herausgezogen.     Darauf  wurde    die    Wimde    zugenäht    imd    der 

Medicin-Mann  stellte  den  Operirten  vollständig  AN-ieder  her. 

Auch  von  einem  Chippeway- In  dianer  wird  berichtet,  dass  er  an  seiner 
schwangeren  Frau  mit  glücklichem  Erfolge  den  Kaiserschnitt  ausfühi-te. 
Das  Kind  kam  ebenfalls  mit  dem  Leihen  davon.  In 
,  U  g  a n  d  a  in  Central  -  A  fr  i  k  a  hat  Felkiti  einem  Kaiser- 
i  schnitt  beigewohnt.  Es  war  in  Kahura  im  Jahre 
1879.  Er  gab  eine  Skizze  von  der  Operation,  sowie 
von  dem   convexen  Messer    (Fig.  174),    mit  welchem  Kg.  174. 

der  Medicin-Mimn  sie    ausführte,    imd   auch  von  der    Operationsmesser,  Uganda, 
vernähten  Wimde  (Fig.  157).    Ueber  die  Ausfükrimg  Nach  Feikin. 

dieser  Laparotomie  äusserte  er  sich  folgendermaassen : 

„Die  Frau,  eine  20  jährige  Erstgebärende,  lag  auf  einem  etwas  geneigten 

Bette,  dessen  Kopfseite  an  der  Hüttenwand  stand  (Fig.  175).    Sie  war  diu'cli 

Banana-AVein  in  einen  Zustand  von  Halbbetäubimg  versetzt  worden.     Völhg 

nackt  war  sie  mit  dem  Thorax  dm-ch  ein  Band  an  das  Bett  befestigt,  während 

ein   anderes  Band  von  Baumrinde  ihre  Schenkel  nieder-   imd  ein  Mann   ihre 

Knöchel    festhielt.     Ein    anderer,    an    ihrer    rechten    Seite    stehender   Mann 

tixiiie  ihi'eu  Unterleib.     Der  Operateur  stand  zm*  linken  Seite,  hielt  das  Messer 

in    seiner  rechten  Hand   imd   miu'melte   eine  Incantation.     Hierauf  wusch  er 

t   seine  Hände    sowie    den  Unterleib  der  Patientin  mit  Bauana- Wein,    und  als- 

\  dann   mit  Wasser.     Nachdem   er   dami    einen    schrillen   Schi-ei    ausgestossen, 

L  der   von   einer   ausserhalb    der   Hütte    versammelten  Menge    erwidert   Aviirde, 

)   machte  er    pliitzlich    einen  Schnitt  in   die  Mittellmie,    ein  wenig  ol)erhall)  der 

■    Schamverbindmig  beginnend,  bis  kurz  imter  den  Nabel." 

„Die  Wand  sowohl  des  Bauches,  als    auch  der  Gebärmutter  war  durch 

diese  Incision  getrennt  und  das  Fruchtwasser  stürzte  hervor.    Blutende  Stellen 

I    der  Bauchwand   wurden   von  einem  Assistenten   mittelst  eines  rothglühenden 

Eisens   touchirt.     Der  Oi)erateur  beendete    zunächst   schleunig  den  Schnitt  in 

die   Uteruswand;    sein    Gehülfe    hielt    die  Bauchwände    bei  Seite    mit    beiden 

Händen,    und    sobald    (he  LTterinwand   getrennt   war,    hakte    er   sie  mit  zwei 

•  Fingeni    aus   einander.     Nun    wurde    das  Kiiul  scluiell  hei-ausgenommcn  und, 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  20 


306 


XV.    Die  grosse  Chirurgie. 


iuk'IkU'ih  es  einem  Assisteuteii  übergeben  wurdeu  war,    durebschnitt  man  den 
Xabelstrang.'' 

.J)ei'  Operateur  legte  das  Messer  w(^g,  i'ieb  den  Uterus ,  der  sich  zu- 
sammenzog, mit  l)eiden  Händen  und  (bnickte  ihn  ein  oder  zwei  Mal.  Zu- 
nächst führte  er  seine  rechte  Hand  duicli  die  Incision  in  die  Uterinliöhle, 
imd  mit  zwei  oder  drei  Fingern  erweiterte  er  den  Gebärmutter-Cervix  von 
innen  nach  aussen.  Dann  reinigte  er  den  Uterus  von  Gerinnseln,  imd  die 
Placenta,  die  inzwischen  gelöst  war,  Avurde  von  ihm  durch  (he  Bauchwunde 
entfernt.  Der  Assistent  bemühte  sich  ohne  rechten  Erfolg,  den  VorfaU  der 
Därme  diu'ch  die  Wmide  zu  verhüten.  Das  rothglühende  Eisen  benutzte 
man  noch  zur  Stillung  der  Blutung  an  der  Bauclnvunde,  doch  wui'de  dabei 
sehi'  schonend  verfahren." 

„Wähi'end  dem  hatte  der  Hauptarzt  seinen  Druck  auf  den  Uterus  bis 
zur  festen  Zusammenziehimg  desselben  fortgesetzt;  Nähte  wm'den  au  die 
Uteruswände  nicht  angelegt.  Der  Assistent,  welcher  die  Baiichwände  gehalten 
hatte,  Hess  dieselben  mm  los,  und  man  legte  eine  poröse  Gras-Matte  auf  die 
"Wimde.    Die  Bande,  welche  die  Frau  fesselten,  wurden  gelöst,  sie  selbst  auf 

den  Bettrand  gewendet  und  dann  in 
den  Armen  eines  Assistenten  auf- 
gerichtet, so  dass  die  Flüssigkeit  aus 
der  Bauchhöhle  auf  den  Fussboden 
abfliessen  konnte.  Dami  wmxle  sie 
Avieder  in  ihre  frühere  Lage  gebracht 
und,  nachdem  man  die  Matte  hin- 
weggenommen, che  auf  der  Wunde 
lag,  wurden  die  Bänder  der  "Wunde 
d.  h.  der  Bauchwand  an  einander  ge- 
legt mid  mittelst  sieben  dünner,  wohl- 
l^olirter  eiserner  Nägel,  die  den  Acu- 
pressur-Nadeln  ghchen,  mit  einander 
verlnrnden.  Dieselben  wmxlen  mit 
festen  Fäden  aus  Bindenstofif  umwmiden  (Fig.  157).  Sclihesslich  legte  man  über  die 
AVimde  als  dickes  Pflaster  eine  Paste,  die  durch  Kauen  von  zwei  verschiedenen 
AVurzeln  und  Ausspucken  der  Pulpa  in  einen  Topf  hergestellt  war,  bedeckte 
das  Ganze  mit  einem  erwärmten  Bananeublatte  imd  vollendete  die  Operation 
durch  eine  feste,  aus  Älbugu-Bast  bestehende  Bandage." 

„Während  des  Anlegens  der  Nadeln  hatte  die  Patientüi  keinen  Schrei 
ausgestossen,  mid  eine  Stunde  nach  der  Operation  befand  sie  sich  ganz 
wohl.  Die  Temperatm*  der  Kranken  stieg  in  den  nächsten  Tagen  nicht  be- 
deutend (in  der  zweiten  Nacht  101  F.),  der  Puls  auf  108.  Zwei  Stimden 
nach  der  Operation  Avmxle  das  Krnd  angelegt.  Am  dritten  Morgen  wiu-de  die 
AVunde  verbunden  imd  man  entfernte  einige  Nadeln,  die  übrigen  am  fünften 
und  sechsten  Tage.  Die  Wimde  sonderte  wenig  Eiter  ab,  den  man  mittelst 
einer  schwammigen  Pulpa  entfernte.  Am  elften  Tage  Avar  die  Wimde  geheilt." 
Muss  uns  hier  der  chirurgische  Muth  überraschen,  so  muss  dies  ausserdem 
auch  noch  die  physiologische  Einsicht  dieser  Naturvölker,  wenn  wir  erfaliren, 
dass  sie  sogar  Ovariotomien  imteinehmen  imd  zAvar  in  der  vollbeAvussten 
Absicht,  das  der  Operation  imterworfene  Mädchen  füi-  die  Fortpflanzimg  un- 
taughch  zu  machen.    Solche  Person  Hixh  Roberts  in  Indien:  sie  Avar  imgefähr 


Fig.  175.    Kaiserschnitt  in  Uganda. 
Nach  Felkin. 


127.    Der  Bauchsclinitt  oder  die  Laparotomien.  307 

25  Jakre  alt,  gi^oss,  muskulös  imd  voUkonunen  gesund.  Die  Fettentwickelimg 
au  dem  Körper  war  eine  hinreichende,  nm'  an  den  Hinterbacken  imd  an  der 
Schamgegend  war  das  Fettpolster  sehr  gering.  Pubes  hatten  sich  nicht  aus- 
gebildet imd  die  Menstruation  fehlte  vollkommen.  Am  CapYork  in  Austra- 
lien hat  Mac  Gillivray  eine  Stimime  gesehen,  an  welcher,  wie  die  Narben 
in  der  Leistengegend  auch  bestätigten,  die  eingeborenen  Medicin -Männer  die 
Exstirpation  der  Eierstöcke  ausgeführt  hatten.  Als  Grimd  füi"  die  Operation 
gaben  sie  an,  sie  hätten  es  vermeiden  wollen,  dass  die  Unglückhche  stimime 
Kinder  gebäre. 

Ebenfalls  imter  den  Eingeborenen  Australiens  imd  zwar  am  Para- 
pitshuri-See  traf  Hotsh  „ein  eigenthümhch  aussehendes  Mädchen,  welches, 
die  Gesellschaft  von  Fi-auen  meidend,  immer  bei  den  jimgen  Männern  des 
Stammes,  mit  welchen  es  che  Beschäftigimg  imd  Strapazen  theilte,  sich  auf- 
hielt. Das  Mädchen  zeigte  eine  sehr  geringe  Ent^dckelung  der  Brüste  und 
des  Fettpolsters  überhaupt;  die  mageren  Hinterbacken  imd  einige  am  Kinn 
wachsende  Haare  gaben  ihr  ein  knabenhaftes  Aussehen.  "Wenn  auch  das 
Mädchen  den  Weibern  aus  dem  "Wege  ging,  so  zeigte  es  doch  keine  be- 
sondere Neigung  zu  den  jimgen  Männern,  zu  deren  geschlechthcher  Behiedigimg 
sie  bestimmt  war.  Auf  zwei  länghche  Narben  in  der  Leistengegend  deutend, 
erklärte  einer  der  Eingeborenen,  welcher  etwas  Englisch  sprechen  konnte, 
dass  das  Mädchen  „all  same  spayed  cow"  wäre.  Rotsh  hatte  auch  gesagt,  dass 
dieses  Mädchen  nicht  das  einzige  Exemplar  dieser  Art  sei,  dass  diese  Operation 
von  Zeit  zu  Zeit  an  Mädchen  vorgenommen  wird,  um  den  jungen  Leuten  eine 
specieUe  Ai-t  von  Hetaira,  welche  nie  Mutter  werden  kann,  herzustellen." 

"Wenn  Anr  die  Berichte  von  diesen  grossen  Operationen  lesen,  so  müssen 
sie  uns  mit  vollem  Hechte  in  ein  nicht  geringes  Erstaimen  versetzen.  Sie 
alle  gehören  denjenigen  operativen  Eingriffen  an,  welche  in  den  civihsirten 
Ländern  von  den  allerberufensten  Händen  doch  niu-  so  selten,  wie  niu'  irgend 
möghch,  imd  niu'  mit  einer  gewissen  Scheu  unternommen  wiu'den,  bevor  man 
durch  das  antiseptische  Yerfahi'en  dahin  gekommen  war,  mit  euiem  hohen 
Grade  von  Wahi-scheinhchkeit  die  gi'ossen  Gefahi-en  des  "Wimdverlaufes ,  das 
Wimdfieber,  die  Eiterimgen  imd  vor  allen  Dingen  die  septische  Lifection, 
die  ..Blut-  imd  Eitervergiftimg'',  auszuschhessen.  Diese  Methoden  beheiTschen 
(he  NatiuTÖlker  nicht.  An  schmutzigen  Patienten,  mit  schmutzigen  oder  ganz 
imgenügend  desinficü-ten  Händen  iind  mit  sicherhch  oft  höchst  imsauberen 
Instrumenten  fühi'en  sie  diese  gefähi^hchen  Operationen  aus,  imd  dennoch 
sterben  ihnen  nicht  niu-  nicht  aUe  ihi-e  Operii'ten,  sondern  sie  bringen  über- 
laschender  Weise  sogar  eine  grössere  Zahl  üu'er  Kranken  diu"ch,  als  das 
imter  den  geordneten  Yerhältnissen  wohleüigerichteter  Khniken  und  Kranken- 
häuser der  Fall  war.  Dieser  Widerspruch  ist  nicht  anders  zu  erklären,  als 
dass  wir  annehmen,  die  Natiu'völker  besitzen  einen  bedeutend  höheren  Grad 
von  Widerstandsfähigkeit  gegen  die  Angriffe  der  Erreger  der  Wundcomjjhca- 
tionen,  als  die  hoch  civihsirten  Nationen.  Ich  habe  dies  an  einer  anderen 
Stelle  in  ausiühi-hcher  Weise  darzulegen  versucht.*) 


*)  Max  Bartels:  Culturelle  und  Rassenunterschiede  in  Bezug  auf  die 
Wundkrankheiten.  Zeitschrift  für  Ethnologie.  Jahrgang  XX.  Berlin  18;SS. 
S.  169—183. 

20* 


l 


Schlusswort. 


I 


Lassen  wir  mm  zimi  Scliliiss  noch  eimnal  die  Medicin  der  Natm'volker 
an  imserem  Auge  vorül)erziehen,  so  finden  "vsdr  ein  absonderliches  Gemisch 
von  Unverstand  und  überlegtem  Handehi,  von  falschen  Voraussetzungen  und 
logischen  Folgerimgen,  von  Aberglauben  imd  Gespensterlmcht  imd  von  prak- 
tischen Fälligkeiten  Einzelner.  BeheiTscht  auch  ihre  Dämonologie  scheinbar  ihr 
gesammtes  medicinisches  Können,  so  stosseu  wir  doch  auch  andererseits  auf 
manche  gute  Kenntniss  imd  Maassnahme.  Die  genaue  Bekanntschaft  mit 
der  sie  mngebenden  Pflanzenwelt,  die  richtige  Bem'theilmig  ihrer  Heilwirkungen 
Avird  uns  vielfach  von  den  Naturvöllveni  gepriesen. 

Von  der  Kraft  des  beschwörenden  Wortes  haben  wir  häufig  Ijerichten 
müssen,  ähnlich  wie  in  imserer  Yolksmedicin  die  Besprechungen  reichlich  in 
AnAvendung  kommen.  In  der  Yolksmedicin  wii'd  bekannthch  die  verstümmelte 
imd  imverstandene  Fonnel  oft  fiii'  besonders  wirksam  gehalten.  Auch  imter 
den  Beschwörungsgesängen  der  Klamath-Indianer  in  Oregon  finden  sich 
manche  alterthümliche  Fonnen,  deren  Erklärung  den  Indianern  bereits  schon 
einige  ScliANderigkeiten  venu'sacht.  Das  Geheimmittel  ist,  wie  wir  sahen,  bei 
den  Medicm-Mämiem  der  nordamerikanischen  Indianer  vielfach  im 
Gebrauch.  Ihre  Medicamente  werden  gepulvert  imd  mit  "«-irkimgslosen 
Dingen  gemischt,  nur  um  sie  nach  Geruch  imd  Aussehen  für  den  Patienten 
unkennthch  zu  machen.  Kostbares,  Seltenes  und  Ekelhaftes  wird  in  der 
INIedicin  der  Natmwölker,  wie  in  der  Volksmechcin  hochgeschätzt. 

AV)er  auch  noch  viele  andere  Analogien  finden  wir  ZAN-ischen  diesen  lieiden 
Gruppen  der  piimitiven  Medicin.  Es  soll  hier  nm-  an  die  Eäucherimgen  und 
die  Schwitzcuren,  an  die  schablonenhaft  ausgeübte  Hydi'otherapie,  an  das  ein- 
schläfenade  Magnetisiren,  an  che  purgirendeu  Heiltrankcuren  imd  an  das 
Streichen  eriimert  werden.  Jedermann  weiss,  welch  hervoiTagende  Rolle  diese 
Methoden  bei  imserem  Volke  spielen;  und  bis  in  Avelche  Schichten  der  Be- 
völkerimg dieses  „Volk"  auch  noch  heutigen  Tages  hinaufreicht,  davon  geben 
auch  in  Europa  täghche  Beispiele  deutlich  Kimde. 

Selbst  für  das  Erbrechen  des  Methcin-Mannes  findet  sich  eine  interes- 
sante Parallele.  Ein  berühmter  „Magnetiseur'  in  Frankfurt  am  Main, 
dem  jetzt  die  erleuchtete  Büi-gerschaft  zuströmt,  streicht  dem  dyspeptischen 
Kranken  den  Magen,  wird  dann  von  heftigem  Erbrechen  befallen  imd  der 
Leidende  ist  geheilt. 

Piiester,  Beichtvater  imd  Arzt  zugleich,  versteht  es  der  Medicm-Mann, 
das   rehgiöse  Bedüi-fiiiss    imd    die    seehschen  Empfindungen  seiner  Gemeinde 


312  Schlusswort. 

s(Mnoii  ärztlichon  Yeronliuuigou  auzupasseu.  Furcht  \<)r  der  (xottlieit,  Opfer 
1111(1  Busse,  sowie  die  beänffstigende  Nähe  der  Dämonen,  deren  Kommen  und 
Gehen  imd  deren  Sprechen  er  durch  des  Medicin-lMannes  Bauchrethierkmist 
mit  seinen  gespannt  lauschenden  Ohren  deutlich  zu  vernehmen  vermag,  üben 
auf  das  überreizte  NeiTensystem  des  Patienten  einen  g(> waltig  suggestiven 
Einfluss  aus.  Vorsichtige  Sorge  für  die  Entleerung  des  überfüllten  Magens 
und  Dannes,  Regelimg  der  Diät  und  kfiipeiliche  Hebung  werden  ebenfalls 
in  Anwendung  gezogen. 

Operative  Eingriffe  erzwingt  bisweilen  die  Noth  des  AugenbHcks.  Waren 
sie  melmnals  von  Erfolg  gekrönt,  so  entwickelt  sich  der  chirurgische  Muth. 
Und  ist  nmi  diese  Kühnheit  im  Oi)eriren  auch  oft  nur  die  Kühnheit  des 
I^nverstandes,  welcher  von  den  dix^henden  Gefalu-en  auch  nicht  die  leiseste 
Yorstellimg  besitzt,  so  geht  aus  solcher  Külmlieit  doch  allmählich  die  chirur- 
gische Gewandtheit  hervor,  und  dieser  folgt  dann  uaturgemäss  allmählich 
zielbewusstes  Können. 

Gilt  dieses  flu'  die  Naturvölker  allein?  Keineswegs,  denn  auch  dem 
Gliedersetzer  imd  dem  Renkdoktor  imseres  Landvolkes  kommt  das  Selbst- 
bewusstsein  auf  gleiche  "Weise.  Aber  auch  mancher  hochangesehene  Sclmeid- 
arzt,  mancher  Bruchschneider,  Steinschneider  oder  Staarstecher  hat  m  ver- 
flossenen Jahi'hundei-ten  bei  uns  eine  ganz  ähnliche  Entwickelung  dm'chlaufen. 

Möge  es  hiennit  genügend  sein.  Ist  es  doch,  glaube  ich,  liim-eichend 
bewiesen,  dass  ein  gemeinsames,  festes  Band  sich  dmx'h  diese  Ideen  hindm'ch- 
schlingt,  das  die  Naturvölker  imter  einander,  sowie  mit  den  Völlieni  des 
Alterthiuns  imd  mit  unseren  niederen  Volksschichten  verbindet.  Und  so 
sind  wir  denn  gezwimgen,  in  diesen  Gedankengängen  gleichsam  eine  noth- 
wenchge  Function  des  ijrimitiven  Menschengehinies  zu  erblicken,  imd  somit 
dokmnentii'en  sie  sich  als  dasjenige,  was  wir  in  der  Einleitung  behauptet 
haben,  als  echte  und  wahre  Völker gedanken. 


Anhang  I. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Seite 

^  Fig.  1.  Mahäkola  Ydksclia  mit  seinen  18  ihn  begleitenden  Ki-auk- 
heits  -  Dämonen.  Holzschnitzerei  der  Singhalesen  (Ceylon).  (Be- 
sprochen S.  13.  14.)  —  Geschickt  von  Freudenberg.  Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  ...  14 
I  Fig.  3.  Holzmaske  der  Teufelstänzer  der  Singhalesen  (Ceylon). 
den  Nagäsannijä  darstellend,  den  Teufel,  Avelcher  Schmerzen  verursacht, 
die  denen  des  Bisses  der  Brillenschlange  gleichen.    (Besprochen  S.  14.) 

—  Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers     15 
1  Fig.  3.     Holzmaske    der  Onondaga -In dianer.    einen   der  bösen 

'  Geister  Hondoi  darstellend,  welche  die  K!i'ankheiten  bringen  und  dui'ch 
Tänze,  Speise-  und  Tabaksopfer  versöhnt  werden.     (Besprochen  S.  14.) 

