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Full text of "Das Glas im Altertume"

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HIER$EMANNS  HAI/DBUCHEB,  BAND  JH 


^ON 


DAS 

ÖLAS  IM 

ALTERTUME 


HIERSEMANNS  HANDBÜCHER 

BAND  III 


HIERSEMANNS   HANDBÜCHER 

BAND  III 

ANTON   KISA 
DAS  GLAS  IM  ALTERTUME 

UNTER  MITWIRKUNG  VON 
ERNST  BASSERMANN-JORDAN 

MIT  EINEM  BEITRAG  ÜBER  FUNDE  ANTIKER  GLÄSER 
::      IN  SKANDINAVIEN  VON  OSKAR  ALMGREN      :: 


ILLUSTRIERT   DURCH    19  TAFELN 

6  IN  FARBENDRUCK,  6  IN  AUTOTYPIE,  7  FORMENTAFELN 

UND  395  ABBILDUNGEN  IM  TEXTE 


IN  3  TEILEN 


LEIPZIG 

VERLAG  VON  KARL  W.  HIERSEMANN 

1908 


HIERSEMANNS   HANDBÜCHER         BAND  III 


Das  Glas  im  Altertume 


VON 


ANTON  KISA 


'  '  :  AV'. 


ERSTER  TEIL 


MIT  1   FARBENDRUCKTAFEL 
UND  153  ABBILDUNGEN  IM  TEXTE 


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LEIPZIG 

VERLAG  VON   KARL  W.  HIERSEMANN 

1908 


'-I/A  V'^ 


Vorwort. 

Nach  mehreren  vorbereitenden  Arbeiten,  wie  die  Katiilog-i- 
sierung"  der  bedeutendsten  Privatsammlung-  antiker  Gläser  Deutsch- 
lands, jener  der  PVau  Maria  vom  Rath  in  KcUn  und  die  Kinzel- 
pubhkationen  über  die  rheinische  (Glasindustrie,  die  Funde  der 
Luxemburg-er  Straße  in  Köln,  die  sog"enannten  Vasa  diatreta,  die 
rätselhaften  Murrinen,  die  Schlang-eng-läser  und  die  Erfindung-  des 
Glasblasens  überg^ebe  ich  hiermit  diese  zusammenfassende  Dar- 
stellung- der  antiken  Glasindustrie  der  Öffentlichkeit. 

Sie  ist  das  Ergebnis  jahrzehntelang-er  Studien.  Als  ich  vor  nun- 
mehr achtzehn  Jahren  mit  der  Ordnung  und  Inventarisierung-  der 
reimischen  Lokalaltertümer  des  Museums  Wallraf-Richartz  in  Köln 
betraut  wurde,  fühlte  ich  mich  als  alter  Kunstgewerbler  vor  allem  für 
die  Glasarbeiten  interessiert,  die  aus  den  Kölnischen  Xekropolen 
in  so  unvergleichlicher  Fülle  und  Schönheit  ans  Tageslicht  treten. 
Durch  eine  systematische  Ausgrabungstätigkeit  und  durch  glück- 
liche Ankäufe  gelang  es,  in  wenigen  Jahren  die  bisher  ziemlich 
stiefmütterlich  behandelte  .Vbteilung  ungewöhnlich  zu  bereichern 
und  insbesondere  die  Gläsersammlung  zur  größten  und  erlesensten 
der  Rheinlande,  wenn  nicht  zur  hervorragendsten  diesseits  der 
Alpen  überhaupt  auszugestalten.  Bei  der  Katalogisierung  drängte 
sich  mir  die  Frk(MiiitTns  auf.  daß  die  wissenschaftliche  Forschung 
auf  diesem  Gebiete  mit  der  .Vusgriibungstätigkeit  nicht  gleichen 
Schritt  gehalten  habe.  Freilich  besitzen  wir  eine  Anzahl  vor- 
trefflicher Bearbeitungen  des  umfangreichen  -Stoffes;  in  erster 
Linie  ist  die  Marquardts  zu  nennen,  welche  in  bezugr  auf  die 
\'^erwertung  der  antiken  Schriftquellen  musterg-ültig  ist,  dann  die 
prächtige    Publikation    Froehners,    die    in    ihrem    geschichtlichen 


VI 

Teile  ebenso  g-ediegen,  wie  form\'ollendet  ist,  in  technischen 
Fragen  sich  jedoch  manche  Blößen  gibt.  Beide  ^Verke  leiden, 
wie  alle  anderen  Darstellungen  daran,  daß  in  ihnen  einerseits 
die  Anfänge  der  Glasmacherei  in  der  ägyptischen  Heimat, 
andererseits  deren  Fortentwickelung»"  zur  Fabrikation  in  den  West- 
provinzen noch  nicht  die  gebührende  Würdigung  finden  konnten. 
Inzwischen  haben  namentlich  die  Funde  von  Flinders  Petrie  über 
jene  neues  Licht  verbreitet  und  die  rührige  Lokalforschung  in 
Rheinland,  Belgien  und  Frankreich  gezeigt,  daß  sich  die  gallischen 
Hütten  vom  IL  Jahrhundert  ab  zu  gleichvv^ertigen  Wettbewerbern 
der  alexandrinischen  aufgeschwungen  hatten. 

So  hat  sich  das  Gesamtbild  der  antiken  Glasmacherei  ver- 
schoben. Meine  Darstellung  sucht  diesem  Umstände  Rechnung 
zu  tragen  und  vor  allem  die  seit  der  Erfindung  des  Glasblasens 
begründete  Vorherrschaft  des  farblos-durchsichtigen  Glases  mit 
allen  Folgen  festzustellen.  Von  den  früheren  Bearbeitern,  welche 
zumeist  vom  antiquarischen  Standpunkte  ausgingen,  unterscheide 
ich  mich  auch  dadurch,  daß  ich  die  Glasmacherei  der  Antike  als 
einen  Teil  der  allgemeinen  Geschichte  der  Kunst  bezw.  des 
Kunstg"ewerbes  betrachte  und  deshalb  lieber  auf  eine  Schilderung 
der  künstlerischen  und  technischen  Errungenschaften,  als  auf 
epigraphische  Beutezüge  ausgehe.  Stempel  und  Inschriften,  die 
S^immler  und  Deuter  in  Hülle  und  Fülle  gefunden  haben,  werden 
nur  soweit  berücksichtigt,  als  es  das  Streben  nacli  möglichster 
Vollständigkeit  in  der  Aufzählung  aller  Merkmale  wünschenswert 
erscheinen  ließ. 

Bei  meinen  Studien,  namentlich  iiuch  bei  meinen  Reisen, 
habe  ich  manche  freundliche  Anregung  und  liebenswürdige 
Unterstützung  durch  Museumsvorstände,  Privatsammler  und  Fach- 
genossen erfahren.  Ich  fühle  mich  ihnen  dafür  zu  herzlichem 
Danke  verpflichtet;  insbesondere  meinem  leider  allzufrühe  von 
uns  geschiedenen  Freunde  Professor  Alois  Rieg-1  in  Wien,  der 
bis  kurz  vor  seinem  Tode  an  den  Fortschritten  meiner  Arbeit 
lebhaften  Anteil  nahm,  den  Herren  Dr.  Bassermann-Jordan  in 
München,  Regierungsrat  Folnesics  in  Wien,  Direktor  Maßner 


VII 

in  Breslau,  Prof.  AViedeiiiann  in  Bonn  vnul  IVof.  Freiherrn 
von  Bissing  in  ^München.  WY^m  meine  Darstellung  des  Anteiles 
Ägyptens  an  der  Entwickelung  unseres  Kunstgebietes  gegen 
frühere  den  Anspruch  auf  möglichste  Vollständigkeit  und  Korrekt- 
heit erheben  darf,  so  ist  dies  zum  großen  Teile  der  selbstlosen 
und  mühereichen  Mitwirkung  der  beiden  letztgenannten  Gelehrten 
zuzuschreiben;  sie  hatten  sogar  die  Güte  die  Korrekturen 
des  ägyptischen  Abschnittes  zu  lesen.  Bei  der  Bearbeitung- 
der  nordischen  Funde  ging  mir  ITerr  Konservator  Dr.  Oskar 
Almgren  vom  Staatsmuseum  in  Christiania  durch  dankens- 
werte Hinweise  auf  die  lokale  Literatur  an  die  Hand  und  ül)er- 
nahm  es,  jene  in  einem  besonderen  Kapitel  des  Werkes 
zusammenzustellen.  Wie  den  genannten  Forschern  fühle  ich 
mich  auch  dem  Verleger,  Flerrn  Karl  W.  tliersemann 
gegenüber  verpflichtet,  welcher  meinen  \'orschlägen  bezüglich 
der  Ausstattung  mit  vollem  Verständnisse  und  großer  Opfer- 
willigkeit entgegenkam.  Die  Tafeln  und  Textbilder  wurden, 
soweit  sie  nicht  photographische  Aufnahmen  wiedergeben  oder 
cinderen  Werken  entnommen  sind,  nach  meinen  Aquarellen  und 
Zeichnungen  hergestellt. 

Godesberg,  im  Dezember   1906. 

Änton  Kisa. 


Vorwort  des  Verlegers. 

Mit  dem  vorlieöfenden  Werke  veröffentlicht  der  unter- 
zeichnete Verlag  die  Lebensarbeit  des  Museumsdirektors  a.  I)., 
Herrn  Dr.  Anton  Kisa.  Der  hochverdiente  (jelehrte,  der  in 
Fachkreisen  mit  Recht  als  hervorragender  Spezialist,  ja  geradezu 
als  Autorität  für  iintikes  Glas  galt,  hat  dem  Thema  lange  Jahre 
seiner  Tätigkeit  gewidmet,  aus  der  ihn  im  vorigen  Herbste  der 
Tod  hinwegnahm,  als  er  eben  die  letzte  Hand  anlegen  und  das 
Schlußkapitel  beenden  wollte.  Der  weitaus  größte  Teil  des 
Werkes  war  bereits  gedruckt,  als  die  Katastrophe  eintrat,  die 
vSchlußbogen  bis  auf  Abschnitt  XII  bereits  abgesetzt  und  von 
ilim  korrigiert. 

Herr  Dr.  Ernst  Bassermann-Jordan  in  München,  durch 
verwandte  Arbeiten  und  Interessen  mit  dem  \'^erstorbenen  seit 
langem  verbunden,  hat  sich  in  liebenswürdigster  Weise  bereit 
gefunden,  die  Erledigung  der  letzten  Revisionsbogen,  die  Durch- 
sicht, Zusammenstellung  und  Ergänzung  des  hinterlassenen  Manu- 
skriptes zum  letzten  Abschnitt  XII  „vStempel  und  Inschriften  auf 
antiken  Gläsern"  zu  übernehmen.  Außerdem  hat  der  genannte 
Gelehrte,  dem  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten 
Dank  ausspreche,  sich  der  mühsamen  und  zeitraubenden  Aus- 
arbeitung des  Registers  unterzogen.  So  ist  es,  wenn  auch  mit 
einiger  Verzögerung,  dank  der  freundlichen  und  wertvollen  Hilfe 
Dr,  Bassermann -Jordans  doch  möglich  geworden,  das  Lebens- 
werk Kisas,  das  auf  lange  Zeit  hinaus  als  die  wichtigste  und 
umfassendste  Veröffentlichung-  über  dieses  Gebiet  wird  gelten 
müssen,  in  abgeschlossener  Form  herauszugeben. 

Leipzig,    I.  Mai  1908. 

Karl  W.  Hiersemann. 


Inhaltsübersicht. 


VORWORT. 

I.    Tl'-.IL.  Seite 

Abschnitt   I .         Die   H  e  r  s  t  e  1 1  u  n  g-    des    ( 1 1  a  s  e  s      .  3  —    30 

Abschnitt  II.       Die   O lasarbeit   in  Ägypten  und 

im   alten    Oriente 33 — 106 

Ägypten 33 —   89 

Phönizien 90 —   96 

Syrien  und  Judiia 96 — 100 

Mesopotamien loi  — 105 

Indien 105  — 106 

Abschnitt   III.      Der    antike     Olas schmuck    und 

seine   \' erbreit ung.      Das   Ismail  109 — 160 

Abschnitt  I\'.      Die  Verpflanzung  der  Industrie 
nach    (Griechenland,    Rom    und 

den   Provinzen  163 — 255 

Griechenland 163 — rS6 

Oberitalien 187 

Etrurien 187 

Umbrien,  Latium,  Picenum,  Cam- 

panien 188 

Apulien,   Sizilien,   Sardinien      .      .  189 

Spanien 1S9 — 190 

Gallien 190 — 204 

Britannien 205  —  210 

Skandinaxien 210 — 211 

Dänemark 211  —  212 

Schweden 212 

Norwegen 213 

(Germanien        213 — 255 

Abschnitt   \'.        I'arbiges     und     farliloses    Cilas. 

Die    ]-'rfindung    der    (Glaspfeile  259  —  307 


X 


II.  TEIL. 

Abschnitt  VI.  Die  Ver wen  düng;  des  Glases  in 
d  e  r  A  n  t  i  k  e  u  II  tl  d  i  e  g  e  b  r  ä  u  c  h  - 
liebsten   Glaserformen 

Altersbestimmungen        .... 

Abschnitt   VII.    Die   Fadengläser 

Die     Alabastra      und     verwandte 

.Arbeiten 

Die   Petinet-   und  Filigrangläser    . 

Die   Fadenauflage 

Die   Schlangenfadengläser 

Die   Barbotine   auf  Glas 

Die  Nuppengläser 

Abschnitt  \TI  i .    \'  a  s  a  M  u  r  r  i  n  a  u  n  d  \^  a  s  a  D  i  a  t  r  e  t  a 

Die  Mosaikgläser 

Die   Überfanggläser 

Das   Opus  interrasile   in   Glas 
(iravierte  und  geschliffene  Gläser 

III.  TEIL. 

Abschnitt   IX.      Die   geformten   Gläser. 

Die   Reliefgläser    von   Sidon    und 

Verwandtes 

Campanische   Reliefgläser 
Die  gallischen   Zirkusbecher   . 
Gefäße   in   Naturformen 

Abschnitt  X.       Bemalte  und  vergoldete  Gläser 

Die   Goldgläser 

Rheinische   Goldemailgläser    . 

Gläserne  Meßkelche 

Spätere   Goldgläser  .... 

Abschnitt  XI.  Die  Funde  antiker  Gläser  in 
Skandinavien 

Abschnitt  XII.  Stempel  und  Inschriften  auf 
antiken    Gläsern 

Register 


Seite 

311—397 
376  —  397 
401—497 

401 — 419 
419 — 424 
425—444 
444—472 
472—479 
479 — 497 
501  —  692 
501—569 
569—591 
591 — 630 
631 — 692 

695 — 804 

695 — 722 

722  —  725 
726 — 750 
751— S04 

807 — 900 
S34— 867 
867—888 
888 — 894 
S95— 899 

903 — 920 

923  ff- 
969 


Verzeichnis  der  Tafeln. 

In   Farbendruck. 

Seite 

Teifel  I.         Altäg-3'ptisches       Bunt<Tla.s       und       \'er\\  andtes. 

(Bonn,  Slg".  AMedemann) 65 

Tafel  IL       Balsamarien.     (Köln,  Slg.  vom  Rath)      .     .     .     .405 

Tafel  UI.      Fadenbandgläser.     Aus  dem  Schatze  von  Castel 

Trosino.     (Rom,  Thermen-Museum)     .     .     -     42 1 

Tafel  IV.     Fadengläser.      (Köln,    Slgg.  Xießen,    vom    Rath 

und  Mus.  Wallraf-Richartz) 437 

Tafel  \"  u.  \L  Schlangenfadengläser.  Aus  Kölner  Grab- 
funden.   (Köln,  Mus.  Wallraf-Richartz)    453  u.  469 

In  S c h  w a r z d r u c  k . 

Tafel  \TI.  Die  Portlandvase.  (London,  Britisches  Museum)  565 
Tafel  VIII   u.   IX.      Amphora     in     Cberfangtechnik.       Aus 

Pompeji.     (Neapel,  Museum) 581 

Tafel  X.       Kopfglas.     (Köln,  Slg.  Xießen) 613 

Tafel  XL     üenochoe    mit    Vogelfedermuster.      Aus    Ilaus- 

weiler.     (Bonn,  Provinzialmuseum).     -     .     .  645 

'I'afel  XII.   Rüsselbecher.     (Köln,  ^NIus.  AVallraf-Richartz)    .  661 

L^ormentiifeln  A  bis  G   • Teil  III  am  Schluß. 


ce»53 


Verzeichnis  der  Textbilder. 

S.-ite 

1.  Grabrelief  von  Beni   Hasan 3 

2.  Vase  Tutmosis'   III.      (London,   Britisches   Museum) 5 

3.  Vase  Tutmosis'   III.      (München,   Antiquarium'i 7 

4.  Balsaraarium.      Ägyptisch,   um    1500   v.   Chr 9 

5.  Amphoriskc.      Ägyptisch,   um    1500   v.  Chr. Ii 

6.  Becher  der  Prinzessin  Xsichonsu,    18.   Dynastie 13 

7.  Baisamarium  in  Säulenform.      (Brüssel,   Musee  du   Cinquantenaire)    ....  15 

8.  Vase  Tutmosis'   IV.      Aus  Theben 17 

9.  Kännchen  aus  dem   Grabe   Amenophis'   II.   in   Theben 19 

10.  Fisch,   Glasmosaik.      (Wien,   Österr.  Museum) 21 

1 1.  Amphoriske.      Ägyptisch.      (München,   Frhr.   v.   Bissingl 23 

12.  Ägyptische   Balsamarien  in   Verpackung 25 

13.  Gefäßformen 27 

14.  Grabstein  des  M.  Valerius  Celerinus  aus  Astigis.    (Köln,  Mus.  Wallraf-Richartz)  29 

15.  Tragegestell   für   Lagonen.      (Xeapel,   Museum) 35 

16.  Schmelzofen  nach   Agricola 37 

17/18.  Syrische  Balsamarien 39,41 

19.  Groteske  Maske.      Alexandrinisch 42 

20.  Maskenperle.      Ale.xandrinisch 43 

21.  Maskenperlen.      Ägyptisch 45 

22.  Becher  des   Königs  Sargon.      (London,   Britisches   Museum) 47 

23.  Glasbügel   von  elruskischen   Fibeln.      (München,   Antiquarium) 49 

24.  Schmuckperlen.      Vorrömisch 51 

25.  Schmuckperlcn.      Römische   Kaiserzeit 53 

26.  Brustschmuck   von  Dahschür.      (Kairo,   .Museum) 56 

27.  Brustschmuck   der  A'hhötcp.      (Kairo,   Museum) 57 

28.  Armband   der  A'hhotep.      (Kairo,   Museum) 59 

29/30.   Gallische   Emailfibeln 61,63 

31.  Große   Glaskugel.      (München,   Frhr.   v.   Bissing! 64 

3-.  .Aggry-Perle 65 

33.  Schema  des  sogen.   Gralsbechcrs.      (Genua,  Domschatz) 67 

34.  Schema  des  Bechers  Theodelindes.     (Monza,  Domsohatz) 68 

35.  Becher  der  frühen   Kaiserzeit 69 

36.  Gläser  der  frühen  Kaiserzeit 71 

37.  Kännchen,   türkisblau,  mit  weißen  Fäden.     (Breslau,  Museum) 73 


XIV 

Seite 

38/39.   Kännchen   mit   Fadensclimuck.      Au«   rhein.   Gräbern 75)77 

40.    Kännchen   mit  Fadenschmuck.      Aus   Köln 79 

41  42.   Gerippte   Schalen.      I.  Jahrh '*^'i8i 

43.  Gerippte  Schale,   goldbraun.      Köln.      II.  Jahrh 85 

44.  Kugelbccher,   künstlich   irisiert.      (Köln,   vom  Rath) 87 

45.  Gepreßte  Schale.      (Köln,   ehem.   Sammig.   Disch) 89 

46.  Muschelkanne.      III.   Jahrh.      (Köln,   Mus.   Wallraf-Richartz)         91 

47.  Kegelkannc.      (Köln,   Mus.   Wallraf-Richartz)        93 

48.  Traubenkanne.      III.  Jahrh.      (Köln,   Mus.    Wallraf-Richartz)         95 

49.  Lagona   mit   Schlangenfäden.      Köln 97 

50.  Murra  aus   Sackrau 9g 

51.  Römisches  Plattengrab.      Rheinisch.      I.  Jahrh loi 

52.  Schälchcn   aus   Kryslallglas.      Ägyptisch.      (München,    Antiquariuni;        .      .      .  I03 

53.  Baisamarium   aus   Krystallglas.      Ägyptisch.      (Paris,   Louvre)        .....  105 

54.  Aschenurnen  aus  Glas.     Rheinisch 109 

55.  Aschenurnen.      (Köln,   Mus.    Wallraf-Richartz) iii 

56.  C)lfläschchen.      (Köln,   ehem.   Sammig.   Merkens)        11:; 

57.  Stamnium  und   Faßkannen.      Köln,   II.    jahrh 115 

58.  F'aßkanne.      (Köln,   Mus.   Wallraf-Richarlz'i T16 

59.  Faübecher.      (Köln,   Mus.   Wallraf-Richartz) 117 

60.  Kannen   und   Delphiniläschchen.      (Köln,   vom   Rath) 119 

61.  Delphinfläschchen.      (Köln,   Nicßen)        121 

62.  Delphinfläschchen.      (Köln,   Mus.   Wallraf-Kichartzj        123 

63/63a.   Badefläschchen  mit  Bronzeverschluß   und   Henkel.      (Köln,   Nießen)     .  125,  126 

64.    Prismatische   Kannen    aus   Ale.xandrien 127 

65/66.   Merkurflaschen.      (Köln,   vom   Rath  und   Nießen) 129.  131 

67.  Amphoriske   aus  farblosem   Glase.      (Neapel,   Museum) 133 

68.  Kugelfläschchen   und   Balsamarien.      (Köln,    vom    Kathi 135 

69.  Askos  aus   Glas.      (Neapel,   Museum) 137 

70.  Becher  mit  durchbrochenem   Ringkragen.      (Ronen.   .Museum) 139 

71.  Gefäß  in   Form  eines   Korbes.      (Köln,   Nießen) 141 

72.  Trinkgefäß   mit   Widderkopf.      Terrakotta,      .'\ttisch 143 

73.  Tonlampen.      (Mannheim,   .Antiquarium) 145 

74.  Becher  aus   Glas  in  F"orm   eines   Nachens.      (Mailand,    Mus.   Poldi-Pezzoli)     .  147 

75.  Flandspiegel.      (Regensburg,    Antiquarium) 149 

7').     Glocke   und   Trichter  aus   Glas.      Rom  und   Neapel 150 

77.     Gruppe  von  Glasgefäßen.      Rom    und   Neapel 151 

78/79.   Zierflaschen   mit  Muschcllicsatz.     (Köln,   vom  Rath   und  Trier,  Museum)    153,  155 

80.  Taubenkanne.      (Köln,  Museum) 157 

81.  Baisamarium   mit  Korbmuster.      Agvptisch J59 

82.  Lekythos  mit  sog.   F'arnkrautmuster.      Ägyptisch 165 

83.  Fläschchen   mit  bunter  Aderung.     (Neapel,   Museum)     . 167 

84/85.    I'läschchen    mit    farbigen    Streifen.      (Breslau,    Museum    und    Ne\v-"\'or]c, 

.Metrop.    .Museum 169,  171 

86.     Fläschchen   mit   bunter   Aderung.      (^.Xew-York,    Metrop.   Mus.) 173 


XV 

Seite 

87.  Fläsclichen   mit    Korbmustcr.      (Neapel,   Museum) 175 

88.  Schale   mit  farbigen  ReticcUastreifen.      (Florenz,   Mus.   archcol)      ....  177 

89.  Fläsclichen  mit  Spiralfaden.      (Breslau,   Museum) 179 

90  91.   Ciläser  mit  Spiralfadenschmuck    .      .      . 18  r,  183 

92.  Gläser  mit  Fadenschmuck.      (Köln,   ehem.   Sl^:.  Merkens) 1S5 

93.  Kanne  mit  Spiralrippung.     (Köln,   vom   Rath) 187 

94.  Becher  mit  gerippten  Fäden.      (Namur,    Museum) 189 

95.  Gläser  mit  Spiralfäden.      (Köln,   vom   Rath) 191 

96.  Gläser  mit   Netz-   und   Zickzackfäden.      (Köln,   vom   Rath) 193 

97.  Gläser  mit  Fadenverzierung.      (Köln,   vom   Rathi 195 

98.  Xctzbecher.      (Köln,   Museum) 197 

99.  Kännchen  mit   Xetzverzierung.      (^Trier,   Museum) 199 

100.  Gläser  mit   F'adenverzierung         .201 

101.  Sog.   Hornbecher.      (Dcidesheim,    Bassermann-Jordan) 203 

102.  Fränkische  Becher.      (Köln,   Xicßen) 205 

103.  Trinkhorn.      (Köln,   vom   Rath) 207 

104.  Trinkhorn  aus  Castel   Trosino.      (Rom,   Musco   (^ivico) 209 

105.  Parfümfläschchen  in   Gestalt  eines  Schweinchens.      (Köln,   .Museum)    .      .      .  211 

106.  Gläser  mit  Zickzackfäden.      (Köln,   ehem.   Slg.   Merkens) 213 

107.  Napf  mit  Zickzackfäden.      (Breslau,   Museum) 215 

J08.  Xapf  mit   Buckeln  und   Zickzackfaden.      (Köln,   Xießen)        217 

109.  Becher  mit  Xetzwerk.      Venezianisch.      18.   Jahrh.      (Paris,   Basilewsky)        .  219 

I  10.  Tonbecher  mit  Schuppen.      (Köln,   Museum) 221 

111.  Becher  aus  terra  sigillata.      Aus  Arberg 223 

112.  Becher  mit  aufgesetzter  farbiger   Weinranke.      (Paris,    Louvrci        ....  225 

113.  Oenochoe  mit  farbigem  Fadenschmuck.      (Brüssel,   Musee  du   Cinquant.)     .  227 
114  115.   (iläser  mit  farbigen   Schlangenfäden.      (Köln,   vom   Rath)    .      .      .      .229,231 

116.  Ilelmglas   mit   Fadenverzierung.      (Köln,   Mus.    Wallraf-Richartzj    ....  233 

117.  Trulla  mit  farbigen  Schlangenfäden.      (Köln,   Mus.    Wallraf-Richartz)      .      .  235 

118.  Oenochoe  mit  farbigen  Schlangenfäden.      (Köln,   Mus.   Wallraf-Richartz)     .  237 

119.  Carchcsium.  smaragdgrün,  mit  Fadenverzierung.   1  Köln,  Mus.  Wallraf-Richartz)  239 

120.  Kanne  mit   Rosettenschmuck.      (Köln,   Museum) 24.1 

121.  Stamnium  mit  Schlangenfäden.      (Köln,   Museum)  . 243 

122.  Flasche  mit  Schlangenfäden.      (Köln,   Museum) 245 

123.  Stengelbecher  mit  Schlangenfäden.      (Köln,   Xießen)   ........  247 

124.  Xapf  mit  Schlangenfäden.      (Köln,    Xießen) .  249 

125.  Helmglas  mit  Schlangenfäden.      (Köln,  ehem.   Slg.   Discli)   .....  250 

126.  Pilgerflasche  mit  Schlangenfädcn.      (Köln,    Xießen) 253 

127.  Becher  mit  Schlangenfäden.      (Bonn,   .Museum)         255 

128/129.   Gläser  mit  Schlangenfäden 259,261 

130.  Kanne  mit  Schlangenfäden.      (Boulognc,   .Museum) 263 

131.  Flasche  mit   Barbotineschmuck.      (Köln,   Museum) 265 

132.  Becher  mit  F'adcninschrift.   •  (Rouen,   .Museum) 267 

133.  Bruchstück   eines  Bechers  mit  Fadeninschrift.      (Köln,   Museum.)    ....  268 

134.  Boden  eines  Goldglascs  mit  Fadeninschrift.     (^London,   Britisches  Museum)  269 


XVI 

Seile 

35.  Gallischer  Trinkbecher  mit   Barbotine.      (Köln,   Museum) 271 

36.  Jagdbecher  mit  Barbotine.      (Köln,   Museum.) 273 

37.  Besatzstücke 275 

38.  Araphoriske  mit   Lotusknospen.      (Köln,   Museum)        277 

39.  Becher  mit  Netzwerk  und  Lotusknospen        279 

40.  Becher  mit  Netzwerk  und   Rosetten.      (Bonn,   Museum) 281 

41.  Becher  mit  Ilerzauf lagen.      (Ronen,   Museum) 283 

42.  Becher  mit  dreieckigen   Auflagen.      (Rom,   Kircherianum) 285 

43.  Becher  mit  langgezogenen   Tränen.      (Ronen,   Museum) 287 

44.  Nuppengläser.      (Köln,    vom    Rath) 289 

45.  Polypenbecher.      (Köln,    vom   Rath) 291 

46.  Flasche  mit   Fadenverzierung.      (Köln,   vom   Rath) 293 

47.  Kugelflasche   mit  farbigen   Nuppcn.      (Köln,    Niellen') 295 

48.  Becher  mit  farbigen   Nuppen  und  Zickzackband.      '  Jvöln,    Museum)    .      .      .  297 

49.  Cantharus  mit  farbigen  Nuppen.      (Köln,   Museum) 299 

50.  Rüsselbccher.      Fränkisch.      (Wiesbaden,   Museum)        301 

51.  Rüsselbecher.      Fränkisch.      (Köln,   Museum) 303 

52.  Kugelbecher  mit  Stacheln.      (Köln,   Museum) 305 

53.  Gruppe  von   Gläsern 307 

54.  Becher  mit  farbigen   Nuppen.      (Deidesheim,    Basscrmann-JorJan)        .      .      .  313 

55.  Cantharus  mit  Tränen.      (Köln,   ehem.   Slg.   Merkens) 315 

56/158.   Henkelformen 317,319,321 

59/160.   Gruppe   von  Gläsern 323,  325 

61.  Becher  aus  d.  Silberschatze  v.  Bosco  Reale.     Alexandrien.      (Paris,   Louvre)  327 

62.  Gläser  mit  Fadenverzierung.      (Köln,    vom   Rath i 329 

63.  Napf  mit  Doppelrand.      (Köln,   Nießen) 332 

64.  Becher  mit  acht  Henkeln.      (Breslau,   Museum) 333 

65.  Cantharus  mit   Kettennetz.  —  Cantharus   mit  Kettenhenkeln.    —    Naj^f  mit 

Fadenverzierung  am    Rande.      (Rom,   Vatikan  und   Neapel,   Museum)    .  335 

66.  Becher  mit   Wellenfaden.      (Köln,   Museum) 337 

67/16S.   Gruppe  von   Gläsern.      (Köln,   ehem.   Slg.   Merkens) 339»  34l' 

69.  Satyrmaske  in  Glasmosaik.  (Rom,  ehem.  Slg.  Sarti,  jetzt  München, -Antiquarium)  344 

70.  Silenmaske  in  Glasmosaik.  (Rom,  ehem.  Slg.  Sarti,  jetztMünchen,  Anticjuarium)  345 

71.  Tigerkopf  in  Glasmosaik.    (Rom,  ehem. Slg. Sarti,  jetztMünchen,  Antiquarium)  347 

72.  Mosaikeinlage.      (Rom,   ehem.   Slg.   Sarti,  jetzt   .München,   Antiquarium)  .      .  349 

73.  Rosette  in  (jlasmosaik.    (Rom,  ehem.  Slg.  Sarti,  jetzt  München,  Antiquarium)  351 

74.  Streifenmuster  in  Glasmosaik.      (Rom,  ehem.  Slg.   Sarti,  jetzt  München,   Slg. 

Arndt) 353 

75.  Ornamentfüllung   in   Glasmosaik.      (Rom,   ehem.   Slg.   Sarti) 356 

76.  Randornament    in    Glasmosaik.      (Rom,    ehem.    Slg.    Sarti,    jet/.t    München, 

Antiquarium) 357 

77.  Bildchen  in  Glasmosaik.      (München,   Antiquarium) 359 

78.  Randeinfassung  in   Glasmosaik.      (München,   Antiquarium) 362 

79.  Rosettenfüllung  in   Glasmosaik.      (München,   Antiquarium) 363 

So.     Randornament  in   Glasmosaik.      (München,   Antiquarium) 365 


xvu 

Seile 

i8i.     Blumenmuster  in  Glasmosaik.      (Wien,   Österr.   Museum) 368 

1S2.    Blumenmuster  in  Glasmosaik.     (Wien,  Österr.  Museum) 369 

183.  Ornament  in  Glasmosaik.      (Wien,   Österr.   Museum) 371 

184.  Schachbrettmuster  in  Glasmosaik.     (Wien,  Österr.   Museum) 374 

185.  Augenmuster.      (Wien,   Österr.   Museum) 375 

1S6.    Onyx-Cameo  mit  der  Vergötterung  des  Augustus.      (Wien,    llofmuseum)  377 

187.  Sardony.x-Cameo  mit  Gcrmanicus  v(ir  Tiberius  und   Livia.  (l'aris,  Xational- 

bibliothek) 379 

188.  Reliefs  der  Portlandvase.      (London,   Britisches   Museum) 381 

189.  Attys  vom   Boden  der  Portlandvase.      (London,    Britisches   Museum)  .      .      .  383 

190.  Sog.   Auldjo-Vase.      (Neapel,   Museum) 3S6 

191.  Trulla  mit  Überfangdekor.     Aus  Pompeji.      (Neapel,   Museum)       ....  3S7 
igzj  ig2a.   Flasche  mit  bacchischer Szene  in  Uberfangtechnik.   (Florenz,  Mus.archcol)  390 

193.  Apollo  u.  Musen.     Relief  in  Uberfangtechnik.    Angebl.  v.  Theater  des  Scaurus  393 

194.  Lampe  mit  Harpokrates 395 

195.  Bruchstück  eines  Reliefs  in   Überfang.      (München,   Frhr.   v.   Bissing)        .      .  402 

196.  Bruchstück  einer  Vase  mit  Überfangdekor.     (Bonn,   .\kad.   Museum)      .      .  403 

197.  Schale  von  Sackrau.     (Breslau,  Museum) 405 

198.  Medusa  in   Uberfangtechnik.      (Köln,    Nicßen) 408 

199.  Relief  in  Uberfangtechnik.     (London,    Kensington-Museum)      .....  409 

200.  Ägyptische  Amphora.      (London,   Kensington-Museum) 411 

201.  Oenochoe  mit  Vogelfedernmuster.     Aus   Hausweiler.      (Bonn,   Museum)        .  413 

202.  Baisamarium  in   Süulenform.      Ägyptisch.      (London,   Kensington-Museum)  415 
203  203  a.   Vas  murrinum.     (New-Vork,   Metropolitan-Museum)     .      .      .      .      .  418,  419 

204.  Schale  aus  Mosaikglas.      (London,   Kensington-Museum) 421 

205.  Mosaikschale  aus  Trier.     (Trier,   Museum) 423 

206.  Muschelkanne.     (Köln,  Mus.  Wallraf-Richartz) 425 

207.  Fadeninschrift  auf  einem   Fondo  d'oro.      (Rom,  ehem.   Slg.   Sarti)       .      .      .  427 
208/208  a.  Cantharus  in  Silberfassung.     (Petersburg,    Eremitage)        .     .     .     .     .  431 

209.  Becher  in   Silberfassung.     Aus  Varpelev.     (Kopenhagen,  Museum)     .      .      .  433 

210.  Becher  in  Silberfassung.      (Ronen,   Museum) 435 

211.  Murrinenschale.     (Köln,   Nießen) 437 

212.  Murrinenschale.      (Hamburg,   Kunstgewerbe-Museum)        439 

213.  Murrinenschale.      Aus  Heilange.     (Luxemburg,   .Museum)            441 

214/215.    Murrincnschalen.     (Trier,  Museum) 444,445 

216.    Mosaikschale.      (Köln,   vom   Rath) 447 

217/218.   Fadenbandgläser.     (Köln,   Museum  u.   ehem.   Slg.   Merken.s)      .      .      .450.451 

219.  Gerippte  Schale.      (Köln,   Museum) 453 

220.  Netzbecher  aus  Köln.      (Berlin,   Museum) 455 

221.  Netzbecher  aus  Köln.     (München,  Antiquarium) 457 

222.  Netzbecher  von  Hohensülzen.     (Bonn,  Museum) 461 

223.  Netzbecher  aus  Daruvar.     (Wien,  Hofmuseum)        .     .          465 

224.  Netzbecher.      (Mailand,   Marchcse  Trivulzio 469 

225.  Netzbecher,  ehem.  in  Straßburg 473 

226/227.    Situla.     (Venedig,  San  Marco) .     .477,481 


XVIII 

Seilt- 

228.     Geschliffener  Becher.      (Mailand,   Cagnola) 4S5 

229/229 a.   Geschliffener  Becher  aus  Szezsard.     (Ofen-Pest,   Nationalmuseum)      488,489 

2^0.    Netzglas.      (Ofen-Pest,   Nationalmuseum)        491 

231.  Bruchstück  eines  geschliffenen  Krystallbechcrs.      (Wien,   Hofmuseam)     .      .  49:5 

232.  Scherbe  eines  geschliffenen   Glases.      (Wien,   Oesterr.   Museum)      ....  495 

233.  Lykurgosbecher.      (London,   Lionel   Rothschild) 497 

234.  Gläser  mit  gravierten  Reifen.      (Köln,   vom   Rathl 50^ 

235.  Stamnium  mit  Liniengravierung.      (Köln,   Nießen) 507 

236.  Kugeltlasche  mit  geschliffenem  Netzmuster.     (London,  Kensington-Muscum)  511 

237.  Cantharus  mit  Liniengravierung.      (Köln,  Nießen) 515 

23S.    Teller  mit  geschliffenem   Rosettenmuster.      Köln 519 

239.  Gläser  mit  Hohlschliff  und   Gravierung.      (Köln,   vom   Rath) 523 

240.  Teller  mit  Fassettenschliff.      (Köln,   Museum) 527 

241.  Kugeltlasche  mit  Fassettenschliff.      (Köln,   Museum) 531 

242.  Becher  mit  eingeschliftener  Inschrift  u.   Ornamentik.      Aus   Krain       .      .      .  535 

243.  Becher  aus  geschliffenem   Krystallglase,      (Trier,  Museum) 539 

244.  Schematische  Ansicht  von   Puteoli.     Schlifl'  einer  Kugelflasche  aus  Odemira  543 

245.  Stamnium  mit  bacchischer  Szene  in  Hohlschliff.    Aus  Hohensülzen.    (Bonn, 

Museum) 547 

246.  Beclier  mit  Szene  aus  dem  Lynkeus-Mytlms  in  Hohlschliff.    (Köln,  Museum)  551 

247.  Lynkeusbecher.      (ivöiln,    Museum) 555 

248.  Becher  mit  Venus  u.  Amor  an  der  Weinsclienke.    Graviert.    (Bonn,  Museum)  559 

249.  Becher  mit  Amoren  in  leichtem   Hohlschliff.      (Köln,   Museum)      .      .      .      .  563 

250.  Bruchstück   einer  Vase  mit   Wagenrennen.      Hohlscliliff.     (Trier,   Museum)  566 

251.  Bruchstück  einer   Vase   mit   Wagenrennen.      Gravierung.      Aus  Pisa  .      .      .  5^7 

252.  Becher  mit  Amoren  und    Ranken  in  Gravierung.      (Bonn,   Museum)         .      .  571 

253.  Kugelflasche  mit  Amor  auf  der  Löwenjagd,     llohlschliff.     (Köln,   Museum)  575 

254.  Schale  mit  Medusa  u.Fassetten  in  Hohlschliff.  (New-York,  Metropolit. -Museum)  579 

255.  Besatzstück  mit  Medusa  in  Hohlschliff.      (Trier,   Museum) 581 

256.  Probe  von  Liniengravierung  auf  einem  Becher  aus  Köln.     (I:'>onn,  Museum)  585 
257/257a.   Becher  m.  Gravierung;  Gladiatoren  i.  Kampf  geg.  wildeTiere.  (Trier,Mus.)  589 

258.  Becher  mit   Reigentanz  in   Hohlschliff.      (Köln,   vom   Rath)  ......  593 

259.  Becher   mit  Auferweckung   des  Lazarus  in   Hohlschlift".      (Köln,    vom   Rath)  597 
26o/26oa.   Siegesbecher  aus  Sidon.      (New-York,   Metropol. -Museum)     ....  602 

261.  Etruskischer  Bronzespiegel  mit   Gravierung .  607 

262.  Schale   mit  Neptun.      Aus   Köln.      (Berlin,   Museum)   ........  61 1 

263.  Teller  mit  Hirschjagd   in   Gravierung.      (Köln,   vom   Rath) 615 

264.  Teller  mit  Abrahams   Opfer  in   Gravierung.      (Trier,  Museum)       .      .      .      .  619 

265.  Teller  mit  Susanna  und  den  beiden  Alten  in  Gravierung.    (Köln,  vom  Rath)  623 
266/268.  Fläschchen,  geformt.      (New- York,   Metropolit. -Museum)      .      .    628,  629,  633 

269.  Kännchen,  geformt,      (l'.reslau,   Museum) 637 

270.  Kännchen,   geformt.      (Salzburg,   Museum) 642 

271.  Becher  mit   Gottheiten,  geformt.      (Petersburg,   Eremitage) 643 

272.  Geformte   Gläser.      (Neapel,    Museum) 647 

273/273  a-   Amphoriske   des   Ennion.      (New-York,   Metropolitan-Museum)   .      .652,653 


XIX 

Seite 

274.    Amphoriskc   des   Eiinion  aus   l'anticapäum.      (Petersburg,    Eremitage)       .      .  657 
275/275au.  b.   Becher  des  Ennion.      Vom   Agro    Adriese     ..;...      .662,663 

276/276au.  b.   Becher  des  Ennion.      \'om   Agro   Adriese 668,669 

277.  Becher,  geformt 673 

278.  Eimer,   geformt 677 

279/279a.     Zirkusbecher    mit    Darstellung    eines    Wagenrennens.      Aus    Couven. 

(Namur,   Museum) 682,  683 

2S0.    Zirkusbecher  mit  Darstellung  eines  Wagenrennens.      Aus  Colchester       .      .  687 

281.  Zirkusbecher     mit    Gladialorenkämpfen.      Aus    Mondragone.       (Xew-York, 

Metropolitan-^luseum) 697 

282.  ZirkusbechermitDarstellungeinesWagenrennens.  Aus  Schönecken.  (Trier, Mus.)  699 

283.  Bruchstück   eines  Zirkusbechers    mit   riladiatorenkämpfen.     (Trier,   .Museum)  701 

284.  Gruppe   von   Zirkusbechern  mit  Gladiatorenkämpfen 7^3 

285.  Becher  mit  Sinnspruch  und   Rankenfries 7°? 

286.  Becher  in  Form  eines  Satyrkopfes.      Terrakotta,   griechisch 710 

287.  Baisamarium  in  Form  eines  Frauenkopfes.     Terrakotta,  süditalisch.      (Rom, 

ehem.  Slg.   Sarti) 7 1 1 

288.  Pilgerlläschchen  aus  Syrien.      (Rom,   ehem.   Slg.   Sarti) 715 

289.  Büste  eines  Imperators.     Lapislazuliglas.     (Köln,  Nießen) 7^9 

290.  Fläschchen  mit  Masken.     (Wiesbaden,   IMuseum) 'J22 

291.  Fläschchen  in  Gestalt  einer  Medusa 7-3 

292.  Fläschchen    in   Gestalt    einer  Doppel-Medusa.      (Köln,    ehem.   Slg.   Merkens'l  727 

293.  Fläschchen  mit  Medusa.      (Köln,   vom    Rath) 73° 

294.  Fläschchen  mit  Medusa.      (Köln,   ehem.   Slg.   Merkens) 731 

295.  Fläschchen  mit  Doppel-Medusa.      (Köln,    Museum) 735 

296.  Fläschchen  mit  Doppelkopf.      (Xew-Vork,   Metropolitan-Museum)  .      .      .      .  737 

297.  Kanne  in   Form   eines  männlichen   Kopfes.      (Köln,   Nießen) 739 

298.  Kanne  in   Form  eines  Frauenkopfes.      (Xew-York,    Metropolit. -Museum)      .  743 

299.  Flasche  in   Form   eines  Januskopfes.      (Köln,   Museum") 745 

300.  Kanne  in  Form  eines  karikierten   Xegerkopfes.      (Köln,   vom  Rath")   .      .      .  747 

301.  Becher  in   Form  eines  Negerkopfes.      (New- York,  Metropolit.-Museum)  .      .  749 

302.  Fläschchen  in  Form  eines  karikierten  Frauenkopfes.      (Köln,   vom   Rath)     .  751 

303.  Flasche  in  Form  eines  karikierten  weiblichen  Negerkopfes.     (Köln,  Museum)  753 

304.  Flasche  in  Form   eines   karikierten    Kopfes.      (Köln,    Nießen) 756 

305.  Kännchen  in  Form  eines   karikierten   Kopfes.      (Köln,   Nießen)      ....  757 

306.  Flasche  mit  Gesichtszügen.      Modern.      (Speyer,   Museum) 759 

307.  Flasche  in  Gestalt  eines  sitzenden  .Vffen   mit  der  Syrinx.      (Köln,    Museum)  761 

308.  Parfümflasche  in   Gestalt  eines  Vogels.      (Köln,   vom   Rath) 763 

309.  Traubenkanne.      (Brüssel,    Musce  du   Cin(|uantenaire) 765 

310.  Traubenkanne.     (Köln,   Museum) 7^7 

311.  Traubentlasche.      (Köln,   vom   Rath) 7^9 

312.  Traubenkannc.      (Köln,  Museum) 77" 

313.  Muschelkanne.     (Köln,   Nießen) 773 

3I4/3l4a.  Becher  mit   Konchylien.      (Trier,   Museum) 776,  777 

315.    Becher  mit  Konchylien.      (Vatikan) 7^1 


XX 

Seite 

316.  Becher  mit   Konchylicn.      (Köln,   Museum) 783 

317.  Gläser  mit  Falten  und   Eindrücken.      (Köln,   Xießen) 7S5 

31S.    Faltengläser.      (Köln,   vom   Rath.) 787 

319.  Kürbisflasche  mit   Zackenfuß.      (München,   Zettlcr) 789 

320.  Gläser  mit  Rippen,   Eindrücken  und  Falten .      .      .      791 

321.  Gläser  mit  Falten   und   Kanneluren.      (Neapel,   Museum) 793 

322.  Kännchen   mit  Spiralfaden  u.  Kanne  mit  Kürbisrippen.     (Wiesbaden,   Mus.)      795 

323.  Strigilierter  Becher.      (Köln,   Museum) 799 

324/324a.   Frontinuskanne.      (Deidesheim,   Bassermann-Jordan) S02,  803 

325.  Kanne  mit   Schrägrippung.      (Köln,   Nießen) S09 

326.  Kanne  mit   Rippenansätzen.      (Köln,   Museum) 811 

327.  Kürbiskanne  aus  dem   Spessart.      XVI.   Jahrh 813 

328.  Gebuckelte   Kanne.      (Köln,   Nießen) 815 

329.  Becher  mit  Buckelung.      (Köln,   Museum) 817 

330.  Becher  geformt.      (Paris,   Sambon) 819 

331/331  a.   Becher   mit  Emblemen,   geformt.      (Paris,   Sambon) 822,823 

332.  Kanne,   geformt.      (Paris,   Sambon) 825 

333.  Fränkische   Schale  mit  Monogramm  Christi 827 

334.  Saugheber  aus  rheinischen  Gräbern 829 

335/335^  u.  b.   Scyphus  aus  Blei.      Mit    Glaseinsätzen 831,832,833 

336.  Bruchstücke    eines   Goldglases  mit  Plan  einer  Stadt.      (Bonn,   Museum)    .      .      835 

337.  Tongefäß   von   Charinos.      (Berlin,   Antiquarium) 837 

338.  Flasche  aus  Syrien,   mit  Satyrszene.     (Paris,   Louvre) 839 

339/339 a.   Becher  mit  Pigmäenkampf,   bemalt.      Aus   Nimes 840,  841 

340.  Becher  aus   Khamissa,   bemalt.      Aufrollung 843 

341.  Zwei   Rosetten  von   Glasdeckeln.      Aus  Algier 844 

342.  Deckel   mit   Amor.      (Paris,   Hamberg) 845 

343.  Fläschchen,   mit  Fischen  und  Skorpion  bemalt 847 

344.  Scherbe   eines  Bechers  mit  Jagdszenc.      (Köln,   Museum) 848 

345.  Flasche,   rotes   Glas  mit  aufgemalter  Quadriga.      (Bonn,   Museum)       .      .      .      849 

346/346a.   Fläschchen   mit  Rennpferden.      (Bonn) 85 1 

347/347 a.   Becher  mit  Tierkampf,  gemalt.      (Kopenhagen,   Museum)        .      .      .  852,  853 
348/348a.   Becher  mit  Tierkampf,   gemalt.     (Kopenhagen,   Museum)  ....  856,  857 

349.  Becher  mit  Tieren,  gemalt.      (Kopenhagen,   Museum) 859 

350.  Becher  mit    drei   Vögeln  und   der  Inschrift  DVBP.   (Kopenhagen,   Museum)      860 

351.  Becher  mit  Tieren  (Kopenhagen,   Museum) 861 

352/353.   Piecher  mit   Gladiatoren.      (Kopenhagen,   Museum) 863,  865 

354.  Goldglas  mit  Brustbild   der  Stadtgöttin   Alexandria.      (Wien,   Graf)    .      .      .  866 

355.  Goldglas  mit  Brustbild,   gemalt.      (London,   Britisches  Museum)     ....  867 

356.  Goldglas  mit  Achilles  u.  den  Töchtern  des  Lykomedes.    (Pesaro,  Mus.  Olivieri)  869 

357.  Goldglas  mit  parstellung  eines  Schiffsbaumeisters.      (Vatikan)       .      .      .      .  871 

358.  Goldglas  mit  Abbildung   einer  römischen   Weinschenke.      (Vatikan)    .      .      .  872 

359.  Goldglas  mit  Viergespann.      (Paris,    Privatbesitz) 873 

360.  Goldglas  mit  Faustkämpfern 875 

361.  Goldglas  mit  Darstellung   des  siebenarmigen   Leuchters  in   Emailmalerei     .  877 


XXI 

Seite 

362.  Goldglas  mit  jüdischen   Kultusgeräten  in  Emailmalerei.      (Vatikan)    .      .     .  879 

363.  Goldglas  mit  Darstellung  des  Wunders  des  Sonnenzeigers 881 

364.  Goldglas  mit  Adam  und   Eva.      (Rom,  ehem.   Slg.  Sarti) 882 

365.  Goldglas  mit  Adam  und   Eva.      (London,   Britisches  Museum) 883 

366.  Goldglas  mit  zwei  d.  Magier  von  d.  Anbetung  des  Kindes.  (Großenhain,  Zschille)  S85 

367.  Goldglas  mit  Auferweckung  des  Lazarus 887 

368.  Goldglas  mit  einer  Taube.     (Köln,  ehem.  Slg.  Merkens) 889 

369.  Schale  von  St.  Ursula.     (London,  Britisches  Museum) 891 

370.  Schale  von  St.  Severin.     (London,  Britisches  Museum) 893 

371.  Becher   mit  Schlangenfaden.      (Kopenhagen,   Museum) 895 

372.  Brandgrab  mit  Totenbeigaben  vom  Grabfeldc  d.  Luxemburger  Straße  in  Köln  897 

373.  Fränkisches   Grab  aus  Vermand       . 899 

374.  Schale,   Mosaikglas.     Aus   Fünen 903 

375.  Becher,  unten  mit   Vcrtikalrippen.      Aus   Vestergötland 904 

376.  Becher  mit  Fassettenschliff.     Aus  Varpclev 904 

377.  Becher  mit  Fassettenschliff.      Aus  Sojvide 905 

378.  Becher  mit  eingeschliffenen  Ovalen.      Aus  Vallstenarum 906 

379.  Becher  mit  eingeschlittenen  Ovalen.      Aus  Bremsncs 907 

380.  Becher  mit  griech.  Inschrift.      Aus  Vorning 907 

381.  Bruchstücke  eines  Glasgefaßes  in  der  Technik  d.  Barberini-Vase.   Aus  Solberg  908 

382.  Becher  mit  Schlangenfadenverzierung.     Aus   Xordrup       .......  908 

383.  Trinkhorn  mit  Schlangenfadenverzierung.      Aus  Österhvarf  ......  909 

384.  Becher  mit  Netz-  und  Fadenauflage.      Aus  Oland 910 

3S5.  Schale  mit  Nuppenverzierung.      Aus  Haugstad 911 

386.  Hornbecher.      Aus   Norwegen 912 

387.  Rüsselbecher.      Aus  Vendel 913 

388.  Becher  mit  Fadenauflagen.      .\us   .-Mands 914 

389.  Becher  ohne  Fuß.     Aus  Bjärs     . 915 

390.  Vase  aus  gelbbraunem   Glase.      .\us  Gotland 915 

391.  Trichterförmiger  Becher.      .\us  Björkö 916 

392.  Zylindrischer  Becher.      Aus  Björkö 917 

393.  Becher  mit  Vertikalrippen   und  Fadenverzierung.      Aus  Björkö       .      .      .  918 

394.  Traubenbecher.      Aus  Björkö 919 

395.  Kugelbecher  mit  rotem   Rand.      .\us  Björkö 920 


ce»5] 


Die  Herstellung  des  Glases. 


Kisa,    I 'as  Glas  im  Altcrluinc 


Abi).    1.      Grabrelief  von   Beni   Hasan. 


Die  Herstellung  des  Glases. 

Glas  ist  ein  Schmelzprodukt,  eine  bei  hoher  Temperatur 
dünnflüssig"e,  beim  Erkalten  ^lllmählig  aus  dem  zähflüssigen  in 
den  starren  Zustand  übergehende  Masse,  deren  Hauptbestandteil, 
die  Kieselerde,  aus  miiglichst  reinem  Flußsande  gewonnen  wird. 
Um  diese  im  Feuer  schmelzbar  zu  machen,  müssen  sog.  Fluß- 
mittel zugesetzt  werden,  Alkalien,  welche  zugleich  durch  ihre 
verschiedenen  Eigenschaften  die  Sorten  des  Glases  bestimmen. 
Im  .Altertume  benützte  man  dazu  teils  vegetabilische  Alkalien, 
wie  Pflanzenasche,  namentlich  die  vom  Farnkraut  und  der 
Buche,  die  noch  heute  neben  der  Plichenasche  bei  der  Her- 
stellung gewöhnlicher  Weinflaschen  verwendet  wird,  teils  ein 
von  dem  älteren  Plinius,  unserer  llauptquelle  für  antike  Tech- 
niken, als  Nitrum  bezeichnc^tes  Produkt.  \)  Darunter  ist  ein 
mineralisches    Alkali,    natürlic^lie    Soda    oder    Pottasche    zu    xcr- 


^)  Plinius,  historia  naturalis  II,  36,  66.  Gaius  Plinius  Secundus  Maior, 
geboren  23  vor  Chr.  zu  Como,  verunglückt  beim  Ausbruche  des  Vesuvs  79  nach  Chr. 
in  Pompcii.  Er  Schrieb  eine  llistoria  naturalis  in  37  Büchern,  das  wichtigste  Do- 
kument für  antike  Natur-  und  Kunstgeschichte  und  Kenntnis  der  Kunsttechnik,  sehr 
vielseitig,  aber  nicht  frei  von  Irrtümern  und  Flüchtigkeiten.  Gerspach  nennt  ihn 
darum  in  seiner  Verrerie  antique,  Paris  1885,  S.  10:  ,,Un  litterateur  traitant  sans 
aucune  preparation  des  sujets  scientifiques",  und  Cuvier  stimmt  ihm  darin  bei.  Über 
das  Glas  handelt  er  besonders  im  36.  Kapitel  seines  II.  Buches,  doch  finden  sich 
auch   in  anderen  zahlreiche  Notizen   darüber  zerstreut. 

I* 


stehen/)  die  namentlich  in  Thr^ikien,  Makedonien  und  Ägypten 
tfewonnen,  in  Naukratis  und  Memphis,  zwei  Hauptorten  der  ägyp- 
tischen Glasindustrie  neben  Alexandrien  und  früher  Theben,  fabriks- 
mäßig hergestellt  wurde.  "■^)  Der  fein  zermahlene  und  zerstoßene 
Kiessand  wurde  im  Verhältnisse  von  9  zu  3  mit  dem  Flußmittel 
vermischt  und  in  irdenen  Gefäßen  in  den  Ofen  zum  Schmelzen 
gestellt.  ■')  Vor  der  Rrfindimg  des  Schmelzofens  schmolz  man 
diese  Mischung  in  Krdgrul^en,  doch  erhielt  sich  diese  primitive 
Art  neben  der  \orgeschrittenen  namentlich  im  Oriente  bis  in 
das  Mittelalter  hinein.  Dabei  darf  man  sich  freilich  nicht  mehr 
auf  die  Szenen  in  dem  (irabe  von  Beni  Hasan  in  Ägypten 
aus  der  4.  Dynastie  berufen,  wo  ein  sehr  primitiver  Ofen  ab- 
gebildet ist,  weil  in  ihnen,  wie  in  folgendem  ausgeführt  werden 
wird,  gar  nicht  Glasarbeit,  wie  man  früher  ann^ihm,  dargestellt  ist. 
Die  mit  Soda  gemischte  Schmelze  ergab  im  ersten  Brande  die 
Fritte,  griechisch  Mülit'iig  genannt,  die  mit  eisernen  Löffeln  aus- 
geschöpft und  in  flachen  Pfannen  einer  erneuten  stärkeren  Glut 
ausgesetzt  wurde.  1  liezu  gebrauchte  man  in  Agy])ten  mit  \"or- 
liebe  die  Wurzeln  und  Stiele  der  l'apvrusstaude,  doch  zog  man 
nach  Plutarch  vielfach  das  Holz  der  Tamariske  \or,  die  in  Syrien 
und  am  Nil  die  Größe  einer  Fiche  erreicht.  Mit  Hilfe  dieser 
stärkeren  Feuervnig  kam  die  Masse  bald  in  Flui),  wurde  tüchtig 
aufgerührt  und  \'erwandelte  sich  in  das  i  lammonitrum,  eine 
fettige,  schwärzliche  Masse,  die  weiter  gekocht  wurde,  verschie- 
dene Zusätze  erhi(4t  und  sich  nach  dem  Abschöpfen  des  Schaumes 
in  reines  ( rias  \-erwandelte.  ¥Ä\\  Zusatz  \'on  .Schwefel  machte 
nach  T'linius  die  Masse  hart  wie  vStein.  Doch  auch  andere  Zu- 
sätze kannte  man.  Gewöhnlich  ist  das  antike  (rlas  nach  seinen 
Hauptbestandteilen  Kieselsäure.  Kalk  und  Natron  mit  einem 
modernen   Ausdrucke  als   Natronglas  zu  bezeichnen,  sehr  häufig 


^)  Niclit  wie  Froehner  ,,Verrcrie  antique,  Collection  Charvet",  Paris  1879,  S.  10, 
nach  11g  in  Lobmeyrs  Glasindustrie,  StuUgart  1874,  meint,  Salpeter.  Künstlichen 
Salpeter  vermochten  die  Alten  noch  nicht  darzustellen.  Vgl.  Beckmann,  Beiträge  zur 
Geschichte  der  Erfindungen  V,  S.  511  tT.  und  C.  Friedrich  in  seiner  Rezension  von 
Frochners   Werk,   Bonner  Jahrbuch    74,   S.    104   f. 

-)  Plinius   31,   311. 

^)  Vitruv  VII,  II.  Froehner  nimmt  dabei  an,  dass  Plinius  seine  Proportion 
3  :  I    nach   dem   r)uodczsystcm   berechne. 


5 


ist  es  al:)er  aus  Kieselsäure.  Kalk  und  Kali  zusaniUKMi^'esetzt. 
in  unserem  Sinuc  also  KaliLjias.  wir  es  in  ilrv  luodenu'n 
Industrie  xorlicrrselu.  I  lautii^-  sind  der  antiken  Mischung"  auf 
natürlicheui  We^c,  dureli  X'erunreini^unL;-  des  Sandes,  Blei 
und  J'äsen  beis^'ctuti't ,  wck^hen  in  erster  Linie  die  starke  \'er- 
witterung'  der  (iläser.  besonders  wenn  sie  in  sandii^cin  l-)oden 
steckten,  und  der  Ansatz  einer  ( )xvdschieht ,  der  \on  Sannnlern 
oft  iil)ertrie])en  hewertt^ten  Iris,  zuzuschreil)en  ist.  Doch  s(»tzte 
man  lUeioxvde  oft  absichtlich  zu,  um  das  Glas 
rein  und  durchsichtii.>'  zu  machen.  I'.s  tMj^Miete 
sich  in  diesem  Zustande,  oi)\vohl  es  an  1  (arte 
verlor,  besonders  zum  SchiuMd(Mi  und  .Schleifen 
und  entwickelte  (großen  Glanz  und  Leuchtkraft. 
Kalk  \erschafft(^  man  sich,  indem  man  den 
la])is  Alal)andicus,  den  sch\\ärzlich-j)ur})urnen 
Marmor  \'on  Alabanda  in  Karlen,  pulverte.') 
Auch  Kieselsteine  w  urden  fein  g-emahlen,  be- 
sonders Ouarzkiesel,  und  erjraben  an  Stelle  des 
unreinen  Flußsandes  farbloses.  durchsichtit,''es 
(ilas.  Die  Nachricht  des  l'linius,  daß  man  in 
Indien  so^t,'"ar  Bery'krvstall  zu  diesem  Zwecke 
^■er\vendete,  ist  natürlich  unrichtiiL;':  wahrschein- 
lich ist  unter  dem  „Krystalle"  g'leichfalls  Ouarz 
zu  ver-stehen.  Derselbe  Autor  nennt  unter  den 
Zusätzen  auch  den  Magneteisenstein,  der  nach 
Lenz  leicht  mit  der  Glasmasse  zusammen- 
schmilzt und  si(%  in  j^-eriniifer  Menge  beigemischt, 

dunkelschwarz  färl)t.  Außer  verschiedenen  Metalloxvden.  die 
zur  I"'är])ung  des  (ilases  benützt  wurden,  x'erwendete  man  fossilen 
Sand.  Schnecken-  und  Muschelschalen.  di<'  aus  kohlensaurer 
Kalkerde  bestehen  und  gleichfalls  die  Larbe  und  dcMi  (ilanz  des 
Glases  bestimmen.  I'linius  luid  rhe()])hrast  nemien  auch  aus- 
drücklich den  Zusatz  xon  Ku])fer.  .\ach  Lenz  gibt  Ku]_)ferox\-(lul 
dem  Glase  eine  pracht\'olle  kirschrote  Larbe.  besonders  wenn 
es  dünnwandig  geblasen  wird.'; 


Abb.   2. 
VasL-  Tutmosis'  III. 
britisches   Museum. 


^)   Nach    Lenz,   .Mineralogie   der  Griechen  und  Römer,   ist  dieser  ,,Sclnvarzc,  aber 
mehr  zum   Purpur  nei<;endc  Stein"  ein  Rauchtopas.   —   I'linius   36,   62. 
-)  Plinius  36,   193.     Theophrast  lapid.  49. 


Leider  besitzen  wir  keine  Nachrichten  und  Abbildung-en 
aus  g-riechischer  oder  römischer  Zeit,  die  den  Schmelzprozeß 
näher  veranschauhchen  würden.  Nur  in  dem  erhaltenen  PVag-- 
mente  eines  g-riechischen  Dichters  aus  Hadrians  Zeit,  des  Meso- 
medes,  wird  ein  Arbeiter  geschildert,  welcher  einen  Glasblock 
zerschlägt  und  die  .Stücke  in  den  Schmelzofen  wirft,  als  gälte 
es  Blei  zu  schmelzen.^) 

Über  die  Art,  wie  die  Alten  ihre  Gläser  nach  der  Formung 
abkühlten,  haben  wir  keine  Nachrichten.  Die  häufigen  Funde 
verbogener  und  schlecht  geformter  Gläser  beweisen,  daß  man 
die  Gefäße  oft  zu  früh,  ehe  sie  gehörig  erhärtet  waren,  aus  dem 
Ofen  herausholte  und  zum  Erkalten  oder  zu  weiterer  Bearbeitung 
auf  den  Marmor  brachte.  Solche  F'ehler  rühren  nur  in  seltenen 
Fällen  von  dem  Leichenbrande  her,  wie  Deville")  meint,  denn 
man  findet  sie  ebenso  häufig  in  .Sarkophagen  neben  unver- 
brannten Leichen. 

Die  Schmelzung  des  Rohm^iteriales  \ollzieht  sich  in  den 
modernen  Glasöfen  mit  ihrem  gewaltigen  1  iitzegrade  sehr  rasch 
und  gründlich;  es  geht  aus  ihnen  als  eine  homogene,  flüssige 
Masse  hervor,  die,  so  wie  sie  ist,  sofort  verarbeitet  werden  kann. 
Das  Altertum  aber  mußte  sich  nocli  mit  einem  recht  einfachen 
Ofen  und  ])riniitiver  Feuerung  begnüg'en,  weiche  den  vSchmelz- 
prozeß  sehr  verlangsamte  und  allerlei  Zufällen  aussetzte.  Die 
erste  Nachricht  über  die  pLinrichtung  des  antiken  Glasofens 
stammt  aus  dem  frühen  Alittelalter:  wir  finden  sie  in  dem  Buche 
des  Heraclius  „Von  den  Farben  und  Künsten  der  Römer".'') 
Er  schildert  den  Glasofen  seiner  Zeit,  da  diese  aber  in  der 
Glasindustrie  ausschließlich  von  antiken  Überlieferungen  zehrte, 
wie  auch  noch  das  XII.  Jahrhundert,  wird  seine  Beschreibung 
schwerlich  wesentliche  Neuerungen  enthalten.  Aus  einem  Worte 
des  Plinius,  den  „continuis  fornacibus"  kann  man  schliei^en,  daß  die 


')   Mesomedes,    ind.   Anthologia  graeca   XVI   323.      Froehner   a.   a.   O.    S,   24  f, 
'•^)  Achille  Deville,   histoire  de  l'art  de  la  verrerie  dans  l'anliquite.    Rouen  1S75. 
*)  Heraclius,   Von  den   Farben    und    Künsten    der    Kömer.      Hcrausgeg.   von   A. 
Ilg    in    Eitelbergers    Quellenschriften    zur    Kunstgeschichte    und    Kunsttechnik    Bd.    IV. 
Unter  diesem  Titel  sind  die  Aufzeichnungen  von  drei   verschiedenen  römischen   Schrift- 
stellern des   X.  bis  XII.  Jahrh.   zusammengefasst. 


Römer  einen  ( )ft'n  niil  mehreren  A])teilun^-en  benutzten,  wie  es 
der  des  J  lt>ra<'lius  und  aueh  jener  ist,  den  Theo])hilus  beschrcMbt.^) 
Der  Ofen  dt^s  Ileraclius  ist  aus  Backsteinen  j>-ebaut,  rund  g-e- 
wölbt  und  in  drei  Al)teilungen  getrennt,  welche  verschieden  stark 
erliit/.t   werden   konnten. 

„Das  (ilas  wird",  so  erzählt  TTeraclius,  „mit  leichtem  und 
dürrem  Holze  t.;-el)rannt,  mit  einem  Zusätze  von  Ku])fer  und 
Xitrum  (Salpeter)  in  ( )fen  wie  Erz  geschmolztMi  und  in  Massen 
geformt.  Aus  den  Massen  wird 
es  dann  wieder  in  den  Werk- 
stätten gegossen,  eines  durch  Bla- 
sen geformt,  ein  anderes  mit  dem 
Dreheisen  gedrechselt,  ein  drittes 
wie  .Silber  ziseliert.  Auf  das  beste 
dient  weißes  Glas,  welches  dem 
Krystiüle  am  nächsten  kommt,  wo- 
durch es  auch  (iold  und  -Silber  als 
Trinkgerät  \erdrängt  hat.  Ehe- 
mals wurde  (ilas  in  Italien,  dallien 
und  Spanien  gemacht.  Man  mahlte 
den  weichsten  weißen  .Sand  mit 
vStößel  und  Mühlen,  dann  kamen 
drei  Teile  Nitrum  dazu  und  nach 
dem  Schmelzen  wurde  das  ganze 
in  den  Ofen  übertragen.  Diese 
Masse  hieß  Admoxitrius  und  lie- 
ferte nach  abermaligem  Brennen 
eines  weißes  ( jlas.    Zu  der  Gattung 

des  Glases  wird  auch  der  Obsidian  gerechnet:  dieser  ist  zuweilen 
grün,  zuweilen  scliwarz.  oft  auch  bei  größerer  Körperhaftigkeit 
durchsichtig,  und  als  .Spiegel  an  der  Wand  zeigt  er  Schatten 
anstatt   Bilder." 

Diese  NachriehtcMi  stammen  zum  Teile  wörtlich  aus  Plinius. 
Man  kann  schon  daraus  schließen,  daß  römische  Tradition  für 
I  leraclius  auch  in  anderen  Punkten  maßgebend  sein  wird.    Admo- 


Al)b.   3.      \'ase  Tutmosis'  I 
München,   Anliquarium. 


')   Plinius   31,    193.    —    Theophilus,    Diversarum    artium    schcdula.      HerausgCCT. 
A.   von   Ilg  in  Eitelbergers  Quellenscliriflen   V>d.   II,   S.   9g   M. 


vitrius  will  Ily-  als  Ilarzj^-las  erklären,  indem  er  odä/iac  und  nitrum 
vereiniitift.  Eis  ist  aber  offenbar  nichts  als  das  korrumpierte  Uam- 
monitrum   des  Plinius. 

\^on  der  Glasbereituny-  erzählt  ileraclius  III,  7  weiter:  „Glas 
wird  £ius  Asche  fjfemacht,  nämlich  aus  jener  des  Farnkrautes 
und  von  Faina  (Fai^ina,  Buche),  zwei  Teile  von  Farnkraut  und 
ein  Teil  von  Faina.  Dann  baue  einen  Ofen,  bei  welchem  du 
die  Steine  mit  Ton  verkittest.  Das  Fundament  mache  ^  .^  Ellen- 
bogen lang-,  ebenso  hoch  und  g-anz  flach:  die  innere  \"ertiefuni4- 
des  Bodens  lasse  frei,  weil  dort  das  Feuer  anzubring^en  ist.  Ober- 
halb des  E^undamentes  mache  drei  Zellen,  welche  man  Archae 
nennt:  in  ihnen  sollen  E>nsteröifnunL,'-en  sein.  Die  mittlere  Archa 
mache  gToß,  mit  zwei  E>nstern,  auf  jeder  Seite  eines.  In  diese 
Archti  stellt  man  innen  vor  die  Mündung"  zwei  wol^j^ebrannte 
Töpfe,  Mortariola  (Mörser),  und  darin  schmilzt  man  die  Asche 
und  den  Sand;  zu  l)eiden  Seiten  mache  noch,  je  eine  Arche,  die 
zur  Rechten  kleiner  als  die  zur  Linken.  i:i  d(^r  linken  wird  das 
Glas  Tag  und  Nacht  geschmolzen,  bis  es  wie  Leim  flüssig  ist. 
Dann  schöpfe  es  mit  eisernen  Löffeln  aus  den  Mörsern  und 
koche  es,  bis  es  ganz  weiß  ist.  Willst  du  aber  rotes  Glas,  so 
gebrauche  nicht  völlig  gebrannte  .Asche  in  folgender  Weise: 
Nimm  Kujiferfeile  und  brenne  sie  zu  Puher,  tue  sie  in  den 
Mörser  und  es  entsteht  das  rote  (ilas,  das  wir  (ialienum  nennen." 
Hierauf  folgen  andere  Rezepte  zur  Herstellung  farbigen  Glases. 
Dann  sagt  er  weiter  über  das  Blasen:  „Nimm  eine  eiserne  Röhre 
von  beliebiger  Länge,  die  am  Ende  ein  kleines  innen  hohles  Molz 
mit  einem  ganz  winzigen  Loche  hat.  Nimm  ein  Stückchen  Teig 
aus  dem  Mörser,  s])rudele  es  in  den  Händen  herum  und  bilde  was 
dir  gefällt  auf  dem  Elisenmarmor,  der  neben  dem  Ofenmundloche 
steht.  Du  machst  nämlich  dort  eine  Schutzwand  und  stellst  da- 
hinter den  eisernen  Tisch,  welcher  Marmor  heißt.  Ist  das  Gefäß 
fertig,  so  stelle  es  in   die  linke  Arche,  wo  es  langsam   auskühlt." 

Ilg  bemerkt  dazu  ganz  richtig,'')  daß  bei  den  Rohmaterialien 
die  Hauptsache,  nämlich  der  Kiessand  vergessen  ist.  Gräser, 
Binsen  enthalten  infolge  ihrer  Bodennahrung  zwar  etwas  Kiesel- 
erde,   aber   in   so   geringen   Mengen,    daß   sie   kaum    zur   Glasur 

^)   Heraclius   S.    1 34   f. 


\'on  'Jonwaren,  xicl  wcnij^'er  zur  1  lerstolhnii^"  xon  (rlas  liinrcichcn 
würden.  Farnkraut  soll  am  'i^ag-e  der  EnUiau])lunL;-  joliannis 
geholt  werden.  Diese  Stelle  beruht  nach  Grimm ^)  auf  altheid- 
nischem,  im  A'olksmunde  fortlebendem  Aberi>-lauben  und  beweist, 
daß  sie  nordischen  l'rs])runs^-es  und  später  eini>fpfüt>-t  ist.  Die 
Asche  der  P)ucht>  wird  auch  später  l:)ei  Theophilus  erwähnt 
und  noch  heute  zur  dlasbereitung  benützt. 

Die  durch  den  Schmelzprozeß  gewonnene  reine  (ilasniasse 
wurde  in  verschiedener  Weise  \'erarbeitet.  Man  ließ  sie  etwas 
erkalten  und  zäher  werden  und  formte  aus  dieser  bildsamtMi 
Paste  mit  freier  I  land  (jefäße  und 
Geräte  um  einen  Tonkern,  welchen 
man  später  entfernte.  Oder  man 
preßte  sie  auf  Platten  und  in  1  lohl- 
formen  zu  Reliefs,  Schmucksachen, 
.\muletten  und  Zierwerk  mancherlei 
Art.  Man  goß  sie  in  Formen,  tropfte 
sit^  auf  eine  Platte  auf  oder  gab  ihr 
durch  Blasen  mittels  der  Pfeife  die 
Form  von  Kugeln  und  kugeligen 
Gefäßen.  Die  Pfeife  (A'irga)  war  ein 
eisernes  Rohr  \-on  etwa  einem  Meter 
Fänge  und  einem  Zentimeter  innerem 
Durchmesser,  an  dessen  einem  Ende 
sich  eine  knopfartige  Verdickung 
oder  eine  trompetenförmige  Öffnung, 
an  dessen  anderem  ein  hölzernes  Mundstück  befand,  l/m  einfache 
Gefäße  zu  bilden,  tauchte  der  Arbeiter  jene  Öffnung  in  die 
flüssige  Glasmasse,  holte  sich  so  den  nötigen  Teil  lieraus  und 
blies  dann  durch  das  Mundstück  hinein,  wobei  sicdi  d\c  an- 
haftende (jlasmassc^  zu  einc^r  runden  Blase  ausdehnte,  wie  die 
.S(Hfenblas(^  am  Strohhalme  des  s]ii(>lend(Mi  Knaben.  Durch  ilin- 
und  Ilerschw  (Miken.  durc1i  Walzen  auf  einer  eis(^rnen  oder 
steinernen  I  Matte,  durcli  AnlialtcMi  eines  bestimmt  ])rofilierten 
vStabes,  durch  Finblasen  in  eine  Xegatixform  gab  er  d(MU  Crefäße 
die  gewünschte  Gestalt.     Sollte  es  eine  Flasche  wcM'den,  so  hielt 


Abb.   4.      Miilsamarium. 

Ägyptisch,    iS.   Dyn.   (um    1500 

vor  Clir  I 


')   Grimm,   Deutsche  Mythologie  S.    i  160  f. 


lO 

er  nach  P>zielung-  einer  kug-elig'en  oder  eirunden  Blase  inne, 
ließ  die  inzwischen  zäher  g-evvordene  Masse  an  der  Pfeife  senk- 
recht herabhäng'en,  so  daß  sie  sich  röhrenförmig  in  die  Länge 
zog  und  bildete  damit  den  Hals.  Diesen  schnitt  er  glatt  von  der 
Pfeife  ab,  wie  es  jetzt  noch  in  Italien  bei  den  gewöhnlichen 
Haschen  geschieht,  oder  er  legte  den  Rand  platt  oder  wulstartig 
um,  indem  er  ihn  entweder  auf  eine  Platte  aufdrückte  oder  mit 
der  Zange  umkremijelte,  und  setzte  die  noch  heiße  Masse  auf 
einen  flachen  Untersatz  aus  Prisen  oder  Stein  (der  mit  Rücksicht 
auf  das  Material,  aus  dem  er  offenbar  ursprünglich  regelmäßig 
geformt  war,  der  „Marmor"  heißt),  wodurch  sie  eine  Standfläche 
bekam.  Diese  konnte  mit  gewissen  Werkzeugen  kegelförmig 
oder  konkav  eingestochen  oder  durch  Auflage  einer  runden  Platte 
verstärkt  werden,  wenn  man  nicht  einen  besonders  geformten 
Fuß  ansetzte.  Die  so  gebildeten  Gefäße  wurden  in  die  dritte 
Abteilung  des  (Jfens  gestellt,  um  dort  in  mäßiger  Hitze  langsam 
zu  erhärten  und  dann,  sei  es  im  erkalteten  Zustande,  sei  es  nach 
erneuter  Erhitzung  und  leichter  Erweichung  verschiedenen  Ver- 
zierungsweisen unterworfen  zu  werden.  Der  für  das  Glas  kenn- 
zeichnende allmähliche  Übergang  aus  dem  flüssigen  in  den  festen 
Zustand,  sowie  die  große  Härte,  welche  es  in  diesem  besitzt, 
gestatten  eine  Mannigfaltigkeit  der  technischen  Behandlung,  wie 
sie  keinem  anderen  Stoffe  eigen  ist,  so  daß  das  Glas  schon 
Plinius  als  das  bildsamste  aller  Materialien  der  Kunst  erschien. 
Der  Ofen  des  Theo])hilus,'^)  eines  Mönches,  der  mit 
seinem  eigentlichen  Namen  wahrscheinlich  Rotger  hieß  und 
zu  Ende  des  XL  und  Anfang  des  XII.  Jahrh.  im  Benediktiner- 
kloster Helmershausen  an  der  Diemel  (ehemals  im  Paderbornschen, 
jetzt  in  Niederhessen)  tätig  war,  läßt  liereits  zwei  Teile  als  Feuer- 
herd und  Calcinierofen  erkennen.  F^r  hat  acht  (Öffnungen  für 
die  Tö])fe,  zwei  Feuerlöcher  und  ringsum  eine  Schutzmauer  mit 
( )ffnungen  zvun  Einschieben  der  Gefäße.  Es  ist  der  Werkofen 
mit  zwei  Herden  und  kugeligem  Dachgewölbe.  Daneben  hat  er 
einen  Kühlofen.  Im  ersten  Herde  geht  das  Kochen,  im  zweiten 
das  Reinigen  und  Schmelzen,  im  dritten  das  Kühlen  \'or  sich. 
Dieser  Ofen  ist  besser  als  der  des  Heraclius  und  war,    wie    wir 

1)  Vgl.  Seite   7. 


II 


sehen  werden,  der  Antike  j^ieichfalls  nicht  unbi'kannt.  Im  ersten 
Ka])itel  des  /weiten  liuches  schildert  Throphihis  die  Kinrichtun.t,'- 
seines  Ofens  und  die  (ilaslK^reituni,»"  tbl^'-endermaßen: 

„Nimm  trockenes  Buchenholz,  verbrenne  es  und  sieh,  daß 
kein  Steinclien  und  Krde  darin  bleibt.  Den  Ofen  errichte  dann 
aus  Steinen  und  Krde  13  Fuß  lanjr  und  lO  Fuß  breit.  Zuerst 
lege  den  drund  auf  jeder  Lantrseite  einen  F'uß  dick,  mache  in 
der  ]Mitte  einen  festen  und  ebenen  Herd  aus  Stein  und  Ton  und 
teile  ihn  in  drei  t^ieiche  'l'eile,  so  daß  zwei  Teih^  für  sich  und 
der  dritte  wieder  für  sich  durch  eine  Ouer- 
mauer  g-eschieden  sind.  Dann  mache  an 
jeder  Breitseite  eine  (jffnunj^".  durch  welche 
man  Holz  imd  Feuer  hinein])rin!L;'en  kann, 
und  indem  du  die  Mauer  ring'sum  4  F\iß 
hoch  erbiiust.  mache  abermals  einen  festen 
und  g"änzlich  ebenen  Herd  und  lasse  die 
Ouermauer  ein  weniijf  emporrag'en.  Dann 
mache  in  dem  j^'rößeren  Räume  auf  der 
einen  Lang^seite  \'ier  (  )ffnuni^"en  und  \ier 
in  dem  anderen  in  der  Glitte  des  Herdes, 
wohin  die  Gefäße  kommen:  ferner  zwei 
Offnung"en  in  der  Mitte,  durch  welche  die 
Flamme  aufsteiijfen  kann.^)  Baue  ringsum 
eine  Mauer,  mache  zwei  \iereckige Fenster, 
eine  Hand  lang  und  breit,  je  eines  auf 
jeder -Seite  gegen  die  ( )ffninigen  hin.  Durch 
diese  werden  die  Gefäße  hineingeschoben  und  herausgenommen. 
Mache  auch  in  dem  kleineren  Räume  eine  Öffnung  in  der  Mitte 
des  Herdes,  nahe  an  der  mittleren  Mauer,  sowie  ein  Fenster 
eine  Hand  hocli  an  der  äußeren  StirnmautM-.  durch  welche  man 
hineinsetzen  und  fortnehmen  kann,  was  zur  Arbeit  gehört.  1  last 
du  dieses  so  angeordnet,  so  gib  dem  inneren  Räume  durch  die 
Außenmauer  die  Gestalt  eines  gewcilbten  (  )fens.  innen  ein  w  (Miig 
höher  als  \  .^  F"uß,  so  daß  du  oben  den  Herd  ganz  eben  und  im 
Umfange  mit  einem  Rande  von  drei  Finger  Höhe  machen  kannst. 
Dieser  Ofen  heißt   W'erkofen." 


Abb.   5.     Amphoriske. 
Ägyptisch,    18.  Dynastie. 


*)  Vgl.  die   üeschrcibung  der   Glasjfcn   von    Wilderspool   S.  20  IT. 


12 

Im  foli^-enden  Kapitel  wird  die  Anlag-e  des  Kühlofens  ge- 
schildert:  „Mache  auch  einen  anderen  Ofen,  lo  Fuß  lang,  8  breit, 
4  hoch,  liier  mache  an  der  \^orderseite  eine  Öffnung-,  damit 
Holz  und  Feuer  hineinq-epfeben  werden  kann,  und  an  einer  Seite 
ein  Fenster  i  Fuß  hoch,  zum  Finstellen  und  Herausheben  des 
Nötigen,  inwendig  aber  einen  festen  und  ebenen   Herd." 

Das  dritte  Kajiitel  beschreibt  einen  dritten  Ofen,  den  sog. 
Ausbreitofen,  6  Fuß  lang,  4  breit,  3  hoch,  mit  (  )ffnungen,  Fen- 
stern und  1  lerd  wie  beim  vorigen.  Die  hierbei  nötigen  Werk- 
zeuge sind  ein  eisernes  zwei  Fllen  langes,  einen  Daumen  dickes 
Rohr,  zwei  £iuf  einer  .Seite  mit  Fisen  beschlagene  Zangen,  zwei 
eiserne  Löffel  sowie  andere  deräte  aus   llolz  und  Fisen. 

Die  Glasbereitung  geht  bei  Theophilus  (II  cap.  I\^)  folgender- 
mal)en  \-or  sich:  „Mache  ein  leichtes  Feuer  von  beiden  Seiten 
des  größeren  Ofens  mit  trockenem  ßuchenholze.  Dann  nimm 
zwei  Dritteile  der  anfangs  erwähnten  Asche  und  ein  Dritteil 
feinen  Flußsandes  ohne  Steinchen  und  Frde.  Nachdem  dies 
lang  und  tüchtig  gemischt  ist,  bringe  es  in  einem  eisernen  Löffel 
in  die  kleinere  Abteilung  des  oberen  Herdes  und  laß  es  dort  einen 
Tag  und  eine  Nacht  warm  werden,  indem  du  es  schüttelst,  damit 
es  nicht  flüssig  werde."  (II  ca]).  Y)  „Nimm  Tr)])fe  aus  weil^em 
Ton,  oben  breit,  unten  enge,  mit  nach  innen  gebogenem  Rand 
und  stelle  sie  in  dit^  ( )fi^nungen  des  glühenden  Ofens,  die  dazu 
bestimmt  sind.  Dann  schö])fe  mit  dem  Löifel  die  gekochte  san- 
dige Asche  am  Abende  hinein  und  feuere  die  ganze  Nacht,  damit 
das  aus  dem  .Sande  und  der  Asche  flüssig  hervorgegangene  Glas 
gcänzlich  geschmolzen  werde."  Die  folgenden  Kapitel  beziehen 
sicli  wie  bei  Heraclius  auf  die  Herstellung  farbigen  Glases  und 
die   weitere  Bearbeitvmg. 