—  Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers     15 

Fig.  4.  Holzmaske  der  Onondaga-In dianer,  wie  Fig.  3.  (Be- 
sprochen S.  14.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 15 

Fig.  5.  Lilyi,  die  Schleimige,  weiblicher  Krankheits-Dämon  der 
Zigeuner,  welcher  Catarrhe  und  Ruhr  verursacht.  (Besprochen  S.  15, 
16.)  —  Nach  H.  V.  Wlislocki:  Aus  dem  inneren  Leben  der  Zigeuner. 
Berlin  1892.     S.  27  Fig.  6 16 

Fig.  6.  Poreskoro,  der  Geschwänzte,  Ki-ankheits-Dämon  der  Zi- 
geuner, welcher  die  Epidemien  verursacht.  —  Nach  H.  v.  Wlislocki, 
wie  Fig.  5.     S.  10  Fig.  2 16 

Fig.  7.  ülar  naga,  Gottheit  der  Alloresen  [S.  16  imd  in  der 
Unterschrift  irrthümlich  als  von  den  Kei -Inseln  stammend  bezeichnet), 
aus  Holz  gefertigt,  welcher  zur  Abwehr  von  Epidemien  geopfert  wird. 
(Besprochen  S.  16,  17.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f. 
Völkerkunde,    Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers     17 

Flg.  8.  Lederriemen  mit  Krallen  und  Fellstückchen  besetzt,  welche 
der  Medicin-Mann  scheinbar  aus  dem  ki-anken  Körpertheile  heraussaugt. 
Klamath-Indianer.  —  Mus.  f.  Völkex'kunde,  Berlin.  Nach  photo- 
graphischer Aufnahme  des  Verfassers 24 

Fig.  9.  Guri-guri,  Topf  mit  einem  geschnitzten  Deckel,  behängt 
mit  Schweinshaueru.  gefüllt  mit  Arznei  von  den  B attakern  in  Sumatra. 


Anhang  I.  ■ 


316 

Seite 
Dieselbe  ist  nngeblich  :ius  einem  stark  giftigen  Präparate  von  Menscheu- 
fleiscli  gefertigt  und  soll  so  hochgradig  giftig  sein,  dass  schon  der  Ge- 
ruch eine  Vergiftung  verursacht.  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach 

photographisclier  Aufnahme  des  Verfassers 30 

Fig.  10.     Seelenfänger  (Soul-catcher)    der  Hervey-Insulaner. 

—  British    Museum,    London.     Nach    C.  W.    Pleyte.     Verh.   d.  Berliner 
anthrop.  Ges.     Zeitschrift  f.  Ethnologie  Bd.  XIX  S.  20.     Berlin  1887     .     38 

Fig.  11.  Alte  Erbstücke  der  Fürsten  von  Pasimpai,  Mittel- 
Sumatra;  1.  a.  b.  goldener  Pfeilring,  saloei  karijs  nan  doeno  bale  ? 
taije  genannt,  getrieben  und  innen  mit  Harz  gefüllt.  —  2.  eisernes 
Schwert  mit  hölzernem  Knopf  und  hölzerner,  mit  Rotanbändchen  ge- 
bundener Scheide.  Es  heisst  tjoerieq  si  niandang  giri,  soembiing 
saratoejs  sanibilan  poeloew,  zu  deutsch:  das  Schwert  si  mandang 
giri  mit  den  190  Scharten.  Es  wird  in  vielen  alten  TJeberlieferungen 
genannt.  —  3.  u.  4.  Steinchen,  manlikö,  die  früher  am  Leibe  klebten 
und  Ki-ankheiten  heilen  konnten.  —  Der  Anblick  dieser  Gegenstände 
bringt  den  Kindern  Krankheiten;  das  "Wasser,  mit  dem  man  sie  über- 
giesst,  heilt  Krankheiten.  (Besprochen  S.  41.)  —  Nach  Ä.  L.  van  Hasselt. 
Ethnograph.  Atlas  van  Midden-Sumatra.     PI.  XXXI.     Leiden   1881  .     40 

Fig.  13.  Kleine  Hand  von  blauem  Glase,  Amulet  der  Türken  in 
Consta ntinopel  gegen  den  bösen  Blick.  —  Mitgebracht  von  Dr.  Lud- 
wig Aschoff.  Im  Besitze  des  Verfassers.  (Vierfach  vergrössert.)  Nach 
einer  Zeichnung  von  Erl.  Julie  Schlemm 43 

Fig.  13.  Hand  von  Messing,  Amulet  der  Juden  in  Marokko 
gegen    den   bösen  BHck.     Es  wird  den  Knaben  an  die  Mütze  geheftet. 

—  Mitgebracht    von    Max    Quedenfeldt.      Mus.    f.  Völkerkunde,    Berlin. 
Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 43 

Fig.  14.  Glasfluss,  äusserster  Ring  blau,  der  folgende  gelb,  der 
mittelste  weiss  mit  schwarzem  Mittelpunkt,  au  das  Bild  eines  Auges 
erinnernd,  Amulet  der  Cyprioten  gegen  den  bösen  Bhck.  —  Mit- 
gebracht von  Dr.  Ludimg  Äschoff'.  Im  Besitze  des  Verfassers.  Nach 
einer  Zeichnung  von  Frl.  Julie  Schlemm 43 

Fig.  15.  Ein  Mi  de  nach  der  Darstellung  auf  einem  Musikbrette 
der  Chippeway -In dianer.  Er  ist  mit  höherer  Kraft  erfüllt,  was  durch 
die  Hörner  auf  seinem  Kopfe  angezeigt  wird.  Die  von  seinen  Ohren 
ausgehenden  Linien  bezeichnen,  dass  er  hört.  Der  hierzu  gehörige  Ge- 
sang lautet:  „Ich  höre  den  Geist  reden  zu  uns!"  —  Nach  W.  J. 
Ho  ff  man:  The  Mide-wiwin  or  Grand  Medicine  Society  of  the  Ojibwa. 
Seventh  Annual  Report  of  the  Bureau  of  Ethnology  (Separat -Abdruck). 
Washington  1892.     p.  196 63 

Fig.  16.  Ein  Mi  de  nach  der  Darstellung  auf  einem  Musikbrette 
der  Chippeway -In  dianer.  Sein  Körper,  d.  h.  sein  Herz,  ist  mit 
Kenntniss  von  den  heiligen  Medicinen  der  Erde  erfüllt.  Der  hierzu  ge- 
hörende Gesang  lautet:  „Ich  habe  die  Medicin  in  meinem  Herzen." 

—  Nach  Hoff'man,  wie  Fig.  1.5.     p.  196 63 

Fig.  17.  Medicin -Tanz  der  Winnebago  -  Indianer  in  Nord- 
Amerika.  —  Nach  Henry  R.  Sclioolcraft:    History,   Condition  and  pro- 


Erklärung  der  Abbildungen.  317 

Seite 
ipects    of   tlie  Indian  Tribes  of  the  United  States.     Philadelphia 

1851—55.     Part  III  Plate  31 64 

Fig.  18.  Maske  des  Medicin -Mannes  der  Ätna -Indianer  in 
Südwest- Alaska.  (Besprochen  S.  72.)  —  Mitgebracht  von  Adrian 
Jacobsen.     Mus.  f.  Völkerk\;nde,  Berlin.     Nach  einem  Aquarell  von  Frl. 

Jtilie  Sciäemm 65 

Fig.  19.  Maske  des  Medicin-Mannes  der  Ätna -In  dianer,  Alaska. 
(Besprochen  S.  72.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen     Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  einem  Aquarell  von  Prl.  Julie  Schlemm  ....     66 
Fig.  20.     Medicin-Mann  (Zauberer)  der  Basutho  in  Transvaal, 
i  Süd-Afrika.     (Besprochen  S.  69.)  —  Nach  einer  Photographie  im  Be- 
sitze des  Verfassers 67 

Fig.  21.  Medicin-Mann  der  Ätna- In  dianer  in  Alaska.  Nach 
der  Figur  des  Museum  für  Völkerkunde,  Berlin.  Vorderansicht.  (Be- 
sprochen S.  71 — 73.)  —  Nach  photographischer  Aufnahme  von  Fräu- 
lein Julie  Schlemm 68 

Fig.  22.  Maske  des  Medicin-Mannes  der  Atna-Indianer,  Alaska. 
(Besprochen  S.  72.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen.  Mus.  f  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm  .     .     .     .     69 

Fig.  23.  Medicin-Mann  der  Atna-Indianer  in  Alaska.  Nach 
der  Figur  des  Museum  für  Völkerkunde,  Berlin.  Hinteransicht.  (Be- 
si)roclien  S.  71 — 73.)  —  Nach  einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm  .     70 

Fig.  24.  Mütze  des  Medicin-Mannes  der  Haidah-Indianer,  aus 
Wieselfellen  und  Fuchsschwänzen,  mit  Knochenstäben  behangen.  (Be- 
sprochen S.  72.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen.  Mus.  f  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm  .     .     .     .     71 

Fig.  25.  Medicin-Mann  der  Schwarzfuss-Indianer  am  Yellow- 
stone-River.  (Besprochen  S.  73.)  —  Nach  George  Catlin:  Die  In- 
dianer Nord-Amerikas.     Brüssel,  Leipzig,  Cient  1851 72 

Fig.  26.  Maske  des  Medicin-Mannes  der  Haidah-Indianer,  ein 
Fabelthier  darstellend.  (Besprochen  S.  72.)  —  Mitgebracht  von  Adrian 
Jacobsen.     Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.     Nach  einem  Aquarell  von  Frl. 

Jtdie  Schlemm 73 

Fig.  27.  Halsring  des  Medicin-Mannes  der  Haidah-Indianer. 
Die  l)eiden  mittleren  Knochenstäbe  haben  die  Form  einer  Fischotter. 
(Besprochen  S.  72.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen.  Museum  füi- 
A'ölkerkunde,   Berlin.     Nach  einer  photograph.  Aufnahme  des  Vei"fassers     74 

Fig.  28.  Knöcherner  Kopfkratzer  des  Medicin-Mannes  derHaidah- 
Indianer.    (Besprochen  S.  73.)  —  Mus.  £  Völkerkunde,  Berlin.    Nach 

photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 76 

Fig.  29.  Ajami,  hölzerne  nienscliHche  Figur  mit  Glasaugen  und 
Fellbekleidung.  Sie  stellt  den  Candidaten  der  Schamanen  würde  dar 
und  wird  von  dem  idtesten  Schamanen  der  Golden  in  Sibirien  ge- 
fertigt. Ist  sie  vollendet,  so  hat  der  Caudidat  die  Scharaanenwürde  er- 
langt. (Besprochen  S.  83.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen.  Mus. 
f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  ])hotographischer  Aufnahme  des  Verfassers      82 


318  Anhang  I. 

Seite 
Fig.  30.  Ajami,  hölzerne  Fi'auenfigur,  unbekleidet.  Sie  stellt  die 
Candidatin  der  Schaniiinenwürde  dar  und  wird  von  dem  ältesten  Scha- 
manen der  Golden  in  Sibirien  gefertigt.  Ist  sie  vollendet,  so  hat  die 
Candidatin  die  Scliamanenwürde  erlani^'t.  —  Mitf^ebracht  von  Adrian 
Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers .     83 

Fig.  31.  Einführung  eines  Mide-Candidaten  bei  den  nord ameri- 
kanischen Indianern.  (Besprochen  S.  83 — 8G.)  —  Nach  Schoolcraft, 
wie  Fig.  17,  Part  V  Plate  33 85 

Fig.  32.  Musikbrett  der  Waben o  der  nordamerikanischen  In- 
dianer: SB 

1.  Eine  Hand  des  Wabeno,  einen  Zauberstab  haltend.  Dieses  ist 
das  Zeichen  für  die  Eröffnung  des  Medicin-Tanzes  und  es  gehört  dazu 
der  Gesang: 

„Ich  spreche  zum  grossen  Geiste,  dass  er  mein  Leben  schütze 
durch  dieses  Zeichen  (den  Zauberknochen)  imd  dasselbe  wirk- 
sam mache  zu  meinem  Schutze  und  Erfolg. 

Ich.  bin  es  nicht,  der  es  gemacht  hat,  sondern  Du,  grosser  Geist. 
der  diese  Welt  und  alle  Dinge  darin  gemacht  hat. 

Höre  mich  und  sieh  erbarmungsvoU  aut  mein  Sclireien!" 
Dann  singt  der  Chor: 

„Ich  bin  ein  Freund  der  Wabeno." 

2.  Ein  Baum,  der  übernatürhches  Getöse  macht,  bisweilen  Gewehr- 
schüssen ähnlich;  er  gilt  füi-  den  Aufenthaltsplatz  des  grossen  Geistes. 
Der  Chor  singt: 

„Ich  (der  Baum)  lärme  für  mein  Leben,  wie  ich  stand." 
Dazu  wird  gerasselt  und  dann  erheben  sich  die  Indianer  und  be- 
ginnen den  Tanz. 

3.  Ein  Wabeno-Hund  springt  seinem  Herrn  entgegen.  Dazu  der 
Gesang : 

„Ich  soll  zu  ihm  laufen,  welcher  mein  Köri)er  ist." 

4.  Ein  Wabeno,  Blut  auswerfend.    Dazu  der  Gesang: 

„Ich  ringe  um  mein  Leben,  Wabeno,  tödte  es."  » 

5.  Tabakspfeife  mit  Federn.  Sie  war  von  einem  Uebehvollenden  mit 
„schlechter  Medicin"  gefüllt,  und  wurde  ahnimgslos  geraucht,  der  Eaucli 
trat  in  die  Lunge  des  Opfers  und  dieses  welkt  dahin.    Dazu  der  Gesaug: 

„Den  Mide  ich  fürchte  —  die  Pfeife  ich  fürchte,  welche  Fedeni 
an  sich  hat." 

6.  Der  Wurm  Mösa,  welcher  faules  Holz  frisst  und  lärmendes  Ge- 
räusch macht.     Dazu  der  Gesang: 

„Des  Wurmes  Haut  benutze  ich  — -  des  Wurmes  Haut  be- 
nutze ich." 

7.  Ein  zu  Hülfe  gerufener  Wabeno-Geist.     Dazu  der  Gesang: 
„Wer  ist  das,  der  hier  steht? 

Ein  Wabeno-Geist  steht  hier!" 

8.  Ein  hungriger  Wabeno-Jäger  mit  Bogen  und  Pfeil  hat  eine 
Elchspur  entdeckt.   Den  Urin  des  Thieres  vermischt  er  mit  Medicin  und 


Erklärung  der  Abbildungen.  319 

bestreicht  damit  eineu  seiner  vier  Pfeile,  den  er  nun  in  die  Spui"  schiesst. 
Der  Elch  wird  darauf  von  Strangurie  befallen;  er  muss  in  Folge  dessen 
hinter  dem  Eudel  zurückbleiben  und  nmi  vermag  ihn  der  Indianer  ein- 
ziüiolen  und  zu  tödten.     Dazu  der  Gesaug: 
„Ich  schoss  weit  über  die  Erde." 

9.  Das  Spnbol  des  grossen  Geistes,  den  Himmel  mit  seiner  Gegen- 
wart füllend.     Dazu  der  Gesang: 

„Wo  ich  sitze  reicht  mein  Haupt  bis  zum  Mittelpunkt  des  Himmels." 
Hier   folgt  eine  Pause  im  Tanze;    die  Ausübenden  setzen  sich,    er- 
heben   sich   aber  nach   einiger  Zeit  wieder   und  beginnen  unter  Rassel- 
begleitung die  Umgänge  von  Neuem. 

10.  Der  Himmel  mit  Wolken.     Dazu  der  Gesang: 
„Die  Wolke,  die  in  meinem  Himmel  ist." 

11.  Bewölkter  Himmel  mit  dem  langgeschwänzten  Fabelthier  „der 
weisse  Tiger",  der  die  Wolken  jagt  und  nach  oben,  d.  h.  in  die  Zu- 
kunft blickt.     Dazu  der  Gesang: 

„Er  wünscht  zu  blicken  in  den  Himmel, 
In  den  Himmel  wünscht  er  zu  blicken." 

12.  Der  Wolf  Mhotvha,  gehörnt,  um  seine  übernatürliche  Ki'aft 
darzustellen.  Mystische  Medicin  ist  ihm  an  Kopf  und  Schwanz  gethan, 
um  ihn  zum  Jagen  für  die  Wabeno  zu  veranlassen.    Dazu  der  Gesang: 

„Ich  soll  die  Beute  jagen, 
Dieser  Wolf  von  mir." 
Die  hier  folgenden  beiden  verticalen  Balken  zeigen  eine  Pause  an. 
Nach  dieser  beginnt  unter  Trommelschlag  der  Tanz  von  Neuem. 

13.  Der  Ki'iegsadler  Kanieu,  der  über  dem  Kampfplatze  schwebt 
und  sofort  nach  der  Schlacht  die  Gefangenen  frisst.  Seine  Federn  sind 
des  Kriegers  ehrenvollster  Schmuck.     Dazu  der  Gesang: 

„Sieh,  wie  ich  schiesse!" 

14.  Wünscht  der  Wabeno  ein  Thier  zu  erlegen,  so  fertigt  er  dessen 
Bild  aus  Gras  oder  Cattun,  hängt  dasselbe  im  AVigwam  auf  und  schiesst 
unter  Absingung  obigen  Beschwörungsgesanges  auf  dasselbe.  Trifft  der 
Pfeil,  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass  er  das  Thier  in  den  nächsten  Tagen 
erlegen  wird.     Der  Pfeil  "v\^ird  ausgezogen  und  verbrannt. 

15.  Ein  Mide,  auf  der  Erdkugel  sitzend,  hält  mit  einer  Hand  den 
Himmel,  dessen  gelbhche  Endigung  Wolken  bezeichnen  soll.  Er  zieht 
Kunde  vom  Himmel  ein  zum  Wohle  der  Menschheit.    Dazu  der  Gesang: 

„AVas  sehe  ich?  was  sehe  ich? 
Meinen  Himmel,  den  ich  richte." 
10.   Die  Sonne,  als  Symbol  des  grossen  Geistes,  auf  den  Indianer 
herabblickend  und  die  Ceremonien  annehmend.     Dazu  der  Gesang: 
„Warum  blickst  Du  auf  mich?" 

17.  Bogen  mit  abwärts  gerichtetem  Pfeil  auf  der  Mitte  der  Sehne, 
zum  Zeichen,  dass  er  bezaubert  ist;  vor  der  Pfeilspitze  tiinf  Kiesel  in 
einer  Reihe.  Diese  alle  durchschiesst  der  Pfeil  und  reiht  sie  auf  seine 
Spitze  auf. 

18.  Junger  Mann,  phallisch,  mit  Federschmuck  am  Kopfe  und  mit 
Trommel  und  Trommelstock  in  den  Händen.  Dieses  bedeutet,  dass  er 
den  Gegenstand  seiner  Wünsche  erlangen  wird.     Dazu  der  Gesang: 


320  Anhang  I. 

Seite 
„Höre  nieiue  Trommel,  höre  meine  Trommel! 
(Solltest  Du  auch  sein)    au   der  anderen  Seite  der  Erde,    höre 
meine  Trommel!" 

Nach  SchooJcraft,  wie  Fig.   17. 

Fia:.  33.  IMedicin-Hütte,  vom  grossen  Geiste  erfüllt.  Von  einem 
Musikbrett  der  Mi  de  der  nordamerikanischen  Indianer.  —  Nach 
Schoolcraft,  wie  Fig.  17.     Part.  I  Plate  51  Fig.  1 89 

Fig.  34.  Matakoko,  Verbotszeichen  oder  Matakau  von  der 
Insel  Serang,  um  den  Uebertreter  blind  werden  zu  lassen.  (Besprochen 
S.  100.)  —  Nach  J.  G.  F.  Riedel,  De  Sluik  en  kroesharige  Rassen 
tuschen  Selebes  en  Papua.     s'Gravenhage   1886.     Taf.  XIII  Fig.  18     97 

Fig.  35.  Sasakene,  Verbotszeichen  oder  Matakau  von  der  Insel 
Serang.  um  dem  Uebertreter  Ichthyosis  zu  verursachen.  (Besprochen 
S.  100.)  —  Nach  Riedel,  wie  Fig.  34.     Taf.  XIII  Fig.  6 07 

Fig.  30.  Ädii  Folagi  Höro.  Schutzgeist  gegen  Leibschmerzen.  Nias. 
—  Nach  Modigliani:  Un  viaggio  a  Nias.     Milano  1890 98 

Fig.  37.  Anamata,  Verbotszeichen  oder  Matakau  von  der  Insel 
Serang,  um  dem  Uebertreter  die  Kiefer  versteifen  zu  lassen.  (Be- 
sprochen S.  101.)  —  Nach  Riedel,  wie  Fig.  34.     Taf.  XIII  Fig.  1     .     .     98 

Fig.  38.  Verbotszeichen  oder  Matakau  von  der  Insel  Leti;  der 
Uebertreter  soll  einen  geschwollenen  Leib  bekommen.  (Besprochen  S.  100.) 
■ —  Mus.  f  Völkerk.,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers     99 

Fig.  39.  Mätto  la  tjürtjuri,  Verbotszeichen  oder  Matakau  von 
der  Insel  Luang;  dem  Uebertreter  sollen  die  Eingeweide  verdreht 
werden.  (Besprochen  S.  100.)  —  Mus.  £  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 99 

Fig.  40.  Tiasusuu,  Verbotszeichen  oder  Matakau  von  der  Insel 
Serang,  um  dem  Uebertreter  Blutdiarrhoe  zu  verursachen.  (Besprochen 
S.  100,  101.)  —  Nach  Riedel,  wie  Fig.  34.     Taf  XIII  Fig.  5    .     .     .     .100 

Fig.  41.  Sakorea,  Verbotszeichen  oder  Matakau  von  der  Insel 
Serang,  um  dem  LTebertreter  Schmerzen  in  den  Gliedmaassen  zu  ver- 
ursachen. (Besprochen  S.  101.)  —  Nach  Riedel,  wie  Fig.  34.  Taf.  XIII 
Fig.  8 101 

Fig.  42.  Tahulupu  oder  Lasepoota,  Verbotszeichen  oder  Ma- 
takau von  der  Insel  Serang,  um  dem  Uebertreter  Schwellung  der 
Testes  zu  verursachen.  —  Nach  Riedel,  wie  Fig.  34.     Taf  XIII  Fig.  3  101 

Fig.  43.  Potole,  Verbotszeichen  oder  Matakau  von  der  Insel 
Serang,  um  dem  Uebertreter  böse  Schwären  zu  verursachen.  —  Nach 
Riedel,  Avie  Fig.  34.     Taf  XIII  Fig.  4 101 

Fig.  44,  Medicin-Büchse  in  Holz  geschnitzt.  Bonerate.  [Im 
Text  S.  112  irrthümlich  als  aus  Keisar  stammend  bezeichnet.]  —  Mus. 
f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  105 

Fig.  45.  Purminakuu,  Ziegenhorn  mit  Arznei.  Den  Deckel  bildet 
eine  menschliche  Figur,  Ganagana  genannt,  welche  auf  einer  anderen 
reitet.  Von  den  B attakern  in  Sumatra.  (Besprochen  S.  112.)  — 
Mus.  f  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers  1.06 


Erklärung  der  Abbildungen.  321 

Seite 

Fig.  46.  IMedicin-Löffel  der  Singhalesen.  (Besprochen  S.  113.)  ^- 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photograpk.  Aufnahme  des  Verfassers  107 

Fig.  47.  Batu  bawi,  Stein,  der  angeblich  aus  dem  Gehini  des 
Stachelschweines  stammt;  Medicin  gegen  Kopfschmerzen  von  der  Insel 
Flores.  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  £  Völkerkunde, 
Berlin.     Xaeh  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 107 

Fig.  48.  Purminakun.  Ziegenhorn  mit  Arznei.  Den  Deckel  bildet 
eine  menschliche  Figur,  Ganagana  genannt,  welche  auf  einer  Anderen 
reitet.  Von  den  Battakern  in  Sumatra.  (Besprochen  S.  112.)  — 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers  108 

Fig.  49.  Chuletü,  Stäbchen  mit  zwölf  Stückchen  Calmuswurzel, 
von  dem  Schamanen  der  Golden  verabfolgt,  um  einen  Heiltrauk  für 
AVöchneriuneu  daraus  zu  kochen.  (Besprochen  S.  113.)  ^  Mitgebracht 
von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  £  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photograph. 
Aufnahme  des  Verfassers 109 

Fig.  50.  Umflochtenes  Büffelhorn,  Dasän  tandok  hadangan 
genannt,  von  KwfilaKapuas  in  Borneo.  Aus  demselben  müssen  die 
von  den  Sangiang,  den  Luftgeistem,  Besessenen  Tuak  (Ai'ak)  trinken. 
(Besprochen  S.  112.)  —  Mus.  £  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photo- 
gi-aphischer  Aufnahme  des  Verfassers 110 

Fig.  51.  Medicin-Sack  der  Indianer  aus  dem  Missouri-Gebiet; 
Fischotterbalg  mit  Stachelschweinstacheln  besetzt.  —  Mus.  £  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  .     .     .111 

Fig.  52.  Halsband  der  Zulu-Kaffern  in  Xatal,  das  als  Amulet 
u^id  gleichzeitig  als  Apotheke  dient.  Es  besteht  aus  erbseugrossen, 
gelben  Perlen,  zwischen  denen  sich  in  kurzen  Abständen  Pfianzentheile, 
Rinden-  und  Wurzelstücke,  ein  Entenschnabel  und  Antilopenhörner  be- 
finden. Letztere  waren  einst  mit  Medicin  gefüllt  und  mussten  ebenso 
wie  die  Wiu'zeln  für  bestimmte  Krankheiten  die  Medicamente  liefern. 
(Besprochen  S.  113.)  —  Mitgebracht  von  Herrn  Missionar  A.  Prozesky. 
Im   Besitze   des  Verfassers.     Nach   photographischer  Aufnahme   des  Ver£   112 

Fig.  53.  Medicin-Löffel  der  Singhalesen  aus  Nautilusschale. 
—  Mus.  £  Völkerk.,  Berlin.     Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers  113 

Fig.  54.  Perminakan,  Vase  mit  sehr  zauberkräftiger  Medicin, 
welche  augeblich  aus  Menschentleisch  gefertigt  ist.  Auf  dem  Deckel 
sitzt  zu  Pferde  der  Geist  der  Medicin  Pangtdu  halang.  You  den 
Battakern  in  Sumatra.  (Besprochen  S.  113.)  —  Mus.  £  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 114 

Fig.  55.  Ring  aus  Gelbholzstücken  von  der  Insel  Flores,  gegen 
Fieber  und  Kopfschmerzen  gebraucht.  —  Mitgebracht  von  Adrian 
Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkvinde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 120 

Fig.  56.  Kalebasse,  als  Klystierspritze  für  Kinder  dienend,  mit 
einem  Loch  zum  Einblasen  der  Flüssigkeit.  Liberia.  (Besprochen 
S.    120.)    —    Nach    J.    Büttihofer,    Reisebilder    aus    Liberia.      Lej'den 

1890.     Band  II  p.  327 121 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  "  21 


322  Anliang  I. 

Seite 
Fi;^.  57.  Angekohlte  Stücke  von  Taquara-Holz,  Idziua  genannt, 
zum  Einfiilu'en  in  den  Schlund,  um  Morgens  Erhrechen  hervorzurufen. 
Karaya-Indianer  am  Rio  Araguya  (Goyaz)  in  Brasilien.  (Be- 
sprochen S.  121.)  —  Mitgebracht  von  Paul  EJirenreich.  Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  iihotographischer  Aulhalnne  des  Verfassers   .     .     .   122 

Fig'.  58.  Schwitzhütte,  nach  der  Zeichnung  auf  einem  Musik- 
brett der  Wabeno  der  nordamerikanischen  Indianer.  Die  Zacken 
sollen  den  entweichenden  Dampf  andeuten.  Dazu  gehört  der  Gesang: 
„Ich  gehe  in  das  Bad  —  ich  mache  meinen  Bruder  kräftig." 
—  Nach  ScJwolcraff,  wie  Fig.  17.     Part.  I  Plate  51  Fig.  5 137 

Fig.  59.  Tuh,  Schwitzhütte  der  Indianer  von  Tactic  in  Gua- 
temala. —  Nach  0.  StoU,  Gruatemala.     Leipzig  188G 138 

Fig.  60.  Wöchnerin  der  Rouquouyennes- Indianer  in  Süd- 
Amerika  im  Dampfbade.  (Besprochen  S.  140.)  —  Nach  Crevaux,  Von 
Cayenne  nach  den  Anden.    Globus  XI  8.   70.    Braunschweig  1881  .  139 

Fig.  61.  Massage.  Nach  einem  japanischen  Holzschnitt.  ■ — 
Im  Besitze  des  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin 145 

Fig.  62.  Tschon-gä-täh,  Halsband  der  Mincopies  auf  den 
Andamaneu-Inseln,  aus  Menschenknochen  hergestellt  (im  vorliegen- 
den Falle  aus  zwei  kindlichen  Schlüsselbeinen,  einer  ersten  Rippe  und 
der  oberen  Hälfte  eines  kindlichen  Speichenknochens,  Radius).  Die 
Knochen  sind  durchbohrt,  theilweise  mit  Lappen  umwickelt  und  auf 
einem  Bindfaden  aufgezogen,  an  dessen  Enden  zwei  Schneckenhäuser 
(helix  sp.)  hängen.  Das  ganze  ist  mit  schniutzigrother  Farbe  bestrichen. 
In  Ki-ankheitsfällen  umwickelt  man  mit  solchem  Halsband  den  schmerz- 
haften Theil,  um  den  Schmerz  zu  vertreiben.  —  Mus.  f.  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  iDhotographischer  Aufnahme  des  Verfassers 147 

Fig.  63.  Medicin-Mann  der  Schwarzfuss  -  Indianer,  einen 
Kranken  behandelnd.  (Besprochen  S.  148.)  —  Nach  einer  Handzeich- 
nung von   George  Catlin^  im  Besitze  des  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin    .   140 

Fig.  64.  Bambuszweig  mit  daran  befindlichen  Opfergaben,  der 
ins  Feuer  gehalten  wird,  um  zu  sehen,  ob  ein  böser  Geist  an  einer 
Erkrankung  schuld  ist.  Insel  Flores.  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 162 

Fig.  65.  Consultation  des  Medicin-Mannes  der  Sioux -In dianer. 
Die  Hülfsgeister  des  Medicin-Mannes,  die  Manidos,  fliegen  in  die 
Medicin-Hütte,  vor  welcher  der  den  Medicin-Mann  um  Rath  Fragende 
steht.  (Besprochen  S.  164.)  —  Nach  Sclioolcraft^  wie  Fig.  17.  Part.  V 
Plate  32 163 

Flg.  66.  Die  Medicin-Hütte  des  Medicin-Mannes  (Jes'sakkid) 
der  Chippeway-Indianer,  zu  welcher  die  Thiergeister  (Manidos) 
fliegen.  Senkrecht  über  der  Medicin-Hütte  schwebt  der  Dounervogel, 
der  besonders  hoch  verehrt  wird.  Die  als  Unterhändler  zwischen  den 
Geistern  und  dem  Medicin-Manne  dienende  Schildkröte  befindet  sich 
im  Inneren  der  Hütte.  Nach  der  Zeichnung  auf  einem  Musikbrette 
von  Birkenrinde.  —  Nach  Hoff'man,  wie  Fig.  15.     p.  252  Fig.  28      .     .  165 


Erklärung  der  Abbildungen.  323 

Seite 

Fig.  67.  Scliamanentrommel  der  Burjäten.  Aeussere  Ansicht. 
(Besprochen  S.  176.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Xach  photograph. 
Aufnalime  des  Verfassers 174 

Fig.  68.  Schamanentrommel  der  Burjäten.  Innere  Ansicht. 
(Besprochen  S  176.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Xach  photograph. 
Aufnahme  des  Verfassers 174 

Fig.  69.  Schamanentrommel  mit  dem  Bilde  des  Adlers,  des 
Donuervogels  und  des  Walfisches.  Von  den  Indianern  in  Portland, 
Oregon.  (Besprochen  S.  176.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm 17.5 

Fig.  70.  Flache,  tambourinartige  Trommel  der  Indianer  des 
^Missouri-Gebietes  zum  Beschwören  der  Krankheit.  —  Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.     jSTach  einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm  .     .     .     .176 

Fig.  71.  Rückseite  von  Fig.  70.  —  Nach  einem  Aquarell  von  Frl. 
Julie  Schlemm 177 

Fig.  72.  Rassel  des  Medicin-Mannes  der  Indianer  von  Port- 
land, Oregon,  bestehend  ans  einem  Stabe,  der  mit  Federn  geschmückt 
und  mit  den  Hufen  von  Hirschen  und  den  Schnäbeln  von  Seepapageien 
behängt  ist.  (Besprochen  S.  179.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm 178 

Fig.  73.  Medicin-Mann  der  Dacota- Indianer,  zur  Heilung 
eines  Ki'anken  rassebid.  —  Nach  Schoolcraft,  wie  Fig.  17.  Part.  I 
Plate  46 179 

Fig.  74.  Rassel  des  Medicin-Mannes,  aus  einem  Kürbis  her- 
gestellt. Indianer  von  Holamux.  (Besj)rochen  S.  179.)  —  Mitgebracht 
von  DiecJc.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  einem  Aquarell  von 
Frl.  Julie  Schlemm 180 

Fig.  75.  Hölzerne  Rassel  des  Medicin-Mannes  der  Haidah- 
ludiauer,  in  der  Gestalt  des  Raben,  des  Lichtbringers,  mit  der  Kohle 
im  Schnabel;  auf  seiner  Brust  ist  das  Bild  der  Sonne.  Auf  dem  Rücken 
trägt  er  die  Figur  des  Wolfes,  der  das  Feuer  und  den  Tod  symbolisirt. 
Der  Vogel  ihm  gegenüber  ist  wahrscheinlich  die  Eule,  oder  die  Nacht. 
Ihr  Schopf  ist  dm^ch  Stilisirung  aus  dem  Schwänze  des  Raben  ent- 
standen. Der  Frosch  im  Maule  des  Wolfes  ist  das  Sinnbild  des  Wassers 
und  der  Dunkelheit.  Das  Beissen  in  die  Zunge  bedeutet  „Medicin". 
(Bes])rochen  S.  179,  180.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen.  Mus. 
f  Völkerkunde,  Berlin.     Nach  einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm  .   181 

Fig.  76.  Kokomen,  kupferne  sackförmige  Rassel  eines  Medicin- 
Mannes  der  Nutka-Indianer  in  Britisch-Columbien.  mit  Leder- 
bast verziert;  zum  feilen  von  Ki-anken  und  zum  Heranlocken  der 
Fische  an  die  Küste  gebraucht.  (Besiu'ochen  S.  180.)  —  Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  .     .     .181 

Fig.  77.  Mi  de  der  nordamerikanischen  Indianer  zeigen  sich 
im  Walde  in  der  Pause  eines  Medicin-Tanzes  den  geheimnissvollen 
Inhalt  ihrer  Medicin-Säcke.  (Besprochen  S.  180,  181.)  —  Nach  School- 
craft, wie  Fig.   17.     Part.  V  Plate  5 182 

21* 


324  Anhang  I. 

Seite 
Fig.    78.     Mi'gis.    Mediciu  -  Steine   der   Mide    der   Cliippeway- 
Indiauer.  kleine,  rotli  oder  rotli  und  grün  bemalte  Hornstücke.  typisch 
für  den  vierten  Grad  (die  beiden  ersten  Stücke  oben).    Pur])ur])erle  für  :;5l 

den  dritten  Grad  (das  dritte  Stück  <tben).  Schnecke  für  den  dritten 
Grad  (das  vierte  Stück  oben).  Längliche  Perle  für  den  zweiten  Grad 
(das  erste  Stück  unten).  Schnecke,  Cyprea  moneta  (das  zweite  und  dritte 
Stück  unten).  Schnecke,  Helix  (das  vierte  Stück  unten),  beide  dem  Ober- 
priester der  Mide-Gesellschaft  von  Leech  Lake,  Minnesota,  ge- 
hörig.    (Besprochen  S.  181.)  —  Nach  Hoffman,  wie  Fig.  15.     PI.  XI     .  183 

Fig.  79.  Medicin-Stein  des  Medicin-Mannes,  auf  dem  ein  Schwert- 
wal und  ein  abwärts  gekehrtes,  untertauchendes  Menschengesicht  ein- 
geschnitten ist.  West-Vancouver.  (Besprochen  S.  183.)  —  Mus.  f. 
Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  .   184 

Fig.  80.  Alter,  sculptirter  Stein  mit  zwei  Gesichtern,  angeblich 
eine  Fischotter  darstellend,  aus  West-Vancouver.  (Besprochen  S.  183.) 
—  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 185 

Fig.  81.  Medicin-Stein  des  Medicin-Manues  mit  zwei  geschnitzten 
Köpfen,  augeblich  Frosch  und  Fisch.  West-Vancouver.  (Besprochen 
S.  183.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 186 

Fig.  82.  Tongrusmut-tschnchei,  sehr  rohe  hölzerne  Figur, 
welche  den  Haupthülfsgeist  des  Schamanen  der  Giljaken  vorstellt. 
Er  verfügt  über  sieben  Untergeister,  welche  auf  seinem  Kopfe  dar- 
gestellt sind.  (Besprochen  S.  183.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen. 
Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.     Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers    .   187 

Fig.  83.  Ein  Medicin-Manu  (Jes'sakkid)  der  Chippeway- 
Indianer  einen  vor  ihm  liegenden  Kranken  heilend.  Er  hält  die 
Rassel  in  der  Hand  und  die  von  seinem  Auge  zu  dem  Körper  des 
Patienten  laufende  Linie  bedeutet,  dass  er  den  Sitz  des  Ki^ankheits- 
Dämons  hier  gefunden  hat  und  dass  er  nun  seine  Beschwörung  be- 
ginnt. Nach  der  Zeichnung  auf  einem  Musikbrett  von  Birkenrinde.  (Be- 
sprochen S.  186,  189.)  —  Nach  Hoffman,  wie  Fig.  15.   p.  255  Pig.  32  .  188 

Fig.  84.  Ein  Medicin-Mann  (Jes'sakkid)  der  Chippeway- 
Indianer,  welcher  eine  Frau  heilt.'  Der  seinen  Kopf  umgebende  con- 
centrische  Kreis  bedeutet  einen  mehr  als  gewöhnlichen  Bestand  von 
Kenntnissen;  der  von  dem  Munde  ausgehende  Strich  soll  das  Eohr  zum 
Aussaugen  der  Krankheit  bezeichnen.  In  der  Hand  hat  er  eine  Rassel. 
Nach  der  Zeichnung  auf  einem  Musikbrett  von  Birkenrinde.  —  Nach 
Hoffman,  wie  Fig.  15.     p.  255  Fig.  31 189 

Fig.  85.  Medicin-Mann  der  Mandan-Indianer,  einen  Kranken 
behandelnd.  (Besprochen  S.  189.)  —  Nach  einer  Handzeichnung  von 
George  Catlin,  im  Besitze  des  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin 191 

Fig.  86.  Menschhche  Figur  aus  einem  Koliblatt,  in  welche  der 
Krankheits-Dämon  hineingelockt  und  dann  vernichtet  wird;  von  der 
Insel  Dania.  —  Nach  Biedel,  wie  Fig.  35.     Tafel  XLIII  Fig.  7  .     .     .195 


Erklärung  der  Abbildungen.  325 

Seite 
Fig.  87.     Medicin-Hütte   für   den  Medicin-Tanz    „der  Gesang 
gegen    die   Berge"    der   Navajö -Indianer   in    Arizona.    —   ^N'ach 
WasJiington  llatthews,    The  Mountain    chant    etc.     Fifth  Annual  Report 
of  the  Bureau  of  Ethnology.     Washington  1887.     PL  X 198 

Fig.  88.  Trockengemälde  der  Navajo-Indianer  in  Arizona, 
zu  dem  grossen  Medicin-Tanze:  „der  Gesang  gegen  die  Berge''  ge- 
hörig. Es  soll  die  Malerei  vorstellen,  welche  ihr  Prophet  Dsilyi  Neyäni 
in  dem  Heim  der  Bären  in  den  Carrizo-Bergen  gesehen  hatte. 
Eine  Wasserschüssel,  mit  schwarzem  Pulver  bestreut,  steht  in  der  Mitte 
des  Bildes;  Sonnenstrahlen  und  vier  sogenannte  Sonneuflösse  sind  regel- 
mässig um  dieselbe  geordnet.  Auf  jedem  der  Letzteren  steht  eine  Gott- 
heit, Yay,  den  vier  Himmelsgegenden  entsprechend.  Rothes  Sonnen- 
licht und  Sonnenstrahlen  umgürten  ihre  Lenden;  Blitze  auf  schwarzer 
Regenwolke  sind  auf  ihren  Vorderarmen  und  Schenkeln  dargestellt.  Ohr- 
gehänge, Halsbänder  und  Armringe,  blau  und  roth,  Türkis  und  Koralle, 
die  geheiligten  Juwelen  bezeichnend,  und  reich  gemusterte  Taschen, 
Ornamente  von  Stachelschweinstacheln  vorstellend,  schmücken  sie.  Mit 
einer  Schnur  au  der  rechten  Hand  l)efestigt  trägt  jede  Gottheit  einen 
Korb,  ein  Amulet  und  eine  Medicin-Manns-Rassel;  die  linke  Hand  ist 
gegen  eine  stylisirte  Pflanze  hingestreckt,  welche  der  Gottheit  geheiligt 
ist.  Zu  dem  weissen  Gott  des  Ostens  gehört  im  Südosten  der  weisse 
Getreidehalm.  zu  dem  blauen  Gott  des  Südens  im  Südwesten  der 
blaue  Bohnenstengel,  zu  dem  gelben  Gott  des  Westens  im  Nord- 
westen die  gelbe  Kürbisranke  und  zu  dem  schwarzen  Gott  des 
Nordens  im  Nordosten  die  schwarze  Tabaks  pflanze.  Die  Pflanzen 
strecken  jede  fünf  Wurzeln  der  centralen  Wasserschüssel  entgegen.  — 
Uim-ahmt  wird  das  Bild  zu  drei  Viertel  seines  Umfanges  von  einer 
langgestreckten,  im  Kreise  gebogenen,  menschlichen  Gestalt.  Es  ist  der 
Regenbogen,  dessen  weibliches  Geschlecht  durch  die  viereckige  Form 
des  Kopfes  bezeichnet  wird.  Seine  Hände  sind  leer  und  auf  dieselben 
wird  die  Kalebasse  mit  der  Medicin  gestellt,  welche  Patientin  und 
Medicin-Mann  einnehmen  müssen.  Li  der  Lücke  der  Umrahmung  im 
Osten  stehen  zwei  Blauvögel  (Sialia  arctica)  mit  ausgestreckten 
Flügeln.  Sie  halten  Wache  an  dem  Thore  des  Hauses,  in  welchem  diese 
Gottheiten  wohnen.  Von  den  Navajö  werden  sie  Qoli  genannt,  da  sie 
mit  ihrem  Rufe  i^o\\  coli  in  der  Morgendämmerimg  den  Tag  begrüssen. 
Sie  werden  als  die  Herolde  des  Morgens  für  heilig  gehalten  und  ihre 
blauen  Federn  bilden  ein  nothwendiges  Zubehör  zu  allen  Federstickereien 
der  Navajo-Indianer.  —  Auf  dem  Kopfe  jedes  Yay  sieht  man  eine 
horizontal  liegende  Adlerfeder  und  eine  gleiche  befindet  sich  auf  den 
Körben,  welche  von  den  Gottheiten  gehalten  werden.  Ihre  Richtung 
ist  derjenigen  des  Sonnenlaufes  entgegengesetzt.  —  Nach  Matthews^  wie 
Fig.  87.  Plate  XVIII 199 

Fig.  89.  Instrumente  der  Medicin-Männer  der  Hai  d  ah -Indianer, 
um  die  fliehende  Seele  des  Kranken  zu  halten;  aus  Kjiochen  und  Iris- 
muscheln. Mitgebracht  von  Adrian  Jacobsen.  Mus.  f  Völkerk.,  Berlin. 
Nach  einem  Aquarell  von  Frl.  Julie  Schlemm 203 


326  Anhang  I. 

Seite 

Fig.  90.  Schneebrillen  der  Eskimo.  Kwixpagniiit  in  Alaska; 
—  Miis.  f.  Völkerkunde.  Berlin.  Xacli  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 210 

Fig.  91.  dagdluit  der  Eskimo  a-ou  der  Mündung  des  Yukon 
in  Alaska,  mit  Federbuseli  und  V^'alrosszahiiornamenten  gesclimiukt. 
Walrossköpfe,  Yogellvöpfe  n.  s.  w.  darstellend.  (Besprochen  S.  210.)  — 
Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 211 