Überreste  von  antiken  Glaswerkstätten  sind  an  verschie- 
denen Orten  gefunden  worden.  So  in  Teil  el  Amarna  in 
Ägypten,  in  der  lybischen  AVüste,  in  Tyrus,  in  Lyon,  in  Foret 
de  Mervent  in  der  Normandie,  bei  Namur.  in  der  Hochmark 
der  Eifel  bei  Cordel,  \-ielleicht  auch  bei  Trier,  in  der  Nähe  von 
Worms,  an  der  Nahe,  in  Köln,  in  AVilderspool  in  England  u.  a. 
Ob  die  alten  Glasöfen,  die  ehemals  westlich  vom  Feldsberge  am 
sog.  (xlaskoi^fe  in  der  Nähe  der  Saalburg  aufgedeckt  wurden, 
bereits  in  römischer  Zeit  betrieben  worden  sind,   ist  nicht   ganz 


13 


sicher,  [-"ür  ihren  antiken  L'rs])run^"  spricht,  daß  man  hier  neben 
/ahlriMclien  Schlacken  aucli  einii^e  römische  Glasscherben  i^e- 
fundcn.  daij'ei^-cn  die  Tatsache,  dal)  (ilasiimde  auf  der  Saall)uri^ 
zu  den  .Seltenlieiten  ^-ehören.  Sicher  ist  es,  daß  daselbst  noch  in 
den  letzten  JahrhuntlertcMi  (das  hertfestellt  wurde,  wovon  auch  das 
nahe  I  )orf  ( ila.^hütte  seinen  Xanien  liat.  Leider  wurden  die  (  )fen 
zerstört,  ohne  daß  eine  nähere  Untersuchun_iJ"  und  .\idnahme  statt- 
q-efunden  hätte^l.  Dieses  Schit^ksal  teilen  übrigens  fast  all(-  an- 
deren _s.j"enannten  I-\nid>talten  roiniscIuM"  ( daswerkstätten.  Man 
beg"nüg"te  sich  damit  die  Anlaj^'e  oder  die  vS])uren  \on  Schmelz- 
öfen festzustellen  sowie» 
die  \orhandi'nen  Reste 
\on  l-"ritte,  Rohmateri- 
alien und  Scherben  halb- 
\ollendeter  oder  fertis^er 
Glas  waren  zu  sammeln, 
die  imm(^rhin  einen  Ein- 
blick in  die  Art  des  Be- 
triebes sj;ewähren.  Die 
funde  \()n  der  Nahe,  jetzt 
im  Museum  \-on  Wies- 
baden, enthalten  Scher- 
ben jrewöhnlicher  Ge- 
brauchstrläser  des  I II.  imd 
I\'.  Jahrhunderts,  darun- 
t{»r  eine  Anzahl  \on  klei- 
nen runden  Gefäßböden  aus  farblos-durchsichtii^'em  (dase,  deren 
Rand  mit  kleinen  Zacken  \ersehen  ist,  etwa  so  wie  man  sie  auch  auf 
den  \Vell(m]:)latt(Mi  mittelalterlicher  Töj^fe  im  Rheinlande  antrifft.") 
Neben  Scherben  fertii^er  (xläser  enthält  dieser  Fund  auch  Reste 
von  mililunjrenen,  im  Feuer  zusammeng'eschmolzenen  Fläschchen 
und  .Stücke  grünlicher  Fritte.  (rroße  Massen  von  dieser  sind  in 
der  Gereonsstraße  in  KTiln  l)ei  (irundarbeiten  \or  etwa  12  Jahren 
aufg"etaucht   und   xon    1  ländlern    an    mehrere  Pri\atsammler    \er- 


Abb.   D.      Becher  der   Piiiucssin   Nsichonsu. 
Aijvptisch,    iS.   Dynastie. 


^)  Jacobi,   Das   Kömerkastcll   Saalburg  S.   456   f. 

'-)  Flaschen  mit  gezahnter  Fu  platte  sind  nicht  häufig.  Ihre  Gestalt  ist  auf 
F"ormeniafcl  B  8r  ersichtlich  gemacht.  Ein  vollständig  erhaltenes  Exemplar  befindet 
sich  in   der  Sammlun<!   F.    X.   '/etiler  in   >.ünchen. 


14 

teilt  worden.  Auch  bei  dieser  (jelegenheit  wurde  eine  planmäßig"e 
Aufdeckung  durch  die  Bauunternehmer  \ereitelt  und  jede  Spur 
des  Betriebes  zerstört.     Sicher   ist   nur,  daß  eine    Glaswerkstatt, 
die  nach  den  Massen  \-on   Fritte,    Scherben   von   Glashäfen   und 
fertigen  Gläsern  zu  urteilen,    einen   größeren    Betrieb    darstellte, 
an  der  Nordmauer  der  .Stadt  lag,  in  der  Gegend,   in  welcher  man 
das  Amphitheater  \ermutet.    Auf  die  (jlasfabrik  in  der  Hochmark 
hatte  zuerst  Pfarrer  Ilevdinger  aufmerksam  gemacht,  worauf  1880 
das  Provinzialmustnun   von  Trier  an  der  bezeichneten  .Stelle  Aus- 
grabungen vornahm.    Dabei  fand  m^m  ziihlreiche  Glashäfen,  derbe 
Tongefäße,  welche  ganz  verschlackt  waren,  Reste  von  grünlichem 
T'ensterglas  und  von  Schmelzproben,  dann  lilarotes,  mit  Mangan 
und  ku]iferrotes,   mit   Kupferoxydul  gefärbtes  Glas,    viele  Reste 
gewöhnlicher  grünlicher  Gefäße  mit  .Spiralfäden;  ein  Glas  mit  aus- 
gezwickten Nuppen,    das  Bruchstück   eines   dicken   Gefäßes   aus 
Eisenglas  mit   roter  und  gelber   Färbung,    das    Bruchstück    eines 
Einsatzornamentes  aus   blauer   opaker    Paste    mit   einer   Blumen- 
ranke in  Rehef,    die  .Scherbe   einer   he'll- blaugrünen   .Schale   mit 
breiten  Rippen,  die  aus  blaugrünen  und  weißen  .Spiralfäden  auf- 
gelegt sind;  ferner  .Stangen   aus  grünem  und  rotem  (xlase,  Glas- 
tropfen und  noch  allerlei  andere  Gefäßscherben,  darunter  mehr- 
flirbige.     Das  Relief  und  die  gerippte  .Schale  gehören  wohl  noch 
dem  I.  Jahrliundert  an.  das  meiste  übrige  dem   dritten,   was  auf 
eine  sehr  lange  Tätigkeit  der  Fabrik  schUeßen  läßt.     Die  Funde 
werden  im  Provinzialmuseum  verwahrt.     Die  genannten  .Stangen 
stellen   fertige    (ilasmasse    dar,  welche  weiter  verarbeitet  werden 
konnte,  indem  man  sie  durch  Erhitzung  ^•on  neuem  flüssig  machte 
und    sie   zum    Austropfen   benutzte,    wodurch    Perlen   und   .Spiel- 
steine, Besatzstücke  mit  aufgeprägtem  Muster  oder  glatte  Nuppen 
hergestellt,  auch  dünnere  Fäden  zur  A^erzierung  \on  Gefäßen  und 
Perlen  ausgezogen  werden  konnte.   Man  brachte  auch  Glaspasten, 
zumeist   farbige,    in   .Stangenform,    die    sich    zur    Versendung   in 
größere   Entfernungen    eignete    und   stellte    aus   ihnen  geblasene 
und    gegossene    Gefäße    her.     In    Stücke    gebrochen    waren    sie 
das  Material  für  Mosaiken,  pulverisiert  das  für  Emails.     Freilich 
gab    man    in    der    Mosaikkunst    wie    noch    heute    den    in    flache 
rundliche    oder    x'iereckige  .Scheiben  gepreßten  Pasten  den  Vor- 
y.ug,    aus    welchen    .Stücke    beliebiger    Form    und    Größe    gebro- 


15 


chen  werden  konnten.  Manche  der  kurzen  (ikisstäbe,  die  man 
nicht  selten  in  (jräbt^rn  findet,  zumeist  aus  ordinärem  jrrünHch 
durclisichtii^'^ein  (ilase,  manchmal  schraubentVlrmii^-  gedreht,  an 
einem  PInde  leicht  zuj.j"es])itzt.  am  andt^rn  abg-eplattet  oder  mit 
einem  Rint^^e  versehen,  dienten  als  Salbenreil)er,  zur  1  lerrichtuni»- 
\"on  Schminke,  /ahupuh'er  und  ds^i.  I  )i('  mit  einem  kleinem 
Rint^'e  schlit^ßenden  können  zum  Umrühren  und  Mischen  xon  (ie- 
tränken  benutzt  worden^)  sein.  (Formentafel  d 
408,  409).  Angeblich  trugen  auch  römische 
Beamte  als  Amtsabzeichen  kurze  Stäbe  aus 
gedrehtem,  mit  einem  Knopfe  abgeschlossenen 
Krystallglase:  vielleicht  haben  sich  in  (iräbern 
aucli  Stücke  \on  solchen  erhalten.  Ein  Jahr 
nach  dem  »scheinen  der  Heydingerschen  Notiz 
wurden  dem  Trierer  Museum  gegen  hundert 
feine  Millefiorischerben  angeboten,  die  in  der 
Glaswerkstatt  der  i  lochmark  zum  \'orscheine 
gekommen  sein  sollten.  Damit  wäre  der  Be- 
weis erbracht  gewesen,  daß  diese  kostbare 
Sorte  von  (iläsern  auch  am  Rhein  hergestellt 
worden  sei.  Der  Kauf  wurde  unter  \"orbehalt 
abgeschlossen,  und  nachträglich  erwies  sich  die 
Angabe  des  Händl(>rs  als  eine  Täuschung.  Der 
größere  Teil  der  Scherben  stammte  aus  einer 
Kölner  Priviitsammlung  und  war  in  Rom  er- 
worben worden.  Die  authentischen  Funde  aber 
reichten  hin.  den  Glasbetrieb  rcimischer  Zeit  in 
einer  Gegend  festzustellen,  in  der  noch  heute, 
an  der  Saar  und  in  Schnappsbach  (ilas  erzeugt 
wird.-) 

Ergiebiger  waren  die  Nachgr^doungen,  die  Flintlers  i'etrie 
in  Teil  el  ^Vmarna  in  .\gv])ten  nc'ich  alten  (das-  und  Glasurwerk- 
stätten  angestellt  hatte.'')  liier  war  durtdi  Ameno]»his  I\'.  um  1400 
vor  (^hr.,  nachdem  dieser  seine  bisherige  I  iaujHstadt  Theben  \"er- 
lassen,   eine   neue  ])rächtige  Residenz  erl)aut  und  mit  allem  Euxi;s 

')  Vgl.  S.   14. 

-)  Bonner  Jahrbuch  Bd.  69,   S.   27. 

'•^)   Flinders  Petric,   Teil  cl   .\marna,   London    1894,   S.   25   f. 


Al)l).  7.    Baisamarium 

in  Säulenform. 

Brüssel,  Musee  du  Cin- 

quantenaire. 


i6 

ausg"estattet  worden.  Der  Schmuck  leuchtend  emailherter  Fhesen, 
der  die  Palastbauten  auszeichnet,  wurde  an  (Jrt  und  Stelle  in  Fabri- 
ken hergestellt,  deren  Überreste  im  Verein  mit  den  anschließen- 
den Glaswerkstätten  zeigen,  zu  welch  reicher  Entwickelung  die 
Glasmacherei  und  farbige  Tonglasur  bereits  zur  Zeit  der  i8.  Dy- 
nastie, zu  Beginn  des  neuen  Reiches  gediehen  war.  Namentlich 
für  die  erstere  war  diese  Periode  besonders  ergiebig.  Man 
fiind  hier  drei  bis  vier  Glasfabriken  und  zwei  große  Glasurwerke, 
deren  Werkstätten  zwar  auch  hier  fast  ganz  verschwunden  sind, 
die  aber  soviel  halbfertige  und  .Scherben  von  vollendeten  Ar- 
beiten, sowie  Reste  von  Werkzeugen  zurückgelassen  haben,  daß 
man  deutlicli  allt^  hier  geübten  Techniken  erkennen  kann.  Außer- 
dem enthalten  die  Abfallgruben  des  Palastes  solche  Mengen  \'on 
zerschkigenen ,  aber  fertig  gemachten  Gläsern,  daß  sich  danach 
alle  Einzelheiten  der  Arbeit  feststellen  lassen. 

Die  bei  dieser  Gelegenheit  gefundenen  Glaswaren  sind  ^iber 
durchaus  nicht  die  ältesten  des  Pharaonenlandes.  Schon  in  den 
Gräbern  der  12.  Dynastie  (3050 — 2840  vor  Chr.)  sind  sie  nicht 
selten.  Ihre  Analvse  durch  Dr.  Russell  ergab  als  Bestandteile 
Kieselerde,  Kalk,  Alkali,  Ivohle  und  Kujiferkarbonate,  von  letz- 
teren 3"/„  in  hellem  Blaugrün  (Türkisblau)  und  2o'7o  '^"^  reichem 
Purpurblau  (Azurblau).  Die  grüne  Färbung  ist  durch  Eisen 
herxorgerufen.  welches  in  dem  zur  Glasbereitung  \'erwendeten 
vSande  last  immer  vorhanden  ist  und  die  daraus  gewonnene 
Kieselerde  blaugrün  färl)t.  Daher  haben  die  ordinären  Gläser 
Agy])tens  und  die  der  Antike  überhau])t  einen  stärkeren  oder 
schwächeren  .Stich  ins  Blaugrüne  oder  Grünliche.  Um  feineres 
Glas  herzustellen,  mußte  man  sich  bemühen  die  Mischung 
von  Eisen  zu  befreien.  1  leutzutage  verwendet  man  als  Entfär- 
bungsmittel Manganoxyde,  das  Altertum  dagegen  konnte  hierbei 
nur  empirisch  vorgehen.  Wie  ihm  die  Entfärbung  gelang,  war 
bisher  unbekannt,  man  vermutete  nur,  daß  man,  um  reines  Glas  zu 
erzeugen,  dm  Flußsand  durch  Ouarzsteine  ersetzte,  die  man  zu 
Puher  zerrieb.  Diese  Vermutung  wurde  durch  Petries  F\mde  be- 
stätigt. Von  einer  Fintfärbung  im  strengen  .Sinne  des  Wortes  kann 
man  eigentlich  niclit  sprechen,  richtiger  von  einem  Ersatz  des 
eisenhaltigen  .Sandes  durch  ein  reineres  Rohmaterial.  Der  ge- 
nannte F'orscher  zog  aus  den  Trümmern  einer  Glas  Werkstatt  in  Teil 


el  Amarna  das  Bruchstück  ciiK^r  T'fanne  hervor,  die  aui^enscheinhch 
im  Schmelzofen  ijeborsten  war,  che  sich  die  in  ihr  befindhche 
MisrliuiiL;'  xollkomnien  aufi^elclst  und  vereinig"!  hatte.  I)ic  Miscluniir 
enthielt  durch  die  ganze  Masse  \erteilte  Flocken  von  Kieselerde, 
kleine  Teilchen  von  zerstoßenen  Ouarzkieseln,  wie  sie  massenhaft 
in  der  Wüste  iJfefunden  werden,  wohin  sie  der  Xil  aus  den  süd- 
lichen Felsenberg'en  iinschwemmt.  I)ie  halbfertig'e  Fritte  hatte 
eine  violette  Farbe,  ein  Zeichen,  dall  sie  eisenfrei  war.  Die  Kohlen- 
säure im  Kalke  und  das  Alkali  waren  bereits  frei  ytnvorden  und 
hatten  jene  wi<'  einen  schwammigen  Te\g  aufg'etrieben.  W'eim 
die  Kieselsäure  läng"er  der  dlut  ausg"esetzt 
bliel).  \'erschwand  sie  allmählis^'  und  es  bil- 
deten sich  mehr  oder  wenig-er  flüssige  Silikate. 
Bei  starkem  Hitzegrade  wurden  diese  zu  einer 
teigartigen  blasse,  welche  leicht  feinere  Fär- 
bung annahm.  Man  ließ  sie  erstarren  und 
formte  aus  ihr  BUicke,  die  aufs  neue  unter 
Zusatz  färbender  Mineralien  im  Feuer  ge- 
schmolzen und  geglüht  wurden,  bis  sich  nach 
einiger  Zeit  durch  einen  bestimmt(^n  Hitze- 
grad die  gewünschte  Färbung  einstellte  und 
ein  weicher,  krystallinischer,  poröser  und 
brüchiger  Kuchen  entstand.  Kieselsteine  von  .\bb.  8.  VaseTutmosis  IV. 
weißem  Quarz  wurden  auch  in  die  Öfen   als  Aus  Theben. 

Unterlage    der    Pfannen    gelegt,    denn    man 

fand  zahlreiche  von  solchen,  an  deren  einer  Seite  Fritte  festsaß. 
vSie  dient<Mi  auch  als  Unterlage  der  zu  glasierenden  Gegen- 
stände und  sind  deshalb  tt^'lwfMse  mit  ht^runti^rgeflossener  grüner 
(ilasur  bedeckt.  Offenbar  hatten  sie  sowohl  den  Zweck  im 
Schmelzofen  eine  reine  Unterlage  herzustellen,  als  auch  den. 
nachdem  sie  durch  die  wiederholte  F.rhitzung  mürbe  geworden 
waren,  umso  leicht("r  Z(^rmahl(Mi  und  der  fritte  beigemischt  zu 
werden. 

Die  Pfannen  für  die  |-ritte  hatten  ungefähr  lo  engl.  Zoll 
Durchmesser  und  3  Zoll  Tief(\  Außer  ihnen  fand  man  in  den 
Abfällen  der  Schmelzöfen  zahlreiche  Bruchstücke  zvlindrischer 
Tonkrüge  von  etwa  7  Zoll  Durchmesser  und  5  Zoll  I  löhe.  Sie 
waren    mit  der  Mündung    nach   unten   in   den   <  )fen    gestellt,    um 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  2 


die  flachen  Pfannen  und  Glastiegel  über  dem  Feuer  zu  stützen. 
Blaug-rüne,  weiße,  schwarze  und  andersfarbig-e  Glasur  war  an 
ihnen  herabgeflossen  und  bildet  A'om  Boden  bis  zur  Mündung 
an   ihnen  Streifen.-^) 

Von  Schmelzöfen  für  Glasmalerei  ist  in  Teil  el  Amarna  kein 
Beispiel  vorhanden.  Ein  Ofen,  welcher  in  der  Nähe  einer  Glasur- 
fabrik gefunden  wurde,  diente  zum  Brennen  von  Kohlen,  die  in 
ihm  noch  massenhaft  vorhanden  waren,  während  Scherben  von 
Glas  oder  Ton  fehlten.  Er  bildet  ein  unregelmäßiges  Viereck 
von  43X57  engl.  Zoll,  dessen  Dach  zerstört  war."')  In  der  nörd- 
lichen Wand  befand  sich  eine  Öffnung  von  29X15  Zoll,  durch 
welche  der  Luftzug  eingelassen  wurde,  in  der  südlichen  eine 
solche  von  16X13  Zoll  zum  Abzüge  der  Gase.  Es  ist  möglich, 
daß  die  Glas-  und  Glasuröfen  ähnlich  angelegt  waren,  oder  daß 
man  einen  Ofen  zu  verschiedenen   Zwecken  benutzte. 

Der  Herstellungsprozeß  des  Glases  ließ  sich  genau  verfolgen. 
Die  Tiegel,  in  welchen  die  Rohmaterialien  geschmolzen  wurden, 
waren  tiefer  als  die  flachen  Frittenpfannen  oder  -Becken.  Ihre 
zapfenartige  Form  wird  durch  die  Umrisse  der  zahlreich  auf- 
gefundenen Glasschmelze  kenntlich,  welche  noch  die  vS])uren  der 
rauhen  Innenseite  des  Tiegels  und  selbst  kleine  Splitter  von 
diesem  zeigen,  während  die  obere  Fläche  glatt  geschmolzen  ist.  ^) 
Oft  ist  der  obere  Teil  aber  schaumig  und  wertlos,  was  durch  die 
während  des  Schmelzens  entweichende  Kohlensäure  verursacht 
ist.  Das  beweist,  daß  das  Material  in  diesen  Gefäßen  selbst  zu- 
sammengeschmolzen wurde:  wäre  die  Glasmasse  in  anderen 
Tiegeln  geschmolzen  und  in  jene  zu  abermaliger  Schmelze  ein- 
gefüllt worden,  so  hätte  sie  ganz  klar  werden  müssen.  Die  Art, 
wie  die  Glasmasse  aus  dem  Schmelztiegel  herausgelöst  wurde, 
zeigt  zugleich,  daß  sie  bis  zum  Erkalten  darin  stehen  blieb,  so  daß 
allmählich  der  Schaum  in  die  Höhe  stieg  und  der  Bodensatz 
sich  senkte,  etwa  in  der  Art.  wie  es  jetzt  bei  der  Herstellung 
optischer  (xläser  geschieht,  ^^"ürde  die  Glasmasse  in  flüssigem 
Zustande  ausgegossen  worden  sein,  so  hätte  man  keine  solchen 


')   Petrie,   a.  a.   O.    Abbildung  T.   XIII   62. 
-)  „  „  T.   XLII. 

■'')  „  „  T.  XIII  40. 


19 


festg-eformten  Zapfen  g-efunden,  sondern  eine  Menge  formlosen 
1  lartghises  (cast),  das  bisher  t^anz  fehlt.  Es  ist  daher  sicher,  daß 
man  die  Glasmasse  nach  dem  Schmelzen  in  dtMi  Ticg-chi  stt-htMi 
ließ,  bis  der  Ofen  erkaltet  war,  dann  die  festgewordenen  Blöcke 
aus  den  Tiegeln  herauslöste,  wobei  diese  gewöhnlich  zertrümmert 
worden  sein  mögen,  die  unlirauchbaren  Teile  der  Masse,  wie 
Schaum  und  Bodensatz  abschnitt  und  so  klare  Brocken  guten 
(rlases  zu  weiterer  Bearbeitung  erzielte.  Während  d(>r  Schmelze 
nahm  man  mit  einer  Pinzette  Proben  aus  den  Tiegeln,  um  die 
Beschaffenheit  und  Farl)('  zu  untersuchen.  \"iele  solcher  Prol)en, 
die  an  einem  Ende  den  P^indruck  eines  ab- 
gerundeten Stäbchens  zeigen,  sind  gleichfalls 
hier  gefunden  worden.  ^) 

Nachdem  man  so  Brocken  reinen  Glases 
gewonnen  hatte,  wurden  diese  zerkleinert  und 
abermals  durch  Hitze  erweicht.  In  diesem 
Zustande  legte  man  sie  auf  eine  glatte  Pkitte 
und  walzte  sie  in  diagonaler  Richtung  aus. 
Diese  Art  des  AX'alzens  von  Eck  zu  Eck  ver- 
hindert, daß  die  Masse  ungleichmäßig  dick 
wird,  was  leicht  vorkommt,  wenn  man  einen 
Teig  im  rechten  Winkel  ausrollt.  Ein  so 
behandelter  Teig  ist  nämlich  geneigt,  wie 
gehämmerte  Eisenstäbe  in  der  Mitte  hohl  zu 
werden,  da  die  Ränder  stärker  angespannt  j^bb.  9.  .A.us  dem  Grabe 
werden  als  das  übrige  und  infolgedessen  der  Amenophis' II.  in  Theben. 
Länge  nach  zu  platzen.     Wenn  man  aber  mit 

einem  diagonal  gelegten  Stabe  immer  nur  kurze  Strecken  rollt, 
hält  die  Masse  zusammen  und  sj)littert  nicht.  Man  kami  so  auch 
einen  kräftigeren  I)ruck  ausüben  und  selbst  kühler  und  darum 
zäher  gewordenes  Glas  bearbeiten,  ohne  Gefahr  /u  lauten,  daß 
der  Streifen  ungleichmäßig  werde.  Die  Anzeichen  des  diagonalen 
Rollens  sind  an   einzelnen  Stücken  deutlich  erkennbar.'") 

Die   durcli   diagonales    Rollen  hergestellten    Platten    wurden 
zu    Stiiben    ausgezogen,    noch    weiter    \'erflacht    imd    so    lineare 


1)  Petrie,  a.  a.  O.  Abbildung  T.  XIII  41,  42. 
-j  Petrie,   a.   a.   O.   Abbildung  T.   XIII   43. 


2* 


20 

vStreifen  oder  dünne  (jlasbänder  herg-estellt,  die  poliert  und 
zu  Einlag"en  benützt  wurden.  Auch  zu  Röhren  wurden  sie  ^■er- 
arbeitet:  auf  welche  Weise,  ist  nicht  i^"anz  sichergestellt,  wahr- 
scheinlich dadurch,  daß  man  Stäbe  so  lange  rollte,  bis  sie  durch 
Zentrifugalkraft  hohl  wurden.  Solche  Rohren  wurden  mitunter 
zur  Herstellung  \'on  (llasperlen  benützt,  indem  man  sie  in  kleine 
zylindrische  Stücke  schnitt.  Durch  Biegung  wurde  diese  Sorte 
von  Röhren  nicht  bearbeitet.  Die  weitere  Verwendung  des  so 
gewonnenen  Materials  wird  in  dem  folgenden  Abschnitte  ge- 
schildert werden. 

Deutliche  Reste  von  Gkisw^erkstätten  aus  der  römischen 
Kaiserzeit  sind  durch  die  Ausgrabungen  von  Wilderspool  bei 
Warrington,  unweit  des  Merseyflusses,  also  auf  dem  entgegen- 
gesetzten Punkte  der  antiken  Welt,  durch  die  Nachgrabungen 
von  Thomas  May  in  den  Jahren  1899  bis  1900  zu  Tage  ge- 
fördert worden.^)  \Vilders]iool  war  in  römischer  Zeit  kein 
Legionslager,  sondern  eine  civitas,  eine  befestigte  .Stadt,  der  Sitz 
einer  auf  verschiedenen  Gebieten  des  Handels  und  Gewerbes  tä- 
tigen Bevölkerung.  Deutlich  ist  in  dem  Orte  eine  von  Nord  nach 
Süd  führtMidr  llau])tstraße  zu  erkennen,  von  welcher  nach  Westen 
zwei  Seitenwege  mit  den  Resten  von  Straßenpflaster  abzweigen. 
Am  nördlichen  Teile  der  Straße  fand  man  in  der  Tiefe  von  zwei 
engl.  Fuß  drei  I^lattformen,  die  nur  wenige  Schritte  voneinander 
getrennt.  ])arallel  mit  deren  Richtung  lagen.  Jede  enthielt  zwei 
gleichartige  Schmelzöfen.-)  Zu  unterst  bestanden  die  Pkittformen 
aus  einer  Schichte  von  zermahlenem  Kies,  darauf  kam  eine  Lage 
von  Ziegelsteinen  und  schließlich  eine  solche  von  Lehm,  so  hoch, 
daß  sie  drei  Seiten  der  von  ihr  eingeschlossenen  Ofen  um  3  bis 
4  Zoll  überriigte  und  um  sie  einen  Ring  von  etwa  i  Fuß  Breite 
bildete.  FLine  gleich  starke  Lage  von  Ton  trennte  die  beiden 
nebeneinander  liegenden  Öfen.  In  den  Ofen  der  ersten  Platt- 
form befand  sich  in  der  Mitte  eine  ovale  Grube,  zu  welcher  von 
einer  Seite  eine  fächerförmig  erweiterte  Heiz-  oder  Stochöfifnung 


^)  Thomas  May,  excavalions  on  tlic  side  of  the  Romano-british  civitas  at 
Wilderspool,  years  1S99 — 1900.  A  papcr  read  beforc  the  Historie  society  of  Lan- 
cashire  and   Cheshire,    I5th   Nov.    1900.      Liverpool    1901. 

")   ibd.  T.   IX    1—3.      T.   III    3. 


21 

führte',  welche  die  l'mtassuii^Mnauer  tlurchth'aiiy"  und  außen  auf 
der  I'latttorm  in  einer  sori^'fältit;'  i^'emauerten  kreisrunden  Feuer- 
stelle sclilol).  Bei  dem  einen  (  )fen  war  an  der  entg"ejj"eng"esetzten 
Seite  in  einer  \va_i>-erechten  Richtunt^-  eine  kanalartig^e  Ausfluß- 
Öffnung;-  ani^-ebracht,  bei  dem  ^lnderen  g"iny  diese  rechtwinkelig^  zu 
der  Meizvorrichtuny  \-()n  einer  Seitenwand  aus.')  Die  beiden 
Feuerstellen  der  Xachbaröftni  waren  nicht  s^'anz  ,i.^"leich  in  der 
Anlag-e.  Die  des  (Mnen  ( )fens  bestand  aus  y^ebranntem  Ton,  der 
mit  21  einyesteiujx'lten  Kreisen  von  je  2^.2  Zoll  Durchmesser 
verziert    war.    die    des    andertMi    war    sort^-fältii;"    mit    .Stein])latten 


Abb.    10.      Fisch.    Glasmosaik.      Alexandrinisch.      Wien,   ( )sterr.   Museum. 

und  einem  t^rolien  Zieg'elstein  von  15X11  />oll  Umfani^-  und 
2^  ■>  Zoll  Dicke  bedeckt,  der  in  der  (rlut  i>"eborsten  war.  Offenbar 
dienten  die  beiden  Feuerstellen  zur  Frzeu^unt;-  verschiedener 
l]itzet,''rade.  Der  eine  .Schmelzofen  hatte  den  Grundriß  eines 
g-e wohnlichen  Backofens.  Nach  der  Dicke  und  der  roten  Farbe 
der  darin  b(^findlichen  Fehmmasse  und  d(^r  Menjj^e  \"on  Iriim- 
mern  mit  ixalkbtnvurf  die  ^]^^n  Pxxlen  l)etleckte.  war  er  ursprün^'- 
lich  überwölbt.  Der  andere  Ofen  scheint  tlazu  Ix^stimmt  i.^'-ewesen 
zu  sein  einen  Kessel  oder  Schmelztiei.;"el  zu  erhitzen.  .Schräi,»"  imter 
dem  Fußboden  der  ihm  \"oriJ"elasrerten  Feuerstelh^  Rini^"  ein 
röhrenförmiii'er  Kanal  von  0 — 7  Zoll  Durchmesser  hindurch,  der 
zug-leich  die  g-anze  Plattform  w  i(>  ein  Ivaninchenbau  umg^ab.  Fr 
begann    an   der   nordöstlichen  Fcke  an  einer   zweiten,   kleineren 


M  ibd.  T.  XI   2,   3. 


Feuerstelle  aus  gebranntem  Lehm  und  endig'te  an  der  entgeg'en- 
jjfesetzten  südwestlichen  Ecke  in  zwei  Ausgäng-en  in  einer  Plnt- 
fernung  von  über  32  Fuß.  Dieser  Kanal  war  noch  offen  und 
der  g-anzen  Ausdehnung  nach  von  Ruß  geschwärzt.  In  der  Nähe 
der  Ileizöffnung  des  zweiten  Schmelzofens  verbreiterte  er  sich 
in  eine  Kammer  von  einem  Ouadratfuß  Umfang,  die  mit  dem 
Bruchstücke  einer  großen,  fest  in  Lehm  eingebetteten  Amphora 
gewölbeartig  bedeckt  war. 

Die  beiden  Schmelzöfen  der  zweiten  TMattform  waren  von 
denen  der  ersten  in  der  Anlage  und  wohl  auch  in  der  Bestimmung 
x'erschieden.  Der  eine  war  flacher  als  die  früheren  und  fast 
viereckig:  \-or  seiner  Öffnung  war  eine  vSancKtcinplatte  von  7  Zoll 
Höhe  angebracht;  der  andere  hatte  eine  langgestreckte  ovale 
Grundform,  die  offenbar  nicht  zur  Aufnahme  eines  runden  Kessels 
oder  Schmelztiegels  bestimmt  war.  Eine  Menge  roten  Form- 
lelims,  mit  welchem  das  Innere  beider  gefüllt  war,  Pjruchstücke 
\on  verglastem  Ion,  die  mit  dem  Ik)den  xt^rschmolzen  waren, 
ein  Ring  \'on  weichem  Lehm  am  oberen  Rande,  von  welchem 
der  Kalkbewurf  des  Inneren  abgebröckelt  war,  lassen  darauf 
schließen,  daß  auch  sie  überwölbt  waren.  In  dem  zweiten  Ofen 
stellten  Zwischenböden  unter  der  Feuerstelle  drei  Abteilungen 
her.  Der  untere  dieser  Bö)den  war  mit  einer  2  Zoll  dicken  Lage 
von  Sand  und  Kies  bedeckt,  der  obere  mit  einer  2^  .,  Zoll  starken 
-Schichte  \on  Kohlen.  Gegen  die  Mitte  der  zweiten  Abteilung 
zu  gingen  zwei  Öffnungen  nach  der  darüber  gelegenen  Feuer- 
stelle, eine  dritte  führte  seitwärts  ins  Freie;  durch  alle  drei 
konnte  dem  Feuer  durch  einen  Blasebalg  verstärkte  Luft  zu- 
geführt werden.  Die  Zwischenböden  waren  angebracht,  um  \er- 
schiedene  I  litzegrade  zu  erzielen  mid  dabei  an  Heizmaterial  zu 
s])aren,  nicht  etwa  um  einen  schadhaft  gewordenen  durch  den 
anderen  zu  ersetzen,  denn  alle  befanden  sich  in  gutem  Zustande. 
Das  vStochloch  war  überwölbt  und  erweiterte  sich  nach  außen. 
Da\'or  stand  ein  gut  gebauter  Herd  aus  gebranntem  Ton,  beinahe 
halbkreisförmig,  2  Fuß  4  Zoll  im  Durchmesser.  V\w  ihn  war  in 
gleicher  I  h'ihe  eine  Lage  feinen  weißen  Sandes  aufgeschichtet, 
wie  man  ihn  in  den  benachbarten  Feldern  reichlich  antrifft 
und  in  früheren  Jahren  in  Warrington  zur  ( ilasbereitung  ver- 
wendete. 


23 


Von  ovaler  ( irundfonn  Wcireii  auch  die  beiden  <  )t"en  der 
dritten  I^lattform.  Je  ein(^  hall)kreisf(")rmijre  Feuerstelle  aus  i^e- 
branntem  Ton  lag-  symmetrisch  \or  ihren  beiden  ÖfFnunijfen  und 
war   sjfleichfalls    mit    eins^-epri^ßten    rins^arti^-en    Rosetten    verziert. 

Auf  der  zweiten  Plattform  und  in  unmittelbarer  Xähe  der 
dritten  fanden  sich  unter  aiulert^n  foljjfiMide  (ie^g-enstände:  Hin 
silberner  Konsulardenar  des  iVug'ustus.  b'juc  IVonzemünze  Traians. 
Die  Scherbt^  eint^s  Sij^illatabechers  zylindrischer  bOrm  mit  scMik- 
rechter  W'aiuluns^-.  darauf  eine  Keliefh^"ur  der  Miner\a.  Eine 
Scherbe  \on  ojiakschwarzem,  d(Mn 
übsidian  ähnlichem  Glase  von  kon- 
vexer Form,  wohl  von  einer  Flasche. 
Eine  Glasj^erle  von  s])här()idischer 
(jestalt,  i^oZoll  Durchmesser,  4'.,  Zoll 
Umfantif,  mit  Bohrloch,  der  e^rün- 
lich  durchscheinende  Grund  mit  drei 
Reifen  g-eschmückt,  von  welchtMi  der 
mittlere  aus  einem  lichtblauen  vmd 
weißen  Faden  zusammentifedreht  ist, 
während  die  beiden  anderen  o] jak- 
weiß sind.  Zwei  streifenförmisj-e  Stücke 
von  o])akweißem  Glasschmelz.  ¥Än 
formloser  Klumjien  Kupfer,  i^/«  Unzen 
schwer.  Zwei  ung^efähr  viereckig^e 
Stücke  von  Blei.  Ein  Klumpen  Kalk, 
etwa  ein  Pfund  schwer,  unmittelbar 
über  einem  vSchmelzofen  festklebend. 
Alle      drei     g^enannten     Materialien, 

welche  an  derselben   Stelh^  zum   \'orscheine  kamen,    an    welcher 
der  wt^iße  Sand  aufg"ehäuft   war.   dienen   zur  ( ilasl)ereitung\ 

In  dem  geschwärzt(m  Boden  an  der  Südseite  d(^r  ersten 
Plattform  fand  man,  nur  wenig^e  Fuß  entft^rnt,  zahlreiche  römische 
i'berreste,  besonders  Scherben  xon  (iläNern,  darunter  eine  drei- 
eckig-e  Sch(^rbe  von  g^rünlich  durchsichtig-em  Gkise,  in  einer 
Form  g-eblasen,  mit  dem  Inschriftreste  AL  in  Relief,  der  als 
VALI^  zu  (»rg-änzen  ist.  Das  Wort  lüldett^  die  Überschrift  der 
Reliefdarstellung  (ünes  ^Vag■enrennen^  mul  stand,  nach  gewissen 
Spuren  zu   schließen,  zu   J  iäu])ten  der  Gestalt  eines  der  drei   im 


Abb.    II-     Aniphoriske.     Ägyptisch. 
Sammlung    von    Bissing,    München. 


24 

\Vett.spit4('  unterleg-enen  Wag-enlenker.  ^)  Ferner  ein  Stück  einer 
gedrehten  Stange  aus  farblos  durchsichtigem  Krystiillglase  von 
etwa  zwei  Zoll  Länge,  das  May  für  den  Überrest  eines  vStabes 
von  ungefähr  einem  Fuß  Länge  und  einem  runden  Abschluß- 
knojife  hält,  wie  ihn  römische  Beamte  als  .Vbzeichen  ihrer 
Würde  trugen.  Leider  ging  das  Stück  verloren,  dafür  fand 
man  ^lber  nachträglich  ein  ähnliches  in  der  Nähe,  das  im 
Museum  von  Warrington  verwahrt  wird.")  Drei  Glasbrocken 
regelloser  Form  von  drei  verschiedenen  Sorten:  (rewöhnliches 
grünlich-durchsichtiges,  opak-weißes  und  reines  durchsichtig-farb- 
loses sogenanntes  Krystallglas,  jeder  etwa  eine  l'nze  schwer. 
Zwei  Brocken  gewöhnlichen  grünlich -durchsichtigen  Glases, 
aus  der  Schmelzmasse  herausgebrochen.  Line  kleine  flach- 
runde Glasperle,  dunkelgrün-opak  ^/^  Zoll  Durchmesser,  ^/^  Zoll 
hoch.  Eine  dreieckige  vScherbe  olivgrünen.  trül)en  Glases  von 
der  Bauchung  eines  Gefäßes.  Line  vScherbe  von  hellgrün 
durchsichtigem  Glase  vom  Rande  einer  Schale.  Verschiedene 
Scherben  von  Seiten-  und  Fußteilen  viereckiger  und  runder 
Gefäße  aus  bläulich-grünem  durchsichtigem  (ilase,  wahrschein- 
lich von  Aschenurnen.  Ein  kleines  Stück  opak -blauer  Glas- 
oder Emailpaste.  Zahlreiche  Streifen  und  Stücke  von  Bleiplatten, 
sowie  ein  Bleigewicht  mit  der  eingekratzten  Zahl  XIIII.  Klumpen 
von  Tuffsteinen  iius  der  llauptfundstätte,  dem  Brohltale  in  der 
Eifel.  Eine  Bronzemünze  Traians.  Ein  Klumpen  von  Fritte  aus 
weißlich  opaker  Masse,  die  mit  viel  Lehm  verbunden  war  und 
wahrscheinlich  den  Bodensatz  eines  zerbrochenen  Schmelztiegels 
bildete.  D^is  Blei  war  tils  Zusatz  zur  Glasmasse,  zur  Herstellung 
des  feinen  Krystallglases  bestimmt,  welches  in  der  Regel  durch 
Gravierung  und  Schliff  \erziert  wurde.  Zahlreiche  Bruchstücke 
beweisen,  daß  diese  Techniken  auch  hier  gepflegt  wurden.  Sie 
stammen  von  Bechern,  Flaschen  und  anderen  (iefäßen  mit  senk- 
rechten zylindrischen  Wandungen  und  sind  häufig  mit  ovalen 
Hohlschliffen,  bei 'einem  Stücke  mit  tief  eingeschnittenem  Rauten- 

^)  L'ber  die  Becher  mit  Wagenrennen  und  Zirkusszenen  s.  Abschnitt  IX  ,, Ge- 
formte Gläser".  Sie  sind  ferner  ausführlich  behandelt  von  Schuermans,  Verres  ä  courses 
de  chars  (de  Couvin)  Namur  1S93;  von  Roach  Smith,  Illustrations  of  roman  London 
S.  122;  ders.  Collect,  antiq.  II  16;  ders.  Catalogue  of  the  museum  of  London  anti- 
quities  S.  48.      A.   Hartshorne,   Old   English   glasscs   S.    11    u.   a. 

")   Vgl.   die  Bemerkung  über  die  in  Rümergräbern  gefundenen  Glasstäbe  Seite  15. 


25 


Illuster  fiissettiert:  \on  den  Rauten  ist  nur  eine  ])oliert.  wäh- 
rend die  andereii  ruuli  stehen  i»-eblieben  sind.  Dasdefäß  hatte 
vielleicht  widirend  der  BearlieituuL;"  einen  S])runj^"  bekommen 
und  wurde  als  miliraten  zum  Abfalle  i>'eworfen:  das  sjiricht 
wiederum  dafür.  daP)  die  Bearbeitung  sich  unmittelbar  an  die 
Sehmelzw  t^rkstätten   anschloß. 

Die  Stelluni^-  der  1  lenh"  innerhalb  des  Umkreises  der  Platt- 
formen und  die  Anlai^-e  eines  besonderen  initer- 
irdischen  K anales  für  Mrhit/.ungsz wecke  unter  der 
zweittMi  Plattform 
machen  es  unmöi4'- 
lich.  etwa  an  die 
Zentralt^rube  eines 
kanalisierten  I  lypo- 
caustums  zudenken. 
Wenn  man  die  Mt>n- 
yen  feintMi  weißen 
Sandt\s  berücksich- 
tigt, die  noch  jetzt 
auf  der  zweiten 
TMattforni  aufsre- 
hduft  waren  und 
in  Krwä^-unj^'  zieht, 
daß  auch  aus  Werk- 
stätten an  der  Xord- 
seite  desbefestii»"ten 

Umkreises  der  civitas  i^rolje  MtMii^'en  von  (rlasscherben  hervor- 
i,'"et>'ang"en  sind,  während  Tojifscherben  'üfanz  fehlen,  muß  man  zu 
der  C'berzeu;yuni^-  i^-(daniL;-en.  daß)  sämtliche  Ofen  zur  (ilasbereitunj;^ 
iredient  haben.  Auch  früher,  bereits  ]^()()  uiul  \Sjo  w^iren  in 
benachbarten  Sandg"rid)en  zahlreiche  reimische  Glasscherben  zum 
Vorscheine  fjfekommen,  auln'r  ihnen  auch  das  Bruchstück  eines 
.SchmelztieL>-els  aus  bräunlichem  feuerfestem  Ton,  das  im  hmeren 
Abla^'eruuLj'en    von    a/ur])laueni    und    i^'elbem    (ilasßussc    zeij^'te. 

Die  Funde  von  \\'ilders])ool  sind  um  so  bedeutsamer,  ^ds 
sie  die  einzi^i^en  verhältnismäßig  ij'ut  erhaltencMi  Überreste  antiker 
Glas-.Sr]inielz(ifen  darstellen,  die  man  überall  andc^rswo  aus  Un- 
kenntnis  oder    Unachtsamkeit  zerstört  hat.      Sie  tj-eben  xon  eintMii 


Abb.    12.      -ägyptische   Balsamarien   in    \cr|)ackung. 


26 

ansehnlichen  und  vielseitigen  Betriebe  Zeugnis,  der  sowohl  or- 
dinäre grünliche  Gebrauchsware,  wie  feines  Krystallglas ,  farb- 
loses und  farbiges  umfaßte,  die  Dekoration  mit  farbigen  Auflagen, 
wie  Gravierung  und  Schliff  pflegte,  außer  Gefäßen  auch  Schmuck- 
perlen herstellte.  Mit  der  Beschreibung  des  Heraclius  sind  die 
Schmelzöfen  allerdings  nicht  in  allen  Punkten  in  Übereinstim- 
mung zu  bringen,  namentlich  ist  die  Dreiteilung  fallen  gelassen 
und  durch  eine  Trennung  in  mehrere  selbständig  tätige  Öfen 
ersetzt,  deren  Hitzegrad  beliebig  eingerichtet  werden  konnte. 
Aber  je  nach  der  Art  und  dem  Umfange  des  Betriebes  werden 
provinzielle  Unterschiede  in  dem  weiten  Bereiche  der  antiken 
Welt  ebenso  stattgefunden  haben,  wie  im  Laufe  der  Zeit  allmäh- 
liche Veränderungen  und  Verbesserungen.  Die  Trennung  der 
(jfen  erinnert  deutlich  an  die  oben  zitierte  Beschreibung  des 
Theophilus,  der  einen  Werkofen,  einen  Kühlofen  und  einen  Aus- 
breitofen unterscheidet.  Die  Wölbung  finden  wir  auch  hier,  der 
kreisförmige  Grundriß  ist  durch  den  ovalen,  in  einem  Falle  durch 
den  rechteckigen  ersetzt,  den  wir  auch  in  Teil  el  Amarna  ange- 
troffen haben.  Wie  dort  wurde. die  Schmelzung  der  Rohmate- 
rialien in  zwei  St^idien  vorgenommen.  Zuerst  wurden  diese  in 
.Schmelztiegeln  gemischt  und  auf  den  kleineren  Feuerstellen  in 
Fluß  gebracht:  dann  ließ  man  die  Masse  erkalten,  e-ntfernte  den 
Schaum  und  den  Bodensatz,  zerbröckelte  das  Übrige  und  schmolz 
e.'>  in  den  Ofen  von  neuem.  Einzelne  \"on  diesen  mögen  zur 
Herstellung  bestimmter  (xlassorten  verwendet  worden  sein,  so 
jener  der  ersten  Plattform,  bei  welchem  man  zahlreiche  Stücke 
von  Blei  fand,  zur  llerstellung  von  Krystallglas,  andere  zur  Er- 
zeugung farbiger  Gläser  und  zur  Verzierung  farbloser  mit  far- 
bigen Nu}:)])en  und  Fäden.  Aber  weder  der  Ofen  der  zweiten 
Plattform  mit  flacher  viereckiger  Basis,  noch  jener  mit  der  lang- 
gestreckt ovalen  scheinen  zur  Aufnahme  \on  Schmelztiegeln 
bestimmt  gewesen  zu  sein,  sondern  zu  der  von  halb  vollendeten 
Waren,  die  hier  einem  bestimmten  I  litzegrade  ausgesetzt  wurden, 
um  weiter  bearbeitet  zu  werden.  Die  Steinplatte  vor  dem  ersten 
Ofen  diente  gleichfalls  zu  weiterer  Bearbeitung,  zum  Rollen  ge- 
blasener Gefäße,  zum  Plätten  und  Ausziehen,  zum  Auftropfen, 
Pressen,  sowie  zur  vollkommenen  Abkühlung  fertiger  Erzeug- 
nisse.    Der  große  Kanid,  der  die  Plattformen  durchzog,  hielt  das 


27 


Abb.    13. 


28 

g'anze  vSystem  in  einer  ^"leichmälMiJfen  Temj^eratur,  welche  in  den 
einzelnen  Ofen  nach  Bedarf  gesteigert  wurde.  Eine  gleichmäßige 
Temperatur  war  aber  besonders  für  die  weitere  dekorative  Be- 
handlung der  bereits  in  den  Grundformen  fertig  gestellten 
Gegenstände  von  großem  \"orteile.  Zur  Regulierung  diente 
auch  der  dreiteilige  ()fen,  in  dessen  Fächern  die  (xläser  ver- 
schiedenen Hitzegraden  ausgesetzt  waren  und  allmählich  er- 
kalten konnten,  indem  man  sie  aus  den  wärmeren  Abteilungen 
mit  einer  hölzernen  .Schaufel  in  eint^  kühlere  und  schließlich 
auf  die  äußere  Plattform  in  freie  Luft,  bez.  in  die  Wohnungs- 
temperatur übertrug.  Wir  müssen  ja  wohl  annehmen,  daß  die 
drei  Plattformen  mit  den  .Schmelzöfen  sich  innerhalb  eines  Ge- 
bäudes, vielleicht  eines  Fachwerkbaues  befanden,  von  dem  sich 
keine  Spuren  mehr  erbrüten  haben.  P>st  dann  gewinnt  der 
unterirdische  I4eizungskanal  seine  richtige  Bedeutung. 

Die  Fund(^  beweisen,  daß  man  in  Wilders])Ool  auch  Glas- 
perlen herstellte,  obwohl  dieser  bei  den  Barbaren  des  Nordens 
ebenso  wie  bei  den  Negern  der  Ost-  und  Westküsten  Afrikas 
geschätzte  .Schmuck  in  überwiegenden  Massen  aus  der  großen 
Weltindustriestadt  Alexandrien  eingeführt  wurde.  Mögen  auch 
sehr  \'iele  der  in  giillisch- rheinischen  luid  l^ritannischen  Glas- 
werkstätten gefundenen  Perlen  von  solchem  Imjiort  her- 
rühren, so  gibt  es  doch  für  eine  Nachahmung  dieser  fremden 
Muster  Beweisstücke  genug.  Dazu  gehören  die  aufgefundenen 
farbigen  Pasten,  die  man  gdeichfalls  aus  Alexandrien,  aber  auch 
aus  Italien,  Belgica  und  anderen  gallisclK^n  Pjetrieben  bezog.  Aus 
ihnen  wurden  die  farbigen  Glasjierlen  selbst  hergestellt  oder  die 
Päden  gezogen,  mit  welchen  man  farblose  Perlen  schmückte. 
Daß  man  auch  Filigranglas  herstellte,  scheint  jene  Perle  zu  er- 
geben, die  mit  einem  blau-weißen  zusammengedrehten  Reif  um- 
wickelt ist.  Neben  Gravierung  und  Schliff  \'erstand  man  sich 
auch  auf  das  Blasen  in  Ilohlformen,  wie  das  Bruchstück  eines 
Bechers  mit  dem  Reliefeines  Wagenrennens  ergibt.  D^is  würde 
Schuermans'  Vermutung  aufs  neue  bestätigen,  daß  diese  .Sorte 
von  Gläsern  außer  dem  nördlichen  Gallien  in  Britannien  selbst 
eine  Heimat  gefunden  habe. 

Im  allgemeinen  hat  der  Glasofen  bis  auf  die  neuere  Zeit 
keine  erheblichen  Wandlungen  durchgemacht.     Die  älteste  Ab- 


29 


bikluny"  eines  sol- 
chen in  Ai^ricol.is 
Buche:  „De  re  ine- 
talhca"  cius  dein 
XVI.  Jahrh.  stimmt 
noch  mit  der  Be- 
schreibung- des  1  le- 
racHus  überein^).  vSic 
zeig"t  einen  Aufbau 
in  Form  eines  ei- 
runden Bienenkor- 
bes, welcher  in  drei 
Stockwerke  g^eteilt 
ist,  wie  ein  jrewcihn- 
licher  Zieg-elofen. 
Die  oberste  Kam- 
mer, 6  F'uT)  lan«^-, 
4  breit  und  2  hoch, 
hat  an  einer  Seite 
eine  ( )ffnuny'.  durch 
welche  das  gepul- 
\'erte  Rohmaterial, 
Kieselerde  und  Al- 
kali, in  Tiei>-(4n 
einem  P'euer  aus 
trockenem  I  lol/e 
ausg-esetzt  wurde, 
um  zu  schmidzen 
undsich  in  Klumjien 
unreiner  Masse  zu 
verwandeln.  Nach- 
dem diese  erkaltet 
waren,  wurden  sie 
zerbrochen,  die  un- 
brauchbaren St  ücke 


M-W;CELERINV 
PAPIRJA- ASTIG  1 
CIVIS-AGRIPPINE 
VETEK:LEGX-GPF 
VIVOS-FECIT-SII 
ET-MAR-CIAE-PRO 

CVLAE-VXORl 


^ 


n-^^i^ 


Ahli.  14.  (irabstrin  des  M.  \  alcrjus  Celcrinus  ;ius  Astigis  in 
Spaniin,  Bürgers  von  Köln,  Veteranen  der  X.  Legion  und 
seiner  G.iltin  Marcia  l'rocula.    Köln,  Mus.jWallraf-Ricliartz. 


^)   .Agricola,   de   re   mctallica  lib.  IX.  p.  337  —  339.     Die  Abbildung  seines  Glas- 
ofens ist  Seite  37   dieses   Werkes   wiedergcgel.cn. 


30 

entfernt  und  die  übrigen  in  Pfannen  aus  feuerfestem  Ton  in  der 
zweiten  Abteilung  des  Ofens,  dem  sogen.  Sitze,  abermals  zum 
Schmelzen  gebracht.  Dieser  war  mit  der  oberen  durch  eine  vier- 
eckige Öffnung  im  Zwischenboden  verbunden,  während  eine  an- 
dere, runde  Öffnung  von  ihm  nach  abwärts  führte  und  die  Hitze, 
freilich  bereits  in  vermindertem  Grade,  nach  der  untersten  Ab- 
teilung leitete,  in  welcher  halb-  oder  ganz  vollendete  Glasgefäße 
aufgestellt  wurden,  teils  um  sie  während  der  Arbeit  neu  anzu- 
wärmen, teils  um   sie  abzukühlen. 

Die  moderne  Glasindustrie  verfügt  seit  der  Erfindung  der 
Siemensschen  Gasfeuerung  über  einen  außerordentlich  hohen 
Hitzegrad  und  über  gewaltige  technische  Hilfemittel  aller  Art. 
In  einfacheren  Betrieben  verwendet  man  aber  immer  noch  den 
sogen.  Krippenschmelzofen,  der  den  älteren  verwandt  ist.  Es 
ist  ein  viereckiger  Aufbau  aus  Ziegeln,  durch  dessen  Vorder- 
seite zylindrische  Röhren  von  verschiedener  Länge  eingeführt 
sind,  die  aus  feuerfestem  Ton  bestehen,  9 — 10  engl.  Zoll  Durch- 
messer bei  einer  Wandungsdicke  von  2  Zoll  haben  und  schräge 
liegen,  damit  man  leichter  durch  sie  hineinsehen  und  hintünlangen 
kann.  Das  Eeuer  wird  durch  eine  kleine  C)ffnung  im  Boden  ein- 
geführt und  spielt  von  allen  Seiten  um  die  Schmelztiegel,  die  im 
Inneren  der  Krippe  aufgestellt  sind.  I)(^r  Luftzug  wird  dadurch 
erzielt,  daß  man  von  der  oberen  Sjütze  der  Kri}){)e  einen  Kanal 
zur  Feuerstelle  führt. 


II. 


Die  Glasarbeit  in  Ägypten  und  im  alten 

Oriente. 


Die  Glasarbeit  in  Ägypten  und  im  alten  Oriente. 

Ägypten. 

Der  ]  Jauptbest;ui(lt(Nl  des  Glases,  der  Kiessand,  kommt  nur 
an  weniiren  Orten  in  entsprechender  Reinheit  \or.  F.he  man 
das  \"erfahren  gefunden  hatte,  die  störenden  Beimengung-en  zu 
tMitfernen,  bez.  den  Kiessand  durch  den  eisenfreien  Ouarzkiesel 
zu  ersetzen,  war  die  Glasmacherei  naturgemäß  an  diese  wenigen 
Orte  und  deren  nähere  Umgebung  gebunden.  In  erster  Linie 
waren  es  die  Ufer  des  Xil  und  die  des  Bckis  in  Phönizien.  ])ru 
Alten  g£Üt  das  seefahrende  llandelsvolk  an  der  syrischen  Küste 
als  PZrfinder  des  Glases.  Phönizische  Schiffer,  so  heißt  es  bei 
Plinius,  wollten  sich  am  Meeresufer  eine  Mahlzeit  bereiten.  Da 
sie  keine  Steine  fanden  um  den  Kochkessel  daraufzusetzen, 
nahmen  sie  vStücke  Sodas  \'on  der  Schiffsladung  und  machten 
sich  daraus  einen  lierd  zurecht.  In  dt^r  Glut  des  I  lolzfeuers 
habe  sich  die  Soda  mit  dem  darunter  liegendem  Sande  \ermischt 
und  so  wäre  zufällig  zum  ersten  Male  Glas  entstanden.  Dies  ist 
aber  technisch  unmöglich,  weil  das  gewöhnliche  1  lerdfeuer  zum 
Schmelzen  xon  Sand  und  Soda  nicht  ausreiclit:  hierzu  ist  eine 
Hitze  \on  looo — 1200  Zentigraden  nötig.  Auch  daß  am  Meeres- 
ufer .Steine  gefehlt  haben  sollen,  klingt  sehr  unglaubwürdig. 
Trotzdem  haben  einige  Forscher,  namentlich  L'roehner^),  \on 
der  Anekdote  etwas  für  die  Phönizier  zu  retten  \ersu(iu.  indem 
sie  diesen  zuerst  di(^  AnwtMidung  eines  mineralischen  Alkalis  an 
Stelle  d(\s  früher  ausschließlich  üblichen  \(\yetabilisch(m,  die  des 
Saljieters    als    l-lullmitlel.    /usehrieben.      I  )ie    X'i'ilker.    welche    das 


^)   l-"roehner,   a.   a.   O.   S.   3. 
Kisa,  Das  Glas  im  .^Iterlunie. 


34 

Glas  vor  den  Phöniziern  kannten,  hatten  als  Fluljmittel  nur  die 
Pottasche,  ein  \'eg"etabilisches,  durch  Verbrennung-  von  Pflanzen- 
asche gewonnenes  Alkali  verwendet.  Dergleichen  glaubten  sie 
nämlich  als  historischen  Kern  der  vSage  herausschälen  zu  können. 
Zugleich  war  damit  ausgesprochen,  daß  den  Phöniziern  durch 
dieses  mineralische  Alkali  die  Herstellung  eines  farblos-durchsich- 
tigen Glases  anstatt  des  bisherigen  unreinen  gelungen  sei,  eines 
Glases,  wie  es  sich  zur  Behandlung  mit  der  Pfeife,  als  geblasenes 
Glas  eigne.  Diese  Ansicht  ist  aber  vom  Standpunkte  des  Tech- 
nikers aus  unhaltbar.  Wenn  die  Phönizier  auch  tatsächlich  zuerst 
Soda  als  Flußmittel  benutzt  hätten,  so  würde  darin  doch  kein 
technischer  Fortscliritt  liegen,  weil  es  ganz  gleichgültig  ist,  ob 
Pottasche  (Kali)  oder  .Salpeter  (Natrium,  Soda)  zum  Schmelzen 
verwendet  wird.  Man  kann  auf  beide  Art  gleich  gutes  durch- 
sichtiges, farbloses  Glas  herstellen.  Die  Reinheit  hängt  nicht 
sowohl  vom  Flußmittel  als  von  der  zur  Schmelze  verwendeten 
Kieselerde  ab.  Damit  fällt  auch  Froehners  Annahme,  daß  den 
Phöniziern  die  PLrfmdung  des  farblos-durchsichtigen  Glases  zuzu- 
schreiben sei.-^) 

Die  ältesten  Spuren  des  Glases  führen  uns  unzweifelhaft 
in  diis  Pharaonenland.  Sie  reichen  hier  bis  in  das  IV.  Jidir- 
tausend  vor  Chr.  zurück,  wenn  auch  damals  die  Bearbeitung  mit 
der  Pfeife,  das  Blasen  des  Glases,  noch  nicht  bekannt  war,  wie 
man  bisher  nach  den  der  12.  Dynastie  angehörigen  Darstellungen 
von  Beni  Hasan  umgenommen  hat.  Diese  zeigen  Szenen  aus  dem 
Leben  eines  Beamten  des  Pharao  Usertesen  I.  und  kommen 
ganz  gleich  oder  ähnlich  auch  in  anderen  Gräbern  des  mittleren 
und  neuen  Reiches  sehr  häufig  vor.")  (Abb.  i.)  Unmöglich  ist  es  sie 
auf  das  Glasblasen  zu  deuten,  da  man  aus  dieser  Zeit  noch  keine 
geblasenen  Gläser  gefunden  hat.    F.  L.  Griffith  hat  Aielmehr  nach- 


^)  Diese  wird  besonders  von  Carl  Friedrich,  Bonner  Jahrb.  74,  S.  164  bei 
Besprechung  des  Froehnerschen  Werkes  scharf  bekämpft. 

^)  Fig.  I  nach  Maspero,  archeologie  egyptienne  S.  247.  Perrot  und  Chipiez, 
histoire  de  l'art  dans  l'anticjuite  I  829,  III  933.  deutsche  Ausgabe  S.  763.  Lepsius, 
Denkmäler  aus  Aegypten  und  Aethiopien  II  13.  Wilkinson,  manners  and  customs  II  2, 
140.  Brugsch,  Wörterbuch  VII  1187.  Steindorff,  das  Kunstgewerbe  der  alten  Aegypter 
S.  10  Gerspach,  verrerie  antique  S.  9.  —  Vgl.  auch  v.  Bissing,  recueil  des  travaux  28, 
S.   20. 


35 


^rt'wit'sen,  cUilj  das  bi'malte  Relict  von  Bcui  Hasan,  d^is  sich  an 
der  nördlichen  Seite  der  Westm^iuer  des  ( jrabes  II  befindet,  wie 
g-ewöhnlicli  mit  I )arstellung'en  des  Aletallwägens  verbunden  sei 
und  zu  einer  größeren  Folge  \'on  Szenen  gehöre,  welche  die 
verschiedenen  .Stadien  der  Metallbearbeitung  schildern/)  Es 
Z(Mgt  das  Au>l)lastMi  des  Schmelzofens  um  darin  Metall  zu  er- 
hitzen. Die  beiden  Männer  blasen  zu  diesem  Zwecke  die  Mammen 
mit  sehr  dünnen  und  langen  Röhren  primitiver  Art  an.  die  aus 
Metall  geformt  imd  an  der 
Spitze,  um  diese  xor  dem 
Feuer  zu  schützen,  mit 
(Mner  birnförmigen  ilülk' 
feuerfestenTones  umgebtMi 
sind.  Die  helle  grünlich- 
graue Farbe  des  Tones 
sowie  der  ^\'ände  des 
-Schmelzofens  hat  manches 
dazu  beigetragen,  daß  man 
die  I  lüUefür  eine  Glasblase 
ansali.  (ileiche  Szenen  wie- 
derholen sich  in  den  Gräbern  der  iS.  Dynastie  (ca.  lOoo  bis 
1368),  wie  z.  P).  in  dem  des  Rechmara  in  Theben,  doch 
^ind  hier  die  Blasen  nicht  grünlich  sondern  gelb,  was  noch 
deutlicher  auf  Metall  hinweist.  Andere  ähnliche  Darstellungen 
sieht  man  in  Gräbern  des  alten  Reiches  auf  der  Hoch- 
ebene \-on  Sakkarah.  welche  der  vierten,  xielleicht  der  dritten 
Dxnastie  angehören.-)  Bei  dem  \^ergleiche  der  älter(Mi  Dar- 
stellungen mit  solchen  aus  späterer  Zeit  findet  man  bereits  grol'je 
Fortschritte  in  der  Technik,  die  in  PicTii  1  hisan  genau  dieselbe 
ist.  wi(^  man  sit>  noch  heute  bei  den  kleinen  Metallarbeitern  In- 
diens beobachten  kann.  Anstatt  allein  ihre  Lungen  anzustrengen, 
haben  die  späteriMi  Arlx-iter  bereits  Blasebälge  eingerichtet,  die 
mit   dem    huße   betrii"l)en    werden,   so   daß   ein   starkt^r   Zug    durch 


Abb.    15.      Tragegestell    für  Lagonen. 
Museum  von   Xeapel. 


^)  L.  öritfith,  archeological  survcy  of  F.gypt.  Beni  Hasan,  pari.  IV.  Die 
früher  für  Glasbläserei  gehaltene  Szene  ist  in  Farbendruck  auf  T.  XX  wiedergegeben 
und  im  Texte  S.  6  f.  beschrieben. 

-)  Sauzay,  les  merveilles  de  la  verrerie  S.  5.  Lepsius,  Denkmäler  11  13,  49. 
Brugsch,   die  ägypt.   Gräbcrwelt  S.    24. 


36 

ein  daneben  befestisj-tes  Rohr  in  das  Feuer  g-eleitet  wird.  Die 
bloße  Pfeife  wird  allerdiniJfs  noch  benützt,  jedoch  nur  für  kleinere 
und  feinere  Arbeiten.  In  der  26.  saitischen  Dynastie  (666 — 525) 
wurden  die  alten  Darstellungen  in  den  Gräbern  kopiert,  darunter 
auch  mehrmals  die  von  Beni  Hasan  und  andere  Szenen  von 
Metallbearbeitung-.  Dagegen  fehlen  solche  von  Glasbläserei  auch 
in  dieser  Periode  noch  ganz.  Offenbar  war  das  geblasene  Glas 
selbst  im   VI.  Jahrh.  vor  Chr.  noch  unbekannt. 

Zum  ersten  Alah^  tritt  uns  eine  glasartige  Substanz  in  der 
Ausstattung  eines  hölzernen  Kästchens  im  Ashmolean-Museum  zu 
Oxford  entgegen,  das  aus  der  Sammlung  Amelineau  stannnt 
und  der  i.  Dynastie  angehört.  Es  enthält  Einlagen  aus  grün- 
blauer Fayence  und  eine  schwarze  Glasperle:  \-ielleicht  ist 
auch  die  grünblaue  Masse  besser  als  (jlaspaste  zu  bezeichnen. 
Auf  dasselbe  ehrwürdige  Alter  darf  ein  Fayenceplättchen  in 
demselben  Museum  zurückblicken,  in  welches  eine  schwarze,  fast 
undurchsichtige  Glaseinlage  in  Gestalt  einer  8  eingelassen  ist. 
D^mn  kommen  xereinzelt  Glasperlen  schon  im  alten  und  mitt- 
leren Reiche  vor:  eine  grünliche,  ungefärbte  Perle  \-on  runder, 
nur  an  den  Durchbohrungsstellen  abge])latteter  P^orm  trägt  den 
Namen  Amenophis'  1.') 

Die  Glasfunde,  welche  bis  in  die  11.  Dynastie  (3050  bis 
2S40),  bis  zur  Erliebung  Thebens,  der  „Gottesstadt",  zur  Resi- 
denz und  früher  hinaufreichen,  zeigen  uns  eine  undurchsichtige 
Masse  von  lebhafter,  oft  glänzender  Farbe,  die  in  teigartig 
weichem  Zustande  mit  freier  Hand  zu  Gefäßen,  Perlen,  Amu- 
letten, künstlichen  Edelsteinen  mit  Reliefschmuck  oder  glatter 
Hache,  zu  Ringen,  Halsketten,  Anhängern,  Zierbändern,  Gehängen 
in  Form  von  tierischen  und  menschlichen  Figuren  sowie  \'er- 
schiedenen  Gegenständen,  zu  Einlagen  und  Auflagen  in  Form 
von  Hieroglyphen  und  Ornamenten  u.  a.  verwendet  wurde.  In 
dieser  ersten  und  ältesten  Periode  der  (jlasindustrie  diente  die 
durch  Schmelzprozeß  gewonnene  Pasta  durchweg  zur  Nachbil- 
dung farbiger  Edelsteine  und  emaillierter  Tonwaren.  Die  che- 
mische Analyse  zeigt,  daß  sie  ungefähr  dieselbe  Zusammensetzung 


^)   Ich   verdanke    diese   Angaben    brieflichen   Mitteilungen  des  Herrn    Professors 
Freiherrn   von   P>issing   in  iNlünchen. 


37 


wie  das  Glas  von  heute  hatte,  aber  außer  Kieselerde,  Kalk,  .Vlkali, 
vSoda  verhältnismäßiijr  große  Meng-en  fremder  Bestandteile,  wie 
Ku])fer,  Kisen,  Man^aiioxyde  enthielt,  von  welchen  man  sie  nicht 
zu  befreien  \ermochte.  Die  schönen  dunk(41)]au(Mi  Mäschchen 
enthalten  noch  ßroi^"niart,  Kieselsäure,  Kalk,  Alkali.  Kupfer  u.  a. 
Die  an  sich  aus  der  ersten  Scinnelze  in  ]:)läulich,s^TÜner  Farbe  hervor- 
g-eg^anifene  Masse  wurde  in  der 
zweiten  Schmelze  durch  Bei- 
meng-uncf  von  Metalloxyden  noch 
stärker  und  tiefer  g'efiirbt:  Durch 
Kupfer  und  Kobalt  bhiu,  durch 
ersteres  je  nach  dem  Ilitzeg'rade 
mt^hr  oder  weniger  leuchtend 
gTÜn,  durch  Mangan  violett  und 
l)raun,  durch  Eisen  g"elb,  durch 
Blei  oder  Zimi  0])ak-weiß.  Eine 
Sorte  von  leuchtendem  Purpurrot 
enthält  30^/0  Kupfer  (Bronze)  und 
bedeckt  sich  unter  dem  Einfluße 
\'on  Feuchtigkeit  oft  mit  (rrün- 
span.  Natürlich  war  die  Chemie 
der  alten  Agvpter  rein  empiriscli 
und  intuitiw  auf  bloßen  Werk- 
stiitt-Überlieferung"en  und  prak- 
tischen Erfahrung"en  beruhend. 
Die  Arbeiter  fenden  die  zur 
F'ärbung  nötig"en  Stoffe  in  der 
Nähe  der  Öfen  oder  bezog"en  sie 

durch  den  I  hind(4  aus  anderen  Werkstätten.  Sie  In^nutzten  die 
.\h'tallox_\(le  in  dem  Zustande,  in  welcliem  sie  sich  ihnen  boten, 
mit  allen  fremden  Beimeng"ungen.  ohne  die  Gewißheit  zu  haben, 
die  g-ewollte  F'arbe  auch  wirklich  zu  erzielen,  ohne  dafür  V)ürg-en 
zu  köniKMi.  ein  bestimmtes  Muster  zu  erreichen.  So  sind  manche 
der  schonen  FarbenzusammenstellungiMi  nur  dem  Zufalle  zu 
verdankeii  imd  kein  zweites  Mal  mit  .Xb^icht  witnler  erreicht 
worden. 

Die    reichen     l-inuU'     von    0])ak-farl)igen    (iläsern    in    ägvp- 
tischen    (iräbern    des    neuen    Reiches    haben    endgfühig   mit    der 


Abb.    16.      Schmelzofen   nach   .Agricola. 


38 

Fabel  aufg'eräumt,  dal]  das  alte  in  Ag'ypten  vorhandene  Glas 
phönizischen  oder  cyprischen  Ursprung'es  ist.  Der  großen  ägyp- 
tischen Ausbeute  steht  in  den  Lokalfunden  dieser  beiden  Länder 
ein  verhältnismäßig  so  geringes  Quantum  entgegen,  daß  man  un- 
bedingt das  \^erhältnis  umkehren,  ägyptische  Plinfuhr  in  Phönizien, 
Cypern  und  den  anderen  Gebieten  des  Orientes  annehmen  muß. 
Namentlich  die  Ausgrabungen  von  Theben  haben  bewiesen,  daß 
seit  dem  Ende  des  IL  Jahrtausends  vor  Chr.  und  schon  vorher  der 
Gebrauch  und  die  Herstellung  farbiger  Gläser  in  Ägypten  ganz 
allgemein  war.-^)  In  Kurned  Murrai  und  in  .Schech  ^\bd  el 
Kurna  kamen  nicht  nur  zahlreiche  Perlen,  Amulette  für  Tote, 
kleine  Säulchen,  Herzen,  mystische  Augen,  Xilpferdchen,  Enten 
aus  blauer,  roter  und  mehrfarbiger  Glaspaste,  sondern  auch  Ge- 
fäße zum  Vorschein,  die  man  früher  für  phönizisch  hielt,  solange 
man  unter  dem  Banne  jener  Anekdote  stand,  welche  den  Phöni- 
ziern die  E!rhndung  des  Glases  zuschreibt.  Ein  Amulett  aus 
blauem  Glase  im  Britischen  Museum,  bezeichnet  mit  dem  Namen 
Antefs  lA".,  versetzt  man  in  die  Zeit  von  etwa  2420  bis  2380 
(13.  Dynastie).-)  Sonst  wird  es  seit  der  18.  Dynastie  (um  1500 
\'or  Chr.),  in  der  Blütezeit  Thebens,  Sitte,  (rlasgefäße  mit  dem 
Namen  des  regierenden  Königs  zu  \'ersehen.  Gläser  mit  dem 
Namen  von  Königen  der  18.  und  19.  Dynastie  fand  man  in  Theben 
und  in  den  Ruinen  des  1  lathortempels  auf  der  Halbinsel  Sinai.  Der 
Name  einer  .Schwester  Tutmosis'  III.,  der  Prinzessin  Hatschepsut 
(Hatasu)  steht  auf  einer  Perle  \'on  schwarzgrünem,  dem  Obsidian 
ähnlichen  Glase  im  Britischen  Museum,  ebenso  auf  einer  türkis- 
blauen Kugelperle  bei  Professor  AViedemann  in  Bonn.  Von  beiden 
wird  noch  einmal  die  Rede  sein.  Die  Hieroglyphenschrift  dieser 
Bezeichnungen  begann  zuerst  Mißtrauen  gegen  den  angeblich 
phönizischen  Ursprung  der  Glaswaren  zu  erregen.  Die  Blütezeit 
Thebens  (1600  bis  etwa  900  \or  Chr.)  ist  gleichzeitig  die  erste 
Blütezeit  der  Glasindustrie,  d.h.  die  der  opak-farbigen  Paste. 
Den  Namen  Tutmes  oder  Tutmosis  III.  (um  1500)  trägt  ein 
Kännchen  aus  hellblauem  opakem  Glase  im  Britischen  Museum, 
das   am    Halse   mit    einem    eierstabartigen    Cluster    in   braungelb, 


i)   :\Iaspero  a.   a.   O.   S.   248   f. 

'^)  Fowler,   on  the  process   of  decay  in  glass  in  Archaeologia  46  (r88o)   S.  65  f. 


39 

am  Bauche  mit  vier  aufsteig-enden  i>-leichfalls  brauni>'elben  Ris])en 
ijfeschnnickt  ist,  dessen  Zweig^e  mit  kleinen  KnötchiMi  iMidij^'en. 
I)a/\\is(iuMi  l)efinden  sich,  \on  s^-elben  Bändern  und  weißen 
i*unktreihen  umschlossen,  ])raiine  I  lierog"lyphen,  die  den  Xamen 
des  König's  bezeichncMi.     Der  einfach  s^'ebojjfene,  aus  einem  dicken 

Rundfaden  herirestellte  Henkel  ist  hell- 
hliiu  imd  mit  weißen,  dimkelblaiKMi  und 
g"elben  Streifen  gemustert,  der  Rand  und 
Fuß    des    Gefäßes    von     gelben    Fäden 


Abb.    17.      Syrische   Balsamarien. 

inngeben  (Abb.  2).^)  Die  \"ase  ahmt  offenbar  in  l-"orm  und 
\"erzierung  ein  glasiertes  Tongefäl)  nach,  und  die  Di<ke  der 
A\"andung,  die  Stärke  der  Mündungsplatt»'  tVirdern  diesen  Ein- 
druck. Die  Ris])en  sind  gewissen  in  sumphgen  Cjegenden, 
auch  am  Xil  häufigen  T'flanzenformt>n  getreu  nachgebildet. 
In  ihrer  primitiv  steifen  Form  unterscheiden  sie  si(-h  sehr  von 
den  schwungvollen  Linien  des  sogenannten  Farnkrautnnist(^rs. 
das  noch  in  derselben  Periode  auftaucht  und  l)is  in  di«^ 
Kaiserzeit  hinein  in  der  ägyptischen  dlasindustrie  eine  her\or- 
ragende  Rolle  s])ielt.  Am  schönsten  wurde  es  in  der  frülifii 
Kaiserzeit  ausgebildet,  in  der  (jlanzepoche  iVlexandriens,  und 
selbst   von   der  gallisch-rhiMnischen  ( ilasmacherei,  ja  noch  \  on  der 


')   Nach   schriftlichen    Mitteilungen,   welche  ich   Herrn    Prof.  v.  Biising  verdanke. 


40 

fränkischen,  auf  (refäßen  und  Schmuckperlen  nachgeahmt.  Den 
Namen  Farnkrautmuster  träg't  es  übrigens  ebenso  zu  Unrecht, 
wie  wegen  seiner  Ahnhchkeit  mit  dem  Barte  einer  zum  Schreiben 
zugestutzten  Kielfeder  den  des  Federmusters.  Das  Farnkraut 
ist  in  der  Flora  Ägyptens  kaum  vertreten.  In  Wirklichkeit  ist 
das  AIoti\'  dem  Gefieder  der  Phönixpalme  und  dem  Blatte  der 
Papyrusstaude  entlehnt.-^)  Das  Kännchen  Tutmosis'  III.  gilt  für 
das  älteste  erhaltene  Glasgefäß  Ägyptens.  Nicht  viel  jünger  sind 
einige  teils  wohlerhaltene,  teils  glücklich  aus  Scherben  wäeder 
zusammengesetzte  Gläser  und  \iele  Bruchstücke  von  solchen, 
welche  Daressy  in  den  Gräbern  des  Maherpra  und  Amenophis'  IL, 
des  Nachfolgers  Tutmosis'  III.,  in  Theben  entdeckt   hat. 

A^iel  zierlicher  und  leichter  in  F  orm  und  \"erzierung  als  dieses 
ist  das  Kugelfläschchen  mit  sogenannten  Farnkrautmuster  (Fig.  4), 
das  in  die  Zeit  derselben  Dynastie  gehört.  Es  ist  8  cm  hoch, 
von  leuchtender  türkisblauer  Grundfarbe,  \'ollkommen  fleckenlos 
wie  ein  Edelstein  und  gleichfalls  mit  gelb  gemustert.  Den  Rand 
umgibt  ein  gelber  F^adenring.  Die  kleinen,  aus  einem  etwas 
stärkeren  Fladen  zusammengerollten,  dicht  an  den  kurzen  Hals 
gedrückten  ( )sen  finden  sich  in  dieser  Form  bei  (3l-  und 
Parfümfläschchen  bis  tief  in  die  Kaiserzeit  hinein.  In  der  Ptole- 
mäerzeit  und  später  erhalten  sie  unter  den  Händen  griechisch 
geschulter  Arbeitt^r  manchmal  die  Gestalt  kleiner  Delphine  und 
werden  danach  auch  dann  benannt,  wenn  der  Faden  in  seinen 
zufälligen  Bildungen  nichts  mehr  von  der  Gestalt  eines  Delphines 
verrät.  Durch  die  kleinen  Löcher  wurden  Bronzeringe  gezogen 
und  das  Fläschchen  mittels  dieser  und  einem  Kettchen  an  den 
Gürtel  gehängt.  Solche  Gehänge  haben  sich  an  einfachen  Bade- 
fläschchen  aus  bläulich  grünem  Glase  noch  häufig  in  Gräbern 
der  Kaiserzeit  erhiilten.  In  der  Keramik  traten  an  die  Stelle 
der  kleinen  Ösen  oft  Figürchen  hockender,  an  einen  Hals  in 
F'orm  eines  Lotuskapitells  angelehnter  Affen  (vgl.  Abb.  1 3,  No.  9). 
Ein   anderes   beliebtes  Muster   zeigt    eine  Amphoriske  von  nicht 


^)  Die  Vase  Tutmosis'  IH  ist  auch  bei  Fowler  a.  a.  O.  und  bei  Deville,  bist, 
de  la  verrerie  T.  IV  i  abgebildet.  Über  die  Funde  Daressys  vgl.  Fouilles  de  la  vallee 
des  rois  1.  Tombes  de  Maherpra  et  d'Amenophis  II  T.  7.  Auch  Maspero,  guidc  of 
Cairo   Museum.      Englische  Ausgabe  mit  Register  S.   444. 


41 


g-anz  rri>-eliiiäßit^er  spitzbauchit>-er  (jestalt  (Abb.  5).  von  tiefolix- 
grüner  (jrundfarbe,  etwas  durchscheinend,  an  der  dicksKMi  Stelle 
mit  einem  mehrfachen  Zickzackbande  in  g"elb  und  blau  umg"eben, 
das  von  g-(^lben  Reifen  und  Wellenlinien  eingefaßt  ist.  Die  ähn- 
lich wie  bei  dem  vori- 
gen Stücke  geformten 
Ösenhenkel  sind  licht- 
grün,  der  Faden  und 
die  Mündung  türkis- 
blau. Die  in  einen  \^' 
Knopf  oder  eine  Spitze  \ 
endigende  Gestalt  war 
neben  der  kugeligen 
oder  oxiden,  sowie  der 
mit  einer  kleinen  run- 
den Fußplatte  versehe- 
nen, bei  den  kleinen 
zierlichen  Alabastren 
bis  in  die  Zeit  der 
Claudier  hinein  beliebt. 
Aus  dieser  Periode 
stammen  die  Gläser 
der  Sammlung  M.  vom 
Rath  in  Köln  (Taf.  ü). 
Von  besonderem 
Int<'resse  sind  die 
Becher,  welche  der 
Prinzessin  Xsichonsu 
(aus  der  21.  Dynastie. 
za.  iioo  bis  1000  vor 
Chr.)  in  ihr  Gnd;  zu 
Deir-el-Bahari  beige- 
geben waren.    Sieben 

von  ihnen  sind  aus  ziemlich  dickwandiger,  etwa  5  mm  starker, 
hellgrüner,  gelber  oder  blauer  Glaspaste,  vier  aus  schwarzer, 
mit  weil)en,  unregelmäßigen,  größeren  und  kleinertMi  Flecken, 
einer  mit  \ielfarbigem  Farnkrautmuster,  das  in  senkrechten 
Linien    in    dichter    Reihung    das    Gefäß     umgibt    und    an    den 


Abb.   18.     Syrische  Balsamarien. 
Sammlung   M.  vom   Rath,    Köln. 


42 


Rändern  von  farbii^'en  Fäden  abg-eschlossen  ist  (Fig".  6).  Die 
Form  der  Becher  ist  uns  sehr  vertraut.  Diese  einfachen  zylindri- 
schen Gefäße  finden  sich  in  allen  Perioden  der  Antike,  in 
Pompeji  ebenso  wie  in  gallischen,  rheinischen  und  nordischen 
Gräbern  aus  der  Kaiserzeit.  »Sie  waren  damals  ebenso  modern 
wie  heute.  Unser  anspruchloses  Wasserg-las  kann  sich  einer 
.Vhnenreihe  rühmen,  wie  sie  kaum  ein  anderes  Stück  des  Haus- 
rates in  gleich  stattlicher  Länge  aufzuweisen  hat. 

Aus  den  Gräbern  von  Gurob,  die  noch  der  1 8.  Dynastie  angehö- 
ren, stammen  zwei  schöne  mehrfarbige  Gläser 
des  Musee  du  Cinquantenaire  in  Brüssel.  Das 
eine  ist  ein  schlauchförmiges  Fläschchen  mit 
kurzem,  breitem  1  lalse  und  dickem  Randwulst, 
an  der  Spitze  abgebrochen,  verziert  mit  mehr- 
farbigen, mit  den  Spitzen  nach  oben  gekehrten 
Wellenbändern.  ^)  Das  andere,  gleichfalls  ein 
Fläschchen,  ist  gut  erhalten,  hat  genau  die 
Form  einer  Säule  mit  Palmenkapitell,  wie 
manche  der  in  Gräbern  gefundenen  gläsernen 
Amulette,  und  ist  glcMchfalls  mit  mehrfarbigen 
Wellenbändern  verziert,  welche  jedoch  im 
oberen  Teile  des  Gefäßes  zum  Zickzack  wer- 
den (Abb.  7).  Unterhalb  des  Kapitells  zieht 
sich  ein  vierfacher  Faden  herum,  der  wie  alle 
anderen  bisher  beobachteten  \>rzierungen 
\-ollkommen  fiach  ist  und  nirgends  plastisch  her\orragt.  Das 
ist  dadurch  (^rzielt,  daß  man  den  aufgelegten  Faden  nicht  nur 
durch  Rollen  auf  dem  Marmor  in  die  noch  weiche  Gefäß- 
masse eindrückte,  sondern  das  fertige  Gefäl)  nach  dem  Erkalten 
auch  noch  sorgfältig  al)schliif.  Die  Säulenform  verdient  be- 
sondere Aufmerksamkeit,  weil  sie  den  Ursprung  einer  weit- 
verbreiteten Klasse  antiker  Gläser  enthüllt,  nämlich  der  in 
(rräbern  häufigen  Fläschchen  für  Öle  und  Parfüme  von  schlank 
zylindrischer  Gestalt.  Das  Kapitell  verschwand  im  Laufe  der 
Zeit    und    wurde    durch    eine    trichterförmig    erweiterte  ^Mündung 


Abb.    19.      Groteske 

Maske. 

Alexandrinisch. 


^)   Jean   Capart,    guide  descr.    des  antiqu.   egypt.   des  musees    roy.   du   Cinquan- 
tenaire  ä   Bruxclles    1905.   S.   92   f.    Abb.   S.   96,   Fig.    19a. 


45 

ersetzt,  in  deren  äußerem  l'mrisse  noch  die  ursprünt^diche  Form 
des  l^flanzenkapitells  deutlich  naciikhii^t.  Auch  (he  Fußplatte 
erfuhr  mannii»-fache  Umbildunj^en. 'j 

Aus  einem  (jrabe  der  i8.  l)3'nastie  stammt  auch  ein  anderes 
Fläschchen.  das  den  mclu'farbiLj'en  Zickzackschmuck  in  reicher 
Ausbilduni>-  zeit^'t  und  zui^leicli  das  bislier  l)(>obac]itete  Formen- 
material lun  d<Mi  so  häufiiifen  r_v])us  des  Kus^'(4fläschchens  mit 
runder,  auf  einem  düniu'n  i>-esch\veiften  Fuße  ausgesetzter  Stand- 
jilattt^  bereichert  (Abb.  8).  Das  Grab,  welches  die  Überreste  des 
Pharao  Tutmosis  I\".  (um  1400  vor  Chr.)  umschloß,  wurde  \'om 
Howard  Carter  inid  Percv  F.  Xewberry  \'er- 
öffentlicht.'")  Das  Fläschchen.  9  cm  hoch  und 
6  cm  im  g'rößten  Durchmesser,  träg"t  auf 
kuufeliöfem  Bauche  einen  kurzen  Hals  mit 
dickem  Randwulst  vuul  ist  \on  hell  türkis- 
blauer Grundfarbe.  Das  Zickzack  zeig't  einen 
Wechsel  \on  lichtblauen,  gelben,  violetten, 
weißen  und  schwarzen  Streifen.  .Auch  am 
Halse  wird  ein  unreg'elmäßig'es  Zickzack  von 
sjf(db.  wt^ß  und  schwarz  sichtbar.  Die  Profile 
sind  au  diesem  Stücke  etwas  schwerfällig",  Abb.  20.  Maskenperle, 
leichter  und  ij'efällij^'er  waren  die  Rand})rofile  Alexandrinisch. 

einiger   Becher   geformt,    von   welchen    sich 

Bruchstücke  in  demselben  Grabe  erhalten  haben.  .Sie  hatten  ent- 
weder zylindrische,  nach  oben  etwas  geschweifte,  oder  kugelige 
Gestalt.  Die  AFindungen  sind  teils  schräge,  teils  flach  gerandet 
und  einfach,  aber  scharf  g'ekantet,  ähnlich  wie  Tonbecher  aus 
augusteischer  und  flavischer  Epoche  am  Rhein.  ■^) 

Seit  den  Zeiten  der  grolu-n  thelianischen  D\-nastien  waren  die 
Glas-  und  die  Glasurwerkstätten  in  \-oller  Tätigkeit.  Kleine  Hügel 
von  Abfällen,  Üb(^rreste  von  (jlaswerkstätten  bezeichnen  noch 
beim  Ramtvsseinn    in    Iheben,   in  f,l-l\.ab,   auf  dem   Pell   xon  Asch- 


^)  Vg!.  die  Abbildungen  gallischer  Parfumlliiscliclu-n  in  meinem  Kataloge  der 
Sammlung  M.  vom  Rath  in  Köln  1899.  T.  V,  47,  49,  51,  53.  Das  Hrüsseler 
Fläschchen  ist  abgebildet  bei   Capart  a.   a.   O.   S.   96,    Fig.    19  b. 

')  Howard  Carter  &  Percy  E.  Newberry,  tomb  of  Thoutmosis  IV.  Wesiminster 
1904  T.  XXVII    I. 

*)  Abbildungen   in   dem  vorgenannten   Werke. 


44 

munein  die  .Stellen,  an  welchen  einst  Schmelzöfen  standen.  Selbst 
in  der  lybischen  Wüste  stieß  man  bei  Xatronsümpfen  auf  die 
Reste  uralter  Glaswerkstätten.^)  Antike  Schriftsteller  berichten 
von  allerlei  Gefäßen,  Schmucksachen  und  anderem  Zierrat  aus 
Glas.  So  sah  Ilerodot  an  den  heiligen  Krokodilen  große  bunte 
Kugeln  aus  Glas.  Aber  auch  architektonische  und  plastische  Werke 
sollen  aus  den  Glaswerkstätten  hervorgegangen  sein.  Der 
Kommentar  zu  Pomponius  Mela  sagt  den  Ägyptern  nach,  daß 
sie  große  Statuen  aus  schwarzem  (rlase  zu  gießen  verstünden.  Nach 
Plinius  befand  sich  im  Tempel  des  Ammon  eine  i3^/.2  Fuß  (9  Ellen) 
hohe  Statue  des  Serapis  und  ein  aus  vier  Stücken  zusammen- 
gesetzter Obelisk  in  Gesamthöhe  von  40  Ellen,  beide  aus  Sma- 
ragd.-) Die  Gelehrten  schwanken,  ob  sie  das  Material  dieser 
Arbeiten  gleich  dem  der  angeblichen  Smaragdsäule  im  Tempel 
des  Melkart  zu  Tyrus  für  Glas  oder  im  Hinbhcke  auf  eine  ägyp- 
tische Statue  in  der  \^illa  Albani  in  Rom,  ein  Sitzbild  aus  „Plasma 
di  Smeriddo,"  prime  d'emeraude,  also  doch  für  Smaragd,  den 
lauchgrünen  Praser  halten  sollen.'^).  Die  ungewöhnhche  Größe, 
besonders  des  Obelisken,  macht  aber  die  Anwendung  dieses  kost- 
baren Materials  unwahrscheinlich.  Aus  Theophrast  hat  sich  bei 
Phnius  auch  die  Nachricht  erhalten,  daß  aus  Babylon  ein  4  Ellen 
hoher  Obelisk  von  Smariigd  als  Geschenk  nach  Ägypten  gekommen 
sein  soll.  Bisher  hat  man  in  Agyjiten  solche  Arbeiten  weder  in 
Glas  noch  in  Smaragd  wirklich  gefunden.  Bei  den  geringen  tech- 
nischen Kenntnissen  der  antiken  Schriftsteller  sind  namentlich  die 
Berichte  aus  dem  Wunderlande  am  Nil  mit  großer  Vorsicht  auf- 
zunehmen. Wenn  sie  sich  über  das  Materi^d  täuschten,  kann 
dies  um  so  weniger  auffallen,  als  es  noch  heute  im  Zeitalter 
der  Naturwissenschaften  derlei  strittige  Fälle  gibt.  So  war  man 
z.  B.  bis  vor  kurzem  nicht  darüber  im  klaren,  ob  die  bereits 
erwähnte  Collierperle  der  Prinzessin  Ilatschepsut  (llatasu)  aus 
Glas  oder  Obsidian  bestehe:  dem  Äußeren  nach  sind  diese  Mate- 
rialien durchaus  gleichartig.  Seltsamerweise  hat  man  die  Ent- 
scheidung zwar  hervorragenden    Kennern    wie  Augustus  tranks 


^)   Vgl,   Ilg   in  Lobmeyrs  Glasindustrie  .S.   7. 

^)  Plinius   39.   74.   75.      Er  hat  seine   Nachricht   von  Theophrast. 

'')   Wilkinson  a.a.  O.  —  Visconti,  la  villa  Albani  S.  147  No.  1037.  Froehner  a.a.O. 


45 


m 


Abb.    2  1.      Maskenperlen. 


Ägyptisch. 


und  Miikchiu'  anlieimj^H^stellt,  die  zu  keinem  l*>t;-ebni,s  ^elang'ten, 
aber  die  sehr  naheliegende  chemische  Untersuchung  erst  zum 
Schluße  x'orgenommcMi.  Diese  ergab  nach  \Vilkinson  diis  sjje- 
zifische  (jewicht  xon  Kronglas,  also  (das.')  Dieses  Ergebnis 
braucht  niclit  zu  überraschen,  da  schon  damals  di(^  1  lerstellung 
schwarzen  (dases  keine  Schwierigkeiten  bot.  Ks  hat  unsere 
lv<Mmtnis  der  alten  ägyptischen  (ilasmacherei  wenig  gefördert, 
dal)  man  sich  anfangs  zu  ängstlich  btnnühte,  durch  ])hilologische 
Untersuchungen  die  Nachrichten  der  alten  AutoriMi  aufzuklären 
und  sich  erst  spät  dazu  entschloll  die  Funde  selbst  si)rechen  zu  lassen. 
Die  Frag'e  nach  dem  Mate- 
rial der  Riesenstatuen  imd 
der  Riesenobelisken  scheint 
gleichfalls  durch  Funde  ge- 
löst zu  sein.  Die  später  zu 
(erwähnenden  Überreste  von 
Palastbauten  enth£dten  so 
viele  Arbeiten  in  glasiertem 
Ton,  daß  wir  diese  Technik 

auch  für  die  von  Plinius  genannten  Werke  in  Ansj^ruch  nehmen 
können. 

Ein  langwieriger  Streit  entspann  sich  über  die  Nachrichten 
von  gläsernen  Särgen  der  Agy]:»ter.  Athioper  und  anderer  Völker 
des  Ostens,  llerodot  und  Diodor  erzählen,  daß  die  Ägypter 
von  altersher  ihre  Toten  in  Särgen  von  dickem  opakem  Glase 
zu  bestatten  ])flegten.  Das  wäre  an  sich  nicht  gerade  undcmkbar, 
wir  haben  alx^r  auch  dafür  kein  Beispiel.  Doch  könnte,  ähnlich 
wie  bei  den  mit  glasierten  Tonornamenten  ausgelegten  Säuhni. 
der  Schmuck  die  \'eranlassung  gegeben  ha])en.  mit  ihm  das 
Ahitt^rial  des  geschmückten  Gegenstandes  selbst  zu  bezeichnen. 
Melleicht  hatten  die  griechischen  .Schriftsteller  jene  Mumien- 
särge aus  Ala])aster  uiul  Holz  im  Sinne,  die  xollständig  mit 
Einlagen  aus  farbigem  Glase  inkrustiert  waren.  .Sie  konnten 
dann  mit  demselben  Rechte  \on  gläsernen  Särgen  sprechen, 
mit  welchem  wir  heute  manchmal  von  Emailbildern,  Email- 
schmuck. \()n    Relicjuiensehreinen  und  anderen  l"vOstbarkeiten  aus 


^)   Wilkinson  a.  a.   O.   I   53,   III   90.      Vgl.  auch   C.   Friedrichs  a.  a.   O. 


46 

Email  .s})rechen,  wobei  wir  über  der  Dekor^ition  den  Grund  aus 
Gold,  Kupfer  und  dergl.  ig-norieren.  Ein  derartig-er  nach  alt- 
äg-yptischer  Sitte  mit  farbigen  Glaspasten  reich  ausgelegter 
vSarkophag  mag  jener  gewesen  sein,  in  welchem  nach  Stra- 
bos  Mitteilung  Saleucus  Eubiosactes  den  Leichnam  Alexanders 
des  Großen  beisetzte.  Augustus  ließ  sich  diesen  Sarg  bei  der 
Unterwerfung  Ägyptens  zeigen. 

Größere  Schwierigkeiten  bereitet  die  Erklärung  der  Nach- 
richt Ilerodots  IIL,  24  über  die  Behandlung  der  Leichen  bei 
den  Athiopern,  den  Nachbarn  der  Ägypter.  „Nach  der  Mu- 
mifizierung", schreibt  der  griechische  Historiker,  „bedeckt  man 
den  Körper  mit  einer  Lage  Gips,  auf  welchen  die  Maler  ihre 
Farben  auftr^igen,  indem  sie  die  Züge  des  Toten  möglichst  treu 
wiedergeben.  Dann  schließt  man  das  ganze  in  einen  Trog  aus 
ausgehcihltem  (ilase.  Dieses  Glas  ist  leicht  zu  bearbeiten  und 
wird  in  großen  Mengen  aus  dem  Boden  gewonnen."  Offenbar 
meint  er  hier  wieder  andere  Särge  als  die  früher  genannten  aus 
opakem  und  schwarzem  Glase.  Die  Kommentatoren  erklären 
den  Stoff  zur  Füllung  als  „sei  gemme",  Salzstein,  der  in  Äthio- 
pien häufig  gefimden  wird.  Dagegen  berichtet  Diodor  \'on  Si- 
zilien, ein  Zeitgenosse  des  Caesar  und  Augustus,  ausdrücklich, 
daß  die  Äthioper  den  Leichnam  mit  geschmolzenem  Glase  um- 
gaben und  dann  in  einen  durchsichtigen  Sarg  legten.  Damit 
der  Leichnam  nicht  durch  das  heiße  Glas  versengt  werde,  umgab 
man  ihn  nach  Ktesias  von  Knidos  (416 — 398  vor  Chr.).  einem 
griechischen  Arzte  am  Hofe  des  Perserkönigs  in  Susa.  mit  einer 
»Schichte  von  Gold,  bei  minder  Reichen  von  Silber,  bei  Armen 
von  Töpferton  und  dann  erst  mit  Glas.  Bisher  ist  noch  kein 
solcher  Sarg  aufgefunden  worden.  Die  Nachricht  \on  dem  ge- 
schmolzenem Glase  verträgt  sich  freilicli  niclit  mit  Salz  oder 
einem  anderen  fossilen  Stoffe.  Herodot  und  Ktesias  sagen  aber 
ausdrücklich,  daß  das  Material  aus  einem  Steinbruche  geholt 
wurde.  Froehner^)  will  dies  damit  erklären,  daß  er  in  dem 
Steinbruche  die  jenseits  der  Katarakte  gelegenen  Sandgruben 
sieht,  aus  welchen  man  den  zur  Glasbereitung  nötigen  Sand 
holte,  und  tritt  so   dafür  ein,    daß  der  Stoff  zur  Umbettung  der 


')   Froehner  a.   a,   O.      S.   9   f. 


47 


Leichen  wirklich  dhis  war.  Wie  soH  man  aber  sclion  zu  Hero- 
dots  Zeiten  (hir(iisichti,L;--farl)hjses  (ilas  in  sohiien  Meng-en  her- 
g-estellt  haben?  Schon  (hes(>r  Anachronismus  schht'lk  die  Erklä- 
runi»-  Froehners  aus.  Da  sich  (he  Ang-aben  der  alten  Schrift- 
steller widersprechen,  ist  eine  Lcisuni^'  des  Rätsels  schwer  mög-- 
lich.  Wahrscheinlich  bleibt  aber,  dal)  es  eine  s^-allert-  oder  leim- 
arti,i;'e     Flüssig-k(Mt     war, 


«i5r«^.''5!^ 


i 


die  man  zur  Konservie- 
rung" der  Leich(Mi  \er- 
wendete.  An  Mariengias 
ist  kaum  zu  denken,  ol)- 
wohl  dieses  im  Feuer 
leicht  schmilzt  inid  des- 
halb zum  l'mg'ießen 
hättte  benutzt  werden 
k(innen. 

So  \erwirrend  wie 
die  Ijcrichte  der  Alten 
über  die  (xlasarbeiten 
der  l'haraonenzeit,  so 
klar  sind  die  Erg'eb- 
nisse,  welche  die  neueren 
Funde  und  ihre  tech- 
nisch sorg"fältig'e  Prüfung" 
lieferten.  \'or  allem  kom- 
men hier  die  Gläser- 
fund(^  I)ari\ssys  in  The- 
ben in  Px'tracht.  welche 
nach  uns(^rem  jetzig'en 
Stande  der  Kenntnis  zu 

den  ältesten  sicher  dati(^rten  (.läsern  nicht  nur  Agyi^tens. 
sondern  zu  den  ältesten  Gläsern  überhaupt  g'ehorcn.  In  den 
(rräl)ern  des  Maherjira  und  denen  des  Amenoj^his  II.  wurden 
außer  einig"en  voUkonnnen  erhaltenen  dlaskännchen  g"eg"en 
3000  Scherben  farbig"er  Gläser  mit  den  prächtig"sten  P'adenverzie- 
rung^en,  aiu-h  mit  buntfarbig-en  Rosetten  und  anderen  Mustern 
gefunden,  welche  im  X'ereine  mit  den  l-'undt-n  \  on  1  dl  el  Amarna 
beweisen,     daß     schon     um     1400     \or     Chr.     die     Industrie     in 


Abb.   22.      Becher  des   Königs  Sargon. 
Britisches  Museum. 


48 

hoher  BUite  stand  und  namenthch  die  ITerstellunj^  leuchtender 
Farben  in  zahlreichen  \^arianten,  sowie  die  \"erzierunj»'  mit  Wellen- 
und  Zickzacklinien  vollkommen  ^lus^ebildet  war.  Die  Muster 
erscheinen  ungemein  reich,  weil  die  einzelnen  Fäden  in  \'ielen 
Reihen  dicht  zusammengepreßt  sind.  Die  Unregelmäßigkeit  der 
Linienführung  wirkt  nicht  nur  durchaus  nicht  störend,  sondern 
erhöht  \'ielmehr  den  Eindruck  künstlerischer  Freiheit.  Darunter 
befindet  sich  ein  unverziertes  Kännchen  aus  blauer  Paste,  14  cm 
hoch,  kugelbauchig,  mit  langem  Röhrenhalse  und  dünnem  ge- 
schlängelten Henkel  (Abb.  9)  von  sehr  graziöser  Form.  Der 
Hals  ist  aus  einem  besonderen  Stücke  angefügt.  Das  Gefäß 
enthielt  ein  Piirfüm ,  das  zwar  jetzt  bis  auf  einen  braunen  Satz 
entwichen  ist,  sich  aber  immer  noch  durch  seinen  Wohlgeruch 
bemerkbar  macht.  Dieser  ist  nämlich  teilweise  in  den  Leinen- 
stopfen übergegangen,  welcher  die  jVIündung  verschließt  und 
mit  gelben  und  roten  Bändern  umwickelt  ist,  die  von  einem 
rosenfarbigen  Band  umschnürt  werden.^)  PZin  anderes  Fläsch- 
chen,  leicht  spitzbauchig,  gleichfalls  aus  blauer  Paste,  die  aber 
gegen  das  Licht  grünlich  durchscheint,  ist  am  Halse  mit  vier 
Reihen  \-on  Zickzack  in  bunten  Farben  geschmückt  (Kat.  Xo. 
24059).  Die  zum  Teil  sehr  ansehnlichen,  mehr  als  die  Hälfte 
von  kugelbauchigen  oder  schlanken  Fläschchen  und  Kännchen 
umfassenden  Bruchstücke  bieten  mit  ihren  leuchtenden  Farben 
und  reichen  Mustern  einen  prächtigen  Anblick  (Kat.  No.  24753 
bis  24843,  Abb.  T.  XLIII)  Eines  zeigt  auf  dunkelblauem  Grunde 
ein  dichtes  Wellenmuster  und  den  \'ornamen  Amenojjhis  IL  Ein 
anderes  ist  melonenartig  gegliedert,  war  ursjirünglich  etwa  20  cm 
hoch,  14  cm  im  Durchmesser  breit  und  mit  zwei  blauen  Henkeln 
versehen.  Die  blaue  Grundpaste  ist  in  zehn  senkrechten  Riefen 
von  gelben  Längslinien  durchzogen  und  jeder  Abteil  mit  kleinen 
weißen  Rosetten,  rotem  und  grünem  Sternmuster  verziert,  wo- 
bei zwischen  den  beiden  oberen  ein  gelbes  gleichschenkeliges 
Kreuz  angebracht  ist.  Es  ist  nachträglich  gelungen,  gerade 
dieses  durch  seinen  eigenartigen  Schmuck  ausgezeichnete  Gefäß 
aus  zahllosen  Bruchstücken  wieder  zusammenzusetzen.  Der  \^or- 
name    des    Amenophis  II.    kehrt    auf    dem    Reste    einer   anderen 


^)   Vgl.  Daressy  a.  a.   O.  No.   24057. 


49 

Vase  wieder.  Eine  besonders  schöne  cantharusähnliche  \'asen- 
fonn  mit  Stentrelfuß  und  lireitein  1  lalse  ist  in  einem  sehr  ansehn- 
hchen  Bruchstücke  von  lasurljlauer  Grundfarbe  mit  bunten  W'ellcn- 
g-ehäng-en  erhalten.  Aus  unzähhi^-en  Isleinen  Schrrlx-n  liat  man 
auch  eine  opakweiße  \'ase  wieder  zusannntMi^-elirarht.  deren  \'er- 
zierung-  gleichfalls  von  der  o-(>\völndiclien  abweicht.  Sie  l)esteht 
aus  reg-ellosen  Wellenzügen  in  lAiiu  und  ])raun.  die  den  Kr>r])er 
bedecken,  während  der  Hals  xon  ein(Mn  ganz  dichten  Zickzack 
in  g'-oldbraun  und  liellblau  umgel)en  ist.  Die  \'ase  ist  mit  /.wr] 
Xamensschildern  Amenophis"  II.  bezeiclnie-t.     Zu  den  vollständigi-n 


Abb.   23.      Glasbügel   von   etruskischen  Fibchi. 
München,   Antiquarium. 


(jefäßen  und  .Scherben  von  solchen  kommt  noch  eine  gToße 
Zahl  von  Schmuckgegenständen  und  Bruchstücken  \on  Arm- 
ring-en  aus  dunkel-  und  hellblauer  Paste,  welche  die  in  \'or- 
rcimischer  Zeit  übliche  Form  gläserner  Armbänder  zeig-en,  außen 
g\»rundet,  innen  flach  sind.  1  )ie  X'erzierung-  besteht  außer  farbigen 
Wellen-,  Zickzack-  und  I  lorizontalfäden  in  kleinen  rautenförmig-en 
Besatzstücken  mit  farbigen  Rändern,  wtdche  so  in  die  Masse 
eing'edrückt  sind,  daß  sit^  leicht  her\'orragen  'Kat.  Xo.  248^4 
bis  24842). 

.Auch  in  der  Sannnlung  \on  i'rofessor  breilierr  w  Bissing 
in  Münch(Mi  befinden  sich  dlasfunde  \on  Theben  aus  der  Zeit 
Amenophis'  11.  Einige  fallen  durch  ihre  Dünnwandigkeit  und 
regelmäßig'-e  Gestalt  auf.  so  daß  man  sie  fast  für  g-eblasen 
halten  kömite.  wenn  nicln  die  ImKMiseite  deutliche  Spuren  des 
Tonkernes  aufwiese.  Interessant  sind  auch  die  o])akweißen,  \oll- 
kommen  milchfarbig-en  und  glänzend  polierten  Stücke,  tünes  mit 
türkisblauem  Bandmuster,  ein  aiuh^rt^s  mit  braunen  und  dunkel- 
blauen Flecken.  Aus  der  iS.  Dyn^istie,  aber  \  on  einem  hinderen 
späteren  Funde,  rührt  das  l)ruchstück  (üner  türkisblauen  (rlasvase 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertuiiie.  , 

■+ 


50 

her,  das  mit  schwung-vollen  und  feinen  Wellenranken  in  weiß  und 
jj;-elb  verziert  ist;  die  Ranken  sind  nur  am  unteren  Teile  flach 
einjjfewalzt  und  lieg'en  oben  am  Rande  stark  plastisch  auf.  Der- 
selben Sammlung  gehört  eine  zierliche  Amphoriske  an,  die 
nach  der  wohl  verläßlichen  Angabe  des  Händlers  gleichfalls  aus 
einem  (jrabe  von  Theben  stammt  und  der  i8.  Dynastie  an- 
gehört (Abb.  ii).  Ihre  Form  ist  sehr  graziös  aus  freier  Hand 
gebildet.  iVm  Ansätze  des  breiten  Halses  befinden  sich  zwei 
kleine  Querhenkel,  unten  ein  kurzer  Stengelfuß  mit  Rundplatte. 
Der  dunkel  azurblaue  (xrund  ist  durchscheinend  und  matt- 
glänzend. Den  Rand  umgibt  ein  blau-weißer  Spiralfaden,  den 
I  lals  ein  dreifaches  langgezogenes  Zickzack  in  weiß,  orangegelb 
und  türkisblau,  den  Bauch  ein  gleiches,  aber  \'ielliniges  Ornament 
in  denselben  Farben.  Die  Henkel  sind  wie  der  Grund  azur- 
blau. Bis  auf  eine  kleine  Lücke  in  der  unteren  Bauchung  ist 
das  Gefäß  vollkommen  erhalten. 

Nach  (jriffith  sind  alle  Gläser  des  Y.  und  IV.  Jahrhundert 
vor  Chr.,  die  in  Italien  und  Griechenland  aufgetaucht  sind,  ebenso 
wie  die  Gläser  der  i8.  und  19.  Dynastie  in  Ägypten  (1600 — 1220 
\-or  Chr.)  über  einen  Kern  geformt.  Tatsächlich  reicht  aber  die 
Modellierung  aus  freier  I  land  bis  zur  Kaiserzeit,  bis  zur  Er- 
findung der  Glaspfeife,  welche  den  neuen  Stil  des  Glases  be- 
gründete. Die  langhalsigen  Flaschen  zeigen  in  ihrem  Inneren 
noch  die  Spuren  der  rauhen  aschigen  Oberfläche  der  Form.  Da 
das  Glas  opak  war  —  vollkommen  undurchsichtig  sind  von  Natur 
aus  allerdings  nur  gewisse  rote  Pasten,  während  alle  übrigen 
bei  genauer  Prüfung  leicht  durchscheinend  sind  und  ursprüng- 
lich, bei  völlig  gkitter,  unverwitterter  Oberfläche,  noch  mehr  Licht 
durchließen  —  war  das  Aussehen  des  Inneren  unwesentlich,  denn 
man  wurde  seiner  nur  gewahr,  wenn  das  Gefäß  zerbrochen  war. 
Anders  war  es  allerdings  bei  off"enen  Gefäßen,  Bechern,  Schalen 
u.  dgl.,  deren  Inneres  sorgfältig  geglättet,  manchmal  mit  dem  Rade 
übergangen  werden  mußte,  bis  auch  die  innere  Fläche  glatt  und 
glänzend  war.  Da  das  Äußere  einer  so  durchgreifenden  Be- 
arbeitung nicht  bedurfte,  erscheint  es  schon  beim  ersten  Blicke 
weniger  glänzend  und  weicher  als  das  Innere. 

Die  in  der  Blütezeit  der  ersten  Periode  der  Glasindustrie,  jener 
der  farbigen  Paste,  geübten  Techniken  schildert  Flinders  Petrie  in 


51 

seinem  ßerichte  ül)er  die  Ausj^rabung-en  in  Teil  el  Amarna  sehr 
eing"eh('n(I  und  mit  völlig-er  Sachkenntnis.^)  Die  t^-ewfihnliche  .\rt 
Perlen    zu    erzeug"en    war.    daß    man    einen    düim    ausjrozog'enen 


Abb.   24.      Schmuckperlen.      Vorrömiscli. 


Glasfaden  um  einen  I)raht  wic^kelte.  Solche  I)rähtt>  mit  den 
noch  daran  haftenden  Pt^rlen  wurden  mehrfach  y"et\niden.  .Mit 
Draht  ist  aber  nicht  unbeding-t  gtv.og'ener  jremeint,  da  solcher 
noch    nicht   einmal   den    Römern    bekannt   gewesen    sein   dürfte. 


')  F.   Petrie  a.  a.   O.      Die   Terlen  sind    T.    XIII   59 — 61    abgebildet. 

4^ 


52 

Das  vStück  Draht,  das  im  Museum  von  Neapel  als  römisch  g-ilt, 
ist  noch  nicht  mit  Sicherheit  auf  sein  Alter  bestimmt.  Bronze- 
draht aus  der  i8.  Dynastie  aber  zeigt  unter  der  Lupe  deutlich 
Spuren  der  Bearbeitung^  mit  dem  Hammer.  Viele  Perlen  waren 
unfertig  und  glichen  mehr  vSpiralen,  weil  das  Ende  des  Fadens 
beim  Zusammendrehen  mit  dem  Körper  der  Perle  nicht  fest 
vereinigt  worden  war.  Solche  Korkzieherformen  waren  nicht 
selten.^)  Flache  Perlen  erzielte  man  einfach  durch  Zusammen- 
pressen der  gewickelten,  die  man  dann  durchschnitt.")  Die 
IVrlen  zum  Anhängen,  bis  i^/o  Zoll  lang,  zeigen  in  der  hellen 
Struktur  der  Masse  deutlich  die  Fadenspiralen,  aus  welchen  sie 
entstanden  sind.  Jede  Perle  dieser  Epoche  hat  den  kennzeich- 
nenden .\usgang  in  eine  längere  oder  kürzere  Spitze,  die  sich 
durch  das  Abschneiden  des  Fadens  ergab.  Dagegen  sind  alle 
Perlen  der  koptischen  Epoche  durch  das  Ausziehen  einer  Glas- 
röhre gebildet,  wie  aus  ihren  blasigen  Längsstreifen  deutlich 
hervorgeht.  Diese  Röhre  wurde  unter  einer  vSchnittvorrichtung 
hindurchgerollt  und  von  dieser  an  einzelnen  Stellen  eingeknickt, 
an  welchen  man  sie  mit  der  1  land  vollends  in  Stücke  brechen 
konnte,  um  sie  dann  durch  Schliff  weiter  auszuarbeiten.  Beide 
Sorten  von  Perlen,  die  gewickelten  und  die  gezogenen,  sind  so 
verschieden  in  der  Technik,  daß  man  sie  deutlich  durch  bloßen 
Augenschein  auseinander  halten  kann.  Den  ausgezogenen  Glas- 
stab bog  man  auch  zu  Ohr-  und  Fingerringen  oder  ähnlichem 
Zierrate  kreisförmig  zusammen. 

Ganz  eigenartig  aber  ist  die  Technik  der  Gefäße  dieser 
ersten  Periode.  Sie  sind  weder  gebkisen,  noch  geformt,  sondern 
mit  freier  Hand  modelliert.  Ein  zylindrischer  Mettillstab,  so  dick 
wie  die  Halsweite  der  Flasche  oder  Kanne  werden  sollte,  wurde 
an  einem  F.nde  mit  einem  Kerne  aus  feinem  Formsande  \'er- 
stärkt,  der  genau  die  (restalt  des  Hohlraumes  des  geplanten 
(jefäßes  bekam.  Stab  und  Kern  wurden  in  geschmolzene  Glas- 
masse getaucht  und  so  mit  dieser  überzogen.  Dieser  Überzug 
wurde  hierauf  mit  freier  1  hmd  bearbeitet,  der  P\iß  in  einer  bereit- 
stehenden Hohlform   ausge]ireßt,  ebenso  wie  die  gepreßten  Füße 


i|   F.   Petric  a.   a.   O.      Die   Perlen    sind   T.   XIII   53   ff.   abf;ebildet. 
-)  ibd.   T.    XIII   57,   60. 


53 

römiscluM-  (xiasbecher.    .Lt   Ka.ul    (l.r   AKin.lun^-  nach   aulJen  ^e- 
bo^vn    und    schliHlli<-l,    d\c  YcrzU'ruu^    hergestellt,    indem    man 


mj^. 


Abb,   25.     Sclimuckperlen.      Römische   Kaiserzeit. 

dünne  farbi.^-e  (dasfäden  um   das  Gefäß  lehrte  und  dieses  so  lange 
auf  dem  Marmor  rollte,  bis  die  Fäden  i^anz  in  die  Masse  eing-e- 


54 

drungen  waren.  Wellenmuster  erzielte  man,  indem  inan  die  Fäden 
mit  einem  kammartigen  Werkzeuge  abwechselnd  hinauf  und  hinab- 
zog, entweder  jeden  P'aden  einzeln  oder,  wie  es  die  Zähne  des 
Kammes  möglich  machten,  gleichzeitig  eine  ganze  Reihe.  In  diesem 
Falle  wurde  ein  fast  vollkommener  Parallelismus  erzielt.  Der 
spiralförmige  Rand  der  Mündung  und  des  Fußes  wurde  her- 
gestellt, indem  man  einen  opakweißen  mit  einem  farbigen  Faden 
zusammendrehte  und  beide  um  das  Gefäß  schlang.  Schließlich 
wurden  aus  farbigen  Rundfäden  verschiedener  Stärke,  manchmal 
aus  zwei  verschiedenfarbig  zusammengedrehten,  die  Henkel  an- 
gefügt. (Der  Ausdruck  „angelötet",  der  häufig  gebraucht  wird, 
ist  irreführend,  weil  er  an  ein  eigenes  Lötungsmittel,  wie  bei 
der  Metallarbeit,  denken  läßt.  Glas  läßt  sich  dagegen  un\er- 
mittelt  in  heißem  und  erweichtem  Zustande  an  Glas  festfügen). 
Wenn  das  Gefäß  im  Laufe  der  Arbeit  zu  sehr  erkaltete  und 
durch  Erhärtung  an  Bildsamkeit  verlor,  wurde  es  am  Ende  des 
Stabes  oder  mit  der  Zange  wieder  der  Glut  ausgesetzt  und  so 
stark  erwärmt,  als  nötig  war.  Nach  Vollendung  der  Arbeit  und 
völligem  Erstarren  lockerte  sich  der  Metallstab  von  selbst 
in  der  Masse  und  konnte  leicht  herausgezogen  werden,  worauf 
man  den  inzwischen  bröckelig  gewordenen  Formsand  aus  dem 
Inneren  herausrieb. 

Unter  den  größeren  fein  gemusterten  Bruchstücken  von 
Glasgefäßen  hatten  150  einfache  Wellenlinien,  36  doppelten  Zick- 
zack, ebensoviele  gewundene  Bänder,  42  Augenmuster,  2  Spiral- 
muster, drei  unregelmäßige  weiße  Flecken  und  drei  Eindrücke. 
Alle  diese  Muster  erhielten  sich  auch  in  sjiäteren  Zeiten  und 
gingen  in  die  ptolemäische  und  römische  Glasindustrie  über. 
Nach  Plinders  Petrie  sind  die  späteren  Nachbildungen  roher  und 
zeigen  namentlich  nicht  den  Glanz  und  die  Glätte  jener  frühen 
Arbeiten,  die  jetzt  bestimmt  in  die  Zeit  um  1400 — 1350  \or  Chr. 
versetzt  werden  können.  Aber  dieser  Ansicht  stehen  zahlreiche 
andere  Beobachtungen  gegenüber,  nach  welchen  wir  gerade  der 
Ptolemäerzeit  und  jener  der  ersten  Kaiser  das  größte  Raffine- 
ment in  der  Technik  und  die  feinste  und  reichste  Ausbildung 
der  Muster  in  Formen  und  Farben  zuschreiben  müssen.  Zu  den 
geschilderten  Verzierungsarten  und  Techniken  kamen  in  diesc^i 
Zeiten  zahlreiche  andere,  die  bei  der  Besprechung  der  Alabastra 


und  der  Mosaikt^'läser  näher  y-ckcMinzeichnet  w crdtMi  sollen,  zu  den 
altäg"yptischen  ^luch  griechische  Motive,  \v(4che  dem  Umrisse  der 
Gefäße  einen  Grad  von  Zierlichkeit,  P^leg'anz  und  dabei  von 
praktischer  Einfachheit  verliehen,  wie  er  kaum  zu  anderer  Zeit 
wieder  erreicht  worden  ist.  Die  ah^xaiulrinischen  Werkstätten, 
in  welchen  sicli  die  Glasmacherei  der  Ag-vi)ter  konzentrierte, 
nahmen  damals  einen  außt^rordentlichen  Aufschwunir  und  ver- 
sorgten mit  ihren  I\rzeu^"nis>en  nicht  nur  das  Mittelmeerl^ecken. 
sondern  auch  die  Provinzen  im   Norden   der  Al})en. 

Vielleicht  bezieht  sich  die  Bemerkung  Petries  nur  auf  die 
saitische  Periode,  in  welcher  die  Industrie  g^leichfalls  eine  g^roße 
Ausdehnung  hatte.  Jedenfalls  können  es  die  aus  freier  Hand 
geformten  Gefäße  in  der  Regelmäßigkeit  der  Rundung  und  der 
F(Mnheit  der  Einzelheiten  nicht  mit  den  geblasenen  aufnehmen, 
zimial  man  s])äter  auch  üljer  eine  vi(4  leichter  flüssige  ( rlas])aste 
\erfügte.  Eine  Rundung  aus  freier  i  land  kann  selbst  wenn  das 
Gefäß  nachträglich  noch  so  sorgfältig  abgeschliffen  wurde,  nicht 
so  vollkommen  regelmäßig  sein,  wie  eine  an  der  Pfeife  her- 
gestellte Glasblase,  ebenso  wie  ein  frei  modelliertes  Tongefäß 
nicht  den  Schwung  einer  auf  der  Töpferscheibe  gedrehten  \''ase 
haben  kann.  Man  betrachte  daraufhin  nur  die  Glasbecher  der 
Prinzessin  Xsichonsu  (Fig.  5),  deren  unregelmäßige  Formen  man 
kaum  als  das  Ergebnis  besonders  sorgfältiger  .Arbeit  und 
hochentwickelter  Technik  in  Ans])ruch  nehmen  wird.  Freilich 
geben  diese  Unregelmäßigkeiten,  die  man  \'om  technischen  Stand- 
punkte aus  als  Mängel  bezeichnen  muß,  den  Gläsern  als  KiMin- 
zeichen  freier  Handarbeit  einen  individuellen  Reiz,  der  ihren 
künstlerischen  Wert  manchmal  anstatt  ihn  zu  beeinträclitigen. 
eher  steigert.  Auf  gewissen  Zufälligkcüten  inid  .\bweichungen 
von  der  fabriksmäßigen  (ileichartigkeit  neuerer  Erzeugnisse 
berulit  zum  großen  Teile  der  \'orzug  der  antiken  (ilasindustrie 
\()r  der  modernen.  Die  Arbeit  der  frtMtMi  Hand  1)ringt  Finzel- 
werke  von  individuellem  (jepräge  hervor,  welche  oft  künstlerisch 
höher  stehen  ^ils  die  äußerlich  zwar  korrekte,  aber  schematische 
und  unpersönliche  Massenarbeit.  Aber  abgeseh(Mi  da\on  muß 
die  oft  ausgesj)rochene  Ansicht,  daß  die  Alten  in  der  (ilas- 
bereitung  eine  Stufe  der  \^ollendung  erreicht  haben,  die  seitdem 
nicht  wieder  eingetreten  sei,  daß  ihre  technischen  Methoden  den 


56 

unseren  in  vielen  ßeziehung-en  überlet^'en  j^ewesen  seien,  zurück- 
gewiesen werden.  Diese  Überschätzung  beruht  einerseits  auf 
der  zu  wörthchen  Ausleg-ung  enthusiiistischer  Berichte  antiker 
Schriftsteller,  welche  in  ihrer  Ahnungslosigkeit  einzelne  hervor- 
ragende Glasarbeitt^n  ihrer  Zeit  für  Wunderwerke  erklärten,  w^eil 
ihnen  die  Kenntnis  technischer  \^orgänge  abging,  andererseits 
auf  der   Unkenntnis    der    Fortschritte    unserer   eigenen  Industrie. 


Abb.   26.      Brustschmuck   von   ü.ihschür.      Vorderseite. 
Museum   Kairo,   Salle  des  bijoux. 

Unsere  Glastechnik  steht,  wie  Friedrich  benierkt,  ohne  Zweifel 
himmelhoch  über  jener  der  Antike.-^)  Die  zahllosen  F'arben- 
nuancen  des  Krystallglases,  die  gewaltigtMi  S])iegelgläser  von 
6  Meter  Umfang  im  Geviert,  die  so  rein  und  fleckenlos  sind, 
daß  man  in  freie  Luft  zu  sehen  glaubt,  unsere  o])tischen  Gläser, 
unsere  Glasgesi)inste  sind  in  der  antiken  Glasmacherei  einfach 
undenkbar.  Andererseits  würde  die  Nachahmung  von  Riesen- 
obelisken  und  l^ildsäulen,  wenn  die  Agyi:)ter  solche  wirklich  aus 


^)  C.   Friedrich,   Bonner  Jahrb.    74,   S.    164   f. 


57 

Glas  herirestdlt  hätten,  unserer  Industrie,  wie  nianche  ^ire\valtit;-e 
Schaustücke  auf  unseren  Ausstelkni^-en  l)e\vcMsen.  keine  Schwierig- 
keiten bereittMi. 

Aber  wenn  wir  auch  die  h(Jchste  I')hite  der  ä,t;-y])tischen 
Glasmacherei  in  die  I'toleniäerzeit  vc^rlei^-en  müssen.  lüeil)(Mi  doch 
die  Arbeiten  vom  Bes^inne  des  neuen  Reiches,  die  der  i8.  Dy- 
nastie inid    der    nächstfolgenden.    Glanzleistunt,'-en   von    hervorr^i- 


Abb.   27.      Brustschmuck   der   A'hhötcp. 
Museum   Kairo,   Sallc  des  bijoux. 

Inender  Schönheit  und  ini,L;"(^w  (ähnlicher  techiüsclier  Sors^-falt.  Unter 
den  Gefäßen  findet  man  die  zierlichsten  Formen:  Phiolen.  1  h^^ikel- 
kannen,  breitbauchiife  Töpfe.  Am]:)horen  mit  Spitzfuß.  kuj^'el- 
bauchi^iJ^  und  solche  mit  runder  f  ulijjlatte.  Hecher  in  Form  \'on 
l.otusblumen  (z.  B.  im  Louvre,  einer  ab^eb.  bei  Gerspach  a.  a.  O. 
S.  15;,  Canthari,  Büchsen  u.  v.  a.  Die  Farben  sind  leuchtend 
und  heute  noch  so  frisch  wie  vor  3000  Jahren,  da  die  ojiak-far- 
big"en  Glaspasten  nur  wenij^'  imter  der  \'erw  itteruns^'  !u;"elitten  mid 
nur  selten  Iris  ang-esetzt  haben.  \'on  der  Mannig-faltii^"ktMt  und 
Zierlichkeit  der  Muster  und  dem  Emailglanze  der  Farben  geben 


58 

die  Darstellungen  der  Tafel  I  einen  Begriff,  wenn  es  auch  nicht 
möglich  ist,  die  volle  Schönheit  des  Türkisblau,  eines  glänzenden 
und  reichen  Grünlichblau,  in  Aquarell  und  Farbendruck  wieder- 
zugeben. Ich  habe  in  ihnen  einige  Bruchstücke  von  Gläsern 
abgebildet,  die  zum  Teile  (Nr.  ii  — 16,  i8)  von  den  Aus- 
grabungen in  Teil  el  Amarna  herrühren  und  von  Flinders 
Petrie  an  Professor  Wiedemann  in  Bonn  geschenkt  worden 
sind.  Die  Stücke  Xr.  i  —  lo  stammen  aus  dem  Palaste  Ameno- 
phis'  III.  zu  Theben,  Xr.  ii  — 16  aus  dem  seines  Xach folgers 
Amenophis  IV.  Das  Stück  Xr.  12  ist  glasierter  Ton  und 
hier  zum  Vergleiche  aufgenommen.  Es  unterscheidet  sich 
auf  den  ersten  Blick  kaum  von  den  Glasscherben  und  er- 
klärt so  auch  seinerseits  wie  leicht  von  antiken  vSchriftstellern 
bei  ihren  Xachrichten  über  Ägypten  Arbeiten  aus  glasiertem 
Ton  mit  solchen  aus  Glas  verwechselt  werden  konnten,  wodurch 
manche  Verwirrung  angerichtet  wurde.  Der  Ohrring  Xr.  17 
stammt  gleichfalls  aus  einem  altägyptischen  Grabe,  doch  ist 
dessen  Zeitstellung  nicht  näher  bestimmt.  X'^ichts  hindert  ihn  für 
gleichalterig  mit  den  anderen  Stücken  zu  hidten,  aber  er  kcinnte 
ebenso  leicht  aus  einer  der  späteren  Dynastien  herrühren.  Das 
Bruchstück  eines  Pläschchens  Nr.  19  ist  mit  arabischen  Sachen  zu- 
sammen gefunden  und  wohl  gleichfalls  arabisch.  In  diesem  Falle 
wäre  es  einer  der  gar  nicht  seltenen  Belege  für  die  Fortdauer 
antiker  Tradition,  die  ja  gerade  nach  der  koptischen  Episode  mit 
neuer  Macht  auftrat.  Fast  alle  Stücke  sind  ziemlich  dünnwandig, 
durchsclmittlich  nur  2 — 3  mm  dick,  auf  der  \^orderseite  glänzend 
poliert,  manchmal,  namentlich  größere,  auch  auf  der  Rückseite, 
die  meisten  hier  jedoch  rauh  und  noch  mit  Spuren  von  Form- 
sand und  Asche  behaftet.  Verhältnismäßig  die  dickste  Wandung 
hat  das  Fläschchen  Nr.  19.  Die  einfachste  Art  der  Zickzackver- 
zierung zeigt  Nr.  13,  bei  welchem  das  ^Muster  nicht  vollständig 
in  die  Masse  eingedrückt  ist,  sondern  in  leichtem  Relief  vor- 
steht, was  häufig  vorkommt.  Wellenbänder  sind  teils  in  dünnen 
h'äden,  teils  in  breiteren  Streifen  gezogen.  Auch  bei  X>.  i  ist  das 
Muster  leicht  erhaben,  gleichzeitig  die  Wandung  mit  flachen 
Eindrücken  versehen,  bei  Nr.  7  bildet  es  leichte  Wulste.  Einen 
ganz  ähnlichen  Gefäßrand,  dessen  Hals  aber  mit  mehrfarbigem 
Zickzack    verziert    ist,    besitzt    das    Österreichische    Museum    in 


59 


W'icMi.V)  I  )it"  niehrreihil;!'!!  Wellen-  und  /ickzackbänder  anderer 
Proben  sind  dadurch  heryt'slellt.  dal)  man  di(^  1-äden  ])arallel 
auf  den  Gefälikörper  aufles^-te  und  dann  mit  dem  Kamme  ab- 
wechselnd hinauf  und  hinabzoi»".  Wenn  man  nur  dieses  tat, 
bildeten  sich  Wellenbog-en  wie  bei  den  XX.  2,  3,  6,  die  unten 
in  scharfen  Spitzen  zusammentreffen:  zo^»-  man  sie  auch  nach 
oben,  so  entstand  ein  spitzwinkelii>-es  Zickzack.  Besonders  schön 
in  Formen  und  Far- 
ben sind  die  W'ellen- 
muster  \'on  Xr.  6,  15, 
16  und  i.S:  letztere 
Art  ist  in  der  ah^xan- 
drinischen  Industrie 
sehr  beliebt  ijfewor- 
den.  Bei  Xr.  5  ent- 
steht anscheinend  ein 
unregelmäßiges  onyx- 
artiges  Geäder,  doch- 
ergibt sich  bei  der 
Frgänzung  auch  hier 
ein  mehrfarbiges  Wel- 
lenband. So  sehr  die 
Xachbildung  einfar- 
biger Edelsteinarten 
auch  schon  in  dieser 
ersten  Periode  ent- 
wickelt war,  so  finden 
sich  doch  keine  Be- 
weise dafür,  daß  sie  auch  l)ereits  den  Onyx  und  dit^  r(\gellosen  Muster 
verschiedener  Marmorarten  in  (ilasfluß  imitierte.  Diese  pracht- 
vollen Techniken  gehören  erst  der  alexandrinischen  (ilaskunst  an. 
Bei  Xr.  8  ist  die  zusammenlaufende  Aderung  durch  denselben 
Drehprozeß  hervorgerufen,  der  oben  bei  Herstellung  von  I'erlen 
geschildert  worden  ist;  deutlich  ist  zu  sehen.  \\i(^  der  1^'aden  nach 


Abb.  28.     Armband  der  A'hhotep. 
Museum   Kairo,   Salle  des  bijou.x. 


^)  Herrn  Gustos  Regierungsrat  Folnesics  verdanke  ich  photographische  Auf- 
nahmen dieses  Stückes,  wie  anderer  antiker  Gläser  des  Oesterr.  Museums  und  des 
k.  k.  Antikenkabinettes.  Die  Scherbe  wurde  zwar  in  Italien  erworben,  stammt  aber 
sicher  aus  .Ägypten. 


6o 

der  Drehuny  abg^eschnitten  \\urde,  so  daß  sich  ein  kleines  Plätt- 
chen bildete.  Bei  Xr.  4  folj^''t  der  Zug  der  Fadenwellen  den 
senkrechten  Rippen,  die  das  Gefäß  kürbisartig-  gliedern.  Den 
äußeren  Umriß  des  Ohrringes  \'on  leuchtendem,  tiefen  Kobalt- 
blau begleitet  ein  aus  Schwarz  und  Weiß  zusammengedrehter 
I^oppelfaden. 

Unter  den  Farben  ftillen  bei  den  Bruchstücken  mehrere 
Arten  von  Blau  und  Gelb,  reines  opakes  Weiß  und  solches  mit 
einem  Stiche  ins  gelbliche  und  bläuliclie.  dann  Oninge,  Braun 
und  Schwarz  auf.  Besonders  schön  ist  ein  tiefes  warmes  Purpur- 
azur-blau und  das  für  Ägypten  kennzeichnende  Türkisblau  \on 
wundervollem  Glänze  und  höchster  Klarheit.  Es  bildet  d(^n 
Grundton  \'on  Xr.  i,  2,  8  und  16  und  kommt  in  einzelnen  Streifen 
auch  in  Xr.  6,  15,  18  und  auf  der  glasierten  Tonscherbe  vor. 
Grün,  Rot  und  Violett  fehlen  hier  zufällig,  sind  aber  sonst  in  Teil 
el  Amarna  häutig  \ertreten  gewesen. 

Aber  man  \erstand  zur  Zeit  der  18.  Dynastie  nicht  nur 
das  Glas  im  weichen  Zustande  zu  bearbeiten,  sondern  auch  im 
erkalteten  zu  scimeiden  und  zu  graxieriMi.  Den  an  die  Bearbeitung 
der  härtesten  und  s])rödesten  Gesteinsarten  gewohnten  Ägyptern 
bot  auch  das  Glas  dabei  keine  Schwierigkeiten.  Schon  der  feine 
Schliff  der  zu  Gefäßen  modellierten  Pasten  und  der  Perlen  gibt 
Jtmen  Unrecht,  welche  den  Agvptern  dir  Ivcnntnis  des  Dreh- 
stuhles absprechen  wollen.  In  Teil  el  Amarna  und  an  anderen 
(jrten  fanden  sich  zahlreiche  Stücke  mit  isolierter  Ober- 
fläche und  eingeschnittenen  oder  gra\'ierten  \"erziervnigen,  so 
mehrere  Fingerringe,  \i  und  das  Stück  einer  o])ak-weißen  gläsernen 
Schüssel,  die  .Vlabaster  oder  ähnlichen  Stein  nachahmte  und 
tief  eingravierte  Verzierungen  hatte,  die  wahrscheinlich  für  far- 
bige Einkigen  bestinmit  waren.  (Eine  derartige  Tauschierarbeit 
in  Glas,  eine  der  idlergrößten  vSeltenheiten,  gleichf^üls  eine  Schale, 
befindet  sich  unter  den  alexandrinischen  Arbeiten  des  Museums 
in  Xeapel.)  Flinders  Petrie  fand  ferner  zierlich  geschnittene  Vo- 
luten aus  blauem  (ilase,  die  wahrscheinlich  in  gleicher  Art  zur 
Einlage  in  Alabaster  bestimmt  waren,  wie  sie  der  Alabiisterfries 
von  Tiryns  mit  seinem  Schmucke  kleiner  blauer  Glasflüsse  zeigt; 


1)  Abgeb.  bei  F.  Petrie  a.  a.   O.  T.  XIV,  23,   53.     T.  XV    133. 


6i 

außerdem  zalilreiche  aus  farbii^-cm  Glase  g-eschnittene  lliero- 
s^iviiluMi  zum  runlt^uvn  in  die  Wände.  Die  aufg-efundenen  Farben- 
sorten sind  \iel  zahlreicher,  als  tue  oben  ^geschilderten  Scherben 
vermuten  lassen.  Würde  man  die  vielen  Hunderte  von  Glas- 
stäben,   in    welchen   sie   zur    Bearbeituni^-  Ix^reitstanden,   nach   der 


Abb.    29.      G;illischc    [-"niailfibeln. 


Fiirbe  ordnen,  kc'inntt^  man  \on  derselben  Farbe  doch  nur  i^'anz 
wenijr  jrleiche  zusannncMibring-en.  Es  gibt  Purpurrot,  opakes 
Violett,  Blau,  (jrün,  Gelb  in  zahlreichen  Abschattierungen,  opakes 
Rot,  Schwarz  und  Weiß.  Die  Abstufungen  von  Blau  und  Grün 
sind  unendlich.  P'ast  alle  Farben  sind  sowohl  durchsichtig  wie 
undurchsichtig   \ertreten. 

Von  hervorragender  Schönheit  sind  unter  den  Arbeiten  der 
18.   Dynastie  und   späterer,   auch   noch   der   saitischen   Perioden, 


02 

die  z^ihlreichen  .Schmucksachen,  wie  Armbänder  aus  Glas,  mit 
welchen  man  auch  Statuen  an  den  1  landg-elenken  schmückte, 
Ring'steine,  Amulette  und  Besatzstücke  verschiedener  Art,  welche 
in  Hohlformen  aus  farbig-en  Glaspasten  g^epreßt  und  häufig-  noch 
mit  andersfarbigfem  Glase  dekoriert  wurden.  Mehrere  solcher 
llohlformen  besitzt  das  Musee  du  Cinquantenaire  in  Brüssel.  .Sie 
rühren  neben  zwei  Bruchstücken  von  Schmelztieg-eln  mit  ver- 
g-laster  Paste  und  anderen  Werkzeug^en  aus  den  Funden  von 
Teil  el  x\marna  her  ^)  und  zeig^en  Zierschilder  mit  dem  Namen  des 
Königs  und  der  König-in,  Einsatzstücke  für  Ring-e,  Aug-en,  Lotus- 
blumen, tanzende  und  musizierende  Bes,  Fische,  Palmetten,  Scara- 
bäen,  Ochsenschenkel,  das  Hierog-lyph  des  guten  Lebens,  Früchte, 
Blumen,  Formen  für  runde  und  längliche  Perlen.  Amulette 
spielten  im  Leben  der  Ägypter  eine  große  Rolle,  eine  noch 
größere  im  Totenkultus.  Die  Stelle  des  Körpers,  an  welcher  ein 
Amulett  g-etragen  werden  mußte,  war  g^enau  bestimmt,  auf  Mu- 
mien bildeten  sie  eine  wahre  magische  Ausrüstung.")  Besonders 
häufig  sind  unter  ihnen  kleine  Götterfigürchen  aus  farbigen  Pasten, 
manche  mehrfarbig,  aus  \'erschiedenen  -Stücken  zugeschnitten  und 
in  einen  gemeinschaftlichen  Grund  eingeleg^t,  auf  der  Vorderseite 
leicht  g-erundet,  rückwärts  flach,  wie  es  die  -Stücke  aus  der 
Sammlung  -Somzee  im  Brüsseler  Museum''),  solche  im  Louvre, 
im  Britischen  Museum,  in  der  Sammlung-  \on  Bissing  zu  München, 
im  Museum  zu  Kairo  und  zahlreiche  andere  zeigen.  Außer  Götter- 
figuren kommen  solche  von  Tieren,  Geräten  des  täglichen  Ge- 
brauches, von  11  erzen,  Augen,  kleinen  Säulen  u.  a.  vor.  Jaspis, 
Lapis  Lazuli,  Carneol,  der  schwarze  ( )bsidian,  wurden  dabei  ziem- 
lich geschickt  nachgemacht,  wenn  auch  damit  durchaus  nicht  die 
Absicht  der  Täuschung  verbunden  war.  .Vus  mehreren  Glas- 
stücken verschiedener  Farbe  ist  eine  schöne  Einlage  in  Form 
eines  Fisches  zusammengesetzt,  die  angeblich  aus  Teil  el  Amarna 
stammt,  und  sich  in  der  Sammlung-  \'on  Bissing-  in  München 
befindet.  Sie  ist  etwa  lO  cm  lang  und  zeigt  auf  azurblauem 
Grunde  einen  silberg-rauen  karj^fenartigen  Fisch  mit  rot-schwarzen 
Augen  und  roten  Flossen,  die  einzelnen  Schup])en  durch  dunkel- 

^)   Vgl.   Capart  a.   a.   O.   S.    26. 

-)   Wicdemann  im    Bonner  Jahrbuch   83,   S.   J 1 5   f. 

•')  ibd.   Abb.   Fig.   24. 


63 

braune  bot^eiiförmig-e  EinlaL;-en  angedeutet.  Das  Ganze  ist  von 
vortrefflicher,  lebendig-er  ZeichnunL;-.  \'ielleicht  g-ehört  die  Arbeit 
erst  in  idexandrinische  Zeit.  Ein  ^anz  ähnlicher  Fisch  gleicher 
Herkunft  befindet  sich  im  Österreichischen  Museum  in  Wien. 
(Abb.  lo.)  Aus  farbig-en  Glaspasten  geschnittene  I  lieroglyphen 
und  Zierplättcheii  wurden  in  Säulen,  Friesstreifen  und  andere 
Teile    \on    Pjauwerken,    in   Sarkophage,    Mumienhüllen.  Statuen, 


Abb.    30.      Gallische   Emailfibeln. 

MTilx']  usw.  eingesetzt,  man  maclite  ganze  1  lierogl\])lien-ln- 
schriften  auf  diese  Art  und  rahmte  sie  in  Ilolz,  SttMu  oder 
Metall  ein.  Besonders  j5chön  ist  diese  Dekoration  an  den  zwei 
Särgen  der  Mumie  von  Xotemit  (Net'em — t,  um  iioo),  Mutter  des 
Pharao  i  Irilior-Siamon  entwickelt.^)  Das  Äußere  ist  \"ollkommen 
mit  dicken  Gold])latten  belegt,  nur  die  Frisur  und  einige  Einzel- 
heiten sind  freigelassen,  welche  (^benso  wie  di(^  einen  grollen  Raum 
einnelimenden  1  lieroglvplien-lnschriften  und  die  ( )rnamente  aus 
farbigen  leuchtenden  Glaseinkigen  bestehen.  Die  Mumien  \om 
Fayün  waren  in  (fips  oder  Stuck  eingebett<^t  und  dieser  Über- 
zug mit  figürlichen   Szenen  und  Hieroglyplien   aus  farbigen  Glas- 


^)  Maspero  a.  a.  O.  S.  249. 


64 

einlag-en  g-eschmückt.  Bei  einfacheren  Mumien  beschränke  man 
sich  darauf,  diese  Ausstattung-  mit  Farben  aufzumalen.  Die  größten 
figürhchen  Darsteüungen  waren  aus  verschiedenfarbigen  Glas- 
stücken mosaikartig  zusammengesetzt  und  zugleich  mit  dem  Grab- 
stichel in  Relief  ausgearbeitet.  So  hat  die  Königin  Mail  alle 
nackten  Teile,  Gesicht,  Hände  und  Füße  türkisblau,  die  Frisur 
dunkelblau,  die  Fäden  im  Haarnetz  abwechselnd  hellblau  und 
gelb,  das  Kleid  zinnoberrot.  In  der  Nähe  \'on  Daphne  fand  man 
einen  Naos  aus  Holz  und  dabei  die  Reste  eines  gleichfalls 
hölzernen  Sarges,  \on  dessen  dunklem  Grunde  sich  die  direkt 
in  das  Holz  eingesetzten  Hieroglyphen  aus 
farbigen  Gläsern  glanzvoll  abheben.  Das 
Ganze  macht  einen  ungemein  reichen  und 
])rächtigen  Eindruck.  Besonders  beliebt 
waren  die  farbigen  Glaseinlagen  in  der 
saitischen  Periode  (721 — 332)^),  ebenso  die 
kleinen  Schmuckpasten.  Aus  der  saitischen 
Periode  stammen  Glaseinlagen  der  Samm- 
lung von  Bissing,  von  w^elchen  freilich  ein 
Abb.  31.  Große  Glaskugel.  Teil  durch  Brand  zerstört  ist.  Die  einen 
Sammlung  von  i'.issing.  sind  einfarbig,  die  iinderen  zeigen  die  ein- 
zelnen Körperteile  der  Figuren  in  \er- 
schiedenen  Farben.  Am  häufigsten  sind  stehende  Figuren  \"on 
Gottheiten,  Sjihinxe  und  Boote,  die  sog.  Sonnenschiffe.  Doch 
reicht  die  Sitte  der  (ilaseinlagen  in  Holz,  namentlich  in  Mumien- 
särge, teilweise  bereits  bis  in  die  12.  Dynastie  hinauf,  um  unter 
den  Ptolemäern,  wie  der  pracht\olle  mit  Glas  inkrustierte  Thron- 
sessel des  Museums  \-on  Turin  zeigt,  zugleich  mit  den  anderen 
Glastechniken  sich  zu  höchstem   Glänze  zu  entfalten. 

Außerordentlich  in  Blüte  stand  außer  der  (rlasindustrie  die 
Glasur  \'on  Ton  waren,  eine  verwandte,  mit  beinahe  gleichem 
Material  arbeitende  Technik.  Diellälfte  der  in  unseren  Museen 
befindlichen  vStatuetten  von  Sklaven  für  das  Jenseits,  der  sogenannten 
Uschebtis,  \on  Göttern,  Kr)nigen,  Tieren,  dann  der  Scarabäen,  Amu- 
lette und  Zylinder  aus  Kalkstein,  Tignit,  Ton,  Steingut  und  anderen 
Stoffen  sind  mit  leuchtenden  farbigen  Glasuren  überzogen,  die  ihnen 


^;<^ß^ 


^)    Wiedemann   a.   a.   O.   .S.   21^ 


'/'^    -r.    ~^ 


^        ■      r-. 


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65 


oft  das  Ansehen  fcirl)i,i;"er  (ilaspasten  verlcilien.  Man  findet  Arbei- 
ten \ on  jrlasiertem  Ton  schon  in  den  ähesten  ä^-yptischen  Bauten. 
Zu  den  frühesten  y-(»li(")reii  (he  Sieg"elzy]in(h'r.  khMn(\  meist  sech.s- 
seitig'e  I'rismtMi  mit  (ilasiir  in  x-erschiedencn  I^'arljen.  die  ältesten 
g-elbhchweil),  an  den  StMtenflächen  mit  eini^-esclmittenen  lliero- 
i^'lyphen  \erziert,  die  in  W'achssiei^'el  ^d^j^'edrückt  wurden.  \'on 
derselben  Art  sind  (hi-  späteren  assyrischen  und  l)al)\lonischen 
Sieg"elzylinder.  Ilnien  fol^ttMi  die  Siei,''elsteine  in  I^Orm  des  heili- 
g'en  Käfers,  die  Scarabäen,  die  auf  der  unteren  flachen  Seite 
mit  J  liero!L;'l\])hen  s^TaN-iert  wurden.  Außerdem  fand  der  Sciira- 
bäus  als  Amulett  und  Zierstück  zu  allen  Zeiten  un- 
i^'emein  reiche  \'erw  «Miduny.  Zur  Zeit  des  Menchera 
(4.  Dynastie,  imi  4200  lüs  4000  \or  Chr.)  waren  schon 
beide  Arten  der  Sieirelsteine  in  (iebrauch.  Das  Mate- 
rial, aus  welchem  sie  bestehen,  ist  verschiedenartis^'. 
Der  eine  Ton  ist  weif)  und  sandig",  der  andere  fein. 
lichtg'rau,  beide  durch  Puherisierung"  eines  Kalk- 
steines i,'"ewonnen,  der  sich  in  eroßer  Ausdehnung-  bei 
Quench,  Luxor  und  Assuan  findet,  dann  ein  dritter 
rötlich,  mit  Kreide  und  Ziegelpulver  g-emischt.  Diese  ^bb.  "2. 
Tonarten  sind  g'leichmäßig  unter  dem  unzutreffenden  Aggry- Perle. 
Xamen  .,äg"V])tisches  Porzellan  oder  Fayence"  bekannt. 
Man  preßte  das  angefeuchtete  schlammartige  jNIaterial  in  ]  lohl- 
formen  aus  gebninntem  Ton,  tauchte  die  geformten  Gegenstände 
in  noch  weicluMU  Zustande  in  feinen  (  dasstaub  luul  brachte  sie  so 
ins  Feuer.  Beim  Schmelzen  legte  sich  die  farbige  Glasur  wie  eine 
feine  Haut  über  alle  Teile.  Doch  ist  diese  Technik  nur  bei  kleineren 
Stücken,  besonders  Scinnucksachen,  nachw(üsbar.  Bei  anderen 
wurde  das  Stück  vor  der  (  dasiu"  einmal  gebrannt,  w  obei  bereits  die 
Kieselsäure  austrat  imd  einen  leichtt'u  glasartigen  L'lierzug  bildet(% 
dann  in  flüssige  (  dasiu- eingetaucht,  mit  sok-her  benialt  oder  übt^r- 
gossen.  Bei  (iefäßen  i-^t  oft  im  Inneren  der  unregelmäßige  l'])er- 
lauf  der  Glasur  zu  bemerken.  I)i(^se  ist  sehr  \-erschieden.  An  den 
ältesten  Stücken  ist  sie  fast  glanzlos  und  Tudierst  dünn,  so  daß 
sie  nur  in  den  X'ertiefungen  der  i  iierogbphen  und  andt^ren  ein- 
geschnittenen \'erzierungen,  den  Gesichtszügen  u.  dgl.  sich  ansam- 
melt und  dort  durch  ihren  dunklen  (ilanz  malerisch  von  den  matt 
gebliebenen  Teilen  absticht,      in   den   alten    D\  nasiien    überwiegt 

Kisa,  Das  Glas  im  .■\ltertiimo.  r 


66 

weitaus  die  lichtgrüne  GUisur,  doch  wurde  die  gelbe,  braune,  rote, 
blaue,  violette  keineswegs  verschmäht.  Von  den  ersten  Jahren  des 
mittleren  Reiches  an  (um  3000)  herrscht  ßlau  vor  und  zwar  in 
zwei  Hauptstufen,  einem  w^eichen  leuchtenden  Lapislazuliblau  und 
dem  den  Türkis  nachahmenden  schönen  Grünblau.  Im  Museum 
\on  Bulak  standen  drei  Nilpferdchen  mit  jenem  wundervollen 
LajMslazulibkiu.  das  man  erst  nach  2000  Jahren  wieder  gleich 
prächtig  und  rein  findet  und  zwar  in  den  Totenfigürchen  von 
Deir-el-Baliari.  Das  Grün  tauchte  in  der  saitischen  Epoche  wieder 
auf,  aber  etwas  abgeblaßt;  es  herrschte  da  im  Norden,  in  Mem- 
])his,  Bubastis  und  Sais  \or,  ohne  jedoch  das  Blau  ganz  zu  \er- 
drängen.  Türkisblau  fand  mit  Beginn  des  neuen  Reiches  (um 
1600)  am  meisten  Anklang  und  behauptete  sich  \'on  da  ab  bis 
ans  Ende  als  1  hiuptfarbe.  Die  dicke  })astenartige  Eayencegkisur 
gehört  x'orwiegend  in  den  Beginn  des  neuen  Reiches.^)  Auch  die 
Gläser  folgten  in  den  Grundfarben  diesen  wechselnden  Moden. 
Andere  Nuancen  traten  in  den  ersten  vier  bis  fünf  Jahrhimderten 
des  neuen  Reiches  auf,  von  Amos  1.  bis  zu  den  Ramessiden; 
nur  da  tindet  man  die  Dekorationen  in  Weil)  auf  Rot,  die  Lotus- 
blumen, die  gelben,  roten  und  \ioletten  Blümchen  und  .Streif- 
muster auf  Dosen.")  Die  Töpfer  aus  Amenophis'  III.  Zeit  (18. 
Dynastie)  hatten  eine  besondere  Vorliebe  für  graue  und  violette 
Farben.  Die  Herstellung  vielfarbiger  Glasuren  scheint  in  der- 
selben Periode  unter  Amenoiihis  I\".  ihre  höchste  Entwickt^ung  er- 
reicht zu  haben,  wenigstens  haben  sich  die  feinsten  und  elegan- 
testen vStücke  gleichfalls  wieder  in  Teil  el  Amarna  gefunden.  Gelbe, 
grüne  und  violette  Ringe,  weiße  und  blaue  Blümchen,  Fische, 
Gran^lten  und  Weintrauben  bilden  die  beliebtesten  PTemente  der 
Verzierung.  Hier  kam  auch  ein  Tonfigürchen  des  Hör  zum  Vor- 
schein, mit  blauem  Körper  und  rotem  Gesichte,  ferner  ein  Ring, 
auf  dessen  blauem  Kasten  der  Name  des  Königs  in  Violett  aus- 
gespart ist.  Die  kleinsten  und  feinsten  Muster  sind  mit  so  sicherer 
Hand  aufgesetzt,  daß  die  Farben  nicht  ineinander  laufen,  sondern 
scharf  abstechen.      P^in    Fharaonenkopf   avis    mattem    Blau    trägt 


^)   Vgl.   V.   Bissing,    Die   altägyptischen  Fayencegcfäßc.      Catalogue    general    du 
Musee  du  Caire.     S.  XVI. 

'^)  Maspero  a.   a.   O.   S.   252   f. 


67 


eiiK'U   Kojjfpulz    mit    (lunkclljhiucii    Streifen.      Das    Meisterstück 

der  ganzen    Klasse  kleinerer  iunaily-lasuren  ist    die  MumienhüUe 

des   ersten    Propheten    des    Amon    I'tah    in-i    Museum    \on  ßulak 

mit  ihrem   reichen  Schmucke  von  I  lierogiyphen  und  Ornamenten 

in  glasit^rten   Tonreliefs,  wobei  sich  die  glänzenden  Emailfarben 

von   dem    w cilleii   (irunde  fast  ebenso  jirächtig  abheben,  wie  die 

eingelegten  (rlasj)asten  des  h()lzern<Mi  Sarges  \-()n  Dajjhne.   (iesicht 

inid  Hände  sind  türkisblau. 

der     Kopfputz      gelb     mit 

violetten     Streifen :     violett 

ist  auch   die   llit^roglyphen- 

schrift    und    der  (reier,    der 

stMue  Fittige   auf  der  I>rust 

der   Mumie    entfaltet.      Der 

(iesamteindruck  ist  trotz  der 

Lebhaftigkeit     der     Farben 

harmonisch,    die  Zeichnung 

der    Umrisse     von     großer 

Schärfe. 

Von  der  i8.  bis  zur 
20.  Dynastie  waren  die  Ful)- 
Ijecher  in  Form  eines  Kegel- 
stutzes besonders  in  Mode, 
die  gewöhnlich  wie  ein  halb- 
entfalteter Lotuskelch  deko- 
riert worden  sind.  Ein  schö- 
nes mit  dem  Xamensschilde 
Tutmosis'  IlL  \ersehenes 
Stück  dieser  Art  ist  im  Münclieiier 
während  der  „Führer"  als  Material  i-'ayence  angibt,  erklärt  es  Pro- 
fessor V.  Bissing  mit  Recht  für  Glas,  ein  neuer  Iieweis  für  die  oft  fest- 
gestellte Tatsache,  daß  Gläser  und  glasierte  Tonarbeiten  d(^s  alten 
Ägyptens  schwierig  zu  trennen  ->ind.  .Xuch  Dr.  Kiezler  und  andere 
sachkundige  Px'urteiler  treten  tür  (das  ein.  ich  selbst  schließe  mich 

Vi  Vgl.  Christ,  Führer,  No.  630,  S.  117;  v.  Bissing  a.  a.  O.  S.  XVlf.  Eine 
ungenaue  Abbildung  des  Münchener  Bechers  bringt  auch  Deville  T.  VIII  A.  Im 
Texte  ist  weder  angegeben ,  was  diese  Abbildung  vorstellt ,  noch  wo  sich  das 
Original   befindet. 

5* 


Abb. 


^3.      Schema  des  sog.   Gralsbechers. 
Genua. 

.\ntiquarium  '1  i.\l)b.  31.     .\ber 


68 

ihnen,  nachdem  ich  frühere  Bedenken  überwunden  habe,  nunmehr 
an.  München  kann  sich  demnach  rühmen,  mit  dem  Britischen 
ATuseum  eines  der  beiden  ältesten  sicher  datierten  Gkisgefäße  zu 
besitzen.  Der  Becher  Tutmosis'  III.  hat  etwa  die  Form  unserer 
Eierbecher  mit  leicht  j^-eschweifter  Wandun^t^  und  kurzem  Fuße 
ist  türkislilau  «^'lasiert,  oben  mit  einem  Dopj^elg'ehän^e  in  gelben 
und  schwarzen  Wellenfäden,  initen  mit  einem  g"leichartigen,  aber 
bloß  aus  drei  weiten  Wellenboj^en  bestehenden  Zierrate  versehen. 
Dazwischen  ist  ein  schwarzes  Rähmchen  mit  dem  Königsnamen 
aufgemalt.      Die    llauptzeit    der    Kelchbecher    verlegt    \'.   Bissing 

freilich  erst  in  die  22.  Dynastie  und  die 
Folge,  also  ca.  900 — 700  vor  Chr.  .Auch 
Kugelbecher  waren  damals  beliebt,  die 
auf  kobalt-  oder  türkisblauem  Grunde 
schwarz  aufgemalte  mystische  Augen, 
Lotus,  Fische,  Palmen  u.  a.  zeigen.  Im 
Museum  von  Kiiiro  befinden  sich  leuch- 
tend glasierte  Tongefäße  in  Form  von 
gehenkelten  Kreuzen,  Didu  -  Zeichen,^) 
runde  Bälle,  viereckige  Büchsen  und 
große  Ringe  von  sehr  lebhafter  und 
reiner  Emaillierung.  Neben  diesen  älteren 
Sachen,  welche  beweisen,  daß  die  Cilasurarbeit  den  Ägyptern 
damals  trotz  allem  geläufiger  war  als  die  schwierigere  Bearbei- 
tung des  Glases'-)  —  Plumpheiten,  wit^  bei  der  Londoner  Vase 
Tutmosis  HI.  und  den  Bechern  der  Nsichonsi  kommen  nicht 
häufig  \  or  —  ist  ein  Prachtstück  der  Ptolemäerzeit  nicht  zu  über- 
sehen. Es  ist  ein  Gefäl]  von  21  cm  1  leihe  und  20  Durchmesser, 
von  lasurblauer  Grundfarbe,  Hals  und  Fuß  mit  Girlanden  und 
IMumen   in   R(4ief  und   liclitgrüner  Cxlasur  geschmückt.     Die  eine 


Abb.  34.    Schema  des  Hechers 

Theodelindes. 

(Cuppa).      Monza. 


')  Zalilreichc  derartige  Amulette  sind  im  Münchener  Antiquarium  und  in  der 
Sammlung  F.  \V.  v.  Bissing.  Sie  bestehen  aus  verschiedenen  Materialien,  aus  glän- 
zend glasiertem  Ton,  Glas,  Lapislazuli  u.  a.  und  erreichen  acht  und  mehr  cm  Höhe. 
Sie  gleichen  einer  Säule  mit  mehrfachen  Kämpfergliedern  auf  einem  Lotuskapitell. 
Die  Form  ist  noch  unerklärt,  da  sie  in  der  .\rchitcktur  nicht  vorkommt.  Der  heilige 
l'feiler  Didu,  Ded,  als  Schriilzeichen  =  bleiben,  dauern,  spielt  im  Osiriskult  eine 
große  Rolle. 

'•^1    Wiedemann   a.   a.    O. 


69 


I  lälfte  dieser  in  Sakkarah  irefundenen  Vase  ist  alt,  die  andere 
14'eschickt  ero-änzt.  Eine  y-hMch  alte  Stiituette  eines  Hundes  sowie 
StatuctttMi  \on  (jöttern  und  (jenrefi^ürchen  sind  allcrdini^-s 
plumper  in  der  Modellierunj^'.  aljer  von  leuchtender  I 'rächt  in 
den  Glasuren.  ^) 

Weit  älter  als  die  Skarabäen,  Schmuckstücke.  Amulette 
und  Gefäße  sind  einzelne  Teile  arc^liitektonischer  Dekora- 
tion aus  g-lasiert(>m  Ton.  In  König"spalästen  lialxMi  sich  zahl- 
reiche Platten  zur  W'andbekleiduniJ'  erhalten,  die  teils  (Mufarbi^^" 
JL>iasiert,  teils  bemalt,  teils  durch  farbii^'e  Reliefs  und  l^inlatren  ver- 
ziert sind.  Schon 
die  Stufenpyra- 
mide \-on  Sakka- 
rah, welche  für 
den  ältesten  ])yra- 
midenartig"en  Mo- 
numentcübau  des 
Wunderlandes  yilt 
luid        einst        ein 


^7  c  b 

.■\bb.    35.      IVclicr  der  frühen   Kaiserzeit. 

Opakfarbiges    (ilas. 

a  Schatz  von  S.  Marco,  Venedig,    b  Genua,  Palazzo  Bianco. 

c   Neapel,   Museum. 


is.(imy"ss4Tal)  em- 
schlol),  erfr(/ute 
sich  bis  Zinn  \n- 
fani^'e  des  vorig'en 
Jahrhunderts  eines 
derartii^i^en  .Schinuckes. ')  Eines  ihrer  (iemächer  war  zu  drei  Viert- 
teilen mit  rechteckiiren  ufrünen  Fliesen  bekleidet,  die  auf)en  leicht 
kon\-(^x  y-ebo.iren,  auf  der  Imienseite  s^anz  flach  und  mit  einem 
Za])floche  versehen  waren.  Die  fliesen  standen  auf  den  Schmal- 
seiten auf  Um  die  rechtecki,ye  Türciifnunt^-  schlang-  sich  ein 
Rahmen  aus  breitg-estellten  l'liesen  j^-leicher  (jrölk\  luiter  w  eichen 
farbii^-e,  undekorierte  mit  h(41,i>-elblichen  abwechselten,  die  mit 
bunten  1  liero^i>-lyphen  \erziert  waren.  Die  Decke  hatte  ein  q-roßes 
Sternenmuster,  g'elb  auf  hnu^htendeni  1  limmt^lblau.  Die  Tür  be- 
findet sich  jetzt  im  lierliiier  Museum.   Zweitausend  Jahre  s])äter  lief) 


1)  Maspero,  Guide,  engl.  Ausgabe  S.   361,  449. 

2)  Lcpsius,    Denkmäler   II     T.    2.      Maspero    a.   a.   O.    S.    256.,    Fig.    230.      Vgl. 
Üorchardt,   /eilschrift   für  ägyptische   Sprache   III   S3   f. 


Ranises  III.  in  Teil  el  Jahudi  einen  g"anzen  Tempel  mit  farbij^'en 
Tonglasuren  ausstatten.  Dabei  wurde  ein  eijj"enarti^es  »System 
beobachtet.  Die  Platten,  welche  zumeist  ornamentalen  Schmuck 
haben,  Rosetten,  Pfliinzenmoti\e,  ijfeometrische  Fig^uren,  Voluten, 
Ranken,  vSpinneng^ewebe,  sind  klein  zugeschnitten  und  mosaik- 
artig mit  feinem  Zement  aufg"esetzt.  Der  Grund  ist  jjfrau  oder 
blau,  die  Blümchen,  das  Netzwerk  u.  a.  gelblich  weiß.  Einige  sind 
reliefartig"  g'earbeitet,  andere  ihrerseits  mit  farbigen  Einlag'en 
x'ersehen.  Der  Tempel  hatte  ein  traurij^es  Schicksal.  Zu  Be- 
i^'inn  des  vorii^en  Jahrhunderts  entdeckt,  zoj^  er  die  Aufmerk- 
samkeit Champollions  auf  sich,  der  einig^e  Reliefs  mit  Darstel- 
lung-en  von  Gefangenen,  die  gleichfalls  zur  Bekleidun^j-  der  Wände 
i4"edient  hatten,  für  das  Louvre  erwarb.  Der  Rest  ward  durch 
J  ländler  nach  allen  IJimmelsrichtunfjfen  zerstreut,  doch  j^'"elani^'"  es 
Mariette  einige  der  wichtigsten  Fragmente  wi(^der  zu  sammeln, 
darunter  eines,  das  den  Namen  des  P>bauers,  Ramses  III.,  ent- 
hält, Bordüren  von  Fötus  und  \T)geln  mit  Menschenhänden. 
Köpfe  von  äthioj)ischen   und  asiatischen   Sklaven  u.  a.  ^) 

Eine  Art  farbiger  Pasten  reicht  bis  in  die  Zeit  der  6.  Dynastie 
zurück.  In  den  Gräbern  des  N(4'ermat  und  der  Atet  in  Medüm") 
sind  die  Verzierungen  und  Eiguren  in  Stein  eingeschnitten  und 
mit  farbigen  Pasten  ausgelegt,  die  zumeist  glatt  abgeschliffen 
sind,  mit  Ausnahme  einiger  am  Eingange,  welche  Reliefs  zeigen. 
Dieses  neue  System  war  eine  Erfindung  Nefermats,  der  be- 
obachtet hatte,  daß  die  Farben  der  bem^dten  Skulpturen  ab- 
blätterten und  durch  den  Regen  \erwaschen  wurden.  Er  sagt 
selbst  in  einer  Inschrift,  daß  er  seinen  Göttern  dieses  Werk  in 
un\erderblicher  Farbe  gemacht  habe.  Die  Skuljitur  seines  Grabes 
ist  vertieft  gearbeitet  und  die  Ecken  unterschnitten,  so  daß  sich 
die  farbigen  Füllungen  tnnfügen  ließen,  welche  zur  größeren 
Sicherheit  auch  noch  \erzapft  wurden.  Die  Einzelheiten  an 
Fig'uren,  z.  B.  die  Perrücke  und  das  Gesicht,  waren  oft  von  ver- 
schiedener Tiefe,    wodurch   ebensowohl  die  vSchattenwirkung  wie 


^)  Abgeb.  bei  Maspero,  archeol.  egypt:  Fig.  235.  Vgl.  K.  B.  Hofmann,  Leber 
die  .Schmelzfarben  von  Teil  el  Jehüdye  in  der  Zeitschrift  für  ägypt.  Sprache  XXIII  62  f. ; 
Lewis,  Tell-el-Jahoudeh  in  Transact.  of  the  See.  of  Bibl.  Archaeology  VII  177  und 
A.  Dedekind,  ägyptologische  Untersuchungen  S.    159  f.  mit  Abb. 

-)  Fl.   Petrie,  Medüm  S.   24  f. 


die  Festii^'keit  erlu'iht  wurde.  Ivlcine  Einzelheiten  \-erschied(nier 
Farbe,  wie  die  Gesiehtszü^'-e,  das  Gefieder  eines  Vogels  u.  a. 
wurden  dargestellt,  indem  man  die  Umrisse  in  (^ine  Paste  ein- 
schnitt und  sie  mit  Stückchen  anderer  Farben  füllte.  Oft  wurde 
für  die  unteren  Teile  eine  minderwertige  Paste  verwendet,  und 
diese  durch  wertvollere  gedeckt.  Aber  so  schwierig  diese  Art 
des  farl)igen  Wandschmuckes  war.  hatte  si(^  doch  unter  den  Unbil- 
den der  Wit- 
terung eljenso 
zu  leiden,  wie 
die  bemalten 
Reliefs.  Die 
farbigen  Pas- 
ten fiel(Mi  he- 
raus und  w  ur- 
den  zerstört. 
Außerdem  hat 
die  Wirkung 
des  vS^llzes,  das 
in  Agv])ten 
überall  \or- 
kommt,  vieles 
\on  dem  was 
blieV)  in  loses 
weißes  Pulver 
vcrwandelt.Die 
Untersuchung 
der        Pasten 

durch  F.  C.  j.  Sporrrll  ergal),  daß  sit\  das  Weiß  ausgenommen. 
mit  einer  Art  Miistix  oder  (iummi  gemisc^ht  und  gekocht  sind:  in 
anderen  Stücken  dagegen  fand  man  eine  un^tM-er  Gelatine  ähnliche 
tierische  Masse.  Diese  Einlagen  sind  also  ebensowenig  als  Email 
oder  Glas  zu  bezeichnen,  wie  di(^  altägyptischen  Sclnnuckeinlagen. 
Glasurwerkstätten  lagen  in  Teil  el  Amarna  dicht  neben 
denen  für  Glasbereitung.  König  Amenophis  I\^..  der  Erbauer 
des  dortigen  P^dastes,  war  ein  gro(5er  Freund  l)eider  Industrien. 
Ganze  Mauern  wurden  unter  seiner  Regierung  mit  glasierten 
Ziegeln   und   Hieroglyphen  bedeckt,   gewaltige  Statuen  aus   gla- 


<l  I)  C  d 

.•\bb.   36.      (lläser  der  frühen   Kaiseizeit.      Opak-farbig. 

(1   Mailand,   Museum   Poldi-Pezzoli.      \)  Stuttgart,   Museum. 

C  Neapel,   Museum,      d  Trier,    l'rovinzialmuseum. 