Fig.  92.  Schalenförmiges  Geräth,  aus  einem  dichten  Grasgeflecht 
hergestellt,  von  den  Kwixpagmut,  einem  Indianer-  oder  Eskimo- 
Stamme  an  der  Mündung  des  Yukon,  als  Resi:)irator  benutzt,  um  in 
den  Sclnvitzhütten  ihre  Athmungsorgaue  vor  der  Belästigung  durch  den 
Wasserdampf  zu  schützen.  Aeussere  Ansicht.  (Besprochen  S.  222.)  — 
Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 221 

Fig.  93.  Dasselbe  wie  Fig.  92.  Innere  Ansicht.  Man  sieht  einen 
horizontal  gestellten  hölzernen  Vorsprung,  an  welchem  der  Respirator 
mit  den  Zähnen  festgehalten  wird.  (Besprochen  S.  222.)  —  Nach  photo- 
graphischer Aufnahme  des  Verfassers 221 

Fig.  94.  Amulet  des  Medicin-Mannes  der  Tschim  si  an -In  dianer 
in  Britisch  Columbien,  einen  V^ogelkopf  und  zwei  Menschenköpfe 
darstellend.  (Besprochen  S.  226.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen. 
Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.     Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers    .  222 

Fig.  95.  Japanerin  bei  der  Toilette.  Auf  ihrem  entblössten 
Rücken  sieht  man  eine  Eeihe  Moxen-Narben.  (Besprochen  S.  222,  223.) 
- —  Nach  einem  japanischen  Holzschnittwerke,  im  Besitze  des  Museum 
f.  Völkerkunde,  Berlin 222 

Fig.  96.  Japaner  und  Japanerin,  denen  Moxen  gesetzt  werden. 
(Besprochen  S.  222,  22.3.)  —  Nach  einem  japanischen  Holzschnitt- 
werke, im  Besitze  des  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin 223 

Fig.  97.  Amulet  des  Medicin-Mannes  der  Tschimsian-Indianer 
in  Britisch-Columbien;  in  Knochen  geschnitzt,  mit  Haarscho^jf.  (Be- 
sprochen S.  226.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photograph. 
Aufnahme  des  Verfassers      .     .     .     . ' 224 

Fig.  98.  Steinernes  Amulet  des  Medicin-Mannes  der  Tschimsian- 
Indianer  in  Britisch  -  Columbien.  zum  Heilen  gebraucht.  (Be- 
sprochen S.  226.)  —  Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 224 

Fig.  99.  Steinernes  Amulet  eines  Medicin-Mannes  der  Tschim- 
sian-Indianer in  Britisch-Columbien,  zum  Heilen  von  Kranken 
gebraucht.  (Besprochen  S.  226.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 225 

Fig.  100.  Mepit,  hölzerner  Igel,  mit  Zeug  umhüllt,  Amulet  der 
Giljaken,  das  zum  Schutz  vor  Krankheiten  in  der  Jurte  aufbewahrt 
wird.  (Besprochen  S.  228.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus. 
f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  225 


Erklärung  der  Abbildungen.  327 

Seite 
Fig.  101.     Tiger   aus  Stroh    geflochten,   Amulet  der  Golden,   in 
"welches    die    Ki-ankheit    gebannt    wird.      (Besprochen    S.  228.)    —    Mit- 
gebracht  von    Adrian   Jacohsen.     Mus.    f.   Völkerkunde,    Berlin.     Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 226 

Fig.  102.  Mökr,  holzgeschnitzter  und  mit  Zeug  umhüllter  Menschen- 
kopf,  Amulet  der  Giljaken,  gegen  alle  Krankheiten  helfend.  (Be- 
sprochen S.  228.)  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  £  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassei-s    .     .     .  227 

Fig.  103.  Xox  Fit,  armloses  hölzernes  Mensch enfigürchen  zwischen 
zAvei  Holzstücken  an  einem  Lederriemen,  Amulet  der  Golden  gegen 
Brust-  mid  Achselschmerzen.  (Besprochen  S.  2.30.)  —  Sammlung  Um- 
lauffi  Hamburg.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers    .     .  227 

Fig.  104.  Kaso,  hölzerner  Thierkopf  mit  einem  Fischwirbel  im 
Maul;  Amulet  der  Golden  gegen  Rücken-  und  Ki'euzschmerzen.  (Be- 
sprochen S.  231.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  .     .     .  228 

Fig.  105.  Tschotz,  Bär  aus  Holz,  der  von  den  Schamanen  der 
Giljaken  gefertigt  wird,  wenn  ein  Krankheitsfall  eintritt  und  der  dann 
im  "Walde  „versteckt'-  wird,  bis  die  Krankheit  vorüber  ist.  (Besprochen 
S.  228.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 228 

Fig.  106.  Sewö,  hölzerne  Menschenfigur  der  Golden,  in  welche 
der  Krankheits-Dämon  übergeht.  (Besprochen  S.  228.)  —  Mitgebi-acht 
von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 229 

Fig.  107.  Rohe  Holzfiguren  von  der  Insel  Nias,  die  in  Krank- 
heiten mit  Palmenblätteru  geschmückt  werden  und  vor  denen  man 
dann  opfert.  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 229 

Fig.  108.  Hölzernes  Amulet  der  Golden  gegen  Nasenübeh  (Be- 
sprochen S.  229.)  —  Sammlung  Umlauff ,  Hamburg.  Nach  photo- 
graphischer Aufnahme  des  Verfassers 230 

Fig.  109.  Hölzernes  Herz,  Amulet  der  Golden  gegen  Herzleiden 
und  Brustschmerzen.  (Besi^rochen  S.  229.)  —  Mitgebracht  von  Adrian 
Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 230 

Fig.  110.  Tschamlüt-nif,  hölzernes,  an  der  Spitze  gespaltenes 
Herz;  Amulet  der  Giljaken;  wird  gegen  Brustschmerzen  am  Halse 
getragen.  (Besprochen  S.  229.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 230 

Fig.  111.  Pomöro-mot-tschotz,  hölzerne  Menschenfigur  mit 
einem  Bärenkopf,  der  sich  in  die  Brust  beisst;  Amulet  der  Giljaken 
gegen  Brustschmerzen.  (Besprochen  S.  230.)  —  Mitgebracht  von  Adrian 
Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde.  Berlin.  Nach  photograpliischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 231 


328  ■  Anhang  I. 

Seite 
Fig.  112,     Kolke  !•('»,  hölzerne  ]\rensclieiitigur  mit  Geleuken  in  den 
Armen  und  Beinen,  Amulet  der  Golden  gegen  Eheumatismus.     (Be- 
sprochen S.  230.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.    Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers      .     .  231 

Fig.  118.  Sitzende  Meuschenügur  von  Holz  mit  einer  Kröte  auf 
der  Brust;  von  den  Schamanen  der  Giljakeu  gefertigt  als  Amulet 
gegen  Krankheiten  der  Brust  und  des  Leibes.  (Besprochen  S.  229.)  — 
Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 231 

Fig.  114.  Umsemama,  hölzerne  Menschentigur,  einen  an  der 
Auszehrung  Leidenden  mit  vorstehenden  Dornfortsätzen  der  Wirbel 
darstellend;  Amulet  der  Golden,  zur  Vertreibung  der  Auszehrung  im 
Hause  aufgestellt.  Hinteransicht.  (Besprochen  S.  233.)  —  Mitgebracht 
von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photo- 
graphischer Aufnahme  des  Verfassers 232 

Fig.  115.  Umsemama,  hölzerne  Menschenfigur,  einen  an  der 
Auszehrung  Leidenden  mit  vorstehenden  Rippen  darstellend,  Amulet 
der  Golden,  zur  Vertreibung  der  Auszehrung  im  Hause  aufgestellt. 
Vorderansicht.  (Besprochen  S.  233.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 232 

Fig.  116.  Ein  Kranker,  welcher  Blut  bricht;  Zeichnung  auf  einem 
Musikbrett  der  "Wabeno  der  nordamerikanischen  Indianer.  (Man 
vergleiche  Fig.  32.)  —  Nach  Schoolcraft  wie  Fig.  17.  Part.  I  Plate  51 
Fig.  4 233 

Fig.  117.  Holzmaske  der  Teufelstänzer  der  Singhalesen,  den 
Korasannijd,  den  Teufel  der  Lähmung  darstellend.  (Besprochen 
S.  233.)  —  Mus.  f.  Völkei-kunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 234 

Fig.  118.  Maske  des  Lascorin,  mit  "Wunden  an  Stirn,  Nase  und 
Lippe,  von  den  Singhalesen,  Ceylon.  (Besprochen  S.  233.)  — 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 234 

Fig.  119.  Tschnchei-moitr-chu,  hölzernes  Menschenfigürchen 
ohne  Extremitäten  mit  durchbohrtem  Leib,  Amulet  der  Giljaken  gegen 
Dui'chfall.  (Besprochen  S.  230.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 235 

Fig.  130.  Matschka-mökr,  hölzerner  Menschenkopf  mit  Zeug 
umwickelt,  Amulet  der  Giljaken  gegen  Zahnschmerzen.  (Besprochen 
S.  231.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  photogi^aphischer  Aufnahme  des  Verfassers 235 

Fig.  131.  Altperuanisches  Thongefäss,  einen  mit  Beulen 
überdeckten  Mann  darstellend,  welcher  sich  mit  Hülfe  eines  in  der 
Hand  gehaltenen  Gegenstandes  juckt.  (Besprochen  S.  233.)  —  Mus.  f. 
Völkerkunde,  Berlin.     Nach  einem  Aqiiarell  von  Fräulein  Julie  Schlemm  235 


Erklärung  der  Abbildungen.  329 

Seite 
Fig.  132.  Recept  eines  Schamanen  der  Golden  mit  schwarzer 
Farbe  auf  Papier  gemalt.  Die  aufgemalten  Gegenstände  müssen  in 
Holz  oder  Stroh  gefertigt  werden,  damit  der  Kraukheits-Dämon  in  die- 
selben hineingebannt  werden  kann.  (Besprochen  S.  234.)  —  Mitge- 
bracht von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 23 S 

Fig',  133.  Holzgeschnitzte  Amulete  der  Golden,  welche  nach 
dem  Recepte  des  Schamanen  (vergl.  Fig.  122)  geschnitzt  worden  sind. 
Sie  helfen  gegen  Kinderkrankheiten.  (Besprochen  S.  234.)  —  Mitge- 
bracht von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  pho- 
tographischer Aufnahme  des  Verfassers 237 

Fig.  134.  Weiberkamm  der  Orang  Semang,  Malacca,  als 
Amulet  gegen  eine  bestimmte  Krankheit  dienend.  (Besprochen  S.  232,  233.) 
—  Geschickt  von  Vaughan  Stevens.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassei-s 237 

Fig.  125.  Kirsmu-tschotr-ku,  hölzerner  Bär  mit  einem  kleinen 
Bären  auf  dem  Rücken;  Amulet  derGiljaken  gegen  Rückenschmerzen. 
(Besprochen  S.  229.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  .     .     .  288 

Fig.  126.  Bambusstück  mit  eingeschnittenen  Zeichen,  in  Cholera- 
Zeiten  vor  den  Dörfern  der  Khäs  im  Gebiete  des  Me-Khong  in 
Hinterindien  aufgehängt,  um  Fremden  den  Eintritt  in  das  Dorf  zu 
verwehren  und  Zuwiderhandelnden  bestimmte  Strafen  anzudi'ohen. 
(Besprochen  S.  238.)  —  Nach  Harmand:  Les  races  Indo-Chinoises. 
M6moires  de  la  Societe  d'Anthropologie  de  Paris,  tome  III.  IL  Serie. 
Paris  1875 239 

Fig.  137.  Hölzerne  Arme  mit  Gelenken  und  einem  Menschen- 
gesicht, Amulete  der  Golden  gegen  Gelenkschmerzen  und  Versteifimgen 
der  oberen  Extremitäten.  (Besprochen  S.  230.)  — •  Mitgebi-acht  von 
Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers   ■ 239 

Fig.  128.  Abolo  Xeron,  hölzernes  Thier  (Eidechse  oder  Tiger?) 
mit  gespaltenem  Schwanz  und  mehrfach  eingekerbtem  Rücken;  Amulet 
der  Golden  gegen  Geschlechtskrankheiten.  (Besprochen  S.  231.)  — 
Sammlung  Umlauf,  Hamburg.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 239 

Fig.  129.  Jergä.  Panther  aus  Holz,  mit  schwarzen  Flecken, 
Amulet  der  Golden,  gegen  Schmerzen  im  Unterleibe.  (Besprochen 
S.  231.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassei'S 240 

Fig.  130.     Poinga-kurr-tü-tschnchei,  hölzerne  Menschenfigur    , 
mit  fliegendem  Vogel  auf  dem  Rücken;    Amulet  der  Giljaken  gegen 
heftige    Kreuzschmerzen.      (Besprochen    S.    229.)    —    Mitgebracht   von 
Adrian  Jacohsen.    Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 241 


830  Anhang  I. 

Seite 
Fig.  131.  Siitsclika,  zwei  hölzerne  Menschenfigürchen  in  einem 
hinten  mit  Zeug  bespannten  Holzbogen,  Amulet  der  Golden  gegen 
Augenkrankheiten.  (Besprochen  S.  231.)  —  Mitgebracht  von  Adrian 
Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 241 

Fig.  132.  Tamke-tress-tschöff,  holzgeschnitzte  Hand  mit 
Menschengesicht;  Amulet  der  Giljaken.  (Besprochen  S.  230.)  — 
Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin,  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 242 

Fig.  133.  Holzgeschnitzte  Menschenfigürchen  mit  Gelenken,  Amulet 
der  Giljaken    gegen  Fuss-  und  Beinschmerzeu.     (Besprochen  S.  230.) 
—    Mitgebracht   von   Adrian  Jacohsen.      Mus.    f.   Völkerkunde,   Berlin.        , 
Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 243 

Fig.  134.  Njerä-sewö,  hölzernes,  armloses  Menschenfigürchen 
mit  einem  Gelenke  im  Mittelkörper,  Amulet  der  Golden  gegen  Fuss- 
krankheiten.  (Besprochen  S.  230.)  —  Mitgebracht  von  Adrian  Jacohsen. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 243 

Fig.  135.  Pomali,  flacher  Korb  mit  vier  daran  hängenden  Bam- 
buscylindern.  Diese  werden  mit  "Wasser  gefüllt,  in  den  Korb  werden 
Opfer  gelegt,  das  Ganze  wird,  um  dem  bösen  Geiste  Nahrung  zu  gewähren, 
vor  dem  Hause  aufgehängt.  Dieser  wird  dadui'ch  günstig  gestimmt 
und  verschont  die  Bewohner  mit  Ki-ankheit.  Insel  Bonerate.  (Be- 
sprochen S.  250.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 245 

Fig.  136.  Uma  bomoki,  Häuschen,  das  bei  Epidemien  auf 
Süla-Besi  gefertigt  und  mit  Opferspeisen  gefüllt  wird,  um  die  Krank- 
heits-Dämonen zu  besänftigen,  oder  auch  um  die  guten  Geister  zur 
Bekämpfung  derselben  geneigt  zu  machen.  (Besprochen  S.  250.)  — 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 247 

Fig.  137.  Adü  Fangüru,  hölzernes  Idol  von  der  Insel  Nias, 
das  zui'  Abwehr  der  Pocken  dient.  (Besprochen  S.  251.)  —  Nach 
Modigliani^  wie  Fig.  34 249 

Fig.  138.  Fa-nap,  holzgeschnitzte  Menschenköpfe,  welche  auf 
der  Insel  Süla-Besi  beiEindemien  von  der  gesammten Dorf bevölkerung 
zur  Abwehr  in  ein  kleines  Haus  ausserhalb  des  Dorfes  gebracht  werden. 
(Besprochen  S.  251.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photo- 
graphischer Aufnahme  des  Verfassers 249 

Fig.  139.  Tau-Tau-likoballo,  „tanzende  Puppen",  Menschen- 
figürchen aus  Palmblättern  so  an  einem  horizontal  hängenden  Reifen 
aufgehängt,  dass  der  leiseste  Lufthauch  sie  in  Bewegung  bringt.  Sie 
dienen  zum  Schutze  gegen  Epidemien.  Insel  Saleijer.  (Besprochen 
S.  252.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 251 


1 


I 


Ei'klärung  der  Abbildungen.  331 

Seite 
Fig.  140.  Stab  mit  [ßlättertüten  und  Baumwolleulnischeln,  als 
Talisman  zur  Abwehr  von  Ki'ankheiten  im  Dorte  aufgesteckt.  Aus 
Luschai  in  Tscliittagong.  (Besprochen  S.  253.)  —  Mitgebracht  von 
Rieheck.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Xaeh  photographischer  Aufnahme 
des  Verfassers 251 

Fig.  141.  Talisman  zui'  Abwehr  von  Krankheiten  im  Dorfe  auf- 
gesteckt. Aus  Luschai  in  Tschittagong.  —  Mus.  f.  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 253 

Fig.  142.  Lotta-gah,  kleines  Boot,  das  bei  dem  Ausbruch  von 
Epidemien  in  Siila-Besi  gefertigt  und  mit  Speisen  beladen  der  See 
übergeben  wird.  (Besprochen  S.  255.)  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 
Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers • .  254 

Fig.  143.  Leor,  Modell  eines  Falirzeuges,  wie  Letzteres  bei  Epi- 
demien in  Timoriao  verfertigt  und  unter  Gebeten  den  Wellen  über- 
lassen wird.  Die  menschlichen  Figui'en  werden  von  denjenigen  Fa- 
niilieuhäuptern  geschnitzt,  deren  Angehörige  erkrankt  sind.  Die  den 
Figiu'en  umgehängten  Körbchen  dienen  zur  Aufnahme  der  Opfergaben. 
—  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photogi-aphischer  Aufnahme  des 
Verfassers 255 

Fig.  144.  Kor a -Kor a,  kleines  Boot  von  "West-Allor,  dem 
Nitu  oder  Henarah  geweiht,  mit  menschlichen,  zum  Theil  mit  Schild 
und  Schwert  bewaffneten  Figuren,  im  Hause  aufgestellt,  um  Krankheiten 
abzuhalten.  —  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 257 

Fig.  145.  T-saura,  Scarificationsinstrument  der  Karayä-ln- 
dianer  am  Rio  Araguya  (Goyaz)  in  Brasilien;  in  eine  auf  der 
Rückseite  mit  Harz  oder  Wachs  beschwerte  Cuyen-Schaale  sind  Fisch- 
zähnchen  eingesetzt.  —  Mitgebracht  von  Faul  Ehrenreich.  Mus.  f. 
Völkerkunde,  Berlin.      Nach  photographischer  Atifnahme  des  Verfassers  267 

Fig.  146.  Eiserne  Messerchen  mit  hölzernem  Griff  zum  Aderlass 
von  den  Kwixpagmut,  einem  Indianer-  oder  Eskimo-Stamm  von  der 
Mündung  des  Yukon  in  Alaska.  - —  Mitgebracht  von  ^cZn'aw  Jaco&sew. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers  268 

Fig.  147.  Jes'sakkid,  Mediciu-Mann  der  Chippeway-Indianer 
einem  Patienten  mit  Hülfe  eines  knöchernen  Rohres  die  Krankheit  aus- 
saugend.    (Besprochen  S.  270.)  —  Nach  Hoffman,  wie  Fig.  15      .     .     .  269 

Fig.  148.  Oberes  Ende  eines  Kiihhorns  mit  durchbohrter  Spitze, 
Schröpf  köpf  der  Haussa.  —  Mitgebracht  von  Staudinger.  Mus.  f. 
Völkerkunde,  Berlin.      Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers  270 

Fig.  149.  Schröpfkopf  von  Messing  aus  Marokko.  (Besprochen 
S.  270.)  —  Mitgebracht  von  Max  Quedenfeldt  Mus.  f.  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 271 

Fig.  150.  Eisernes,  pinzettenähnliches  Instrument  der  Haussa 
(Nordwest- Afrika)  mit  Leder  umflochten.  Es  wird  zum  Ausziehen 
von  Dornen  u.  s.  w.  benutzt.     (Besprochen  S.  274.)  —  Mitgebracht  von 


332  Anhang  I. 

Seite 
Robert    Flegel.      Mus.    f.    Völkerkunde,   Berlin.     Nach  photographischer 
Aufnahme  des   Verfassers 272 

Fig:.  151.  Kleines  eisernes  Älesser  mit  umwickeltem  Griff,  von 
einem  Medicin-iNInini  der  Haussa  in  Ganda  (Nordwest- Afrika)  zum 
Operiren  und  Tättowiren  beuutzt.  (Besprochen  S.  275.)  —  Mitgebracht 
von  Staudinijer.  Miis.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 273 

Fig:.  153.  Scheeren  eines  Heuschreckenkrebses  (S(iuilla)  zum  Offneu 
von  Pusteln  u.  s.w.  von  der  Carolinen-Insel  Yap.  (Besprochen S.  275.) 

—  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Aufnahme  des 
Verfassers 273 

Fig.  153.  Pinjaniix),  geglättete  und  bearbeitete  holzige  "Wurzel 
aus  Borneo,  von  den  Dayaken  zum  Offnen  von  Abscessen  und  zum 
Herausziehen  des  Schmerzes  aus  dem  Körper  ])enutzt.  (Besi)rochen 
S.  275,  276.)  —  Mitgebracht  von  Felix  Isidor  Baczes.  K.  K.  Natur- 
historisches Hofmuseum  in  Wien.  Nach  einer  durch  Herrn  Custos 
Franz  Heger  freundlichst  übersendeten  Zeichnung 273' 

Fig.  154.  Eiserne  Zahnzange  (Awarteki)  der  Haussa  von 
Sokoto  in  Nordwest- Afrika.  (Besprochen  S.  277.)  —  Mitgebracht 
von  Robert  Flegel.  Mus.  f.  Völkei'kunde,  Berlin.  Nach  photograph. 
Aufnahme  des  Verfassers 274 

Fig.    155.      Eiserne    Zahnzange    (Awarteki)    der    Haussa    von 

Sokoto  (Nordwest- Afrika)  im  Lederfutteral.  (Besprochen  S.  277.)  — 
Mitgebracht  von  Robert  Flegel.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 275 

Fig.  156.  Junger  Mann  der  Bawenda  aus  Ha  Tschewasse, 
Transvaal,  welchem  beim  Herausmeisselu  eines  Zahnes  ein  Stück 
des  Unterkiefers  durch  die  Wange  getrieben  wurde.    (Besprochen  S.  277.) 

—  Nach  photographischer  Aufnahme  im  Besitze  des  Verfassers      .     .     .  27& 

Fig.  157.  Vernähte  Bauchwunde  einer  Frau  in  Uganda  (Central- 
Afrika),  bei  welcher  der  Kaiserschnitt  ausgeführt  war.  —  Nach  Robert 
W.  FelJcin:  Ueber  Lage  und  Stellung  der  Frau  bei  der  Geburt  auf  Grund 
eigener  Beobachtung  bei  den  Neger- Völkern  der  oberen  Nil-Gegenden. 
Marburg  1885.     Taf  II    Fig.  18 283 

Fig.  158.  Ein  beilförmiges  und  ein  spateiförmiges  Glülieisen  aus 
Marokko.  —  Mitgebracht  von  3Iax  Quedenfeldt.  Mus.  f.  Völkerkunde, 
Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 287 

Fig.  159.  Tragestuhl  von  Band)us  für  eine  Kranke  in  Si-BelaboeAV 
in  Mittel-Sumatra,  auf  dem  Rücken  getragen.     (Bes|)roclien  S.  291.) 

—  Nach  van  Hasselt,  wie  Fig.  11,  PL  XXXVII,  Fig.  2 288 

Fig.  160.  Stuhl  von  Bambus  für  einen  gelähmten  Knaben  aus 
Soeroelangoen  in  INfittel-Sumatra.  (Besprochen  S.  291.)  —  Nach 
van  Hasselt,  wie  Fig.  11,  PL  XXXVII,  Fig.  5 288 

Fig.  161.  Amoo,  Kranken-Tragbahre  der  Maori  auf  Neu- 
seeland.   (Besi)rochen  S.  201.)  —  Nach  Thomson- Longmore  Fig.  XXII  289 


Erklärung  der  Abbildungen.  333 

Seite 
Fig.  163.     D  a CO ta- Indianer  einen  Verwundeten  transportirend. 
{Besprochen  S.  292.)  —  Nach  Schoolcraft,  wie  Fig.  17,  Part.  II  plate  25  291 

Fig.  163.  Hölzerner  Fetisch  mit  ächten,  verfilzten  Haaren,  einen 
grossen  Nabelbruch  zeigend,  Benguela (Central- Afrika).  (Besprochen 
S.  294.)  —  Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  d.  Verf.  293 

Fig.  164.  Bruchband  für  doppelseitigen  Leistenbruch  aus  M  arokko. 
Aeussere  Ansicht.  (Besprochen  S.  295,  296.)  —  Mitgebracht  von  3Iax 
Quedenfeldt.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach  photographischer  Auf- 
nahme des  Verfassers 294 

Fig.  165.  Dasselbe,  wie  Fig.  104.  Innere  Ansicht.  (Besprochen 
S.  295,  296.)  —  Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers       .     .295 

Fig.  166.  Walama,  Verbotszeichen  oder  M atakau  von  der  Insel 
Serang,  um  den  Uel)ertreter  Blut  uriniren  zu  lassen.  —  Nach  Riedel, 
wie  Fig.  34,  Taf.  XIII  Fig.  7 !  297 

Fig.  167.  Steinmesser  der  Australneger  vom  Herbert-Flusse 
für  die  Mika-Operation,  Quarzitsj)litter  in  einem  Griff,  der  aus  dem 
gehärteten  Safte  des  Grasbaumes  (Xauthorrhoea)  hergestellt  ist.  Vorder- 
seite und  Rückseite.  Nach  Photographie  und  Schematischer  Quer- 
schnitt des  Quarzitsplitters.  (Besprochen  S.  297.)  —  Aus  N.  von  MiJducho- 
3Iaclay:  Bericht  über  Operationen  australischer  Eingeborener.  Zeitschrift 
für  Ethnologie.     Band  XIV.     S.  28.     Berlin   1SS2 298 

Fig.  168.  Eiserner  Haken  der  Haussa  von  Sokotö  (Nordwest- 
Afrika)  zur  Entfernung  von  „schleimigen  Häuten"  bei  einer  Beli  ge- 
nannten, der  Bräune  ähnlichen  Halskrankheit.  (Besj)rochen  S.  300.)  - — 
Mitgebracht  von  Hobert  Flegel.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 299 

Fig.  169.  Spatelartiges  Instrument  und  eiserner  Haken  der  Haussa 
aus  Sokoto  (Nordwest- Afrika)  zur  Entfernung  von  „schleimigen 
Häuten"  bei  einer  Beli  genannten,  der  Bräune  ähnlichen  Halskrankheit. 
(Besprochen  S.  300.)  —  Mitgebracht  von  Staudinger.  Mus.  f.  Völkerk., 
Berlin.     Nach  photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 299 

Fig.  170.  Hohlmeisselartiges  Instrument  der  Haussa  aus  Sokotö 
(Nordwest-Afrika),  von  Eisen,  mit  einer  Schelle  und  Ringen  am 
Griff,  zur  Entfernung  von  „schleimigen  Häuten"  bei  einer  Beli  ge- 
nannten, der  Bräune  ähnlichen  Halskrankheit.  (Resi)rochen  S.  300.)  — 
Mitgebracht  von  Staudinger.  Museum  f.  Völkerkunde,  Berlin.  Nach 
photographischer  Aufnahme  des  Verfassers 299 

Fig.  171.  Ledernes  Futteral  der  Haussa  aus  Sokotö  (Nordwest- 
Afrika)  für  ein  chirurgisches  Besteck.  —  Mitgebracht  von  Staudinger. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin.    Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers  300 

Fig.  172.  Schädel  einer  Mumie  aus  Neu-Caledonien  mit  einer 
niu'  theilweise  vollendeten  Trepanationswunde  auf  dem  rechten  Stirn- 
bein. Der  Gesichtstheil  des  Schädels  wird  durch  die  angezogenen  Kniee 
verdeckt  und  ist  deshalb  im  Holzschnitt  fortgelassen  worden.  (Besi)roclien 
S.  302.)  ■ —  Sammlung  Umlauff,  Hamburg.  Nach  photographischer 
Aufnahme  des  Verfassers 301 


334  Anhang  I.     Erklärung  der  Abbildungen. 

Seite 
Fig.  173.    Trepauirter  Schädel  aus  einem  altiieruanischen  Grabe 
in  Pisac.     (Besprochen  S.  304.)   —    Mitgebracht  von  Hettner.     Mus.  f. 
Völkerkunde,  Berlin.     Nach  photograph.  Aufnahme  des  Verfassers    .     .  303 

Fig.  174.  Operatiousmesser,  wie  es  die  Eingeborenen  in 
Kahura  (Uganda,  Central-Afrika)  zur  Ausführung  des  Kaiser- 
schnittes   benutzen.    —    Xach  FelJiW^    wie  Fig.   157.     Taf  II,    Fig  19  305 

Fig.  175.  Kaiserschnitt,  von  Eingeborenen  in  Kahura 
(Uganda,  Central-Afrika)  ausgeführt.  —  Nach  Felhin^  wie  Fig.  157. 
Taf.  II,    Fig  17 30G 


Anhang  II. 


Verzeichniss  der  benutzten  Schriften. 


Alvord  s.  Schooleraft. 

Australia,    South-   (Woods,    Taplin,    Wijatt,    Meyer,    Schürmann,    Gason, 

Bennett).     The  iiative  tribes  of  Adelaide.    1S79. 
Ay monier,  J^tienne.     Notes  sur  les  coiitiimes  et  croyances  des  Cambod- 

giens.       (Cochinchine    Fran^aise:     Excursions    et    Reconnaissauces. 

No.  16.     Saigon  1883.)     p.  133. 
Aymonier^  ^tienne.     Notes  sur  le  Laos.     (Cochinchine  Fran^aise:    Ex- 
cursions et  Reconnaissances.     No.  21  (IX).     Saigon  1885.) 
Baker  s.  Sarasin. 
Bancroft,  Hubert  Hoive.     The   native    races    of  the    Pacific    States    of 

North  America.     Vol.  I.     New  York  1875. 
Bartels,  Max  s.  Bloss. 
Bastian,  A.     Die   Völker   des    östlichen   Asiens,    Studien    und   Reisen. 

Dritter  Band.     Reisen  in  Siam  im  Jahre  1863.     Jena  1867. 
Bastian,  Adolf.     Die    deutsche  Expedition    an  der  Loango-Küste  nebst 

älteren  Nachrichten  über  die  zu  erforschenden  Länder.     Nach  persön- 
lichen Erlebnissen.     Jena  1874/75. 
Bastian,    Adolf.      Ueber    psychische    Beobachtungen    bei    Naturvölkern. 

Schriften    der   Gesellschaft    für   Experimental  -  Psychologie    zu   Berlin. 

IL   Stück.      Leipzig    1890.     S.    6  —  9     (aus:    Allerlei    aus  Volks-    und 

Menschenleben.     IL     102). 
Boivditch,    T.   Edward.     Mission    der   Englisch-Afrikanischen  Com- 

pagnie  von  Cape  Coast  Castle  nach  Ashantee  u.  s.  w.     (Museum 

der   neuesten   und   interessantesten    Reisebeschreibungen   für   gebildete 

Leser.  Vollständig  nach  den  Originalausgaben.  XIV.  Band.)    "Wien  1826. 
Broca,  Patd.     Sur  les  trepanations  jjrehistoriques.     Bulletins  de  la  Societe 

d'Anthropologie  de  Paris,  tome  XI,  IL  serie.    Paris  1870.    p.  236 — 256. 

(Man  vergleiche  auch  die  Discussion  bei  Prunieres.) 
Brough-Smith,  R.     The  xlborigines  of  Victoria,   with  notes  relating  to 

the  liabits  of  the  Natives  of  other  parts  of  iiustralia  andTasmania. 

London  1878.     vol.  I.    p.  XXXVIII. 
Brousmiche,  Edouard.     Apergu  general  de  Thistoire  naturelle  du  Tonkin. 

(CochinchineFrancaise:  Excursions  et  Reconnaissances.  No.  30  (XIII). 

Saigon  1887.     176.) 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  22 


338  Anhang  II. 

Büttikofer,  J.     Eeisebilder  aus  Liberia.     Leiden  1890. 

Carrow,  Fleming.   Lithotomy  in  Cantuu.  Brit.  jNIed.  Jörn-.    1880.    H.    898. 

Catlin,  Geo.     Letters   and  Notes  on  the  manners,   customs,  and  conditiou 

of  tlie  Xortli  American  Indians.     London  1841.    L    40. 
Catlin,    G.     Die    Indianer   Nord-Amerikas    und    die    während    eines. 

achtjährigen  Aufenthalts    unter   den    wiklesten    ihrer    Stämme   erlebten 

Abenteuer   und    Schicksale.     Deutsch    von  Heinrich   Berghaus.     Zweite 

Ausgabe.     Brüssel,  Leipzig,  Gent  1851.     S.  28. 
Capello,  H.,  and  B.  Ivens.   From  Benguella  to  the  Territory  of  Yacca. 

Description  of  a  Jom-ney  into  Central  and  West  Africa.  London  1882. 
Corre,  A.     Les   peuples    du    Rio   Nunez    (cote    occidentale    d'Afrique). 

Memoires  de  la  Societe  d' Anthropologie  de  Paris,    tome  III  deuxieme 

Serie.     Paris  1888.     p.  49. 
Crevaux,  Jules.     Memoire    sur   les   Negres    Bosh  ou  Negres  Marrons 

des    Guy  an  es.      Memoires    de  la    Societe    d' Anthropologie    de    Paris. 

Paris  1875.     tome  IL     269. 
Crevaux,  J.     Von  Cayenne  nach  den  Anden.    Globus.    Band  XL  S.  70. 

Braunschweig  1881. 
Dohhert  s.  Quedenfeldt. 
Eells,  Myron.      The    Twana,    Chemakum    and   Klallam   Indians,    of 

Washington  Territory.     Annual  Report  of  the  Board  of  Regents  of 

the  Smithsonian  Institution   for  the   year  1887.     Part.  I     Washington 

1889.     p.  675. 
Ehrenreich,  P.  Beiträge  zur  Völkerkunde  Brasiliens.   Veröffentlichungen 

aus  dem  königlichen  Museum  fiir  Völkerkunde.    Band  IL    1.  u.  2.  Heft. 

Berlin  1891. 
Ella,  Samuel.     Native  medicine   and  sm^gery  in  the  South  Sea  Islands. 

The  Medical  Times  and  Gazette.     1874.     Vol.  I.    50.     London. 
Engelhardt,  H.  E.  D.    Mededeelingen  over  het  eiland  Saleijer.    Bijdragen 

tot  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch-Indie.    4te  volg- 

krees.     8te  deel.     s'Gravenhage  1884. 
Feihin,  Bobert    W.     Ueber  Lage   und  Stellung  der  Frau  bei  der  Geburt 

auf  Grund  eigener  Beobachtungen  bei  den  Neger-Völkern  der  oberen 

Nil-Gegenden.     Marburg  1885. 
Finsch,  0.     Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 

Dritte  Abtheilung:    Mikronesien    (West-Oceanien).     Annalen    des 

K.  K.  Naturhistorischen  Hofmuseums.  Band  VIII.    Wien   1893.    S.  49. 
F  OS  sei,   Victor.     Volksmedicin   und   medicinischer   Aberglaube    in  Steier- 
mark.    Graz  1886. 
Freudenherg.     Schriftliche  Mittheilungen  an  das  kgl.  Museum  für  Völker- 
kunde in  Berlin. 
Frischbier,  H.    Hexenspruch  und  Zauberbann.   Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

des  Aberglaubens  in  der  Provinz  Preussen.     Berlin  1870. 

Gatschet,  Albert  Samuel.  The  Klamath  Indian  of  Southwest ern 
Oregon.  Department  of  the  Inferior.  U.  S.  Geographica!  and  Geo- 
logical  Survey  of  the  Rocky  Mountain  Region.  [J.  W.  Powell  in 
Charge.)     Washington  1890. 


Verzeichniss  der  benutzten  Schriften.  339 

Grümvedel.     Mündliche  Mittheilimgen. 

Harmand,  J.  Les  Eaces  Indo-Chinoises.  Memoires  de  hi  Societe 
d'Authroj).  de  Paris,     tome  II.     Paris  1875.     p.  338. 

Hasselt,  A.  L.  van.  Yolksbeschrijving  van  Midden-Sumatra.  Leiden. 
1882.  Aus:  Midden-Sumatra.  Reizen  en  onderzoekingen  der  Su- 
matra-Expeditie,  uitgerust  door  het  aardi-ijkskundig  Genootschap 
1877 — 1879  besclireven  door  de  leden  der  ex})editie,  ouder  toezicht  van 
Prof.  P.  J.  Veth.  Derde  Deel:  Yolksbeschrijving  en  Taal.  Eerste 
Gedeelte.    Eerste  Afdeeling. 

Hasselt,  J.  L.  van.  Die  Papuastämme  an  der  Geelvinkbai  (Neu- 
guinea). Mittheilungen  der  Geographischen  Gesellschaft  (für  Thüiingen) 
zu- Jena.     Band  IX.     Heft  3  u.  4.     Band  X.     Jena  1891. 

Helfrich,  0.  L.  Bijdrage  tot  de  Geographische,  geologische  en  ethno- 
graphische kennis  der  Afdeeling  Kroe  (S.  W.  Sumatra).  Bijdi*agen  tot 
de  Taal-,  Land-  en  Yolkenkunde  van  Nederlandsch-Indie.  Yijfte  volgreeks, 
vierde  deel.     (deel  XXXYIII  der  geheele  reeks.)     s'Gravenhage   1889. 

Ho  ff  man,  W.  J.  The  Mide  'wiwin  or  „Grand  Medecine  Society"  of  the 
Ojibwa.     Washington  1892. 

Holuh,  Emil.  Sieben  Jahre  in  Süd-Afrika.  Erlebnisse,  Forschungen  und 
Jagden  auf  meinen  Reisen  von  den  Diamantfeldern  zimi  Zambesi. 
(1872—1879.)     Band  L     Wien  1881. 

Hughan  s.  Broiigh  Smith. 

Jacobs,  Jidius.     Eenigen   tijd    onder    de    Baliers.     Eene  Reisbeschrijving 

met  aanteekningen  betreffende  Hygiene,  Land-  en  Yolkenkunde  van  de 

Eilanden  Bali  en  Lombok.     Batavia  1883. 
Jacobs  en,  Adrian  s.    Woldt. 
Jagor,  F.     Reisen  in  den  Philippinen.     Berhn  1873. 

Jensen,  Petrus.     De  incantamentorum  Sumerico-Assyriorum  seriei  quae 

dicitur  Surbu  tabula  sexta.     Monachii  1885. 
Johl.     E m d i s e ni  -  P e t e r s b e r g ,     K a f f e r  1  a n d.      Berliner  jVIissionsberichte. 

1884.     S.  130. 
Joest,   W.     Ethnographisches  und  Yerwandtes  aus  Guayana.     Supplement 

zu  Band  Y  des  Internationalen  Archivs  füi'  Ethnographie.    Leiden  1893. 
Ivens  s.  Capello. 
Keelan,  B.  C    One  Year"s  statistics  of  Lithotomy  Operations  performed  in 

the  Hyderabad   Civil  Hospital     Sind.   India.     The   British  Medical 

Journal.     Yol.  IL     p.  82G.     London  1887. 
Krauss,  Friedrich  S.     YoUvsglaube  und  religiöser  Brauch   der  Südslaveu. 

Münster  i.W.    1890. 
Kropf,  A.     Das  Yolk  der  Xosa-Kaffern  im  östlichen  Süd-Afrika  nach 

seiner  Geschichte,  Eigenart,  Yerfassung  und  Religion.     Berhn  1889. 
Landes.    Notes  sur  les  moeui's  et  superstitions  populaires  des  Annamites. 

Cochinchine  frani^^aise:  Excursions  et  Reconnaissances.   No.  G.    Saigon 

1880.     p.  447  ff. 
Lenormant,   Frangois.      Die   Magie    und   Wahrsagekunst    der    Chaldäer. 

Jena  1878. 

22* 


340  Anhang  II. 

Lockhart,    William.     Der    ärztliche  Missionar  in  China.      Mittheihingen 

nach    zwanzigjähriger    Erfahrung.      Uebersetzt    von    Hermann    Bauer. 

Würzburg   1863. 
Longmore,  T.      A   treatise   of  the    transport  of  sick  and  wounded  troops. 

London,  s.  a.  Fig.  XXII,  p.  114. 
Mac  Gillivrajf  s.  v.  Milduclio-Maclay. 
Man,   Edirard  Uorace.      On    the  Aboriginal  Inhabitants  of  the  Andaman 

Islands.     Keprinted  from  the  Journal  of  the  Anthropological  Institute 

of  Great  Britain  and  Ireland.     London,     s.  a.  (1883)  p.  IG — 20. 
Martin,  K.     Bericht   über   eine   Heise   ins    Gebiet   des  oberen  Surinam. 

Bijdragen  tot  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch-Indie. 

Vijde  volgkrees,  eerste  deel  (deel  XXXV  der  geheele  reeks).    s'Graven- 

hage  1886. 
Mason,  Otis   T.     Papers    relating   to    anthropology.      The    Ray    Collection 

from  Hupa  Reservation.     Annual  Report  of  the  Board   of  Regents 

of  the  Smithsonian  Institution  for  the  year  1886.   Part  I.    Washington 

1889.     p.  235. 
Matthews,  J.    W.     Incwadi    Yami  or   twenty  years  personal  experience 

in  South  Africa.  London  1887. 
Matthews,    Washington.     The   Mountain    chant:     a    Navajo     ceremony. 

Fifth    annual  Report  of  the  Bureau  of  Ethnology  to  the    Secretary  of 

the  Smithsonian  Institution  1883 — 84.    Washington  1887.    ]).  379 — 467. 
Miklucho-Maclay,    N.   von.     Ueber   die    Mika  -  Operation    in    Central- 

Australien.     Zeitschr.  f.  Ethnologie.     Bd.  12.     VerhandL   d.  Berliner 

anthrop.  Gesellschaft.     S.  85.     Berlin  1880. 
Miklucho-Maclay ,    N.   von.      Bericht   über   Operationen    australischer 

Eingeborener.     Zeitschr.  l  Ethnologie.  Bd.  14.    Berhn   1882.    S.  26—29. 

(Roberts,  Rotsh,  Mac  Gillivray.) 
Modigliani,  Elio.     Un  viaggio  a  Nias.     Milano  1890. 
Moffat,  Robert.      Missionary   Labours    and  Scenes    in  Southern  Africa. 

London  1844. 
Moore.,   W.  J.     Native  Practice  in  Rajpootana.     The  Medical  Times  and 

Gazette.     London  1875.     Vol.  L  39.  124. 
Müller,  F.   W.  K.     Cultusgegenstände  aus  der  Sammlung  Jacobsen-Kühn. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.     Baiid  24.     VerhandL  S.  234.    Berlin    1892. 
Neis,  P.,   et   Septans.     Rapport  sur  un  voyage  d'exploration  aux  sources 

duDong-Nai,  (CochinchineFrangaise:  Excursions  et Reconnaissances. 

No.  10.     Saigon  1881.) 
Niblack,   Albert    P.      The    Coast   Indians    of  Southern    Alaska    and 

Northern  British  Columbia.    Annual  Report  of  the  Board  of  Regents 

of  the    Smithsonian    Institution    for    the   year   ending   June    30,    1888. 

Washington  1890.     p.  349. 
Nilsson,  L.    Das  Steinalter  oder  die  Ureinwohner  des  skandinavischen 

Nordens.     (Uebersetzt  v.  J.  Mestorf.)     Hamburg  1868.     S.  145.  163. 
Otis,  George  Ä.    The  Medical  and  surgical  history  of  the  war  of  the  rebellion. 

Part.  II.  Volume  IL  Surgical  history.  p.  276.  case  804.  i)late  VIL  Fig.  7. 
Oviedo  s.  Bancroft. 