/- 


siertem  Ton  bewiesen,  daß  die  Technik  allen  Schwierig-keiten  un- 
g-ewöhnlicher  Größenverhältnisse  zu  trotzen  vermochte.  Ein  voll- 
endetes Beispiel  der  architektonischen  \"er\vendunj^  der  Tong-lasur 
ti"il:)t  ein  Saal  des  Harems  von  Teil  elAmarna.^i  Während  sich 
in  ihm  keine  vSpur  steinerner  .Säulen  zeij^t,  findet  man  Mengen 
g'erippter  und  glasierter  Ziegel,  mit  welchen  man  Säulenschäfte 
bekleidet  hatte,  um  sie  zu  Pflanzenbündeln  auszugestalten,  wie 
man  es  ja  auch  in  Stein  tat.  Bei  der  Ornamentik  wurden  Blumen- 
motive, besonders  Lotusblüten  und  Knospen,  mit  \"orliebe  ver- 
wertet. Man  setzte  sie  als  Schmuck  zwischen  die  Rippen  der 
Kapitelle  ein  und  umschnürte  diese  am  Ansätze  des  Schaftes 
mit  Bändern  aus  heller,  oft  vergoldeter  Bronze;  iiuch  die  Längs- 
ri])pen  selbst  wurden  vergoldet.  Flinders  Petrie  bildet  ein 
Lotuskapitell  in  Farbendruck  ab,  dessen  Blattrippen  dicht  mit 
kleinen  schmelzartigen  Einsätzen,  abwechselnd  in  Blau  und  Gold 
besetzt  und  mit  Goldstreifen  eingefaßt  sind.  Der  Grund  ist  wie 
bei  Arbeiten  in  Grul:)enschmelz  in  kleinen  runden,  drei-  und 
viereckigen  Feldern  ausgestochen  und  darin  Blättchen  \'on  blau 
vnid  rot  glasiertem  Ton  eingelassen.  Neben  der  breiten  Mittel- 
rip])e  jedes  Blattes  sind  auch  die  schmalen  Fassungen  der  kleinen 
Felder  vergoldet,  so  daß  das  Kapitell  den  Eindruck  einer  prunk- 
vollen Emailarbeit  ungewöhnlicher  Größe  macht. ')  Breite  Bänder 
in  Blau.  Rot  und  Gold  umschnüren  es  am  Ansätze  des  Schaftes. 
Beim  Anblicke  eines  solchen  Stückes  erinnert  man  sich  der  Be- 
richte antiker  Schriftsteller  über  die  „gläsernen"  Säulen  der 
Ägy]:)ter.  Man  wird  wohl  nicht  irre  gehen,  wenn  man  annimmt, 
daß  solche  mit  ltaichtendt>n.  farben]:»rächtigen  (ilasuren  und  \"er- 
goldungen  bedeckten  Säulen  \on  ihnen  für  Glas  gehalten  wurden, 
zumal  Glas  und  Glasur  mit  denselben  Substanzen  arbeiten. 
Gerspach  meint  daß  sogar  Kenner  von  heute  bei  altägyptischen 
Arbeiten  in  glasiertem  Ton  oder  in  Glas  die  beiden  Materialien 
mitunter  nicht  genau  durch  bloP)en  Augenschein  unterscheiden 
könnten.^)  Um  wie  viel  leichter  ist  eine  \"erwechselung  bei 
einem    antiken    Schriftsteller    und    Reiseberichterstatter    denkbar. 


ij   Fl.   Petrie,   Teil   el   Amarna.      Plan   auf  T.   XXXII. 

-)  ibd.   T.  vi. 

'')   Man   denke  an  die   Müncliener   \'ase  Tutmosis'    III. 


dem  es  nicht  so  sehr  auf  technisch  j^"enaiie  Beschreüjuns^  als 
auf  eine  präi^"nante  W'iedcry-abe  des  Kindruckes  aid-cam  und  dem 
technische   Kenntnisse  abg'ini^'"en. 

Auch  die  Wände  wurden  in  Teil  el  Amarna  mit  ijlasierten 
Tonpkitten  geschmückt.  In  einer  gTolien  1  lalle  an  der  West- 
seite des  Palastes  fand  man  in  (Muer  Ausdehnung  \on  üIxm- 
200  Fuß  grüne  ?dies])latt('n  mit  Margarethen,  l)ist(4n  und  an- 
deren Pflanzenmüti\"(Mi.  l-"ußbodenplatten  waren  mit  stilisierten 
^Vasser^vellen,  Fischen  und  Lotus  bemalt  und 
damit  das  Ufer  des  Xils  oder  emes  Sees  nach- 
gebildet; in  steinerne  Mauern  waren  glasierte 
Ornamente,  A'ogelgestalten  und  I  lieroglyphen 
eingelegt.  Natürlich  benutzte  man  auch  hier 
die  Glasur  zum  Schmucke  des  Hausrates.  ^Man 
entdeckte  Scherben  von  Schüsseln  in  phantasti- 
schen Mischformen,  halb  Fisch,  halb  gelbe 
Melone  oder  grüner  Flaschenkürbis,  wahrschein- 
lich Teile  des  königlichen  Tafelservices,  \^asen 
mit  ein-  und  aufgelegten  Mustern  \-on  Figuren 
und  Blumen.  Unter  den  Farben  war  die  Ein- 
lage von  Dunkelblau  in  Lichtblau,  \on  Hellgrün 
in  ^"iolett.  von  d rasgrün  in  Dunkeh'iolett  vor- 
herrschend. Am  häufigsten  aber  befanden  sich  türkisblau  mit  weißen 
unter  dem  glasierten  Ton  .Statuetten  und  kleine  Fäden.  Frühe  Kaiser- 
Schmuckstücke,  Z.  B.  Fingerringe^),  Besatz-  zeit.  Aus  Köln.  Breslau, 
stücke,  die  auf  Kleider  genäht  wurden"'),  .Vn- 
hänger  in  Form  von  Früchten"),  Zierschlangen. 
Köpfe  von  Gottheiten^).  Blumen  für  eingelegte 
Arbeit'')  und  i  iieroghphcn  "1.  Man  fand  zu 
.Stücken  die  Hohlformen  aus  gebranntem  Ton,  welche  auf  der 
Rückseite  den  Abdruck  der  Handfläche  oder  der  Finger  zeigten. 
L'ntt^r   den    noch    nicht    glasierten   Exemplaren    waren  Tonperlen 


Abb.   37.      Kännchen, 


Schlesisches  Museum  f. 
Altertümer  und  Kunst- 
gewerbe. 

allen     di'rartiij'en 


^)   Fl.   Petrie,   Teil   el   Amarna.      T.   X\[    i6i — 240. 

-)  ibd.  T.    XVI   57,   50,    260,   436. 

8)  ibd.  T.  XVI  291    tr. 

')  ibd.  T.  XVI  322  —  327. 

6)  ibd.  T.   XVI  456—506. 

«)  ibd.  T.   XVI  241—269. 


74 

von  solcher  Zierlichkeit  und  Exaktheit  der  kleinen  ^Muster,  daß 
man  als  Material  für  die  Formen  den  feinsten  weißen  Formsand, 
vielleicht  zermalenen  Quarz  annehmen  muß. 

Die  räumliche  Verbindung-  \'on  Glas-  und  Glasurwerken, 
wie  sie  in  Teil  el  Amarna  und  auch  anderwärts  beobachtet  ist, 
beruht  keineswegs  auf  einem  Zufalle.  Beide  arbeiteten  mit  dem- 
selben Rohmaterial  und  teilweise  mit  denselben  Formen.  Sie 
halfen  sich  g-egenseitig  aus,  selbst  die  Ofen  dürften  manchmal 
beiden  Zwecken  gedient  haben.  Gefäße,  Schmucksachen,  farbige 
Einlagen,  wiederholen  sich  genau  in  Glas  wie  in  glasiertem  Ton, 
die  Arbeit  in  Ton  lieferte  als  die  ältere  und  beweglichere  jener 
in  Glas  die  Muster.  Die  Behandlung  mit  (jlasur  mußte  den  Ge- 
danken nahe  legen,  diesen  Stoff  selbständig,  ohne  Unterlage 
von  Ton  zu  verwerten  und  so  den  Anstoß  zur  Erfindung  der 
Glasarbeit  geben.  Nicht  jenem  .S]iiele  des  Zufalles,  das 
sich  am  Strande  des  Belus  xoHzog^en  haben  soll,  ist  die 
F^rfindung  des  Glases  zu  danken,  sondern  Jahrhunderte 
langer  Beschäftigung  mit  der  Tong-lasur  und  danach 
mit  den  zur  Erzeugung»-  des  Glases  nötigen  Rohstoffen. 
Dal')  dies  iiber  zuerst  in  Agvpten  geschah,  ergibt  sich  aus  dem 
hohen  Alter  der  dort  gefundenen  (jlasuren  und  Gläser,  welche 
in  der  Zeit  den  gleichartigen  P>zeugnissen  anderer  Völker  weit 
\orauseilen. 

Die  ursprünglichste  selbständige  \>rwendung  des  Glases 
war  die  in  Form  farbiger  Pasten,  die  zu  kleinen  .Schmuck- 
gegenständen, Einsätzen  etc.  durch  Tro])fen.  Aufg-ießen,  Pressen 
und  Schneiden  \erarbeitet  wurden.  Ihr  folg-te  allmählich  die 
weitere  Ausnutzung-  zu  Gefäßen  und  architektonischem  Zierrate. 
Seitdem  durch  die  Funde  \on  Glaswerkstätten  jeder  Zweifel 
daran  verschwunden  ist,  dal)  die  in  (rräbern  der  ii.  bis  zur 
20.  Dynastie  \-orhandenen  Gläser  im  Lande  selbst  hergestellt 
wurden,  ist  der  Ruhm  der  ]-)hönizi.schen  (xkismacherei  ver- 
blalk.-^)  Es  waren  ägy])tische  (ilasgefäße,  \or  allem  Glas- 
perlen und  andere  kleine  Schmucksachen  aus  farbigen,  Edel- 
steinen ähnlichen  Pasten,   welche  \on  dem  betriebsamen  Ilandels- 


^)   Auch    in    den    Griibern    von   Kahün ,    welche   der   XIII.   Dynastie  angehören, 
hat   Petrie   Glas  gefunden.      Vgl.    l'etrie,    Kahün  S.   32. 


75 

\-olke  an  den  l\.ü>tcn  des  Mittflmfcres  und  tief  in  das  Binnen- 
land hinein  \  t^rhreitet  wurden.  Die  Bewohner  der  i^Tiechischen 
Insehi.  (He  IvkMnasiaten,  die  Kelten  der  iberischen  Halbinsel 
hielten  den  Kaufmann,  der  ihnen  die  üflänzenden,  farbenprächtisjfen 
(iebilde  \-erinittelte.  auch  für  den  l>heber  dieser  Schätze.  Aber 
selbst  die  ihnen  bisher  zuj.if-eschriebenen  \>rdienst(^  um  die  Vvr- 
breituny  der  Industrie  bedürfen  starker  Kinschränkunt,»-.  Zwar  ist 
es  jrewil).  dali  sie  \"on  ihren  afrikanischen  Pflanzstätten  aus 
sowie   auf  dem  St'ewet>t^   in   das  Innere   des   scdiwarzen  Weltteiles 


Abb.   3S.      Kännchen   mit  Fadenschmuck.      Aus   rheinischen   Gräbern. 


\-ori)fedrun_iren  sind  und  selbst  die  Xet'i'er  der  Goldküste  mit 
äjjfvptischen  (ilasperlen  x-ersori^t  haben,  aber  im  1  landel  mit  dem 
Norden  f'.uropas  liefen  ihnen  die  driechen  bald  ch^i  Rans^"  al:). 
Der  AufschwuniT,  welchen  die  Gkisindustrie  im  neuen 
Reiche  irenonnnen  hatte,  hielt  auch  noch  unter  den  saitischen 
Dynastien  an,  wenn  auch  die  selbständii^' schöj^ferische  Tätigkeit 
nachgelassen  haben  maj^'.  Man  \ersuchte  die  1  lerrlichkeit  des 
alten  Reiches  wieder  h(^rzustellen  und  kopierte  \itdfach  die 
Arbeiten  fn'ih(>rer  P)lütezeiten.  .\uch  in  der  Glasindustrie  wurden 
die  Gefäße  der  i  S.  D\nastit\  die  Schmucksachen,  die  eini^'eleyten 
Arbeiten  nachi^-eahmt.  Gleichzeitiii!'  mit  diest^r  R(Miaissance  der 
altä3L»"yptischen  Kunst  (iffnete  sich  die  Küste  s^'ritH^hischen  An- 
siedlern imd  t;riechische  I\lemente  begannen  namentlich  in  die 
Kleinkunst  einzudrin^"en.  In  Xaukratis  und  anderen  l\.üsten- 
städten    entstanden   Werkstätti-n,    in    welchen    hJnheimische    ini 


7(^ 

Vereine  mit  Griechen  arbeiteten  und  eine  für  den  Plxiiort 
berechnete  Industrie  schufen,  welche  mehr  als  bisher  auf  den 
Geschmack  anderer  Völker  Rücksicht  nahm.  In  demselben 
Maße,  in  welchem  sich  die  altäjj-yptische  Kvnist  für  die  Aufnahme 
fremder  Formen  empfänglicher  zeig'te,  wuchs  ihr  Geltuni>"sbereich. 
Mit  der  I  lerrschaft  der  Ptolemäer  wich  die  frühere  Abg"eschlossen- 
heit  vollends.  \Vährend  die  altäj.^"v])tische  Keramik  einem  unheil- 
baren \"erfall  entg'eg"eng"in_Lf ,  lebten  in  der  Glasindustrie  die 
Formen  der  ersten  Blütezeit  wieder  auf,  um  mit  den  1  lilfemitteln 
einer  g'esteig"erten  Technik  luid  teilweise  in  A'erbindung"  mit 
|jfriechischen  Formen  eine  Mannigfaltigkeit  und  Gediegenheit 
der  Produktion  zu  entwickeln,  die  noch  heute  unsere  Bewunderung 
erregt.  Theben  trat  den  \"orrang  an  .Vlexandrien  ab,  das  sich 
namentlich  unter  Ptolemäus  Philadeli)hus  zur  ersten  Kunst-  und 
Industriestadt  des  gräzisierten  Orients  und  Griechenlands  selbst 
erhob. ')  Zwar  nahm  eine  Zeitlang  das  gleichfalls  g'räzisierte 
vSidon  an  dem  Aufst-hwunge  teil,  aber  es  war  nicht  auf  die  Dauer 
imstande,  drn  \\'ettl)tn\erb  mit  seiner  ägv]:)tischen  Nebenbuhlerin 
auszuhalten.  In  Alexandrien  wurden  die  bedeutungsvollen  und 
zukunftsreichen  Krfindungen  gemacht  oder  doch  zuerst  in  höherem 
Mal)e  ausgenutzt,  wt4che  die  Glasmacherei  \-öllig  umgestalteten, 
einen  ganz  neuen  Stil  der  Industrie  begründeten,  ihr  g'anz  neue 
Wirkungskreise  eroberten.  Hier  entstanden  oder  entfalteten  sich 
nicht  niu-  i(Mie  glänzenden  Techniken,  die  in  Rom  als  Wunder 
angestaunt  w  urden  luid  später,  nachdem  sie  im  Mittelalter  brach 
gelegen,  sich  auf  die  Wnezianer  \ererlien  sollten;  es  wurden 
aucli  die  in  Alexandrien  gt^schaffenen  Formen  für  die  (xlasindustrie 
des  g'esamten  Römerreiches  von  Indien  bis  nach  Britannien  maß- 
g'ebend.  Alexandrien  wurde  in  der  Kaiserzeit  zum  Mittelpunkte 
des  Luxus.  ül)erschwemmte  aber  neben  Arbeiten  \'on  feinstem 
Kunstwerte  die  Provinzen  mit  seinen  Massenartikeln  und  (le- 
brauchsgegenständen  gewohnlicher  Sort(\  Vom  fernsten  Norden 
bis  in  die  Ivbische  ^Vüste  hinein  sind  seine  (Glasperlen,  seine 
Parfumfläschchen  und  .Salbentiegel,  die  V)laugrünen  Kannen  in 
allen  Größen  zu  finden,  in  welchen  Wein.  Toilettewässer  und 
orientalische   ()le  versendet  \\  lu'den. 


^)  Wocrmann,    Geschichte  der   Kunst   I    197. 


\'on  (ItMii  X'orrans^'f.  den  Alcxandrifii^  (ilasiiulustrit'  in  der 
Kaisorzeit  (Miinalini,  /euyft  die  Stellt'  bei  Stralx),  die  den  Sand 
\()n  Alexandrien  tür  besonders  zur  ( dasbcrcitiuiL;"  •^■»■ci^-net 
erklärt.  M  Dieser  \'()rzuL;'  blieb  ihm  noch  lani^'e.  nachdem  man 
aueh  bei  (umae  und  Liternum  an  der  Küste  ('am])aniens  feine 
SandhiLier  entdeekt  hatte,  luid  im  weiteren  X'erlaufe  bei  laracco 
in  Spanien,  in  dallien  und  am  Khein.  Auf  eine  seiner  Ansicht 
nach  iini>'ehörii,''e  Uberschätzini^"  der  heimischen  (ilaskunst  weisen 
(h!e    \Vorte     des     I\.irchen\aters    Clemens    von    Alexandrien    liin: 


Abb.   39.      Kännchcn   mit   F'adcnschniuck.      Aus  rheinischen   (Iräbern. 


„Ouin  etiam  curiosa  et  inanis  caelatorimi  in  \itro  vana  ^t>"loria 
ad  franij'endum  artem  ])aratior.  quae  timere  docet  simul  ac 
bibas,  est  a  bonis  nostris  institutis  exterminanda."  ")  Ein  Beweis 
für  die  starke  Rej.csamkeit  der  Bevölkerung;"  tler  ^-roßen  Industrie- 
stadt ain  Xil  lieL,''t  in  dem  Worte  Hadrians,  daß  kein  Mensch  in 
ihr  müßi^"  t^"ehe."i  .Mitunter  scheint  si(>  sich  aber  zu  sehr  auf 
]\.osten    der    anderen      feile     des     Reiches     e-eltend    i^'emacht    zu 


')  Strabo  X\'I  758.  ,,l"go  vilrariis  Alc.xandriae  audivi  quamdam  Icrrain  vitra- 
riam  esse  in  Aegypto,  sine  qua  sumptuosa  quaedam  et  multorum  colorum  opera 
perfici  requisitum."  Namentlich  für  mehrfarbige  Gläser  rühmte  sich  Ägypten  des 
besten   Matcriales. 

-)  Clemens  von  Ale.xandrien,  paedagogus  lib.  II   3. 

•')  „Civitas  opulenta,  dives,  in  ([ua  nemo  vivat  otiosus,  alii  vitrum  conllant, 
ab  aliis  charla  conticitur."  Vopiscus,  in  Saturninum.  Die  Beschäftigung  mit  der  Glas- 
und  Papierindustrie  wird  besonders  hervorgehoben. 


7« 

haben,  namentlich  dürfte  die  gewaltig-e  Ausdehnung-  der  Glas- 
industrie Alexandriens  für  die  anderer  Provinzen  von  Nach- 
teil gewesen  sein.  Vielleicht  gab  dies  Severus  Alexander  Ver- 
anlassung alexandrinische  Gläser  mit  einem  hohen  Zolle  zu 
belegen,  den  Aurelian  erneuerte  und  auch  auf  Papyrus  aus- 
dehnte.^) Es  ist  aber  auch  möglich,  dal)  man  mit  diesen 
Maßregeln,  die  ein  sehr  steuerkräftiges  Objekt  trafen,  nur  der 
notleidenden  Staatskasse  aufhelfen  wollte.  Der  erstgenannte 
Kaiser  Septimius  Severus  verwendete  den  P>trag  der  Steuer  zur 
Krrichtung   öffentlicher  Bäder. 

Neben  Alexandrien  blieb  noch  Theben  für  die  Glasindustrie 
\on  Bedeutung.  Nach  Arrian  war  Diosjiolis  wegen  seiner 
Kristallgläser  und  murrinischen  Gefäße  berühmt.")  Auch  Sidons 
Tätigkeit  wird  \on  Plinius  und  anderen  hervorgehoben,'')  doch 
konnten  sich  beide  mit  ersterem  nicht  messen.  Das  Bemühen 
seiner  Werkleute,  immer  neue  Muster  auf  den  Markt  zu  werfen 
und  damit  jcnlem  Wettbewerl^e  die  Spitze  zu  bieten,  erinnert 
sehr  an  moderne  \"erhältnisse.  Athenäus  berichtet,  daß  sie  aus 
diesem  Grunde  Umschau  in  der  Keramik  gehalten  und  dabei 
fast  alle  Formen  \on  Tongefäßen  nachgeahmt  haben. |)  In  der 
Tat  ist  die  Gefäßbildnerei  in  Ton  als  die  älteste  und  nächst- 
liegende Schöpferin  \-on  Formen  für  die  Behandlung  anderer 
Stoffe  xorlDÜdlich  gewesen,  wenn  auch  deren  besondere  Eigen- 
schaften häufig  zu  eigenartigen  Bearbeitungsweisen  und  Dekora- 
tionen Wranlassung  gaben.  Andererseits  hat,  wie  wir  sehen 
werden,  die  Tonbildnerei  sich  Formen  und  Verzierungen  an- 
geeignet, die  sicli   zuerst  bei  Metall   und  (ilas   entwickelt  hatten. 


^)  Vopiscus,  Aurelian  cap.  45.  Bei  Lamprides  heißt  es  von  Alexander  Severus: 
,,Braccariorum,  vitreariorum ,  argentariorum ,  aurificum  et  caeterarum  artium  vertigal 
pulcheriorum  instituit."  Das  hinderte  ihn  aber  nicht  ein  großer  P>eund  der  Glas- 
macher zu  sein.  Er  trank  niemals  aus  Gold,  sondern  stets  aus  Glas,  selbst  aus  ge- 
wöhnlichem, und  verlangte  nur,  daß  es  rein  und  glanzvoll  sei:  ,,In  convivio  aurum 
nescit,   pocula  mediocra  sed  nitida  semper  habuit."      (ibd.l 

-)   Arrian,   peripl.   mar.   Erythr.   4. 

'^j   Plinius   36,   66. 

"')  ,,l(aTaax.3ua^oucji  ok  01  ev  'AXc^avopcta  tirv  SaXov,  [X£TappUi)|i.i!^ovT£;  xoXXa"? 
•/.a\  Tioiy.'.Xa.<.c,  (vulg.  TTOÄXäzt;  7:c/XXat?)  lOciai;  Ttoxspiwv,  7:avT05  xoG  navxayi.'&sv  xxxa- 
xtjij.i^o[i.£ vou   xspap.oi)   ~rv   tociav   [j.'.[ju[j.£vot'''   .\thenaeus   XI   7^4- 


79 

Auf  der  l/l)('rtr;ii^ui\L;"  der  bOrnicnsprcuiie  eines  Stoffg"e})ietcs 
auf  ein  andt»r(»s,  udt^r  mit  anderen  Worten,  auf  dt^r  ^rößtmög"- 
lichen  Kntfaltunjr  aller  Eis^enschaften  des  Stoffes  und  auf  seiner 
Anpiissunjrsfähijjfkeit  beruht  ja  zum  i^^rol^en  Teile  der  Fortschritt 
des  Kunsts^ewerbes.  Im  allsremeinen  wird  al)er  der  Satz  kaum 
Widersprucil  erfahren,  dal)  die  Tonindiistrie  den  anderen  Z\\a'i_t,'"en 
der  Gefäßbildnerei  den  (irundstock  \on  Formen  und  Dekorations- 
arten zuführte.     Schon  das  erste  Auftreten  des  Glases  als  Glasur 


Abli.   40.      Kännchcn   mit    I- udenscliiuuck.      Aus   Köln. 


\oü     fonwaren    keimzeichnel    -^ein    X'erhältnis    der    Aljhan^-iy"keit 
von   der  älteren   .Schwesterkunst. 

Die  ältest(Mi  Alabastra  und  P)alsamarien  in  I'haraonen- 
i^räbern  sind  aus  Stein  und  L;"lasiertem  Ton  herg'est(^llt.  die  aus 
o])akem  Glasflusse  mit  freier  1  land  modellierten  anfanj^s  nichts 
anderes  als  direkte  \achl)ildunL^-en  jener.  Die  kleinen  schlauch- 
fcirmiyen  Kläschchen  aus  Ton,  i>-anz  ähnlich  cUmi  so_i;'.  JVänen- 
fläschchen  aus  Glas,  haben  anfant^s  blaue  (ilasur.  Krst  xon  der 
]\Iitte  der  18.  Dynastie,  unter  dem  ])runkliel)eiiden  Amenophis  llk 
tauchen  buntfarbiire  auf,  die  meisten  \on  diesen  g-ehören  dem 
neuen  Reiche  an.    Zu   Ende    d(^r   Periode   üb(^r\\i(^y-t  llimmelhlau 


8o 

von  pr^ichtvoller  Leuchtkraft,   daneben  kommt   (iraubkm,  A'iolett 
und  P^lfenb einweiß   \or. ^) 

.Vußer  den  Formen  des  Lekythos,  der  Oenochoe,  der 
Amphora,  den  zierhchen  Kannen  und  Fläschchen  mit  ab- 
sjfesetztem  Halse  und  neich  unten  verjüntftem  Körper,  g"rifFen 
die  alexandrinischen  Gkismacher  gern  auf  den  Prochus  zurück, 
der  in  den  Gräbern  der  26.  Dynastie  häufig  vorkommt  und 
nach  den  griechischen  Insehi  herübergegangen  ist;  sie  machten 
aus  ihm  die  Kegelflasclie  mit  schkmkem  Halse,  mit  oder 
olme  1  lenke],  mit  oder  ohne  Längsrippen.  Der  ägyptischen 
Keramik  hat  die  Glasindustrie  teils  gleichzeitig,  teils  erst  im 
Laufe  der  archaisierenden  Periode  unter  den  saitischen  Dy- 
nastien und  wälirend  des  iüexandrinischen  PIklektizismus  einige 
Formen  entlehnt,  die -sich  als  feststehende  Typen  im  ganzen  Be- 
reiche der  römisch-griechischen  Kultur  Geltung  verschafft  haben. 
Die  meisten  von  ihnen  haben  in  der  Keramik  farbige  Fmail- 
glasuren  erhalten,  welche  sie  dem  Glase  ähnlich  erscheinen  ließen 
und  dadurch  die  Nachbildung  in  diesem  Stoffe  noch  mehr  anregten. 
Manchmal  verändert  die  Übertragung  einer  Form  aus  glasiertem 
Ton  in  Glas  diese  dem  .\ussehen  nach  kaum  merklich.  Noch 
heute  werden  Ton  waren  oft  mit  einer  Glasur  versehen,  deren 
Bestandteile  mit  denen  des  Glases,  Soda  und  Sand  identisch 
sind  und  nur  einen  Zusatz  von  Zinn  oder  Blei  enthalten.  Auf 
Abli.  13,  S.  27  habe  ich  mehrere  dieser  F^ormen,  die  den  Tafeln 
bei  H.  Wallis  entnommen  sind,  in  Umrisszeichnungen  zusammen- 
gestellt.') Fig.  2  zeigt  die  Form  der  Tonschalen,  welche  zur 
Zeit  der  18.  Dynastie  (1600 — 1368)  gewc'ihnlich  sind.  Sie  wird 
in  Glas  bis  in  die  späte  Kaiserzeit  nachgemacht,  in  der  Regel 
aber  der  Technik  entsprechend  mit  einem  Randwulste  \ersehen; 
der  Rand  erfährt  auch  andere  Umbildungen,  unten  wird  oft  ein 
Fußring  beigefügt.  Am  deutlichsten  gibt  Formentafel  G  423  die 
Form  in  einem  Exemplare  des  IIL  Jahrhunderts  n.  Chr.  wieder, 
auch  393,  411.  Die  Tonschalen  der  18.  D\-nastie  sind  häufig, 
wie  früher  schon  bemerkt,  mit  schwarz  aufgemalten  F^ischen 
verziert,  die  teils  ])aarweise,    teils  in   radiärer  oder  Kreisstellung 


1)   Vgl.   V.    Bissing  a.   a.   O.   S.   XXIII. 

^1   Henry    Wallis,    Kgyptian  ceramic   art   (thc   Mac   Gregor  collection). 


Si 


ersclit'iiitMi.  ^)  Die  Inirisst'  dicvscr  l-ischc  \\  ieclorholcn  sicii  iiocli  in 
(jla.sgTavi(^run^"en  des  1 II.  Jahrluiiulcrts.  I\l)enso  alt  wie  die  Schale 
i-"ii4".  2  sind  die  Näpfe  big",  i  und  3,  sehr  gew  (ihnliche  Formen, 
die  glänzend  grün  oder  blau  glasiert  wurden.  I)i('  türkisblauen 
Gefäße  dieser  Art  lockten  früh  zur  Nachbildung  in  ordinärem 
grünblauem  (ilase,  das  für  die  meisten  geblasenen  (iefälk^  der 
Kaiserzeit  in  Ägypten  angewendet  wurde  und  wie  erwähnt,  stark 
eisenhaltig  ist.  \'on  Alex^mdrien  aus  w  urde  die  ganze  alte  Welt 
mit  Salben-  und  Oltiegeln  ül)(M-sch\\ cmmt,  für  welche  der  flache 
ringförmige  Rand  kennzeichnend  ist,  dessen  Durchmesser  oft  dem 
des  Gefäßes  selbst  gleichkommt.  Diese  Typen  gehören  zu  den 
bekanntesten  untl  am 
weitesten  verl^reiteten 
Erzeugnissen  der  an- 
tiken Glasmacherei 
und  bekunden  beinahe 
ebenso  wie  die  belieb- 
ten vSchmuckperlen  die 
ungeheuere  ^Ausdeh- 
nung des  alexandrini- 

schen  .Vbsatzgebietes.  im  Museum  von  Kairo  steht  ein  der- 
artiger Napf  aus  den  Funden  Flinders  Petries  vom  llaw  ara-Fried- 
hofe,  der  dem  I\'.  Jahrhundert  vor  (/hr.  angehört.  Außer  henkel- 
losen kommen  auch  Tiegel  mit  zwei  F'adenhenkeln  oder  flach 
geri])pten  Bandhenkeln  vor,  die  am  Rande  mit  tünt-r  .Schleife 
ansetzen  und  nach  scharfer  Biegung  senkrecht  ])is  an  den  oberen 
Teil  der  Bauchung  reichen  (Formentafel  C  i5()).  Die  zur  Zeit 
der  [8.  Dvnastie  häufige  Tonform  3  ist  gleichfalls  in  (ilas  sehr 
beliebt  (l'ormentafel  P)  85,  91).  Ihren  l'rsprung  aus  der  ägvp- 
tischen  Keramik  nehmen  auch  die  als  TrinkgetTilH^  in  der  frühen 
und  mittleren  Kaiserzeit  allbekannten  Kugelbecher.  I  )ie  unter 
Xo.  4 — 6  der  Abbildung  3  in  linrissen  wiedergegebeiuMi  .Stücke 
sind  gleichfalls  in  (iräl)ern  der  iS.  I  )vnasiie  gefunden;  Xo.  7, 
prächtig  lasurblau  glasiert,  stammt  aus  der  20.  Dynastie  (1220 
bis  1080);  auch  die  anderen  zeigen  lebhafte  farbige  Glasuren, 
die    sie    wie    Gläser    erscheinen    lassen.       Der    st(Mle.    stMikrechte 


.\1)1).   41.      ( Icripptc   Schale.      I. 


ihrh 


*)   Henry    Wallis,   Kgyptian  ceramic  art  (Ihe  Mac  (Ircgor  collcclinni.    T.  \'  —  \'H. 
Kita,   D.'is  Glas  im  Altertume.  5 


82 

oder  leicht  nach  oben  sich  erweiternde  Rand  wird  von  der  Glas- 
industrie der  frühen  Kaiserzeit  übernommen  (Formentafel  F  356 
bis  362),  später  durch  einen  ausg"esch\veiften  oder  einen  Rand- 
wulst ersetzt.  Im  allgemeinen  macht  dieser  Typus  in  Glas  die- 
selben Wandlungen  durch  wie  in  Ton.^)  Selbst  das  Infundibulum 
hat,  wie  No.  6  zeigt,  bereits  seine  Vorläufer  in  der  Keramik 
des  neuen  Reiches.  Die  Fläschchen  mit  einer  kleinen  Ausguß- 
dülle  am  Bauche  sind  in  der  Kaiserzeit  weder  in  Ton  noch  in 
Glas  am  Rheine  selten:  man  bediente  sich  ihrer  zum  PTillen  der 
Ollämpchen,  vielleicht  auch  als  Saugflaschen  für  Kinder. 

Die  charakteristischen  flachrunden  Pilger flaschen,  die 
Neujahrsflaschen,  mit  einem  kurzen  Halse  in  Form  eines  Lotus- 
kapitells, an  welches  sich  zwei  hockende  Affen  anlehnen,  waren 
dazu  bestimmt,  eine  große  Rolle  in  der  Glasmacherei  zu  spielen. 
Miin  schreibt  diese  zumeist  türkisblau  glasierten  und  mit  orna- 
mentalen Ringkragen  versehenen  Gefäße  der  saitischen  Zeit 
zu.')  Auch  ringförmig  durchbrochene,  sog.  Wurstkrüge  dieser 
.Vrt  kommen  vor  (Abb.  13  Xo.  8,  9).  Getreue  Kopien  in  Glas 
sind  bisher  allerdings  nicht  festgestellt,  dagegen  sind  plattbauchige 
Flaschen  mit  glattem  Röhrenhalse  oder  einem  den  äußeren  Umriß 


^)  Abgeb.  bei  Edgar,  Greco-egyptian  glass.  Catalogue  general  des  antiquilees 
egypt.  du  musee  du  Caire.  Vol.  XXII.  Le  Caire  1905,  T.  IV  32,  527.  Es  ist 
eine  sehr  verdienstliche  Publikation,  wenn  auch  auf  die  historische  Einleitung  zu 
wenig  (Jewicht  gelegt  ist.  Die  Beschreibung  der  einzelnen  Stücke  ist  nicht  immer 
genau.  So  ist  die  Amphoriske  T.  IX  32,  733  als  ,,nach  der  Art  altägyptischer 
Gläser  modelliert''  bezeichnet,  während  schon  die  Abbildung  durch  die  peinliche 
Kegelmässigkeit  der  Form  und  durch  die  Naht  am  Boden  deutlich  bekundet,  daß  das 
Glas  in  einer  Form  geblasen  ist.  Es  ist  schlauchförmig,  wie  die  altägyptischen  Eimer, 
unten  abgerundet.  Die  doppelt  gehenkelte  Kugelflasche  auf  derselben  T.  IX  32,  129 
nennt  E.  ,,ganz  ohne  gleichen",  während  der  Typus  am  Rheine  sehr  verbreitet  ist. 
(Vgl.  Formentafel  C  133,  135,  137).  Allerdings  sitzen  die  Henkel  bei  dem  Kairener 
Exemplar  bloß  auf  dem  Bauche  und  reichen  nicht  an  den  Hals  heran.  Das  ist  aber 
unwesentlich;  die  Form  ist  die  der  gewöhnlichen  Kugelflaschen  mit  kurzem  nach 
oben  etwas  erweiterten  Röhrenhalse  und  zwei  kleinen  unrcgelmässigen  Fadenhenkeln 
mit  einer  Schlinge.  Der  Wert  des  Buches  beruht  vor  allem  auf  den  zahlreichen 
Lichtdruck- Abbildungen  ägyptischer  Gläser  der  Kaiserzeit,  durchweg  Gebrauchsware 
gewöhnlicher  Art,  deren  F~ormen  sich  grossenteils  mit  den  gallisch-rheinischen  decken. 
Die  Tafeln  sind  nach  Aufnahmen  von  ßrugsch-Pascha  hergestellt,  dem  somit  das 
Hauptverdienst  dieser   Veröffentlichung  zufällt. 

-)  Maspero  a.   a.   O.   S.   255,   Tlg.   22S. 


83 


Abb.   42.      (Gerippte   Schale.      I.   Jahrb. 


des  Lotuskapitells  tMiihaltenden  Trichterhalse  nicht  selten.  (Formen- 
tafel C"  131,  132,  140  u.  a.)  Der  Affe  war  ein  Lieblingsmotiv  der 
ägyptisciu'ii  Kunst  und  wurde  in  großen  und  kleinen  Skulpturen 
aus  verschiedenem  Material  d^lrgestellt.  Die  alexandrinische 
Kunst,  welche  von  der  alten  die  Vorliebe  für  Tierdarstellungen 
erbte,  bildete  Flaschen  in  Gestalt  hockender,  die  Syrinx.  bla- 
sender Affen,  \'on  welchen  sich  in  den  Museen  von  Köln,  Bonn, 
Trier  und  Amiens  Exemplare  erhalten  haben.  Als  Besatzstück  aber, 
wie  in  der  Keramik,  scheint  das  Affenmotiv  von  den  Glasbläsern 
nicht  benutzt  worden  zu  sein.  Immerhin  ist  der  Einfluß  jener 
Tonflaschen  auf  die 
Glasindustrie  in  den 
teils  kugeligen,  teils 
ringförmigen  Fläsch- 
chen  mit  kurzem 
Halse,  auf  dem  ge- 
w  öhnhch  ein  starker 
flacher  Ring  aufsitzt, 
nicht  zu  verkennen. 
(Vergl.    Formentafel 

B  130,  C  161  — 166).  An  Stelle  der  Affchen  treten  Ösen  aus  Faden- 
schlingen, bei  feineren  Stücken  kleine  in  sich  zusammengerollte 
Delphine  oder  Delphinköpfe,  weshalb  ich  diese  Art  von  Gläsern 
„Del])]iinflaschen"  benannt  habe,  eine  Bezeichnung,  die  bereits  all- 
gemein angenommen  ist.  Die  flache  Randscheibe  ist  ebenso  wie  der 
fl;iche  Henkel  der  Tiegel  und  zvlindrischen  Kannen  in  dem  Ary- 
ballos  Xr.  10  \-orgebildet,  welcher  in  der  saitisclien  Fpoche  und 
später  für  den  Export  nach  Griechenland  berechnet  war  und  sich 
deshalb  in  der  Palmette  griechischem  (jeschmack  anschließt.  Der 
flache  Henkel  ist  bei  Gläsern  gerippt,  wenn  er  aus  nebeneinander 
gelegten  runden  GlasstäbiMi  zusannnengesetzt  oder  in  einer 
Form  gepreßt  wurde,  was  die  Regel  war.  Der  Aryballos  ist 
bezeichnend  für  den  Einfluß,  den  die  griechische  Kunst  seit  den 
saitischen  K(')nigen  gewann,  die  sich  mit  einer  griechischen  Leib- 
garde umgaben.  Er  ist  in  Ton  zumeist  hellgrün  glasiert,  manch- 
mal naturfarbig  mit  blauen  aufgemalten  Ornamenten.  In  der 
griechisch-römischen  Zeit  kommt  auch  eine  Xetzxerzierung  in 
Relief  vor,   welche  das  Wirbild  für  die  im    III.  Jahrhundert  auch 

6* 


84 

in  der  g^allischen  (rlasiiidustrie  beliebte  Auflage  eines  Fadennet/.es 
mit  rautenförmij^"en  Maschen  abg"ab.  lün  hellblauer  Becher  aus 
römischer  Zeit  im  Museum  von  Kairo  zeig-t  das  Fadennetz,  das 
aber  bei  Tonj^-efäßen  g-ewöhnlich  in  einer  Ilohlform  gebildet  ist. ^) 

Eine  der  interessantesten  Bildungen  ist  unter  Xr.  13  an- 
gedeutet, die  einen  lasurblau  glasierten  Becher  der  Ramses- 
])eriode  wiedergibt.  Im  wcitc^ren  \"erlaufe  der  Kntwickelung 
setzt  sich  der  obere  Teil  schärfer  von  dem  unteren  ab  und 
nimmt  schließlich  die  Gestalt  eines  breiten,  trichterförmigen 
1  lalst-s  an.  der  auf  einem  kugeligen  I^auche  sitzt.  TMe  Form, 
die  der  Tyinis  in  der  Ptolemäerzeit  gewonnen  hat.  \ersinnlicht 
Xr.  II.  ein  Bescher  aus  weil)em  Ton.  dessen  Kuntlung  mit  einem 
Kranze  l)lauer  rro])fen  geschmückt  ist.  l^s  ist  wohl  imzw  t'ifel- 
haft.  daf)  wir  hier  das  Prototv])  des  l^ekannten  gallischen  l'rink- 
bechers  \-or  uns  halben,  der  jetzt  nc  ch  allgemein  als  eine  Schö])fung 
der  gallischen  Keramik  \on  selbständig(^r  Eigenart  gilt  und 
nach  der  ülilichen  I{rklärung  aus  der  Xa(4iahmung  des  hölzernen 
Weinfasses  (mtst£inden  ist,  dem  man  ein  breites  zylindrisches 
oder  tricliterförmiges  Mundstück  aufsetzte.  Der  gallische  Trink- 
becher wurde  in  allerlei  \^arianten  \on  den  gallisch-rheinischen 
Werkstätten  in  Glas  nachgebildt^t.  (Vgl.  Formentafel  B  85, 
88,  91 — 96.)  Auch  die  \>rzierung  mit  Tro]:)fen  eignete  sich 
\ortrefflich  für  die  Glastechnik  und  bildete  zu  allen  Zeiten,  be- 
sonders aber  in  der  s|)ätr(")mischen  Periode,  einen  l^eliebten, 
mannigfacher  Ausbildung  fähigen  Schmuck.  Ebenso  leicht  ließ 
sich  die  Fassung  der  Gefäßwand,  die  ]ilastische  Ausgestaltung 
durch  pjndrücke,  Ri])])en,  Buckel  und  Kanelluren  sowohl  aus 
freier  1  land  mit  Beihilfe  ])assend  ])roiilierter  Werkzeuge,  wie 
durch  Blasen  und  Formen,  durch  Pressung  und  .Schliff  auf  die 
Glastechnik  übertragen.  Schon  unter  den  Scherben  \'on  Theben 
und  Teil  el  Amarna  befanden  sich  gel:)uckelte  und  geri])])te  Stücke. 

Die  unter  Xr.  14  dargestellte  melonenartig  kanellierte  Tonviise 
g-ehört  wahrscheinlich  der  Ptolemäerzeit  an  und  ist  ihrerseits  die 
Xachbildiuig  eines  getriebenen  Metallgefäßes.  Ahnlich  ist  Xr. 
3718   des  \on  Bissingschen  Katalog'es  von  Kairo,   das  Bruchstück 


^)   Vgl.    V.   Bissing,    Die  altägypt,   Fayenccgefässe.    Katalog  von  Kairo.    S.   XV, 

No.    3738 — 3749.    -\.uch   (jläser  mit   Netzwerk   sind   mitunter  geformt. 


«5 

fiiii's  lirllhlau  i^in^icrtfii  I\.iit;"('11)('(ii('r^  mit  1  .änysri])])«'!!  aus  (l»^r 
Npäli'ii  /t'it  (h's  lunuMi  Reiches.  Xebcn  die  zalilrrichen  Arbeiten 
dieser  .Art  aus  oiasicrttMii  I'on  kouimcu  in  der  römischen  Zeit  dit^ 
P'altenbecher.  die  schon  in  I'omix'ji  \ertreten  sind  imd  in  der 
Blütezeit  der  s^'allisch-rlieinisclien  ( ilasmach(^rei.  im  II.  und  Ill.Jahr- 
himdert  n.  ( "hr.  unt^'emein  häutit.;'  lier^"estelU  wurden.  I  )('r  urahe 
'J'v])us  des  /.\  lindrischen  l^x'cliers.  den  wir  mit  g'hitten  W'andunt^'en 
schon  bei  dcMi  mchrfarbii^-en.  aus  freier  1  land  modelherten  Bechern 
der  Prinzessin  Xsichonsi  traten,  wurde  imter  den  l'tolemäern  zur 
Merstelhm^-  von  Ton- 
bechern  mit  hyürh- 
chem  R eh ef schmucke 
benutzt,  (he  als  l'n- 
tersätze  \on  Kus^el- 
bechern  chenttMi.  Ihre 
(iruncUorm  ist  in  Xr.  I2 
\\i(Hlertfe^"eben.  I)ar- 
nach  können  wir  wold 
aucli  manche  dt^r  zahl- 
losen (ilasbecher  die- 
ser Art  (Formentafel 
¥.  293  ff)  als  Unter- 
sätze gläserner  !vuL;'(dbecher  betrachten,  die  weisen  der  Riniduni^- 
ihrer  L'nterseite  nicht  frei  stehen  konnten.  Auc-h  der  eii.j'en- 
artis^e  I  lenkelansatz  ^fallischt^r  dlaskannen  xon  Ku,y"elform, 
deren  J  lals  durch  einten  Rin,u"  imterbrochen  ist.  \'on  wcIcIkmh 
die  beid(Mi  I  lenkel  ausj^'ehen.  (I'^ormentafel  ('  138)  ist  an  c^nc^r 
plattbauchig-en  I'ü^erkanne  aus  hellblau  ^"lasierter  l^'aN'ence 
(Xr.  3673  des  von  I  )issiny'schen  Kataloi^^es  der  Favencen  \-on 
Kairo)  vorgebildet.  l-",benso  halxMi  die  bekannten  dopj^elten 
und  dreifjichen  Schlau(-hbalsamarien.  die  in  ^Toßer  Zahl  aus  svri- 
schen  dlashütten  herxorjj-ej^ang'en  sind  i  Formentafel  A  S — 10), 
viele  \^:)ri>-äng-er  in  der  ägyptischen  Keramik.  ZwtM  und  m(^hr 
schlauch-  oder  xasenförmige  OlfläschchtMi  aus  Ton  wa^rden  mit- 
unter auf  einer  gemeinsamen  Bodenplatte  dicht  aneinander 
befestigt.  ^). 


.\bb.  43.    (lerippte  Schale,  goldbraun.    Kuln.    II.  Jahrh. 


1)  Abgcb.  bei   F.dgar  a.  a.  O.     T.   VUI  32,  655,  656,  65Q,   661. 


86 

Während  die  Nachbildung'  \on  Tonwaren  in  Glas  das  g"e- 
wöhnliche  \\ar,  kam  manchmal  auch  das  Gegenteil  vor,  die  Nach- 
bildung- von  Gläserformen  und  für  die  Glastechnik  charakteris- 
tischen Verzierung-sarten,  wie  z.  B.  die  des  Kerbschnittes,  in  Ton. 
Die  drei  in  ägvptischen  Gräbern  der  Kaiserzeit  g-efundenen  Ton- 
Amphoren  Nr.  15  — 17  sind  offenbar  Ko])ien  von  Glasgefäßen, 
denn  die  Bildung  der  Henkel  aus  runden  Fäden  ist  eine  dem 
Glase  eigentümliche,  dem  Tone  fremde.  Besonders  der  Stachel, 
welcher  bei  dem  rechten  Henkel  der  erstg-enannten  X'dse  dicht 
am  oberen  Ansätze  \'orragt,  deutet  auf  die  Kneifarbeit  mit  der 
Glaszange. 

Die  Formen  der  Gebrauchsware  römisch -V>y/.antinischer 
Periode  stimmen  mit  den  gleichzeitigen  Erzevignissen  gallisch- 
rheinischer  Werkstätten  zum  größeren  Teile  so  sehr  überein,  daß 
man  auch  darin  die  Abhängigkeit  des  Westens  von  der  Zentrale 
Alexandrien  bestätigt  sieht. -^j  Stärkere  Unterschiede  treten,  \on 
einzelnen  altägyptischen  Typen  abgesehen,  fast  nur  im  Material 
und  in  der  Dekoration  hervor.  Die  ordinären  Gläser  sind 
zumeist  stark  grünblau  gefärbt  und  \on  jener  Sorte,  die 
in  den  euro])äischen  Museen  durch  die  imjiortierten  Aschen- 
urnen, die  zvlindrischen,  vier-  und  sechseckigen  Kannen  für 
Ol  und  Parfüme  u.  a.  reichlich  vertreten  ist.  Das  (ilas,  das 
in  Gallien  und  am  Rhein  für  GeOirauchsgefäße,  Fensterscheiben 
etc.  verwendet  wurde,  ist  wie  das  italische  heller  und  grün- 
licher, mit  geringerem  Anklang  an  lilau,  dafür  öfter  ins  gell:)- 
liche,  bräunliche  und  olivfarbige  überg-ehend.  Avich  die  Gläser 
der  1896/7  in  Luxor  befindlichen  Sammlung  Newberry,  welche 
ägyptische  Funde  aus  römischer  Zeit  enthielt,  zeigten  Formen, 
die  den  g-allisch-rheinischen  sehr  nahestehen.')  Als  \>rzierung 
ist  außer  einfachen  F'äden,  Ri]ipen.  Falten,  Stacheln  \ereinzelt 
auch  Bemalung,  Gra\ierung  und  Schliff  verwendet.  Reste 
von  bemalten  Gläsern  wurden  namentlich  in  Oxyrynchus  ge- 
funden. 

Manche  Gelehrte,   die  sich   mit   der  Tatsache  eines  Massen- 


1)   Edgar  a.  a.  O.     T.  VII  32,  628,   631,    629,    632,   634.     T.  VllI  32,   637,  640, 
651,   663,   643,   645,   667    u.   a. 

^)   Nach   Photographien   bei   Prof.   Wiedemann   in  Bonn. 


8; 


exportes  ä^-\pti.>cher  Glaswaron  aus  Alexaiulrien  nach  allen 
Teilen  der  antiken  Welt  nicht  recht  befreunden  kcinnen  und 
jreneiyft  sind,  in  Gläsern  von  alexandrinischem  'I"}pus  Xach- 
bildung-en  einheimischer  Werkstätten  zu  erblicken,  weisen  auf 
die  gTol]en  Schw  ieris^keiten  des  Transportes  dieser  j^ebrech- 
lichen  Waren  hin,  welche  trotz  aller  Vorsichtsmaßreg-eln  allzu 
häufige  und  emphndliche  \'erluste  durch  Bruch  veranlaßt 
hätten,  um  eine  Massenausfuhr  lohnend  erscheinen  zu  lassen.-^) 
Es  scheint  aber,  daß  man  es  verstand,  solche  Verluste  auf  ein 
Mindestmaß  einzuschrän- 
ken und  zwar  durch  eine 
sorgfältig"e  \^erpackun,i,''. 
von  welcher  sich  im  Mu- 
seum von  Kairo  noch 
mehrere  völlig"  w  ohlerhal- 
tene  Beispiele  erhalten 
haben.  Hier  erscheinen 
u.  a.  mehrere  jener  Ol- 
und  Parfümflaschen  von 
äußerst  dünnem  und  ge- 
brechlichem Glase  mit 
langem  röhrenförmigen 
1  lalse  und  flachkegelför- 
migem Bauche,  der  manch- 
inal    nicht    viel    mehr    als 

die  Funktion  einer  Fußplatte  versieht.  Bohn  und  Dresse! 
zweifeln,  ob  es  italische  oder  gallisch -rheinische  Erzeugnisse 
seien,  der  alexandrinische  Ursprung  scheint  ihnen  wohl  wegen 
der  geringen  Transportfähigkeit  ausgeschlo->sen.  Die  bei  uns 
gefundenen  Exemplare  haben  manchmal  Namensstempel  von 
italischem  Klange.  Daß  dieser  Typvis  aber  gleichfalls  in  Ägypten 
heimisch  ist,  beweisen  die  Exemplare  des  Museums  von  Kairo.") 
Ihnen  verwandt  sind  die  gleichüdls  ganz  dünnwandigen  und 
langhalsigen  FUischen,  deren  Bauch  sich  der  Birn-  oder 
Schlauchform  nähert.    Drei  von  diesen  haben  noch   die  alte  \'er- 


Abb.   44.      Kugelbecher,   künstlich   irisiert. 
Köln,   Sammlung  M.   vom   Rath. 


')  Bohn  im  Corpus  inscr.   lat.  XIII  S.  657,  666e. 

-)  Vgl.   V.  Bissing  a.  a.  O.  S.  XXIV,  No.  3887,    18005. 


88 

packunj^-^).  Die  eine,  0,22  m  hoch,  0,075  im  größten  Durchmesser, 
ist  von  oben  bis  unten  in  Streifen  \on  Pflanzenfasern  eingewickelt, 
unter  welchen  man  einige  .Stücke  von  griechischem  Papyrus  be- 
merkt. Die  Hülle  ist  noch  heute  sehr  fest  und  fast  unbeschädig-t, 
allerdings  war  sie  nicht  dem  Transport  ausgesetzt.  Die  andere. 
0,1 85  m  hoch,  0,065  im  Durchmesser,  steckt  in  derselben  A^erpackung. 
Während  bei  jener  nur  der  Randwulst  herxorsieht,  ist  bei  dieser 
die  Hülle  \om  olleren  Teile  des  Halses  entfernt.  Die  dritte,  im 
Fayün [gefunden,  0.125  m  hoch,  0,055  i'"'"'  Durchmesser,  mit  breitem 
Randw  vilst  und  kürzerem  I  lalse,  ist  ebenso  eingewickelt  und  über- 
dies mit  einem  Grasstopfen  versehen  (Abb.  1 2.)  Auf  einer  der  Fasern 
liest  man  in  großen,  aber  nicht  mehr  deutlichen  Buchstaben  den 
Namen  A^l^OJEATOY  (?).  Bei  einer  vierten  Flasche  bemerkt 
man,  da  die  Hülle  beschädigt  ist,  daß  unter  den  breiteren  Fasern 
der  oberen  Hülle  eine  Schicht  aus  dünneren  und  weicheren  Fäden 
liegt,  welche  \'on  einem  Faserknoten  unter  dem  Bauche  des  Ge- 
fäßes ausgehen  laid  in  feiner  Zerteilung  dieses  völlig"  umspinnen.') 
Fine  solche  A'^erpackung  bot  hinreichenden  Schutz  geg-en  alle  Ge- 
fahren des  weiten  Weges  zu  AVasser  und  zu  Lande.  Selbstver- 
ständlich waren  bei  diesen  vSendungen  nicht  die  Flaschen  die 
Hauptsache,  die  man  (ebensogut  im  Lande  herstellen  konnte, 
sondern  ihr  Inhalt,  die  berühmten  orientalischen  Öle  und  Par- 
füme, welche  man.  wie  noch  heute,  auch  in  kleineren  Uuantitäten 
abmaß.  Das  gleiche  gilt  von  den  sogenannten  Lagonen,  den 
g-roßen  zylindrischen  und  prismatischen,  \-ier-  und  sechseckig'en 
Kannen  aus  grünlichV)lauem  (jlase  mit  kurzem  Halse,  flachem 
Randwulste  und  breiten,  meist  gerippten  Henkeln.  Alan  be- 
zeichnet auch  diese  als  gallisch  und  meint,  daß  sie  in  anderen 
Gegenden  des  Reiches  nicht  vorkämen.  Das  ist  jedoch  ein 
Irrtum.  Außer  'den  in  Frankrei(ii  und  am  Rheine  gefvmdenen. 
oft  am  Boden  mit  konzentrischen  Ringen,  Punkten,  Namen 
oder  einzelnen  Buchstaben  gestempelten  Exemplaren  und  zahl- 
reiche  Lagonen    in    Ägypten"),   auf   den   griechischen    Inseln,   in 


1)   Edgar  a.   a.    O.   T.   VIII   32,   655,   656,   661. 

■-)   Auch  Deville   bildet  T.  XCII  B.  ein  Fläschchen    mit    solcher  Umhüllung   ab, 
das  sich    in  der  ägyptischen   Abteilung  des   Louvre  befindet. 

3)  F.dgar  a.  a.  O.     T.   V   32,   540.   545.   542,   541,   543- 


89 


Süditalien,  besonder^  in  ( ';inii)anicn  i  l'omjx'ji.  in  MengTn  im  Museum 
\-on  Xeapel),  im  cisalpinisclifn  (lallicn  und  in  Lijj-urien  ischr  x'iele 
in  dcrRrera  in  Mailand'  /u  Fay'e  j^-etreten.  Sic  wurden  in  ])asscndf 
llol/kisten  \(M-})aekt  imd  so  mit  <  )len  inid  Parfümen,  auch  mit 
feineren  \\\^insorten  xcrsendet.  Man  sieht  sie  auf  den  (irab- 
steinen  \on  Soldaten, 
welche  den  X'crstorlxMicn 
in  der  Iti^'a  aut  dem 
1  riclinium  lie^-end  inid 
den  Becher  schwindend 
darstellen.  (Abb.  14.)  Sie 
stehen  hier  meist  in  recht 
stattlicher  dröße  aK 
Weinbehälter  auf  dem 
Boden  \'or  dem  Laj^er. 
Zum  Trai^-en  bediente 
man  sich  eines  P)üoels 
aus  Iironze  odc^r  einer 
Sclnuir.  welche  an  den 
llcnkeln  befesti,L;'t  wurde 
oder  besonderer  Körbe 
aus  Bast  oder  Ton  mit 
zwei  .Vbteilun,i;'eri.  zwi- 
schen welchen  der  halb- 
kreisförmiq"e  Henkel  an- 
gebrachtist. .Solche  Tra- 
g'ekörbe  sind  aus  I'ompeii 
in  das  Museum  zu  Xeapel 
g'ekommen.  (Abi).  15.) 
Auch  diese  Kannen,  die  kunstlos  aus  ordinärem  Material  durch 
Blasen  in  I  lohlformen  hi-rs^-estellt  wurden,  verdanken,  soweit  sie 
ägyptischen  Ursprunges  sind,  ihre  \'erbreitung  in  fremde  Länder 
vor  allem   ihrem   Inhalte. 


Abb.   45.      Gcpreüte   Schale.      Köhi,   ehem. 
Sammlung   1  )isch. 


1?»^ 


90 

Phönizien. 

Die  bereits  erwähnte  .Vnekdote  von  der  Erfindunt^-  des  Glases, 
mit  welcher  Plinius  seine  Abhandlung"  über  den  Gegenstand  ein- 
leitet, lautet  wörtlich  folgendermaßen: 

„Der  an  Judäa  grenzende  Teil  Syriens,  Phönizien  genannt, 
hat  innerhalb  der  Ausläufer  des  Berges  Karmel  einen  Sumpf 
namens  Cendevia.  Aus  diesem  entspringt  angeblich  der  Flui) 
Belus,  ^)  der  sich  nach  einem  Laufe  von  5000  Schritten  bei 
der  Kolonie  Ptolemais  ins  Meer  ergießt.  Langsam  ist  .sein 
Lauf,  ungesund,  aber  durch  gottesdienstliche  Zeremonien  ge- 
heiligt sein  Wasser,  schlammig  und  tief  sein  Bett.  Zur  Zeit 
der  Ebbe  bleuet  ein  feiner  glänzender  Sand  am  Strande  zurück, 
der  sich  nicht  weiter  als  500  Schritte  ausdehnt.  An  dieser 
Stelle  sollen  einst  Salpeterhändler  mit  ihrem  Schiffe  gestrandet 
sein.  L^m  ihre  ALihlzeit  zu  bereiten,  legten  sie  in  Ermangelung 
von  Steinen  Stücke  Salpeters  von  der  Ladung  des  Schiffes 
vniter  die  Kochkessel.  Nachdem  sie  Feuer  angemacht,  sei  \er- 
mischt  mit  dem  L^fersande  eine  edle  glänzende  Flüssigkeit  unter 
den  I  lerden  entstanden   und  dies   war  der  L'^rsprung  des  Glases." 

Von  Plinius  ist  die  Erzählung  in  die  Schriften  Isidors.  des 
Bischofs  \on  Sevilla  (VIL  Jahrhundert)  und  in  jene  bereits  erwähnte 
Sammlung  von  Rezepten  übergegangen,  welche  die  Arbeiten 
\on  verschiedenen  Schriftstellern  vereint,  aber  unter  dem 
Namen  des  ]  leraclius  und  dem  Titel  „^^on  den  Farben  und 
Künsten  der  Römer"  bekannt  ist.  Trotz  der  L'nwahrschein- 
lichkeit  der  \'orgänge  g"laubte  das  Altertum  fest  daran,  dal] 
die  Erfindung  des  Glases  den  Phöniziern  zu  verdanken  sei 
und  phönizische  Gläser  wurden  bis  in  unsere  Tage  als  die 
ältesttm  und  berühmtesten  angesehen.  Das  Material  \-on  den 
Sandbänken  Phöniziens  galt  neben  dem  ägy])tischen  für  das 
beste.  Str^ÜDo  teilt  mit,  daß  das  phönizische  Ufer  zwischen  Pto- 
lomäis  und  Tyrus  mit  kleinen  Hügeln  aus  glasigem  Sande  be- 
deckt sei,  den  man  aber  an  Ort  und  Stelle  nicht  schmelzen 
könne,  sondern  zu  diesem  Zwecke  nach  Sidon  schaffen  müsse. 
Die  vSidonier  ihrerseits    rühmten   sich,  daß  jener  Sand   nur  dann 


')   Heute   Nahr-Halu  genannt. 


91 


^-utes  ( rl;is  liefere,  wenn  er  xoii  ihnen  l)earbeitet  \\(M-(le.^)  Diese 
Mitteiluiii^-en  ery-änzt  Jt)se])hus  Maxius  durcli  die  Xaehricht.  dali 
sich  am  Fluide  Belus  in  (h-r  Nähe  des  Memnoiii^r^ibes  eine  runde 
Cirube  von  loo  EUen  Durchmesser  befände,  die  mit  vSand  zur 
Glasbereitunt»-  L^-efülh  sei.  Werch^  der  Vorrat  erschcipft.  so  er- 
neuere er  sich  von  selbst  und  zwar  durch  den  Wind.  Xur  jener 
Sand  sei  brauchbar,  den  man 
selbst  aus  der  Grube  hole,  aller 
andere  tauge  wenijjf. ')  Auch 
Tacitus  äußert  sich  über  diese 
Fundt^Tube:  „Der  ßelus  eri^'ielk 
sich  in  d;is  jüdische  Meer.  An 
seiner  Mündunt.;"  wird  (ilas  aus 
einer  Mischung"  \on  .Sand  luul 
Xitrum  gewonnen.  Dieses  Ufer 
\(>n  mäßig"er  Ausdehnung-  ist 
unerschöpflich."'"')  Die  Bemer- 
kung- des  Josephus  ist  offenbar 
nur  eine  legendarische  Aus- 
schmückung" der  Tatsache,  daß 
sich  neben  dem  durch  den  Fluß 
ang'eschwemmten  Sande  auch 
|-"lugsand   dort  \'orfand. 

Außer  diesen  und  ähn- 
lichen allg-emeinen  Nachrichten 
finden  sich  bei  antiken  .Schrift- 
stellern nur  wenig-e  Stellen, 
die  \-on  phönizischer  Glasarbeit 
handeln.  lierodot  und  nach 
ihm  Plinius  sprechen  \"on  einer 

g-roluMi  .Smarag-dstele  im  Tempel  des  Melkarl  zu  lyrus  und 
einer  anderen  zu  .\])ion.'i  Damit  lial  es  diesell)e  Tx^wandnis 
wie  nüt  den  äg"V])lischen  ( )belisken  und  den  smaragdenen 
Zieg'eln    bei    Moses.      Ebensowenig    ist     mit    der    Xaehricht     an- 


.\bli.   46.      Musclielkannc. 
Köln,  Mu-^euni  Wallraf-Richartz.    III.  Jahrli. 


')   Froeliner  a.   a.   O.   S.    18   f. 
'-)  Josephus  Flavius,  Jüdischer   Krieg   II    10,    2. 
•')  Tacitus,  bist.   I   5,   7. 
■*)   Jene  verbreitete    Nachts  angeblich  einen  glänzenden  Schein. 


92 

zufang"en,  daß  in  einem  Tempel  auf  der  Insel  Arados  zwei 
große  Glassäulen  standen,  die  das  Erstaunen  des  Apostels  Petrus 
erregten,  als  dieser  eigens  dahin  reiste  um  sie  zu  sehen,  ^j  \'iel- 
leicht  waren  diese  Säulen  wie  die  ägyptischen  mit  glänzend  gla- 
sierten Toneinlagen  \'erziert.  Auch  \on  gläsernen  Särgen  wird 
wieder  berichtet,  die  in  großer  Zahl  in  Sidon  hergestellt  worden 
sein  sollen.  Plinius  nennt  diese  Stadt  „Artifex  vitri".  und  sagt, 
daß  sie  besonders  wegen  ihrer  Erfindung  der  (schwarzen)  gläser- 
nen Spiegel  Ruhm  geerntet  habe.  Eeider  g-ibt  er  nichts  genaueres 
darüber  an,  auch  nicht,  wann  diese  Erfindung  gemacht  worden  sei. 
Sie  dürfte  kaum  \or  die  Kaiserzeit  fallen,  da  man  erst  aus  dieser 
g"läserne  Spiegel  kennt:  die  meisten  g-ehören  sogar  erst  dem  IL 
und  III.  Jahrhundert  an.  (Jff(Mil)ar  w  ar  Sidons  ( ilanzperiode  in 
Plinius  Tagen  schon  \'orbei,  denn  er  bezeichnet  die  dortigen 
Werkstätten  gleichzeitig  als  „ehemals  l)erühmt." ')  Athenäus  teilt 
gfelegentlich  mit,  daJ]  man  in  Sidon  g'"eschliffene  ßecher  her- 
g"estellt   hal)e. 

Diis  ist  alles,  was  man  über  die  hochberühmte  sidonische 
Glasindustrie  \'on  antiken  Schriftstellern  erfährt.  \"on  den  be- 
kannten Arl)eiten  des  fjnn"on.  Artas  und  anderer  griechischer  oder 
g"räzisierter  Glaskünstler  und  den  sidonisclu^n  Siegesbechern  s^igt 
die  zeitgenössische  Literatur  kein  Wort.  Noch  schlimmer  ist  es 
um  Tyrus  bestellt,  dessen  Glasindustrie  noch  im  XII.  Jahrhundert 
im  Gangt^  war.  Nach  den  Worten  des  Benjamin  \on  Tudela  be- 
fanden sich  damals  gegen  400  jüdische  Glasmacher  in  der  St£idt. 
da  die  syrisch-phönizischen  Glashütten  allmählich  fast  ganz  in  die 
Hände  der  Juden  übergegangen  waren.  Daß  dort  fleißig  g-ear- 
beitet  worden  war,  beweisen  Reste  von  (ilasw  erkstätten,  über 
welche  auch  Renan  berichtet,  zahlreiche  Schlacken,  Scherben 
farbig-(^r  Glasgefäße,  halbglasierter  Substanzen  und  Glaspasten. 
In  Sidon  \\urden  Amulette  aus  farbigen  Pasten  mit  Figuren  und 
Inschriften  gefunden,  die  man  weg'en  letzterer  für  einheimische 
L'rzeugnisse  gehalten  hat.  Doch  wird  dieser  Beweis  schon  durch 
die  Tatsache  bedeutend   entkräft(H.   daß  assyrische   lOroberer  ihre 


'j   Clemens   von   Alexandrien,   recognitiones   II    1434. 

^)   ,,Sidone  quondam  iis  officinis    (vitri)  nobili  si  quidem   etiam   specula  e.xcugi- 
taverit''.      l'Iinius   5,    76;    36,    193. 


93 

äj^'Vptisc'lien  Pn-utt-^tiicke  durch  nachträj^lichf  I-jni^rax  it'runL;-  \on 
Keilinscliriftcn  als  ilir  Kij^'cntum  bezeichneten.  Als  ])hönizisch 
möchte  man  auch  eine  Gruppe  im  Louvre  aus  opakgTÜner  Glas- 
]iaste  in  Ans])ruch  nehmen,  die  eine  Gottheit  mit  zwei  Tieren 
an  der  S(Mte  darstellt,  i'lwa  wie  die  l)erülnnte  Skulptur  vom 
I.öwentor  in  .M\-kenae.  Sie  wurde»  in  i'h(")nizien  s^efuncUm  und 
vmterscheidet  sich  im  Stile  ebenso 
\-on  mvkenischen.  wie  von  archai- 
schen und  k\-prischen  .\rl)eiten. 
Dag'eg'en  stimmt  sie  mit  den  hloltMi 
und  ^fasken  iiberein,  die  man  auf 
Glasz\lind('rn  (Perlen)  im  östlichen 
Mittelmeerbtn^ken  und  in  Süditalien 
w  iederholt  getunden  hat.  In  einem 
(irabe  zu  Tarsos  in  Sardinien,  das 
lanye  im  Ijesitzt'  der  Phönizier  war. 
entdeckte  man  ein  Perlenhalsband. 
das  zwei  zylindrische  Stücke  mit 
Stiermasken  und  eine  bärtii^e  M^iske 
mit  Glotzaug"en  und  eig-entümlich 
schreckhaftem,  fast  i.j'espenstischem 
Ausdruck  enthält.  Als  Grvmdfarbe 
herrscht  bei  diesen  Stücken  i.felb 
\'or,  di<'  Kc'ipfe  sind  lan!t,'',Lrestreckt. 
bärtii>',  oft  mit  re^'ellosen  kusj"eli,s.,''en 
Tropfen  in  l)untcn  h'arben  besetzt. 
Die  Sammlung;"  Sarti  in  Rom  zählte 
drei  derartij^e  Ahisken  imbekannten, 
w  ohl  süditalischen  Fundort("s,  ferner 
das  Hru(~hstück   einer  /vlinder])erle, 

d'w  mit  \\er  ])aus])äckij^en  und  ,i,TotzäutJ-ig-en  Masken  ^-erziert 
ist.  An  diesen  sind  zahlreiche  buntfarbi,i,'"e  Tropfen  aufj^esetzt. ^) 
(Abb.  19,  20.)  Froehner  ist  t^enei^t.  diese  Masken  und  Zylinder 
für  alt])hönizisch  zu  halten,  doch  läßt  sich  auch  für  diese  Art 
der  äicyjUische  L'rspruny-  sicher  nachweisen.  In  der  Sammlunj:r 
V.    Bissing-   befinden    sich    gleichartigfe    große    Maskenperlen,    die 


V.., 


Abb.    47.      Kegelkanne. 

K'iln,    Museum   Wallraf-Richartz. 

III.    lahrh. 


^)  Ludwig  PoUak,  vcndita  Sarti  T.  XXiy  S.  65,  i\o.  383.   Froehner  a.  a.  O.  S.  104. 


94 

wahrscheinlich  aus  Memphis  stammen,  bei  welchen  der  hagere, 
langgestreckte,  g-lotzäugige  und  bärtige  Typus  wegen  der 
besseren  Erhaltung  der  Stücke  deutlich  semitische  Züge  erkennen 
läßt.  Das  Antlitz  ist  \on  mattgelber  Farbe,  der  spitze  Bart, 
die  Haarlocken  glänzend  schwarz,  ebenso  die  fast  halbkreisför- 
migen Augenbrauen  und  die  Augensterne  selbst,  wenn  diese  nicht 
durch  dunkelblaue  Tropfen  hergestellt  sind.  Man  hat  den  Ein- 
druck, als  ob  eine  überlegene  Kunst  hier  absichtlich  Karikaturen 
geschaffen  hätte  und  nicht  etwa  den  von  naiven  Erzeugnissen 
unbeholfener  Hände.  (x\bb.  21.)  Dazukommt,  daß  diese  Masken 
in  Ägypten  nicht  selten  sind,  namentlich  in  Gräbern  der  Ptole- 
mäer-  und  Kaiserzeit. ^)  Sie  sind  ein  Erzeugnis  alexandrinischer 
Kunst,  welcher  die  Karikatur  sehr  geläufig  war.  Man  wollte 
offenbar  Juden,  S\-rer,  Babvlonier  karikieren  und  damit  eine  von 
altersher  übliche  Art  von  (xlasperlen,  solche  mit  Masken  in 
ägvptischem  Stile  und  Kopfjnitz  besetzte,  wieder  in  neuer  Form 
auf  den  Alarkt  werfen.  Bei  Deville  finden  wir  zwei  Kopfperlen 
derselben  Art.")  Die  eine  gibt  einen  semitischen  Tyjnis  in  aller 
vSchärfe  wieder,  mit  gelber  Hautfarbe,  wulstigen  Ei])}:)en,  großen 
schwarz  umrandeten  Augen,  ebenso  gefärbtem  lockigem  Haar, 
Pjart  und  großen  weißen  ( )hrriugcn.  Die  andere  zeigt  einen 
der  in  der  alexandrinischen  Kunst  so  beliebten  Xegerköpfe, 
glänzend  schwarz  glasiert,  mit  Glotzaugen.  I  hiarschojif  und  weißen 
Kugeln  an  den  ( )hren.  Dex'ille  bezeichnet  die  vStücke  als  ägyp- 
tische Eunde,  ohne  ihren  AufV)ewahrungsort  anzugeben.  Das  Glas 
wurde  in  der  Antike  srhr  oft  zu  Scherzen  aller  Art.  zu  ko- 
mischen und  grotesken  Bildungen  lienutzt.  In  Ägypten  A\aren 
die  Eigürchen  des  Bes  und  ähnliche  sehr  beliebt;  s])äter  kamen 
die  Gläser  in  Eorm  musizierender  Affen,  die  Schuhflickergläser 
Neros,  die  Karikaturen  des  Commodus  usw.  Die  karikierten 
Perlen  stehen  also  durchaus  nicht  \'ereinzelt.  (Über  die  ägyp- 
tischen Maskenperlen  siehe  den   folgenden  Abschnitt.) 

In  Sidon,  Tortosa  (Antaradus),  Bvzacene  u.  a.  sind  Alabastra 
mit  farbigem  Eadenmuster  zahlreich  zum  A'orscheine  gekommen. 


')   Professor   v.   Bissing    teilt    mir    mit,    daß    auch    1906   in   ägyptischen  Gräbern 
der   Kaiserzeit  wieder  zahlreiche  dieser   Art  von  Maskenperlen  aufgetaucht  seien. 
■-)   Deville  T.   CXI  D,  E,   Seite  86. 


95 


ebenso    bei    den    Xachi^rabuni^-en    Cesnolas    auf  Cypern    und    in 
Saida.  V)     Auch  bei   diesen    Stücken   ist  der  äg-yptische  Urs])runi;- 
zweifellos.      Die    Technik    ist    Tioch    die    alte,    die    Modellierung- 
aus  freier    Hand    über   einem    Tonkerne.      Weitaus    über\viei.i-end 
an  Zahl  sind  jedoch  in  Kleinasien  und  auf  dem    i^anzen  Gebiete 
punischer    Kolonisation    die    jreblasenen    (jefälie    der    Kaiserzeit. 
Zu   diesen  j^ehören  auch  die  reliefier- 
ii'U     Becher     und     Fläschchen     des 
Ariston,     Artas.     Eirenaios,     Ennion, 
Meg-es  und  anderer  sidonischer  Grie- 
chen,    die     an     anderer     Stelle     ein- 
t^ehend  besprochen  werden.   .Sie  sind, 
soweit    unsere  Kenntnis    reicht,   jetzt 
die  einzig"en  sicher  datierten  Erzeug-- 
nisse    phönizischer     Glaswerkstätten, 
aber  sie  g^ehören  bereits  einer  Periode 
an.  in  welcher  der  Hellenismus  längst 
alle  orig-inalen  Kunstweisen  im  Orient 
verdräng"t  hatte.     Es  sind  keine  ])h()- 
nizischen  Erzeugnisse  mehr,  sondern 
griechisch-römische  Produkte  der  in- 
ternationalen Reichskunst.  Nicht  eines 
der  von  Perrot  und  Chipiez  III.  732  ff. 
aufgeführten    Stücke    läßt    sich     der 
j^hcinizischen  Kunst  vor  dem  \\  Jahr- 
hundert    zuweisen.")       Mehrere     der 
gfriechisch  -  sidonischen      Reliefgläser 
kamen  in  Sidon  zum   \'orschein.    In 
Kudriatati  (Provinz  Constantine)  fand 
man    einen  Becher   mit    I\ml)l('men    der   Arena    und   drr   Insciirift 
AA1')E  THX  XIKllX,  der  in  einem  Becher  ^lus  Alelos  sein  SfMtcn- 
stück    hat:",)    in  .Vskalon   eine  gläserne  Statuette  der  Kybele,    in 
Berenike(Kyrenaika)eine  optische  Linse  aus  farl)los-durchsichtig(Mn 


Abb.   48.      Traubenkanne. 

Köln,   Museum   Wallraf-Richartz. 

III.  Jahrh. 


')  Xesbilt,   catalogue  of  the   collection    of   glass    formet!    by   Felix  Slade.    iSjr. 
S.   S.     Perrot  &  Chipiez  a.  a.  O.  III   732  f. 

-)  V.  Bissing,  recueil  des  travaux  2S,  S.  21. 
'•^)   Frocliner  a.   a.   O.   S.    119   f. 


96 

(jlase,  in  der  römischen  Kolonie  \on  Karthag"o  Aschenurnen. 
Yon  besonderem  Interesse  sind  zwei  der  seltenen  bemalten 
Glasbecher,  ^•on  welchen  einer  aus  lasurblauem  Glase  mit 
Weinlaub  und  \^öj^-eln  jjfeschmückt  in  Khamissa  (Thubursicum)  in 
Numidien,  der  andere,  farblos,  mit  bunten  Gladiatorenszenen,  in 
Ali^'ier  (Icotium)  i^'efunden  wurde.  \) 

Syrien  und  Judäa. 

Auch  in  Syrien  und  Palästina  entstand  erst  in  der  Kaiser- 
zeit eine  selbständig"e  Glasindustrie.  Jedenfalls  halben  die  Juden 
schon  früher  das  Glas  als  Importware  i>-ekannt,  obwohl  uns  ihre 
Schriften  darüber  keine  sichere  .Vuskunft  g'eben.  Xamentlich 
unter  Iiitmosis  III.,  der  Syrien  und  Palästina  seinem  Scepter 
unterwarf,  wird  die  damals  in  höchster  Blüte  stehende  (xlas- 
industrie  Ai,''v])tens  die  Grenzen  des  Landes  überschritten  haben. 
Moses  s])richt  \'on  Zie^t^eln  aus  Smarayd.  womit  wohl  ebenso  g"la- 
sierter  Ton  i.femeint  ist.  wit^  mit  den  Smara^'dsäulen  des  Melkart- 
tempels zu  Tyru-i.  Die  Uekamitschaft  mit  (das  soll  eine  Stelle 
bei  I  liob  28.17  beweisen,  in  der  es  heilk:  „(lold  und  Sa])hir 
und  Glas  mas.,»"  ihr  (nämlich  der  \Veisheit)  nicht  jji'leichen,  n.och 
um  sie  y'ülden  Kleinod  tauschen."  Darin  wäre  zuQfleich  die 
Wertschätzung"  des  (jlases  ausg-esprochen.  Aber  die  lutherische 
Übersetzung-  sagt  hier  nichts  \-on  Glas,  sie  lautet  vielmehr: 
„Gold  und  Demant  mag-  ihr  nicht  gleichen."  Im  \orausg-ehenden 
Verse  i(3  wird  der  Sajihir  g;enannt.  im  folgenden  „Ramoth,  Gabis 
und  Perlen".  DiMunach  scheint  es  sich  hier  um  die  willkürliche  Be- 
ziehung eines  Ausdruckes  auf  ( rias  zu  handeln,  das  sonst  gewöhn- 
lich „Sekukith"  g-enannt  wird,  tnn  AVort,  das  im  arabischen  Aus- 
drucke für  Glas  „Zadjadj"  erhalten  ist.")    Salomon  tadelt  in  seinen 


^)   Siehe   Abschnitt   X:    Die   Gläser  mit  Malerei. 

^)  Nach  Hambcrger  u.  Michaelis,  comment.  societ.  Gotting.  IV,  Seite  27 
und  58,  wo  alle  jüdischen  Zitate,  die  auf  Glas  bezogen  werden,  zusammengestellt 
sind,  bewertet  Hiob  angeblich  das  mit  Gold  durchsprenkelte  Glas  höher  als  Saphir  und 
Gold.  Auch  diese  Nachricht  dürfte  auf  einer  sehr  gewagten  Auslegung  eines  unsicheren 
hebräischen    Ausdruckes  beruhen. 


97 


Sprüchen  23,  31  jene,  „welclic  dvn  \Veiii  so  rot  s(»h(Mi  und  wie 
er  im  Glase  so  schön  stehe."  \)  liier  kann  nur  ein  durclisic-htiges 
Gefäß  gemeint  sein.  Ob  der  Ausdruck  richtig  mit  ,Glas'  über- 
setzt ist  oder  vielmehr  einen  anderen  durchsichtigen  Stoif,  etwa 
Krystall,  bezeichnet,  ist  sehr  fr^lglich,  zunuU  noch  in  der  Kaiserzeit 
beide  Stoffe  miteinander  verwechselt  wurden.  Josephus  Flavius 
kennt  natürlich  das  Glas  bereits  genau.  Er  möchte  sogar  im 
Wetteifer  mit  anderen  den  Juden  die  Ehre 
seiner  Erlindinig  beimessen,  indem  er  er- 
zählt, daß  tMust  in  Judäa  ein  Waldbrand 
entfacht  worden  sei,  bei  welcher  (relegen- 
heit  sich  die  Holzasche  derart  mit  dem 
glühend  gewordenen  Sande  des  Bodens 
verschlackt  habe,  dal5  daraus  flüssiges 
Glas  entstand.  Diese  ^lär  ist  freilich  noch 
unwahrscheiTilicher  als  jene  \on  der  P.nt- 
stehung  des  Glases  durch  Sodastücke  unter 
den  Kochkesseln  jihönizischer  Seefahrer. 
Daß  sie  iiber  nicht  ganz  aus  der  Luft  ge- 
griffen ist,  zeigen  die  verschlackten  Wälle, 
die  sogenannten  Glasburgen  des  Nordens, 
von  welchen  später  die  Rede  sein  wird. 
•  .-  Die  Glasfunde  auf  svrisch-])alästinen- 
sischem  Boden  gehören  fast  durchweg 
der  Kaiserzeit  an,  nur  einige  ältere  in 
Jerusalem  entdeckte  P)alsamarien  mcigen 
schon  einige  Jiihrhunderte  früher  aus 
Ägypten  ins  fand  gebracht  worden  sein. 
Aufschwung  die  Industrie  Syriens  in  der  Kaiserzeit  genommen 
hat,  zeigen  die  reichen  Funde,  die  bei  der  Anlage  der  B^igdad- 
bahn  und  anderen  Eisenliahnbauten  in  römischen  Gräbern 
des  Landes  gemacht  wurden.  Diese  waren  zum  großen  Teile 
nach  Art  \"on  Columbarien  in  den  Felsen  eingehauen  und 
durch  Aberglauben  lange  \or  F^lünderungen  von  selten  der 
Beduinen  geschützt  gewesen.  Besonders  ergiebig  war  die  Bahn- 
strecke von  Jaffa  nach  Jerusalem,  dann  weiter  nördlich   die  Grä- 


.\bb.   49.      l.agona  mit 
Schlangenfaden.      Köln. 

Welch  bedeutenden 


^)  „N'e    intueris    vinum    quando    flavescit,    cum    splenduerit    in  vitro  coloribus." 
Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  - 


98 

berstraße  von  Leg"h  Bab  und  von  Bed  Jubrin,  dem  alten  Eleu- 
theropolis,  auch  die  von  Askalon/)  Durch  die  beim  Eisenbahn- 
bau beschäftig'ten  Werkleute  g'elang-ten  die  Funde  seit  etwa  1895 
nach  Deutschland  in  die  Hände  von  Privatsammlern  und  Händ- 
lern, wobei  leider  manchmal  die  Spuren  der  Herkunft  verwischt 
wurden,  so  daß  Verwechselung-en,  namentlich  mit  gallisch- 
rheinischen  Funden  entstanden.  Die  bedeutendste  Sammlung-  sy- 
rischer Gläser  besitzt  Kommerzienrat  Zettler  in  München.-)  In 
ihren  Formen,  namentlich  denen  der  einziehen  Gebrauchsware, 
herrscht  große  Übereinstimmung  mit  den  Arbeiten  der  westlichen 
Provinzen  des  Reiches,  ein  \\eiterer  Beweis  für  den  Einfluß,  den 
die  von  Alexandrien  ausgehenden  Typen  überall  ausübten. 
Eigenheiten  finden  sich  freilich  in  den  für  Syrien  kennzeichnenden 
Ölfläschchen  von  langgestreckter  Schlauchform,  (Formentcifel  A 
8 — 10)  den  balusterartigen  Bildungen  mit  runder  Fußpkitte  (Abb. 
18)  und  den  Fadenhenkeln,  die  in  Verbindung-  mit  dem  vSpiral- 
schmucke  des  Bauches  und  dem  Zickzack,  das  sich  an  die  Mün- 
dung anlehnt,  kleine  vSeitenösen  bilden  oder  sich  in  hohen  ])han- 
tastisch  verschlungenen  Korbbogen  über  das  Gefäß  erheben. 
Oft  sind  zwei  röhrenförmige  Fläschchen  dicht  zusammengebracht, 
mit  einem  gemeinsamen  Spiralfaden  umwickelt  und  mit  einem 
großen  Henkel  versehen.  Man  nannte  sie  im  Griechischen 
JUixv^a,  solche,  die  drei  Fläschchen  vereinigten  TQiXexv^a^). 
(Abb.  17,  18:  Formentafel  A  7 — 9).  Auch  die  schlanken  röhren- 
förmigen Ölfläschchen,  die  Newton  zu  Hunderten  in  Knidos 
fand,  sind  vertreten,  Pläschchen,  deren  Körper  scharf  kegel- 
förmig absetzt,  mitunter  mit  leichter  Schweifung,  an  der 
Mündung      trichterförmig      erweitert,      zum      Unterschiede      von 


1)  Ich  verdanke  diese  Angaben  hauptsächlich  den  Mitteilungen  des  Herrn  Kom- 
merzienrates  F.  X.  Zettler  in  ^München,  der  eine  Sammlung  antiker,  zumeist  syrischer 
Gläser  besitzt  und  auf  seinen  Reisen  auch  zahlreiche  Stücke  in  treuen  Aquarellauf- 
nahmen abbilden  ließ.  Er  hat  mir  sowohl  die  Originale  wie  die  in  einem  großen 
Foliobande  vereinten   Aufnahmen    in    liebenswürdiger    Weise    zum    Studium  überlassen. 