Verzeichniss  der  benutzten  Schriften.  341 

Pallas,    P.    S.      Eeise    diuxh    verschiedene    Provinzen    des    Russischen 

Reiches.     I.     St.  Petersburg  1771. 
Paiilitschhe,  Philipp.     Beiträge  zm-  Ethnographie  und  Anthropologie  der 

Somfil,  Galla  und  Hariri.     Leipzig  188G. 
Petit ot,  Emile.     Traditions  Indiennes  du  Canada  Nord- Ou est.     Textes 

originaux  et  traduction  Ktterale.     Alen(,'on  1887. 
Pinto i  Serpa,  s.  v.  Wobeser. 

Pleyte,  C.  W.  Zwei  neue  Gegenstände  von  den  Hervey-Inseln.  Zeit- 
schrift  für  Ethnologie,   Verhandl.  d.  Berliner  anthropolog.  Ges.     Band 

XIX  S.  30.     Berlin  1887. 
Ploss,   H.     Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde.     Anthropologische 

Studien.     Dritte   umgearbeitete    und    stark   vermehrte   Auflage.     Nach 

dem  Tode    des  Verfassers   bearbeitet  und  herausgegeben  von  Dr.  Max 

Bartels.     Leipzig  1891. 
Polak^  Jacob  Eduard.     Persien,  das  Land  und  seine  Bewohner.     Leipzig 

1865.     Band  IL 
Prozeshy.     (Privatmittheilung.) 
Prunieres.     Sur   les    cränes    artificiellement   perfores  ä  l'epoque  des    dol- 

mens.     Bulletins    de    la  Societe    d'Anthroi^ologie    de    Paris,     tome   IX 

II  Serie.     Paris  1874.     p.  185—205. 
Quedenfeldt,   M.     Krankheiten,   Volksmedicin  und  abergläubische  Kuren 

in  Marokko.     Das  Ausland.     Jahrg.  64.     1891.     S.  71,  95,  126. 
Radioff.,    Wilhelm.    Das  Schamanentimm  und  seine  Cultur.     Leipzig  1885. 
Report,    Seventh,   on    the   North  Western  Tribes    of  Canada.     British 

Assoc.  for  the  Advancement  of  Science.    London  1891.    The  Bilqula. 
Riedel,  Johann  Gerhard  Friedrich.   De  sluik-en  kroesharige  Rassen  tuschen 

Selebes  en  Papua.     s'Gravenhage  1886. 
Riedel,    J.  G.  F.    De   Topantunuasu    of  oorspronkelijke    volksstammen 

van  Central  Selebes.   Bijdragen  tot  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde 

van  Nederlandsch-Indie.    Vijde  volgkrees,  eerste  deel  (d^el  XXXV  der 

geheele  reeks).     s'Gravenhage  1886. 
Roberts.     Reise  von  Delhi  nach  Bombay.     Müllers  Archiv  i.  Anat.  und 

Physiol.     Berhn  1843.     S.  159. 
Rosenberg,   H.   von.      Der   Malayische    Archipel.      Land    und   Leute. 

Leipzig  1878. 

Rotsh,  s.  V.  Milüucho-Maclay. 

Sarasin,  Paul,  und  Sarasin,  Fritz.  Die  Weddas  von  Ceylon  und  die 
sie  umgebenden  Völkerschaften,  ein  Versuch,  die  in  der  Phylogenie  des 
Menschen  ruhenden  Räthsel  der  Lösung  näher  zu  bringen.  Band  III: 
Ergebnisse  naturwissenschaftlicher  Forschungen  auf  Ceylon.  Wiesbaden 
1892—1893.     S.  528—530. 

Schoolcraft,  Henry  R.  Historical  and  Statistical  Information  respecting 
the  History.  Condition  and  Prosi)ects  of  the  Indiau  Tribes  of  the 
United  States.  (Ethnological  researches  respecting  the  Red  Mau  of 
Amerika.)     Part.  I— V.     Philadelphia  1851—1855. 

Septans  s.  Neis. 


342  Anhang  IL 

Soyaux,  Hermann.  lu  West-Afrika.  1S73 — 1876.  Erlebnisse  und  Be- 
obachtungen.    Leipzig  1879. 

Squier,  JE.  George.  Peru.  Incidents  of  travcl  and  exploratiou  in  the  Land 
of  the  Incas.    London  1887.     p.  457,  577. 

Staudinger^  Paul.     ]ni  Herzen  der  Haussalaender.     Berlin  1889. 

Steinen,  Karl  von  den.  Diu'ch  Central-Brasilien.  Expedition  zur  Er- 
forschung des  Schingü  im  Jahre  1884.     Leipzig  1886. 

Stevens,   Vaughan,  s.    Virchow. 

Stoll,  Otto.  Guatemala.  Beisen  und  Schilderungen  aus  den  Jahren 
1878—1883.     Leipzig  1886.     S.  158  ff. 

Svohoda,  W.  Die  Bewohner  des  Nikobaren -Archipels.  Internationales 
Archiv  für  Ethnographie.     Bd.  V  u.  VI.     Leiden  1892  u.  1893. 

Swan,  Caler  s.  Schoolcraft. 

Taplin,  George,  s.  Australia,  South-. 

Tennent,  James  Emerson.  Ceylon,  an  account  of  the  Island  physical, 
historical  and  topographical  with  notices  of  its  natural  history,  anti- 
quities  and  productions.     London  1860.     IL  544  ff. 

Thomas  s.  Brough  Smith. 

Thomson.  The  story  of  New  Zealand,  past  and  present.  London  1859. 
Siehe  Longmore. 

Thomsen,  J.  William.  Te  Pito  Te  Henua  or  Easter  Island.  Smith- 
sonian  Institution,  U.  S.  Nat.  Mus.     Washington  1892.    p.  470,  471. 

Tillmanns,  H.  lieber  prähistorische  Chirurgie,  v.  Langenbecks  Archiv 
für  klinische  Chirurgie.  Band  XXYIII.  BerHn  1883.  S.  775—802. 
(Mit  Tafel.) 

Toorn,  J.  L.  van  der.  Het  Animisme  bij  den  Minangkabauer  der 
Padangsche  Bovenlanden.  Bijdragen  tot  de  Taal-,  Land-  en 
Volkenkunde  van  Nederlandsch  In  die.  Yijfde  volgreeks,  vijfde  deel. 
s'Gravenhage  1890. 

Tromp,  S.  W.  Uit  de  Salasila  van  Koetei.  Bijdi-agen  tot  de  Taal-, 
Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch  Indie.  Vijfde  volgkrees,  deerde 
deel  (deel  XXXVII  der  geheele  teeks).     s'Gravenhage  1888. 

Tschudi,  J.  J.  von.  Cultm'historische  und  sprachliche  Beiträge  zur 
Kenntniss  des  alten  Peru.  Denkschriften  d.  kais.  Ak.  d.  Wiss.  in 
Wien.     Phil.-hist.  Classe.     Band  XXXIX.     Wien  1891.     S.  148,   149. 

Turner,  George.  Samoa  a  hundred  years  ago  and  before.  Together  with 
notes  on  the  cults  and  customs  of  twenty-three  other  Islands  in  the 
Pacific.     London  1884. 

Veth,  P.  J.    Borneo's  Wester- Afdeeling.     Zalt-Bommel  1856.    S.  242. 

Veth  s.  van  Hasselt. 

Virchow,  R.  Die  wilden  Eingebornen  von  Malacca.  Zeitschrift  für 
Ethnologie,  Verhandl.  der  Berliner  anthropolog.  Gesellschaft.  Band 
XXIIL     S.  838.     Berlin  1891. 

Wangemann.   Ein  zweites  Reisejahr  in  Süd-Afrika.   Berlin  1886.    S.  106. 

Wernich,  Ä.  Zur  Geschichte  der  Medicin  in  Japan.  Ai'chiv  für  Ge- 
schichte der  Medicin  und  medicinischen  Geographie.     Leipzig  1878. 


Verzeicliniss  der  benutzten  Schriften.  343 

Wise,  T.  A.    Commentaiy  on  the  Hindu  System  of  Medicine.    London  1860. 

Wissmann,  Hermann.  Unter  deutscher  Flagge  quer  durch  Afrika  von 
AVest  nach  Ost.  Von  18S0 — 1883  ausgefiihrt  von  Paul  Pogge  und 
Hermann   Wissmann.    BerHn  1889. 

Wlislocki,  Heinrich  von.  Aus  dem  inneren  Leben  der  Zigeuner.  Ethno- 
graphische Mittheikingen.     BerHn  1892. 

Woheser,  H.  v.  Serpa  Pintos  Wanderung  (juer  durch  Afrika  vom  At- 
lantischen zum  Indischen  Ocean  durch  bisher  grösstentheils  gänz- 
lich unbekannte  Länder,  die  Entdeckung  der  grossen  Nebenflüsse  des 
Zambesi  nach  des  Reisenden  eigenen  Schilderungen  frei  übersetzt. 
Leipzig  1881. 

Woldt^  August.  Capitaen  Jacobsens  Reise  an  der  Nordwestküste 
Amerikas.     Leipzig  1884. 

Wolff.  Reise  von  San  Salvador  zum  Quango.  Verhandlungen  d.  Ges. 
f.  Erdkunde.     Berhn  188G.     Band  Xlll  S.  63. 


Anhang  III, 


/M 


yoi'zeicliiiiss  der  geographischen  und  Yölkernaiiieii. 

Die  in  [  ]  gesetzten  Eigennamen  bezeichnen  die  Autoren,  denen  die  im  Texte 
gemachten  Angaben  entnommen  sind.  Die  betreffenden  Werke  sind  in  An- 
hang II  aufgeführt  worden.  M.  V.  bedeutet,  dass  die  Angaben  den  Er- 
klärungen entnommen  sind,  welche  sich  in  den  Akten  des  kgl.  Museums  für 
Vcilkerkunde  in  Berlin  finden.  Die  Ziffern  bedeuten  die  Seitenzahlen  des 
Textes,    auf  welchen    die  Namen  vorkommen.     Schräg  gedruckte  Seitenzahlen 

zeigen  Abbildungen  an. 

Aarii- Inseln  (Aru-Inseln,  Arru-Inseln),  südlich  von  Neu- Guinea. 
[Riedel?[  21,  24,  24,  28,  30,  35,  42,  42,  47,  53,  56,  58,  185,  195,  217, 
240,  246,  246,  250,  266. 

Aeinam,  FIuss  in  Brasilien.     [Ehrenreich^     185. 

Adelaide  [Aiistralia,  South-].    (Süd-Australien.)     106. 

Aegypten,  212,  226,  271. 

Akkader  [Lenormant-Jensen\.  Dieses  Volk  wird  von  den  heutigen  Assyrio- 
logen  als  Sumerier  bezeichnet.  Der  Name  Akkader  ist  gleich- 
bedeutend mit  Babylonier.  Die  Sumerier  waren  aber  die  nicht 
semitischen  Yorgänger  der  Babylonier  und  Assyrer  in  dem  Euphrat- 
Tigris-Gebiete.     12,  27,  34,  35,  175,  206,  227,  228,  252,  253. 

Alahanpandjang,  Mittel-Sumatra,     [van  Hasselt^   Veth.]     88. 

Alaska,  Nordwest- Amerika.  [Bancroft,  Niblack,  M.  F.]  11,  57,  61,  109, 
122,  127,  147,  J210,  211,  221,  221,  268,  268,  270,  282,  285.  Siehe  auch 
Ätna,  Eskimo,  Koniaga,  Kupferfluss,  Kwixpagmut,  Yukon 
River. 

Alor   (Allor),    Insel   im    malayischen   Archipel   zwischen    Timor   und 

Flores.     [Riedel,  M.    F.]     16,  17,  17,  41,  257,  257. 
Alpen,  36,  204,  230. 

Altai,  östliches  West- Sibirien.     [Radioff.]     17,  18,  70,  80. 
Altai-Tataren,  West-Sibirien.     [Radioff.]     70,  177,  177,  178. 

Aml)On,  Insel  im  östlichen  malayischen  Archipel,  südlich  von  Serang. 
[Riedel]  19,  28,  28,  28,  30,  35,  35,  38,  41,  128,  162,  195,  201,  201, 
203,  204.  214,  249,  259. 

Amur-GreMet,  Ost- Sibirien.     [M.   F.]     98. 


348  Anhang  III. 

Aiidai,  Nordwest- Neu -Guinea.     \von  Bosenberg.]     11,  49. 

Aiidamaneii.    \31an.]     2(50.     Siehe  auch  Miucopies. 

Aniiam,  Hinterindien.  \Landes.]  12,  18,  19,  19,  21,  31,  35,37,42,50,52, 
53,  54,  55,  56,  5G,  57,  GO,  63,  06,  66,  67,  80,  81,  87,  88,  96,  97,  106, 
106,  107,  107,  113,  113,  114,  148,  148,  154,  154,  154,  160,  161,  162, 
166,  166,  166,  169,  192,  195,  212,  214,  216,  242,  244,  244,  245,  259. 

Aiiiiainiteii,  siehe  Annam. 

Aueiteiim,  Insel  der  Neu-Hebriden-Gruppe.     [Turner.]     175. 

Arabien.     212. 

Arizona,  Nord-Amerika.  59,  160,  180,  197,  198,  198,  199,  199,  200,  270. 
S.  a.  Navajö,  Pueblos. 

Arowaken,  Indianer  in  Surinam.     [Joest]     261. 

Asclianti,  Negerstamm  in  Ober-Guinea,  Afrika.  \Botvditch.]  52,  53, 
106,  123,  123,  124,  128,  134,  210,  210,  212,  267,  275,  282,  285,  289, 
296.     S.  a.  Empoöngwa. 

Assyrer.     [Lenormant,  Jensen.]     12,  34,  35,  175,  206,  227. 

Atlas-OeMrge,  Marokko.     [Quedenfeldt]     211. 

Atna-Indianer  in  Alaska.     [M.   V.]     65,  66,  68,  69,  70,  71,  72,  73. 

Atopeu  in  Co  eh  in  China.     [Harmand]     238,  249. 

Australien,  s.  a.  Adelaide,  Australien  Nordwest-,  Australien  Süd-, 
Coopers  Creek,  Dieyerie,  Gippsland,  Goulbourn,  Herbert- 
Fluss,  Kukuta,  Maclay  River,  Murray  -  Fluss,  Narrinyeri, 
Nasim,  Parapitschuri-See,  Queensland,  Victoria. 

Australien,  Süd-,     [Äustralia,  South-,  Taplin.]     24,  24,  24,  24,  47,  53,  63, 

86,  92,  106,  106,  119,  133,  134,  140,  148,  186,  186,  188,  205,  206,  209, 
247,  269,  275,  282,  282,  290,  291. 

Australien,  Nordwest-,     [von  MiJducho- Maclay.]     274. 
Aynthia,  in  Siam.     [Bastian.]     134. 
Azteken.    [Stoll]    137. 

Babar-Inseln  (Babber-Inseln),  im  östlichen  malayischen  Archipel, 
nahe  der  Westküste  von  Timoriao.  [Biedel]  35,  134,  168,  195.  217, 
246,  246,  246. 

Bal)ylonier.    227. 

Bakairi-Indianer,  Brasilien.     [Ehrenreich,  von  den  Steinen.]     24,  298. 

Bali,  kleine  Sunda-Insel,  östlich  an  Java  grenzend.  [Jacobs.]  39,  39, 
52,  53,  62,  88,  127,  128,  173,  240,  242,  253,  258,  295.  S.  a.  Boele- 
leng,  Djembrana. 

Basntlio,  Betschuanen-Stamm  im  südöstlichen  Afrika,  besonders  in 
Transvaal.     [Wangemann.]     28,  67,  69,  112,  181,  270. 

Battaker  (Battah),  Volk  in  Sumatra.  [M.  F.]  30,  30,  106,  108,  112, 
113,  114. 


Verzeiclmiss  der  geographischen  und  Völkernamen.  349 

Bawenda,  Volk  in  Transvaal,  Süd- Afrika.     276,  277. 

Beiig-uela   (Benguella),   Nieder-Guiuea,  AVest-Afrika.     [M.   V.\     293. 

Betsehiiaiieii,    Südost- Afrika.     [Mott'at   Holuh.\     30,    55,  57,  57,  69,  75, 

80,  110,  197,  270. 
Bheels,  Volk  in  Radschpiitana,  nordwestliches  Indien.  \Moore.]  40,287,  288. 

Bilqula-Indianer   in    Canada.     [Report]     24.   76.   78,   120,  120,  275,  275, 

287,  290. 
Blakfeet  s.  Schwarzfuss-Indianer. 
Bleiidas  s.  Orang  Blendas. 
Boeleleng  (Buleleng),  auf  Bali.     [Jacobs.]     258. 

Bonerate,  kleine  Insel,  südöstlich  von  Saleijer.    [M.    F.]    105.  245,  250. 
Bonito  in  Neu-Mexico.     [Bancroft.]     139. 

Boriieo.  [Tromp,  Veth,  M  V.]  11,  19,  52,  53,  55,  63,  110,  112,  128,  149, 
183,  195,  273,  275.     S.  a.  Dayaken,  Kapoeas,  Koetei. 

Bowditcli-Iiisel,  s.  Fakaofo. 

Brasilien.  [Ehrenreich,  von  den  Steinen.]  S.  Acinam,  Araguya,  Bakairi, 
Goyaz,  Hyutanaham,  Ipurina,  Karaya,  Purus,  Sertanejo, 
Xingu,  Yanimaniadi,  Yuruma. 

Brück,  Schloss  bei  Lienz  in  Tirol.     27. 

ßürgersdorf  bei  Weh  lau,  Provinz  Preussen.     10. 

Burjäten  (Buräten),  Volk  in  der  Gegend  von  Irkutsk  in  Süd-Sibirien. 

[Pallas,  M.  V.]     134,  1.34,  174,  174,  176,  215,  241,  248,  250. 
Buru,   Insel  im  malayisclien  Archipel,  zwischen  Serang  und  Selebes. 

[Riedel]     11,   28,  28,  38,  41,  42,  67,  134,  160,  180,  180,  214.  214.  214. 

246,  254,  255,  256,  256. 
Buschneger  in  Surinam  und  Guyana.    [Martin,  Crevaux.]    128,  261,  293. 
Busclmeger  in  Togo,  West-Afrika.     [Herold.]     251. 

€alitornien,  Indianer  von.    [Bancroft.]    22,  50,  51,  53,  53,  58,  60,  60,  64, 

87,  106,  106,  119,-  124,  124,  124,  133,  134,  135,  140,  155,  186,  188, 
197,  205,  247,  266,  266,  267,  269,  275,  275,  282.  287.  S.  a.  Karok, 
Meewoc,  Schasta. 

Cambodja,  Hinterindien.  [Äymonier,  Bastian.]  42,  53,  109,  146.  274. 
S.  a.  Hatien,  Me  Khong,  Schaudoc. 

Canada,  Indianer  von.  [Report,  Petitot.]  24,  76,  81,  106,  100,  127,  101, 
203,  268.     S.  a.  Bilqula. 

Caquingue,  Central-Afrika.  [Serjja  Pinto.]    49.    S.  a.  Ganguella-Neger. 

Cariben    (Karaiben),    Indianer    in    Surinam    und    der   Nachbarschaft. 

[Joest.]     120,  261. 
Carolinen-Inseln  s.  Karolinen-Inseln. 
Carpentaria-GrOlf,  Xord- Australien,     [von  Milducho-3Iaclay.\     297. 

Cascade  Bange,  im  Washington-Territorium  und  Oregon,  westliches 
Nord- Amerika.     [Gatschet.]     87. 


350  Anhang  III. 

Cayuse-Indianer,  Oregon.     \Schoolcraft]     43,  75,  78,  8G. 

Celebes  s.  Selebes. 

Ceram  s.  Serang. 

Ceylon.    [Sarasin^  Tennent,  M.  V.\    S.  Singhalesen,  Tamilen,  Weddah. 

Chaudoe  s.  Scbaudoc. 

Cliemakum  -  Indianer  im  "Washington  -  Territory,  westUches  Nord- 
Amerika.     [Eells.\     22,  28,  23,  25,  59,  106,  201,  209,  287. 

Chettro  Kettle  iu  Neu-Mexiko.     [Bancroft]     139. 

Chikasaw-Indianer  (Chickasaw)  in  Alabama.     [Swan,   Schoolcraft.]     25. 

China.  [Lockhart,  Jacobs,  Carrow,  Wernich.]  40,  05,  128,  129,  154.  212, 
222,  223,  288,  29G. 

Chippeway-Indianer  (Ojibwa)  im  Nordosten  von  Minnesota.  [ScJiool- 
craft,  ^Hoffman.]  11.  36,  50,  63,  63,  69,  106,  106,  125,  133,  153,  163, 
165,  179,  181,  182,  183,  185,  186,  188,  189,  189,  191,  204,  209.  210, 
269,  270,  305. 

Clioctaw-Indiancr  im  Staate  Mississippi.    [Schoolcraft]    25,  25,  29,  73,  74. 

Cliorotegan-Indianer  (Tschorotegas)  in  Nicaragua.  [Bancroft]  120,  248. 

Coloml>ia,  Indianer  von,  Süd-Amerika.     [Bancroft\     133. 

Columbien,  Britisch-.  [Bancroft.]  11,  24,  55,  59,  60,  66,  68,  86,  134, 
147,  180,  187,  188,  266.  S.  a.  Haidah,  Frazer  River,  Nutka, 
Onkanagan,  Sahaptin,  Tschimsian. 

Congo,  Afrika.    120. 

Coopers  Creek,  Australien,     [von  MiJclucho-Maclay.]     297. 

Copper  River  s.  Kupferfluss. 

Creek-Indianer  in  Alabama.     [Schoolcraft.]     25,   29,   53,   56,  57,  60,  100, 

125,  133,  163,  185,  267,  270,  290,  292. 
Cypern.    42,  43. 

Dacota-Indianer  in  Nordamerika.    [Schoolcraft.]     18,  21,  21,  22,  23,  49, 

51,  53,  57,  58,  59,  77,  92,  106,  120,  120,  121,  123,  124,  125,  133,  133, 
134,  134,  136,  139,  140,  153,  154,  179,  179,  184,  186,  196,  243,  246, 
267,  268,  270,  275,  282,  282,  284,  286,  290,  291,  292,  292. 

Dad^ss  im  Atlas-Gebiet,  Marokko.     [Quedenfeldt]     211. 

Dania    (Damme),   Insel   im    östlichen   mal ayi sehen    Archipel,    zwischen 

Timor  und  Timoriao.     [Biedel.]     162,  195,  195,  196. 
Dayaken,  Eingeborene  von  Borneo.     273,  275,  276. 

Dieyerie,  Volksstamm  in  Süd-Australien.  [Australia,  South-,  vonMihlucho- 
Maclatj.]     76,  86,  92,  106,  186,  205,  297,  297. 

Djailolo    (Djilolo    oder   Halmahera),    Insel    der   Molukken  -  Gruppe. 

19,  19. 
Djenibrana  auf  der  Insel  Bali.     [Jacobs.]     258. 

Dorej  (Doreh),  nordwestliches  Neu-Guinea.  [von  Bosenberg.]  11,  47,  47, 
61,  133,  135. 


Verzeichniss  der  geographischen  und  Völkernamen.  351 

Ecuador,  Indianer  von.     [Bancroft.]     121. 

Ketar  (Wetter),  Insel  im  östlichen  malayischen  Archipel,  nördlich  von 

Timor.     [Biedel]     22,   22,  24,  24,  24,  28,  29,  31,  32,  41,  99,  127,  1G2' 

213,  214,  24G,  246,  250,  256,  260. 

Emcliseili  in  Kafferland,  Süd-Afrika.     [Johl]     51.     S.  a.  Petersberg. 

Empoöiiswa,  an  der  Grenze  der  Aschanti,  "West- Afrika.  [Bowditch.\  296. 

Eilgano,  Insel  im  malayischen  Archipel,  an  der  Südwestküste  von  Su- 
matra,    [von  Bosenberg.]     119,  275,  275,  282. 

Erromaiiga,  Insel  der  Neu-Hebriden-Gruppe.     [Ella.]     36. 

Eskimo  von  Alaska.     [Jacobsen.]     211,  331,  221. 

Ewe-Neg-er  im  Togo-Gebiete,  West-Afrika.    [Herold.]    19,  20,  251,  261. 

Fakaofo  (ßowditch-Insel),  südlichste  Insel  der  Tokelau-Gruppe  in 
der  Südsee,  südöstlich  von  der  Duke  of  York  Insel,  nördlich  von 
Samoa.     [Turner.]     146. 

Flathead-Indianer  (Flachkopf- Indianer)  in  Oregon.     [Bancroft]     133, 

267,  282. 

Flores,  eine  der  kleinen  Sunda-Inseln.  [M.  V.]  107,  107,  120,  120, 
162,  162. 

Frankfurt  am  Main.    311. 

Frankreich.     [Broca,  Prunieres.]     303. 

Frazer  ßiyer,  Fluss  in  Britisch-Columbien.     [Jacobsen.]     275. 

Fullah,  Volk  am  Rio  N'unez  in  West- Afrika  (auf  S.  222  u.  287  ist  irr- 
thümlich  Ost -Afrika  genannt).     [Corre.]     222,  276,  287,  293,  299. 

Oalla,  Volk  im  östlichen  Central-Afrika.     [PaulitschJce.]     53. 

Ganguella-Xeger  in  Caquingue,  Central-Afrika.  [SeriM  Pinto.]  49,  58,. 
67,  106,  110,  160. 

Greelyink-Bai  im  nordwestlichen  Neu-Guinea.  [J.  L.  van  Hasselt.]  18^ 
167,  168,  195. 

Grilbert-lnseln,  nordöstlich  von  Neu-Guinea,  südlich  von  den  Marshall- 
Inseln.     [Finsch.]     168,  287. 

Giljaken,  Volk  an  der  Mündung  des  Amur  in  Ost- Sibirien  und  im 
nördlichen  Sachalin.  .  [M.  V.]  98.  183,  187,  225,  227,  228,  228,  228, 
229,  229,  230,  230,  231,  231,  233,  235,  235,  238,  242,  243,  277. 

Gippsland  in  Victoria,  Australien.     [Brough  Smith.]     26,  49,  197. 

Golden,  Volk  im  Amur-Gebiet  in  Ost-Sibirien.  [M.  V.]  81,  82,  82,  83, 
98.  109,  113,  226,  227.  228,  228,  228,  229,  229,  230,  230,  230,  230,  231, 
232,  232,  233,  234,  234,  234,  236,  237,  239,  239,  240,  241.  241,  243. 

Goldküste,  Neger  der,  West- Afrika.     297. 

Goron§^-Inseln  im  östlichen  malayischen  Archipel,  zwischen  Serang 
und  Neu- Guinea.  [Riedel]  11,  12,  19,  27,  30,  30,  32,  38,  42,  42, 
106,  109,  110,  114,  134,  161,  162.  173,  191,  191,  210,  213,  214,  216, 
239,  241,  256,  266,  282. 


352  Anhang  III. 

ixOulbourn-Stamm  im  südliclieu  Australieu.    \Australia,  South-.\     211. 

Oraudeiiz.    -^2. 

• 

€1  riechen,  alte.     2G. 

Oriechen,  neue.     19. 

Ouatemala,  Indianer  von.     [Stoll]    137.  138,  138.    S.  a.  Tactic. 

Criiyana  ((ruayana),  Indianer  von.     [Bastian,  Crevaux.]     126,  293, 

Haidah-Tndiaiier  in   Britisch-Columbien.     [Bancroß,   M.   V.]     00,   71, 

73,  74,  76,  121,  134,  179,  180,  181,  203,  203,  285. 

Harar  (Harrär),  Stadt  im  östlichen  Central  -  Afrika.  Die  Einwohner 
heissen  Harrari.  [Paulitschke.]  12,  21,  44,  53,  89,  lOG,  120,  123,  123, 
123,  191,  209,  210.  212,  213,  214,  215,  216,  282,  286,  295. 

Hatieii  in  Cambodja.     53. 

Ha  Tschewasse  in  Transvaal,  Süd-Afrika.     270,  277. 

Haussa,  Volk  im  nordAvesthchen  Afrika.  [Staudinger,  M.  F.]  270,  270.  272, 
273,  274,  274,  275,  275,  277,  299,  299,  299,  300,  300. 

Herbert-Fluss  in  Nord-Queensland,  Australien,  [von  Miklucho-Maclay.] 
297,  298,  298. 

Hervey-lnselii,  südöstlich  von  Samoa,  zum  Raratonga-  oder  Cooks- 
Archipel  gehörig.     [Fleyte.]     38,  38. 

Himalaya.    292. 

Hindu.     [Wise,  Moore.]     289,  290.     S.  a.  Inder. 

Holamux  in  Oregon.     [31.  F.]     179,  180. 

Hollaender.     249,  254. 

Honduras,  Indianer  von.     [Bancroß.]     133,  154,  269. 

Humphreys-Iusel  (Manahiki),  westhche  Insel  der  Penryn-Gruppe,  nord- 

östhch  von  Samoa.     [Turner.]     280,  290. 

Huna,  Portland  in  Oregon.     [M.  V.]     179. 

Hyderabad  (Haidarabad),  Yorder-Indien.     [Keelan.]     290,  297. 

Hyutanaham  in  Brasilien.     [Ehrenreich.]     248. 

Ibuki-Berge  in  Japan.     [Wernich.]     223. 

IffOr roten,  Volk  auf  den  Philippinen.    [Jagor.]     47. 

Inder,  alte.     [Wise.]     14,  109. 

Inder,  neue.  [Keelan,  Moore.]  19,  05,  209,  212,  227,  273,  289,  290,  292, 
295,  300,  307.  S.  a.  Bheels,  Ceylon,  Himalaya,  Hindu,  Hydera- 
bad, Radschputana,  Tschittagong. 

Ipurina-Indianer  am  oberen  Kio  Purus  (Amazonas),  Brasilien.  {Ehren- 
reich.] 24,  25,  29,  49,  53,  59,  78,  92,  120,  153,  181,  185.  245, 
247,  248. 

Irland.  [Nilsson.]  26. 


Verzeichniss  der  geographischen  und  Völkernamen.  353 

Istliimis-Indiaiier,  Central-Amerika.    \Bancroft.\    24,  57,  185,  1S5,  2G8. 

Italien.    43. 

Jakuten,  Volk  in  West-Sibirieu.     \Fallas.\     215,  215. 

Japan.  [Wernich]  58,  G5,  GG,  75,  91,  145,  145,  222,  222,233,  223.224,288. 

Java.     19,  217. 

Jemez  in  Neu -Mexico.     \Bancroft.\     139. 

Jenessei-Tataren  in  Sibirien.     \Fallas.\     125,  215. 

Juden.     13,  22,  2G,  2G,  27,  28,  37,  43,  4:!.  22G,  272. 

Kaffern  in  »Süd- Afrika.     [Jolil,  3fattheivs.\     51,  181,  270. 

Kafferu   von   Natal.     [Prozesh/.\     57,    112,    113.     S.    a.  Xosa  -  Kaffern, 
Emdiseni,  Petersberg,  Zulu. 

Kaliura,  Ortschaft  in  Uganda,  in  Central-Afrika.     [FelIä7Z.\     305.    305, 
300.  3i)G. 

Kalmücken  in  Sibirien.     [Pallas.]     124,  210,  222. 

Kamatseliinzen  (Kamaschinzen),  Volk  in  Sibirien.     [Pallas.\     71. 

Kambodja  s.  Cambodja. 

Kanitscliadalen.    [Pallas.\    215. 

Kapoeas  (KajDuas),  Fluss  im  westlichen  Borneo.     [M.  V.]     112. 

Karaiben  s.  Cariben. 

Karayä-Indianer   in  Brasilien.     [Ehrenreich.]     11,   42,    53,    79,    121.  121, 
J22.   123,  238,  2G1,  267,  209,  274,  282,  28G. 

Karen,  Volk  in  Siam.     [Bastian.]     23. 

Karok-Indianer   in   der   Hupa-Reservation   in    Californien.     [3fason.\ 
22.  22,  04.  lOG,  119,  123,  2G6,  282,  285. 

Karolinen-Inseln.     [31.  F.]     273.  275.     S.  a.  Yap. 

Kasaken.     [Pallas.]     125,  125. 

Katscliinzen,  YoUc  in  Sibirien.     [Pallas.]     71,  180,  215. 

Kei-Inseln  (Keei'-Inseln,  im  östlichen  malayischen  Archipel,  zwischen 

Xeu-Guinea  und  Timoriao.    [Biedel,  Müller,  M.  F.]    11,  16,  19,  19. 

24.  24,  24,  24,  28,  28,  29,  30,  42,  42,  42,  191,  214,  214,  21G,  246,  246. 

252.  257,  259,  266. 

Keisai*   (Kisser),    eine    der   kleinen  Sunda-Inseln   nördlich  von  Timor. 
28,  28,  42,  42,  109,  114,  123,  124,  162,  192,  192,  239,  259,  266. 

Klia,  wilde  Stämme  in  Laos.     [Harmand.]     238,  239. 

Kiowa-Indianer  in  Nord-Amerika.     [Otts.]     284,  285. 

Kirgisen.  [Pallas,  Badloff.]  ry2,  53,  57,  59,  64,  74,  80,  179,  180.  238.  248,  276. 

Klallam-Indianer  im  AVashington-Territory,  westKches  Nord-Amerika. 

\Eells.\     22.  23,  23,  25,  59,  106,   185,  201,  209,  287. 

Klaniath-Indianer  in    Oregon.     [GatscheU   M.  V.\     22,  22,  22.  22,  23,  24. 

2L    41,    43,    44,   51,  55,  87,  87,  133,  13G,  140,  141,  153,  163.  165.   16G. 
179,  184,  184,  186,  189,  197,  209,  210,  235,  24.3,  266,  311. 

Bartels,  Medicin  der  Naturvölker.  23 


354  Anhang  III. 

Koiiiaffa-Iiidiaiier  im  westlichen  Alaska.    \Bancroft.\    11.  ä;}.  öii,  .">(;,  (iii.  liiu. 

Koetei  (Kutci).  in  Borneo.     \Tronn).]     OB,  109,  12S.  195. 

Koibaleii.  YoWi  in  Sil)iri('n.     \  Pallas.]     125. 

Korea,     iü. 

Kroe  (Krohe).  Landschaft  im  südöstUchcu  Sumatra.  \Helferich.\  los.  i:5H, 
U8,  240,  250. 

Kiikuta,  Yülksstamm  in  Australien.     \Brough  Smith.]     '>'■'>. 
Kupfortluss  (Copper  River),  in  Alaska.     \Jacohsen.\     110. 
Kwixpagmiit,  Eskimo-  oder  Indianer-Stamm  in  Alaska.    \3I.  V.\    221, 
221.  222,  268,  268. 

I^akor,  Insel  im  östlichen  nialayischen  Archipel,  zwischen  Timor  und 
Timoriao.  [Iiiedel.\  23,  24,  24,  24,  24,  28,  28,  42,  42,  53,  154,  IST, 
213.  214,  245,  270.  271. 

Lampoiiiu:,  im  südöstlichen  Sumatra.     \van  Hasselt.]     250. 

Laos,  Hinterindien.  \Aynionier,  Bastian.]  23,  43,  107,  107,  14().  IGG, 
192.  238.  238.  244.  244,  296.     S.  a.  Kha. 

Lappen.     [Nilsson.]    26.  268. 

Lebailg,  Landschaft  in  Sumatra.     \van  Hasselt.]     242. 

Leeeh   Lake   in   Xord  -  Amerika,     Sitz   der   Chippeway-   und   Sioux- 

Indianer.     [ScJioolcraft.,  Hoffman.]     155,  164,  165,  183. 
Leti  (Letti),  Insel  im  östHchen  malayischen  Archipel,  zwischen  Timor 

und  Timoriao.     [Riedel]     23,    24,    24,    24,   24,   28,  28,  28,  42.  42.  53, 

99,  100,  154,  187,  213,  214,  245,  270,  271. 

Lil)eria,  Westküste   von   Afrika.     [Büttiliofer.]     49,    50,    57,    63,    75,    120, 

120,  121. 
Lieiiz,  Stadt  in  Tirol     27, 

Lincoln,  Port,  in  Australien,  [von  MiJdticho-Maclay.]  53,  147,  148, 
240,  298. 

Loango,  West-Afrika.     [Bastian,  Soyaux.]     20.  29,  31,  38,  39,  52,  52,  54, 

58,    62,    62,    66,    69,    69,    77,   78,   80,   81,  90,  90,  91,  97,  109,  112,  161, 
180,  180,  197,  246, 

Loyalitäts-Inseln,  östlich  von  Australien,  zwischen  Neu-Caledonien 
imd  den  Neu-Hebriden.  [Ella,  Turner.]  275.  286,  292,  293,  295,  296. 
S.  a.  L^vea. 

Luang-Inseln,  im  östHchen  malayischen  Archipel,  zwischen  Timor  und 
Timoriao.  [Riedel]  23,  31.  41,  42,  99.  lOo.  163.  190.  213,  217,  240, 
250,  255,  270. 

Lnl)uku,  Central- Afrika.     [Wissmann,  Pogge.]     52,  63,  69, 

Mabuncle,  Volksstamm  des  Marutse-Reiches  am  Zambesi,  Süd-Afrika, 

[Holuh.]     68,  86, 

Maelay-River  in  Queensland,  Australien.    \Brougli  Smith.]    106,  lo7. 
Malabaren,  Vorderindien.     [M.  F.]     233. 


■( 


Verzeichniss  der  geographischen  und  Völkernamen.  355 

Malacca.  \Vaughan  Stevens,  VircJiow.]  217,  218,  231,  232,  233.  S.  a.  Orang 
Blendas,  Orang  Utan,  Orang  Semang. 

Maiialiiki  s.  Humphreys -Insel. 

3Ian(laii-Iii(liaiier  in  Dacota,  Nord-Amerika.     [Catlin.]     189,  191. 

Maiiindjau  in  Mittel-Sumatra,     [van  Hasselt,   Veth.\     88. 

Maiisiiiam  in  Neu-Guinea.     [van  Hasselt.]     242,  243. 

Maori,  Eingeborene  von  Neu-Seeland.  [Thomson,  Longmore.]  134,  2S9, 
291,  292. 

Marokko.  [Quedenfeldt,  M.  V.]  12,  30,  43,  43,  56,  G5,  153,  155,  211,  212, 
270,  271,  28G,  287,  2S7,  289,  293,  294,  295,  295,  29G.  S.  a.  Atlas, 
Dadess. 

Mauren.     [Bowditch.]    128. 

Maya.     [Bancroft]     28,  53,  57,  59,  120,  161,  168. 

Me  Khoiig,   Fluss  in  Siam  und  Cambodja.     [Harmand.\     238.    238.    249, 

250,  258. 
Meiitaye.j,  Insel  an  der  Westküste  von  Sumatra,    [von  Bosenberg.]    11.  47. 

Mexico.  [Bancroft.]  20,  21,  22,  53,  120,  125,  126,  134,  160,  162,  168.  191, 
222,  242,  266,  267,  267.    S.  a.  Miclioacan,  Opoates,  Pimas. 

Meewoc-Iiidiaiier  in  Californien.     [Bancroft.]     50. 

Michoaeaii  in  Central-Mexico.     [Bancroft.]     168. 

Minangabauer,  Yollvsstamm  in  Sumatra,  [van  den  Toorn.\  110,  163,  201  202. 

Mincopies,  Volk  auf  den  Andamanen.  [Man.]  51,  61,  121,  146,  147,  147, 
148,  197,  217,  242,  240,  252,  267,  267,  282,  285,  286,  288,  290. 

3Iissoiiri-Grel)iet,  Indianer  desselben.     [M.  V.]     111,  176,  176,  177. 

Moa,  Insel  im  östlichen  malayischeu  Archipel,  zwischen  Timor  und 
Timoriao.  [Biedel.\  23,  24,  24,  24,  24,  28,  28,  28,  42,  42,  53,  154, 
187,  213,  214,  245,  270,  271. 

Modoc-Indianer  in  Oregon.     [Gatscliet.\     203. 

Montenegriner.     [Krauss^,    20. 

Moqui-Indianer,  östlich  vom  mittleren  Laufe  des  Little  Colorado  River. 
[Bancroft.\     133,  133. 

Mosquito-Indianer  in  Honduras.  [Bancroft\  12,  54,  59,  69,  192.  197, 
244,  260,  267. 

Murray-Fluss,  in  Victoria,  Australien.     [BrougJi  Smith.]     209. 

Xarrinyeri,  Volksstamm  in  Süd-Australien.  [Äustralia,  South-,  Taplin.\ 
30.  32,  33,  34,  36,  63,  140,  148,  206. 

Xasim,  Volksstamm  am  Golf  von  Carpentaria,  Nord- Australien. 
[von  3Hlducho-3Iaclay.\     297,  297,  298,  298. 

Natal-Kaffern  s.  Kuffern. 

Navajo-Indianer  in  Arizona.    [Mattheics.\     59,  66,  67,  115,  122.  123.  160, 

174.   18(t.  197,  198,  198,  199,  199,  2U(i,  270. 
Neu-Caledonien,  Inselgruppe  östlich  von  Australien.    273,  301,  302.  303. 

23* 


35(J  Anhang  III. 

Xeildorf  bei   Inaudt'iiz.      22. 

>ieu-(iluiiiea.  [von  lioncnberg,  van  IJusscIf.]  Is.  47.  4ii.  1;!;^.  ir,;.  l(;s.  lon, 
2S2.     S.  a.  Aiulai,  Dorej.  Gcclvinkbai.  Maiisiuani. 

^'cu-Ueln'iden,  Juselgruppo  zwischen  Vit i  und  Neu-Caledoiiien.  \Tumer, 
is/Za.|     33.  3(J,  17;").     S.  a.  Aueittim.  Erronuinga,  Tamoia.  Tana. 

Neil-Mexico.     \Bancroft.\     13S,  154. 

Xeu-Seelaiid  s.  Mauii. 

Nez  Percez-Indiaiicr.     {Bancroft.}     75.  78.  78.  134,  139.  235. 

Nias,  Insel  an  der  "Westküste  von  Sumatra.     \Modt(jliam,   von  Bosenhcrg.\ 

11.  19.  19.  24.  2S.  28.  29,  38,  39,  49,  53,  54,  59.  (i2.  75,  80,  Ul.  HS.  9S, 
li»7.  102.  1U3.  H)7.  ISO,  192.  193,  2(ll,  2(il.  229,  229.  239.  24i>.  241, 
244.  249.  250,  251.  257,  2S(),  289,  290. 

Nicaragua,  Indianer  von.     \Bancroft.\     286. 
Nicobareii.     [Sivoloda.]     190.  259,  200,  275. 

Nila,  Insel  im  östlichen  malayisclien  Archipel,  nordwestlich  von  Timor- 
iao.    [Biedel]     102,  195,  190. 
Nimez,  Rio.  West- Afrika.     [Corre.]     S.  Füll  ah. 
Nutka,  Indianer  in  Britisch-Columbien.     [M.  V.]     180.   ISI. 
Ojibwa  s.  Chippeway, 

Oiikanagau-liidiaiier  in  Britisch-Columbien.  [Bancroft.]  80.135.200,305. 
Onondago-Iiidiaiier  im  Missouri-Gebiete.     [M.  F.]     14,  15.  15. 
Opoates-Indiaiicr  in  Mexico.     [Bancroft.]     283,  284. 
Oraiig-  IJlendas,  Volksstamm  in  Malacca.     [Stevens.,  Virchow.]     218. 
Oraiig  Utaii,  Volksstamm  in  Malacca.     [Stevens.,  Vircliow.]     217,  218. 

Orang  Semaiig',  Volksstamm  in  Malacca.  [Stevens.,  Viral  ton.]  231.  232, 
233,  237. 

Oregon.  [Alvord,  Schoolcraft,  Gatschet,  M.  V.]  55,  55,  00,  00.  CO,  si,  82, 
\S0,  133,  140,  141,  105,  100,  175,  170,  178,  179,  179,  179.  2(i9.  235.  S.  a. 
Cascade  Bange,  Cayuse,  Flatliead.  Holamux,  Huna,  Klamath, 
Modoc.  Portland,  AValla  AValla,  Wascows. 