")  Syrische  Funde  aus  der  Kaiserzeit  bilden  auch  den  Kern  der  ehem.  Sammlung 
Koussel,  welche  in  die  Slade's  überging  und  mit  dieser  jetzt  im  Brit.  Museum  aufgestellt  ist. 

■')  Felix  Hettner  wendet  diesen  Ausdruck  auf  jene  Kannen  an,  die  im  Inneren 
durch  Scheidewände  in  drei  Abteilungen  getrennt  sind;  jeder  von  ihnen  entspricht 
eine  besondere  Mündung,  doch  werden  sie  durch  eine  gemeinsame  Außenwandung 
verkleidet.  Auch  diese  Kannen  sind  durch  das  Zusammenpressen  von  dreien  entstanden, 
wodurch   das   Volumen   einer  einzelnen   Kanne  auf  ein   I  )rittel  beschränkt  wurde. 


99 


den  g";illischen  Tyi)en  «Formentafel  .\  12 — 15).  Die  Fkischen- 
hälse  zeigten  gleichüills  eii>"enartig-e  Bildung-en.  Sie  behalten  im 
allgemeinen  die  zylindrische  Form  bei,  sind  jedoch  in  zwei  Teile 
gegliedert,  einen  längeren  und  breiteren  Oberteil  und  einen 
engeren  Unterteil.  F'ast  ausnahmelos  ist  der  Hals  scharf  von 
dem  Körper  abgesetzt,  selten  verläuft  er  allmählich  in  die  Run- 
dung. Das  Material  unterscheidet  sich  deutlich  von  dem  der 
italischen,  g^dlischen  und  ägy])tischen  Gläser.  Es  ist  von  einem 
warmen  \\\Mß,  das  nur  leicht  ins  gell)liche  oder  grünliche  spielt, 
nie  grünblau,  wie 
bei  den  ägyptischen 
und  grünlich  oder 
oliv  wie  bei  den 
gallisch-rheinischen. 
Daneben  findet  sich 
auch  ganz  farbloses 
Mattglas  und  Krv- 
stallglas. 

In  den  letzten 
Zeiten  des  Kaiser- 
reichs beteiligten 
sich  die  Juden  sehr 

rege  an  der  Glasindustrie.  Die  phönizischen  Werkstätten  in 
Tyrus  gingen  nach  und  nach  sämtlich  in  ihre  Hände  über.  Im 
VI.  Jahrhundert  sind  zahlreiche  jüdische  Glasmacher  in  Kon- 
stantinopel ansäßig.  Von  einem  dieser  erzählt  die  Legende,  daß 
er  sein  Kind  aus  Zorn  über  dessen  heimliche  Teilnahme  am  Abend- 
mahle der  Christen  in  den  Glasofen  geworfen  habe,  aus  welchem 
es  aber  von  der  heiligen  Jungfrau  befreit  wurde,  nachdem  sie  die 
Flammen  erstickt  hatte.  Auch  in  italienischen  Städten  betrieb 
die  jüdische  Kolonie  die  Glasmacherei.  Im  Jahre  687  wanderten 
griechische  Arbeiter  nach  FVankreich  aus,  wo  sie,  wie  berichtet 
wird,  auf  jüdische  Art  Glas  herstellttMi.  W^as  man  im  Mittelalter 
unter  „  Judenglas ",  vitrum  Judaicum,  \erstand,  geht  aus  einer  Stelle 
bei  lieraclius  III.,  cap.  49  hervor,  in  welcher  er  von  der  Berei- 
tung der  Farben  zur  Glasmalerei  hiindelt.  „Nimm  ein  Grossinum 
vSaphir",  empfiehlt  er  „und  dann  Erzschaum,  welcher  vom  heißen 
Eisen  am  Ambos'geschlagen  wird:  nimm  davon  ein  Drittel  mit  dem 


-Abb. 


.Muria  ;ius  Sackrau. 


lOO 

Grossinum  und  mit  Bleiglas,  jüdischem  nämlich,  vermische 
es  und  reibe  es  g-ut  auf  dem  Marmor."^)  Die  Wendung  „plum- 
beum  vitrum,  Judaicum  scihcet"  bezeichnet  deutUch,  was  man  im 
Mittelaher  unter  Judenglas  verstand.-)  Durch  einen  Zusatz 
von  Bleioxyden  erzielt  man,  wie  schon  g"elegentlich  der  Funde 
von  Wilderspool  bemerkt  wurde,  ein  sehr  durchsichtigfes  und 
glänzendes,  die  Lichtstrahlen  stark  brechendes  und  schön  klin- 
g'endes  Glas,  das  sich  besonders  durch  Schliff  gut  bearbeiten 
läßt,  vermindert  aber  dadurch  dessen  Härte.  Nach  dem  Rezepte 
des  Theophilus  in  seiner  Schedula  III  8  wurde  zur  Herstellung" 
von  Judenglas  Blei  in  einem  Topfe  zu  Pulver  g-eb rannt,  zum 
Auskühlen  fortgestellt  und  dann  zwei  Teile  Blei  mit  einem  Teile 
Sand  gemischt.  Die  Holländer  nannten  das  aus  Kieselerde  und 
Bleioxyden  gewonnene  weiche  Glas  Jet,  die  Franzosen  Rocjiille. 
Man  g-ebrauchte  Blei  auch  als  Flußmittel,  um  damit  die  Farben 
auf  Glasscheiben  zu  befestigen."^) 

Diis  ganze  Mittelalter  hindurch  waren  jüdische  Glasmacher  in 
Hebron  tätig,  ja  noch  im  vorigen  Jahrhunderte  f^lnd  Miß  Martineau 
dort  jüdische  Glashütten,  aus  welchen  Gefäße  und  Schmucksachen 
hervorgingen.  Das  Österreichische  Museum  in  Wien  besitzt  eine 
große  Sammlung  derartiger  Arbeiten.  Die  Gefäße,  zumeist  aus 
ordinärem  bläulichem  oder  gelblichbraunem  Glase,  zeigen  in  den 
Formen  noch  manche  antike  Überlieferung,  ebenso  die  Schmuck- 
sachen, die  Arm-  und  Beinringe  für  Beduinenweiber  aus  opak- 
farbiger Paste  mit  Flecken,  Bändern  und  Spiralen.  Jüdische  Glas- 
macher von  Tyrus  und  Hebron  vermittelten  im  IX.  Jahrhundert, 
als  die  Handelsbeziehung'-en  zwischen  Venedig  und  dem  Oriente 
begannen,  die  Glasindustrie  in  Venedig:  anfang-s  brachte  man 
sogar  den  Sand  vom  Belus  und  aus  der  Wüste  zwischen  Kairo 
und  Alexandrien  dahin.  Bezeichnend  für  die  Wertschätzung  des 
durchsichtigen  Glases  auch  im  frühen  Mittelalter  ist  eine  Stelle  im 
Talmud,  in  welcher  es  der  Gesetzgeber  als  wider  die  gute  Sitte 
bezeichnet,  daß  man  den  Reichen  aus  weißen  Gläsern  zu  trinken 
gebe,  während  sich  die  Armen  mit  farbigen  begnügen  müßten.^) 


^)   Vgl.  Blätter  für   Kunstgewerbe   I   S.    30. 
-)  Ilg,   Ausgabe  des  Theophilus  S.    137    Anm. 
•^)   ders.  bei    Lobmeyr  S.   66. 
^)   Talmud,   Ordnung  für   die   kleinen   Feste   111 


lOI 


Mesopotamien. 

Auch  in  Assyrien  finden  sich  Spuren,  die  auf  eine  Be- 
kanntschaft mit  der  Glasindustrie  schließen  lassen.  Die  Be- 
ziehungen zwischen  diesem  Reiche  und  Ag-ypten  machen  zu 
g-ewissen  Zeiten  einen  reg-en  Imjjort  wahrscheinlich.  Alte  .Autoren 
erzählen  von  einem  ung-enannten  König-e  von  Babylon,  daß 
er  seinem  Kolleg-en  in  Ag-ypten  eine  vStele  oder  einen  Obelisk 
aus  Smarat^d,  drei  ¥A\en  breit  und  vier  hoch  als  Geschenk 
übersendet  habe.  Vielleicht 
ist  damit  wiederum  Praser, 
der  lauchgTÜne  Smarag"d, 
oder  glasiertes  Steinzeug 
gemeint,  aber  sicher  nicht 
(xlas.  Auch  die  Sage  von 
den  gdäsernenSärg-en  taucht 
hier  wieder  auf.  Als  Xerxes 
das  Grab  eines  der  Grün- 
der der  chaldäischen  Dy- 
nastie öffnen  ließ,  soll  er 
zu  seiner  Überraschung 
den  Leichnam  in  einem 
gläsernen  Sarge   gefunden 

haben,  der  mit  Ol  gefüllt  war.  Mit  den  gläsernen  Särgen  der 
Athioper,  Ägypter  und  Alexanders  des  (jroßen  ist  dieses  Kapitel 
aber  noch  nicht  abgeschlossen.  Noch  ^lus  dem  XII.  Jahrhundert 
berichtet  Benjamin  \'on  Tudela,  daß  auf  Befehl  des  Kalifen  von 
Susa  der  Leichnam  des  Propheten  Daniel  nachträglich  gleichfalls 
in  einem  gläsernen  Sarge  beig'esetzt  worden  sei.  Diese  Nachricht 
hat  nichts  unwahrscheinliches,  w  eiiii  man  bedenkt,  daß  gläserne, 
d.  h.  aus  Glasplatten  zusammengesetzte  Särg-e  in  der  Reliquien- 
verehrung eine  große  Rolle  sjüelen.  X'ielleicht  hat  es  sich  in 
letzterem  Falle  gleichfalls  um  eine  Beisetzung  der  Reliquien 
ad  oculos  gehandelt. 

Im  übrigen  sind  diese  Nachrichten  schwer  zu  kontrol- 
lieren, weil  sie  gewöhnlich  auf  der  Mißdeutung  eines  Aus- 
druckes l^eruhen,  den  man  ohne  genügende  Gründe  auf  Glas 
bezog.  Die  Ausgrabungen  haben  ebensowenig  Reste  \on  gläsernen 


Abb.    51.      Römisches   Plattengrab. 
Rheinisch,   I.  Jahrhundert. 


I02 

Särgen  wie  von  Säulen  und  Obelisken,  sondern  nur  kleine 
Schmuckperlen,  Siegelzylinder,  Amulette,  Ringe,  Zierplatten  und 
Würfel  erg-eben.  Die  in  den  Ruinen  der  Königspaläste  von 
Ninive  und  Kujundschik  zum  Vorscheine  gekommenen  Glas- 
pasten sind  genau  den  ägyptischen  in  Material,  Form,  Farbe 
und  Schmuck  gleich.  Ein  kleiner  Glaswürfel  im  Louvre  ist  mit 
aufgelegtem  Blattgold  verziert.  Während  die  Tonglasur  in  den 
Prachtbauten  der  assyrischen  Könige  zwar  nach  ägyptischem 
Vorbilde,  aber  in  durchaus  selbständigen  Formen  in  reichem 
Maße  zur  Anwendung  gekommen  ist.  findet  sich  von  selbstän- 
diger Bearbeitung  des  Glases  keine  Spur. 

Dieses  wurde  nur  in  seiner  ersten  Fntwicklungsform  als 
farbige  Paste,  zu  den  genannten  kleinen  Gegenständen  verar- 
beitet, aus  Ägypten  eingeführt;  die  aus  freier  Hand  über  einen 
Kern  modellierten  Gefäße  fehlen  mit  einer  vereinzelten  Aus- 
nahme gänzlich.  Diese  Ausnahme  wurde  sogar  wegen  einer 
Keilinschrift  eine  Zeitlang  als  einheimisches  Erzeugnis  betrachtet. 
Es  ist  die  berühmte  Glasvase  des  Königs  Sargon,  des 
großen  Eroberers  von  Syrien  (721- — 704),  die  in  den  Ruinen 
des  Königspalastes  von  Ninive  gefunden  wurde  und  jetzt  im 
Britischen  Museum  verwahrt  wird:  Das  Prototyp  des  Ala- 
bastrons,  ein  Kännchen  von  gedrungener  Schlauchform,  dick- 
wandig, mit  kurzem,  leicht  ausgebogenem  Rande  und  zwei 
viereckigen  Ansätzen,  die  als  Ösen  dienen.  (Abb.  22.)  Die 
trübe,  grünlich  durchscheinende  Masse  ist  aus  freier  Hand 
über  einem  Tonkerne  modelliert,  das  Äußere  mit  dem  Rade 
abgeschliffen,  als  würde  es  sich  um  eine  Arbeit  in  Krystall 
oder  Akibaster  handeln.  Auf  einer  vSeite  ist  ein  Löwe,  auf 
der  anderen  der  Xame  .Sargons  (Saryukins)  in  Keilschrift  ein- 
graviert. Die  Vase  wurde  \'on  Layard  mit  anderen  Funden 
wohlverpackt  nach  Bombav  gebracht,  wo  sie  verladen  werden 
sollte.  Doch  war  sie  plötzlich  auf  rätselhafte  Weise  ver- 
schwunden, bis  sie  einige  Zeit  später  durch  einen  glücklichen 
Zufall  \on  einer  englische  Dame  bei  einem  Geistlichen  in 
Devonshire    wieder    entdeckt    wurde.  ■^)     Froehner    der    die    Phö- 


^)   Archäol.    Zeitg.     1S48    S.     380;     1S49   S.   71.      I'errot    &    Chipiez,    Assyrie 
S.    717,  leider  mit  ungenauer  Abbildunt;.      Die  technische   Erklärung   von  C.   Friedrich 


I03 

nizitM'  fälschlich  für  die  Krfimlcr  des  t;irl)l()s-  durchsichtig'cn 
Gleises  hält,  eriniK^rt  daran,  dali  Sart»"on  Samaria  eroberte 
und  aus  Phönizien  i^Tolk"  Beute  heimbrachte.  Der  sogenannte 
Kalend(^r  Sarpfons  zähle  als  (lewiiin  der  l'.rt)berun^'szüjj-e  dieses 
llerrschers  nach  S\-rien  eine  j^^Tolle  Mens^"e  \on  (jese-henkcn  an 
(rold,  Silber,  Ebenholz  und  (iefälien  aller  Art  auf.  h.s  ktinnte 
sich  denniach  auch  dieses  (iefäß  dabei  befunden  haben,  ob  es 
nun  Lj'erade  in  Phönizien  selbst  oder  anderswo  an  den  Küsten 
Kleincisiens  entstanden  sei.  Wir  haben  aber  g"esehen,  dal)  sich 
eine  eij^^ene  phönizische  dlasindustrie  nicht  nachweisen  lasse, 
wodurch  auch  hVoehners 
X'ermutunir  \on  tler  Erfin- 
dung- des  farblosen  Cilases 
hinfällig"  wird.  Da,iJ;eiJ;en  ha- 
ben wir  solches  schon  in  Teil 
el  Amarna  i^efunden.  Da-- 
aus  Quarz  j^ewonnene  Gla^ 
war  schwerer  zu  bearbeiten 
als  das  g'ewöhnliche,  d^dier 
sind  die  daraus  modellierten 
( iefäl)e  dickwandii,'"er.  Tech- 
nik und  Eorm  der  \"ase 
Sari>-ons  deuten  auf  äg-ypti- 

schen  Ursprung-.  Die  Keilinschrift  bildet  d^ÜDci  kein  Hindernis, 
denn  es  g-jbt  g^enug  Vasen  aus  Alab^ister,  welche  auf  der  einen 
Seite  o\n  ägv]-)tisches  Zierschild,  auf  der  anderen  einen  assy- 
rischen Königrsniimen  in  Keilschrift  irraviert  zeig^en.  Wie  nach 
Syrien  führten  Sarg^on  krieg'erische  Unternehmungen  auch  nach 
Ag-ypten.  in  die  äithio])ische  Zeit,  in  das  \'1II.  Jahrhundert  und 
den  Beg-inn  des  \'ll.  fallen  die  N^ersuche  assyrischer  König-e  sich 
des  Reiches  am  Xil  zu  bemächtigen.  Auf  einem  der  zahlreichen 
PLinfälle  konnte  Sargfon  leicht  Gelegenheit  gefunden  haben,  in 
den  Besitz  der  \'ase  zu  gelangen,  die  vr.  wie  üblich,  nach  seiner 
Rückkehr    in    die    lleimat    mit    seiiu^m     Wunen     signieren     liel). 


Abb.  52.   Schälchen  aus  KrvstallgUis.   Äijyptisch. 
München,   Antiquarium. 


a.  a.  O.  ist  cjanz  vcrl'ehlt.  Unsere  .^bbilflunj:;  ist  nach  einer  neuen  photogr;iphischen 
Aufnahme  hergestellt,  die  ich  Herrn  Dr.  Wallice  Hudgc  vom  britischen  Museum  und 
Herrn   Prof.  von  Bissing  verdanke. 


I04 

Jedenfalls  lieq"t  es  näher  anzunehmen,  daß  sie  direkt  aus 
Ägypten  stamme,  als  daß  sie  auf  dem  Umwege  über  Phönizien 
als  ägyptische   Importware  nach   Ninive  gekommen  sei. 

Auf  meine  Bitte  nahm  sich  Professor  v.  Bissing  gelegent- 
lich einer  Studienreise  1906  die  Mühe,  die  Vase  Sargons  genau 
zu  untersuchen,  wobei  er  von  Konservator  Dr.  E.  Wallis  Budge 
in  dankenswerter  Weise  unterstützt  wurde.  Das  dicke  hellgrüne 
und  ziemlich  durchsichtige  Glas  ist  auf  der  rauh  gewordenen 
Außenseite  stark  irisiert,  die  P'orm  durchaus  ägyptisch,  speziell 
den  Alabastergefäßen  der  saitischen  Zeit  verwandt,  die  Inschrift 
ebenso  wie  die  beiden  kleinen  Löwen  rechts  und  links  von  ihr,^) 
die  rein  assyrischen  Stil  zeigen,  nachträglich  eingekratzt.  Auch 
die  beiden  genannten  Gelehrten  zweifeln  nicht  daran,  daß  die 
Vase  in  Ägypten  entstanden  sei. 

In  den  Ruinen  \on  Nini\'e  fand  Layard  außerdem  eine 
Reihe  \'on  Glasgefällen  der  Ptolemäer-  und  der  Kaiserzeit.  Auch 
in    Kujundschik   und   Babvlon   wurden   solche  gefunden. 

\'on  den  alten  Persern  wissen  wir  aus  einer  Stelle  bei 
Aristoiihanes,  daß  sie  bei  Hofe  aus  goldenen  und  gläsernen  Ge- 
fäßen tranken.'^)  Die  Athener,  die  444  vor  Chr.  zum  Groß- 
könige nach  fLkbatana  kamen,  um  mit  ihm  einen  Wrtrag 
abzuschließen,  berichteten  mit  Staunen,  daß  sie  überall  auf 
ihrem  Wege  genötigt  wurden  aus  Gold  oder  Glas  zu  trinken. 
In  Griechenland  stobst  waren  damals  Glasgefäße  noch  sehr 
kostbar.  Die  Perser  werden  sie,  ebenso  wie  die  Griechen 
selbst,  aus  Ägypten  bezogen  haben.  Der  persische  Ausdruck 
für  (ilas  „bulur"  ist  gleichbedeutend  mit  Krvstall.  Kr  stammt 
also  erst  aus  einer  späteren  Zeit,  als  das  farblos -durchsichtige 
Glas  allgemein  war,  d.  h.  aus  der  Kaiserzeit.  Farbiges  Glas  hat 
keinen  eigenen  Namen,  wahrscheinlich  wvirde  es,  analog  dem 
Ausdrucke  Kystall.  jeweilig  mit  dem  Namen  jenes  1  lalbedelsteines 
bezeichnet,  welchen  es  nachahmte.  Aus  solchen  Gepflogenheiten 
ergeben  sich  ja  mitunter  auch  in  den  Berichten  klassischer 
Autoren  nicht  geringe  Schwierigkeiten.  Eine  Bemerkung  des 
Athenäus  \'on  Naukratis,  eines  Grammatikers  des  III.  Jahrhunderts 


■*)  Auf  der  Abbildung   kaum   sichtbar. 
-)   Aristophanes,   Arachne   V    73. 


lO: 


nach  Chr.,  th-r  in  Alr\an(h"ia  und  Koin  lebte,  liat  mit  der  früheren 
einigte  .Ahnhciikeit.  I'.r  ijericiitet  nämheh  von  den  Persern,  daß 
sie  zur  Zeit  Alexanders  d.  droTjen  aus  (jlas^efäßen  zu  trinken 
liebten.  Es  ist  nicht  unmösrlich,  daß  er  einfach  die  Meldung- 
des  Aristophani^s  wiriiert,  ohne  etwas  Xeu(\s  b{Mbrini.;"en  zu  wollen, 
denn  der  .Vltersunterschied  ist  in  den  beiden  Daten  g^erin^.  Die 
Berichte  sind  im  übrig'en  ohne  ])raktische  Bedeutunir,  da  wir  in 
Persien  nur  dläserfunde  aus  der  Zeit  der 
alexandrinischen  Werkstätten  ha1)en.  Wahr- 
scheinlich bürg'erte  sich  die  ( ilasindustrie, 
die  im  X\'J.  und  X\'il.  Jahrluindert  in  Per- 
sien eine  hohe  Blüte  erlebte,  erst  unter  der 
Römerherrschaft  \"on  S\-rieii  aus  ein.  Jetzt 
g'\lt  das  Gkis  von  Schi  ras  für  das  feinste 
im  Oriente. 

O     O 

Ob  in  Indien  im  Altertume  das  Glas 
heimisch  war.  ist  trotz  der  Mitteilung'  des 
Plinius,  daß  dort  aus  zerbrochenem  Krvstall 
schönes  durchsichtiges  Gkis  g^emacht  werde, 
zweifelhaft.^)  Wie  schon  C.  Friedrich  be- 
merkt, ist  es  höchst  unwahrscheinlich,  daß 
man  dort  einen  wertxollt^i  Stoff  zerstört 
haben  sollte,  um  ein  Surrogat  von  ga^ringe- 
rem  Werte  an  dessen  Stelh^  zu  setzen.  ■) 
Dies    wird    noch    unwahrsclieinlitiier    durch 

die  Beobachtung-  desselben  Plinius.  daß  die  Wertschätzung"  des 
echten  Bergfkrvstalles  um  so  mehr  g^estiegen  sei,  je  grcißere  Fort- 
schritte man  in  der  Imitation  dieses  Minerales  durch  farblos- 
durchsichtigfes   Glas   gemaciit   hal)e.''»      Wahrscheinlich    ist   hierlx'i 


.\bb.   53.      üalsamarium 

aus  Krystallglas. 

Ägyptisch.      Louvre. 


')  Plinius  sagt  36,  ::6.  daß  es  deshalb  unvergleichlich  sei  ,,.  .et  ob  iil  nulluni 
comparari.'' 

^)   C.   Friedrich,   Bonner  Jahrb.    74,   S.    164   f. 

^)  l'linius  37,  10.  ,,Mire  his  (crystallis)  ad  similitudinem  accesserc  vitrea, 
sed   prodigi   modo   ut  suum   pretium  auxerint  crystalli,   non  deminuerint." 


loO 

unter  Krystall  ^nr  nicht  der  Berg-krystall  zu  verstehen,  sondern 
weißer  feiner  Quarz,  den  man  zerschlug"  und  pulverte,  um  d^iraus, 
wie  in  Ägypten  und  anderwärts,  farblos-durchsichtiges  Glas  zu 
erzeug'en.  Friedrich  führt  als  Beispiel  dafür,  daß  man  auch  noch 
heute  zwei  ganz  \erschiedene,  namentlich  auch  im  Werte  sehr 
auseinanderg-ehende  Stoffe  mit  g-leichem  Ausdrucke  bezeichne, 
die  Arbeiter  der  bayrischen  Glashütten  von  Zwiesel  im  Fichtel- 
gebirge an,  die  g-leichfalls  den  feinen  weißen  Quarz,  den  sie  zur 
Frzeug-ung  farblos -durchsichtigen  Glases  ^•erwenden,  Krystall 
benennen.  —  Im  übrigen  rühmt  Plinius  die  Inder  auch  als 
g"eschickte  Nachahmer  von  Edelsteinen.  Funde  haben  seine 
Nachrichten  bisher  nicht  bestätigt;  was  von  antiken  Gläsern  dort 
zum  Vorschein  gekommen  ist,  gehört  der  gewöhnlichen  Gebrauchs- 
ware   der  Kaiserzeit    an    und    steht    den   svrischen  Gläsern  nahe. 


III. 


Der  antike  Glasschmuck  und  seine 
Verbreitung. 


Das  Email. 


Abb.    54.      Asclienurnen  aus  ( ilas.      Aus  rheinischen   Gräbern. 


Der  antike  Glasschmuck  und  seine  Verbreitung. 


Den  llauptg-egen.stiuul  der  Ausfuhr  \on  Glaswaren  aus 
Ägypten  bildeten  die  Schmuckperlen  und  anderer  Zierrat  des 
menschlichen  Körpers,  wie  (Jhrgehäng-e,  Anhänger,  Arm-  und 
Haarringe,  Fingerringe,  Gewandnadeln,  auch  Spielsteine  usw. 
Fa.st  ausschließlich  für 
den  Export  waren  die 
von  Iferodot  erwähnten 
W^'rkstättcMi  \oii  Xau- 
kratis  tätig,  die  im  Vi. 
Jiihrhundert      \-or      Chr.  '^^^-  54 a- 

und  spät(^r  in  Blüte  standen  und  aul')er  einheimischen  auch 
griechische  Werkleute  beschäftigten.  Diesen  machte  mitunter 
die  Darstellung  ägyptischer  R(\sonderheiten,  wie  beispielsweise 
dt^r  1  Jierogly])hen,  Schwierigkeiten,  so  daß  ihre  Arbeiten  leicht 
in  den  Verdacht  absichtlicher  Fälschungen  geraten  können. 
.Vn  diesen  fehlt  es  freilich  in  der  (rlasindustrie  ebensowenig 
wie  auf  anderen  Gebieten.  Xamenthch  die  arabiscluMi  J  laudier 
entwickeln  in  der  Täuschung  europäischer  Reisender  durch 
angeblich  zufällige  Funde  von  Scarabäen,  Uschebtis  und  kleineren 


Henkel   von   Aschenurnen. 


HO 

Glas-  und  Glasurarbeiten,  welche  g^eschickt  nachgeahmt  werden, 
große  Findigkeit. 

Die  ägyptischen  vSchmuckperlen  aus  Glas  sind  die  weitaus 
bekanntesten  und  Verbreitetesten  Überreste  antiker  Glasarbeit. 
Man  findet  sie  teils  einzeln,  teils  (allerdings  zumeist  von  jüngerer 
Hand)  an  Drähten  und  Schnüren  zu  Halsketten,  Brustgehängen 
und  Armbändern  zusammengereiht,  von  Indien  bis  an  die  Gold- 
küste Afrikas,  vom  Pontus  bis  nach  Britannien,  an  den  Küsten 
des  Mittelmeeres  ebenso  wie  im  Innern  von  Deutschland  und 
Frankreich,  im  Keltenlande  und  in  Skandinavien.  Die  Toten- 
städte der  Eisenzeit  (Vilkmova),  die  der  älteren  und  jüngeren 
Hallstadtperiode,  die  der  Certosa  von  Bologna,  die  Gräber  der 
älteren  und  jüngeren  Latenezeit  haben  eine  ungeheuere  Menge 
dieser  zierlichen  Erzeugnisse  erschlossen,  ja  vielleicht  erscheinen 
sie  als  erste  Regungen  der  Kultur,  als  die  frühesten  Boten  der  vor- 
geschrittenen Zivilisiition  des  Südens  diesseits  der  Alper  sogar  schon 
in  der  neolithischen  Periode.  Mit  diesen  leicht  transportablen  und 
^^■ohlfeilen  Massen-P>zeugnissen  konnten  die  phönizischen  und  spä- 
ter die  griechischen,  römischen  und  syrischen  Kaufleute  bei  nai\'en 
Völkern  gute  Geschäfte  machen.  Germanen  und  Kelten  gaben 
ihnen  Zinn,  Kupfer,  Bernstein  und  Pelze  für  den  buntglitzernden 
und  gefälligen  Schmuck  ebenso  leichten  Herzens  in  Tausch,  wie 
später  die  Indianer  Perus  und  die  Xeger  der  Westküste  Afrikas 
ihr  Gold  den  Venezianern  für  ihre  Conterien.  In  den  Ländern 
am  Mittelmeer  nannte  man  sie  später  „ägyptische  Steine",  in 
England  bezeichnete  sie  der  Volksmund  als  „Druideneier",  in 
Schottland  als  Nattern-  und  Schlangeneier.  Den  germanischen 
Stämmen  galten  sie  als  Talismane  und  wurden,  weil  sie  ihrem 
Träger  den  Sieg  verbürgten,  auch   „Siegessteine"   benannt. 

Unter  den  Dolmen  von  la  Loziere  lagen  Halsketten  und 
einzelne  Perlen  aus  blauer  Paste  ägyptischen  Ursprunges,  eine 
schwarze  Perle  mit  blauen  Adern  wurde  in  den  Dolmen  von 
Locmariaquer  gefunden.')  In  nordischen  Gräbern  erscheinen  sie 
nach  Sophus  Müller  ausschließlich  als  Frauenschmuck.-)  Gewöhn- 
lich   wurden    sie    an   Halsbändern    getragen,    bisweilen    läßt   ihre 

^)   Froehner  S.    7. 

■-)  Sophus  Müller,   Nordische   Altertumskunde.      Band   II.      S.   59  ff. 


I II 

Lag-e  darauf  schließen,  daß  sie  am  I  landsrelenke  odt^r  im  Ilaare 
befestigt  waren.  Daß  sie  dem  Cieschmacke  der  rauhen  Germanen 
zuseig-ten  ist  leicht  begTeiflich,  denn  sie  sind  wirklich  hübsch  und 
em])fahltMi  sich  dem  steig-enden  Bedürfnisse  nach  Zierrat  und 
Luxus  durch  ihre  schier  unbeg-renzte  Mannigfaltig-keit.  Sehr 
zahlreich  sind  sie  in  der  Kaiserzeit,  der  nordischen  Eisenzeit  zu 
finden,  als  die  Wrbindung-en  mit  dem  Süden  lebhaft  und  ständig- 


«9>^ 


Abb.    55.      .\scheniirnen.      Köln,   Museum   Wallraf-Richartz. 


gfeworden  waren.  \iel  seltener  in  den  früheren  Perioden,  der 
nordisch(Mi  P>ronzezeit,  und  zwar  nimmt  die  Häufigkeit  der  Kunde 
sowohl,  wie  die  INIeng-e  der  in  einem  einzelnen  Grabe  \-orhan- 
denen  Perlen  im  Laufe  der  römischen  F^eriode  merklich  zu.  Lin 
Fraueng-rab  \on  X\ru])  (Odsherred)  \üm  Knde  der  X'ölkerwande- 
rung-szeit  enthielt  nicht  weniger  als  734  (ilasperlen  und  außerdem 
deren  482  aus  Bernstein.  Man  ersieht  daraus,  daß  Glas])erlen  ein 
sehr  einträg-licher  Ausfuhrartikel  gewesen  sein  müssen.  Auch 
in  der  nachrömischen  Zeit  blieb  die  X'orliebe  für  diesen  Schmuck 
groß.  In  I>ornholm  allein  zählte  K.  \>del  gegen  lOOO  Glas- 
])erlen    aus    der  \"ölkerwanderungszeit    und    etwa   4000   aus   der 


I  12 

folgenden  Periode.  Die  überwältigende  Menge  und  die  z^Lhl- 
losen  Varianten  dieses  Schmuckes  setzen  den  Versuchen,  sie  zu 
ordnen,  nach  Herkunft.  Zeit  und  Herstellungsart  zu  l^estimmen, 
große  Schwierigkeiten  entgegen.  Immerhin  ist  es  auch  bei  den 
nordischen  Perlen  ohne  weiteres  klar,  daß  sie  aus  Werkstätten 
auf  klassischem  Boden  hervorgegangen  und  nicht  etwa  heimische 
Erzeugnisse  sind.  Mögen  solche  nach  der  K^dserzeit  auch  in 
den  neuen  germanischen  Reichen  gemilcht  worden  sein,  so  er- 
gibt sich  schon  aus  den  'näheren  Fundumständen,  daß  die 
Schmuckperlen  skandinavischer  Gräber  gleichzeitig  mit  anderen 
römischen  Industrieprodukten  eingeführt  sind.  Germanisches 
Erzeugnis  dürften  die  Perlen  aus  Ton  sein,  in  welche  Stücke 
von  Glas  eingedrückt  sind\) 

Besonders  reich  an  Römerfunden  ist  im  Norden  das  kleine 
Dänemark,  wo  auch  Kaisermünzen,  wie  solche  des  Lucius  Verus, 
im  Vereine  mit  ihnen  vorkamen.  Dtibei  ergibt  sich,  daß  der  starke 
römische  Im])ort  auf  die  einheimische  Kunst  nicht  ohne  Einwirkung 
blieb  und  besonders  in  der  Ausstattung  der  Waffen  einen  eigenen 
römisch-germanischen  Mischstil  schuf,  in  welchem  die  Formen 
hervortreten,  die  in  Rom  während  des  I.  Jahrhunderts  n.  Chr. 
herrschend  waren.  Diesem  Mischstile  gehören  auch  jene  großen 
Knöpfe,  vielleicht  von  Schwertgriffen  an,  welche  ein  eigen- 
tümliches aus  Goldplättchen,  Grubenschmelz  und  farbigem  Glase 
hergestelltes  Mosaik  zeigen.  Die  Torfmoore,  welche  diese  Funde 
lieferten,  waren  ehemals  Meerbusen,  in  welche  die  Schiffe  ein- 
liefen, deren  Ladung  sich  zum  Teil  bis  heute  erhalten  hat.  Man 
zählt  solcher  Stellen   mehr  als  achtzig.^) 


^)   Vgl.   Ilg  bei   Lobmeyr   a.   a.   <">.   S.    5   f. 

-)  Über  die  nordischen  P'unde  ist  zu  vergleichen:  Führer  durch  die  dänische  .Samm- 
lung in  Kopenhagen  S.  So  f.  —  \Viberg,  Der  Einfluß  der  klassischen  Völker  auf  den 
Norden  durch  den  Handelsverkehr.  Deutsch  von  INIesdorf,  Hamburg  1807.  —  Montelius, 
Die  Kultur  Schwedens  in  vorchristlicher  Zeit.  Deutsch  von  C.  Appel,  Berlin  1SS5. 
Dasselbe  Werk  in  französischer  Bearbeitung  durch  Salomon  Reinach,  Paris  1895.  — 
J.  N.  V.  Sadowski,  Die  Handelsstraßen  der  Griechen  und  Römer.  Deutsch  von 
Albin  Kohn,  Jena  1S77.  —  .Archiv  für  Anthropologie  IV  S.  Ii  f.  Grempler,  Der 
Fund  von  Sackrau,  Breslau  1S8S.  —  Vieles  über  die  Römerfunde  des  Nordens  im 
allgemeinen  in  der  schönen  Arbeit  von  Willers,  Die  römischen  Bronzeeimer  von 
Hemmor,    Hannover    1901. 


"3 


In  der  Rcyrl  u  rrdt'U  als  J  rä_y"er  (k'>.  Zw  i^cluMlluLIHk'l^,,  der 
die  Er/.eui^-nisse  der  äj^y])ti.schen  Glaswerkstätten  der  j^anzen 
antiken  Welt  mit  I^insrhlul)  des  Nordens  vermittelte,  die  see- 
fahrenden Phcinizier  l)Ptrachtet.  So  unternehmend  aber  dieses 
\'ölkchen  aucli  war.  so  ^Toße  Wrdienste  ihm  nicht  nur  in 
kommer/ieHer .  sondern  auc^h  in  kultureller  1  linsicht  zukom- 
Tuen.  bedarf  die  .Vusdehnun^'  seines  W'irkun^'skreises  doch, 
wie  b(^reits  iMMiierkt.  einer  l'.insehränkun^-.  I  )er  ])h(")nizische 
I  landel  war  ^yrcilkeMiteils  in  den  1  landen  xon  l\.;irthaL;"o  imd 
Giides.  r\rus  selbst  war 
seit  dem  Vi.  Jahrlumdert 
vor  Chr.  durch  dit^  asiati- 
schen Eroberer  aus  sei- 
ner früheren  führenden 
Rolle  sehr  zurückge- 
dräny't,  liatte  seine  Kolo- 
nien verloren  und  sich 
\or  dem  iiufstrebenden 
i^Tiechischen  Handel  im- 
mer mehr  zurückg'ezo- 
^en.  Karthatf'os  ( rewalt 
erstreckte  sich  üb(^r 
]\üdta,  Sardinien,  Sizilien, 

die  Bidearen,  welche  Gebiete  schon  \on  den  Tyrern  erobert 
worden  waren.  Sein  Handel  öffnete  sich  durch  die  Säulen  des 
Ilerkules  freie  Bahn  und  dehnte  sich  einerseits  läng^s  der  West- 
küste Europas  bis  nach  den  Zinn-Inseln  (Casseriden)  im  Süden 
von  England,  andererseits  an  den  westafrikanischen  G(^staden 
bis  an  den  Seneq'al  muMiambia  aus.  während  seine  Ivarawanen 
im  Innern  bis  an  die  l'fer  de>  Xiles  und  in  das  XiiJfijferii'ebiet 
\ordranjren.  Wie  Herodot  mitteilt,  hab(Mi  die  Phönizier  im 
Auftraire  des  ä^vptischen  Kciniy's  Xeclio  Afrika  umschifft.  Um 
470  vor  Chr.  se^'elte  1  lanno  xon  Karthaj.;X)  aus  mit  60  Galeeren 
und  30000  Auswanderern  ül)er  die  Säulen  des  1  lerkules  hinaus. 
um  an  Afrikas  Gestaden  Pflanzstätten  zu  s^TÜnden.  1-lr  yelaniJte 
über  das  yrüne  X'orjrebirs^e  in  den  Golf  von  (niinea  (nach  an- 
deren nur  bis  Sierra  Leonen  und  brachte  die  erste  Kunde 
\on  den   dort  vorkonimeiultMi   Schimpansen.     \'or  kurzem   wurde 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  S 


Abb.    56.      Ölfiäschchen.      Köln,   ehem.   Sammlung 
Merkens. 


114 

in  dem  Grabe  eines  berühmten  Negerhäuptling-es  in  Mansu 
bei  den  Aschantis  ein  Perlenhalsband  gefunden,  das  in  das 
Britische  Museum  gekommen  ist/)  Es  besteht  aus  zwanzig  Glas- 
perlen von  verschiedenen  Formen  und  Farben,  welche  sich  von 
den  sonst  in  dieser  Gegend  häufigen  Aggry-Perlen  venezianischen 
Ursprunges  deutlich  unterscheiden,  \-ielmehr  mit  den  Perlen 
ägyptischer  Herkunft  übereinstimmen,  die  man  in  Gräbern  des 
VI.  Jahrhunderts  vor  Chr.  in  Kamiros  auf  Rhodos  entdeckt  hat. 
Wenn  damit  auch  nicht  gerade  die  Fahrt  Hannos  bewiesen  ist, 
so  legt  der  Fund  doch  für  einen  Handelsverkehr  zwischen  dem 
Orient  und  der  Westküste  Afrikas  Zeugnis  ab. 

Sizilien  war  durch  drei  Jahrhunderte  (von  536 — 241)  den 
Karthiigern  Untertan,  wenigstens  der  größere  und  wichtigere  Teil 
seines  Küstengebietes.  Sehr  bedeutend  war  der  karthagische  Handel 
nach  Massilia.  Es  gab  dort  eine  starke  phönizische  Kolonie,  sogar 
einen  Baalstempel.  Phönizische  Münzen  sind  im  Süden  F'rankreichs 
nicht  selten,  freilich  stammen  manche  von  ihnen  erst  vom  Zuge 
Hannibals  her,  andere  von  den  alten  Handelsstraßen.  Die  Kar- 
thager gruben  auch  an  den  Mündungen  des  Loire  nach  Zinn. 
Aber  nicht  sie,  sondern  Etrusker  und  Griechen  kultivierten  Gallien. 
Daß  punische  Seefahrer  durch  den  Kanal  in  die  Nordsee  gekommen 
seien,  um  hier  Bernsteinhandel  zu  treiben,  ist  zwar  nicht  unmöglich, 
aber  nicht  nachgewiesen.  Weder  die  Alten  berichten  etwas  davon, 
noch  sind  im  Norden  und  Nordwesten  Europas  Funde  zweifellos 
punischen  Charakters  gemacht  worden.  Damit  ist  zugleich  gesagt, 
daß  in  den  Zeiten,  in  welchen  der  Handel  mit  ägyptischen  Glas- 
waren noch  in  den  Händen  der  Phönizier  war,  keine  oder  doch 
nur  verschwindend  wenige  Perlen  nach  dem  Norden  gekommen 
sind.  Diese  werden  erst  häufiger  seit  der  römische  Welthandel 
den  alexandrinischen  Werkstätten  neue  Absatzgebiete  erschlossen 
hatte,  besonders  aber  vom  II.  Jahrhundert  ab,  seit  römische  Waren 
über  Gallien  und  das  Rheinland  den  Weg  nach  dem  freien  Ger- 
manien g'efunden  hatten.  Früher  hatte  man  angenommen,  daß 
der  größere  Teil  der  in  nordischen  Gräbern  gefundenen  Gkis- 
perlen  phönizischen  Ursprunges  sei.  Diese  Ansicht  ist  nun  end- 
gültig aufgegeben,  seit  es  feststeht,  daß  Phönizier  nicht  so  weit  nach 


^)  Veröffentlicht  von   Read   in   ,.Man",   Januar    1905. 


1^5 


dem  Norden  vorqfedrunjren  sind  und  daß  die  ihnen  zugeschriebenen 
Glasarb(Mten  viehiiehr  aus  äg-y])tischen  Werkstätten  stammen. 

Im  \'I1.  Jahrhundert  vor  Chr.  be^y-annrn  die  Jonier  den  l'liöni- 
ziern  im  Mittelmeere  Konkurrenz  zu  machen.  Seit  di(^  Phokä("r  um 
600  Massiha  g-eq-ründet  hatten,  durchzogen  jonische  I  laudier  das 
Hinterland  auf  den  1  landelswegen  längs  der  Rhonc^  und  Saöne, 
drangen  weiter  an  den  Rhein,  die  Seine,  den  Loire  und  die 
Garonn(^  \or  und  führten  die  griechische  Sprache  in  Gallien  ein,^) 
die  vor  den  Römern  dort  allgemein  bekannt  war.  vSie  lehrten 
die  Ureinwohner  auch  den 
Weinbau,  die  Kunst  aus 
Metallen  Münzen  zu  ])rä- 
gen  und  ersetzten  so  die 
Naturalwirtschaft  durch  die 
Geld  Wirtschaft.  An  dieser 
kolonisierenden  Tätigkeit 
waren  außer  Massilia  die 
griechischen  Niederlassun- 
gen in  dem  Winkel  zwi- 
schen den  Pyrenäen  und 
dem  Mittelmeer  beteiligt, 
besonders  das  rhodische 
Rhoda  (jetzt  Rosas)  und 
das  massilische  Emporion 
(Ampurias).  .Vuch  die  Massi- 
lier h^ltten  es  vorwiegend 
auf  Zinn  abgesehen.  Sie 
fuhren  durch  (rallien  über 

den  Kanal  nach  der  Insel  Iktis  iW'igh)  hinüber  um  es  dort  zu 
holen,-)  außerdem  auch  den  Ijernstein.'')  In  älterer  Zeit  war 
dieses  in  der  Antike  hochgeschätzt(\  den  Edelmetallen  mindestens 
gleichgehaltene  Produkt  auf  anderen,  weiter  östlich  gelegenen 
Landwegen   nach  Kleinasien,    Griechenland   und  Italien  gelangt. 

Der  altgriechische  Himdel  mit   dem  Xorden  ging  \-on  Olbia 
am  Pontus  den  Dniestr,  den  Tvras  der  Alten   hinauf  nach  Kiew. 


Abb. 


57.      Stamnium  und  Fasskannen. 
Köln,   Ende   des   II.  Jahrh. 


*)  Strabo,   Geogr.  IV   5,   2. 

^)  Diodorus  Siculus,  bibl.  hist.   V,   22. 

')   Herodot  hist.   I    115. 


8* 


ir6 


Ihm  folgten  auf  demselben  Wege  der  römische  der  Kaiserzeit 
und  der  byzantinische.  \"on  Kiew  ging  es  dem  polnischen  Bug 
zur  Seite  bis  Bromberg,  wo  ein  großer  griechischer  Münzfund 
gemacht  wurde,  der  wahrscheinlich  direkt  aus  ( )lbia  stammt. 
Ein  anderer  Weg  führte  östlich  den  I)nie])r  entlang,  an  der 
Beresina  und  T)üna  weiter  bis  zur  ( )stsee.  Beide  Wege  sind 
bereits  bei  Ptolenuieus  Marcianus  und  in  der  Peutingerschen 
Tafel  angedeuet.  Eine  dritte  Hcindelsstraße  ging  vom  E^ortus 
Josianus  (Odessa)  am  Schwarzen  Meere  längs  dem  Dniestr  auf 
die  Quellen  der  Oder  und  Weichsel  zu  und  daim  nach  den 
Gestaden  der  ()stsee.  Den  Weg  bezeichnen  zahlreiche  Fund- 
stellen griechischer  und 
rcJmischer  Altertümer.  In 
der  Ostsee  spendete  den 
Bernstein  das  Samland. 
jene  bei  Xenophon  \on 
Lam])sacus  Baltia  genannte 
Halbinsel,  deren  ganze 
Küste  \'on  den  Weichsel- 
mündungen bis  nach  Riga 
reiche  Bernsteinhschereien 
aufweist.  Übrigens  fand  man  das  Produkt  auch  in  der  Nordsee. 
Durch  diese  \^<>rbindungen  wurde  in  der  Kaiserzeit  die 
Annäherung  zwischen  Xord  und  Süd  besonders  leibhaft  gefcirdert. 
\"icle  junge  unternehmungslustige  (iermanen  ließen  sich  durch 
hohen  Sold  luid  andere  \"orteile  bewegen,  ihr  (rlück  in  Rom 
zu  su(  hen.  um  dort  Kriegsdienste  zu  nehmen  und  nach  ta]:)ferer 
Soldatenlaufl:)ahn  reich  1:»eschenkt  und  \-on  klassischer  Kultur  be- 
leckt in  die  1  leimat  zurückzukehren.  Manche  Funde  mögen  solchen 
W^mderschaften  ihre  A^^qiflanzung  nach  dem  Norden  verdanken. 
Andere  stammen  aus  der  Kriegsbeute,  namentlich  der  \"ölker- 
wandi^rungszeit,  oder  aus  größeren  (jeschenken,  welche  die 
Kaiser  und  F'eldherren  wiederholt  den  dermanen  teils  zum  Lohn, 
teils  zur  Beschwichtigung  gewähren  mußten.  Den  Strand  der 
Ostsee  erreichten  die  Reimer  aber  viel  früher  auf  den  ihnen 
näher  liegenden  adriatisch-baltischen  Handelsweg"en  als  auf  den 
pontisch-baltis(dien.  Auch  bei  ersteren  hatten  sie  unter  dreien 
die    Wahl.      Der    ein(^    folgte    \-on   Celmantia    an    der    l)onau    aus 


.•\bb.    sS. 


Faßkanne.      Köln,   Museum 
Wallraf-Ricliartz. 


'•7 


(ItMii  l.autc  der  W'aat;-  bi^  in  die  l\.ar])alhrn  und  t'ührlc  dann 
(hircli  den  |al)lunka])asN  in  das  (  )d(>r-  und  W'cichselg-ebiet.  Schon 
l'toleniacus  nennt  im  \\'aa,L;'tale  mt-hrert^  J  landelsstationen.  l-'.in 
\v(\stlicher  \Vt\iJ-  führte  x'on  X'indobona  (Wien)  und  ("arnuntuni 
1 1  Ieinl)urir)  über  die  rcimische  Reichs^Ten/e  ins  Marclitehl  und 
von  da  teils  in  das  debic^t  der  Elbe,  teils  in  das  dc^r  Oder.  Unter 
den  in  Mähren  if-(^fundenen  Sachen  mnir  zwar  manches  aus  den 
Markt)mainienkrie,i,'-en  stannnen,  doch  war  iJferade  dieser  \Ve^ 
vom  P>ernsteinhande]  bevorzuget."")  Aul)erdem  wird  durch  zahl- 
reich(>  AusgTabunt;rn  Ixnviesen,  dal)  ro- 
nnschc  Kaufleute  in  Schlesien  und  l)ran- 
den])urL;'  angesiedelt  waren  und  nach 
römischer  Sitte,  sog'ar  in  gemauerten  drab- 
g-ewölben  mit  Columbarien,  bestattet  wur- 
den.") .Vuch  an  den  I  la\elseen  hat  man 
Römergräbc^r  mit  (rraburnen  und  Charons- 
münzen  gefunden,  pjn  dritter  Weg  ging 
von  Mähren  nordwestlich  nach  Böhmen 
und  \on  dort  längs  der  Elbe  an  die  Küste. 
I^is  gegen  Ende  des  i.  Jahrhunderts 
nach  Chr.  war  Aquileia  der  IIau])t-Sta])el- 
platz  für  die  nach  dem  Norden  gehenden 
Waren.")  Dadurch  findet  die  Tatsache, 
daß  in  der  Einfuhr  der  Rheingegenden 
bis  zu  diesem  Zeitpunkte  die  italischen 
Erzeugnisse,  unter  den  Glaswaren  z.  B.  die 
farbigen    (iläser    griechischen    .Stiles,     die 

italischen  Nachahmungen  der  sidonisclien  Kelietgläser.  die  ül)er- 
fangenen  imd  Mosaikgläser  xorkonnnen,  während  sie  im  II.  Jahr- 
hunderte fast  ganz  \-erscliwind(Mi,  eine  Erklärung.  Zum  i'.ndc  des 
I.Jahrhunderts  tritt  darin  nüt  der  Befestigung  der  Rcimi^rherrschaft 
in  (iallien  und  am  Rliein  ein  \'ollkommener  W^andtd  ein.  Die 
Funde  ergeben  nun  ein  großes  einheitliches  Handelsgebiet,  das 
von  der  Ems  bis  zur  Weichsel  reicht  und  nicht  mehr  \-om  Süden 
über  die  Alpenpässe,  sondern   vom   Südwesten,   xon   (lallicn   aus. 


Abb.   59.      Faßbecher. 

Köln,   Museum   Wallraf- 

Richartz. 


^)   Plinius   bist.   nat.   87.   2. 

')  Grempler  a.   a.   * '.    II.   und   III.   Fund. 

'■')  Willers  a.   a.   <>.  S.    19 1    f. 


ii8 

versorgt  wird.  .\n  die  vStelle  \on  Aquileia  tritt  Massilia,  am 
Rhein  selbst  bilden  sich  vStapelplätze  in  Trier  und  Köln,  welche 
den  Verkehr  zwischen  dem  Reiche  und  dem  freien  Germanien 
vermitteln,  teilweise  selbst  für  dessen  Bedarf  produkti\'  tätig-  sind. 
Hier  überwog-  jedoch  bis  an  das  Ende  der  Römerherrschcift  der 
Tauschhandel  den  Münzverkehr.  Die  kostbaren  (rläser,  die  man 
im  Norden  gefunden  hat,  mögen  mit  Vorliebe  diesen  Weg  ge- 
nommen haben,  die  meisten  dürften  aus  rheinischen  Werkstätten 
hervorgegangen  sein,  zu  deren  Spezialitäten  gläserne  Trinkhörner 
sowohl  wie  bemalte  und  mit  bunten  Schlangenfäderi  verzierte 
Gläser  gehörten. 

Was  die  Technik  jener  im  Norden  so  häufigen  antiken 
Glasperlen  betrifft,  so  hat  Flinders  Petrie  einige  der  Methoden, 
welche  in  Ägypten  zur  Zeit  der  i8.  Dynastie  bei  deren  Pler- 
stellung  angewendet  wurden,  geschildert.-*)  Nach  den  in  Teil  el 
Amarna  gemachten  Funden  hat  schon  damids,  um  1350  vor  Chr., 
die  Perlenerzeugung  den  Charakter  der  Massenfabrikation  an- 
genommen. Eine  Art  bestand  darin,  daß  man  einen  dünnen  Glas- 
fiiden  um  einen  Draht  wickelte  und  an  den  Enden  zusammen- 
drehte, wodurch  die  Perle  leicht  zugespitzt  erschien.  Durch 
Pressung  kam  eine  völlig^e  Kugelgestalt  oder  die  eines  flach- 
kugeligen, dicken  Ringes  zum  \"orscheine.  Durch  Querschnitte 
erzeugte  m^ui  aus  einer  länglichen  zwei  oder  mehr  flache  Perlen. 
Eine  andere  Art  bestand  darin,  daß  man  Glasröhren  auszog,  mit 
einem  scharfen  Werkzeuge  einkniff  und  dann  in  kleine  zylindrische 
Stücke  brach,  die  man  durch  Schliff  vollendete.  Solche  Perlen 
sind  an  den  blasigen  Eängsstreifen  der  Masse  kenntlich,  während 
die  anderen  infolge  der  Drehung  eine  spiralförmige  vStruktur 
zeigen.  Es  ist  dieselbe  Methode,  die  noch  heute  bei  Erzeugung 
der  vSchmelzperlen  (Jais)  befolgt  wird.  Jetzt  werden  die  lang- 
gezogenen Gkisröhren  nach  dem  Erk^dten  mit  einer  Art  I  läcksel- 
maschine  zerhackt  und  dann  mit  einem  schwer  schmelzbarem 
Pulver  zusammengemengt,  um  aufs  neue  im  Feuer  erweicht 
zu  werden.  Das  Puher  \erhindert,  dal')  die  einzelnen  Stücke 
dabei  zus^unmenbacken  und  bewirkt,  daß  diese  bei  längerem 
.Schnitte    ihre    scharfen   Ränder    verlieren    und   rundlich    werden. 


'1   Flinders  Petrie,   Teil   el   Amarna.     Vgl.   auch  den  Abschnitt  II  über  Ägypten. 


119 

KlfMiK^  zylindrische  Perlen  dieser  Art,  zumeist  aus  leuchtend  him- 
mel-  oder  türkisblauer  Paste,  mitunter  auch  aus  schwarzer,  weißer 
oder  andersfarbiger,  bildeten  den  gewiihnlichen  Wjlksschmuck 
Ägyptens  bis  in  die  Kaiserzeit  und  darüloer  hinaus.  Auf  Drähte 
und  Schnüre,  in  mehrfachen  Reihen  angeordnet,  wurden  sie  auf 
Brust,  Hals  und  zu  Armen  getragen.  Auch  Mumien  sind  sehr 
reich  mit  Glasperlen  behängt,  zuweilen  mit  ganzen  Perlennetzen 
übersponnen.     Diese  Perlen   fehlen  in  keiner  Altertumssammlung 


Abb.  60.      Kannen  und  Delphinfläschchen.      Köln,  Sammlung  M.   vom   Kath. 


Europas  und  des  Orients.  Wie  weit  sie  zvirück  reichen  ist  nicht 
genau  festzustellen,  jedenfalls  gehen  sie  noch  über  die  12.  Dy- 
nastie hinauf. 

Neben  den  zylindrischen  kommen  am  häufigsten  die  kugeligen, 
eirunden,  flachbohnenförmigen,  baluster-  (rads])eichen-)förmigen 
und  solche  Kugelperlen  \'or.  die  auf  einer  oder  zwei  Seiten  ab- 
geflacht sind,  ronnenförmige  Perlen  \on  schw  arzt'r  I^arlx'  sind  mit 
einem  weißen  oder  gelben  Querbande  verziert.  .Vuch  herzförmige 
und  kleine  viereckige  Plättchen  mit  Augen-  und  Fadenmustern 
sind  unter   den   Funden  Petries   aus  (jurob  u.  a.  <i8.  Dynastie).'^) 


^)  Die  von  I'etrie  in  Gurob  und  in  anderen  Orten  Ägyptens  gesammelten  Glas- 
und  Tonperlen  sind  von  Capart  auf  zahlreichen  Tafeln  photographisch  aufgenommen. 
Die  .Aufnahmen  wurden  mir  von  Prof.  Wiedemann  zum  Studium  überlassen.  Viele 
Abl)ildungen  von  Perlen  enthält  Petries  Werk  über  Teil  el  .Amarna. 


120 

Dann  flache  Ku^else^'niente  mit  kürbi.siirti,i^"en  Ri])])en,  Zvlin- 
derperlen  mit  Querbändern  und  solche  mit  Ouerbändern  und 
StricheUmjr,  flachrunde  Rosetten  in  Form  eines  Achtpasses,  kreis- 
runde auf  beiden  Seiten  j^ewölbte  Plättchen  mit  scharfem  Grat, 
tro])fenartij^  lant^g-ezoiifene  Anhäng-er,  die  sich  an  einem  Ende 
l)irnf(">rmig-  verdicken  und  welchen  an  dem  ^deichen  Drahte  eine 
kleine  Rundperle  beig'efüg"t  ist  u.  a.  Die  Formen  sind  stets  scharf 
und  regelmäßig"  ausgeprägt.  Langgezogene  Zylinderperlen  sind 
oft  mit  dichten  Ouerri])pen  \-ersehen  und  mit  Blattgold  überzogen. 
Ms  finden  sich  auch  Kugel-  und  Ringperlen  mit  solcher  Art  von 
Vergoldung,  wie  mehrere  im  .Vntiquarium  in  München.  Später, 
vom  IV.  Jahrhundert  \or  Chr.  ab,  kommt  die  solide  Art  der  Vergol- 
dung mit  Überfang  auf  —  Die  Anreihung  \on  Zylinderperlen  er- 
folgte bei  Brustgehängen  u.  a.  oft  in  Netzform,  wobei  eine  kleine 
Rund]ierle  gleichsam  den  Xetzknoten  angab.  Manchmal  findet 
man  xon  den  Z\'linder])erlen  fünf  lüs  acht  dicht  uf^beneinander 
gedrückt,  etwa  wie  die  Pfeifen  einer  Syrinx.  Unter  den  Ver- 
zierungen sind  Bänder,  Sjüralfäden,  einfache  Augen  und  Augen- 
paare am  häufigsten,  dann  schräge  Strichelung.  Auf  ^d^geplatteten 
Kugel])erlen  finden  sicli  oft  Augen,  die  von  einem  Strichelkreise 
umgeben  sind,  sowie  kürbisartige  Streifung,  diese  auch  mit  Augen- 
schmuck \ereinigt.  Ovale  Perlen  enthalten  mitunter  sechs  und 
mehr  Augen  oder  runde  Flecken.  Die  birnförmigen  Perlen  wech- 
selten in  den  1  lalsketttMi  mit  kugeligen  und  zylindrischen  ab. 
Eine  kleine  Kugel})erle  aus  türkisblauem  Glase,  im  Besitze  \on 
Professor  Wiedemann  in  Bonn,  trägt  in  gravierten  1  lieroglyphen 
den  Namen  der  Prinzessin  Hatschepsut  (Hatasu),  der  Schwester 
Tutmosis'  III. ,  derselben,  deren  obsidianartige  Perle  sich  im  Briti- 
schen Museum  befindet.  Die  \Viedemannsche  Perle  stammt  aus 
den  Petrieschen  Funden  \on  Gurob.  Die  andere  hat,  wie  bereits 
bemerkt,  infolge  ihrer  tiefschwarzgrünen  F^irbe  bei  mehreren  Ge- 
lehrten und  Kennern,  w  ie  Froehner,  Zweifel  ob  desMateriales  erregt. 
Sir  Augustus  Franks  und  Makelyne  vermochten  die  Frage,  ob 
(ilas  oder  Obsidian  hier  benützt  sei,  nicht  zu  entscheiden,  Froehner 
neigte  zu  letzterem  hinzu,  während  Wilkinson^)  für  Glas  ist.  Das 
spezifische    Gewicht   der    Perle    entspricht   dem    des    Kronglases, 


1)  Wilkinson,   Manners  and   Customs   I  S.    53,   III  .S.   90. 


121 


auch  s(m^t  liat  dir  clitMuischc  riUcrsucliuny"  iiachtrÜLiiirli  jenen 
Kceht  g'eg"eben,  tue  für  (ilas  (Mntfetreten   sind. 

Die  erste  der  \on  I'ctrir  na(^h  den  Pfunden  \ on  ICH  el  Aniarna 
festijfestellten  Methotlcii  dci-  I  Icrstellung"  \  on  l'rrlcii  wurde  da- 
durch k()ni])h/ierl.  dali  man  anstatt  d(\s  einfaclien  I-'a(hMis  zwei 
\erschiedenfarbit>"e  um  den  l)raht  wickelte,  nachdem  man  sie  selbst 
spiralförmig"  zusamniens^-edreht  hatte.  Solche  T)o])])elfäden  waren 
auch  als  l'niranduiiL!'  '1''''  Münduni^"  \'on  (refälleii,'  .\lal)astren, 
Ami)horisken  und  Schalen  sein-  Ix'liebt.  Aucli  die  so  hergestellten 
I^erlen  erhielten  (hircli  Walzen.  Pressen  und  Sclmeiden  \-er- 
schiedeiK^  For- 
men.Wenn  man 
sie  zusammen- 
drückte, bekam 
man  Perlen  \"on 
dicker  Rins^- 
form  .  w  ie  sie 
namcMitlich  für 
den  Kxport  in 
jj;"roßen  Menj^-en 
hergestellt  wur- 
den und  sich 
unjremein  häu- 
fit»-  in  den  (irä- 

bern  des  westlic^hen  .Mittelmeerbeckens  imd  diesse-its  der  .\l])en 
finden.  Diese  Form  zeig"t  auch  eine  der  beiden  yToßen  Perlen, 
welche  ang'eblich  bereits  in  (U'r  neolithischen  Niederlassung" 
zu  Leng"yel,  Komitat  l'olna  in  Westunsjfarn ,  y(^funden  und 
von  einem  Pester  I  l;ind]er  für  das  Museimi  in  .Mainz  er\\()rl)en 
wurden.  Die  ein(>  isi  in  .\1)1).  24.  Pitj-.  16  wi(Mlert^"e,^"eb(Mi.^)  Die 
h'undumstände  und  die  .\uskünfte  des  1  ländlers  sind  leidi^r  i.j"leich 
unzuverlässig»".  Wären  si(>  ü])er  allen  /.\\«Mfel  erhaben,  so  müliten 
wir  die  beiden  l'erlen  als  die  ältesten  (ilasfunde  diesseits  der 
Alpen  betrachten.  Dii-  eine  ist  aus  einem  fast  farblosen,  s^elb- 
lich  durchscheinenden,  ursprün^-lich  wohl  yanz  durchsichtigen 
Faden  spiralfc'irmii^"  zusammeni;"edreht.   in    welchem  im  Inneren  ein 


.\bb.    6[.      Delphintiäschchen.      Knln,    Sammlung    Nicl.ien. 


')  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit,   Band  V,    T.    Xl\',   Fi>;.   214,   215. 


122 

g-elber,  opaker  Faden  zum  \'^orscheine  kommt.  Die  Spuren  der 
Drehung-  sind  g^anz  deutlich:  der  Faden  ist  durch  Plintauchen 
eines  g^elben  Fiidens  in  farljlos- durchsichtige  Glasmasse,  durch 
sog-.  Überfangen  herg-estellt.  Solche  Masse  wurde  ja,  wie  wir 
wissen,  schon  in  Teil  el  Amarna  dadurch  hergestellt,  daß  man  den 
Sand  durch  g-epulverte  Quarzkiesel  ersetzte.  Die  andere  Perle 
ist  gleichfalls  ringförmig-  und  aus  einem  opak-gelben  und  einem 
opak-dunkelbraunen  Glasfaden  zusammeng-edreht.  Beide  sind  aber 
wahrscheinlich  späteren  Ursprungs;  aus  Vorsicht  wird  man  sie  jeden- 
falls von  chronolog-ischen  Untersuchungen  ausschließen  müssen. 
Andere  Sorten  von  Perlen  wurden  nicht  wie  die  allg-emein 
beliebten  himmel-  und  türkisblauen  Schmelzperlen  in  Zylinder- 
form aus  Glasröhren  g-eformt,  iiuch  nicht  durch  Umwickeln 
eines  Drahtes  mit  dünnen  Glasstäbchen,  sondern  aus  der 
opak-farbig-en  Paste  durch  iVustropfen  eines  erhitzten  stärkeren 
Glasstabes  erzeug-t,  etwa  wie  man  eine  Sieg»-ellackstang-e  aus- 
tropfen läßt.  Dieser  Tropfen  wurde  durch  Plätten  und  W^dzen 
geformt,  durch  Eintreiben  eines  runden  Metallstäbchens  g-elocht 
und  nach  dem  P>k£Üten  auf  verschiedene  Art  weiter  bearbeitet. 
Auf  den  durch  erneute  Erwärmung  wieder  erweichten  Grund 
wurden  ^mdersf^lrbige  Glasfäden  als  flache  Bänder,  Zickzack, 
Wellen,  Adern,  .Spiralen,  Augen,  Ringe,  Buckeln  aufgesetzt,  durch 
Walzen  fest  eing-edrückt  und  dann  durch  .Schliff  geglättet.  Voll- 
kommene Glättung-  erzielte  man  durch  leichtes  Ausschmelzen  an 
der  Flamme.  Aber  schon  im  IV.  Jahrhundert  vor  Chr.  ist  außerdem 
bei  der  Auflage  farbig'er  Verzierungen  eine  vereinftichte  Technik 
nachzuweisen,  die  darin  besteht,  daß  der  Glasmacher  mit  einem 
erwärmten  Glasstäbchen  auf  dem  gleichfalls  erwärmten  Grunde 
der  Perle  farbige  Linien  und  Punkte  aufsetzte,  also  gleichsam 
malte.  Diese  Verzierung-  haftete  erhaben  auf  der  Oberfläche, 
während  die  andere  fest  eing-edrückt  war  und  jetzt  manchmal 
wieder  ausgefallen  ist,  so  daß  in  der  Perle  \'ertiefte  Ornamente, 
Schrauben  Windungen,     konzentrische     Ringe    u.    a.     erscheinen.^) 

'j  Ü.  Tischler,  Die  Aggryperlen  und  die  Herstellung  farbiger  Gläser  im  Alter- 
tume.  In  den  Schriften  der  physik.-ökon.  Gesellschaft  zu  Königsberg,  Band  27  (1887). 
Lindenschmit  in  den  Altertümern  u.  h.  V.  Band  IV,  4  u.  Deutsche  Altertumskunde. 
P.  Reinecke  in  d.  Altert,  u.  h.  V.  Band  V.  3  (die  beste  und  sorgfältigste  Bearbeitung 
der  vorrömischen   Glasperlen). 


12^ 


Diese  TtThiiiktMi    wurden    in    Alfx;in(lritMi    bis    in    die    tränkische 
ZtMt  hinein  m'eübt. 

I-'orni,  Wrzierun^-,  Farbe  und  Technik  der  (jliis})erlen  sind 
von  (Muer  schier  unerschöpfhchen  Mannig-faltig-keit.  Ks  ist  noch 
nicht  kmye  hi^r,  daß  man  die  Bedeutung"  dieser  kleinen,  zierhchen 
Denkmäler  einer  uralten  Kultur  in  ihrem  \ollen  Umfiuig-e  wür- 
digen g-elernt  und  sich  Mühe  tjeg-eben  hat,  Ordnung-  in  das,  ('haos 
zu  bringfen,  es  zeitlicli  und  stilistis(-h  zu  gTU])])i(^ren.  Fast  alle 
in  Grabfeldern  diesseits  der  Alpen  ge- 
machten Funde  stimmen  mit  solchen 
aus  ägyptischen  Gräbern  überein,  doch 
sind  diese  selten  gleich/eitig,  häufig 
sogar  viel  älteren  Diitums.  Einzelne 
Sorten  scheinen  speziell  für  den  Ex- 
port, dem  Geschmacke  der  Barbaren 
entsprechend,  hergestellt  worden  zu 
sein,  denn  sie  fehlen  in  Ägypten  selbst 
fast  ganz,  kommen  aber  in  Cypern, 
Kleinasien  und  Griechenland  vor.  Es 
ist  in  diesem  Falle  auch  nicht  unmög- 
lich, daß  eine  andere  Glaswerkstatt 
des  Orients,  Sidon  oder  Tyrus,  diesen 
P.xportartikel  lieferte.  Andererseits 
wurden    manche    Perlensorten    eigens 

für   Ägvpten    hergestellt    und    nur    in    gering-en    Mengen    in    das 
östliche  Mittelmeergebiet  ausgeführt. 

In  der  frühen  Bronzezeit  kommen  (xlasjierlen  l)ei  uns 
noch  nicht  vor,  vereinzelt  nur  in  England  und  S])anien.  wohin 
sie  durch  die  Phönizier  gekommen  sein  mögen.  Sie  sind 
meist  zylindrisch,  mit  ,  ileichten  Längsrippen  versehen,  von 
opak-stumpfblauer  Masse  und  in  der  Technik  mit  den  aus 
Glasröhren  gezog-enen  übereinstiTumend.  Dagegen  kann  man 
von  etwa  1500  vor  Chr.,  \om  Beginne  der  eigentlichen  Bronze- 
zeit ab,  in  den  Gräbern  Mitteltniro]ias  Glasperlen  in  fast  lücken- 
loser Reihe  verfolgen.  Allen  Entwicklungsstufen  bis  zum  Ende 
der  römischen  herab  ist  eine  weitverbreitete  Klasse  gemeinsam: 
Fiinfache  Rundperlen  aus  hellblauem  Glase.  (Abb.  24,  Fig.  i.)  Die 
Farbe  ist  aus  Kupferkisur  hergestellt  und  nicht  das  tiefe  Ultra- 


Abb.   62       Delphintlüschchen. 
Köln,   Museum  Wallraf-Ricliart/. 


124 

marinblaii.  das  man  in  .Vi^'vj^ten  seilest  im  mittleren  und  neuen 
Reiche,  aber  auch  in  Mykene  und  den  ifriechischen  Insehi  findet: 
dieses  scheint  nicht  nach  dem  Norden  importiert  worden  zu  sein. 
Dag'eg"en  stimmt  es  mit  dem  Hhiu  überein,  das  in  Ag"ypten 
während  der  saitischen  Periode  erscheint,  und  l)ei  uns  in  Arm- 
riniJfen  der  Latenejjfräber  \orkomTTit. 

Die  Perlen,  \velch(.^  von  1500  bis  in  die  jünj^ere  Ilallstadt- 
zeit  hineinreichen,  sind  mit  denen  \'on  Teil  el  Amarna  und  den 
s})ätmykenischen  idtMitisch.  I)ie  einfarV)ijren  sind  dunkelblau  oder 
hellt^TÜn  durchsichtig",  auher  ihnen  t^-ibt  es  solche,  die  aus  opak- 
weißen und  farbig'en  Fäden  zusammeng'edreht  sind.  (Abb.  24, 
Fiir.  2.)  In  Ag-ypten  treten  um  diese  Zeit  bereits  die  so^.  AutJ^en- 
])erlen  auf,  einfarbige  Stücke  mit  rimden,  gelljcn  flecken,  in 
die  ein  dunkler,  meist  blauer  Punkt  eing'esetzt  ist.  Nach  Skandi- 
navien und  Ostpreußen  kamen  diese  erst  zu  Ende  der  Bronzezeit, 
nach  Gallien   und   in   die  Aljjenländer  zu  Anfang  der  Hallstadtzeit. 

Für  diese,  d.  h.  die  Jiihre  um  1000 — 900  sind  in  Deutsch- 
land, wie  im  Mittelmeergebiete  ()])ak-dunkle,  fast  schwarze,  blaue 
odf^r  l)raime  Perlen  mit  gfelben  uiul  weißen  Ringaug'en  kenn- 
zeichniMid,  die  mitunter  auch  mehrfache  konzentrische  Kreise 
bilden.  (AV)]).  24,  Fig.  3.  4.)  Diese  sind  in  die  (irundniiisse  ein- 
gedrückt, alxT  manchmal  im  Laufe  der  Zeit  \erloren  g'egang'en, 
so  daß  nur  I  lohlringe  oder  leere  Schrauloengewindt^  stehen  blieben. 
Besonders  g'-rofje  und  reich  \erzierte  Stücke  di(^ser  Art  sind  in 
Italien  und  I  lallstadt  gefunden  v^orden,  auch  solche  aus  schwarzem 
(jlase  in  Form  \'on  Radnarl:)en  (Balustern).  Durchsichtig'es  Glas 
ist  sehr  selten.  In  Ag-v})ten  imd  im  ganzen  östlichen  Mittelmeer- 
becken kommt  diese  schwarze,  mit  Augen  xerzierte  Perlenart 
schon  \or  dem  Jahre  1000  \or,  l:)esonders  zahlreich  \m  Kabyren- 
heiligtume  \on  Theben  und  in  (_)lvm]:)ia.  Auch  Perlen  mit  S])iral- 
einlagen  tiiuchen  in  Ägypten  schon  um  diese  Zeit  auf,  finden 
aber  erst  in  der  jüngeren  Latenezeit  den  W  eg"  zu  uns  nach  dem 
Norden. 

In  der  späteren  Jiallstadtzeit,  den  Jahren  um  700 — 600,  sind 
bei  uns,  wie  in  Cypern,  Griechenland  und  Italien,  hellgrüne 
Perlen  nicht  selten,  auf  welche  Zickzack-  und  Wellenlinien 
aufg-elegt  sind,  ganz  wie  auf  den  in  Theben  und  Teil  el  Amarna 
gefundenen   Scherben    \-on  (Tlasgefäßen:    (Abb.  24,  Fig.  5,  (^):  dii- 


12  = 


g-Ci^en  tchlcii  (lif  Au^cnpfrlcii.  I^inc  neue  uiul  cluiraklt'ri^ti^.clu' 
ErscluMiiunj^  sind  Kiiii^'c'  aus  liclls^TÜncni  und  lu'llblaiUMii  ( rlase, 
d\v  an  Srlinürcn  am  1  lalse  i^-etrai^Tn  wcrdiMi,  obwohl  sie  mit- 
unt('r  \()n  d(^r  dröße  (Miies  Armrin^ws  sind.  In  Xordtrankrtnch, 
wo  sie  nocli  in  der  frühen  Latenezeit  xorkonimen.  Iiat  man  sie 
so  bei  I.eic-lien  an  Kettchen  nel^Mi  kleineren  befestii^t  j^'e- 
fund(Mi.  Aus  (h:^rsi»lben  Zeit  stammcMi  die  Tierko]ifperlen  der 
()stal]i(Mi,  die  leider  noch  nicht  ediert  sind.  (le^rn  JMide  des 
\'l.  Jahrhunderts  tritt  als  I  laupts^TU])]»-  die  der 
Perlen  mit  jjfeschichteten  Aujjfen  (nach 
Tischler;  auf.  Diese  Aug"en  bestehen  aus  wech- 
selnden La^'en  \on  Milchweil^  und  I  )inik(4- 
blau  (Abb.  24,  Fii>-.  7 — 9).  die  sicdi  konzentrisch 
\'erjiin^'en,  so  dal)  immer  ein  blauer  l'unkt 
die  Mitte  l)ildet.  Sie  sind  teils  wie  bei  de- 
fälk'n  aufi4'etro])ft.  teils  mit  erweichten  Stäb- 
chen aufgesetzt.  Der  (irund  der  Perle  ist 
zumeist  oranjj'e  und  opak,  auch  durchschei- 
nend mtM^rs^rün;  seltener  sind  tiefblau  durch- 
sichtit^e  Stücke  mit  einer  einzii^"en  La^"e  \on 
\Veil5  und  einem  blauen  Auy-e.  Dit^  oranye- 
g'elben  und  meerijfrünen  Aug"enperlen  hnden  Abb.  63.  Baderiäschchen 
sich  in  kug-elig-er,  ringförmiger  und  zxlindri-  mit  Bronzeverschluß  und 
scher  (lestalt.  oft  in  stattlicher  Größe,   überall  '"^  ' 

in  Mengen:  in  .\g\])ten,  den  Mittelmeerländern  und  dit^sseits  der 
Al])en  und  im  Norden,  sehr  zahlreich  in  ( rriechenland.  ItalitMi  (in  den 
Gräbern  der  Certosazeit),  .Südrussland,  in  den  ])unischen  Ländern 
Afrikas  und  in  Sardinien.  Am  Xordrande  der  Aljien  ])ilden  sie  bis  in 
das  \'.  Jahrhundert  hinein  die  wtMtaus  xorherrschende  Art.  W'ahr- 
scheinli<-h  stammt  aus  dieser  Zeit  auch  die  tiefblaue  .\ugenperle. 
die  in  1  iermeskeil  1  i<egierungsl)ezirk  'iVi(^r)  gefunden  wurde.  In 
die  späte  I  iallstadtjteriode  gehören  auch  gell)e.  hellbl.uie  und 
meergrüne  Perlen  mit  großen,  weißen  Scheil^tMiau  t  sätzen.  die 
einen  braunen,  mit  sieben  weil^blauen  Augen  besetzten  Ring  ein- 
schließen: an  .Stelle  des  braun(Mi  Ringes  treten  manchmal 
braune  Wcllenlinion.  .Xul'x^r  Ägypten  hat  man  diese  Arten  ott 
in  Xordfrankreich  gefunden,  während  sie  Ix-i  un->  telilcn.  Die 
Aug(Mi]M^rlen  sind.  b<^sonders  die  gnißeren  l\\emplare  uiUer  ihnen. 


126 

oft  auch  mit  tropfenförmigen,  rundlichen  Knoten  besetzt,  teils 
von  der  Grundfarbe,  teils  von  anderer,  auch  mit  farblosen  (Abb.  24, 
Flg.  9,  1 1 ).  In  Ägypten  und  in  den  Alittelmeerländern  treten  an 
Stelle  der  Knotenperlen  solche  mit  aufgelegten  Masken  von 
Menschenköpfen  in  Relief  mit  ägyptischem  Kopfputze,  teil- 
weise von  sehr  detaillierter  Ausführung  und  reicher  Ausstattung, 
indem  Augen,  Nase,  Lippen,  Ohren,  Haarlocken  und  Bart  ,durch 
aufgelegte  bunte  Fäden  gebildet  werden.  (Vgl.  S.  93).  Bei  uns  ist 
diese  Perlenart,  welche  den  außer  Ägypten  auch  in  der  Mittel- 
meerzone häufigen  Anhängern  in  ]\Iaskenform  sehr  nahe  stehen, 
bis  jetzt  nur  in  drei  Exemplaren  aus  römischer  Zeit  vertreten.^) 
Der  Maskenschmuck  an  Perlen  und  Anhängern  tritt 
nämlich  in  Ägy^pten  in  der  saitischen  Periode  als 
Nachahmung  eines  Schmuckes  des  IL  Jahrtausends 
auf  und  erhält  sich  dort  bis  in  nachrömische  Zeit. 
Geschichtete  Augenperlen  sind  bei  uns  auch  in 
der  jüngeren  Latenezeit,  also  bis  weit  in  die  Zeit 
Bronzeverschluß  'i^^ch  Christi  Geburt  hinein,  nicht  selten.  Im  all- 
eines  Badefläsch-  gemeinen  reichen  die  geschilderten  Arten  bis  in  das 
chens.    Neapel,     jy    Jahrhundert  vor  Chr.     Von    da   ab   finden    sich 

Museum.  .  ••  ,...,.,  a  r-        i  i        i 

m  Ägypten  und  im  ostlichen  Mittelmeerbecken 
längere  Zeit  hindurch  Kugelperlen  von  regelmäßiger  P'orm  mit 
zahlreichen  farbigen  Punkten  und  Scheibchen  von  sehr  dünnem 
Auftrage,  daneben  aber  überall  bis  tief  in  die  Kaiserzeit  hinein 
dunkelblaue  Perlen  mit  weißblauen  Augen,  größere  Exemplare 
auch  mit  vier  Reihen  solcher  besetzt  (Abb.  24,  Fig.  14).  In  die 
ältere  Latenezeit  gehören  außer  den  über^dl  häufigen,  schlichten 
blauen  Perlen  die  melonen förmig  gerippten,  teils  durch- 
sichtig tiefblaue,  teils  solche  mit  eingelegten  farbigen  Fäden, 
außerdem   glatte   blaue,  mit  eingelegtem  weißem  Zickzack. 

Der  Plaupttypus  der  mittleren  Latenezeit  ist  bei  uns  die 
Perle  mit  Spiraleinlagen  (Abb.  24,  Fig.  10,  12,  15),  die  wir  in 
Ägypten  schon  vor  dem  Jahre  1000  angetroffen  haben,  oder  die 
mit  Scheiben  und  Buckeln,  die  ihrerseits  mit  Spiralen  verziert 
sind  (Abb.  24,  Fig.  13).  Form  und  Größe  der  Stücke  sind  ebenso 
verschieden,  wie  Zahl  und  Anordnung  der  Spiralen.    Eine  in  Arne- 


1)  P.   Reinecke   a.   a.   O.     Tafel  XIV,   246,   247. 


127 


bürg-  (.Vltmark)  g-efundene  Perle  hat  die  für  \orrömisrhe  Zeit 
seltene  kubische  Gestalt.  I  läuti^-  ist  dagegen  der  Besatz  dunkel- 
blauen Grundes  mit  orangegelben  Buckeln  (Abb.  24,  Fig.  12). 
Sonst  sind  für  Grundfarben  meergrün,  orange,  hellgrün,  hellblau, 
für  die  Aufhigen  o])ak\veil],  s(4t(Mier  gelb  (schwefelgelb  oder 
orange),  oder  weil)  mit  blau  verziert,  für  Buckeln  und  Warzen 
orange  beliebt.  Zum  ersten  Male  tritt  jetzt  bei  Perlen,  sowohl  für 
den  Körper  als  für  den  Buckelbesatz  farblos-durchsichtiges 
Glas  auf,  so  z.  B.  in  dem  Funde  \on  Dühren  bei  Sinsheim  im 
Badischen.    Die  einc^ 

der  daher  stammen-  >rf<^SÄ  ^. 

den  Perlen  ist  von 
dicker  Ringform  und 
scharf  fassettiert,  4.3 
cm  im  äußeren,  1,3  im 
innerenDurchmesser, 
1,3  cm  hoch,  wasser- 
hell durchsichtig  und 
innen  im  Bohrloche 
mit  einer  opak-gelben 
F'olie  bedeckt,  welche 
durch  den  Glaskörper 

goldig  hindurchscheint.  Vier  andere  Perlen  sind  aus  demselben 
Stoffe,  gleichfalls  farblos,  aber  mit  einer  Ausnahme  ohne  Folie 
und  außen  sämtlich  gerundet.  Eine  Perle  hat  gedrückte  Kugel- 
form, ist  aber  nur  schwach  durchscheinend.  In  demselben 
Grabe  und  an  anderen  Orten^)  wurden  auch  Armringe  aus 
farblos -durchsichtigem  Glase  gefunden.  Farblos- durchsichtige 
oder  doch  durchscheinende  Glasperlen  lieferten  ferner  die  Gräber 
von  Erdbach  (Nassau)  und  im  Koppswalde  (Hunsrück):  ganz 
rein  ist  das  Gkis  selten,  fast  imm(>r  grünlich  oder  gelblich 
schattiert.-)  In  Ägypten  und  selbst  diesseits  der  Alpen  hat 
man  Perlen  aus    dieser   F'eriode  gefundiMi.    welche  aus  zwei   eine 


Abb.  64. 


Prismatische  Kannen  aus  Alexandrien. 
Köln,   Sammlung  Nießen. 


*)  Bonner  Jahrbuch,  Band   43.   S.   S5. 

-1  .Schumacher  in  den  .Mtertümcrn  u.  h.  V.  Band  V,  Heft  3,  S.  75  f.  mit 
.\bbildungen  auf  T.  XV,  Fig.  260 — 262.  Ders.  in  den  Veröffentlichungen  der  Karlsruher 
Sammlungen  1899  S.  79.  Vgl.  auch  Revue  archeologique  1855,  S.  76.  Ghirardini, 
La  coUezione  Baratela  di   Este    1888,  S.    118.     Brizio,   Monumenti   antichi    1899,  S.  79. 


128 

vSchichte  Blattg'old  einschließenden  Hälften  farblo.s-durchsichtig"en 
Glases  bestehen  und  andere,  die  mit  Blattg'old  überzogfen  und 
dann  mit  farlihjsem  dlase  ül)erüing"en  waren,  so  daß  sie  wie 
massive  (loldperlen  aussehen.  Nach  Tischlers  Untersuchungen^) 
kommen  (Tlas])erlen  mit  eingfeschlossenen  (Jold])lättchen  in 
Ägfvpten  schon  im  l\'.  Jahrhundert  \'or  Chr.  \'or  und  sind 
in  römischer  Zeit  häufig".  Auch  in  dänischen  Gräbern  wurden 
farblose  und  g-rünliche  (rlasperlen  g"efunden,  die  mit  Blattg'old 
überzognen  und  mit  einer  durchsichtigen  Schichte  \'on  Glas  über- 
fangfen  sind.  Kine  Spezialität  der  mittleren  Latenezeit,  die  \ier- 
eckig"en  Schieber  aus  tiefblauem  Gkise,  die  mehrfach  g"elocht 
sind  und  so  zu  Schnüren  angfereiht  werden  konnten,  haben 
mitunter  Besatz  von  halbkug'elig'en  Tropfen  aus  farblos-durch- 
sichtigfem  Glase.  Diese  Trojjfen  sitzen  in  breiten  orangfe-farbig'en 
Bändern  (Abb.  24,  Fig-.  11).  .Sonst  kommen  in  dieser  Zeit  noch 
g-ewöhnliche  blaue  Perlen  mit  weißen  Wellenhnien,  vereinzelt 
auch  tonnenförmig-e  g-rüne  Stücke  mit  hellen  eingelegten  Fäden 
vor.  Da  sie  in  Bibracte  nicht  zu  den  vSeltenheiten  gehört,  kann 
man  sie  bereits  als  eine  Übergangsform  zu  der  Spätlatene  be- 
trachten. 

Als  die  Hauptform  dieser  Periode  ist  diesseits  der  Alpen 
mit  Ausnahme  von  Xorddeutschkmd  die  Ringperle  zu  be- 
trachten (x\bb.  24,  Fig.  16).  Sie  kommt  in  verschiedenen  Größen 
und  T'arl:)en  \or,  auch  farblos-durchsichtig,  mit  einem  Stiche  ins 
grünliche,  gelbhche  oder  besonders  häufig  ins  bläulich-grüne,  oft 
aus  Fladen  von  verschiedener  F'arbe  zusammengedreht,  wie  die 
Ringperlen  aus  Hahnheim  (bei  (J])])enheim),  Heidesheim  (bei 
Bingen),  Neunmorg^en  (bei  Nierstein,).")  Die  früher  erwähnten, 
angeblich  aus  einer  neohthischen  Nekropole  herrührenden  Ring- 
perlen des  Mainzer  Museums  stimmen  in  der  Technik  und  \^er- 
zierungsweise  so  sehr  mit  diesen  überein,  daß  man  Grund  h^it, 
sie  gleichfalls  erst  in  die  Spätlatene  zu  versetzen.  Oft  ist  bei 
farblosen  Stücken,  wie  bei  den  Armringen,  auf  der  Innenseite 
im  P)ohrloche  eine  opak -gelbe  Folie  aufgelegt,  mitunter  ein 
gelber    Faden    eingelegi-t    und    mit    farblos- durchsichtig-em    Glase 


^1    Vortrag  Tischlers  bei   der   Anthropologen-Versammlung  in   Breslau    1884. 
■-)   .Abgebildet  in   Altertümer  u.  h.   V.      Kd.   V,   T.   XIV.   Fig.   217.   219,   221 


129 


überfanüfen :  es  komnuMi  auch  Rii\^"e  \-or,  die  in  der  ATasse 
von  andersfarbig'en  Streiten  und  Flecken  durchsetzt  sind.  Wir 
stoßen  hier  also  bereits  auf  dit^  Anfänt^e  des  Uberfang--  und 
des  Mosaikg-lases,  welche  zu  Beginn  der  Kaiserzeit  eine  so 
g"roße  Rolle  spielten  und  den  Kunststil  des  Glases  für  lang^e 
hinaus  bestimmten.  In  den  Farben  tritt  jetzt  eine 
viel  j^TÖßere  Mannigfidtig^keit  als  früher  auf.  Be- 
sonders beliebt  bleibt  aber  Dunkelblau  mit  milch- 
weißer Bänderung",  durclisichtig"e  Bernsteinfarbe, 
opakes  Schwarz  mit  g-elben  und  weißen  Einlagen  u.  a. 
So  kommen  die  schönen  gestreiften,  gebänderten, 
mit  eimnn  grobmaschigen  Xetze  versehenen  und 
die  marmorierten  Perlen  zust^mde,  die  in  keinem 
der  späteren  Latenefunde  fehlen.  Es  erproben  sich 
in  ihnen  im  kleinen  die  abwechslungsreichen  Tech- 
niken, welche  die  alexandrischen  Werkstätten  in 
der  Blütezeit  der  Glasindustrie  zu  den  kostbai-sten 
Prachtleistungen  befähigten,  die  aber  in  Agvpten 
selbst  und  in  den  klassischen  Gebieten  nur  selten 
auf  Perlen  angewendet  wurden.  Derartige  Perlen 
waren  für  den  Export  nach  den  Barbarenländern 
bestimmt  und  blieben  bloß  vereinzelt  in  der  Heimat 
und  deren  Nachbarländern.  Daneben  erhielt  sich 
diesseits  der  Alpen  auch  der  Geschmack  für  die 
Spiralverzierung,  für  Buckelung,  geschichtete  Augen, 
für  eingelegte  mehrfarbige  Streifen.  F"äden  und 
Ringaugen,  sowie  natürlich  für  einfache  bkiue  und 
grüne   Kugelperlen. 

In  der  Kaiserz  ei  t  wurden  zahllos(^  neue 
Typen  auf  den  Markt  geworfcMi.  Einen  prächtigen 
Schmuck  ergab  die  Übertragung  des  Farnkniut' 
musters  auf  größere  Perlen  (Abb.  25,  Fig.  7,  9). 
\erzierung  erfuhr  eine  reiche  Ausbildung  (Abb.  25,  Fig.  2,  4,  i  2 — 17). 
Die  Anreihung  zu  Halsketten  erfolgte  außer  den  gewöhnlichen 
.Vrten  auch  dadurch,  daß  die  Perlen  zu  beiden  Enden  eine 
rosettenförmige  Bronzefassung  t^rhielten,  an  welcher  Ösen  an- 
sitzen, mit  welchen  die  einzelnen  Glieder  aneinander  gehenkt 
wurden.    Im  Münchener  Antiquarium  befindet  sich  eine  Schmuck- 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  n 


Abb.  65. 

Merkurllasche. 

Köln,  Sammig. 

M.  vom  Rath. 


und 
Die 


l-eder- 
Faden- 


I30 

kette  aus  runden,  kürbisartig  gerippten  Perlen  von  hellbkiu-durch- 
sichtigem  Glase  mit  weißen  Querbändern,  alexandrinische  Arbeit 
aus  der  Kaiserzeit.  Die  Perlen  sind  mit  derartigen  Fassungen 
von  vergoldeter  Bronze  aneinander  gereiht.    (Abb.  25,  Fig.  2.) 

Fäden  wurden  nicht  nur  eingelegt,  sondern  auch  plastisch 
aufgelegt.  Am  häufigsten  findet  man  dicke  Zickzack-  und  Wellen 
fäden  in  weiß  und  gelb  auf  schwarz;  daneben  glatte  Bänder, 
Wellen-  und  Zickzacklinien,  spiralförmige  oder  netzförmige  Um- 
wickelungen,  aufgetropfte  und  aufgemalte.  Aber  auch  das  Über- 
fang- und  Mosaikglas  wurde  in  verstärktem  Maße  in  der  Perlen- 
industrie verwendet.  Das  Mosaikglas  mit  seinem  unregel- 
mäßigen Marmor-  und  Fleckenmuster,  das  Band-  und  Petinet- 
glas  ergaben  eine  unübersehbare  Fülle  von  Varianten.  Zu 
den  bisherigen  Formen,  den  kugeligen,  plattrunden,  ei-,  linsen- 
und  radnarbenförmigen,  den  tropfenartigen,  zylindrischen, 
würfelartigen,  vier-  und  mehrkantigen  Prismen  traten  einfache 
und  Doppelkegel,  Stutzkegel,  Würfel  mit  abgestutzten  Ecken 
u.  V.  a.  Die  Millefioritechnik,  die  im  VIII.  Abschnitte  geschildert 
werden  wird,  eröffnete  neue  glänzende  Verzierungsarten.  Man 
hatte  gelernt  durch  ein  rhythmisches  Anreihen  von  verschieden- 
farbigen dünnen  Glasstäben,  konzentrisches  Überfangen  der  ein- 
zelnen Stäbe  und  Stabbündel,  spiralförmiges  Aufrollen  ^•on  ver- 
schiedenfarbigen Glasschichten  eine  buntfarbig  gemusterte  Masse 
zu  erzeugen,  aus  welcher  sich  Perlen  in  beliebiger  Form  schneiden 
ließen,  namentlich  wenn  die  Masse  vorher  durch  Erhitzung  er- 
weicht worden  war.  Solche  Perlen  zeigen  bis  zu  dem  auf  gleiche 
Weise  wie  früher  durchgestoßenen  Bohrloche  in  ihrem  ganzen 
Kerne  dieselbe  Musterung  (Abb.  25,  Fig.  2,3,10).  Schon  der  ununter- 
brochene Verlauf  des  Musters  auf  der  Außenseite  beweist,  daß 
sie  nicht  aus  einzelnen  übereinander  gelagerten  Plättchen  zu- 
sammengesetzt sind.  Solche  Auflagen  kommen  allerdings  gleich- 
falls sehr  oft  vor.  Die  Plättchen,  welche  man  durch  Quer-  oder 
Schrägschnitte  (bei  Bandmustern  auch  durch  Längsschnitte)  aus 
den  stangenförmigen  vStabbündeln  des  Mosaik-  und  Millefioriglases 
gewonnen  hatte,  wurden  in  erhitztem,  halb  weichem  Zustande  zu- 
sammengerollt (Abb.  25,  Fig.  5,  6)  und  so  Perlen  gebildet,  oder 
mit  anderen  Mustern  auf  größere  einfarbige  Perlen  aufgelegt. 
Solche  mit  Millefiori-,   vSchachbrett-,  Marmor-  und  anderen  Platt- 


131 


cheu  bekleidete  Perlen  treten  zuerst  in  der  Zeit  der  flavischen 
Kaiser  auf.  ^)  In  einem  norwegischen  Grabe  fand  man  eine  g'roße 
Kug-elperle  von  lasurblauer  Grundfarbe,  die  durch  rote  Längs- 
und Querstreifen  in  rhombische  Felder  geteilt  ist:  diese  sind  ab- 
wechselnd mit  schwarzgelben  Schachbrettmustern  aus  feinem 
Mosaikglase  und  einem  aus  konzentrischen  Ringen  und  seestern- 
artigen  Strahlen  zusammengesetzten  Rosettenmuster  in  gelb  und 
rot  belegt  (Abb.  25,  Fig.  8).  Ähnlich  ist  eine  bei  Lüste- 
bahr  in  Pommern  gefundene  große  Rundperle  aus- 
gestattet. Sie  lag  mit  Perlen  aus  Bernstein  und  Edel- 
steinen zu  einer  Kette  vereint  am  Halse  eines  Gerippes 
(Abb.  25,  Fig.  5).  Auch  sie  ist  auf  lasurblauem  Grunde 
durch  rote  Bänder  in  rhombische  Felder  geteilt,  in 
welchen  aber  mit  Schachbrettmustern  in  gelb 
und  dunkelbraun  vier  ägyptische  Frauen- 
masken abwechseln.")  Die  roten  Bänder  sind 
in  der  seit  jeher  üblichen  Weise  durch  Auf- 
lage von  Glasfäden  hergestellt,  die  dann  ein- 
gewalzt wurden,  die  Schachbrettmuster  und 
Masken  aus  Mosaikbündeln  in  Plättchen  aus- 
geschnitten und  in  erweichtem  Zustande  an 
die  Rundung  angedrückt.  Eine  andere  Masken- 
perle wurde  erst  \'or  kurzem  für  das  Mün- 
chener Antiquarium  im  Kunsthandel  erworben. 
Sie  stammt  angeblich  aus  Kleinasien,  hat 
leicht  gedrückte  Kugelform  und  besteht  aus 
orangegelber  Gkispaste,  welche  in  der  ]\Iitte 

\-on  einem  schwarzen  Bande  umringt  ist.  In  dieses  sind  \ier  w  eiße 
Frauenmasken  von  zierlicher  Zeichnung  und  durchaus  griechischem 
Typus  eingelegt;  die  Umrisse  und  inneren  Linien,  wie  Augen, 
Nase,  Mund,  Haar,  sind  schwarz  (Abb.  25,  Fig\  6).  Ohne  jeden 
Zweifel  ist  auch  die  in  (Muinn  fränkischen  Grabe  zu  Wieuward 
in  llollaiid  gefundene  Glasperle  ägyptischen  Ursprunges.  Sie 
zeigt  auf  einem  breiten  blauen  Ouerbande  fünf  ägyptische  Frauen- 
masken. ^)   Die  in  Agyjjten  selbst  uralten  Maskenperlen  (s.  vS.  93f.) 


Abb.  66.   Merkurtlaschen. 
Köln,  Sammlung  Nießen. 


^)  Abgebildet  in  den  Altertümern   u.  h.  V.     P>d.  V,  T.  XI\'.,  Fig.  242 — 244. 
^)  Sophus  Müller  a.   a.   O.   II,   Abbildung   51. 
^)  Bonner  Jahrbuch   43   S.   85. 

9* 


132 

haben  also  erst  in  der  Kaiserzeit  unter  Anwendung"  neuer  Tech- 
niken den  Weg"  nach  dem  Norden  g"efunden. 

Mit  Plättchen  aus  Stabbündeln  von  Millefiori  sind  auch  jene 
zierlichen  Perlenmuster  herg"estellt,  welche  wie  in  feinster  Miniatur- 
malerei feines  Blattwerk  darstellen.  Im  Münchener  Antiquarium 
ist  eine  äg"yptische  Perle  aus  farblos  durchscheinendem  Glase  in 
Tönnchenform,  deren  Muster  aus  einer  hellblauen,  opakweiß  um- 
säumten Blume  besteht  (Abb.  25,  Fig".  i).  Noch  feiner  ist  eine 
Kug"elperle  der  vSammlung"  des  Professors  Freiherrn  v.  Bissing"  in 
München,  opakschwarz  mit  einem  Blattmuster  in  orange  und 
weiß-roter  Aderung",   das  sich  viermal  wiederholt  (Abb.  25,  Fig".  3). 

Als  Fundorte  antiker  Perlen  nennt  Minutoli  Ifferten  in  der 
Schweiz,  das  alte  Castrum  Fbrodunense,  dann  die  Gräber  Ost- 
preußens Storchedinge  in  Seeland,  die  Inseln  Bornholm  und  Jüt- 
land.-^)  In  seiner  Sammlung"  befanden  sich  Perlen  aus  diesen 
Orten  neben  zahlreichen  italischen  Fundstücken.  Fr  nennt  ferner 
den  Ober-  und  Niederrhein,  wo  sie  in  A'erbindung"  mit  geschliffenen 
Karneolen  und  Kieselsteinen  vorkämen,  Dornburg  in  Thüringen, 
Weimar,  Jena,  Potsdam,  dann  in  England  .Seccara  bei  Ruther- 
gleen u.  a.  O.  —  West  hält  die  antiken  (ilasperlen  für  die 
Ova  anguina,  die  Schlangeneier  des  Plinius,  deren  sich  die 
Druiden  bedienten.  In  Schottland  nennt  man  sie  Adder  Stones 
d.  h.  Natternsteine,  hält  sie  £dso  wie  die  Aschantis  für  Fier  von 
Reptilien. 

Neben  den  so  gemusterten  Perlen  kommen  in  der  ganzen 
Kaiserzeit  bis  tief  in  die  fränkische  Periode  hinein  Perlen  aus 
türkisbkmer,  durch  Verwitterung"  oft  g"rünlich,  manchmal  selbst 
kreidig  weiß  gewordener  Glaspaste  in  Kürbisform  mit  scharfen 
Längsrippen  vor  (Abb.  25,  Fig".  11),  welche  sich  von  denen  der 
älteren  Latenezeit  durch  Farbe,  Undurchsichtigkeit  und  Mangel 
jeder  Dekoration  unterscheiden.  Noch  häufiger  als  Glas  ist 
freilich  zur  Herstellung  solcher  Schmuckperlen  das  glasierte  Stein- 
zeug verwendet.  Sie  und  andere  spätere  Sorten  finden  sich  aber 
in  fränkischen  und  alemannischen  Grabstätten  noch  häufiger  als 
in  römischen. 


^)   Minutoli,   Über   die   Anfertigung  und   Nutzanwendung  der  farbigen  Gläser  bei 
den  Alten,   Berlin    18^6.      S.    12. 


133 


Tischler  unterscheidet  zeitlich  zwischen  den  ]\[illefiori- 
Perlen  mit  Blumen-,  Rosetten-  und  Schachbrettmustern,  welche 
durch  Zusammenrollen  eines  Mos£iikplättchens  entstanden  sind 
und  jenen,  bei  welchen  ein  einfarbig"er  Kern  durch  Aufi^i^e  von 
solchen  Plättchen  dekoriert  ist.  Er  datiert  jene  aus  dem  I.  Jahr- 
hundert nach  Chr..  diese  aus  dem  III.  und  IV.  Auch  die  mit  Mille- 
tioriplättchen  g-eschmückten  Emailfibeln  und  andere  emiiillierte 
Metallarbeiten  g-ehören  nach  seiner  Ansicht  in  die  spätere  Zeit. 
Lindenschmit,  der  sich  dem  antiken  Ursprünge  der 
Millefioriperlen  gegenüber  skeptisch  verhält  und  zu- 
gleich auch  die  meisten  gläsernen  iVrmringe  für 
venezianische  Arbeiten  späterer  Zeit  erklären  möchte, 
weist  alle  Glasperlen  mit  Mosaikschmuck  der  fränkisch- 
alemannischen Periode,  dem  V.  und  VI.  Jahrhundert 
zu  und  lälk  nur  die  blauen  und  türki^farbigen  Kürbis- 
perlen als  antik  gelten.  Dem  widersprechen  jedoch 
sicher  datierte  Funde  aus  rheinischen  Gräbern,  sowie 
Reste  von  Werkstätten  in  Bibracte,  in  Worms,  Xan- 
ten u.  a.,  welche  für  den  Bestand  einer  Emailindustrie 
in  Gallien  und  am  Rhein  schon  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten unserer  Zeitrechnung  Zeugnis  ablegen.  Wir 
müssen  darnach  annehmen,  daß  nicht  nur  schon  in 
dieser  Zeit  Metallschmuck  durch  Millefioriplättchen 
seine  Emailverzierung  erhielt,  sondern  daß  dieses 
Mittelfiori,  wenn  nicht  diesseits  der  Alpen  hergestellt, 
so  doch  aus  importierten  gläsernen  Stabbündeln  aus- 
geschnitten wurde.  Es  ist  nicht  einzusehen  weshalb 
man  dann  nicht  auch  Perlen  in  gleicher  Weise  ver- 
zierte, ja  Tischler  gibt  sogar  zu,  daß  diese  Technik  der  Perlen- 
dekoration als  die  leichtere  der  X'erzierung  von  Metallschmuck 
durch  Abschnitte  von  Millefiori  vorausging.  Wir  müssen  daher 
auch  den  so  geschmückten  Perlen  ein  höheres  Alter,  den  Anfang 
des  I.  Jiihrhunderts  einräumen.  Freilich  treten  die  Millefioriperlen 
zu  jeder  Zeit  an  Zahl  weit  gegen  die  einfarbigen,  mit  aufgelegten 
Glasfäden  oder  mit  erweichten  Glasstiften  bemalten  Perlensorten 
zurück.  In  fränkischen  Gräbern  finden  wir  sie  überhaupt  nur 
noch  selten,  während  die  Perlen  der  letztgenannten  Art  neben  den 
Kürbisperlen  massenh£ift  vorkommen,  was  hier  gegen  Lindenschmit 


Abb.  67. 

Amphoriske 

aus  farblosem 

Glase.  Neapel, 

Museum. 


134 

festgestellt  werden  muß.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  die 
von  den  vStürmen  der  Völkerw^mderung  unberührten  Industrie- 
bezirke des  Römerreiches,  namentlich  Alexandrien,  auch  damals 
das  Abendland  mit  Glasperlen  in  den  früheren  Formen  ver- 
sorgten. Die  meisten  stammen  aber  aus  der  Kaiserzeit  und 
kamen,  abgesehen  von  den  zahlreichen  in  Gallien,  nament- 
lich in  der  jetzigen  Provinz  Namur,  angefertigten  Perlen  in  die 
germanischen  Gebiete,  teils  auf  dem  Wege  des  Handels,  teils 
mit  anderen  farbigen  Gläsern,  die  von  den  Barbaren  als  Kost- 
barkeiten betrachtet  und  den  edlen  Metallen  gleich  gehalten 
wurden,  als  Kriegsbeute.  »Sicher  ist,  daß  Franken,  Alemannen 
und  die  anderen  germanischen  Stämme,  welche  mit  den  antiken 
Völkern  in  Berührung  kamen,  keinen  vSchmuck  höher  schätzten, 
als  den  aus  römischen  Gräbern  geraubten. 

Von  den  bisher  geschilderten  antiken  Perlensorten  durchaus 
verschieden  sind  die  in  Afrika,  Amerika  und  den  australischen 
Inseln  verbreiteten  Aggry-Perlen,  welche  venezianischen  Ur- 
sprungs sind.  Der  Engländer  William  1  lutton  sagt  in  der  Be- 
schreibung einer  Reise  im  Inneren  Afrikas,^)  daß  die  Aggrykörner 
bei  den  Aschantis,  welche  sie  in  einigen  Gegenden  aus  dem  Boden 
grüben,  sehr  geschätzt  seien.  Sie  hätten  bei  ihnen  doppelten 
Goldwert;  sie  seien  verschiedenfarbig,  einige  gleich  Mosaikglas, 
andere  hätten  geometrisches  Blumenmuster  von  großer  Fein- 
heit. Auch  im  Reisewerke  der  Brüder  Leandre')  werden  Aggry- 
körner erwähnt.  Schon  Minutoli  bezweifelt,  daß  alle  diese  Perlen 
ägyptischen  oder  antiken  Ursprunges  seien  und  glaubt,  daß  auch 
neuere  venezianische  und  böhmische  nach  Afrika  gedrungen  seien.'') 

Auch  in  Amerika  und  auf  den  australischen  Inseln  sind 
Aggryperlen  neben  Augenperlen  zu  finden,  welche  natürlich  gleich- 
falls nicht  antiken  Ursprunges,  sondern  wahrscheinlich  venezianische 
Nachbildungen  sind.  Der  Hauptunterschied  zwischen  den  Aggry- 
perlen und  den  ägyptischen  besteht  darin,  daß  bei  letzteren  die 
Streifen  und  Fäden  nur  aufgelegt  sind,  während  sie  bei  jenen 
durch  die  Masse   hindurchgehen.     Zuerst  hat  Augustus  Franks*) 


1)  Minutoli   S.   23. 

")  ibd.  S.   21. 

3)  J.  Murray   1832,  I  S.    180. 

*)   A.  Franks,   Kensington-Museum  S.   37   f 


135 

Venedig  als  die  Heimat  der  Ag-gryperlen  vermutet,  Tischler 
hierauf  diese  W-rmutung-  bestätigt.  ^)  Nach  dessen  Untersuchungen 
bestehen  sie  zumeist  uns  sieben  konzentrischen  Schichten,  bei 
welchen  eine  farbige  immer  mit  einer  0])ak-\veißen  alnvechselt. 
Nur  die  zweite  und  \ierte  Innenschicht  sind  farblos  durch- 
sichtig mit  einem  Stich  ins  drünliche.  Die  farbigen  Schichten  sind 
opak-rot,  von  durchsichtigem  dunklen  Kobaltblau,  selten  blau- 
grün. Die  äußeren  Ränder  der  Schichten  erscheinen  im  Quer- 
schnitte gefurcht  mit  Ausnahme  der  innersten  Schichte,  die  stets 
g-latt  bleibt.  Die  1  lerstellung  ging  so  vor  sich :  Eine  Glasröhre  wurde 


Abb.   68.      Gruppe  von   Kugelrläschchea  und   Balsamarien. 
Köln,   Sammlung  M.   vom  Ralh. 


mit  opakem  Weiß  überfangen,  durch  Pressen  in  einer  gerippten 
Form  gefurcht  und  dann  mit  einer  anderen  Farbe  überfangen. 
Dies  geschah  wahrscheinlich  nicht  durch  Eintauchen,  sondern  in- 
dem man  den  noch  warmen  Glasstab  über  eine  Glasplatte  rollte 
und  diese  aufwickelte,  denn  in  den  Furchen  finden  sich  manchmal 
noch  leere,  nicht  mit  Glas  gefüllte  Hohlräume.  Jedesmal  nach 
dem  Umlegen  einer  weißen  Schichte  wurde  der  Stab  wieder 
ge])r(^ßt  und  gerippt:  dann  wurde  er  außen  gerinidet  und  in 
kleine  Stücke  zerschnitten.  Die  so  entstandenen  kleinen  Zylinder 
wurdtMi  fast  immer  an  beidtMi  IükIcmi  zu  sechsseitigen  Pvramiden 
abgeschliffen,  die  auf  einem  zylindrischen  Mittelstücke  aufsitzen. 
(Abb.  32.)  Auf  diesem  schimmert  durch  den  Überfang  die  ge- 
rippte   Schichte   hindurch,    während   auf  den  S])itzen    die    innere 


^)  O.  Tischler,  Über  Aggryperlen  und  über  die  Herstellung  farbiger  Gläser  im 
-Altcrtume.     Schriften  der  physik.-ökon.  Gesellschaft  in   Königsberg,   27.  Jahrg.  (1887). 


136 

Struktur  durch  den  Schliff  bloßg-eleg"t  ist  und  in  verschiedenartigen 
Randstreifen,  Zickzack-  und  Sternmustern  zum  Vorscheine  kommt. 
Die    Größe    schwankt   zwischen    9   bis    25   mm   Länge   und    8  bis 
22    mm    Durchmesser.      Nach    dem    Schliffe    wurden    die   Perlen 
oberflächlich   geschmolzen,    sowie    die    modernen    venezianischen 
Glasperlen,    damit  die  Kanten  etwas  abgerundet  würden.     Vari- 
anten   erzielte    man    dadurch,    daß    man    in    die   Furchen   dünne 
farbige  Stäbchen  einlegte,  welche  an  den  vSchlifflächen  der  Pyra- 
miden £ds  farbige  Punkte  erscheinen.    Manche  Perlen  sind  nicht 
abgeschmolzen,  an  anderen  farbige  Stäbchen  auch  in  den  äußeren 
Mantel    eingedrückt   und   dann    durch   Abschleifen    ausgeglichen. 
Solche  Perlen  sind  fast  über  die  ganze  Erde  \-erbreitet  und  auch 
häufig   in    den  Museen    ohne  nähere  Angabe  der  Fundumstände 
zu    sehen.     Auch    in    Deutschland    sind    sie    nicht   selten  und  da 
manchmal   antiken    Perlen    zugesellt.      Ganz   besonders    z^dilreich 
sind  sie  aber  an  der  Guineaküste  in  Afrika  \-erbreitet,    wo  mtm 
sie  Aggrykörner    nennt.     .Sie    stammen    aus    idten    Gräbern    \'on 
Eingeborenen  und  werden  von   den  Negern,    welche    sie  für  die 
Eier  gewisser  Zauberschlangen  halten,  weit  über  Gold  geschätzt. 
In  der  Anreihung  einzelner  Glasstäbchen  folgen  sie  dem  antiken 
Prinzipe    der    Millefiori-    und    Mosaikgläser,    enthalten    aber    ein 
neues  Element   in    dem   durch  Pressung  hergestellten,    gerippten 
Überfange,  so  daß  man  sie  durchaus  nicht  als  bloße  Nachbildungen 
bezeichnen  kann.      Venedig   nahm   daneben  aber  auch  schon  im 
XIII.  Jahrhundert  die  Nachbildung  aller  anderen  antiken  Perlen- 
arten auf,  zuerst  angeblicli  durch  Christoforo  Rriani  und  Domenico 
Miotti.     Die   großen    buntfarbigen   Sorten  nach  antiken  Mustern, 
margherite,   später   conterie   genannt,    bildeten   von  da  an  einen 
bedeutenden  Ausfuhrartikel,  dessen  jetzt  noch  vorhandene  Reste 
nicht    selten    zu    Verwechselungen    mit    antiken    Perlen    Anlaß 
geben,  zumal  anfangs  die  Technik   die  gleiche  war.     Im  Anfang'e 
des  XVI.  Jahrhunderts  erfand   aber  Andrea  Vidaore  in  Murano 
die    Kunst,    Perlen    in    beliebigen   Formen    an    der   Flamme   der 
Glasbläserlampe    zu    erzeugen,    sowohl   massive    wie    solche    aus 
Rühren    von    Glas,    die   hohl   blieben.      Diese    dienten    zur   Nach- 
ahmung natürlicher  Perlen,  indem   man  die  billigeren  Sorten  mit 
Wachs,  Marcasit  oder  verschiedenen  Farbstoffen  füllte,  die  feineren 
mit   sog.  Perlenessenz,    die   man    aus  Schuppen  von  Weißfischen 


137 


in  dünner  Leimlösun^"  hcrstt^llte.  Man  bezeichnete  danach  solche 
I'erlen  als  Fisch])erl(Mi.  Xeuerer  Zeit  werden  Perlen  in  Phantasie- 
fonnen,  (ilaskorallen.  Troj^fen,  Lustersteine  usw.  dadurch  herj^'e- 
st(^llt.  daß  man  farbi_i,»"e  (ilasstäbe  an  der  Lampe  erweicht  und  mit 
der  Zan^'e  von  ihnen  Stücke  abzwickt.  Schmelzperlen,  den  kleinen 
z)-lindrischen  Perlen  aus  azur-  oder  türkisblauer  Paste  in  Ägypten 
ähnlich,  werden  jetzt  meist  aus  schwarzen  Glasröhrchen  i»'ezog"en. 
(ianz  älmlich  ist  die  besonders  in  Mu- 
rano  schwunghaft  betriebene  Industrie 
der  Stick])erlen,  für  die  man  faden- 
(iünnt^  Röhrchen  auf  i  20 — i  50  m  Läni^'e 
ausdehnt.  Auch  sie  werden  g"estückt, 
zerhackt  und  die  Bruchkanten  durch 
vSchmelzen  abgerundet.  Xach  venezia- 
nischem Vorbilde  entwickelte  sich  vom 
XVI.  Jahrhundert  ab  die  noch  heute 
blühende  Glasperlenfabrik^ltion  Böh- 
mens (Gablonz,  Trautenau)  und  als  Ab- 
leger von  ihr  die  der  sogenannten 
„Pateln"  im  Fichtelgebirge  (Steinach, 
Bischofsgrün,  Eberndorf,  Warmen- 
steinach).  Es  sind  massive  Glasperlen, 
die  dadurch  hergestellt  werden,  daß 
der  Arbeiter  die  scharfe  Spitze  eines 
dünnen  Eisenstäbchens  in  Tonschlicker 
taucht,  diesen  im  Ofen  trocknet  und 
dann  in  flüssige  (ilasmasse  senkt.  Das 
anhaftende  Glas  formt  er  durch  Drehen, 

erneutes  Anwärmen,  Rollen  zu  einer  rimden  Perle  und  läßt 
diese,  während  er  an  (Muem  anderen  Stäbchen  die  zweite  formt, 
erkalten  und  erstarren.  \\'(^gen  des  Tonschlickers  läßt  sie  sich 
leicht  abstreifen;  vorher  kann  sie  noch  mit  farbigen  Fäden  ver- 
ziert, nachher  eckig  zugeschliffen  oder  poliert  werden.  Dieses 
Verfahren  ist  ein  uraltes:  wir  haben  (\s  bereits  in  Teil  el  Amarna 
bei  der  Formung  von  Gefäßen  aus  ( rlasmasse  kennen  gelernt. 
.\u(~h  in  Thüringen  werden  jetzt  (ilasperlen,  vorwi(\gend  Schmelz- 
und  Stickperlen,  erzeugt.  Dit^  zahlreichen  FTmde  römischer  Glas- 
perlen  in   rheinischen  Gräbern    \eranlaiken    gleichzeitig   mit   der 


Abb.  69.     .-^skos  aus  Glas. 
Neapel,   Museum. 


138 

Berufung  venezianischer  Glaskünstler  auch  in  Köhi  während  der 
letzten  kurfürstlichen  Periode  ihre  Nachahmung;  man  stellte 
Perlen  nach  antiken  Mustern  aus  opaken  farbigen  Pasten  her 
und  verzierte  sie  mit  aufgesetzten  Reifen  und  Zickzackbändern. 
Im  Museum  Wallraf-Richartz  und  in  Kölner  Privatsammlungen 
befinden  sich  zahlreiche  Stücke   dieser  Art 

Mit  den  Schmuckperlen  kamen  aus  den  Werkstätten  Ägyp- 
tens auch  gläserne  Ringe  nach  dem  Westen.  Schon  in  der 
späteren  Hallstadtzeit  tauchen  solche  aus  hellgrünem  und  hell- 
blauem Glase  auf,  die  aus  Rundstäben  zusammengebogen  sind, 
so  daß  die  Vereinigungsstelle  durch  eine  leichte  Verknotung 
deutlich  erkennbar  bleibt.  Sie  haben  in  der  Regel  2^-2  bis  3  cm 
Durchmesser  und  wurden  in  größerer  Zahl,  auch  mit  anderen  An- 
hängern vereint,  mit  Schnüren  am  Ihüse  getragen.  Manchmal 
erreichen  selbst  solche  Anhänger  die  Größe  eines  Armringes, 
namentlich  in  Gräbern  der  frühen  Latenezeit  Nordfrankreichs 
sind  sie  wiederholt  aufgefunden  worden.  Aus  der  späten  Ilall- 
stadtperiode  stammen  die  beiden  Ringe  von  Mergelstetten 
(Württemberg),  der  eine  aus  hellblauem,  der  andere  aus  hell- 
IJfrünem  Glase. ^)  Besonders  häufig  kommen  Glasringe  in  Frauen- 
g"räbern  der  Latenezeit  v^or  und  gehen  durch  die  ganze  römische 
Periode  hindurch,  in  der  sie  zum  Teile  kunstvoll  ausgestattet  werden. 
Einfache  Exemplare  kennt  man  aus  den  Funden  \'on  Dühren 
bei  Sinsheim  in  Baden,  Matrai  in  Tyrol,  Affoltern  im  Kanton 
Zürich  und  von  anderen  Orten  der  Schweiz,  aus  Norddeutschland, 
England,  Italien  u.  a.  Der  Grabfund  von  Dühren")  enthält  einen 
bandförmigen  (leicht  ^ibgeflachten)  Armring  aus  wasserhellem 
Glase,  der  außen  mit  mehreren  Längswulsten  profiliert  ist; 
auf  der  Innenseite  ist  dem  Mittelwulste  entsprechend  eine  gelbe 
Folie  aufgelegt.  Der  äußere  Durchmesser  des  Ringes  beträgt 
9  cm,  der  innere  7,  8,  die  Höhe  2  cm.  Ein  anderer  hat  runden 
Querschnitt  und  keine  farbige  Folie.  Häufig  ist  an  Stelle  dieser 
ein  farbiger  Faden  eingelassen  und  mit  durchsichtigem  Glase 
überfangen.  Bei  glatten  Armringen  ist  in  römischer  Zeit  der 
runde    Querschnitt  üblich,    dagegen   bleibt    die   breite    Bandform 


*)  Minutoli  a.   a.   O.   S.   25. 

2)  Abgebildet  in  d.   A.  u.  h.  V.   Bd.   V.  T.   XIV.   Fig.   220. 


139 

bei  farbit^-cn  und  reicher  profilierten  Exemj^ilaren.  Im  Antiqua- 
riuni  zu  Alünchen  befindet  sich  ein  schöner  Glasrini^'  \on  etwa 
3  cm  Durchmesser,  außen  ^t,'-erundet,  innen  abgeflacht,  hchtblau 
irisierend  und  mit  opaken  weißen  Flecken  besetzt.  Von  hervor- 
ragender Schönheit  sind  die  zahlreichen  Bruchstücke  von  Arm- 
bändern, die  Daressy  in  dem  Grabe  des  Maherpra  aus  der  Zeit 
Amenophis  II.  (um  1500  vor  Chr.)  fand.  Es  sind  Reifen  derselben 
Form,  außen  gerundet,  innen  flach,  von  dunkel-  oder  hellblauer 
Grundfarbe,  verziert  mit  einem  dichten  Zickzack  oder  Wellen- 
linien aus  farbig  aufgelegten  Fäden,  einige  auch  mit  feinen 
llorizontalstreifen.  Ein  Bruchstück  ist 
\on  S])iralfäden  in  weiß  und  blau  ein- 
gefaßt und  mit  eingedrückten  rauten- 
förmigen Besatzstücken  \'erziert,  welche 
einen  hellen  oder  dunklen  Kern  von 
dunklen  oder  hellen  Bändern  umgeben 
zeigen.^)    Ein  Armring  in  der  Brera  zu 

Mailand,     der    bei     Magenta    gefunden 

1       •    ,  1  11  1        •.    -i-iT-i  Al)b.   70.     Becher  mit  durch- 

wurde,  ist  opak-azurblau  und  mit   W  ul-  ' 

1-1  brochenem  Ringkragen. 

sten,  Hohlkehlen  und  Reuen  gegliedert;  ,.  ,, 

^    "  Ronen,  Museum. 

der  Alittelwulst  ist  durch  schräge  Riefen 

einem  gewundenen  Tau  nachgebildet.  Im  \'atikan  befinden  sich 
zwei  Armringe  aus  schwarzem  Glase,  das  neben  kisurblau  und 
dunkelviolett  die  Lieblingsfarbe  für  Armringe  ist.  Schwarz  ist  auch 
dasbeiFroehner  vS.49  abgebildete  Exemplar.  Andere  sind  inlJnden- 
schmits  Altertumskunde,  in  den  „Altertümern  unserer  heidnischen 
Vorzeit"  und  im  Kataloge  der  Sammlung  M.  vom  Rath  repro- 
duziert.") Häufig  ist  die  Gliederung  flachrunder  Stücke  durch 
starke  Querrippen,  wie  bei  einem  Exemplare  im  Museum 
von  Namur,  die  Verzierung  durch  aufgelegte  weiße  und  gelbe 
lUinder  und  ZickzacklinicMi,  sowie  bis  in  die  späteste  Zeit  die 
rmwickelung    mit     einem     S]Mralfaden'')     oder    zwei    gekreuzten 


*)  \'gl,  Daressy,  fouilles  de  la  vallee  des  rois  I.  Tombes  de  Maherpra  et 
Amenophis  II.     T.   XLV.  No.  24834 — 24843.     (Katalog  des  Museums  von  Kairo.) 

-)  Vgl.  Note  2.  .\bbildungen  von  Glasringen  auch  in  A.  u.  h.  \'.  II,  Heft  9, 
T.   III.   Fig.   3,    10. 

^)  Plinius  36,  48.  Kisa,  die  antiken  Gläser  der  Sammlung  M.  vom  Rath. 
T.  III  Fig.   26. 


140 

Fäden.  In  der  frühen  Kaiserzeit  findet  man  auch  in  die  Masse 
eing-eschlossene  vSpiralfäden,  ferner  Armringe  aus  marmoriertem 
und  gebändertem  Glase. 

Als  „Schmuck  armer  Leute"   wurden  in  der  Kaiserzeit  wie 
\or  Alters  in  Ägypten  (Teil  el  Amarna)  als  Schmuck  reicher  Leute 
gläserne  Fingerringe  getragen,  ein  wohlfeiler  Ersatz  für  Edel- 
metall,   geschnittenen    Bernstein    und   Alabaster.      Die   Art    ihrer 
Herstellung     beschreibt     Theophilus-^)     folgendermaßen:     „Nimm 
Asche,    vSalz,    gepulvertes    Kupfer    und    Blei.      Dann    wähle    die 
Farben  für  das  Glas  und  brenne  sie.     Nimm  einen  spannlangen 
Holzstab  von  Fingerdicke.    Dieser  hat  eine  lange  eiserne  Spitze 
und  im  Drittel  seiner  Länge  eine  runde  Scheibe  iiufgesteckt.    Alit 
der   vSpitze    nimm    etwas    Glas    aus    dem    Ofen    und   stecke    dann 
die  Spitze    in    einen    Holzklotz   (oder   ähnliches)   so    ein,    daß   das 
Glas    auf    den    Holzstab    aufgeschoben    wird.      Dann    drehe    ihn 
schnell,  damit  die  Rundung  vollkommen  werde."     Ähnlich  haben 
wir  uns  auch  die  Herstellung  der  gläsernen  Armringe  zu  denken, 
nur  wurde   hierbei  ein  Glasband  von  entsprechender  .Stärke  um 
einen   dicken  Holzpflock   gelegt  und  dieser  gedreht.     So  erklärt 
sich  die  Abplattung  der  Ringe  an  der  Innenseite  und  die  Bildung 
des  mittleren  Wulstes  an  der  Außenseite  als  natürliche  Einwirkung 
der    Zentrifugalkraft,    die    dann    mit   Absicht    weiter    ausgestaltet 
wurde.      Viele    von    den    Fingerringen    erhielten    außen   ^m    einer 
Stelle    eine    ovale    Ab|)lattung.    einem    Ringstein    entsprechend, 
manche  wurden  durch  Reifen  und  Wülste  gegliedert,  indem  man 
während    des   Drehens    ein    Plättchen    mit    entsprechenden   Aus- 
schnitten  dagegenhielt,    andere   erscheinen    tauförmig   gewunden 
und    mitunter    überdies    auf    eine    glatte    Unterlage    aufgesetzt. 
Fadenverzierung    aller    Art    wurde    auch    hier    angewendet.      So 
schließt   ein   Fingerring   aus   ambragelbem   durchsichtigem    Glase 
im  Museum   von  Xamur  einen  weißen   Spiralfaden  ein,   während 
an  die  Stelle  der  Abplattung  eine  runde  vSiegelgemme  aus  Glas 
tritt,  die  für  sich  gearbeitet  und  dem  Reif  angefügt  ist.    Auf  die 
Fabrikation  gläserner  Ringsteine  in  Nachahmung  von  Edelsteinen 
mit    erhabenen    und   vertieften    Figuren    (Cameen    und    Gemmen) 
und  anderer  Besatzstücke,  welche  besonders  von  der  Ptolemäer- 


')  Theophilus  a.  a.  O.   Cap.   XXXI. 


141 


zeit  ab  eine  j^Toße  Rolle  spielt,  werden  wir  bei  anch^rer  Geleg'en- 
heit  zurückkommen.  Nach  IMinius^)  wurden  die  falschen  Rinnsteine, 
die  annularia,  aus  einer  Masse  in  Formen  g^epreßt,  welche  aus 
g"epulvertem  Gkise  und  Kreide  jjfemischt  war.  Sie  finden  sich 
im  ü^anzen  Gebiete  der  alten  Welt,  in  West(m  wie  im  Osten 
und  in  Italien.  Mehrere  stammen  aus  Athen  und  Cypern,  den 
g"rößten  antiken  Glasrintr  besaß  Castellani  in  Rom.  Auch  Siegel 
aus  farbig'em  Glase  waren  in  (-rebrauch;  im  Inventare  des  Ileka- 
tom])edos   werden  solche  mit   Goldfassunt,""  aufsj^eführt. ') 

Neben  Perlen  und  Rinj^en 
aus  Glas  werden  in  äg"ypti sehen 
Gräbern,  im  jj'anzen  Mittelmeer- 
becken und  diesseits  der  Alpen 
von  der  mittleren  L^ltenezeit  ab 
auch  kleine  runde  Plättchen 
aus  Glas  gefunden.  Sie  sind 
opak-weiß,  schwarz,  dunkelblau, 
dunkelgrün,  gelb,  auch  durch- 
sichtig oder  durchscheinend 
lichtblau,  gelblich,  grünlichblau 
und  wasserhell.  Neben  den  ganz 
flachen  kommen  auch  solche  in 

erhöhter  Halbkugelform  vor,  die  aber  ebenso  wie  jene  durch  Auf- 
tropfen von  Glasmasse  auf  den  Marmor  oder  eine  andere  Platte 
hergestellt  und  oft  durch  eingepreßte  Rosettenmuster  verziert  sind. 
Der  Grabfund  von  Dühren  in  Baden  enthielt  siebzehn  knopfartige 
Stücke  der  hochgerundeten  Form  \-on  etwa  i  cm  Höhe.  Davon 
bestanden  sechs  aus  dunkelblauem,  leicht  durchscheinendem  Glase, 
zwei  aus  wasserhellem,  fünf  aus  oi)akschwarzem.  Da  sie  auf  der 
Unterseite  flach  sind  und  weder  eine  Durchbohrung,  noch  eine 
andere  Einrichtung  zur  Befestigung  zeigen,  sind  es  weder  Knöpfe 
noch  Besatzstücke,  sondern  wie  die  völlig  flachen  Exemplare  Spiel- 
steine. Dies  geht  mit  Sicherheit  aus  d(Mn  Vergleiche  mit  einem 
Kölner  Funde  d(M-  späteren  Kaiser/.eit  h(^r\or.  d(^r  sich  im  dortigen 


Abb. 


•I.     GefäU  in  Form  eines  Korbes. 
Köln,  Sammlung  Nießen. 


^)  Plinius  37,  21 — 23.   26. 

*)  Boeckh,  Staatshaushalt  II  S.  263.    Über  die  Herstellung  gläserner  Ringsteine 
s.  Rollet,  Glyptik  in  Buchers  Gesch.  der  techn.  Künste  I,  274  f. 


142 

Museum  befindet  und  .Steine  derselben  Form,  jedoch  aus  Bein 
g-eschnitzt  enthält,  von  welchen  die  eine  Hälfte  weiß  g^eblieben  ist, 
die  andere  Spuren  von  roter  Farbe  zeig't.  Neben  ihnen  lag  in  den 
Resten  eines  hölzernen  Kästchens  mit  bronzenem  Beschläge  und 
Henkel  ein  Becher  mit  zwei  Würfeln,  gleichfalls  aus  Bein.  Auch 
in  gidlischen  Gräbern  Italiens  wurden  derartige  Sj^iele,  teilweise 
mit  Würfeln,  aufgedeckt.'^)  Ähnliche  .Steine  dienten  den  Ägyptern 
bei  ihren  Damenspielen  und  den  Römern  beim  ludus  latruncu- 
lorum,  doch  waren  die  latrunculi  zumeist  flach.  Andere  gläserne 
.Spielsteine,  die  calculi,  erwähnt  Ovid,  Amores  2,  207  und  Mar- 
tial  7,  72  und  8  beim  sogenannten  Diebesspiele."')  Nach  Plinius 
verfertigte  man  aus  farbigem  Glase  auch  .Schachbrettfiguren,  die 
man  abaculi  nannte.  Petronius  erzählt,  daß  am  Ende  des  Fest- 
mahls des  Trimalchio  ein  junger  .Sklave  ein  .Spielbrett  aus  Tere- 
bintenholz  mit  Würfeln  aus  Krystall  gebracht  habe. '') 

Herodot  sah,  wie  erwähnt,  in  Ägypten  heilige  Krokodile, 
deren  Stirn  mit  großen  bunten  Glaskugeln  geschmückt  war. 
Man  glaubt  solche  Kugeln  in  Atribis  im  Delta  wiedergefunden 
zu  haben.  Derselben  Art  sind  die  Glaskugeln,  die  Minutoli  be- 
schreibt und  zum  Teile  abbildet,  darunter  eine  aus  Veji;  sie 
bestehen  aus  buntem  Millefioriglase  mit  verschiedenen  Mosaik- 
mustern. Neben  diesen  kunstreichen  .Stücken  gibt  es  aber  auch 
einfachere,  wie  die  große  Glasperle  der  .Sammlung  des  Freiherrn 
von  Bissing  in  München,  die  in  Ägypten  von  einem  Händler 
erworben  wurde.  (Abb.  31)  .Sie  hat  eine  an  beiden  Polen  abgeplattete 
schlanke  und  unregelmäßig  gekantete  Kugelform  von  4  cm  Dm.,  ist 
mit  freier  Hand  aus  dunkelblauer  opaker  Paste  geformt  und  gegen 
die  Enden  zu  mit  einem  siegelroten  breiten  Zickzackbande  verziert, 
das  weiß  eingefaßt  und  wie  bei  kleineren  Perlen  aufgelegt  und 
eingewalzt   ist.     Der  Teil  ober  und  unter  den  Bändern,    wo  das 

*)  Schumacher  in  A.  und  h.  V.  Bd.  V.  S.  75  f.  Brizio,  Tombe  e  necro- 
poli  galliche  della  provinzia  di  Bologna  S.  19.  Ders.  Monumenti  antichi  IX  (1899) 
S.   682,  942   (Montefortino). 

')  Ovid  rät  einem  Liebhaber  im  Diebesspiele  seine  Steine  durch  die  seiner 
Dame  nehmen  zu  lassen. 

„Sive  latrocinii  sub   imagine  calculus  ibit 
Fac   pereat   vitreo  miles  ab   hoste  tuo." 
Bei    Lucian    heißt    es:     ,,Callidiore    modo    tabulae    varietur    apertae    calculus    et    vitreo 
peraguntur  milite  bella". 

*)   ,,Sequeliatur  puer  cum  tabula  tercbinthiaetcrystallinistesseris'Satyriconcap.  27). 


145 


Bohrloch  zum  X^orscheiiic  kommt,  ist  hchtgrün.  Man  bemerkt 
an  ihm  zui^leicli  kUnnere  Ik)hrlöcher,  die  \on  einer  sternförmig'en 
Metallfassuniif  herrühren.  Diese  war  mit  einer  runden  Ose  ver- 
sehen, mit  welcher  die  Perle  entweder  kettenartig  mit  anderen 
Perlen  \ereint  oder  an  ein  anderes  Zierstück  angehängt  werden 
konnte,  wie  bei  der  S.  130  erwähnten  Schmuckkette  des 
Münchener  Antiquiiriums.  In  den  größeren 
Exemplaren,  die  in  Etrurien  und  an  anderen 
Orten  Italiens,  in  Agvjiten,  Griechenland, 
namentlich  im  Kabyrenheiligtume  von  Theben 
in  Temjielruinen  zum  Vorscheine  gekommen 
sind.  \'ermutet  man  Weihegaben  an  Gott- 
heiten. Einige  können  wie  noch  heute  im 
Oriente  zum  Schmucke  \'on  Szeptern  und 
anderen  Stäben  gedient  haben.*)  Sesostris 
besaß  nach  Boudet  ein  Szepter  aus  Glas,  das 
Smarag'd  nachahmte.')  Massi\"e  Krvstahbälle 
wurden  von  römischen  Damen  an  heißen  Tagen 
zum  Kühlen  der  Hände  benutzt.  Properz  be- 
richtet ausdrücklich  von  solchem  Luxus.'')  Andere  dienten  Jong- 
leurs und  selbst  vornehmen  Privatpersonen  zu  einem  kunstreichen 
Spiele,  das  besonders  in  Iladrians  Zeit  Mode  war.  Der  Großvater 
Marc  Aureis  soll  darin  besonders  gewandt  gewesen  sein.*)  Solche 
Kugeln  waren  wohl  massiv  und  nicht  mit  den  Ilohlkugeln  unserer 
Museen  (Trier,  Köln,  Mainz,  Wiesbaden)  identisch,  welche  sehr  dünn 
geblasen,  einfarbig  und  immer  gelocht  sind.  Bei  den  Exemplaren 
des  IToubenschen  Antiquariums  in  Xanten  glaubte  man  im  Innern 
Reste  von  AVasser  und  Parfüms,  auch  von  Schminke  entdecken 
zu  können.     Darnach  dicMiten   sie  vielleicht  zum  Aussprühen   \-on 


Alil).   72.     Trinkgefaß 

mit   Widderkopf. 
Terrakotta.     Attisch. 


*)  Minutoli   a.  a.   O.   S.   40. 

*)   Gerspach  a.  a.   O. 

")   ,,Crystalloque    portant    candidiorc    manu".      Cynthia    verlangt    von    T'roperz, 
daß   er  ihr  einen  Fächer  aus    Pfauenfedern    und    Bälle  zum    Kühlen   der   Hände    sende. 
Et  modo   pavonis  caudae   flabella  superbae 
Et  manibus  dura   frigur  habere  pila  (Eleg.   II   24). 

■•)  Froehner  a.  a.  O.  S.  102  f.  Das  nolanische  Vasenbild,  das  Deville  T.  69 
als  Beleg  für  das  Spiel  mit  gläsernen  Bällen  beibringt,  ist  freilich  nicht  beweiskräftig, 
denn  es  könnten  hier  ebensogut  Wollknäuel  gemeint  sein.  Zum  Kühlen  der  Hände 
dürfte  man  aber  auch  Marmorkugeln  benützt  haben.  Vgl.  Dütschke,  Bonner  Jahrb.  60, 
S.     141,     Bocttigcr,    Kleine    Schriften    111,    S.    351.       Deville   gibt    S.    59    eine     der 


144 

wohlriechenden  Essenzen  und  als  Behälter  von  flüssijj;"er  Schminke.  ^) 
Hübsche  Exemplare  solcher  sogenannter  Schminkkugeln,  aus 
farblosem  und  farbigem  Glase,  gewöhnlich  mit  einer  aufgemalten 
weißen  Spirale  verziert,  befinden  sich  im  Provinzialmuseum  zu 
Trier.  Sie  sind  mit  Ausgußröhrchen  \'on  etwa  2  mm  Durch- 
messer versehen.  In  rheinischen  Gräbern  des  I.  Jahrhunderts 
kommen  sie  nicht  selten  vor. 

Sehr  häufig  sind  Haarnadeln  aus  farbigem  Glase  mit 
verzierten  Köpfen,  besonders  in  Gräbern  der  Kaiserzeit,  ciuch 
Ohrgehänge  und  Anhänger  anderer  Art.  Gewandnadeln, 
die  bekannten  Fibulae,  erhielten  schon  in  sehr  frühen  Zeiten 
Glasschmuck.  Die  ältesten  Stücke  dieser  Art  sind  die  Glas- 
bügel altitalischer  Fibeln  des  VII.  vorchristlichen  Jahrhunderts, 
die  in  Oberitalien  und  in  den  Ostalpen  gefunden  wurden,")  opake 
farbige  Pasten  mit  spiralförmigen  Windungen,  welche  \'on  ver- 
witterten und  ausgefidlenen  Glasfäden  herrühren.  Im  Anti- 
quarium  zu  München  befinden  sich  zwei  Kahnfibeln,  die  außen 
gerundet,  innen  leicht  abgeflacht  und  von  einem  Bronzedraht 
durchzogen  sind,  der  an  beiden  Enden  herausragt.  Sie  bestehen 
aus  schwarzer  opaker  Glaspaste,  die  mit  dicht  angereihten 
gelben  Zickzackbändern  durchquert  ist.  (Abb.  23).  Auch  Ein- 
sätze aus  geschnittenen  Glasflüssen  haben  sich  erhalten,  so  ein 
rübenförmiges  Zierstück  aus  türkisblauem  Glase  an  einer  Fibel 
des  Hallstädter  Fundes. 


Inschriften  (Irubers  wieder,  in  welcher  ein  L'rsus  Togatus  als  Erfinder  der  vitreae  pilae 
bezeichnet  wird  :  ,,Ursus  Togatus  vitrea  qui  primus  pila  lusi  decenter,  laudante  populo 
maximis  clamoribus,  thermis  Traiani,  thermis  Agrippae  et  Titi  multum  et  Neronis, 
ego  sum.  Convenite,  pilicrepi,  statuamque  amici  floribus  ornate.  Profundite  nigrum 
falernum;  canite  voci  concordi  senem  pilicrepum,  scholasticum,  qui  vixit  omnes  ante- 
cessores  suos  sensi  decore  atque  arte  subtilissima.  Nunc  sum  victus  ipse,  fateor, 
nee  semel,  sed  saepius,  ter  consule  Vero  patrono."  Der  in  dieser  scherzhaften  Inschrift 
genannte  Ursus  Togatus  ist  nach  Deville  Niemand  anderer  als  L.  Verus  selbst.  Quinc- 
tilian  schreibt  dazu:  ,,Miracula  illa  in  scenis  pilariorium  ut  ea  quae  emiscrint  ultro 
venire   in  manus   credas   et  cjua   iubentur   excurrere   llib.   II   cap.    12.) 

^)  Denkmäler  aus  Castra  Vetera  und  Colonia  Traiana  in  Houbens  Antiquarium 
zu  Xanten,  herausgeg.  von  Houben  und  Fiedler,  Xanten  1839,  S.  40.  Deville,  T.  80. 
Bonner  Jahrbuch  III  193  ibid.  LX.  141.  —  Die  chemische  Untersuchung  einer  Trierer 
Schminkkugel  ergab  als  Inhalt  allerdings  nichts  als  eingedrungenen  Lehm,  keine  Spur 
von  Fett  oder  ( )1.  Vgl.  Ilettner,  Illustr.  Führer  d.  d.  Provinzialmuseum  in  Trier,  S.  107, 
No.   743,   744.      Abb.   S.    107,   Xo.   4,    8. 

-)   Reinecke  a.   a.   O.         .^  ,    ;     , 


I4'5 

Eine  viel  gTÖßere  Rolle  spielt  jedoch  bei  der  Dekoration 
der  Gewandnadelii  und  anderer  kleiner  Metallarbeiten  die  ver- 
wandte Technik  des  Kmails.  Ohne  auf  diesen  selbständij^en 
Kunstzweig"  näher  einzuziehen ,  möchte  ich  in  foli^-endeni  einit^'e 
Mt)niente  seiner  Entw  ickelunirstreschichte  her\'orheb(Mi,  die  mit 
der  des  Glases  näher  zusammenhänj^en. 

Das  französische  Wort  (Miiail  kommt  \om  mittelalterlich- 
lateinischen  smaltum,  (\smaltum.  italienisch  smalto,  deutsch  Smalte, 
Schmalt(\  Schmelz.^)  Smaltum 
wird  zurückg"eführt  auf  das  ahd. 
smelziin,  das  ursprünq-lich  auf  das 
Schmelzen  von  Gold  und  Silber, 
dann  auf  Glasfluß  sich  bezieht. 
( Tei>"enwärtijT  bezeichnet  man 
mit  Ismail  i.  Den  Glasfluß,  die 
durch  Metalloxydegefärbte,  leicht 
flüssige  Gkismasse.  2.  Die  Schmelz- 
malerei, d.  h.  die  verschiedenen 
Arten,  mit  Glasfluß  Metall  zu  deko- 
rieren (aber  nicht  die  Dekoration 
von  Ton  und  Glas  mit  -Schmelz- 
fiirben).    3.  Metallplatten,  Gefäße, 

(jeräte  usw.,  die  mit  Schmelzmalerei  x'erziert  sind.  Der  Glasfluß, 
zu  welchem  man  der  leichteren  .Schmelzbarkeit  weg'en  bleihaltiges 
Glas  zu  verwenden  pflegt,  kann  durchsichtig  oder  undurchsichtig 
sein.  Letzteres  v,'ird  er  durch  Zusatz  ungeschmolzener  Stofl^e, 
wie  Knochenasche  und  Zinnoxvd.  Man  stellt  F^mail  aus  (xlas 
her,  das  man  in  einem  Mörser  aus  Achat  mit  wenig  \\\isser  zer- 
stößt und  zu  Pul\(^r  Z(M-reibt,  wobei  das  sich  trübeiKh-  Wasser 
von  Zeit  zu  Zcnt  durch  klares  ersetzt  werden  muß.  Einige  Tropfen 
Salpetersäure  ziehen  die  Unr(Mnlichkeit  an  sich,  die  schließlich 
noch  durch  Wasser  fortgescliwcmmt  wird.  Die  zurückbU'ibende 
feuchte  Schmelzmasse  wird  mit  einer  Spatel  oder  iMUtMii  Pinsel 
auf  die  blank  geputzte  Metallfläche  aufgetragen  und  im  Ofen 
angeschmolzen,  der  von  allen  .Seiten  gleichmäßige  1  litze  gewährt. 
Das   Erkalten    muß   allmählich    xor   sich   gt'hen.    weil   der   (ilasflut] 


.\bb.   73.     Tonlampen.      Mannheim, 
Antiquarium. 


^)  Bücher,  Geschichte  der  technischen  Künste  s.   F.mail 
Kisa,   Das  Gl.is  im  Akertiime. 


146 

sonst  leicht  Risse  bekommt.  Theophilus  j^^ibt  in  seiner  Schedula^) 
ein  Rezept  zur  Herstellung  von  Email  auf  Gold  (Electra  in  auro), 
das  auch  wegen  der  darin  erwähnten  Sorten  antiker  Gläser  ^'on 
Interesse  ist: 

„Inveniuntur  in  antiquis  aedificiis  paganorum  in  musivo 
opere  diversa  genera  \itri,  videlicet  album,  nigrum,  viride,  croceum 
saphireum,  rubicundum,  puri)ureum,  et  non  est  perspicuum,  sed 
densum  in  modum  marmoris,  et  sunt  quasi  kipilli  quadri,  ex  quibus 
fiunt  electra  in  auro,  argento  et  cupro,  de  quibus  in  suo  loco 
sufficienter  dicemus.  Inveniuntur  etiam  \'ascula  diversa  eorundem 
colorum,  quae  colligunt  Franci  in  hoc  opere  peritissimi,  et  saphi- 
reum quidem  fundunt  in  furnis  suis,  addentes  ei  modicum  vitri 
clari  et  cdbi,  et  faciunt  tabulas  saphiri  pretiosas  ac  satis  utiles 
in  fenestris.     Faciunt  etiam   et  purpura  et  \'iridi  similiter." 

Die  Nachrichten  alter  Schriftsteller  über  das  Email  sind 
unsicher.  Die  \on  Labarte,  w  Cohausen  u.  a.  ausgesprochene 
Vermutung,  daß  das  Wort  Electron,  welches  Theophilus  ohne 
Zweifel  für  Email  gebraucht,  auch  bei  liomer  und  anderen 
klassischen  Autoren  diese  Bedeutung  gehabt  habe,  ist  un- 
begründet; es  gibt  keinen  Ausdruck,  den  wir  in  der  an- 
tiken Literatur  mit  Sicherheit  auf  das  Email  beziehen  könnten, 
wohl  ein  Beweis  dafür,  daß  es  nicht  in  großer  Übung  war. 
Doch  ergeben  Funde  immerhin,  daß  man  es  sehr  wohl 
kannte.  Aus  deren  Reihe  sind  freilich  die  angeblichen 
ägyptischen  Emailarbeiten  älterer  Zeit  auszuscheiden.  Der 
Schmuck  der  Königin  Aah-hotep  aus  Theben  im  Museum  von 
Kairo,  welchen  !Mariette  und  Froehner^)  als  prachtvolle 
Cloisonnearbeit  mit  goldenen  Figuren  auf  blauem  Grunde 
beschreiben  (Abb.  27),  die  Hasche  mit  dem  Namen  des  Ameno- 
phis  III.  und  seiner  Gattin  Taja,  ■'^)  der  Brustschmuck  Rhamses'  II. 
aus    den    Grabstätten     des    Ajiis,  "'j    (x\bb.  26)     die    \^ase    Setis  L, 


»)  Theophilus,   Schedula  IIl   53. 

■^)  Mariette,  parc  egyptienne  1897,  S.  137.  Froehner  a.  a.  O.  S.  10. 
Neuerdings  veröfl'entlicht  in  dem  l'rachtwerke  \'on  F.  W.  von  Bissing  über  den  Theba- 
nischen   Grabfund   T.   V. 

■')   MarieUe   a.   a.   O.   S.   82. 

')   Mariette,   description  des  fouilles   executees   cn   Egypte  1.   pl.   26. 


H7 


das  Täfelchen  des  Smendes  aus  -San^)  und  andere  ältere  äg"yp- 
tische  Schmucksachen  haben  kein  Em^iil  in  unserem  Sinne, 
sondern  soj^»-.  kaltes,  nicht  im  Feuer  aut)>-eschmolzenes  Iimail. 
Maspero  nennt  im  Guide  du  xisiteur  au  Musee  de  Caire  1902 
S.  433  die  Einkige  am  Armbande  der  Atihotep  (Achhotep,  Abb.  28) 
„pate  de  verre  de  la  couleur  du  feldspath".  Leserin,  der  die 
Schmucksachen  für  de  Morj^ifan-)  beschreibt,  erklärt  die  graue 
(niclit  blaue)  Masse  als  „emeraude  d'Eg}^pte."  Dagegen  glaubt 
Miirc  Rosenberg,'')  daß  hier  eine 
Mischung  von  gestoßenem,  aber  nicht 
gepulvertem  Glase  mit  einem  Binde- 
mittel, vielleicht  mit  Ton,  \orliege. 
Das  Material  ist  wohl  etwas  härter, 
als  sonst  an  ägyptischen  Schmuck- 
sachen vorkommende  Einlagen  aus 
gefirnißtem  Ton.  Einlagen  jener  Art 
stellt  Rosenberg  auch  an  dem  Brust- 
schmucke der  Aah'hotep  fest,  von 
welchem  Maspero  in  seinem  Guide 
S.  432  sagt:  „Les  figures  sont  dessi- 
nees  par  des  cloisons  d'or,  dans 
lequelles  on  a  fixe  des  plaquettes  de 
pierres  dures,  cornaline,  turquoise, 
lapis,  päte  imitant  le  feldspath  vert; 
chaque  couleur  est  separee  de  celle  cjui  l'avoisine  par  un  filet 
d'or  brillant."  Die  Goldschmiedearbeit  dieser  Stücke  entspricht 
ganz  jener  der  Zellenemails,  weshalb  man  die  aus  farbig'en  Edel- 
steinen, farbiger  Kittmasse  und  gefirnißtem  Ton  auf  kaltem  Wege 
hergestellten  Einlagen  für  Email  gehalten  hat.  Die  Sammlung" 
von  Bissing  enthält  einige  lehrreiche  Proben  dieser  ^ütägyptischen 
Einlegearbeit:  Einen  wundervollen  kleinen  vSperber,  dessen  goldene 
Zellen  mit  schwarzem  Kitt  gefüllt  sind,  ein  größeres  Exemplar 
mit  leeren  Zellen,  die  früher  wahrscheinlich  geschnittene  Stücke 


Abb.    74.      Becher   aus    Glas    in 

Form    eines  Nachens. 
Mailand,   Museum  Poldi  Pezzoli. 


')  Mariette,  description  des  fouilles  executees  en  Egypte  I.  S.  19S  und  von 
dems.  Musee  de  Boulaq  S.    169. 

^)  de   Morgan,   fouilles  ä  Dahchour,   Mars-Juin    1894,   S.   64   Xo   2. 

")  Marc  Kosenberg,  Ägyptische  Einlagen  in  Gold  und  Silber.  1906.  S.  8. 
Abbildung   16-18.     Der  Brustschmuck  Ramses  III.  unter  Fig.  20. 


148 

farbigen  Glases,  Edelsteines  und  Kittes  enthielten,  das  Stück 
eines  flachen  Armbandes,  das  mit  Stücken  von  blauem  und 
grünem  Glase  sowie  von  türkisblauer  Kittmasse  gefüllt  ist  u.  a. 
Bei  Blümner ^)  findet  sich  die  richtige  Angabe,  daß  die  älteren 
ägyptischen  Goldarbeiten  durch  Gold-  und  Silberplättchen  zu- 
sammengefügte Schmelzstücke  aufweisen,  also  eine  Art  Zellen- 
email, das  sich  aber  von  dem  späteren  dadurch  unterscheide, 
daß  die  vSchmelzfarben  nicht  im  Feuer  aufgeschmolzen  seien. 
Semper  dagegen  glaubt  an  älteren  ägyptischen  Arbeiten  im 
Britischen  Museum  Grubenschmelz  konstatieren  zu  können,-') 
wie  auch  Virchow  auf  einer  Bronze  von  Koban,  die  über 
das  Jahr  looo  v.  Chr.  hinaufreicht,  wirklichen  Grubenschmelz 
gefunden  haben  will.'')  Auch  in  diesen  Fällen  dürfte  es  sich 
um  kaltes  Email  handeln,  bei  welchem  allerdings  Glas  \er- 
wendet    wurde. 

Dagegen  hat  sich  später  unter  dem  Einflüsse  der 
griechischen  Kunst  in  der  Ptolemäerzeit  wirkliches  Email  auch 
in  Ägypten  entwickelt.  Der  berühmte  Schmuck  einer  äthio- 
pischen Königin  aus  Meroe  im  Antiquarium  von  München, 
zu  welchem  einige  von  demselben  Finder  Forlini  erworbene 
vStücke  des  Berliner  Museums  gehören,  zeigt  vortrefflichen  Gruben- 
schmelz. ^)  Er  wurde  in  einem  großen  Bronzegefäße  entdeckt, 
das  sorgfältig-  in  der  Pyramide  der  nubischen  Königin  einge- 
mauert w£ir,  und  enthält  Fingerringe  mit  emailherten  Platten, 
Köpfen  des  Osiris  oder  von  Tieren,  dem  Utahauge  u.  a.,  Hals- 
ketten mit  rundlich  gekerbten  Perlen  aus  vergoldetem  Glase, 
Scarabäen  mit  in  Email  eingesetzten  Augen,  zwei  prächtige  Paare 
von  Armbändern  und  daneben  bronzene  Ilenkelbüchsen  von  rein 
hellenistischem  Gepräge.  Die  Armbänder  sind  flache  breite 
Reifen  von  Gold,  durch  Stege  in  schmälere  Streifen  geteilt,  welche 
ein  sehr  feines  und  reiches  Muster  von  Rauten,  konzentrischen 
Ring-en,  Schuppen  u.  a.,  in  der  Mitte  kleine  quadratische  Felder 
mit  Büsten  auf  blauem   Emailgrunde  zeig-en.     Auch  die  anderen 


^)  Blümner,   Technologie  der  Griechen   und   Römer  S.   407   f. 
-)  Semper,  der  Stil  II  S.  452- 

^)   Virchow,   Vortrag  bei  der  Anthropologenversammlung  in   I^reslau    1884. 
■*)  Christ   und   Lauth,   das  Münchener  Antiquarium    1870,  S.  34.     Christ,   Führer 
d.   d.   k.   Antiquarium    1901,   S.  40. 


149 


Muster  sind  mit  GrubtMischnicl/  .gefüllt,  hv\  dcni  cintMi,  etwas 
schmäleren  Paare  von  Annl)ändern  nur  in  lichtblau  und  kobalt- 
blau, bei  dem  anderen,  \-iel  breiteren,  auch  in  smar^ij^dirrün  und 
rot  (einem  stumpfen  Ockerrot).  Ersteres  hat  an  den  vSchließen 
Götterfiguren  mit  Sperbern  auf  dem  llelm  untl  \ier  wundervoll 
emaillierten  netzartig-en  Flügeln.  Diese  späten  Stücke,  die  letzten 
Ausläufer  altägvptischen  Geschmackes,  voll  fremder  Einflüsse  in 
Ornament  und  Technik,  sind  nach  Rosenberg-  in  erster  Linie 
die  unschuldige  Ursache  zu  der  Annahme  ge- 
wesen, daß  die  alten  Ägypter  das  Email  gekannt 
haben.  In  dieser  Allgemeinheit  ist  die  Be- 
hau])tung  aber  falsch  und  hat  zu  dem  Irrtume 
geführt,  auch  in  den  ^dten  PLinlegearbeiten 
.Schmelzwerk  zu  erkennen.  \^on  der  Ptole- 
mäerzeit  an  sind  solche  aber  in  Ägypten 
zweifellos  vorhanden.  Auch  die  Armbänder 
mit  Email,  die  Deville  abbildet  und  in  die 
i8.  Dynastie  versetzt,-^)  stellen  sich  in  .Stil  und 
Technik  als  Arbeiten  dar,  die  etwa  gleichzeitig 
mit  dem  Schmucke  von  Meroe  sind. 

Den  Griechen  war  das  Email  nicht  un- 
bekamit,  wenn  es  auch  nur  selten  geübt  worden 
zu  sein  scheint,  ebenso  den  Römern.  Aus 
den  gelegentlichen  Mitteilungen  der  Schrift- 
steller ist  für  uns  nicht  viel  positives  zu 
holen.  Vielleicht  kann  man  bei  der  Be- 
schreibung des  Zeus  von  Olympia,  des  chrysoelephimtinen 
Wunderwerkes  des  Phidiiis  durch  Pausanias"),  im  Email  denken. 
Ob  bei  der  .Schilderung  eines  Goldschmuck(\s  mit  schwarzen 
Einlagen  durch  Tleliodor'')  dit^selbe  Technik  anzunehmen  ist. 
bleibt  zweifelhaft,  da  die  P)eschreibung  ebenso  gut  auf 
geschnittene  Steine  oder  Kitti)lättchen  passen  könnte.  .ApoUo- 
nius  von  Tyana  in  Kappadozien,  der  Xeuplatoniker  und  Zeit- 
genosse   Christi,    sah    in    Indien    Bilder,    die  in   Gold,    .Silber  und 


Abb.  75.  Handspiegel. 

Regensburg,   Antiqua- 

rium. 


1)  Deville  a.   a.   (>.   T.    109. 
*)  Pausanias,   Periegesis   5,   II. 
')  Heliodor  Roman  Aeth.  111  4. 


ISO 


anderen  Metallen  auf  Kupferplatten  aufg-eschmolzen  gewesen 
sein  sollen,  vielleicht  metallische  vSchmelzarbeiten.  Aber  grie- 
chisches Email  hat  sich,  was  das  entscheidende  ist,  tatsächlich 
erhalten.  Im  Münchener  Antiquarium  befindet  sich  ein  goldener 
Totenkranz  aus  einem  unteritalischen  Grabe,  angeblich  \'omIV.Jiihr- 
hundert  vor  Chr.,  mit  Staubfäden  der  Blumen  (Astern,  Narzissen. 
Myrthen)  in  blauem  PImail.  ■")  Das  Berliner  Antiquarium  besitzt 
eine  Schmuckkette  aus  ovalen  Goldplatten,  dazwischen  kleinere 
Glieder  aus  Golddraht,  welche  ein  herzförmiges  Einsatzstück  aus 
azurblauem  Schmelz  umschließen.     Die  ovalen  Glieder  enthalten 

reiches  Ornament  aus  aufgeleg- 
tem Goldfiligran,  das  mit  türkis- 
blauem und  smaragdgrünem 
Zellenschmelze  gefüllt  ist,  und  in 


Abb.   76.      Glocke  und   Trichter  aus 
Glas.      Rom  und   Neapel. 


der  Mitte  einen  Rubin.  Technik 
und  Stil  entsprechen  guten  Ar- 
beiten aus  alexandrinischer  Zeit. 
Erst  spät,  in  der  Mitte  des 
IX.  Jahrhunderts  nach  Chr.  wird 
in  der  Literatur  unzweifelhaft  von 
Email  gesprochen.  Flavius  Phi- 
lostratus  der  Jüngere,  ein  Rhetor  aus  dem  Gelehrtengefolge  der 
Julia  Domna,  erzählt  in  seinen  „Imagines",  die  von  dem  gleich- 
namigen Werke  seines  Oheims,  eines  in  Rom  lebenden  .Sophisten 
avis  Lemnos,  zu  unterscheiden  sind,  von  dem  bunten  Metallzierrat 
der  auf  einem  Gemälde  dargestellten  Pferde  und  fügt  hinzu: 
„Man  sagt,  daß  die  Barbaren  am  Ozean  diese  Farben  dem  glüh- 
enden Erze  aufgießen,  sodaß  diese  fest  zusammenhängen,  steinhart 
werden  und  die  Zeichnung  bewahren.""^)  Da  Philostratus  diese 
Nachricht  von  einem  A^erwandten  erhalten  haben  dürfte,  welcher 
als  Offizier  im  britanischen  Heere  gedient  hatte,  sind  mit  den 
Barbaren  am  Ozean  wohl  die  Kelten  der  französischen  und 
britischen  Küste  gemeint.     Labarte  ■^)  glaubt  daraus  schließen  zu 


1)  Christ,  Führer  S.   39. 

^)  Nach  Westermann,  Philostratorum  et  Callistrati  opera,  Paris  1849  lautet  die 
Stelle:  ,,Aiunt  hos  colores  candenti  aeri  incoquere  oceani  accolas  barbaros,  illosque 
coire   et  indurcscere  et  quae  picta  sunt  servare." 

^)   Labarte,   histoire  des  arts   industriels  tom.   III  S.    50  f. 


•51 

kcinnni.  dal)  in  Kom  l-",mail  zur  Zeit  des  Septiniius  Severus  über- 
hau])t  unbekannt  g^ewesen  sei,  während  Darcel\)  annimmt,  dal) 
Philostratus  nur  über  die  neue  Art  des  P'^mails  sein  Erstaunen 
ausgedrückt  habe,  (He  in  den  Arlieiten  der  Kelten  zum  Unter- 
schiede \on  (hMi  kkissischen  auftrete.  Der  Unterschied  ])esteht 
nämhch  (ku-in.  ckil)  in  dtMi  Barbarenemails  die  Farben  dicht  an- 
einander stellen  ohne  zu  verlaufen  und  ohne  durch  jMetallstege 
jj-etrennt  zu  sein,  wie  bei  dem  bisln^r  b(M)bacliteten  ägyjiti- 
schen  und  griechischen 
Stücken.  Es  ist  aber 
doch  zweifelhaft,  ob 
Philostratus  oder  sein 
Gewährsmann  ein  so 
feines  Kennerauge  be- 
saßen; er  spricht  ja  ganz 
allgemein  \()n  farbiger 
X'erzierung  an  Metall- 
gegenständen. Wahr- 
scheinlich war  ihm  solche 
aus  Rom  und  den  klas- 
sischen Ländern  über- 
haupt wegen  ihrer  vSel- 
tenheit  unbekannt  ge- 
blieben. 

In  den  keltischen  Gebieten,  besonders  in  Gallien,  Britannien 
und  am  Rheine  sind  dagegen  Emailarbeiten  aus  römischer  Zeit 
sehr  häufig.  Labarte  nimmt  als  Ausgangsgebiet  der  Industrie^ 
den  Teil  Galliens  zwischen  Seine  und  (jaronne,  also  Aqui- 
tanien,  an,  während  die  Engländer  nach  der  großen  Zahl  der 
bei  ihniMi  gemachten  Funde  die  Ehre  der  Erfindung  für  ihre 
\'orfahren  in  Ansi)riuii  nehmen  möchten.  Darunter  ist  eine 
1  lydria  und  ein  zugehöriger  0])ferteller  (praefericulum),  eine  Art 
Kessel  aus  Bronze  hervorzuheben,  der  in  Bartlow  gefunden  wurde 
und  im   Britischen  Museum  verwahrt  wird."^)     Reich  mit  Gruben- 


Abb.    7  7. 


Gruppe  von  GlasgefiiLkn. 
Rom   und   Neapel. 


1)   Dareel,   notice  des  emaux,   l'aris    1867. 

-)  Abgebildet  bei  Labarte,  Album  T.  100.     Text  III  50  f.     Das  Stück  ist  nicht 
verloren  gegangen,    wie  er  meint,    sondern  befändet  sich  im  Britischen  Museum.     Vgl. 


schmelz  verzierte  1  lydrien  sind  auch  sonst  in  Eng'hind  und  in 
Frankreich  zum  Vorschein  gekommen/)  Hierzu  paßt  eine 
rechteckige  vSchüssel  aus  getriebenem  Goldblech  mit  kleinen 
blatt-  und  rautenförmigen  Emails,  freilich  erst  späterer  Zeit,  etwa 
dem  VI.  Jahrhundert  angehörig,  aus  Gourdon,  Dep.  Haute-Saone, 
jetzt  in  der  Nationalbibliothek  in  Paris"),  das  Gefäß  aus  dem 
Torfmoore  von  Maltbock  in  Dänemark  im  Museum  von  Kopen- 
liagen'^)  und  die  berühmte  Schöpfkelle  von  Pyrmont.^)  Kleine 
Metallvasen  mit  Hmailschmuck  sind  auch  in  einem  Römergrabe  zu 
(riadbach,  mehrere  in  Köln  gefunden  worden/*)  Besonders 
häufig  tritt  das  Email  in  Westeuropa,  in  Gallien,  am  Rhein  und 
in  der  .Schweiz  an  kleineren  Schmucksachen,  wie  Fibeln,  Schnallen, 
S})angen,  Beschlägen  auf,  doch  gibt  es  daneben  auch  größere, 
wie  das  Bronzegefäß  in  Gestalt  eines  Hahnes  in  Worms,  ein 
Räuchergefäß  in  Köln  u.  a.  Sehr  reich  an  Schmelzwerken 
ist  das  Paulus-Museum  in  Worms.  In  Blerik  (Blariacum  bei 
Venloo)  wurde  1864  u.  a.  eine  Bronzestatuette  der  Ceres  von 
vortrefflicher  Arbeit  gefunden,  die  auf  dem  Gewände  weiß  und 
blau  emailliert  ist.")  Am  reichsten  und  manigf altigsten  entwickelt 
sich  das  Email  am  Rhein  jedoch  als  .Schmuck  von  Fibeln, 
wobei  sich  die  zierlich  komponierten  und  sorgfältig  ausgeführten 
Muster     den    verschiedenen ,     oft    phantastischen     Grundformen 


E.  aus'm  Weerth,  Der  Grabfund  von  Wald- Algesheim ,  Bonner  Winckelmanns- 
programm    1870,   S.   2 3  f. 

*)  Schon  der  Graf  Caylus  veröffentlichte  solche  in  den  Recueils  des  antiquites 
II  T.  91,  V  T.    loi,  VI  T.   83. 

^)  Semper  a.  a.  O.  II   24. 

'')  Memoires  de  la  Sociele  royale  des  antiquaircs  du   Nord    1868. 

*)  Bonner  Jahrbuch  Bd.  38,  T.  I,  Text  S.  47.  E.  aus'm  Weerth  a.  a.  O. 
S.  23  f-  Labarte  wollte  die  Pyrmonter  Kelle  aus  der  Reihe  der  antiken  Denkmäler 
ausschließen  und  dem  XI.  Jahrh.  zuweisen,  ebenso  v.  Olfers.  Ch.  de  Linas  hielt  die 
,, merkwürdige  Schale  eher  für  persische  Arbeit".  Dagegen  traten  Lindenschmit,  Otte, 
E.  aus'm  Weerth  entschieden  für  gallische  Herkunft  ein  und  jetzt  sind  die  Sachver- 
ständigen über  diese  einig. 

'')  Einige  zierliche  Vasen  und  Räuchergefäße  in  Bronze  mit  Grubenschmelz  be- 
finden sich  im  Museum  Wallraff-Richartz,  die  schönsten  rheinischen  Funde  dieser  Art 
im  Paulus-Museum  in  Worms.  Vgl.  Weckerling,  Paulus-Museum;  dann  auch  Rein  im 
Bonner  Jahrbucli,  Bd.   51.    (Miszellen.) 

*•)  Jetzt  in  einer  Privatsammlung  zu  \'alkenberg.  Vgl.  Gaedechens,  Das  Me- 
dusenhaupt  von  Blariacum.     Bonner  Winckelmannsprogramm    1874,   S.   6- 


153- 

geschickt  an])assen. ')  In  Px^rtrich  an  der  Mosel  ist  eine  Reihe 
von  solchen  mit  einem  Großerze  Traians  und  einem  Mittel- 
erze der  Diva  Faustina  (g-est.  141  n.  Chr.)  gefunden  worden.. 
Darunter  befinden  sich:  Eine  runde  Scheibenfibula  von  40  mm 
Durchmesser,  in  der  Mitte  auf  rotem  J-jnailgrunde  ein  quadrat- 
isches Feld  mit  weiß-l^lauem  Schachbrett- 
muster; dann  Emailfibeln  nfit  Münzen  des 
Iladrian  und  Antoninus  Pius,  eine  runde 
Scheibenfibel  mit  zweifarbij^em  (iruben- 
schmelze.  Bei  ihr  w  ie  bei  einem  im  Bon- 
ner Jahrbuche  Bd.  SO,  T.  W  13  abg-ebil- 
deten  l^xemplare  ähnlicher  Art  ist  der 
R^lnd  mit  Kreisboiren  verziert,  deren  Gru- 
ben mit  hellrotem  und  g-rünem  Schmelze 
g'efüllt  sind,  während  zwei  innere  Zonen 
radiäre  Streifen  in  rot  und  j^rün  zeig"en;  in 
der  Mitte  steht  ein  flacher  Knopf  mit  einem 
rot-grünen  Auge.  Eine  andere  Scheiben- 
fibel ist  mit  vierfarbigem  Grubenschmelze 
verziert:  das  Muster  zeigt  konzentrische 
Ringe,  von  welchen  der  äußere  blau  und 
weiß  gewürfelt  ist,  während  die  beiden 
inneren  r^idiäre  Streifen  in  rot,  grün,  weiß 
und  blau  enthalten:  der  vortretende  Knopf 
(Nabel)  hat  ein  blau -weißes  Auge.  Rad- 
förmige  Fibeln  mit  Schmelzverzierung 
kamen  in  der  tönernen  Urne  eines  Brand- 
grabes bei  Gutenburg  (unweit  Hermeskeil) 
Jiuii  1S93  im  X'ereine  mit  \'erbrannten 
Knochen  zum  Vorschein.  Die  ziemlich 
zerstörten  Muster  zeigen  die  l-arben  blau, 
grün."')  Sehr  viele  Bronzefibeln  mit  (irubenschmelz  fand  man  in 
der  Gegend  von  Namur  und  in  Bibr£icte,  dem  gallischen  Pompeii. 
Manche  gallische  .Schmucksachen  sind  mit  Einlagen  von   Koral- 


Abb.  78.     Zierriasche  mit 

Muschclbesatz.     Köln, 
Sammlung  M.  vom  Kath. 

gelb,    weil),    rot    und 


^)  Bonner  Jahrb.   87,  44   f. 