Oriiioco.    245. 

Osterinsel.     [Thomson.]     90,  lo5,  145,  148.  222,  274. 

Ostjaken,  in  West-Sibirien.     [Balkis.]     00,   107,   107.  191.  197,  215.  216. 

Parai)itscliuri-See  in  Australien.     [Botsh,  von  MUducho-Maclay.]    307. 

Pasimi)ai  in  Mittel-Sumatra.     \van  Hasselt.]    40,  41. 

Pawnee-Iiidiaiier  in  Nebraska.     [Otis.]     284. 

Perser.  [Bolak.]  54,  50,  57,  00,  Ol,  05,  74,  81,  IOC,  120.  121,  124,  129, 
134,   145,  154,  211,  209,  271,  271,  299. 

Peru,  [von  Tschudi,  Squier.]  51,  Ol,  04.  233,  235.  208,  209,  303.  303,  304 
S.  a.  Pisac,  Yucay. 

Petersberg  in  Britisch-Kafferland.     \JoM.]     51.     S.  a.  Emdiseni. 


Verzeichniss  der  geographischen  und  Yulkernamen.  357 

Philippinen.    [Jagor.]    47.    S.  a.  Igorroten. 

Pimas-Iiuliaiicr  in  Neu-Mexico.     [Bancroft.]     53,  133. 

Pisae,  Ort  in  Peru.     [M.    F.]     303,  304. 

Pokoiiclii-Iiidiaiier  in  Guatemala.     [Stall]     138. 

Pommorii.     20. 

Portlaiid  in  Oregon.     [31.   F.]     175.  170.  178.  179. 

Prcusseii.    Provinz.     [Frischhier.]     HG.     S.    a.    Bürgersdorf,    Graudenz, 

Neudorf,  Weh  lau. 
Prot  Satr  in  Siam.     [Bastian.]     134. 

Pueblos-Iiidiaiier  in  Arizouti  und  Neu-Mexico.  [Bancroft.]  133,  138,  14o. 
QuaiiffO-Neg-er  in  Central- Afrika.     [Wolff'.]     285. 
(Queensland,  Australien.     106,  107. 

(^ueniult-lndianer,  Nordwest-Amerika,     [Rejwrt.]     247. 
(^uiclie-Indianer  in  Guatemala.     [Stoll]     137. 

»adsehputana  in  Vorderindien.    [3Ioorc.]    40,  287,  287,  288,  290,  295,  290. 
Rio  Nufiez  s.  Nunez. 
Römer,  alte.     43,  231. 
Romang  (Roma),    Insel  im  östlichen  malayischen  Archijjel,    nordöstlich 

von  Timor.     [Riedel]     1G2,  195.  196. 

Rouquouyennes-lndianer  in  Guyana.     [Crevaux.]     139,  140. 

Russen.     [Pallas.]     134. 

Sagajer.     [Pallas.]     71.  293,  294. 

Sahaptin-Indianer  in  Britisch- Columbien.     [Bancroft.]     43,  51,  55,  75. 

Saleijcr,  Insel  an  der  Südküste  von  Selebes.    [EngelJtard.]    133,  197,  251, 

252,  258. 

Sambesi  s.  Zambesi. 

Samoa,    Inselgruppe   nördhch  von  den  Tonga-Inseln.     [Turner.]     49,  62, 

125,    128,    155,    160.    161,   167,   173,    174,  174,  190,  214,  246,  258,  275, 

282,  282,  285,  286,  288,  296,  301. 
Samojeden   im  nordwestlichen  Sibirien.     [Pallas.]     191,  215,  215,  216. 
Sault  Ste,  Marie,  am  Lake  Superior  in  Ontario.     284. 
Scliasta-Indianer  in  Nord-Californien.     [Bancroft.]     140,  ls6. 
Seliaudoc  (Chaudoc),  in  Cambodja.     53. 
Sclior,  \v\k  in  Sibirien.     \Radloff.]     70. 
Schwarzfuss- Indianer   (Blackfeet),    zwischen    dem   Missouri    und    dem 

Yellowstone  Piver.     [Catlin.]     72,  73,  148,  U9,  189. 

Scliwarzwald-Tataren  in  Sibirien.     [Radloif.]     70. 

Sclavenküste,  AVe st- Afrika.     19. 

Selaru,   Insel   im  östlichen  malayischen  Archipel,    zu  den  Tanenibar- 
und  Timorlao-Inseln  gehörig.     [Riedel]     30. 


358  Anhang  III. 

Selebes  (Celebes).  [Riedel]  19,  21,  24,  24,  28,  29,  88,  52,  58,  119,  189, 
201,  214,  217,  24ü,  249,  250,  282.     S.  a.  Topantunuasu. 

Seraiig  (Ceram).  südöstliche  Lisel  der  Mol ukken- Gruppe,  \liiedel.]  11, 
28,  28,  30,  31,  31,  31,  42,  42,  97,  97,  98,  100,  100,  100,  101,  101,  lOl, 
189,  214,  246,  249,  259,  259,  260,  272,  297,  297. 

Seranglao-Iiiselii  (Ceram  La'ut),  im  östlichen  malayischen  Archipel, 
zwischen  Serang  und  Neu -Guinea.  [Riedel]  11,  12,  19,  27,  30,  30, 
32,  38,  42,  42,  106,  109,  110,  114,  134,  161,  162,  173,  191,  191,  210, 
213,  214,  216,  241,  246,  256,  260,  261,  266,  2S2. 

Serbien.    [Krauss.]    19. 

Sermata-Iiiseln  (Sermatan),  im  östlichen  malayischen  Archipel,  zwischen 

Timor   und    Timoriao.     [Riedel]     23,  31,  41,  42,  163,  190,  213,  217, 

246,  250,  255,  270. 

Sertaiiejo,  am  Xingu  in  Brasilien,     [von  den  Steinen.]     298. 

Seriia,  Insel  im  östlichen  malayischen  Archipel.    [Riedel]    162,  195,  196. 

Siani.  [Bastian.]  11,  11,  11,  12,  19,  19,  21,  22,  23,  24,  24,  58,  63,  88,  91,  92, 
110,  129,  134,  146,  154,  167,  245,  255.    S.  a.  Karen,  Prot  Satr,  Suren. 

Si  Belaboew  in  Mittel-Sumatra,     [van  Hasself,  Veth.] 

SiMrieii.  [Pallas,  Radioff',  M.  F.]  51,  52,  75,  76,  77,  81,  91,  113,  170, 
177,  179,  191,  215.  S.  a.  Altai,  Amur,  Burjäten,  Giljaken,  Golden, 
Jakuten,  Jenessei-Tataren,  Kalmücken,  Kamatschinzen,  Ka- 
saken,  Katschinzen,  Kirgisen,  Koibalen,  Ostjaken,  Sagajer, 
Samojeden,  Schor,  Schwarzwald  -  Tataren,  Syr,  Tataren,  Te- 
leuten,  Tungusen,  Uigureu,  Wald-Tungusen. 

Sin^lialeseii  in  Ceylon.  [Tennent,  Sarasin,  Freudenberg,  Balier,  M.  V] 
12,    13,   14,   15,  47,  48,  74,  107,  113,  113,  233,  233,  233,  334,  234,  282. 

Sioux-Iiidiaiier   in   Nord-Amerika.     [Sc^lOolcraft^i     21,    22,    23,    59,   163, 

163,   164,  165. 

Skagit-Iiidiaiier  in  Columbia.     [Bancroft]     133,  147. 

Slayeii.     [Krauss^^     226,  250. 

Soeroelagoen  (Surulagun),  in  Mittel-Sumatra,     [van  Hasselt,   Veth.] 

Sokoto,  Hauptstadt  des  Haus s,a  -  Landes  im  nordwestlichen  Afrika. 
[M.    V.]     277. 

Spanier.    20. 

Sporkanes-Indianer.     [Bancroft.]    260. 

Steiermarlf.    [Fossel.]    62. 

Süd-SIaven.     [Krauss^]     2u. 

Sula  Besi,  Insel  der  Molukken-Gruppe,  zwischen  Serang  undSelebes. 
[M.    V.]     247,  249,  250,  251,  264,  255. 

Sumatra,  [van  Hasselt,  Veth,  van  den  Toorn.]  11,  19,  20,  21,  38,  53,  57, 
50,  59,  79,  88,  97,  100,  108,  112,  113,  119,  120,  125,  127,  127,  127, 
133,  133,  134,  134,  135,  147,  148,  154,  103,  108,  192,  201,  202,  209, 
210,    212,    214,    215,    216,   216,   240,   240,  242,  242,  246,  249,  250,  255, 


Verzeichniss  der  geographischen  und  Völkernamen.  359 

250,  28G,  288,  288,  291,  293.  S.  a.  Alahanpandjang,  Battaker, 
Kroe,  Lampong,  Lebang,  Manindjau,  Minangkabauer,  Pasim- 
pai,  Si  Belaboew,  Soeroelagan. 

Suren  (Souren),  in  Laos.     [Aymonier.]     192,  244. 

Surinam.     [Martin.']     128. 

Syi",  grosser  Fluss  in  Sibirien.    [Fallas.]     293,  294. 

Tactic  in  Guatemala.     [Stoll\     138. 

Tahiti.     [ElU:]     275,  286,  288,  290. 

Tamilen,  Volk  in  Ceylon.    [Tennent,  Sarasin.]    33,  34,  47,  48,  49,  89,  282. 

Tamoia,  Insel  der  Neu-Hebriden-Gruppe.     [Ella.]     30. 

Tana,  Insel  der  Neu-Hebriden-Gruppe.     [Turner.]     33,  34. 

Taneml)ar-Inseln  (Tenimber),  im  östlichen  malayischen  Archipel,  nord- 
westlich von  Timoriao.  [Biedel]  11,  22,  30,  31,  42,  42,  108,  190, 
213,  214,  210,  217,  255,  250,  201,  282. 

Tataren  in  West-Sibirien.  [Pallas,  Radloif.]  123,  125,  215.  S.  a.  Altai- 
Tataren,  Jenessei-Tataren,  Schwarzwald-Tataren. 

Telcutcn  in  West- Sibirien.     [Iladloff.]     70. 

Teun  (Teon),  Insel  im  östlichen  malayischen  Archipel,  westlich  von 
Tiniorlao.     [Biedel]     102,  195,  190. 

Tiber  in  Rom.    231. 

Tibet.    [Fallas.]    124. 

Timorlao-Inseln  (Timorla'ut),  im  östlichen  malayischen  Archipel,  zwi- 
schen Timor  und  Neu-Guinea.  [Biedel]  11,  22,  30,  31,  42,  42,  42, 
108,  190,  213,  214,  210,  217,  255,  255,  255,  250,  201,  282. 

Tirol.    27. 

Togo,  Landschaft  in  West- Afrika.     [Herold.]     251,  201. 

Tonga-Inseln,  östlich  von  Viti.     125,  275,  280,  288,  290. 

Tonkin  (Tongking),  [Brousmiche.]     107. 

Topantunuasu,  Volk  in  Central-Selebes.  [Biedel]  53,  189,  190,  192, 
201,  213,  250. 

TransTaal,  Süd- Afrika.  [Wangemann.]  09,  270,  277.  S.  a.  Basutho, 
ßawenda,  Ha  Tschewasse. 

Traos,  Volk  in  Cochinchina.     [Neis,  Septans.]     241,  248. 

Tripolis.     [Quedenfeldt]     50,  287. 

Tschimsian-Indianer   in  Britisch-Columbien.     [31.   V.]    222,  221.  224, 

225,  220. 

Tscllittagong  in  Indien.     [M.  V.,  Biehech]     251,  253.  253. 

Türken.     [Badloff.]     42,  43,  43,  140,  212. 

Tungusen  in  Ost-Sibirien.  [Badloff.]  07,  71,  79,  81,  215,  241,  248,  250. 
S.  a.  AVald-Tungusen. 

Tunis.     [Quedenfeldt.]     50,  287. 


300  Anhang  III. 

T>vaua-Iiulijuier  im  Wushington  -  Territory,  im  westlichen  Nord- 
Amerika.     \EeUs.\     -J-J,  2;},  2H,  25,  r»!),   I0(i,   122,  201,  2(j;5.  2i)9,  287. 

Uganda,  Landschaft  in  Central- Afrika.  \Fel/cin.\  12").  3,sP,.  2s:i,  305, 
30."),  306,  30(J.     S.  a.  Kahura. 

Uigurcii,  türkischer  Volksstamm.     [Bgdloff.\     42,  (iö. 

Uliase-liiscln  (Uliasser-lnseln).  im  östlichen  malayischen  Archipel, 
südlich  von  Serang  und  Amboina.  [liiedel.]  11,  12.  10.  28,  28,  30, 
35,  35.  38,  41.   128,   l(j2,   195,  201,  201,  203,  204,  214,  240.  250. 

Utail  s.  Orang  Utan. 

Uvea  (Uea),  Insel  der  Loyalitäts-Gruppe.  [Ellis,  Turner^]  202,  203, 
205,  300,  301,  801,  302,  304. 

Vaiicouver,  Nordwest-Amerika.  [M.  F.]  25,  53,  74,  183,  184,  185, 
186,  186,  220. 

Alctoria  in  Australien.     [Brough  Smith,   Hnghan,    Thomas.]     11.    11,    24, 

24,  24,  24,  24,  31.  34,  35,  35,  35,  30,  37,  40,  40.  50,  50,  51.  52,  54,  0.0, 
50,  50,  75,  70,  78,  87.  02,  00.  112,  119,  124,  127,  127,  127,  133,  133, 
134,  134,  135,  137,  147,  148,  148,  140,  153,  101,  100,  181.  180,  101, 
102,  194,  100,  204,  205,  200,  210,  211,  214,  214,  200,  207,  200,  275, 
275,  270,  270,  282. 

Wald-Tuiiguseii  in  Ost-Sibirien.     [Radioff.]     71. 

Wales.     20. 

Walla-Walla-Iiuliaiier  in  Oregon.     [Schoolcraft]     43,  75,  78,  80,  154. 

Washington -Territory  im  westlichen  Nord-Amerika.  00,  203.  S.  a. 
Che makum -Indianer,  Kl allam -In dianer,  T w au a-In dianer. 

"Waskow-Indiaiier  in  Oregon.    [Schoolcraft]    43,  51,  53,  75,  78.  81.  80. 

Watubela-Inseln  (Watubello),  im  östlichen  malayischen  Archipel,  in 
der  Mitte  zwischen  Serang,  Tiniorlao  und  Neu-Guinea.  [Piiedel.] 
28,  20,  38,  154.  155,  214,  230,  245,  240.  240.  240.  240,  250.  250,  250, 
250,  208. 

Weddab,  Volk  in  Ceylon.    [Sarasin,  Baker.]    47,  47,  48,  48,  242,  282,  284. 

Weliiau,  Provinz  Preussen.     10. 

Winnebago-Indianer   in  Wisconsin.     [Schoolcraft.]     50,    53,    58,    50,    64, 

100,  "121,  125,  133,  103,  180,  182,  185,  244,  250,  207,  270,  282,  285, 
280,  200,  200,  292,  202. 

Xingu  (Schingu),  Fluss  in  Brasilien,     [von  den  Steinen.]     208. 

Xosa-Kaftern   im    Capland,   Süd- Afrika.     [Kropf.]     21,    21,  22,    22,  24, 

57.  Ol.  02,  70.  78,  70,  81,  00,  Ol,  188. 

Yacea  in  Afrika.     [Capello,  Ivens.]     203. 

Yaki-Indianer.     188. 

Yaiiiniamadi- Indianer    am    Rio    Purus     (Amazonas)    in    Brasilien. 

[Ehrenreich.]     120,  148,  188,  180,  244,  245. 

Yap,  westhche  Insel  der  Karolinen-Gruppe.     [M.    V.\     273,  275. 


Verzeichniss  der  geogx'aphisclien  und  Völkernamen.  361 

Yellowstone-RiYer,  Nord-Amerika.     [Catlin.]     73. 

York,  Cap,  iu  Australien.     [3Iac  Gillivray,  von  Milducho-Maclay.']     307. 

Yukay  in  Peru.     [Squier.]    303,  304. 

Yukoii-ßiver  in  Alaska.     [Jacobsen.]     147,  268. 

Yiiruma-IiHliaiier  in  Brasilien,     [von  den  Steinen.]     194. 

Zamlbesi,  Fluss  in  Central-Afrika.     [Ser2)a  Pinto.]     160. 

Zigeuner,     [von   WlislocJcl]     15,  16,  16,  16. 

Zulu,  Süd- Afrika.     [Matthews.]     28,  49,  50,  52,  56,  59,  75,  81,  113,  113. 
S.  a.  Kaffern. 


Im  gleichen  Verlage  erschien  u.  a.: 

mmm  Wmih 

in  der  Natur-  und  Völkerkunde. 

Anthropologische    Studien  "von   Dr.    H.    Ploss. 

Dritte   umgearbeitete   und   stark    vermehrte   Auflage. 

Nach  dem  Tode  des  Verfassers  bearbeitet  und  herausgegeben  von  Dr.  Max  Bartels. 

Mit  10  lithographischen  Tafeln  (je  9  Frauentypen  enthaltend)  und  203  Holzschnitten  im  Text. 

Zwei  starke  Bände,    gross  Lexikon-S". 

Preis:   brochirt  24  Mark,  in  Halbfranzbänden  29  Mark. 


Auszüge  aus  Besprechungen  dieses  Werkes: 

Dr.  Ploss,  dem  v?ir  das  trefl'liche  Buch  über  das  Kind  verdanken,  hat  uns  ein  nicht 
minder  umfassendes  Buch  über  das  „Weib"  geschenkt,  das  wir  mit  Fug  und  Eecht  ein 
Standardwerk,  einen  Stolz  der  heimischen  Literatur  nennen  dürfen. 

lieber  Land  und  Meer. 

Auf  die  Anregung  des  Präsidenten  der  Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft, 
Kudolf  Virchow,  übernahm  M.  Bartels,  der  bekannte  Berliner  Arzt,  die  Bearbeitung  der 

zweiten  Auflage   des    obengenannten  Werkes Alle  die  tausend  Beziehungen  des 

Weibes  ausserhalb  des  Kreises  des  Geschlechtslebens  im  engeren  Sinne  waren  unberücksichtigt 
geblieben,  und  hier  tritt  Bartels  vornehmlich  ein.  Sein  Streben,  das  Bild  zu  vervollständigen 
und  ein  in  sich  zusammenhängendes  und  soweit  nur  möglich  abgeschlossenes  Bild  des  Weibes 
im  Lichte  anthropologischer  Forschung  zu  geben,  kann  als  ein  nach  allen  Eichtungeu 
geglücktes  bezeichnet  werden.  .  .  .  War  schon  der  ersten  Auflage  mit  Kecht  nachgesagt 
worden,  dass  keine  Literatur  der  Welt  ein  Werk  wie  das  vorliegende  aufzuweisen  hat,  so  gilt 
das  für  die  Neubearbeitung  desselben  um  so  mehr.     Deutsche  medicinische  Woclienschrlft. 

Li  neuem  Gewände,  reich  vermehrt  durch  die  gründlichsten  Studien  und  eine  staunens- 
werthe  Anzahl  der  interessantesten  und  seltensten  neuen  Abbildungen  tritt  das  berühmte 
Werk  des  hochverdienten  Anthropologen  und  Arztes:  öanitätsrath  Dr.  Bartels,  hier  wieder 
in  die  Oeffentlichkeit.  Es  ist  nicht  nöthig,  das  Publikum  und  die  Fachmänner  von  Neuem  auf 
diese  prächtige  Gabe  hinzuweisen  —  aber  das  muss  ausgesprochen  werden,  dass  das  Werk, 
obwohl  die  Bescheidenheit  des  Autors  noch  immer  den  Namen  Ploss  an  die  Spitze  stellt, 
doch  schon  in  der  zweiten,  aber  vollkommen  jetzt  in  der  dritten  Auflage  das  Werk  von  Bartels 
geworden  ist,  dessen  exakte  wissenschaftliche  Darstellung  nun  aus  jeder  Zeile  des  Buches  uns 
entgegenleuchtet.  Correspondenzblatt  für  Anthropologie. 

Selten  findet  man  eine  so  reiche  Fülle  culturhistorischer  und  ethnologischer,  physio- 
logischer und  psychologischer  Daten  vereinigt,  wie  in  dem  Werke  von  Ploss.  Die  Anthro- 
pologie des  Weibes  ist  mit  einer  geradezu  staunenswerthen  Kenntniss  aller  einschlägigen  Ver- 
hältnisse behandelt  und  zeigt  uns  den  Verfasser  mit  der  diesbezüglichen  Literatur  in  einer 
Weise  vertraut,  die  nur  ein  langjähriges  Studium  mit  sich  bringt.  —  Von  wissenschaftlicher 
Grundlage  ausgehend,  und  im  Verlaufe  der  ganzen  Arbeit  an  diesem  Standpunkte  festhaltend, 
weiss  der  Verfasser  in  gleicher  Weise  seinen  Stoff  derartig  zu  verarbeiten,  dass  auch  der 
gebildete  Laie,  vorausgesetzt,  dass  er  von  jeder  Prüderie  absieht,  das  Buch  mit  Vergnügen 
lesen,  und  bereichert  an  seinen  Kenntnissen  aus  der  Hand  legen  wird.  Wir  braiichen  dem 
Werke  keinen  Geleitsbrief  nachzugeben.  Wiener  medicinische  Zeitung. 

Dadurch  wird  seine  Arbeit  ungemein  belehrend  und  anziehend  für  jeden  höher  gebil- 
deten Mann,  namentlich  für  den  Freund  der  Völkerkunde.  Es  ist  bewundernswerth ,  welche 
reiche  Fülle  etc.  Rundschau  für  Geogr.  u.  Statistilc. 

So  ist  das  „Weib"  zu  einer  Encyilopädie  für  alles  geworden,  was  sich  auf  die  Frau 
in  irgend  einer  Lebenslage  bezieht.  —  Sie  ist  einzig  in  ihrer  Art.  tllobus. 


Date  Due 

1 

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Library  Bureau  Cat.  No.  1137    ^ 

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,      3884 
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