-)   Korrcspondenzblatt  der  Westdeutschen   Zeitschrift   für  Geschichte  und   Kunst 
)5,  67. 


154 

len  verziert,  wahrscheinlich  waren  auch  die  späteren  Vogelkopf- 
hbehi  häufig-  mit  solchen  besetzt.  Man  suchte  die  Koralle  offenbar 
bei  anderen  Stücken  dvirch  Email  nachzuahmen,  da  das  Korallenrot 
darin  besonders  beliebt  ist. ') 

Cohausen  und  Lindenschmit'j  haben  diese  Arbeiten  ids  kel- 
tische erkannt.  Ersterer  meint,  daß  die  Technik  beim  Eindringen 
der  Römer  verloren  gegangen  und  erst  im  IL  Jahrhundert  wieder 
aufgenommen  worden  sei.  Der  vStil  dieser  Arbeiten  unterscheidet 
sich  wesenthch  von  dem  der  griechischen  Emails.  Das  Ornament 
wird  meist  in  geometrischen  Mustern,  die  sich  leicht  auf  der  Dreh- 
bank oder  mit  dem  Zentrumsbohrer  ausführen  oder  durch  Punzen 
einschlagen  lassen,  zur  mehrfarbigen  Dekoration  kleinerer  Bron- 
zen, wie  Knöpfen.  Eil:)eln,  Anhängern,  Parfümdöschen,  kleinen 
Zierplättchen,  benutzt.  Es  wird  ausschließlich  Grubenschmelz  an- 
gewendet. Cohausen  weist  nach,  daß  die  vSchmelzfarben  keine 
anderen  als  die  der  Glaspasten  in  römischen  Mosaikgläsern  sind. 
Die  Arten  der  Dekoration  sind  verschieden,  je  nachdem  ob  ver- 
schiedene Farbstoffe  miteinander  verbunden  oder  (rlasplättchen 
mit  der  Schmelzmasse  zusammengeschmolzen  wurden.  Während 
vielfach  jede  Grube  für  sich  eine  einzige  Farbe  erhielt,  sind  in 
anderen  verschiedene  F^irben  ohne  metallene  Zwischenstege  neben- 
einander angfebr^icht;  in  einer  dritten  vSorte  sind  zugeschnittene 
vStücke  von  farbigem  Glas  in  Form  von  Plättchen,  Perlen,  Ring'en, 
ganze  Plättchen  von  Millefiori  oder  Mosaikglas  kalt  in  eine  far- 
bige Schmelzmasse  eingelegt.     (Vgl.  die  Abb.  29,  30}. 

Semper  glaubt,  daß  diese  Art  von  Email  eine  den  Kelten 
und  Iberern  eigene  Industrie  war.  die  sie  nicht  erst  von  den 
Römern  zu  lernen  brauchten,  die  vielmehr  bei  ihnen  urein- 
heimisch war"^).  Nach  E.  aus'm  AVeerth  stehen  die  keltischen 
Arbeiten  einer  erhärteten  bunten  Kittmasse  näher  als  den  leuch- 


')  Vgl.  Tischlers  Vortrag  bei  der  Anthropologen- Versammlung  in  Breslau  1884. 

-)  Die  kleine  aber  sorgfältige  Arbeit  v.  Cohausens  über  die  Technik  der  gallisch- 
römischen Emails  ist  unter  dem  Titel  , .Römischer  Schmelzschmuck"  in  den  Annalen 
des  nassauischen  Altertumsvereines  XII  erschienen.  Ihr  sind  mit  Erlaubnis  des 
\'ereins  die  im  Texte  unter  Abb.  29  und  30  wiedergegebenen  Fibeln  mit  Schmelz- 
sckrauck  entnommen.  \'gl.  auch  Lindenschmit  in  d.  A.  u.  h.  \'.  Band  1  Heft  2  T.  3, 
Band  II   Heft  i    Beilage    l,   Band   II  Heft  3   Beilage. 

^)  Semper  a.    a.   O.   II    185. 


tcndcn.  sj^py-cls^lattcn  Arl)eiten  Non  Byzanz  und  den  späteren 
rht'inis(-lien  Emails.  I^r  initerscheidet  ^leichzeitii^  i.  die  l"'assunj.>' 
\()n  tafelförmiiif  zug'eschnittenen,  meist  roten  Plättchen  \'on  Edel- 
stein oder  Glas  (Verroterie),  2.  Email  und  3.  Kittfüllunjjf.  Die  beiden 
letzteren  Arten  seien  oft  schwer  zu  unterscheiden,  was  dar^luf 
schließen  ließe,  daß  eine  aus  der  anderen  hervorg-insj-.  Die  älteste 
Technik  dürfte  die  Einlay-e  \on  Plättchen  sein 
(bestätii,'"t  \on  Rosenberg"  und  Darcel  in  Ay-ypten), 
die  durch  römische  \'(^rmittelun,s4"  zu  den  Franken 
kam  und  im  X.  Jahrhundert  die  grölke  Blüte 
erreichte  (Eg-bertschrein  in  Trier).  Daß  das  Email 
aus  dem  (Jrient  an  den  Rhein  gelangte,  will 
man  durch  ^mgeblich  ägyptische  Funde  und 
eine  neuerdings  in  dt^r  Pfalz  entdeckte  goldene 
Schnalle  des  III.  Jahrhunderts  mit  sassanidischer 
Inschrift  im  Museum  von  Wiesbaden  beweisen. 
In  Rom  sind  Emails  vor  dem  III.  Jahrhundert 
nicht  nachweisbar,^)  dagegen  wurde  in  den 
Katakomben  \-on  St.  Agnese  eine  Fibula  mit 
Kittfüllung  aufgefunden.  Ernst  aus'm  Weerth 
g-laubt,  daß  die  nordische  Art  des  F^maillierens 
bei  den  Römern  zuerst  die  Nachahmung"  in  bun- 
tem Kitt  hervorgerufen  habe,  wie  er  sich  an 
F'ibeln  und  Zierscheiben  aus  römischen  An- 
siedelung-en  'so  häufig"  finde  und  daß  dies  zur 
WeiterauNV)il(luiig  des  r(')mi^ch<'n  Ismails  führte. 
Daß  diese  .Vnschauung  irrig  ist,  brauche  ich  n£ich 
dem,  was  v.  Cohausen  über  den  grallisch-römischen 
Schmelzschmuck  festg"estellt  hat,  nicht  von  neuem  zu  erweisen. 
Aber  woher  die  Kenntnis  des  F2mails  nach  dem  Norden  kam. 
ist  tatsächlich  bisher  tioch  nicht  festgestellt.  Am  meisten  hat  die 
X'frniutung"  für  sich,  daß  in  der  älteren  Hallstadtperiode  mit 
AVaffen,  Riemen-  und  Pferdeschmuck,  (iewandnadeln  und  anderen 
]\Ietallarbeiten  aus  Etrurien  auch  solche  kamen,  die  mit  g"ravierten 
Zeichnung; en  versehen   sind,   in   welche  man  eine  lackrote  Paste 


Abb.  79.    Zierflasche 

mit  Muschelbesatz. 

Trier,   Museum. 


*)  St.    de     Laborde,    notices     des     emaux.     DarccI    a.    a.  O.        Ch.    de   Linas, 
orfevreries  merovingiennes   1864. 


156 

eingfekissen  hat.  O.  Tischler  hat  für  diese  Technik  den  Namen 
Furchenschmelz  eingeführt^).  Gleichzeitig  sind  Verzierungen  von 
opakweißer,  schwarzer  und  lackroter  Paste  in  Streifen  und  ring- 
förmigen Vertiefungen  auf  Bronzefibeln.  Viele  haben  durch 
(Jxydation  der  Bronze,  durch  Verwitterung  und  Feuchtigkeit 
gelitten,  P^arbe  und  Glanz  \-erloren  und  ein  kreidiges,  poröses 
Aussehen  angenommen.  Untersuchungen  haben  ergeben,  daß 
es  sich  auch  hier  um  kaltes  Email  handle,  das  aus  gepulvertem 
farbigem  Glase  mit  einem  Zusiitz  von  Kreide  o.  dgl.  hergestellt  ist, 
ähnlich  wie  gewisse  ägyptische  Einlagen,  die  römischen  Ring- 
steine und  türkisblauen  Schmuckperlen  in  Kürbisform.  Der 
Zusatz  von  Kreide  ist  unter  dem  Mikroskope  intakter  Schmelz- 
flächen dieser  Art  noch  heutt^  kenntlich.  Viele  Ringsteine  und 
Schmuckperlen  der  Kaiserzeit  sind  infolge  chemischer  Zersetzung 
in  demselben  entfärbten,  gkmzlosen,  porös -kreidigen  Zustande 
auf  uns  gekommen.  Von  dieser  Art  der  Verwitterung  sind 
jedoch  Metallarbeiten  der  jüngeren  Latenezeit  zu  trennen,  bei 
welchen  jetzt  nur  der  Grund  der  vertieften  Ornamentfelder  von 
einer  weißen  Kittmasse  ausgefüllt  erscheint.  Sie  bildete  die  Unter- 
lage für  farbigen  Schmelz  sowohl  wie  für  zugeschnittene  Stücke 
farbiger  Glaspaste,  die  später  verloren  gegangen  sind.  Gerade 
diese  Art,  ein  Vorläufer  der  fränkisch -alemannischen  Verroterie, 
ist  manchmal  mit  dem  Einsätze  von  Korallen  und  runden,  knopf- 
artigen Glaspasten  verbunden.  Sie  wurde  bis  in  den  Anfang 
unserer  Zeitrechnung  hinein  geübt.  Während  sich  die  italischen 
Völker  mit  Ausnahme  der  Etrusker,  die  sie  von  den  Ägyptern  über- 
nommen haben  dürften,  für  diese  vSchmuckform  nicht  empfäng- 
lich zeigten,  bürgerte  sie  sich  bei  den  Kelten  vor  der  Berührung" 
mit  den  Römern  ein.  Die  gallischen  Emailarbeiten  der  Latene- 
zeit, namentlich  die  Funde  von  Bibracte  im  lugdunensischen 
Gallien,  repräsentieren  den  Kunststil  Mitteleuropas,  der  unab- 
hängig von  dem  griechisch-römischen  der  Mittelmeerländer 
vorwiegend    ein    geometrischer     und    koloristischer    ist.       Seine 


^)  O.  Tischler,  Kurzer  Abriß  der  Geschichte  des  Emails.  Sitzungsberichte  der 
Königsberger  Gesellschaft  1886  und  dessen  Abhandlung  über  vorrömisches  und 
römisches  Email  in  den  Verhandlungen  der  17.  allg.  Vers.  d.  deutschen  Gesell- 
schaft  f.   .Anthropologie   etc.   zu   Stettin,   München    1886   S.    128   ff. 


157 


foniKilen  UnterschiecU'  von  dem  Stile  (k-r  klassischen  Antike 
kennzeichnen  am  deutlichsten  die  zoomorphen  1-ibeln,  die 
Gewandnadeln  in  Tierg-estalt.  Das  galhsche  Email  erhält  sich 
während  der  ganzen  Dauer  der  Römerherrschaft,  sein  llauptsitz 
war  das  heutige  Belgien,  das  Land  zwischen  Maaß  und  Sambre. 
Die  Museen  von  Namur,  Brüssel,  Lüttich  sind  deshalb  am  reich- 
sten an  derartigen  Funden.-^)  Aber 
auch  am  Rhein  war  die  h'.mailarbeil 
in  Blüte,  namentlich  in  der  Gegend 
\on  Worms,  welche  die  zahlreichen 
herx'orragenden  Arbeiten  lieferte,  die 
im  Paulus-Museum  verwahrt  werden. 
Außerdem  enthielten  römische  Grab- 
stätten in  Bertrich  an  der  Mosel,  in 
Mainz.  Köln  und  Xanten  \iele  der- 
artige Stücke.  In  Mainz  und  Xanten 
hat  man  ebenso  wie  in  Bibracte  Über- 
reste \on  Schmelz  Werkstätten  auf- 
gedeckt, die  zum  Teile  in  die  flavische 
Zeit  hinaufreichen.  Dabei  ist  der  Um- 
stand in  Betracht  zu  ziehen,  daß 
weder  (iallier  noch  Etrusker  gt^- 
nötigt  waren,  das  erforderliche  Glas 
selbst  herzustellen,  da  es  ihnen  \-om 
Oriente  in  Form  kleiner  handlicher 
Ziegel  und  Glasstäbe  bereits  in  ])rä- 
pariertem  Zustande  geliefert  wurde: 
sie  brauchten  es  nur  zu  zermahlen 
und  mit  Kreide  anzurühren.  Je 
weniger  Kreide  dabei  zugesetzt  wurch 
die   l^'arbe  und  Konsistenz  des   I^nails. 

Auch  verarbeitetes  Glas   lernten    die  Kelten   außer   den  zahl- 
losen Schmuckperlen  schon  vor  d(Mi  Riimern  kennen.     Das  älteste 


Abli.   So.      'raubcnkanne. 
Köln,   Museum. 

desto    bess(^r   hielt    sich 


*)  Vgl.  Salomon  Reinach,  Antiquites  nationales  du  Musee  de  St.  Üermain,  Ein- 
leitung. Die  Funde  von  Namur  und  Umgebung,  wohl  die  schönsten  und  bedeutendsten 
gallischen  Emailarbeiten,  sind  von  C.  Bequet  in  den  Memoires  de  la  societ6  archeol. 
de  Namur  vortrefflich  publiziert.  Über  Bibracte  vgl.  auch  BuUios  &  St.  de  Fontenay, 
l'art  d'emaillerie  chez  les  Edouens,  Paris   1875. 


158 

importierte  Glasgfefäß  gehört  Süddeutschland  an,  das  Frajjfinent 
eines  viereckigen  Fläschchens  aus  dunkelvioletter  Paste  mit  trüb 
gelblich-weißer  Bänderung.  Es  wurde  in  dem  der  späten  Hallstadt- 
zeit (um  400  vor  Chr.)  angehörigen  Grabhügel  von  Belleremise  bei 
Pflugfelden  in  Bayern  gefunden  und  kann  den  mit  ihm  aufgedeck- 
ten Metallgegenständen  entsprechend,  aus  Etrurien  eingeführt  sein. 
In  Sta.  Lucia  in  Italien,  in  Frankreich  und  in  Hallstadt  kommen 
halbkugehge  vSchälchen  aus  trüb  durchscheinendem,  farblosem  und 
grünlichem  Glase  mit  weißen  Längsstreifen  vor,  welchen  man  das- 
selbe, wenn  nicht  ein  höheres  Alter  zuschreibt.  Ein  kleines 
Näpfchen  aus  den  Höhlenfunden  von  ByCiskala  hat  jedenfalls 
ein  noch  ehrwürdigeres  Alter  ^).  Daneben  findet  man  in  Hallstadt 
aber  bereits  gewöhnliche  Gebrauchsgläser,  wie  sie  aus  den  Werk- 
stätten von  Naukratis  und  anderen  ägyptischen  Küstenstädten 
hervorgegangen  sind,  Näpfe  von  zierlichen  griechischen  Formen"-). 
In  den  Ostalpen  scheint  sich  schon  früh  im  Anschluß  an  den 
etruskisch- ägyptischen  Import  eine  selbständige  Glasindustrie 
entwickelt  zu  haben,  aus  welcher  manche  der  Perlen  und  Arm- 
ringe hervorgegangen  sein  mögen,  die  man  in  den  Gräbern 
dieser  Gegend  findet,  vielleicht  auch  jene  beiden  Paare  von 
Armringen  aus  Affoltern  im  Kanton  Zürich,  das  eine  dunkelblau 
durchscheinend,  das  andere  aus  farblosem  Krystallglase,  in 
welches  ein  neapelgelber  Faden  eingekissen  ist'').  In  Altare, 
einer  Ortschaft  der  ligurischen  Alpen,  existiert  noch  heute  eine 
Glasindustrie,  welche  nach  jVIurray  durch  flüchtige  Gallier  be- 
gründet sein  soll. 

Nach  diesen  Vorläufern  entwickelte  sich  vom  IL  Jahr- 
hundert ab  in  Gallien  imd  Britannien  eine  rege  Emailindustrie. 
Eine  Unterbrechung  von  mehreren  Jahrhunderten,  wie  sie  in  den 
klassischen  Ländern  nach  den  uns  bekannten  griechischen  Arbeiten 
eintrat,  ist  im  Norden  nicht  zu  konstatieren.  Man  hielt  vielmehr, 
nach  den  Grabfunden  zu  urteilen,  auch  nach  dem  Eindringen  der 
Römer  an  den  alten  Verzierungsweisen  fest,  bis  die  Einfuhr  von 
Schmuckperlen    mit    Auflage    von  Millefiorii)lättchen    der   Email- 


^)   Reineckc   a.   a.   (J. 

-)   Ilg   bei   Lobmcyr  a.   a.   O. 

'■')   Semper  a.  a.   O.   II  S.    185    T.   >iVI    i, 


159 


Industrie  einen  neuen  luij^'eahntcn  Aufscliwunt;"  ,i;'al).  Wie  man  in 
Alexandrien  Perlen  verzierte,  indem  man  aus  StabVjündeln  von 
Millefiorii^das  Plättchen  schnitt  und  diese  auf  einfarbig-e  Pasten  auf- 
leg"te,  so  wurde  es  eine  BesonderhtMt  jjfallisch-rheinischer  Kmailleure, 
solche  Plättchen  in  vertiefte  Metallflächen,  besonders  von  Fibeln, 
Knöpfen  und  kleineren  Bronzege^enständen  einzulassen  und  so  ein 
forthmfendes  Muster  in  Form  von  Schachbrettern,  von  konzen- 
trischen Rini^'en,  die  mit  farbisj;'en  Piuikten  und  Rosetten  durch- 
setzt sind,  \'on  Bändern  vmd  geometrischen  Figuren  zu  bilden.  Die 
Farbenskala  ist  viel  reicher  als  in  der  Latenezeit: 
zu  schwarz,  weiß  und  lackrot  kommt  dunkelrot, 
mehrere  Arten  von  gelb  vnid  grün,  kobalt  und 
türkisblau,  violett,  braun.  Darcel  und  v.  Cohausen, 
welche  diese  Technik  klargestellt  haben,  schildern 
wie  die  gallischen  Emailleure  fertige  Mosaikplätt- 
chen  mit  gepulvertem  (xlasstaub  im  Feuer  mit 
der  ISIetallunterlage  zusammengeschmolzen,  da- 
neben aber  auch  ^Muster  bildeten,  indem  sie  ver- 
schiedenfarbigen Glasstaub  in  einem  Metallfeldc 
in  bestimmter  Zeichnung  aus  freier  Hand  \-er- 
teilten  und  ihn  so  einzubrennen  wußten,  daß  die 
Farben  nicht  zusammenliefen,  obwohl  sie  nicht 
durch  Metallstege  getrennt  waren.  ^)  Gallische 
Emailleure  arbeiteten  namentlich  vom  IL  Jahr- 
hundert ab  auch  \-iel  für  den  Ex])ort.  fis  kann 
bei  der  Gleichartigkeit  der  Muster  des  in  Rom 
und  anderen  Städten  Italiens,  in  Osterreich,  Süd- 
deutschland, l-'rankreich,  den  Rhcingegenden  und  muster.  Ägyptisch. 
England  \'orkommenden  römischen  Schmelz- 
schmuckes keinem  Zweifel  unterlieg'en,  daß  diese  Arbeiten  aus 
einer  Quelle  stamnnMi.  Diese  Gleichartigkeit  erstreckt  sich  aber 
nicht  l)lol)  auf  die  Must(^r  d(^s  Emails  selbst,  dies  ließe  sich  aus 
der  gemeinsamen  Benutzung  alexiuidrinischer  Millehoristabbün- 
del  erklären,  sondern  auch  auf  die  Formen  des  Metallschmuckes, 
\\elch(\  wie  /..  P).  die  hibcln  in  (iestalt  \on  \'(')g(^ln,  I'h^rdclKMi 
und  Rädern,   (lallicn   cigciitünilicli    sind.     Man  hat  auch  aul'x-r  den 


Abb. 8i.  Balsamu- 
rium  mit  Korb- 


^)  V.  Cohausen  u.  a.  O. 


i6o 

keltischen  Gegenden  meines  Wissens  nirgends  Eniiiilwerkstätten 
aufgefunden. 

Im  IV.  Jahrhundert  nach  Chr.  ist  eine  Abnahme  der  technischen 
Sorgfalt  wahrzunehmen.  Die  Vereinigung  \-on  zwei  und  mehr 
Farben  in  einem  Felde  erschien  zu  mühsam,  da  sie  peinliche  Auf- 
merksamkeit und  Geduld  erforderte;  man  begann  sich  die  Arbeit 
dadurch  zu  erleichtern,  daß  man  das  vertiefte  Feld  durch  dünne 
^Sletalldrähte  teilte  und  so  Zellen  für  eine  einzelne  Farbe  schuf. 
Das  ergab  eine  Vereinigung  \-on  Gruben-  und  Zellenschmelz  das 
sog.  gemischte  Email,  den  Übergang  zum  eigentlichen  Zellen- 
schmelze, der  seine  höchste  Ausbildung  in  Byzanz  erfahren 
sollte,  aber  schon  um  700  nach  Chr.  in  merovingischen  Grab- 
funden auftritt.  Beispiele  von  gemischtem  P^mail  finden  sich  im 
Museum  Wallraf-Richartz  in  Köln,  sind  aber  nach  Riegl  auch  in 
■  den  österreichischen  Alpenländern  zum  Vorscheine  gekommen.  V; 
Um  das  Jahr  700  setzt  dieser  einen  Ring  aus  den  alemannischen 
•Gräbern  von  Escheng  im  Museum  \'on  Zürich  an,  der  bereits 
reinen  Zellenschmelz  aufweist.  Ob  in  merovingischer  Zeit  auch 
der  Furchenschmelz  der  Lateneperiode  eine  Wiederauferstehung 
feierte  mag  dahingestellt  bleiben.  Dr.  Koehl  schilderte  mir 
brieflich  einen  scheibenförmigen  Anhänger  aus  Bronze,  den  er 
in  einem  fränkischen  Grabe  bei  Worms  gefunden  hatte  und  der 
mit  einer  Rosette  in  weißem  und  grünem  Furchenschmelze  ver- 
ziert war.  Es  ist  nicht  vmmöglich,  daß  mit  dem  P^nde  der  Römer- 
herrschaft die  alteinheimischen  Überlieferungen  wieder  an  Stärke 
gewannen,  aber  ebenso  denkbar  ist  auch,  daß  der  Verstorbene 
einen  alten,  \'on  den   \^orfahren   ererbten  Schmuck  getragen  hat. 


')   A.  Riegl,   Die  spätröniische  Kunstindustrie   in   Österreich-Ungarn.   Wien  1901. 


IV. 


Die  Verpflanzung  der  Industrie  nach 
Griechenland,  Rom  und  den  Provinzen. 


Kisa,  Das  Glas  im  Altertume. 


Die  Verpflanzung  der  Industrie  nach  Griechenland,   Rom 
und  den   Provinzen. 

Griechenland. 

In  (JriechtMiland  war  das  Glas  von  altersher  bekannt.  Es 
spielt  sotJfar  in  den  Ileroensag-en  eine  Rolle.  Perseus  bekämpft 
die  Medusa  mit  einem  Schilde  aus  Glas,  die  Meergötter  haben 
an  ihren  Schiffen  nach  Lucian^)  Anker  aus  Glas.  Homer  nennt 
es  allerding"s  nicht,  denn  sein  Ausdruck  „Elektron",  der  sich  in 
der  Odyssee  findet,  ist  sicher  nicht  als  Glas  zu  deuten,  sondern 
bezeichnet  jene  bereits  in  der  Xatur  vorhandene  mattüfelbe 
Mischung-  von  Silber  und  Gold,  aus  der  die  ältesten  Münzen 
ijfepräg-t  und  Schmucksachen  hergestellt  wurden.")  Später  wurde 
er  freilich  iiuch  auf  den  Bernstein,  im  Mittelalter  auf  das  Email  an- 
gewendet. Die  -Sache  dagegen  war  I  lomer  nicht  fremd,  denn  die 
„blauen  Friese",  die  nach  seinen  Worten  den  Palast  des  Alkinoos 
schmückten,  waren  mit  Email,  mit  Glasfluß,  ausgestattet.  Von 
ihnen  gibt  uns  der  Alabasterfries  eine  Vorstellung,  der  sich  in 
der  X'orhalle  des  Männersaales  zu  Tiryns  erhalten  hat:  seine 
fächerförmigen  Halbkreise  und  Rosetten  heben  sich  von  einem 
Grunde  iius  blauem  Glasfluße  wirkungsvoll  ab,  eine  A^erzierungsart, 
zu  welcher  ägyptische  und  assyrische  Bauten  mit  ilirem  reichen 
Schmucke  emaillierter  Tonplatten  die  Vorbilder  gelief<'rt  hatten, 
frcMlich  nur  in  technischer,  lücht  in  stilistischer  Beziehung,  denn 
die  luykenische  Dekoration  ist  \  on  orientalischen  Einwirkungen, 
wenigstens  in  diesen  Fällen,  unabhängig.''^    Zahlreiche  Stücke  von 


^)  Lucian,   vcra  historia   I   42. 

^)   Vgl.   Christ,   I-'ührer  d.   Münchener  Antiquariums  S.   36. 

^)  Perrot  &  Chipiez,  Histoire  de  l'art  dans  l'antiquite  vol.  1\'.  —  F.  Xoack, 
Studien  zur  griechischen  .Architektur  I.  Jahrbuch  des  kais.  Deutschen  archäologischen 
Institutes  XL  211 — 247.  —  Woermann,  Geschichte  der  Kunst  I.  S.   184. 

II* 


i64 

Glaspasten,  die  iJfleichfalls  zum  Schmucke  von  Gebäuden  g"edient 
hatten,  sind  von  Schhemann  in  Mykenae  aufg-edeckt  worden. ■'^) 
Dort  kamen  neben  entschieden  einheimischen  Arbeiten  auch 
äg"yptische  Importwaren  vor,  wie  andererseits  von  FHnders  Petrie 
mykenische  f!rzeuüfnisse  in  äg'yptischen  Gräbern  g'efunden  wurden. 
Das  sind  Beweise  für  einen  regen  Tauschverkehr,  der  die  Quellen 
des  mykenischen  Glasornamentes  enthüllt.  Er  ließ  auch  in  der 
folgfenden  Zeit  nicht  nach,  ja  steigerte  sich  vielmehr  und  versah 
namentlich  die  griechischen  Inseln,  die  mit  Ag-ypten  in  ständiger 
Verbindung  waren,  mit  ihren  reichen  Schätzen  von  äg'yp- 
tischen Gläsern.  Daß  die  Verwendung  des  Glases  zu  architek- 
tonischem Schmucke  auch  in  der  Blütezeit  der  g-riechischen  Kunst 
nicht  ausg-estorben  war.  zeigen  die  blauen  Emails  in  den  jonischen 
Voluten  des  Tempels  der  Athene  Polias  auf  der  Akropolis.'^) 
Quadr^itische  Gkisplatten  aus  grauer  Glaspaste  mit  Verzierungen 
in  £iufg-elegtem  Blattgold,  sowie  andere  architektonische  Besatz- 
stücke wurden  zug-leich  mit  den  dazu  gehörigen  Tonmodellen 
1877  in  Sparta  g-efunden.  Für  die  Gefäßbildnerei  aus  Glas  war 
jedoch  das  griechische  Kunstgefühl  zur  Zeit  der  Selbständigkeit 
des  Tandes  nicht  empfängdich.  Die  zahlreichen  Alabastra,  Känn- 
chen  und  Fläschchen  aus  farbigem  Glase  mit  Fadenschmuck,  die 
Mosaik-  und  Millefiorigläser,  die  an  verschiedenen  Stellen  g'e- 
funden  sind,  stammen,  obwohl  ihre  Formen  zumeist  g"riechischem 
vStilgefühle  entsprechen,  nicht  aus  einheimischen  Werkstätten  her, 
sondern  sind  aus  Alexandrien  imjiortiert.  vSo  die  \'on  Korinth, 
Athen,  \'om  Piräus.  woher  mehrere  in  das  Münchener  Antiqua- 
rium,  nach  Brüssel,  I*aris  und  London  g-ekommen  sind.  Auch 
gläserne  Fingerringe  waren  den  Griechen  bekannt,  man  fand 
deren  zahlreiche  in  Athen,  wo  sie  acffjayXdsg  raXivai'^)  hießen. 
Der  älteste  griechische  Ausdruck  für  Glas  ist  lil^og  x^^l  ^^-  h. 
g"egossener  »Stein.  I  lerodot  braucht  ihn  zuerst  he\  der  Beschrei- 
bung der  Ohrg-ehänge  der  heiligen  Krokodile  am  Nil  und  läßt 
damit  erkennen,  daß  er  nur  massi\e,  opjik-farbig'e  Glas]mste,  eine 
Nachahmung  \on   Edelstein,   darunter  verstehe.      Wahrscheinlich 


Schliemann,   Mykenae    126,    138.   —   Derselb.  Tiryns  92,    199. 
Woermann   a.   a.   O. 
Ilß   a.  a.   O.   S.    t6. 


i6; 


übersetzt  er  damit  ein  äi^-\-pti,sche.s  A\'ort  für  dlas,  eine  \"ermu- 
tunj^',  welche  dureh  die  Alitteilung"  des  Geog'raphen  Skylax  be- 
stätii^t  wird,  dalJ  die  Athio]>ier  an  der  Westküste  Afrikas  \-on 
Händlern  „Stein  \on  A,L!-v])ten*'  ).id^dg  ^Jlyvntia  kauften,  d.  li. 
Glas])erlen,  sowie  durch  jene  eines  anderen  Reiseschriftstellers, 
des  Arrian,  der  den  Peripleos  des  Roten  Meeres  verfaßte,  daß 
mim  den  Athiojüern  an  der  Ostküste,  also  der  entg-eg-en^s^esetzten 
Seite  Afrikas,  XiiHag  i'a?.tjg  nXeiovu  ytvri^ 
^"läserne  Steine  verschiedener  Form  v(^r- 
kaufe.  Daraus  g"eht  hervor,  daß  die  Griechen 
das  Glas  als  ein  äg-yptisches  Erzeug-nis  be- 
trachteten  und   danach  benannten.^) 

Daneben  kommt  auch  schon  bei  1  lero- 
dot  der  Ausdruck  vaXoc  oder  vsXog  vor^), 
jedoch  offen])ar  clx'nso  wie  bei  Aristoteles 
für  Berg-krystall,  das  dieser  für  eine  große 
aus  dem  Orient  kommende  Kostbarkeit 
erklärt.  Der  Ursprung'  des  Wortes  ist  bis- 
her noch  nicht  ermittelt,  (i.  Curtius'")  leitet 
es  von  veii'  regfnen  ab,  denkt  also  an  etwas, 
das  durchsichtig"  wie  ein  Reg^entropfen  ist. 
Dieser  g"ezwung'"enen  Deutung"  setzt  PVoeh- 
ner  eine  andere  plausiblere  entgegnen,  in- 
dem er  das  v  für  ein  altes  Digamma  nimn"it, 
was  das  Wort  äXg,  also  Siilz,  ergeben  würde.  Abb.  S2.  Lekythos  mit  sog. 
Glas  und  Salz  sind  einander  in  gewissen  Farnkrautmuster.  Ägyptisch. 
Zuständen  ähnlich,  ein  Umstand,  der  schon 

bei  den  Gkissärgen  der  Äthiopier  zu  Zweideutig"keiten  \"er- 
anlassung  g"ab.  Manche  halten  jenes  Wort  für  koptischen  Ur- 
sprunges, weil  die  Stadt  Koptos  in  Ägypten  \orzügliche  durch- 
sichtige Gläser  erzeug"t  haben  soll.^)  S})äter  l)ürg"erte  es  sich  als 
Bezeichnung"  des  durchsichtigen  Glases  neben  dem  xQvozceXXog 
ein,  so  daß  man  deutlich  zwischen  ihm  und  der  undurchsich- 
tigen XiMg  ivTn]  unterschied,   die   man   \ielleicht  für   einen   ganz 


^)  Froehner  a.   a.   O.   S.   4. 
2)  Herodot  III.   24. 
*)  Curtius,  Grundzüge  S.   397. 
■»)  Ilg  a.  a.   O.  S.    16. 


i66 

anderen  Stoff  hielt.  Der  Glaser  heißt  vaÄoif'dg  Glaskocher,  der 
Glasmacher  Nikokles  in  Sparta,  wohl  ein  Zeitgenosse  Ennions  aus 
dem  Anfange  der  christlichen  Ära,  nennt  sich  auf  einem  Gefäß- 
stempel vsXivonoiog^).  In  den  „Wolken"  des  Aristophanes  wird  der 
Ausdruck  valog  in  Verbindung  mit  einem  Brennspiegel  aus  Glas 
genannt,  in  welchem  man  das  Feuer  auffing.  Auch  die  berühmte 
Himmelsphäre  des  Archimedes,  die  Ckmdian  besingt,  war  aus 
Glas  und  nach  Ovid  ein  Werk  von  „vSyrakuser  Art  und  Kunst". 
Becher  aus  gegossenem  Stein  nennt  Plato  im  „Timäos".  Spätere 
Schriftsteller,  wie  Pausanias,  sprechen  \'on  einfachen  gläsernen 
Schalen;  da  dieser  seine  bekannte  Kunsttopographie  zwischen 
i8o  und  i8o  \or  Chr.  schrieb,  ist  er  freilich  nur  Zeuge  der  späteren 
Diadochenkunst  und  kann  sehr  wohl  iVrbeiten  seiner  Zeit  auf 
ältere  übertragen.  Von  ihm  stammt  auch  die  Nachricht,  daß 
Pausias,  ein  ]  lauptmeister  der  vSchule  \on  Sikyon,  im  Rundbau 
von  Epidauros  in  einem  berühmten  (iemälde  der  „Trunkenheit" 
eine  Frau  darstellte,  die  neben  einem  Liebesgotte  aus  einem 
Glase  trank.  Ihr  Gesicht  sei  hinter  dem  durchsichtigen  Glase 
sichtbar  gewesen.  Man  könnte  hier  an  ein  Krystallgefäß  denken, 
doch  hat  auch  ein  aus  farblos  durchsichtigem  Gkisfluße  model- 
lierter vmd  geschliffener  Becher  für  diese  Zeit  nichts  unwahr- 
scheinliches. Er  spricht  ferner  von  Geräten  aus  (rlas,  blauen 
SallDenflaschen  und  j)ur])urnen  Bechern  aus  Lesbos,  wo  seit  dem 
IV.  Jahrhundert  \'or  Chr.  zugleich  mit  der  noch  bedeutenderen 
von  Rhodos  eine  Glasindustrie  bestand,  deren  Ursprung  auf  die 
von  Naukratis  und  andere  ägyptisch-griechische  Werkstätten 
der  Nordküste  zurückzuführen  ist.  Noch  Athenävis  schreibt 
von  einer  schönen  vergoldeten  Kylix,  von  blauen  Glasgefäßen 
und  purpurnen  Glasbechern  aus  Lesbos.  Daneben  rühmt  dieser 
späte  Autor  die  Glaswerkstätten  \'on  Rhodos  und  erzählt, 
daß  sie  es  verstanden  hätten,  Tongefäße  durch  Brennen  mit 
Binsen-  und  Myrthenasche  durchsichtig  und  glasartig  zu  machen, 
„was  gewiß  mit  ihrer  Geschicklichkeit  in  der  Glasbereitung  zu- 
sammenhänge". Mit  dieser  Notiz  ist  wenig  anzuf^mgen.  Gewiß 
ist    nur,    daß    es    keine   Gefäße    aus   Ton    gewesen    sein    können. 


^j  Froehner   a.   a.    ( >.   S.    125.      Auf    einer    Inschrift    aus    Sparta    heißt    er    Sohn 
des   Tyndareus.      Vgl.   Welcker  im  bull,   del   instit.    1S44   S.    146. 


167 


sondern  nacli  den  ^'enainiten  Zusätzen  solche  aus  Gkis,  vielleicht 
iius  Bein-  oder  Hon\y-las,  das  schwach  durchscheinend  ist  und 
auch  in  Venedig"  durch  ähnliche  Zusätze  erzeug't  wird. 

Ein  auf  Rhodos  gefundenes  Glasgefäß  der  frühen  Kaiserzeit 
hat  den  Stempel  „Doros,  der  Rhodier".  Besonders  ergiebig-  waren 
auf  Rhodos  die  Gräber  von  Kameiros,  die  sehr  viel  opak-farloige 
Gläser,  zumeist  aus  der  Kaiserzeit,  lieferten.  Die  Funde  be- 
finden sich  zum  größten  Teile  im  Britischen  Museum.^)  In 
Rhodos  lassen  iiuch  einige  Autoren  jenen  berühmten  Krater  ent- 
standen sein,  der  mit  Weintrauben  im  Relief 
geschmückt  war,  so  daß  diese  grün  und  unreif 
erschienen,  wenn  der  Becher  leer  war  und 
purpurn  schimmerten,  wenn  man  AVein  in 
ihn  goß.  Nach  dem  Berichte  des  Achilles 
Tatius,  eines  Schriftstellers  aus  dem  III.  Jahr- 
hundert nach  Chr.,  in  dem  Gedichte  „Leukippe 
vmd  Klithophontes"  war  der  Krater  für  lli])- 
pias  von  Tyrus  bestimmt  und  danach  A\ohl 
in  dieser  Hauptstätte  der  Glasindustrie  ent- 
standen. 

Zur  Zeit  des  peloponnesischen  Krieges 
war  das  Glas  noch  ebenso  hoch  bewertet 
wie  Edelsteine,  ein  Beweis  für  seine  Selten- 
heit. Erst  in  der  römischen  Periode  wandten 
sich  die  Griechen  besonders  in  Kleinasien 
und  Ägypten  der  Glasindustrie  in  erhöhtem 
Maße  zu;  seitdem  die  Gefäßbildnerei  in  Ton  \on  ihrer  früheren 
Höhe  herabgeglitten  war  und  das  griechische  Kunstg^efühl  durch 
orientalische  Einflüsse  eine  Wandlung  erfahren  hatte,  wurde 
auch  der  Geschmack  und  das  Bedürfnis  an  Glaswaren  mit  ihrer 
leuchtenden  Farbenpracht  reger.  Zahlreiche  Griechen  arbeiteten 
zu  Beginn  der  Kaiserzeit  und  wohl  sclion  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten der  Republik  in  den  Werkstätten  von  Sidon.  Zu  ihnen 
gehört  wahrscheinlich  auch  PLnnion,  von  dem  in  !'antica])aeum 
(Kertsch)  eine  Ani])li()riskr  aus  farl)los-durchsichtigem  Glast^  mit 
feinen    Reliefornammien.     I^almetten,    Sc]ui])pen.    Zweigen    und 


Abb.   83.     Fläschcheii 

mit  bunter  Äderung. 

Neapel,   Museum. 


1)  Newton,    Guide  S.   38. 


i68 

Kanelluren  y-efunden  wurde,  die  in  der  Eremitage  \"on  Petersburg 
verwahrt  wird.  Andere  Arbeiten  Ennions  kamen  auf  der  Insel 
Kythräa  zum  Vorscheine,  mehrere  in  ItaHen,  wohin  er  wahr- 
scheinlich übersiedelt  ist:  Zierliche  Henkelbecher  in  Modena,  in 
Refrancore  bei  Asti,  in  Bagnolo,  Borgo  S.  Domenico,  in  Solonte 
auf  Sizilien,  im  Agro  Adriese.  Eines  der  besterhaltenen  Stücke,  aus 
Carezzano  bei  Vercelli,  ist  ein  Becher  aus  Kob^iltglas,  durchsichtig, 
verziert  mit  einem  Eierstabe  und  einem  Friese,  der  zwei  Tesserae 
einschließt.  Mit  ihm  wurde  eine  Münze  des  Clavidius  gefunden, 
welche  darauf  schließen  läßt,  das  er  zu  jenen  Glasarbeiten  gehört, 
deren  Erscheinen  unter  Tiberius  so  großes  Aufsehen  erregte  und 
den  Anlaß  zur  Entstehung  der  abenteuerlichsten  Nachrichten  über 
neue  Erfindungen  gab.  Ennion  signiert  seine  Arbeiten  mit  vollem 
Namen  an  auffälliger  Stelle  und  fühlt  sich  offenbar  als  Künstler 
und  Neuerer.^)  Als  Sidonier  bezeichnen  sich  zum  Teile  aus- 
drücklich die  Glasmacher  Artas,  Ariston,  Eirenaios,  Meges,  Neikon, 
Philippos,  durchwegs  Griechen  oder  doch  gräzisierte  Orientalen, 
die  wie  Ennion  und  vmgetähr  gleichzeitig  mit  ihm  auch  in  Italien 
gearbeitet  zu  haben  scheinen.  Artas  und  andere  Sidonier  ge- 
brauchen doppelsprachige  Stempel,  die  in  der  Form  der  Buch- 
staben auf  die  erste  Kaiserzeit  hinweisen.  Bruchstücke  mit  dem 
vStempel  des  Artas,  zumeist  Henkel  von  Bechern  aus  farblosem 
oder  farbigem,  aber  stets  durchsichtigem  Glase,  kommen  auch 
diesseits  der  Alpen  häufig  vor,  so  im  Österreichischen  Museum 
in  Wien,  mehrere  im  Antiquarium  zu  München,  wo  sich  auch  ein 
Henkel  mit  Stem])el  des  Phili])})os  befindet,')  imdere  in  Berlin, 
Würzburg-,  Brüssel,  Paris,  London  etc.  Ein  Glas  mit  Stempel 
des  Meges  kam  auf  der  Insel  Marion  zum  A^orschein,  auf  Melos 
neben  zahlreichen  anderen  Gläserfunden  einer  der  sidonischen 
vSiegesbecher  mit  der  Inschrift  AABE  THN  NIKHN  in  Relief. 
(Abb.  257,  258.)  Vier  schöne  alextmdrinische  Alabastra  kamen  von 
hier  in  das  Museum  von  Compiegne."')  Jene  einzigen  mit  ziemlicher 


^)  Vgl.  die  Stempel  Ennions  und  der  anderen  genannten  Glasmacher  im  Ab- 
schnitte X  „Stempel  und  Aufschriften  auf  Gläsern".  Näheres  über  die  Schule  von 
Sidon  enthält  der  Abschnitt  IX  „Geformte  Gläser". 

'-)  Nach  freundlicher  Mitteilung  von  Reg. -Rat  Custos  Folnesics  in  ^^'ien  und 
Dr.   W.   Riezler  in   München.      \'gl.   auch   Christ,   Führer  S.    119. 

^)   Froehner   a.   a.   U.   S.    120. 


169 

Sicherheit  chitierten  Erzeus^iiisse  der  altberülimteii  Werkstätten 
Sidoiis  und  Phöniziens  überhaupt  sind  in  I  lohltormen  jy^eblasen  und 
nehmen  nach  ihrem  Schmucke  zu  urteilen,  zumeist  auf  die  Kämpfe 
und  Wettspiele  der  Arena  und  den  bacchischen  Kultus  Bezuj^. 
Auf  Korfu  wurden  farl)iire  und  farblose  (jläser  der  Kaiserzeit 
aufjj-efunden,  in  Kephalonia  unter  anderem  ein  alexandrinisches 
.Alabastron,  jetzt  im  Louvre.  Auf  Cypern  lieferten  namentlich 
die  Gräber  von  Idalium  tausende  von 
(iläsern,  die  in  \-erschiedenen  MuseiMi 
Europas  zerstreut  sind,  Alabastra  und  \it^l 
von  der  bläulichgrünen  Gebrauchsware 
<l(>r  Kaiserzeit.  \"on  letzterer  Art  sind  die 
in  das  Musee  du  Cinquantenaire  in  Brüssel 
g'ekommenen  Gläser,  welche  in  den  For- 
men sehr  an  die  syrischen  erinnern.  Unter 
(\t^n  Funden  von  Melos  ist  noch  ein  Löffel 
aus  opakweißem  Glase  nachzutrag"en,  der 
im  Britischem  Museum  verwahrt  wird, 
ferner  zahlreiche  jener  viereckig"en  alexan- 
drinischen  Ölkannen  aus  bläulichgTÜnem 
Glase  mit  konzentrischen  Ring^en  am 
Boden.  Auf  Kreta  lieferte  die  Nekro])ole 
von  Rhodovani  (früher  Elyros)  Dosen  mit 
Deckeln  aus  ordinärem  Glase,  sowie  einen 
schönen,  jetzt  im  Louvre  befindlichen 
Kimtharos.  In  Panticapaeum  kamen  außer 

der  Amphoriske  Ennions  yroße  Massen  g-ewöhnlicher  Gel)rauchs- 
ware  zum  X'orschein.  In  Kertsch  erwarb  man  1S73  für  die 
Eremitag"e  einen  Irinkljecher  aus  farblosem  Glase  mit  \ier  Götter- 
sjfestalten  in  Relief. ')  uVbb.  205.)  In  Kleiuiisien  war  Kyzikos  ergnebig- 
in  farbig-en  inid  farblosen  (iläsern  der  Kaiserzeit,  ebenso  Abydos 
und  Thymbra  (Troas).  In  Knidos  fand  Newton  mehrere  luuulert 
lanj^halsig-e  ülfläschchen  aus  ordinärem  (jlase.  in  Attala  wurde 
ein  altchristliches  Goldgflas  g^efunden.^) 


Abb.   84.      Fläschchen   mit 
farbigen   Streifen. 
Breslau,   Museum. 


*)  Näheres  im  Abschnitt  IX  „Geformte  Gläser". 
-)  Froehner  S.    121. 


t:?»^ 


I/o 

Italien. 

Auch  in  Italien  lernte  man  das  Glas  durch  Import  aus  Ägypten 
kennen.  Zuerst  brachten  die  Phönizier  Perlen  in  die  Küsten- 
städte, namentlich  in  die  ihrer  Kolonien  in  Sizilien  und  Sardinien. 
Hier  fand  man  in  Tharros  eine  Halskette  mit  Masken  und  jenen 
eigentümlichen  mit  Masken  besetzten  Zylindern,  sowie  Götter- 
iigürchen  in  opakfarbiger  Paste,  von  welchem  oben  die  Rede 
war,  Arbeiten  aus  Alexandrien,  die  man  gewöhnlich  für  phönizisch 
ausgibt.  (Vgl.  S. 93.)  In  Tharros  und  Cornus  kamen  gegen  300  Gläser 
aller  Art  zum  Vorscheine,  zumeist  spätere  Erzeugnisse,  darunter 
zwei  farblose  Becher  mit  griechischen  Inschriften,  von  der  Art 
der  sidonischen  Siegesbecher,  ^lus  ftirblosem  in  Hohlformen  ge- 
blasenem (ilase.  Auf  einem  liest  man  den  Spruch  Kaxäxcciqs  v.ai 
evqiQaivov  auf  dem  anderen  Eigsd^wv  kcißs  tt^v  vixrjv.  Außerdem 
kamen  Massen   von  Glasperlen  zu  Tage. 

Die  lebhaftesten  Handelsverbindungen  mit  Ägypten  unter- 
hielt Etruri  en.  Infolge  dieser  fanden  außer  Perlen  besonders  zahl- 
reiche Alabastra  aus  opak-farbigem  Glase  mit  bunter  Fadenver- 
zierung in  Form  von  Bändern,  Zickzack  mit  ^Vellen-,  Korb-  und 
Farnkrautmustern  den  Weg  ins  L^md,  die  früher  wegen  der  Massen - 
haftigkeit  ihres  Vorkommens  in  etruskischen  Gräbern  für  Landes- 
])rodukte  gehalten  und  eigens  als  „etruskische  Gläser"  bezeichnet 
w  urden.  Sie  gehörten  zum  Bestattungskulte  und  wurden  dem  Leich- 
name, nachdem  er  mit  wohlriechenden,  zugleich  konservierenden 
Essenzen  und  Wein  begossen  worden  war,  neu  gefüllt  ins  Grab  bei- 
gegeben, gewöhnlich  parweise.  Die  Römer  befolgten  die  gleiche 
Sitte.  Die  Haupteinfuhr  fand  in  Caere  (Cervetri)  statt,  dessen 
(rräber  denn  auch  besonders  reich  an  Alabastren  und  anderen 
farbigen  Gläsern  ägyptischer  Herkunft  sind.  Andere  Fundorte 
sind  Monteroni,  Veii,  Sta.  Marinella,  Toscanella,  Vulci,  Chiusi 
und  Volterra.  Die  Funde  sind  in  alle  AVeit  zerstreut,  das  meiste 
von  ihnen  verwahren  dit  Museen  von  Florenz,  London  und  Paris. 
In  Pyrgoi  bei  Sta.  !Marinella  wurde  auch  eine  kleine  blaue 
Oenochoe  mit  weißen  Stacheln  gefunden^),  in  Pisa  der  Rest  einer 


»)   Bulletins  VI   S.   212  f. 

1)   Abeken   a.   a.   O.,   S.   267   (Abbildung). 


I/I 


Vase  aus  der  Kaiserzeit  mit  einer  t^raxierten  Zirkusszene  (Abb.  247), 
in  [sola  Farnese  aul5er  Resten  irläserner  \Vand-  und  Fußboden- 
bekleidunL,»-  eine  Menyfe  von  Millefioribruchstücken.  Milleliori 
und  marmorierte  Gläser  siiul  am^h  an  den  anderen  F'undstätten 
häufig.  Ein  Beweis  für  den  ägyptischen  Urs])rung  der  etruski- 
schen  Gläser  liegt  überdies  darin,  daß  neben  ihnen  in  den  (iräbern 
oft  Scar^lbäen  und  Uschebtis  liegen.  ]Man  nannte  sie  und  die 
farbigen  Gläser  der  frühen  K^iiserzeit  überhau])t  aueh  griechische 
oder  phönizische,  wie  F>oehner  meint  aus 
keinem  anderen  Grunde,  als  weil  man 
das  Bedürfnis  fühlte,  die  Lücken  in  unserer 
Kenntnis  griechischer  luul  phönizischer 
(ilasmacherei  auszufüllen. ■')  Dabei  beging 
man  wie  bei  den  etruskischen  Funden  den 
F^ehler,  das  F^undgebiet  mit  dem  Ursprungs- 
lande zu  identifizieren.  Allerdings  kommen 
jene  Gläser  auf  dem  griechischen  F^stlande. 
in  Attika  und  Korinth.  auf  den  Inseln,  in 
Unteritiüien.  namentlich  in  Cumae,  Ruvo 
und  Fasano  häufig  \or,  viel  häufiger  aber 
noch  im  Orient,  im  Stammlande  Ägypten, 
den  Gräbern  von  Theben  und  ^Memphis,  in 
den  unerschöpflichen  Fundgruben  von 
Cypem  und  Rhodos,  der  Xekropole  von 
Kameiros.    F)er  ]\Iär  von  dem  phönizischen 

Ursprünge  der  alten  farbigen  Gläser  mit  F'adenschmuck  haben 
namentlich  die  Massenfunde  von  Flinders  Petrie  in  Teil  el  Amarna, 
Gurob  und  anderen  ägyptischen  Stätten  ein   Ende  gemacht.") 


Abb.    85.      Fläschchen    mit 

farbigen  Streifen.  New^'ork, 

Melropolitan-.Museum. 


^)  Froehner  a.  a.  O.,  S.  41  f. 

^)  Während  die  Archäologen  über  diese  Frage  nunmehr  einig  sind,  wollen 
manche  Sammler,  wahrscheinlich  um  dadurch  die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Schätze  zu 
erhöhen,  auf  die  Selbständigkeit  der  i>l)önizischen  und  griechischen  (Glasindustrie  noch 
immer  nicht  verzichten.  Zu  diesem  Zwecke  versuchen  sie  allerlei  technische  und 
stilistische  L'nterschiede  zwischen  ihnen  und  den  ägyptischen  Vorbildern  aufzustellen. 
Der  Scharfblick  des  einen  geht  so  weit,  in  den  Varianten  des  Farnkrautmusters  natio- 
nale Eigenheiten  zu  erkennen.  Im  allgemeinen  möchte  man  für  Ägypten  besonders  sorg- 
fältige Arbeit  und  scharfe  Formen  in  Anspruch  nehmen,  während  die  anderen  Gläser  sich 
durch  größere  Flottheit  und  Leichtigkeit,  Weichheit  und  Rundung  kennzeichnen,  wobei 
namentlich  die  griechischen  sehr  stark   durch  ihre  eigene  nationale  Formensprache  be- 


172 

Unter  den  Römern  ist  Cicero  der  erste,  der  über  Glas  be- 
richtet. In  seiner  54  vor  Chr.  gehaltenen  Rede  pro  Rabiro 
Postumo  14,  40  spricht  er  zuerst  von  gläsernen  Hausgeräten.  Er 
gebraucht  dabei  das  Wort  .\'itrum',  dessen  Ableitung  den  Philo- 
logen noch  immer  unüberwindliche  Schwierigkeiten  bereitet.  Die 
Erklärung  des  Isidorus,  dal»  damit  angedeutet  werde,  es  sei  für  den 
Blick  (visui)  durchsichtig,  bezeichnet  Ilg  mit  Recht  als  eine  halt- 
lose Tändelei.  Nach  Jakob  Grimm  heißt  vitrum  eine  Pflanze, 
deren  Saft  \on  den  Kelten  Britanniens  zum  Tättowieren  benutzt 
wurde.  Im  Gälischen  heißt  diese  Pflanze  Glas,  Glasdu  oder 
Glaslys-^}.  Darnach  hätte  es  den  Anschein,  als  ob  die  Römer  ihre 
Kenntnis  des  Glases  den  Kelten  zu  verdanken  haben,  während  das 
Umgekehrte  der  Fall  ist.  Die  Kelten  gebrauchen  vielmehr  für  Glas 
den  von  vitrum  abgeleiteten  Ausdruck  gwydr  (gälisch)  und  gwer 
(bretonisch  g  =  v).  Der  Glasmacher  heißt  in  Rom  vitrearius 
oder  vitriarius,  Glaswaren  wurden  vitrea  oder  vitreamina  genannt, 
daneben  erhielt  sich,  wie  im  Griechischen,  für  durchsichtig-farb- 
loses Glas  der  Ausdruck  crystallum.  Str^ibo  bezeichnet  es  als 
xQvaTa/i./.o(fC(vrj. 

Das  älteste  Glas  ist  aus  Ägypten  eingeführt.  Außer  Schmuck- 
perlen fand  man  in  Sta.  Lucia  kleine  Schälchen  aus  farb- 
losem Glase,  jenen  gleich,    die    auch  diesseits   der  Alpen   in  den 


cinflußt  seien.  Kennereitelkeit  mag  sich  auf  die  Feststellung  solcher  Unterschiede  viel 
zu  gute  halten.  Ihr  Bestand  ist  nicht  zu  leugnen,  aber  ihre  Deutung  ist  vollkommen 
verfehlt.  Gerade  altägyptische  Arbeiten  zeichnen  sich  durchaus  nicht  durch  scharfe 
Formen  aus,  wie  z.  B.  die  Vasen  Tutmosis'  III.  in  München  und  London,  die  Becher 
der  Prinzessin  Xsichonsu  und  andere  Gläser  aus  der  i8.  Dynastie,  der  Blütezeit  der 
alten  Industrie.  Dagegen  übertreffen  die  in  Hohlformen  geblasenen  (iläser  Alexan- 
driens,  die  Arbeiten  der  frühen  Kaiserzeit,  an  Schärfe  selbst  die  sorgfältigsten  Leistungen 
der  Pharaonenepoche,  die  noch  mit  freier  Hand  modelliert  sind.  Gar  manches  Glas, 
welches  ob  seiner  exakten  Arbeit  von  Sammlern  der  Blütezeit  Thebens  zugewiesen  wird, 
ist  tatsächlich  aus  einer  der  gräzisierten  Werkstätten  des  Orientes  oder  Italiens  hervor- 
gegangen und  umgekehrt  manche  malerisch  flotte  Leistung  aus  Teil  cl  Amarna  oder 
Gurob.  Und  was  das  Hervortreten  griechischer  Formen  betrifft,  so  beweist  dies  an 
und  für  sich  noch  nicht  griechischen  Ursprung,  denn  das  ägyptische  Kunsthandwerk 
verschloß  sich  solchen  keineswegs.  Schon  in  der  saitischen  Epoche  arbeiteten  die 
besonders  dem  Exporte  nach  Griechenland  und  den  Inseln  dienenden  Werkstätten  von 
Naukratis  sehr   viel   mit  griechischen  Mustern. 

'1   Grimm,   Kleine   Schriften   II    123.      Diefenbach,   Celtica  I   27,    139;   II  446. 


/.-) 


Gräbern  der  s})äten  I  lallstacltperiode  vorkommen  (\'^1.  S.  158), 
doch  machten  erst  die  Orientfeldzütre  Sullas  die  Römer  näher  mit 
dem  seltsiimen  Materi^lle  bek^mnt.  Im  Jahre  58  vor  Chr.  ließ  Scaurus 
das  von  ihm  erbaute  Theater  nach  orientalischen  \^orbildern,  wie 
er  sie  beim  Feldzug-e  geg^en  Mithridates  kennen  g-elernt  hatte,  teil- 
weise mit  Glasplatten  verkleiden,  die  er  aus  Alex£mdrien  bezoyf. 
Die  einen  ahmten  wahrscheinUch  Marmor  nach,  die  anderen  stellten 
in  Cberfang-technik  farbii^e  figürliche  und  ornamentale  Reliefs  dar. 
Das  erste  vStockwerk  des  Gebäudes  war  im  Inneren  mit  Miirmor- 
platten,  das  zweite  mit  Glasplatten,  das  dritte  mit  vergoldetem 
Holze  ausgestattet^).  Ungefähr  gleichzeitig 
mit  Cicero  spricht  Lucretius  von  gläsernem 
Geschirr.^)  Es  war  damals  noch  sehr  kost- 
bar, namentlich  das  f^irblos-durchsichtige,  das 
den  Krystall  nachahmte,  so  daß  die  Dichter 
des  augusteischen  Zeitalters  mit  \'orliebe. 
wenn  sie  die  Reinheit  und  den  Glanz  des 
Quellwassers  oder  des  Taues  schildern  wollen. 
Vergleiche  mit  Glas  anwenden:  Föns  splendi- 
dior  vitro,  ros  vitreus,  unda  vitrea  heißt  es 
in  verschiedenen  Varianten.  ..Maximus  tarnen 
bonos  in  candido  tralucentibus  quam  proxima 
crystalli  similitudine"  sagt  noch  Plinius.  Wie 
die  Griechen  machten  auch  die  Römer  einen 
Unterschied  zwischen  farbigem  und  farb- 
losem   Glase,    das    vielfach    als    ein    neuer 

und  verschiedenartiger  Stoff  gelten  mochte.  Als  nach  der  Be- 
siegung Ägyptens  durch  Augustus  (26  vor  Chr.)  ein  Teil  des 
Tributes  in  Form  von  Glaswaren  entrichtet  wurde  und  aus 
/Vlexandrien  Massensendungen  von  gewöhnlicher  Gebr£iuchswiire 
eingestroffen  waren,  sank  diese  bald  im  Preise.  Virgil,  (Jvid, 
Properz,  Ilor^iz  und  Dio  Cassius  schreiben  bereits  darüber  als  über 
etwiis  alltägliches.  Letzterer  s£igt  bei  Gelegenheit  der  \'erleihung 
des  Bürgerrechts  unter  Claudius:  ..Dieses  sonst  so  teuer  erkaufte 
Recht  ist  im   Preise  so  herabgesunk<Mi.   daß   man   es  chmi   ersten 


Abb.  86.    Fläschchcn  mit 

bunter  Äderung. 

New  York,   Metropolitan- 

-Museum. 


')  Plinius  36,    114. 

")   Lucretius,   de  rcruni   natura   I\"   608,   606,   \'I   991. 


174 

besten  an  den  Kopf  wirft   und  daß  man  für  einige  zerbrochene 
Gläser  römischer  Bürger  werden  kann."^) 

Der  um  25  nach  Chr.  verstorbene  Geograph  .Strabo  schätzte 
den  ägyptischen  Sand  für  die  Glasbereitung  höher  als  jeden 
anderen,  doch  gesteht  er  später  selbst,  daß  es  nicht  besonders 
darauf  ankomme,  woher  der  Sand  genommen  werde,  weil  man 
überall  solchen  fände,  der  hiezu  geeignet  gemacht  werden  könne. 
Seit  man  in  augustäischer  Zeit  an  der  Mündung  des  Volturnus 
ein  feines  vSandlager  entdeckt  hatte,  wurde  die  Glasfabrikation 
mit  Hilfe  alexandrinischer  Werkleute  in  Italien  selbst  betrieben. 
Dieses  breitete  sich  an  der  Küste  zwischen  Cumae  und  Liternum 
in  einer  Strecke  von  sechstausend  Schritten  aus.")  Man  zerteilte 
den  Sand  mit  den  Hammer,  mahlte  ihn  in  Mühlen  und  schmolz  ihn 
in  den  Hütten  von  Puteoli,  wo  sich  ein  eigener  clivus  vitrearius, 
ein  Glasmacherquartier,  bildete.  Unter  der  Regierung  des 
Tiberius,  14  nach  Chr.,  entstanden  in  Rom  selbst  an  der  Porta 
Cassena  Glaswerkstätten,  anfangs  gleichfalls  unter  alexandri- 
nischen  Werkleuten,  in  welchen  man  mit  Alexandrien  zu 
wetteifern  begann.'')  vSeneca  nennt  hier  bereits  den  Zunftbetrieb. 
Er  spricht  auch  von  der  Kunst  des  Glasblasens,  offenbar  als  von 
einer  neuen  Erfindung  und  gibt  seine  stoische  Erhabenheit  über 
Modelaunen  durch  die  Worte  kund,  daß  es  im  Grunde  gleich- 
gültig sei,  ob  ein  anständiger  Mensch  aus  einfachem  oder  feinem 
Glasgeschirre  trinke. 

In  die  Zeit  des  Tiberius  fällt  die  Sage  von  der  Erfin- 
dvmg  des  hämmerbaren  Glases.  Sie  findet  sich  zuerst  in 
den  Schriften  des  Petronius,  des  Zeremonienmeisters  und  Ver- 
trauten Neros,  Autors  des  „Gastmales  des  Trimalchio"  und 
ist  von  da  zu  Dio  Cassius  und  in  die  Rezeptensammlung  des 
Heraclius  übergegangen,  wobei  sie  auf  dem  langen  Wege 
manche    Veränderung     erfuhr.      Auch     Plinius     kennt     sie,     be- 


^)  „Jus  illud  magna  quondam  pecunia  venditum  adeo  tunc  vile  factum  est,  ut 
vulgo  iactantem  fuerit;  etiam  si  quis  alicui  vasa  vitrea  confracta  dedisset,  civem  Ro- 
manum  fore."  In  Claudium  lit.  IX.  Vgl,  ferner  Vergil,  Georgica  4,  350,  Aeneis  7, 
759;  Ovid,   Amores  I,  655;   Properz  IV  8,  37;  Horaz,  Oden  III  13,  i,  Satyren  II  3,  222. 

2)   Phinius   50,    194. 

')   Ders.   36,   26,    194. 


handelt  sie  aber  ziemlich  skeptisch^)  Diese  Anekdote,  welche 
im  Mittelalter  höchst  anreg-end  auf  die  Experimente  der 
Alchymisten  wirkte,  besagt,  daß  einst  ein  Mann  eine  Gkis- 
mischung  erzeugt  habe,  welche  biegsam  und  hämmerbar  war. 
Als  er  vor  Kaiser  Tiberius  in  Audienz  erschien,  um  seine 
P>findung  vorzuführen,  sei  dieser  ergrimmt  und  habe  die  vor- 
gezeigte Schale  heftig  zu  Boden  geworfen,  wobei  sie  sich 
wie  ein  Gefäß  aus  Erz  zusammenbog.  Der  Erfinder  aber  habe 
sie  ruhig  aufgehoben,  ein  Hämmerchen  hervorgezogen  und  mit 
diesem  in  einigen  Augenblicken  den  Schaden 
wieder  ausgebessert.  Nun  frug  der  Kaiser  ob 
sich  außer  dem  Künstler  noch  ein  anderer 
auf  die  \"erfertigung  solcher  Schalen  ver- 
stünde, und  als  dies  verneint  wurde,  sei  der 
Refehl  ergangen,  dem  Künstler  —  das  Haupt 
iibzuschlagen ,  damit  nicht  durch  die  Aus- 
nützung einer  Erfindung  \'on  so  unerhörter 
Tragweite  alles  Gold  und  Silber  entwertet 
würde.  Offenbar  liegt  in  den  Schlußworten 
der  Schlüssel  zur  Enträtselung  dieser  Anek- 
dote. Durch  die  P>findung  des  (flasblasens, 
ntimentlich  in  Hohlformen,  waren  die  Glas- 
macher instand  gesetzt  Gefäße  mit  Relief- 
schmuck und  plastische  Rundfiguren,  wie  man  sie  bisher  in 
Metall  getrieben  hatte,  auch  in  Glas  herzustellen.  Alles  andere 
ist  phantastischer  Aufputz,  von  Laien  hervorgerufen,  welchen 
(»in  Reliefglas  ein  unerklärliches  Wunderwerk  deuchte,  dessen 
plastische  Formen  sie  sich  nicht  anders,  denn  als  getriebene 
Arbeit  in  einem  rätselhaft  bildsamen  Stoffe  vorstellen  konnten. 
Sprechen  ja  doch  selbst  noch  Gelehrte  des  XIX.  Jahrhunderts 
von  „getriebenen"  Gläsern!  Es  ist  wohl  zu  beachten,  daß  gleich- 
zeitig in  Italien  di(^  sidonischen  Reliefgläser,  die  Arbeiten  des 
Ennion,  Artas  und  anderer  Griechen  oder  gräzisierter  Orientalen 
auftauchen,  welche  Met^dlgefäße  mit  getriebenen  Reliefs  in  Glas, 


.^bb.   87.     Fläschchen 
mit   Korbmuster. 
Neapel,   Museum. 


*)  Petronius  Satyricon  cap.  51.  Plinius  36.  195.  Dio  Cassius  57,  21.  He- 
raclius  III  6.  Vgl.  Ilg,  Ausgabe  d.  Heraclius,  Note  auf  S.  133  f.  Eingehend  wird  dieses 
Thema  im  Abschnitte  V  behandelt. 


176 

gleichsam  in  einem  körperlosen  Stoffe  nachahmten  und  dadurch 
ungeheures  Aufsehen  erregten.  Das  war  etwas  so  gänzlich  neues, 
daß  man  gar  nicht  daran  dachte,  dem  Glase,  das  bisher  fast 
ausschließlich  als  farbige  Paste  zur  Nachahmung  von  Edelsteinen 
und  Marmor  benutzt  worden  war,  die  Fähigkeit  zuzutrauen,  mit 
Metall  in  der  Bildsamkeit  wettzueifern.  Das  durchsichtige  ge- 
blasene Glas  erschien  den  Laien  als  ein  von  dem  bisher  bekannten 
Glase  ganz  verschiedenes  Material  und  noch  lange  nachdem  die 
Identität  beider  Stoffe  allgemeiner  bekannt  geworden  war,  lebte 
die  frühere  Trennung  in  den  besonderen  Bezeichnungen  von 
vitrum  und  crystallum  bei  den  Römern,  sowie  hl^og  yvrri  und 
vaXog  bei  den   Griechen  fort. 

Das  Glas  war  allmählig,  besonders  unter  Nero,  ganz  wohl- 
feil geworden,  so  daß  man  einen  gewöhnlichen  Becher  schon 
für  eine  mittlere  Kupfermünze  erwarb,  doch  verstand  man  es 
auch  daneben  die  Preise  feinerer  Arbeiten  gewaltig  in  die  Höhe 
zu  treiben.  Nero  bezahlte  für  zwei  kleine  Becher  von  Krystall- 
glas  6000  Sesterzen,  d.  h.  ungefähr  900  Mark^).     Plinius  schreibt 

darüber  wc'irtlich:   sed  quid  refert,   Neronis  principatu  repert£i 

vitri  iirte  quae  modicos  calices  duos  quos  appellabant  petrotos 
H.  S.  VI  venderet".  Der  Ausdruck  „petrotos"  ist  sinnlos  und 
offenbar  entstellt.  Wieseler  schlug  dafür  die  Lesarten  „pertusos" 
und  „perforatos"  \or,  Übersetzungen  des  Griechischen  diaxqriTdc^ 
Friedrich  machte  daraus  sogar  „peritretos"'^).  Ich  glaube,  daß 
die  Verwirrung  nicht  durch  den  Irrtum  eines  Abschreibers, 
sondern  erst  später  durch  den  eines  Setzers  entstanden  ist,  und 
daß  eine  einfache  Metathesis  den  Sinn  wieder  herstellt,  nämlich 
pterotos  anstatt  petrotos.  Nicht  durchbrochene  Netzgläser,  die 
man  seit  Winckelmann  gewohnt  ist,  als  Diatreta  im  besonderen 
zu  bezeichnen,  sondern  „geflügelte"  Gläser  hat  Nero  gekauft,  die 
sonst  auch  calices  alati  genannt  werden,  leichte,  zierliche  Becher, 
die  luftig  wie  Vögelchen  waren,  körperlose  Krystallgefäße.  An 
Flügelgläser  nach  Art  der  späteren  \-enezianischen,  mit  flügel- 
artigen phantastischen  Henkeln,  braucht  man  dabei  nicht  not- 
wendig zu  denken,  obgleich  solche  den  Römern  sehr  wohl  bekannt 


^)   Plinius   36,    195. 

-)   C.  Friedrich,  lionner  Jahrb.  74,  S.  i6l.   J.  Wiesclcr,  Bonner  Jahrb.  60,  S.  121. 


177 


warten  und  den  Venezianern  die  Muster  lieferten.  ( deiciizeitig 
übertrug-en  diese  willkürlich  den  Namen  jener  kdtis^'en  rc'unisehen 
Krystidlgläser  auf  ihre  I  lenkelg'läser.  Martial,  welcher  an  der 
Wende  des  I.  und  II.  Jahrliunderts  lebte,  spricht  t^leichüdls  von 
diesen  kostbaren  Bechern  Neros,  bezeichnet  sie  als  Diatreta,  als  un- 
nachahmliche Wunderwerke  und  zählt  sie  wohl  zu  den  Krystallen, 
die  er  als  Sendung-  vom  Nil  preist^).  Er  g^ebraucht  als  erster 
in  der  cUitiken  Literatur  den  Ausdruck  Diatreta  für  dlasbecher 
nicht  näher  g-ekennzeichneter  Art  und  galt  daher  ^ds  Hauptstütze 
der  Ansicht,  daß  die  Winckelmannschen  Diatreta  schon  in  der  Zeit 
Neros  hergestellt  worden  seien.  Wir 
werden  später  sehen,  daß  er  damit 
nur  geschliffene,  mit  dem  Rade  bt-- 
iirbeitete  Gläer  im  allg'emeinen,  im 
Gegensatze  zu  den  einfachen  gebla- 
senen, meinte.  Poetisch  spricht  ]\Iar- 
tial  \'on  den  luftigen  Glaswaren  als 
„nimlnis  \itreus".  Kaiser  Lucius 
Verus  trank  mit  Vorliebe  aus  einem 
Glase  ähnlicher  vSorte,  das  er  nach 
seinem  Leibrosse  „\"olucris"  be- 
nannte, vermutlich  um  anzudeuten, 
daß  beide  leicht  wie  die  Luft,  leicht  wie  der  Wind  seien.') 

Zu  Plinius'  Zeiten  hatten  gläserne  Becher  bereits  die  goldenen 
luid  silbernen  bei  den  Gastmälern  der  Reichen  verdrängt.  In 
Pompeii  arbeitete  diimals  der  Glasmacher  Publius  (iessius 
Ampliatus,  der  seine  in  Formen  geblasenen  Gefäße  nach  sido- 
nischer  Art  mit  Reliefs  versah  imd  stempelte,  in  Rom  selbst 
iihmte  diese  Asinius  Philippus  nach.  Auch  C.  Sal\-ius  (iratus, 
von  dem  man  ein  (jlas  in  Pavia  f^md,  C.  Leuponius  Borvonicus, 
A.  Volumnius   Januarius,    x\m^lranthus,    Paccius    Alcinus   und  L. 


Abb.  88 


Schale   mit  farbigen   Reti- 
cellastreifen. 
Florenz,   Altertümersammlung. 


\)   Martialis,   Epistolae    i,   42;   9,   60;    10,   3. 

-)  ,,Calicem  nomine  volucrem  ex  eius  equi  nomine."  Julius  Capitolinus  im 
Leben  des  Lucius  Verus.  Dünnwandigkeit  wurde  auch  in  der  Keramik  geschätzt,  wie 
die  auffallend  dünnen  und  scharf  profilierten  Gefäße  aus  Terra  nigra  beweisen.  Man 
wollte  dadurch  eine  Eigenschaft  des  Metalles,  sich  bis  zur  äußersten  Dünnwandigkeit 
treiben   zu  lassen,   nachahmen. 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  12 


Aemilius  Blastus  dürften  in  der  ersten  Kaiserzeit  tätig"  g'ewesen 
sein.  vSpäteren  Zeiten  gehören  die  Werkstatt  der  Firmier  Hilaris 
und  Hylas,  des  Caecilius  Hermes,  Claudius  Onesimus,  Lucretius 
Festivus,  Pollius  Bassus,  Titienus  Hyacinthus,  Tiberinus  u.  a.  an. 
.Schöne  Rehefgläser  campanischer  Werkstätten  enthält  das 
Museum  von  Neapel,  auch  die  Sammlung-  Piot.  Sie  stammen 
aus  Pompeii,  Herculanum,  Bajae,  Cumae  und  aus  Ruvo  in 
Apulien.  Die  Raccolta  Cumana  des  Xeapeler  Museums  ist  be- 
sonders reich  an  opak-farbigen  Gläsern,  ^luch  die  Gläser  in  Form 
von  Gänsen  und  Enten  der  Sammlung  Slade  (jetzt  im  Britischen 
Museum)  sind  campanisch,  ferner  das  Bruchstück  einer  Flasche, 
auf  der  mit  Gold  und  Emailfarben  die  Küste  von  Puteoli  ge- 
schildert ist^)  und  ähnliche  .Stücke  des  Museo  Campana  in  Rom: 
doch  stammen  diese  nach  den  Darstellungen  erst  aus  dem  III. 
und  IV.  Jahrhundert.  Aus  Ruvo  rührt  ein  \orzügliches  Stück 
in  Glasmosaik  her,  das  noch  näher  besprochen  werden  wird 
aus  Pompeii  neben  etwa  3000  ordinären  Gläsern,  Aschenurnen 
und  Gebrauchsgeräten  aller  Art,  die  zum  großen  Teil  aus 
Alexandrien  importiert  sind  und  die  üblichen  Formen  des 
bläulichgrünen  Geschirres  zeigen,  auch  feine  farbige  Gläser, 
großenteils  aus  dem  Hause  des  Diomedes,  und  sehr  viele  farb- 
lose und  farbige,  durchsichtige  Glasgefäße,  Becher,  Schalen, 
Flaschen,  Kannen  mit  Buckeln,  Rippen,  .Stacheln  vmd  Kanelluren. 
Unter  den  gerippten  Gläsern  sind  die  flachkugeligen,  auch  dies- 
seits der  Alpen  übenül  vertretenen  .Schalen  besonders  häufig.  In 
ihnen,  wie  in  mehreren  anderen  Gefäßen  treten  feine  griechische 
Profile  bei  den  älteren  Arbeiten  deutlich  zum  Unterschiede  von 
den  späteren  hervor:  sie  zeichnen  sich  auch  durch  bessere, 
Qualität  aus.  Die  campanischen  Werkstätten,  besonders  die 
von  von  Cumae,  lieferten  neben  Luxusgläsern,  wie  solchen 
mit  Überfang  und  Gravierung,  namentlich  die  in  Hohlformen  ge- 
blasene Ware,  kunst\'olle  Reliefgläser  und  zugleich  ganz  einfache 
.Sorten,  aber  in  reinem,  farblos  durchsichtigem  Material.  Gerade 
diese  bildeten  den  Hauptteil  der  Produktion  und  galten  als 
.Spezialität  der  Werkstätten.  Horaz  schreibt  an  Maecenas,  um 
ihm  einen  Begriff  von  der  Einfachheit  seines  Haushaltes  zu  geben, 


Abgebildet  in   der  Archäol.   Zeitung   X.   F.    26,   T.    11. 


179 


dal)   man   Ix-i   iliiii   nur  canipaiiisches  Geschirr  .Canipana  su]iellex' 
finde.  ^) 

Die  Kunst  des  Blasens  in  Formen  wurde  früh  zu  natura- 
hstischen  Bildungen  austrenützt.  Außer  Tiergestalten ,  wie  die 
Gänse  und  Enten  der  Sammhnig-  Slade,  bet>fann  mau  in  Alexan- 
drien  bald  aus  der  Keramik  das  Rhyton,  das  Trinkhorn  in  Glas 
zu  übertr£ig"en,  daneben  menschliche 
Köpfe,  besonders  solche  von  Negern 
und  ganze  Figuren  nachzubilden. 
Xero  soll  seinen  Spaß  an  Karika- 
turen gehabt  haben,  die  man  ..Schuh- 
flickergläser'  nannte,  nach  seinem 
verkrüppelten  Hofnarren,  einem 
ehemaligen  Schuster  aus  Benevent. 
Auch  priapäische  Formen  wandte 
man  auf  frinkgefäße  an,  besonders 
Becher  in  Phallusgestalt  gehören 
nicht  zu  den  Seltenheiten.  Man 
findet  sie  aucli  am  Rhein,  doch 
braucht  man  in  ihnen  ebensowenig 
wie  in  den  zahlreichen  Anhängern 
aus  Bronze  in  Form  des  Phallus 
und  der  Fica  bloße  Fascivitäten 
suchen.  Der  Phallus  wurde  ja  auch 
als  Amulett  getragen  und  diente  in 
der  ganzen  Antike,  wie  im  Oriente 
und  noch  heute  bei  einigen  Natur- 
völkern als  iiTonov,  als  vSchutzmittel  gegen  den  bösen  Blick  und 
unholde  Geister. 

Nach  der  Zeit  Neros  bürgerte  sich  das  Glas  immer  mehr  ein. 
Die  Industrie  überschritt  die  Grenzen  Italiens  und  fand  in  Spanien, 
diesseits  der  Alpen,  besonders  in  Gallien,  am  Rhein  und  in  England 
neue  Pflanzstätten,  die  sich  rasch  entfalteten  und  vom  Beginne 
des   IL  Jidirhunderts    ab    Italien,    Svrien    und    selbst    Alexandrien 


Abb.   89.      Fläschchcn  mit  Spiral- 
faden. Breslau,  Kunstgewerbe-Mus. 


Lapis  albus 
Pocula  cum  cyatho  duo  sustinet;  adstat  ecliinus 
Vilis,  cum  patera  guttus:  Campana  supcllex.     Satyr.  I  6. 


i8o 

wirksame  Konkurrenz  machten.  Um  die  Wende  des  Jahrhunderts 
spricht  Juvenal  wiederholt  von  ( iläsern  ^),  vor  ihm  schon  Statins,  der 
wieder  einmal  von  der  Verwendung  des  Glases  zu  architektonischer 
Dekoration  zu  berichten  weiß  und  den  gläsernen  Deckenbelag" 
der  Bäder  des  Etruscus  rühmt,  der  in  Gold  und  Farben  prangte.") 
Zu  Meirtials  Zeiten  befanden  sich  in  Rom  Glaswerkstätten  am 
flaminischen  Zirkus,  deren  Erzeugnisse  als  minderwertig  bezeichnet 
werden,  im  Gegensatze  zu  den  Leistungen  der  xVlexandriner. 
Hadrian  schätzte  letztere  besonders  hoch.  Ein  ägyptischer  Priester 
übersandte  ihm  einige  Gläser,  von  welchen  er  zwei  seinem 
Schwaiger,  dem  Consul  Servi^mus  schenkte,  mit  der  Mahnung, 
sie  nur  bei  besonders  feierlichen  Anlässen  zu  benützen.  Sie 
werden  als  „Calices  allassontes  versicolores"  bezeichnet,  als  bunt 
schillerndes  Glas,  bei  welchem  das  in  einem  gewissen  Winkel 
schräg  auffallende  Licht  Komplementärfarben  hervorruft,  also 
wohl  in  unserem  Sinne  ein  Opalglas.  Dieses  wird  durch  Zusätze 
von  Knochenasche  erzeugt,  behält  aber  die  Farben  und  den 
Schimmer  nicht  allzulange  bei,  so  daß  es  nicht  Wunder  zu  nehmen 
braucht,  wenn  nichts  von  derartigen  Gläsern  aus  der  Antike 
erhalten  ist. '^j 

Dagegen  dürften  sich  die  rätselhaften,  vielbesprochenen 
murrinischen  Gefäße,  die  schon  Plinius  rühmt,  sehr  zahlreich 
erhalten  haben*).  Indem  ich  auf  die  eingehende  Behandlung 
dieses  Themas  im  VIII.  Abschnitte  dieses  Buches  verweise, 
möchte  ich  hier  nur  in  kurzen  Zügen  meinen  von  den  üblichen 
Ansichten  abweichenden  Standpunkt  festlegen. 

Der  unter  lladri^m  und  Marc  Aurel  lebende  griechische 
Schriftsteller  Arri^ui  spricht  von  „vasa  vitrea  atque  murrina,  in  urbi 
Diospoli  (Theben)  elabor^ita".")  Aus  der  Gegenüberstellung  von  Glas 
und  Murrinen  glaubte  man  schließen  zu  müssen,  daß  sie  aus  einem 
anderen  Stoffe  als  Glas  hergestellt  worden  seien.     Fast  drei  Jahr- 


^j  Juvenalis,  sat.    5,   48. 

-j    1'.   Papinius   Statins,   Silviae   I   6,    73. 

^)  ,, Calices  tibi  alassontes  versicolores  transmisi,  quos  mihi  sacerdos  templi 
obtulit,  et  tibi  et  sorori  meae  specialiter  dicatos,  (juos  tu  velim  in  festis  diebus  con- 
viviis  adhibeas".      Vopiscus,  vita   Saturnini   cap.   8,    10. 

^)   Plinius   36,    198;   37,    18,   21. 

^)   Arrianus,   peripl.   mar.    Erilhr.   (Oxoniae    1698;   S.   4. 


i8i 

liundtTtf  -^ind  sie  Geg'enstand  eines  hitzigen  Streites.  Zuerst  soll 
sie  Ponipeius  mit  di^r  Beute  des  Mithridates  im  Jahre  6i  vor  Chr. 
nach  Rom  g"ebracht  haben.  Ihre  vornehmste  Fabrikationsstätte 
soll  Carmanien  im  Partherreiche  jjewesen  sein.  Das  ^Material  wird 
als  undurchsichtig",  matti^'länzend,  in  mehreren  Farben  schillernd 
und  leicht  zerbrechlich  geschildert.  Thiersch  g-laubt,  daß  es 
eine  Art  von  Stein  gewesen  sei;    man  riet    auf  Flußspat,   Achat 


Abb.   90.      Gruppe   von   Gläsern   mit  Spiralfadenschmuck. 
Köln,   Sammlung  M.   vom    Rath. 


und  (  )]ial,  sogar  auf  l'or/.ellan.  f^s  wird  auch  gemeldet,  daß  die 
Murrinen  in  Glas  nachgeahmt  worden  seien ^).  Dem  F^orzellan 
widerspricht  aber  schon  die  l'ndurchsichtigkeit.  Jedenfalls  waren 
sie  ein  Kunstprodukt,  denn  ein  Halbedelstein  würde  den  Alten 
nicht  lange  rätselhaft  geblieben  sein.  Die  Meldung,  daß  sie  in 
Glas  nachgemacht  worden  seien.  l)ringt  uns  wohl  auf  die  richtige 
Spur.  Es  muß  auffallen,  daß  nur  für  die  kostbaren  Inmtfarbigen. 
die  Mosaik-  und  Millefiorigläser,  die  doch  in  Ägyi)ten  und  später 


')  Vgl.  Thierschj  Über  die  Vasa  Murrhina  der  Alten,  Sitzungsberichte  der  kg), 
bayer.  Akademie  d.  W.  I.  Klasse  1835  S.  443  f.  Roloff  in  Wolf  und  Buttmann, 
Museum  d.  Altertumswissenschaft  II  S.  50  f.  Semper  a.  a.  O.  S.  203.  Marquardt, 
Privataltertümer  II  S.   743.   f. 


l82 

wohl  auch  in  ItaHen  so  hochg^eschätzt  waren  und  viel  produziert 
wurden,  keine  khissische  BezeichnuniJf  zur  \"erfügTing'  steht, 
sondern  nur  ein  den  späteren  venezianischen  Nachbildungen  an- 
gepasster  italienischer  Ausdruck.  Anstatt  zur  P>klärung"  eines 
überlieferten  klassischen  Ausdruckes  nach  einem  unbekannten 
Objekt  zu  fahnden,  welchem  jener  allenfalls  entsprechen  könnte, 
ist  es  wohl  richtiger,  unter  den  tatsächlich  überlieferten  Er- 
zeugnissen, auf  welche  der  Ausdruck  passen  könnte,  Umschau 
zu  halten.  Das  ist  bei  der  Übertragung  der  Bezeichnung 
,Vasa  murrina'  auf  die  buntfarbigen  ägyptischen  Gläser  der 
l^^all.  Alle  jenen  nachgesagten  PLigenschaften ,  die  Undurch- 
sichtigkeit.  Buntfarbigkeit,  das  Schillern,  die  leichte  Zerbrech- 
lichkeit passen  auf  sie.  Daß  man  in  ihnen  in  Rom  nicht  Gläser 
erkannte,  braucht  bei  der  geringen  Vertrautheit  der  Römer  mit 
den  ägyptischen  Techniken  und  der  Geheimniskrämerei  der 
ägyptischen  Werkleute,  namentlich  in  1  linsicht  auf  die  Legende 
vom  hämmerbaren  Glase,  nicht  Wunder  zu  nehmen.  Verschieden- 
heiten in  der  technischen  Behandlung,  eigenartiger  Schliff, 
fremdartige  Muster  konnten  \öllig  genügen  bei  Laien  die 
Ansicht  hervorzurufen,  daß  es  sich  um  ein  gimz  neues,  bisher 
unbekanntes  Material  handle.  Dazu  passt  die  Zeit,  in  der  die 
Vasa  murrina  angeblich  zuerst  in  Rom  auftauchen,  die  des 
Pompeius,  ganz  gut,  demi  sie  fällt  mit  der  Erschließung  des 
Orientes  für  die  Römer  zusammen.  Die  Bezeichnung  einer 
parthi sehen  Stadt  als  Heimat  dieser  Wunderwerke  mag  auf 
einem  Zufall  beruhen,  die  Römer  können  dort  gerade  eine  größere 
Anzahl  \'on  ihnen  erbeutet  haben.  Dal)  man  sie  in  Italien  in 
Glas  nachzuahmen  versuchte  ist  nicht  ein  Beweis  d^ifür,  daß  die 
Originale  aus  einem  anderen  Stoffe  bestanden,  sondern  eher  für 
das  Gegenteil,  nämlich  dafür,  daß  die  italischen  Glasmacher  bald 
die  Wahrheit  erkannten  und  sich  nicht  von  der  Ansicht  der 
Laien  täuschen  ließen.  Die  Art  wie  Plinius  36,  198  über  sie 
berichtet,  bestätigt  meine  \"ermutung.  P>  macht  im  Glase,  ohne 
vorher  von  einem  anderen  Material  gesprochen  zu  haben,  folgende 
Unterschiede:  .  .  .  „fit  et  album  et  murrina  aut  hyacinthos  saphi- 
rosque  imitatum  et  omnibus  aliis  coloribus."  Hierauf  folgt  die 
bereits  angeführte  vStelle  über  die  Krystallgläser.  Er  trennt  also 
farbloses  (w'eißes)  Gkis   vom    farbigen,    welches  Edelsteine   nach- 


i83 


ahmt  und  setzt  an  die  Spitze  des  letzteren,  der  farbigen  Sorten, 
die  buntfarbige.  Er  stellt  dem  weißen,  d.  h.  farblosen  Glase  die 
murrina,  d.  h.  das  bunte,  unmittelbar  entgegen.  Es  müßte  auf- 
fallen, wenn  er  bei  dieser  Aufzählung  der  farbigen  (Häser  gerade 
jene  hochgeschätzte  und  beliebte  Sorte  außer  acht  gelassen 
hätte,  die  wir  in  angeblicher  Ermangelung  eines  klassischen  Aus- 
drucks mit  einem  in  der  Renaissance  entstandenen  Worte  als 
„Millefiori"  bezeichnen.  Ich  glaube  demnach,  daß  wir  diesen  ver- 
mißten klassischen 
Ausdruck  in  den  ver- 
kannten ,Vasa  mur- 
rina" wiederzufinden 
haben. 

Von  Hadrian  ab 
fließen  die  literari- 
schen Nachrichten 
überdieGlasindustrie 
wieder  spärlich.  Sie 
hatte  sichtlich  da- 
durch, daß  sie  etwas 
alltägliches  gewor- 
den war  und  die 
sensationellen  tech- 
nischen Erfindungen 
iiusblieben,  an  Inte- 
resse verloren.  Von  den  um  die  Wende  des  I.  und  II.  Jahrhunderts 
lebenden  Schriftstellern  erwähnen  Dio  Cassius,  Lamprides  und 
Julius  Capitolinus  das  GUis.^)  Letzterer  nennt  im  Leben  des  Lucius 
Verus  ,calices  cristallini  Alexandrini'  und  teilt  als  Curiosum  mit, 
daß  der  Kaiser  viel  Geld  für  das  ^"ergnügen  geopfert  habe  in  den 
Schenken  Roms  umherzuziehen  und  dort  alle  Gläser,  die  er  fand, 
zu  zertrümmern,  was  für  keine  große  Wertschätzung  dieses  Kunst- 
produktes spricht.-)  Dagegen  interessierte  sich  Commodus  für 
die    Industrie    und    versuchte    sich    sogar    selbst    als    Glasbläser, 


Abb.  91.     Gruppe  von  Gläsern  mit  Spiralfadenschmuck. 
Aus  italienischen   Sammlungen. 


*)  Dio  Cassius  \I  17:  Lamprides,  Alexander  24:  Julius  Capitolinus  im  Leben 
des  Lucius  Verus  5,   10. 

-)  „Nummis  maximis  quos  in  popinas  Verus  Imperator  iacebit  ut  caliccs  fre- 
geret."     Julius  Capitolinus  im  Leben  des  Lucius  Verus. 


184 

allerdings  nur  in  phantastischen  Karikaturen  nach  Art  der  nero- 
nischen  vSchuhflickergläser,  die  er  wieder  in  Mode  brachte.  Bei 
dem  berüchtig'ten  Heliogabal  nahm  der  Cäsarenwahnsinn  einmal 
witzig'e  Form  an,  indem  er  seine  ^Schmarotzer  zu  einer  opulenten 
Mahlzeit  einlud  und  ihnen  dabei  zu  ihrem  Entsetzen  die  leckersten 
Gerichte  in  einer  Reihe  von  Gängen  in  getreuen  Glaskopien 
vorsetzte.  Er  trieb  den  grausamen  Scherz  so  weit,  daß  er  nach 
Beendigung  des  Gastmahles  den  hungernden  Gästen  durch 
vSklaven  auch  feierlich  das  Waschwasser  reichen  ließ.  Lamprides 
berichtet  noch  von  einem  scheußlichen  Mißbrauche  von  Murrinen 
und  anderen  kostbaren  Luxusgefäßen  durch  den  kaiserlichen 
Wüstling,  zu  welchem  übrigens  schon  zu  Martials  Zeiten  ein  Privat- 
mann ein  ebenso  ekelhaftes  Beispiel  gegeben  hatte.  Beide  sind 
bezeichnend  für  die  furchtbare  Verrohuung,  welche  der  Reichtum 
in  den  Sitten  der  Kaiserzeit  parallel  mit  der  Hyperkultur  hervor- 
gerufen hatte.  ^)  Des  Ileliogabal  Nachfolger  Alexander  Severus, 
Feind  alles  Luxus,  von  soldatischer  Rauheit,  ein  Banause  der 
Kunst  und  der  Wissenschaft  gegenüber,  legte  auf  alexandrinische 
Gläser  und  auf  die  Glasindustrie  überhaupt  eine  hohe  Steuer 
zugunsten  der  öffentlichen  Bäder. "-)  Lrotzdem  hielt  er  für 
seine  Person  das  Glas  in  Ehren,  trank  niemals  aus  goldenen, 
sondern  nur  aus  gläsernen  Bechern,  auch  aus  einfachen,  ver- 
langte aber,  daß  das  Glas  rein  und  glänzend  sei.'"')  Die  Glas- 
macher Roms  hatten  sich  damals  über  den  Mons  Coelius 
ausgedehnt  und  ihre  Werkstätten  und  Verkaufsstände  neben 
denen  der  Zimmerleute  aufgeschlagen.^)  Dem  strengen  Kirchen- 
lehrer Clemens  von  Alexandrien  erschien  die  Vorliebe  für 
Gläser   als   ein   verwerflicher   Luxus,    die    Zunft    der   Glasmacher 


^)   ,,Onus  ventris   auro  excepit,    in    murrinis    et    onychinis    minxit."      Lamprides 
cap.   8.     Martial  berichtet  von  einem  seiner  Zeitgenossen  namens  Bassa: 
Ventris  onus  misero,   nee   te   pudet,   excipis  auro 
Bassa,   bibis  vitro,   carius  ergo   cacas." 

-)  ,,Baccariorum,  vitreariorum,  argentariorum,  aurificum  et  ceterum  artium  vec- 
tigal  pulcherrimum  instituit."  Lamprides ,  Leben  des  Alexander  Severus.  Erst  Con- 
stantin  d.  Gr.  hob  diese  Steuer  wieder  auf.  ,,Ab  universis  muneribus  vacare  praeci- 
]-)imus."     Cod.  Theodos.  de  execusat.  artificum  lib.   XIII  tit.  4, 

^)  ,,In  convivio  aurum  nescit,  pocula  mediocra  sed  nitida  semper  habuit."  Larap- 
rides ibd. 

*)  Martianus.   topogr,   rom. 


als  eine  höchst  ininütze.  ihr  Rulini  als  eitel:  ..Ouin  etiain 
curiosa  et  inanis  caekitorum  in  vitro  vana  j^'loria  ad  frang^en- 
duni  artem  paratior,  quae  timere  docet  simul  ac  bibas,  est  a 
l)onis  nostris  institutis  exterminandti"  —  eifert  er  in  seinem 
Paedag"og"us/)  Zur  Zeit  des  Kaisers  Galienus  soll  sich  ^luch  tat- 
sächlich ein  starker  Rückg'an^'  in  der  mit  Zöllen  und  Abg"aben 
belasteten  Industrie  g"eltend  s^i-macht  und  die  Mode  sich  von 
ihr  abi^'ewendet  haben.  Der 
Kaiser  selbst  f^lnd  anf,'"eb- 
lich  auch  die  feinsten  Gläser 
seiner  Tafel  unwert  und 
kehrte  wieder  zu  Gold  untl 
vSilber  zurück,')  doch  machte 
er  seinem  Freunde  CUiudius 
ids  Beweis  seiner  Gunst  zehn 
äi^yptische  Gläser  verschie- 
dener Arbeit  zum  Geschenke. 
Auch  das  Eifern  des  Cle- 
mens verfing"  nicht  in  allen 
christlichen  Kreisen.  Be- 
diente man  sich  des  Gla- 
ses doch  sogar  zu  Kultus- 
zwecken, verwahrte  Mar- 
tyrerblut  und  Weihwasser 
in  den  Gräbern  und  Altären 

der  Katakomben  in  gläsernen  Amjiullen,  schmückte  die  Fondi  d'oro 
mit  Gold  und  Schmelzferben  und  benützte  gläserne  Canthari  als 
Abendmahlskelche  beim  Meßopfer.  Firmus,  einer  der  30  'r\-rannen. 
erneuerte  und  übertrieb  den  Luxus  des  Scaurus  und  ließ  seinen 
Pakist  mit  Glasplatten  bekleiden,  die  mit  Harz  an  den  WändtMi 
befestigt  wurden. ■')  Galienus'  zweiter  Nachfolger.  Aurelian,  der 
Besieger  Zenobias,    erneuerte  den  Zoll  auf  ägy])tische  Glaswaren 


Abi).   92.      Gläser  mit  Fadenschmuck. 
Köln,   ehem.   Sammlung   Merkens. 


^)  Clemens  Alexandrinus,  paedagogus  II  cap.  3. 

*)  ,,Bibit  in  aureis  sempcr  poculis,  aspernatus  vitrum,  diccns  nihil  esse  commu- 
nius"   berichtet  Trebellius   Pollio. 

^)  „Vitreis  quadratis  bitumine  aliisque  medicamentis  domum  indu.xissc  pcrhi- 
betur".      Vopiscus  im   Leben   Aurelians. 


i86 

und  erhob  zugleich  einen  auf  Papyrus.  ^)  Dabei  forderte  er  gleich 
Octavian  von  Ägypten  einen  Teil  des  Tributes  in  feinen  Gläsern. 
Der  nach  seiner  Ermordung  vom  vSenate  zum  Kaiser  ausgerufene 
70jährige  Tacitus  begünstigte  die  Glasindustrie,  soweit  dies  bei  dem 
allgemeinen  Rückgange  des  Gewerbfleißes  möglich  war  und  soll 
gleichfalls,  wie  die  meisten  Dilettanten,  besondere  Freude  an  natu- 
ralistischen Formen,  menschlichen  und  tierischen,  der  Auflage  von 
Schlangen,  Fischen,  Seesternen  und  Muscheln  geh^ibt  haben."')  In 
der  Tat  fallen  in  das  Ende  des  III.  oder  in  den  Anfang  des  IV.  Jahr- 
hunderts einige  interessante  Schöpfungen  dieser  Art,  Trinkbecher 
mit  aufgelegten  Seetieren,  die  im  Vatikan,  im  Provänzialmuseum 
von  Trier  und  im  Museum  AVallraf-Richartz  in  Köln  \'erwahrt 
werden,  aber  nicht  italischen  sondern  wahrscheinlich  gallischen 
Ursprungs  sind.  Auch  die  Verzierung  durch  Buckel  und  Riefen 
war  zu  dieser  Zeit  beliebt.  Seit  durch  Diocletian  wieder  ge- 
sichertere Verhältnisse  geschaff"en  worden  waren,  hob  sich  der 
Wohlstand  und  mit  ihm  der  Gewerbefleiß  und  namentlich  unter 
Constantin  d.  Gr.  kamen  für  die  Gkisindustrie  aufs  neue  gute 
Tage.  Der  Kaiser  stellte  die  Glasmacher,  welche  sich  in  zwei 
Zünfte,  die  Vitrarii,  die  Glasbläser  und  die  Di£itretarii,  die  Glas- 
schleifer und  Glasschneider  getrennt  hatten,  den  Künstlern 
und  Goldschmieden  im  Range  gleich  und  befreite  sie,  wie 
erwähnt,  \on  der  P>werbsteuer,  die  ihnen  von  iVlexander 
Severus  und  nachher  \'on  Aurelian  auferlegt  worden  war.  In 
seiner  Zeit  blühte  nicht  nur  die  Malerei  und  Goldarbeit  auf  Glas 
neu  auf,  es  fand  auch  in  \-eränderter  Form  die  alte  Überfang- 
technik,  die  Gravierung  und  der  Gkisschliff  wieder  Pflege.  Es 
entstanden  jene  berühmten  Gläser,  die  mit  einem  frei  ausge- 
schliffenem Netzwerke  umgeben  sind,  auf  welche  Winckelmann 
die  allgemeine  Bezeichnung  für  geschliffene  Gläser,  ,Vasa  diatreta' 
beschränkte,  erstaunliche  Virtuosenstücke,  die  man  lange  für  un- 
nachahmlich gehalten  hat,  bis  eine  Glashütte  in  Zwiesel,  im 
bayrischen  Fichtelgebirge,  das  Münchener  Diatretum  getreulich 
kopierte  und  auf  der  Landesausstellung  in  Nürnberg  1882  in 
mehreren  wohlgelungenen  Exemplaren  vorführte. 


')   Vopiscus   ibd.   c.   45. 

")   Vopiscus  im   Leben   Aurelians  c,   45. 


18; 


In  folj^endem  ^ehe  ich  nach  Froehner  mit  einig^en  Erg-än- 
zungen  die  wichtig^sten  Fundorte  antiker  Gläser  auf  dem  Boden 
Italiens  an : 

Oberitalien. 

Cimich  bei   Nizza.     Farbige   Gläser  in  der  Sammlung  Slade. 
Refr^mcore  hc\   Asti.     Becher  des  Ennion. 
Polenza.     Monza.     Gewöhnliche  Gläser. 
Pavia.     Glas   mit   Stem])el   d(^s   (".   SaUius 

Grat  US. 
Novara.      Diatretum. 
Carezzano   bei    \'ercelli.     Glas   des  Ennion 

mit  einer  Münze  des  Claudius. 
Bag-nolo.     Glas  des  Ennion. 
Borgfo  S.  Domenico.   Fragment  eines  Glases 

des  Ennion. 
Raldon  bei  Verona.     Gewöhnliche  Gläser. 
Villega,     Modena.       \'iele     Scherben     \on 

Murrinen. 
Ag'ro  Adriese.  Murrinen,  Gläser  des  Ennion. 
Aquileiii.     Gläser  des  P'nnion. 

Etrurien. 

Pisa.     Gra\iertes  Glas  mit   Zirkusszene. 
\^olterra.   Murrinen  und  marmorierte  Gläser. 
Perugia,   (jlflasche  mit  Stempel  der  Firmier 

llilaris  und  IJylas.  gef.  1S52. 
Chiusi  (Clusium).     Murrinen  und   Perlen  im 

Museum  \on  Florenz.   \^ulci.  Murrinen. 
Toscanella.    Murrinen  und  Gläser  mit  Ilolz- 

muster,  oft  paarweise. 
Cervetri  (Caere).      Murriiicn   und   farbige    Gläser.      Fensterscheibe 

im  Museo  Campana. 
Pyrg-oi  bei  Stil.  Marinella.      Kleii^e  blaue   (  )t>n(M'hoe    mit    weil)en 

Stacheln,  abgebildet  l)ei   Abeken.  Mittelitalien   S.   267. 
X'cii.      Zur  Zeit   Winckelmanns  fand    man    in    Isola   Farnese    eine 

Menge  zerbrochener  römischer  (iläst-r.      Kugel  aus   Mosaik- 

g-las   bei   Minutoli.  .S.    10.    13.   20. 
Monteroni.      (_)pake   farbige   Gläser. 


Abb.  93. 
rippung. 


Kanne  mit  Spiral- 
Köln,   Sammlung 


M.    vom   Rath. 


Umbrien. 

Collazione  bei  Todi.     Ölflasche  mit  Stempel   der  Firmier  Hilaris 

und  Hylas. 
vSpoleto.     Viereckige  Aschenurne   aus  farblosem  Glase,  auf  dem 

Boden  ein  Sternmuster  in  Relief. 

Latium. 

Rom.  Gläser  des  Asinius  Philip])us  im  Stile  der  sidonischen 
Reliefgläser,  frühe  Kaiserzeit.  ^Vulierordentlich  zahlreiche 
Funde,  besonders  von  Murrinen  (Museo  Campana,  Samm- 
lung Greau,  W.  Fol  u.  a.) 

Tixoli.  Ami)hora  in  der  Art  \on  .Sardonyx,  gefunden  in  der 
Villa  1  ladrians. 

Palestrina  (Praeneste).     Murrinen. 

Picenum. 

Castel  Trosino.  Gläser  mit  Schmelzmalerei,  Fadenschmuck,  JVink- 
hörner,  im   Museo  Civico  in  Rom. 

Campanien. 

T^omjieji.  Gegen  3000  ordinäre  Gläser,  zumeist  langhalsige 
Fläschchen.  Die  Aschenurnen  sind  nicht  sehr  groß.  In 
Pompeji  selbst  sind  jedenfalls  die  Gläser  des  Publius 
Gessius  Ampi  latus  entstanden.  Große  Menge  feiner 
farbiger  und  farbloser  Gläser  aus  dem  Hause  des  Diomedes, 
im  Museum   von  Neapel. 

Herculanum,   Puteoli.     Murrinen. 

Bajae.  Vase  mit  Überfang  bei  Minutoli  und  viele  .Scherben  \'on 
Murrinen  im   Kensington-Museum. 

Cumae.  Glasplatte  mit  einer  Meerszene  bemalt.  Wahrscheinlich 
stammen  die  beiden  bemalten  Platten  des  Museo  Campana 
ebendiiher.  Ungemein  zahlreiche  Funde  besonders  opak- 
farbiger Gläser  im  Museum  \-on  Neapel  (Raccolta  Cumana). 
Gläser  in  P'orm  \on  Gänsen  und  Enten  bei  Charvet  T.  13,  "]"]. 

Nola.     Glaslinse  in   (joldfassung  bei  Minutoli. 


iS9 


Apulien. 

Canosa  (Canusium).     Farbige  Gläser. 

Ruvo  (Rubi).  Zahlreiche  opak-farbig-e  Gläser,  jetzt  im  Museum 
von  Neapel.  Am  hervorragendsten  darunter  eine  Platte  von 
gelber  (iriindfarbe  mit  wt'ilu'ii,  blau  iimratulctcn  Punkten, 
goldenen,  blauen  und  roten   Flecken. 

Fasano  (Guiitia).     Oi)ak-farbige  Gläser. 

Sizilien. 

Pundberichte   sind  nicht   \orlianden.     Solonte, 
Fragment  eines  Bechers  des  Ennion. 

Sardinien, 

("ornus.     An    300    Gläser,    darunter  zwei  farb- 
lose Becher   mit  griechischen  Inschriften.     Abb.  94.    Becher  mit 
Tharros.      Punische    PI  aiskette.      Glas   bei 
Slade  Xr.  232.  Sogenanntes  Diatretum  der 
Sammlung  Cagnola   in   Mailand. 


gerippten  Fäden. 
Xamur,   Museum. 


1?»^ 


Spanien. 

In  Spanien  und  Portugal  wurden  nach  der  Mitteilung 
des  Plinius  schon  in  den  ersten  Jahrzehnten  der  Kaiserzeit 
Glasvverkstätten  angelegt,  doch  dürfte  dort  die  Industrie  fast 
ausschließlich  für  den  Hausgebrauch  gearbeitet  und  keine  höhere 
künstlerische  und  technische  \"ollendung  erreicht  haben.  Ihr 
I  [au])tsitz  scheint  Taracco  gewesen  zu  sein,  wo  sehr  viele  Ge- 
brauchsgläser, namentlich  langhalsige  Flaschen  vorkommen.  Aber 
auch  an  anderen  Orten  wurden  neben  einigen  gravierten  Gläsern 
Massen  ordinärer  Ware  aufgedeckt,  die  in  ungeordneten  Haufen 
ohne  Fundnotizen  oder  ^indere  auf  ilire  lierkunft  bezügliche 
Nachrichten  in  den  Museen  lagern.  Preilich  wurde  Glas  aus 
dem  C)ri(Mite  schon  lange  \or  der  römisclien  Zeit  eingeführt, 
zuerst  durch  die  Phönizier,  dann  durch  die  Griechen.  Sowohl 
in  der  ])hokischen  Kolonie  Rosas  (dem  alten  Rhodai  wie  in  dem 
massilisciien     Castellon     (1(>    Ani])urias    1  I\mi)()ri()n  i    am     I-'uIh'    der 


Pyrenäen  wurden  außer  Glasperlen  auch  äg'yptische  Alabastra 
und  andere  opakfarbige  Gläser  mit  Famkrautmuster  und  Wellen- 
fadenverzierung  gefunden.  Einige  schöne  Stücke  aus  Ampurias 
kamen  in  die  Sammlung  Zettler  nach  München.  Mit  der  Römer- 
herrschaft verfiel  auch  die  Glasindustrie  im  Lande,  Isidor  von 
Sevilla  (gest.  636)  sjiricht  von  den  (Glashütten  der  Römer  als 
von  etwas  vergangenem. 

Die  vorerwähnten  gravierten  Gläser  sind  itiüischer  Herkunft. 
Sie  wurden  auf  portugiesischen  Boden  verschlagen  und  als  Grab- 
beigaben verwendet.  Das  eine,  ein  Fläschchen  mit  einer  g■ra^•ierten 
Ansicht  der  Küste  von  Puteoli  und  von  Bajae  wurde  in  einem 
alten  römischen  Bergwerke  zu  Odemira  im  Bezirke  von  Evora, 
andere  in  Ta\'ira  gefunden.^)  Das  läßt  darauf  schließen,  daß  die 
Industrie  von  Campanien,  den  ältesten  Glas^^'erkstätten  des 
Westens  aus,  nach  der  iberischen  Halbinsel  verpflanzt   wurde. 


17*^ 


Gallien. 

Auch  nach  Gallien  wurde  die  Glasindustrie  von  den 
Römern  verbreitet  und  die  vorzüglichen,  noch  heute  zum  Teil 
benutzten  Sandlager  bei  Lyon,  Fontainebleau,  Chantilly,  Nemours, 
Namur  ihr  dienstbar  gemacht,  bis  man  Mittel  gefunden  hatte, 
auch  schlechteren  vSand  durch  Befreiung  von  Eisenoxyden  und 
anderen  verunreinigenden  Bestandteilen  herzurichten  und  damit 
den  bisher  an  bestimmte  Orte  gebundenen  Betrieb  beliebig  aus- 
zudehnen. Das  Material  selbst  war  den  Kelten  durch  ägyptischen 
und  etruskischen  Import  längst  bekannt,  wenn  sie  es  auch  nicht 
herstellen  konnten,  ja  nicht  einmal  einen  Namen  dafür  hatten. 
Die  keltische  Bezeichnung  für  Glas  ist  aus  dem  lateinischen  ent- 
lehnt, doch  existiert  eine  ältere  dafür  bei  den  Iren  in  dem  Worte 
gloina,  Adjectiv  gloingha,  die  in  Gallien  selbst  ausgestorben  ist. 
Man  hatte  das  Glas  durch  die  zahlreichen,  auch  bei  den  Dol- 
men der  normannischen  Küste  (s.  S.  iio)  gefundenen  Schmuck- 
perlen, an  den  Besatzstücken  etruskischer  Fibeln   der  Hallstadt- 


1)   Vgl.   Abschnitt  VIII. 


191 

periode,  sowie  in  \ereinzelttMi  Gefäßen  kennen  _i>-elernt  und 
dem  rätselhaften,  fremdartis^en,  ^irlänzenden  Stoffe,  gleich  dem 
Bernstein  und  den  Gemmen  eine  geheimnisvolle  Bedeutung  als 
Talisman  beigelegt.  Die  Druiden  bedienten  sich  linsenförmiger 
Kugeln  aus  farbigem  Glase  zur  Bezeichnung  ihrer  Rangstufen: 
Blaue  bezeichneten  die  Würde  des  Oberpriesters,  weiße  die  der 
eigentlichen  Druiden,  grüne  die  der  Ovaten,  dreifarbige  die  der 
Schüler.     Sie  trugen  Amulette  in  Form  gläserner  Perlen.     Auch 


Abb.   95.      Gruppe  von   Gläsern   mit  Spiralfäden.      Köln,   Sammlung   M.   vom   Rath. 


im   Mythus    spielte    das  Glas    eine  Rolle:    er    spricht    von    einer 
gläsernen  Insel  namens  Avallon  (angelsächsisch  Glastney). 

Diese  ersten  Boten  der  Glasmacherei  riefen  anfangs  keine 
direkten  Xachbildungen  hervor,  trugen  jedoch  mit  etruskischem 
Importe  zur  Entwickelung  der  gallischen  Emailindustrie  bei,  \on 
der  wir  namentlich  in  Bibracte  bereits  aus  der  Latenezeit  zahlreiche 
hochentwickelte  Proben  besitzen.  Dort  und  in  den  Xekropolen 
der  Champagne  trat  den  Römern  schon  bei  der  Eroberung  des 
Landes  ein  hochentwickeltes  Kunstgewerbe  und  ein  Dekorations- 
stil entgegen,  der  allerdings  nicht  auf  Gallien  allein  beschränkt 
war,  sondern  ganz  ^Mitteleuropa  umfaßte  und  auf  einen  gemein- 
samen kelto-skythischen  Urs})rung  zurückgeht.^)  Dieser  .Stil  ist 
ein    wesentlich     ornamentaler,     geometrischer    und     auf    farbige 


*)  Salomon  Reinacb,    Antiquites  nationales  du  Musee   St.  Germain.     lünlcitung. 


192 

Wirkung"  berechneter.  Daher  pfleg"t  er  auch  im  Gegensätze  zum 
klassischen  Geschmacke  dcis  PImail.  Die  Eigentümhchkeiten  des 
galUschen  Geschmackes  treten  auch  in  der  Folge  hervor.  „Ob- 
gleich Rom",  sagt  Boissier.  „während  fünf  Jahrhunderten  die 
Herrin  Gidliens  gewesen  ist,  hat  es  dort  den  nationalen  Geist 
nicht  zerstört.  Die  Gleichförmigkeit  des  Reiches  ist  nur  schein- 
bar, im  Grunde  bestehen  zwischen  den  einzelnen  Provinzen  Ver- 
schiedenheiten und  es  dient  Rom  zur  Ehre,  daß  es  diese  nicht 
zu  verwischen  gesucht  h^it.  Der  Gallier  lebt  bei  uns  unter  den 
Römern  und  wenn  er  spricht  oder  schreibt,  ist  es  leicht  in  seinen 
Büchern  und  Reden  die  Vorzüge  und  Fehler  zu  bezeichnen,  die 
auch  später  der  französischen  Literatur  eigentümlich  sind." 

Der  Einfluß  der  alexandrinischen  Kunst,  dem  Italien  selbst 
seit  dem  Beginn  des  I.  Jahrhunderts  erlag,  tritt  auch  in  Gallien 
sehr  deutlich  hervor.  Er  kam  nicht  nur  über  die  Alpen  ins  Land, 
sondern  fand  schon  vor  den  Römern  seinen  ^Veg  von  Massilia 
aus  durch  das  Tal  der  Rhone  ins  Innere.  Strabo  berichtet  IV  lo,  13, 
daß  die  Alexandriner  viele  Fremde  bei  sich  aufnehmen,  aber 
auch  viele  der  ihrigen  nach  auswärts  senden.  Marseille  stand 
immer  in  Verbindung  mit  Ägypten,  noch  im  Anfange  der  frän- 
kischen Zeit  kam  der  Papyrus  von  hier  nach  Gallien.  Man 
brauchte  etwa  30  Tage  Seefahrt  dahin.  Als  Pflegestätte  von 
Literatur  und  Wissenschaft  wurde  ^Nlassilia  selbst  \on  bildungs- 
bedürftigen Römern  aufgesucht  und  war  in  seiner  Blütezeit 
Alexcmdria  und  Antiochia  ebenbürtig.  Mit  der  engeren  Heimat, 
den  jonischen  Inseln,  herrschte  gleichfalls  reger  Handelsverkehr. 
Derselbe  Strabo  sagt  von  Massilia  „(fdi/.lrjvag  xavfaxsva^s  rag 
^aXctTag".  Tacitus  und  die  Inschriften  helfen  das  Bild  von  der 
glanzvollen  Jonierstadt  ergänzen,  deren  Münzen  bis  in  die  Alpen- 
gegenden hinein  als  Zeichen  eines  länderumfassenden  Unterneh- 
mungsgeistes zerstreut  sind.  ^)  Reiche  Massihoten  hatten  im  Süden 
Galliens  bedeutende  Kunstwerke  ihrer  griechischen  Landsleute 
zusiimmengebracht,  wie  die  Venus  von  Vienne,  die  beiden 
Statuen  dieser  Göttin  in  Arles,  die  von  Frejus,  den  Diadumenos 
von  Vaison,  sie  hatten  einen  Meister  ersten  Ranges  wie 
Zenodorus    beschäftigt,    den   vSchöpfer    des    kolassalen    Mercurius 


^)  Vgl.    E.   Maaß,   Die  Tagesgölter. 


193 

Ar\-ernuN.  Während  die  i^Tii^chische  Kunst  in  .ig-ypten  eine  vier 
Jahrtausende  alte  Kultur  antraf,  eine  Monumentalkunst  ohne 
g-leichen.  stieß  sie  in  Gallien  nur  auf  eine,  freilich  sehr  g-eschickte 
und  vielseitig-e  ITandwerksübung".  Ks  ist  daher  erklärhch,  daß  die 
Kunst,  die  sich  in  Gallien  entwickelte,  vollkommen  griechische  For- 
men annahm.  Nach  Loeschcke  waren  südg-allische,  in  griechischer 
Technik  g-eschulte  Steinmetzen  bei  den  Denkmälern  von  Xeu- 
magen,  Ig"el,  dem  Grabmale  der  Julier  in  St.  Remy,  dem  Triumph- 
bogen   in   Orange    u.   a.  tätig   und    wurden    die  Lehrer   der  Ein- 

Jl       I 


Abb.   96.      Gruppe   von  (Häsern   mit   Netz-   und  Zickzackfäden. 
Köln,   Sammlung  M.   vom   Rath. 


heimischen.  Reinach  glaubt  dagegen  in  dem  realistischen  Zuge 
der  Rehefs,  die  mit  Vorliebe  Szenen  des  häuslichen  Lebens,  des 
Geschäftsverkehres,  der  Landwirtschaft,  des  Weinbaus  schildern, 
nicht  nur  hellenistischen  (jeist,  sondern  direkte  Einwirkungen 
des  ägyptischen  Sinnes  für  die  Wirklichkeit  erkennen  zu  müssen. 
Auch  in  Einzelheiten,  wie  in  der  scharfen  Umschneidung  der 
Reliefs  durch  gravierte  Linien,  sieht  er  bewußte  Nach^ihmung 
des  ägyptischen  Reliefstiles.  Viel  deutlicher  fühlbar  machen 
sich  ägyptische  Einflüsse  in  der  Kleinplastik,  in  der  Neigung 
zur  Karikatur  bei  den  Negerbildern  in  Bronze,  Ton  und  Glas, 
den  Gestalten  musizierender  Affen,  den  Götterfigürchen,  ab- 
gesehen von  den  zahlreichen  importierten  Uschebtis  und  ägyp- 
tischen Klfin])r()iiz('n.  I)ie  rc'imischen  \'illen  in  l>elgien  sind  in 
der  Anlage  denen  von  Ägypten  ähnlich,  doch  mag  hier  keine 
unvermittelte  Einwirkung    im   Spiele   sein,    sondern   das   Beispiel 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  j -i 


194 

der  Villen  Pompejis,  dieser  Kolonie  alexandrinischer  Kunst  auf 
italischem   Boden. 

Von  allen  Künstlern,  die  im  I.  Jahrhunderte  nach  Gallien  zu 
arbeiten  kamen,  ist  nur  ein  Name  erhalten,  der  des  Zenodorus. 
Reinach  hält  ihn  bestimmt  für  einen  Alexandriner,  Thiersch  für 
einen  Massilier,  aber  sein  Name  kommt  sonst  nur  in  Ägypten 
und  Syrien  vor.  Nach  Plinius  lieferte  er  für  die  Stadt  der 
Arverner  eine  Kolossalstatue  des  Mercur  in  Erz  und  bezog"  da- 
für bei  iojährig"er  Arbeit  das  sehr  anständige  Honorar  von 
400000  Sesterzien.  Außerdem  kopierte  er  für  Dubius  Avitus, 
den  .Statthalter  der  Provinz,  zwei  von  Calamis  ziselierte  Becher, 
welche  Germanicus  dem  Oheim  des  Statthalters,  seinem  Lehrer 
Cassius  vSilanus,  zum  Geschenke  gemacht  hatte.  Sonst  erfahren 
wir  durch  eine  Inschrift  in  Lyon  von  einem  Glasmacher,  einem 
„opifex  artis  vitriae  Julius  Alexander,  natione  Afer,  civis  Cartha- 
giniensis".^)  Karthagos  Glasindustrie  hing  mit  der  seiner  Vater- 
st£idt  Tyrus  zusammen.  Vielleicht  ist  das  derselbe  Alexander, 
dessen  linksläufiger,  ziemlich  schlecht  in  Reliefbuchstaben  aus- 
geprägter Namensstempel  auf  dem  Boden  einer  ordinären  vier- 
eckigen Flasche  aus  grünlichem  Glase  in  Rom   zu  lesen   ist.^) 

Alexandrinische  I  laudier  kamen  weit  ins  Land  hinein.  In 
Clermont  (Dep.  Oise)  wurde  der  Grabstein  eines  Alexandriners 
gefunden,  der  in  einem  industriellen  Betriebe  tätig  gewesen  sein 
könnte.  Ägyptische  Schiffe  gingen  außer  Massilia  auch  nach 
Narbonne.  Zu  Nimes  errichtete  Augustus  nach  der  LTnter- 
werfung  Ägyptens  eine  Kolonie  alexandrinischer  Veteranen. 
Die  städtischen  Einrichtungen  sind  dort  denen  der  ägyptischen 
Hauptstadt  gleich,  der  Kult  der  Isis  und  des  Anubis  ergibt  sich 
aus  Altarinschriften,  einige  Münzen  zeigen  das  Krokodil  in  Ketten, 
das  Symbol  des  besiegten  Ägyptens,  und  die  Zeitrechnung  wird 
dort  selbst  unter  Augustus  nach  alexandrinischem  Systeme  vor- 
genommen.'") In  der  gallischen  Kleinkunst  erscheint  öfter  die 
Personifikation  Alexandrias,  das  Brustbild  der  .Stadtgöttin,  wie  es 
auf  einem  Bronzerelief  aus  Pompeji  im  Museum  zu  Neapel  und 
auf  einer  silbernen   Schüssel  des  .Schatzes  von  Bosco  Reale  vor- 


•)   Boissieu,   inscriptions  de  Lyon   427.      Orelli   4299.      Froehner  .S.    124   Nr.    i. 
^)  Dressel  im  Corpus  inscr.   lat.      XV.    7001. 
''^)  Ilg   bei   Lobmayr  S.  45. 


195 

gebildet  ist,  mit  dem  chiirakteristischen  Elefantenrüssel  auf  dem 
Haupte.  Außer  einigen  Tonlampen  in  Köln  kommt  zu  derartigen 
Darstellungen  neuerdings  ein  Goldbild,  ein  sog.  Fondo  d'oro  im 
Besitze  von  Theodor  (iraf  in  Wien,  das  allerdings  \v£dirscheinlich 
aus  Alexandria  selbst  stammt.') 

Im  allgemeinen  treten  am  Rhein  und  im  narbonnensischen 
(jallien  die  heimischen  Elemente  weniger  hervor,  weil  hier  die 
Romanisierung  durch Be^unte,  Garnison  und  Veteratien  \\o\  stärker 


Abb.  97.      Gruppe  von  Gläsern   mit  Fadenverzierung.     Köln,   Sammlung   M.  vom   Rath. 


betrieben  wurde.  Am  deutlichsten  sind  sie  in  Gallia  Lugdunensis 
und  Gallia  Belgica,  in  der  Xormandie  und  I'icardie.  (jleichzeitig 
ist  ^iber  auch  nirgends  der  Zusammenhang  zwischen  gallischer 
und  alexandrinischer  Kunst  so  charakteristisch  ausgeprägt  wie 
auf  diesem  Boden,  auf  welchem  sich  im  IL  Jahrhundert  die  Glas- 
indu.strie  zur  Selbständigkeit  erhob,  um  zu  dessen  P^nde  und  nament- 
lich im  Verlaufe  des  dritten  eine  Ausdehnung  zu  erreichen,  welche 
die  italische  hinter  si(^li  zurückließ  und  mit  der  Alexandriens  und 
Syriens  selbst  im  Ex])orte  wetteiferte.  In  den  Fabriken  der  Xor- 
mandie, des  Artois,  d(^r  Picardie,  der  Aisne,  im  Wakh^  von  Bre- 
tonne,  an  den  Ufern  d<^r  Seine,  bei  Arras,  Rouen.  im  Tale  der 
Meust»   wie  in   Lvon   und    Marseille   wurden    Massen  gewöhnliclu^r 


'-)  Abgebildet  bei  Vopel,  allchristl.  (]oldgläser.  Das  Stück  wird  unter  den 
Gläsern  mit  Goldverzierung  im  X.  Abschnitte  ausführlicher  behandelt,  wo  aucli  die 
Abbildung  wiedergegeben  ist. 

I  ;  * 


196 

Gebrauchsware  erzeugt,  deren  Reste  in  sehr  zahlreichen  Gräber- 
funden auf  vnis  gekommen  sind.  In  ihnen  überwiegt  weitaus  das 
durchsichtige  geblasene  Glas,  das  zum  Teile  reines  Krystallglas 
ist,  gewöhnlich  aber  einen  Stich  ins  grünliche  zeigt.  Doch  ist 
diese  Schattierung  durchaus  \-on  dem  bläulichgrünen  ägyptischen 
Glase  verschieden,  das  sehr  häufig  bei  der  Importware  vorkommt, 
heller  und  reiner,  mehr  einem  gelblichen  oder  olivgrünem  Tone 
zuneigend.  In  Lyon,  bei  Namur  und  in  Foret  de  Mervent  in  der 
Vendee  wurden  Reste  \'on  römischen  Glashütten  aufgedeckt. 

Die  Gräber  von  Gallia  Vindobonensis  enthalten  viel  farbiges 
Glas,  Kannen  und  Flaschen  von  zierlichen  griechischen  Formen, 
Hals,  Fußplatte  und  Mündung  von  einem  opakweißen  oder  gelben 
Faden  umgeben,  iius  welchem  auch  der  Henkel  gebildet  ist. 
Daneben  gibt  es  Reste  von  Überfangglas,  das  kameenartig  mit 
dem  vSchleifrade  behandelt  ist;  ferner Alabastra  und  Oenochoen  von 
opakfarbigem  Glase,  in  welches  zierliche  Muster  von  Farnkraut- 
Wellen-  und  Zickzackfäden  oder  glatten  Bändern  eingelassen 
sind.  Sie  unterscheiden  sich  von  den  altägyptischen  außer  den 
griechischen  Profilen  der  Gefäßbildung,  besonders  der  Mündung, 
namentlich  dadurch,  daß  sie  nicht  aus  freier  Hand  modelliert, 
sondern  geblasen,  mittelst  der  Glaspfeife  hergestellt  sind.  Zu 
diesen  Arbeiten  der  frühen  Kaiserzeit  kommen  die  Gläser  mit 
Marmormustern,  unregelmäßigen  mehrfarbigen  Flecken  und 
Bändern,  dann  die  Millefiorigläser  mit  ihren  in  die  Masse  ein- 
gestreuten Sternchen,  Blümchen,  konzentrischen  Ringelchen, 
vermischt  mit  Punkten  und  Flecken,  Petinetgläser  mit  einge- 
kissenen  Längsstreifen  und  mehrfarbigen,  spiralförmig  gew^undenen 
Streifen  und  Stäben.  Millefioriglas  ist  gewöhnlich  zu  flachrunden 
Schalen  mit  und  ohne  Fuß  verwendet,  die  teils  glatt  ^ibgeschlifl^en, 
teils  mit  Längsri]ipen  \erziert  sind.  vSchalen  dieser  Art  wurden 
auch  aus  einfarbigem,  tiefblauem,  rotem,  braunem  Glase  herge- 
stellt. Diese  Sorten  finden  sich  im  Süden  am  häufigsten, 
sie  kommen  aber  auch  anderwärts,  namentlich  in  den  Kolonien 
der  frühen  Kaiserzeit  \'or  und  stellen  den  ersten  Import  aus 
dem  Orient  und  Italien,  die  Musterexemplare  dar,  nach  welchen 
die  neubegründeten  Werkstätten  ihre  Tätigkeit  aufnahmen. 
Um  die  Mitte  des  I.  Jahrhunderts  verschwindet  die  Vorliebe  für 
Überfanggläser,  Millefiori  und  Alabastra,  das  durchsichtige  leichte 


197 


Glas  bes^innt  das  schwere  opake,  die  Xach^dimuni^vn  x'on  Marmor 
und  Pldelsteinen  zu  x-erdrängen.  Die  jjfallischen  Werkstätten 
versuchen  sich  eine  Zeitlang  in  der  Nachahmung  der  Aüllefiori- 
und  ]\Iarmorgläser,  aber  mit  geringem  Erfolge.  Das  Material  ist 
gröber,  ohne  Leuchtkraft,  die  Farben  stumpf,  die  Politur  un- 
beholfen. Bei  der  Nachbildung  der  Alabastra  mit  Farnkraut-, 
Wellen-  und  Zickzackmustern  beschränkt  man  sich  x'on  Anfang 
an  auf  eine  annähernde  Wiedergabe  des  äußeren  Eindruckes 
und  geht  den  technischen  Schwierig- 
keiten der  ägyptischen  Originale  aus 
dem  Wege.  Das  (refäß  wird  cuis 
durch  sichtig- farbigem  ( ilase  gebkisen 
und  darauf  diis  Muster  nicht  in  Fäden 
aufgelegt  und  in  die  Masse  einge- 
walzt, sondern  dünn  und  oberfläch- 
lich aufgetragen,  teilweise  mit  dem 
Pinsel  aufgemalt.  Diese  Technik 
wurde  nach  längerer  Unterbrechung 
im  III.  Jahrhundert  wieder  aufgenom- 
men und  von  da  ab  bis  in  die 
fränkische  Zeit  sehr  eifrig  g-eübt: 
Farnkraut-  und  Wellenmuster  bil- 
den beispielsweise  den  beliebtesten 
Schmuck      fränkischer      Glasperlen. 

Mehr  Glück  hatten  die  gallischen  Werk>tätten  bei  der  Nachl)ildung 
der  halbkugeligen  gerippten  Schalen  in  einfarbigem  Glase,  doch 
überwog  hier  bald  das  grünlich -durchsichtige  die  opaken  und 
lebhafter  gefärbten  vSorten.  Auch  die  farbigen  Kännchen  und 
Fläschchen  in  griechi^c•lleIl  I*'ormen  wurden  nachgeahmt  und  dabei 
der  Fadenschmuck  s])iralförmig  oft  über  den  größeren  Teil  des 
Gefäßes  ausgedehnt.  Naclidem  in  der  zweiten  Hälfte  des 
I.  Jahrhunderts  das  farblose  (jlas  den  Geschmack  an  diesen 
schönen  Erzeugnissen  zurückgedrängt  hatte,  kamen  sie  bei  der 
Re^iktion  des  griechischen  Kunstgefühles  unter  Iladrian  aufs 
neue  in  Mode. 

Inzwischen  hatte  die  Lehrtätigkeit  eingewanderter  alexan- 
drinischer  und  italischer  Glasmacher  Früchte  getr^igen.  Die 
giillischen    Werkstätten   erstarkten    zur   Selbständigkeit    und    be- 


Abb.   98.      Xetzbecher. 
Köln,   Museum. 


198 

durften  der  fremden  Beihilfe  nicht  mehr.  L^rngsam  vollzog"  sich 
auch  eine  Verschiebung  der  Industrie  von  dem  stark  mit  fremden 
Kolonisten  durchsetzten  Süden  nach  dem  Norden,  ihr  Schwer- 
punkt erscheint  vom  Anfange  des  IL  Jahrhunderts  ab  nach  Gallia 
Lugdunensis  und  Belgica  verlegt.  Boulogne,  Amiens,  Reims, 
Vermancl,  Namur  entwickeln  sich  zu  den  Hauptzentren.  Das 
farblose  Glas  herrscht  vor  und  bestimmt  den  Stil.  Die  Faden- 
verzierung gewinnt  eine  außerordentlich  reiche  Entwickelung  im 
phantastischen  Schlangenfaden,  im  Netzwerke,  das  den  Körper 
des  Gefäßes  völlig  umspinnt  und  in  den  weiten  Zickzacklinien, 
die  oft  mit  Nuppen  verbunden  werden. 

Daneben  wies  die  Keramik  den  Weg  zu  reicher  plastischer 
(iliederung  durch  Eindrücke,  Falten  und  Rippen,  durch  Buckel, 
aufgesetzte  Stachel  u.  a.  Den  größten  Aufschwung  ^lber  ver- 
dankt die  Industrie  der  Benützung  ^-on  Hohlformen,  in  welche 
das  Glas  dünnwandig  eingeblasen  wurde.  Zu  Anfang  des 
IL  Jahrhunderts  wurden  in  (lallia  Belgica  jene  Sigillatabecher  mit 
zylindrischen  Wandungen  nachgebildet,  deren  Reliefschmuck  sich 
auf  die  volkstümlichen  Schaustellungen  der  Arena,  die  Tierhetzen, 
Wagenrennen,  Gladiatorens})iele  bezog,  die  in  Gallien  ebenso 
heimisch  geworden  waren  wie  in  Italien.  Man  versah  Tonmodel 
mit  ähnlichen  Szenen  und  blies  in  sie  farbiges,  goldbraunes,  blaues, 
grünliches  oder  farbloses  Glas.  Außer  diesen  sog.  Zirkusbechern 
wurden  iiuch  geformte  Gläser  mit  einfacheren  Reliefornamenten 
fabriksmäßig  hergestellt,  da  sich  die  Arbeit  mit  Hohlformen,  die 
weniger  von  der  persönlichen  Geschicklichkeit  des  Glasbläsers 
abhängig  ist  als  andere,  besonders  zur  Massenproduktion  eignete. 
Namentlich  mit  den  Kannen,  welche  die  Gestalt  des  gallischen 
Weinfasses  nachahmen,  den  Fasskannen,  den  ,barrillets'  der  Franzo- 
sen, überschwemmten  die  belgischen  AVerkstätten,  insbesondere  die 
im  III.  Jahrhunderte  und  schon  zu  Ende  des  zweiten  tätige  Officina 
Frontiniana  die  ganze  Pro\'inz,  selbst  England  und  Italien.  Neben 
derartigen  selbständigen  Erzeugnissen  fielen  orientalische  An- 
regungen auf  fruchtbaren  Boden.  Die  kleinen  flachrunden  Pilger- 
flaschen, deren  vSeiten  mit  Medusenmasken  in  Relief  geschmückt 
sind,  wurden  bereits  zu  Anfang  des  IL  Jahrhunderts  in  farbigem 
Glase  nachgeahmt.  Ihnen  folgten  die  Gefäße  in  Form  \'on  Janus- 
köpfen,   von  Neger-  und  vSkla\enköpfen ,   \on    hockenden   Affen, 


199 


Gänsen,  Enten  und  anderen  Tieren,  die  Nachbildung"  von  Früchten, 
darunter   die    schönen  Kannen   in    Form    v'on   Weintrauben  u.  ii. 

Der  Export  Syriens  scheint  auf  diese  Entwickehnig-  nicht 
ohne  Einfluß  jn-ebliebcni  zu  sein.  -Syrische  Kaufleute  und  Hand- 
werker beg-annen  schon  im  I.  Jahrhunderte  sich  in  Gallien  nieder- 
zulassen, zuerst  in  Yienne  und  Lyon,  wo  sie  namentlich  die 
Seidenindustrie  einbürg^erten,  d^mn  in  Bordeaux  u.  a.  Unter  der 
Kaiserin  Julia  Domna,  einer  Syrerin,  stieg-  die  Macht  ihrer  Lands- 
leute auf  allen  Gebieten,  später  g^ing"  in  Gallien  die  syrische  Ein- 
wanderung- mit  der  Christianisierung-  Hand  in  I  land.  Antiochia, 
die  Hauptstadt,  erschien  zug-leich  vom  II.  Jalir- 
hunderte  ab  neben  Alexandria  als  Vorort  grie- 
chischer Bildung-.  Damit  erklärt  sich  vielleicht 
auch  das  häufig-ere  Auftreten  g-riechischer  In- 
schriften auf  g-allischen  Tong-efäßen  und  Gläsern 
im  in.  und  I\''.  Jahrhundert.  Nachdem  Sidon 
und  Tyrus  ihre  frühere  Bedeutung-  verloren 
hatten,  fand  die  Glasindustrie  im  syrischen  Hin- 
terlande eifrig-e  Pflegestätten,  die  ihre  Verbin- 
dungen von  West  nach  Ost  ausdehnten,  sogar 
bis  zu  den  Chinesen,  welche  erst  dadurch  das 
Glas  überhaupt  kennen  lernten.  Die  Syrer 
pflegten  vor  allem  die  Technik  des  aufgelegten  Fadens,  die  Wr- 
zierung  mit  Buckeln  und  Eindrücken,  sowie  das  Blasen  in  Formen. 

Die  gallische  Industrie  bewegte  sich  im  III.  Jahrhunderte 
vorzugsweise  in  gleichen  Richtungen,  wobei  die  Farbe  gegen 
die  plastische  Ausbildung  in  den  Hintergrund  trat.  Dagegen 
lebte  im  folgenden  die  PVeuch^  an  jener  wieder  auf  Gefäße  in 
leuchtendem  Blau,  Purpurrot,  \'iolettrot,  Goldbraun,  Smaragd-  und 
Dunkelg-rün  werden  wieder  häufiger,  die  Verzierung  mit  Nu]ipen, 
Zickz£ick-  und  Wellenfäden  gibt  zu  mehrfarbiger  Wirkung  (ie- 
legenheit.  Aber  Form  und  Dekoration  wird  immer  derber  und 
brutaler,  bis  man  im  \'.  Jahrhunderte  sog-ar  zum  Besatz  der  Gefäße 
mit  unreg-elmälMgen  Steinbrocken  g-elangte,  den  Zickzackfaden  un- 
fcirmlirh  dick  und  r(\gelIos  herlun^(•lllaIlg  imd  die  Fähigkeit  \-erlor, 
reine,  leuchtende  Farben  herzustellen,  (jraxierung,  Schliff  und 
Malerei,  die  Haupttechniken  vom  Ende  des  III.  Jahrluniderts  ab. 
wurden  vor\vi(\gend  im  Rlieinland  g-epflegt,  insbesondere  in  Köln 


Abb.  99.    Kännchen 

mit    Netzverzierung. 

Trier.  Museum. 


200 

und  Trier.  Die  anderen  gfallischen  Gebiete  nahmen  an  ihnen 
nur  geringen  Anteil,  doch  bheb  die  Glasindustrie  Belgiens,  die 
der  Picardie  und  der  Aisne  auch  noch  in  fränkischer  Zeit  ver- 
hältnismäßig die  bedeutendste  des  Nordens  diesseits   der  Alpen. 

Bei  der  Wohlhabenheit,  die  sich  in  Gallien  während  der 
ruhigen  Herrschaft  der  Römer  ausbreitete,  drang  der  Gebriiuch 
des  Glases  in  alle  Schichten  der  Bevölkerung,  so  daß  die  Gräber 
der  Toten  eine  große  Menge  \'on  gläsernen  Beigaben  enthalten. 
Die  Zahl  der  in  Gallia  Belgica  und  Gallia  Lugdunensis  gefundenen 
Gläser  wird  nur  von  jener  überboten,  welche  der  Boden  Kölns 
spendete.  Was  sich  außerhalb  der  Gräber  einst  an  solchen  be- 
fand, ist  natürlich  längst  zerstört,  ja  selbst  die  Gräber  waren  nicht 
immer,  namentlich  bei  feindlichen  Einfällen,  der  Plünderung  ent- 
gangen. Aber  noch  im  Mittelalter  waren,  wie  Theophilus  be- 
zeugt, gewaltige  Massen  antiker  Gläser  in  G^dlien  vereinigt.  Die 
in  solcher  Arbeit  erfahrenen  Franken  sammelten  sie,  zerstampften 
sie  (!)  und  schmolzen  sie  von  neuem  zu  farbigem  Glase.  Diese 
barbarische  Prozedur,  welche  beweist,  daß  antikes  Glas  durch 
sein  häufiges  Vorkommen  an  Wert  eingebüßt  hatte,  wurde  durch 
das  Vorurteil  verursacht,  daß  das  so  gewonnene  farbige  Pro- 
dukt besser  sei  als  das  auf  gewöhnlichem  Wege  hergestellte. 
Außer  Theophilus  enthält  auch  Heraclius  Rezepte  zur  Herstellung 
farbigen  Glases,  namentlich  aber  \'on  Farben  zur  Bemalung  von 
Glas  aus  antiken  Scherben.  Für  die  Fortdauer  der  antiken 
Tradition  auf  gallischem  Boden  spricht  u.  a.  der  Umstand,  daß 
die  Venezianer  im  X\T.  Jahrhunderte  die  Asche  einer  ,herba 
calida'  aus  Maguelonne  in  Südfrankreich  bezogen,  um  sie  zur  Glas- 
schmelze zu  \'erwenden. 

Außer  dem  Karthager  Alexandros,  der  als  Glasmacher  in 
Lyon  tätig  war,  ist  durch  Inschriften  und  Fabrikstempel  eine 
ganze  Reihe  gallischer  Glaskünstler  bekannt  geworden.  Auf 
importierten  Waren  liest  man  Stempel  des  Artas,  Volumnius 
Januarius,  Leuponius  Borvonicus,  der  Firmier  Hilaris  und  llylas 
und  andere.  Einheimische  waren  Amaranthus,  Patrimonius, 
Imperator,  Daecius,  Felix,  die  (Jfticina  Frontiniana,  Equa(-sius?) 
Lupio,  Cebeius  Hyllicus,  Cosanus  (oder  Cosanius),  G.  Appivis 
Apinossus  (Besangon),  Q.  Cassius  Nocturnus,  Laurentius,  ]\Iagunus, 
Rimus,  Calcagnus  u.  a. 


201 

In  folg'tMuhMn  sind  im  Anscdilusse  an  l^VoclnKsr,  dit^  wich- 
tigsten Fundorte  \on  Gläsern  auf  q-allischem  Boden,  mit  Aus- 
nahme von   Deutschland   und   dcv  S(-h\veiz,  ang-eführt. 

Gallia  Narbonnensis. 

Hauptfundorte  sind  die  dräber  \"on  Toulouse  (Tolosa)  und 
Nimes  (Nemausus).  Hier  fand  man  auch  ein  Glas  mit  der  Marke 
eines  irriechi sehen  Werk mcMsters  Zt^thos,  vielleicht  eines  ZeitLTenossen 


a  />  c 

Abb.    loo.      Gruppe  von   Gläsern  mit  Fadenverzierung.      In  den   Museen   von 
a  Bonn,  b  Worms,  c  Nürnberg  (Germanisches  M.),  d  Bonn,  e  Trier. 

der  vSidonier  Art^is,  Ennion  u.  a.,  dann  ein  her\orra^-endfs  Stück, 
einen  mit  Em^iilfarben  bemalten  Becher,  auf  welchem  der  Kam]^f 
von  Pyj>-mäen  ges^en  Kraniche  geschikh^rt  ist.  Das  jetzt  im  Lou\re 
befindliche    Glas    wird    später    noch    näher    besprochen    werden. 

Aix  (Aquae  Sectiae).  Unter  anderm  große  zylindrische 
Aschenurnen. 

Apt  (A])ta  Julia*.  Zahlreiche,  überall  hin  zerstreute  Funde. 
Eine  Aschenurne  mit  dem   Stem])e   ]..  ARLEXI  lAPlDLS. 

Gallia  Vindobonensis» 

liauptfundorte  sind  die  Gräber  von  Marseille  (Massilia)  und 
Arles    (Arekis).      Schon    Caylus    spricht    von    ihnen    und    bildet 


Recueil  III  330  T.  89  das  Bruchstück  eines  Überfangglases  mit 
bacchischer  Szene  ab:  Ein  Bacchant,  der  einen  Bock  herbei- 
zieht, gefolgt  von  einem  Satyr.  In  der  Revue  archeol.  N.  S.  28, 
S.  79  werden  andere  Gläser  veröffentlicht.  In  der  Gegend  über- 
wiegt die  farbige  Imjiortware  aus  dem  Orient  und  die  Arbeit 
der   frühen  Kaiserzeit. 

vSt.  Gabriel.  (Dep.  Vaucluse)  und  Vaison  (Vasio)  sehr  reiche 
Funde  farbiger  Gläser,  davon  mehrere  im  Britischen  Museum  und 
früher  bei  Ch£Lr\'et,  jetzt  im  Metropolitan  Museum  zu  New-York 
(abgeb.  bei  Froehner  a.  a.  O.  T.    18,    Sj   T.  29). 

Rouffieu.  Bourgoin.  Le  Pouzin.  Farbige  Gläser  im  Briti- 
schen Museum.  Montagnole  (Savoyen),  ein  Gladiatorenbecher 
bei  Charvet  (Froehner  T.  21). 

Aquitanfen. 

Bordeaux  (Burdigala).  Saintes  (Santones).  Im])ortware,  da- 
runter eine  viereckige  blaue  und  eine  viereckige  gelbe  Flasche 
mit  Reliefmasken;  gerippte  Schalen,  einzelne  aus  Millefiori. 

Vendee. 

Grues.  Le  Cormier.  Reiche  Funde,  darunter  ein  Gladiatoren- 
becher aus  gelbem  Glase.  Foret  de  Mervent,  Reste  einer  Glas- 
werkstätte, gef.  1863.  St.  Medard  des  Pres.  Chavagne,  Becher 
mit   Gladiatorenreliefs. 

Deux  Sevres. 

Amure.  Coulogne-les-Royaux.  Luc.  Sehr  zahlreiche  Funde, 
vgl.  Revue   archeol.  XV  S.   536. 

Vienne. 

Poitiers  (Pietavi)  sehr  bedeutende  Funde.     London. 

Maine  et  Loire. 

Clere.  St.  Just  sur  Dive.  Grand  Murat  (Creuze).  Tintignac 
(Correze).     Issoire  (Puy  de  Dome). 

Gallia  Lugdonensis. 

Hier  entstanden  die  ersten  Glaswerkstätten  auf  gallischem 
Boden,    vielleicht    im    Anschlüsse    an    die   von   Plmail.      Bibracte 


20- 


hat  ja  auch  die  ältesten  Kmaihirbeiten  g'ehefert,  von  deren 
Werkstätten  sich  Reste  erh^dten  haben.  Lyon  (Lusjfdunum) 
zahlreiche  Funde,  ^fontbrison  (Loire).  Chalons  s.  Saone  (Cabil- 
lonum),  unter  anderem  ein  gläserner  Fisch.  Mont  Beuvray 
(Bibracte).  Charnay,  Becher  mit  Quadrig^en.  Autun,  (Bibracte) 
Fragment  eines  Bechers  mit  Quadrigen.  Troyes  (Tricasses).  Ar^is 
s.  Aube.  St.  Loup.  Buffigny.  Melun  (Mellodunum).  Paris,  zahl- 
reiche Pfunde. 

Bretag:nc. 

Rennes  (Redones).  Carnac  (Morbihan). 
Außer  anderem  Reste  eines  Glasfensters,  auf 
einer  Seite  poliert,  auf  der  anderen  rauh, 
an  den  Rändern  Spuren  eines  roten  Kittes. 

Normandie. 

Evreux.  Vieux-Evreux  (Eburovices). 
Eturquerai  unter  anderem  eine  Flasche  in 
Form  eines  Fäßchens  aus  der  Fabrica  Fronti- 
niana. Trouville  u.  a.  ein  Becher  mit  einer 
Quadriga  und  ein  Fragment  mit  ( xladiatoren- 
relief  Rouen  (Rotomagus)  zahlreiche  Kan- 
nen der  Officina  Frontiniana.  Quatremares, 
eine  Kanne  mit  Fadenverzierung.  Eslette, 
Faßkannen  der  Frontiniana.  Juliobona  dgl. 
Etretat  dgl.  Le  Bois  de  Loges  dgl.  Fecamp 
dgl.    Neuville    le    Pollet    (bei    Dieppe)    dgl., 

außerdem  große  Funde  von  Gläsern  neben  Münzen  xou  lladriaii 
bis  Marc  Aurel. 

Gallia  Bcigica. 

Das  heutige  Dej).  Seine  Inferieure,  die  ehemaligen  Gebiete 
der  \'elocassier  und  Caleter,  scheinen  der  Mittt^ljuinkt  der  Fabri- 
kation geformter  (jläser,  der  Becher  mit  Zirkusszenen  in  Relief 
sowie  der  Faßkannen,  gewesen  zu  sein.  Während  jene  in  den  An- 
fang des  11.  Jahrhunderts  hinaufreichen,  blüln  die  1  Tau})twerkstatt 
der  Fal^kannen.  die  Officina  Frontiniana,  erst  gegen  Ende  dieses 
Jahrhunderts  auf  Ihr  engerer  \'"erbreitungsbezirk  umfaßt  außer 
Gallia  Belgicii  die  Normandie  und  Köln  mit  dem  Niederrhein.    Die 


Abb.  loi.  Sog.  Horn- 
becher.  Sammlung  Basser- 
mann-Jordan,  Deidesheim. 


204 

Hauptfundorte  sind  hier  Reims  (Durocotorum  Remorum),  Amiens 
(Samarobriva)  und  Vermand  (Viromanduum  in  der  Picafdie).  Die 
in  Reims  und  Amiens  gefundenen  Gläser  sind  zumeist  in  alle 
Windrichtungen  zerstreut,  während  die  in  Vermand  und  Abbeville 
gefundenen  —  gegen  500,  davon  der  vierte  Teil  unversehrt  — 
glücklicherweise  beisammen  geblieben  sind. ')  Gläser  bilden  in 
Vermand  den  größeren  Teil  der  Grabbeigaben.  Sie  reichen  nach 
Pilloy  von  der  Mitte  des  III.  bis  zum  Beginn  des  V.  Jahrhunderts. 
Diese  Datierung  läßt  sich  jedoch  nicht  auf  die  Frontinuskannen 
imwenden,  welche  in  Neuville  le  Pollet  mit  Münzen  des  Hadrian, 
der  Faustina,  des  Commodus,  Antoninus  Pius  und  Marc  Aurel 
zusammen  gefunden  wurden.'^) 

In  Amiens,  dessen  Museum  reich  an  Gläsern  aus  der  Um- 
gebung ist,  wurde  ein  Glasgefäß  in  Form  eines  die  vSyrinx 
blasenden  Affen  gefunden,  ein  Typus,  der  auch  in  den  Museen 
von  Köln,  Bonn  und  Trier  vertreten  ist,  ferner  ein  Glasgefäß  in 
Form  eines  j£muskopfes  (abgebildet  bei  Froehner  a.  a.  O.  T.  16, 
20,  21).  —  Andere  Fundorte:  Damery  (Marne).  Le  Chatelet. 
Foret  de  Compiegne.  Beimvais  (Caesaromagus  Bellovacorum), 
u.  a.  Kannen  mit  Spiralrippen.  Etaples.  Boulogne  sur  mer 
(Bononia)  reiche  ^Sammlung  im  dortigen  Museum.  Sablonniere, 
Breny,  Chouy,  Ancy,  Chassemy  Gläser  des  IV.  Jahrhunderts. 
Im  heutigen  Belgien:  Avenue,  Corroy  le  Grand,  Furfoz,  Namur, 
Samson,  Spontin.     I^ann  Steinfort  in  Luxeml^urg. 

Sequana. 

Besan9on  (Vesontio).  Port  sur  vSaone  (bei  Vesoul)  Fuß  eines 
Bechers  mit  dem  Stempel  des  italischen  Glasmachers  G.  Leu- 
ponius  Borvonicus. 


1)   Pilloy,  etudes  sur  d'anciens  lieux   de  sepulture    dans   l'Aisne,   tom.  II   S.  92  f. 
^)   Cochet,    Normandie  souterraine    S.    183.   —   Bohn    im   corpus    inscr.   lat.  XIII 
zu   No.    38   ff. 


205 

Britannien. 

Von  Gallien  aus  verbreitete  sich  das  Glas  zu  den  keltischen 
Stammesgenossen  in  Britannien.  Strabo  nennt  unter  den  Luxus- 
gegenständen, welche  die  Kelten  P^nglands  ihren  Nachbarn  jenseits 
des  Kanales  verdcmken,  Glasperlen  und  Glasgefäße.  Erstere 
hatten  ihnen  aber  bereits  die  griechischen,  vielleicht  schon  die 
phönizischen  Händler  direkt  zugeführt,  wenn  sie  das  geschätzte 
Zimi  \on  den  Casseriden  holten  und  in  der  Nordsee  auf  Bernstein 


Abb.    I02.      Fränkische   Beclier       Köln,   Sammlung   Xielien. 


fahndeten.  Wie  in  (iallien  trugen  die  Druiden  avich  in  England 
farbige  Glasperlen  als  Erkennungszeichen  und  als  Talismane; 
noch  jetzt  nennt  das  Volk  sie  Druideneier  oder  Schlangen-  und 
Viperneier,  wobei  es  die  Durchbohrung  in  der  Mitte  als  das  Mal 
eines  vSchlangenbisses  erklärt.  Die  Volksmeinung  Englands  berührt 
sich  darin  mit  jener  der  Aschantis  in  Afrika,  die  gleichfalls 
gläserne  Schmuckperlen,  welche  sie  in  der  Erde  finden,  für  Eier 
einer  Schlangenart  halten.  Dabei  mag  der  Umst^md  mitspielen, 
daß  sie  häufig  an  verborgenen  Orten  im  Boden  ruhen  und  ihre 
Entdeckung  Sache  des  Zufalles  ist.  Die  Germanen  in  Deutsch- 
land nannten  sie  auch  Siegessteine,  weil  sie  angeblich  ihrem 
Träger  den  Sieg  im  Kampfe  verbürgten. 

Die  nordische  Mythologie  weiß  viel  von  Glas  zu  erzählen. 
Sie  spricht  von  Quellen,  Schüfen,  Bergen  aus  (ilas.  Der 
Himmel    der     PLdda    ist    eine    riesige     durchsichtige     Glaskugel. 


206 

In  der  Wickinger  vSage  legt  »Siegfrieds  Mutter  den  Neugeborenen 
in  ein  Gefäß  aus  Glas.  In  einem  gewaltigen  Pokale  aus  Glas 
wohnt  nach  einer  keltischen  Legende  auch  König  Artus.  Den 
nordischen  Völkern  erschien  das  Glas,  das  zu  ihnen  auf  Handels- 
wegen vom  Süden  herkam,  als  ein  rätselhaftes  und  kostbares 
Produkt,  viel  wertvoller  als  Gold,  Silber  und  Edelgestein. 

Die  vSagen  von  gläsernen  Sälen  und  Burgen  mögen  auf  die 
(ilasburgen  zurückzuführen  sein,  welche  sich  tatsächlich  in  Schott- 
land, Frankreich  und  Deutschland  erhalten  haben.  Man  nahm 
früher  mit  Williams  an,  daß  die  schottischen  Anlagen  dieser  Art 
tatsächlich  völlig  \'erglaste  Wälle  hätten,  deren  Entstehen  man  sich 
folg'endermaßen  erklärte.  Man  habe  zuerst  einen  Graben  auf- 
geworfen, diesen  mit  verschiedenen  Materialien,  welche  in  der  Hitze 
schmelzen  und  verglasen,  gefüllt  und  zugleich  Holz,  Kohlen  und 
andere  Brennstoffe  hinzugefügt.  Im  Grunde  entstand  so  eine  Schichte 
von  glasartiger  Substanz,  auf  welche  man  \on  neuem  Schmelz- 
material warf,  und  eine  zweite  Schichte  herstellte.  Dies  setzte 
man  fort,  bis  der  Wall  die  gewünschte  Höhe  erreichte.  Ilg  be- 
zweifelt mit  Recht  diese  Erklärung  und  denkt  an  eine  natürliche 
Entstehung  der  Befestigungsanlagen  durch  einen  Waldbrand.^) 
Man  erinnert  sich  da  der  Erzählung  des  Josephus  Flavius  von 
dem  Waldbrande  in  Judäa,  durch  welchen  man  zuerst  auf  die 
Glasbereitung  geführt  worden  sei  (s.  Seite  97). 

Inzwischen  sind  diese  Glasburgen  genauer  untersucht 
und  aufgeklärt  worden.  Es  sind  Befestigungsanlagen,  die  bis  auf 
die  Glasverkittung  ganz  den  Steinringen  des  Taunus,  der  Eifel,  des 
Hochwaldes  und  anderer  Berggegenden  Deutschlands  entsprechen. 
Sie  nehmen  eine  kleine  Fläche  auf  dem  Gipfel  steiler  Hügel, 
den  Rand  oder  die  Mitte  steiler  Bergzungen  ein,  so  daß  sie  nur 
von  einer  .Seite  zugänglich  sind,  hier  aber  noch  durch  einen 
Vorwall  gedeckt  werden.  Eine  der  bestausgeprägten  Anlagen 
dieser  Art  ist  Knock  Ferrel  Naphian,  angeblich  die  Wohnung 
Fingais,  zwei  Meilen  nw.  von  Ding'wall  in  Rosshire.  Sie  bildet 
ein  Oval  von  120  .Schritt  Länge  und  40  Breite.  Der  Wall  ist 
12  Fuß,  an  einer  Stelle  23  Ful]  hoch,  3 — 4  dick  und  nach  außen 
steiler  abfallend  als  nach  innen.     An  der  zugänglichen  Spitze  ist 


^)  Ilg  bei  Lobmayr  S.   45. 


207 

das  0\al  xorläng'ert  und  enthält  den  durcli  /.alilreiche  Ouerwälle 
gesicherten  Eing-jini,'-,  während  die  andere  Spitze  durch  zwei  Quer- 
wälle als  letzter  Zufluchtsort  für  die  Xot  i^eschützt  ist.  Der  Um- 
fassungfswaül  und  die  Querwälle  sind  nicht  massiv  g"eschichtet,  es 
zeig"t  sich  vielmehr,  daß  die  A"erg"lasun^  von  itmen  aus  vorge- 
nommen ist,  wobei  sie  an  der  Außenseite  sichtbarer  hervortritt, 
als  an  der  entgegeng-esetzten,  wo  manche  Steine  gar  nicht  vom 
Feuer  berührt  sind.  Die  Oberfläche  ist  im  Allgemeinen  nur 
wenig    verschlackt,    mit   Humus   und   1  ieidekraut    überzogen  und 


Abb.    103.      Trinkhorn.      Köln,  Sammlung  M.   vom   Rath. 

daher  kaum  \on,  einem  gewöhnlichen  Erdwalle  zu  unterscheiden. 
Früher  nahm  man  an,  daß  die  Verschlackung  erst  im  XIII.  Jahr- 
hundert dadurch  herbeigeführt  worden  sei,  daß  Belagerer  den  Wall 
in  Brand  gesteckt  hätten,  um  ihn  zu  zerstören.  Das  wird  aber 
schon  dadurch  wiederlegt,  daß  der  Mittelpunkt  der  Glut  offenbar  in 
das  Innere  der  Mauer  \'ersetzt  war.  Gueslin  de  Bourgogne  dachte 
sich  daher  die  Entstehung  der  (jlasburgen  so,  daß  man  im  Inneren 
der  Mauern  Herde  angebracht  habe,  in  welchen  man  ein  lang  an- 
dauerndes Feuer  unterhielt,  welches  allmählich  zur  teilweisen  Ver- 
schkickung  der  Steine  und  Ziegel  führte.  Andere  glaubten,  daß 
man  durch  das  ganze  Innere  der  Mauern  der  Länge  nach  Brenn- 
material aufschichtete,  entzündete,  und  (he  (dut  \on  außen  durch 
angelehnte  Holzscheite  verstärkte.  Prevost  ergänzte  cHes  durch 
den  Hinweis  auf  die  Anlage  von   Zit^geh'ifen    beim   Feldbrande.-^) 


')   Prevost,    memoire    sur    les    anciens    construclions    mijitaircs    connues    sous    Ic 
nom  de  forts  vitrifies.     Saumur   1863. 


208 

Ähnlich  wie  bei  diesen  habe  man  eine  Mauer  mit  vielen  Zwischen- 
räumen aufgeführt,  in  welche  das  Brennmaterial,  Holz,  Stein- 
und  Holzkohle  eingelegt  und  hierauf  der  Luftzug  und  die  Flamme 
g'eleitet  wurde.  Von  außen  habe  man  die  Zwischenräume,  wo 
irgend  möglich,  geschlossen  und  die  g^mze  Mauer  mit  einem 
Überzuge  von  Ton  versehen.  Im  Inneren  finde  man  fast  aus- 
schließlich Lehmziegel  und  nur  ausnahmeweise  Steine. 

Dagegen  stellt  von  Cohausen  fest,  daß  man  bei  den  schot- 
tischen Glasburgen  gerade  im  Gegenteile  fast  ausschließlich  das 
Felsmaterial  der  Umgebung  zur  Herstellung  des  Walles  benutzt 
h^ibe  und  nur  wenige  Ziegel.^)  In  Frankreich  nahm  man  zumeist 
Granit,  weißen  Quarz  und  wenig  Sandstein.  Der  im  Granit  ent- 
haltene Feldspat  reichte  hin,  in  Verbindung  mit  der  Holzasche 
eine  leichte  Verglasung  herbeizuführen,  welche  die  Steine  über- 
zog und  einen  festen  Kitt  bildete.  Über  das  Alter  der  schottischen 
Glasburgen  und  der  verwandten  Anlagen  in  Frankreich  und  auch 
bei  uns  sind  noch  keine  genügenden  Untersuchungen  angestellt. 
Man  wollte  sie  den  Dänen  oder  den  Einwohnern  aus  der  Drui- 
denzeit zuschreiben.  Da  man  aber  in  einigen  römische  Ziegel- 
bruchstücke und  lange  eiserne  Xägel  gefunden  hat,  dürften 
wenigstens  diese  aus  römischer  Zeit  oder  einer  bald  darauf  fol- 
genden Periode  stammen.  In  Deutschland  nennt  man  solche 
Anlagen  richtiger  Schlackenwälle.  Einige  von  ihnen  bestehen 
aus  geglühtem  Ton,  aus  Erdmassen,  die  mit  Kohle  und  Asche 
untermischt  sind,  andere  aus  Steinen,  welche  geglüht,  gefrittet 
glasiert  oder  geschmolzen  sind.  Solche  Wälle  gibt  es  bei  Strom- 
berg und  Rotenstein  in  der  Nähe  von  Löbau,  auf  dem  Rein- 
harclsberg"e  bei  Kamentz,  dem  Schaf  berge  bei  Bukowitz  und  bei 
Karlowitz  in  Böhmen.  Am  Niederrheine  wurden  von  Nöggerath 
vSpuren  von  derartigen  Wällen   am  Donnersberge  gefunden. 

Vielleicht  sind  auch  nach  England  alexandrinische  Glas- 
macher gegangen,  da  die  Handelsverbindungen  von  Marseille  die 
Rhone  hinauf  nach  Belgien  und  über  den  Kanal  reichten  und 
auch  die  Griechen  Zinn  von  dort  holten.  Jedenfalls  übte  das 
Erstarken  der  heimischen  Glasfabriken  in  Gallien  auch  seine 
Wirkung  auf  die  Stammesgenossen  in  England,  denn  vom  Ende  des 


^)  V.   Cohausen.    Die  schottischen   Glasburgen.      Bonner  Jahrb.   37,   S.    197  f. 


209 

I.  JahrluiiultTts  al)  w  urde  auch  xon  diesen  dlas  erzeuj^t  und  zwar 
in  durchaus  g-leicher  Art.  Die  cng-Hsch-römischen  Gläser  stimmen 
sowohl  in  Material,  wie  in  P'orm  und  Verzierung-  vollkommen  mit 
den  g-alli seh -römischen  überein.  Üb  die  zu  Anfang-  des  il.  Jahr- 
hunderts auftauchenden,  in  Hohlformen  g-eblasenen  Zirkusbecher,. 
\on  welchen  schon  die  Rede  war,  auch  in  England  g-emacht 
wurden,  wie  einige  englische  Archäolog-en  annehmen,  ist 
nicht    g-anz   sichergestellt.      Tatsächlich    wurden    (^bensoxiele    \on 


Abb.    104.      Trinkhorn   aus   Castel   Trosino.      Rom,   Museo  Civico. 


ihnen  in  England  wie  in  Erankreich  gefunden,  ein  Bruchstück 
dieser  Art  auch  in  den  Werkstätten  von  Wilderspool  (s.  S.  23), 
was  ^dlerdings  zugunsten  dieser  Ansicht  ausgelegt  werden 
kann.  Jedenfalls  lassen  die  Eunde  von  Wilderspool  einen  sehr 
entwickelten  und  vielseitigen  Betrieb  erkennen,  der  sich  nicht 
auf  gewöhnliche  Gebrauchsware  beschränkte,  sondern  auch  das 
Blasen  in  Hohlformen,  die  feinere  Eadenverzierung,  den  Schliff 
und  die  Gravierung,  farbloses  und  farbiges  Glas,  auch  schon  die 
Herstellung-  \on  Krystallglas  durch  Zusatz  von  Bleioxyden  kannte 
und  damit  beweist,  daß  das  moderne  englische  Bleiglas  auf  eine 
cüteinheimische  Übung  zurückzuführen  ist.  Da  sich  diese  Sorte 
besonders  zur  Griivicrung  und  zum  Schliffe  eignet,  sind  gra\-ierte 
Gläser  unter  den  antiken  Eundini  Englands  verhältnismäßig  sehr 
reich  \ertreten.  Eunde  von  römischen  Gläsern  sind  in  Eng- 
land überhaupt  nicht  selten;  häufig-  kommen  auch  Emailarbeiten 
\or,    selbst    größere    Stücke,    Gefäße    aus    Bronze    mit    reichem 

Kisa,   Das  Glas  im  Altertunie.  jj 


2IO 

Grubenschmelz,  (s.  S.  151)  wie  die  Bronzevase  von  Essex  (abgeb. 
bei  Deville  T.  108)  u.  a.  Man  kann  kaum  daran  zweifeln,  daß 
Philostratus  bei  seiner  Erzählung  von  den  Barbaren  am  Nord- 
meere, welche  in  den  Metallschmuck  von  Pferden  unverwüstliche 
Farben  einzuschmelzen  verständen,  nicht  nur  die  festlän- 
dischen Küstenbewohner,  sondern  auch  ihre  Nachbarn  jenseits 
des  Kanales  gemeint  hat. 

Als  Fundorte  antiker  Gläser  kommen  in  England  nach 
Froehner  folgende  Städte  in  Betracht: 

Arisford,  Chilgrove  (Archeologia  31,  312)  und  Dentworth  in 
Sussex.  Canterbury  (Durovernum),  wo  u.  a.  eine  .Scherbe  mit 
graviertem  Wagenrennen  gefunden  wurde.  Faversham  und 
Hartlip  in  Kent,  an  letzterem  (Jrte  einer  der  Zirkusbecher  aus 
grünlichem  Glase,  mit  Wagenrennen  und  Gladiatoren.  London 
(Londinium):  zahlreiche  Funde  aus  Spittlefield,  die  mit  der  Samm- 
lung Roach  vSmith  in  das  Britische  Museum  kamen.  Colchester 
(Camulodunum),  reiche  Funde,  darunter  ein  Becher  mit  gravierter 
Zirkusszene  und  Inschriften  aus  Lexden  Road,  jetzt  im  Britischen 
Museum.  Bartlow  Hill,  Messnig  und  Chesterford  in  Essex.  Grun- 
disburgh  vmd  Melford  in  Suffolk.  Barnwell  (Cambridgeshire, 
vgl.  Slade  a.  a.  O.  S.  44,  45).  Leicester  (Ratae)  u.  a.  ein  Frag- 
ment eines  vSiegesbechers  mit  Gladiatorenkämpfen  in  Relief. 
Newark,  (Gloucestershire).  Circencester  (Durocornovium).  Caerleon 
(Isca  vSilurum).  Cambeckfort  am  Hadrianswalle  u.  a.  eine  Scherbe 
mit  graviertem  Namen  yJKTyll2N  (vgl.  Froehner  S.  95). 

Skandinavien. 

Zu  dem  kalten  Himmel  Skandinaviens  ist  niemals  der 
Rauch  einer  antiken  Glashütte  emporgestiegen,  aber  der 
Handelsverkehr  hat  einen  reichen  Strom  römischer  (xlaswaren 
über  die  drei  nordischen  Königreiche,  besonders  über  Dänemark 
ergossen.  Wenn  man  von  einigen  Ausnahmen  absieht,  ergibt  die 
Gleichartigkeit  der  Erzeugnisse  ein  bestimmtes  Ursprungsgebiet 
und  zwar  das  gallische.  Da  zwei  besonders  gut  vertretene 
Sorten,  die  Gläser  mit  farbigen  Emailmalereien  und  die  Rhyta, 
die  gläsernen  Trinkhörner  besonders  von  der  gallisch-reinischen 
Glasindustrie  kultiviert  worden  sind,  darf  man  annehmen,  daß 
auch   die   dritte  im  Norden  bekannte  Art,   die   Becher  mit  Hohl- 


21  I 

schliffen,  die  im  tifallischen  F(^stlande  wie  in  Kni^daiid  herg"estellt 
wurde,  aus  derselben  Ouelle  stammt.  Dazu  kommt,  daß  sich  in 
Dänemark  überdies  Gläser  mit  farbij^'en  .Schlangenfäden  gefunden 
haben,  welche  geradezu  eine  Spezialität  kölnischer  Glashütten 
bildeten.  So  muß  man  denn  für  die  mittlere  und  spätere  Kaiser- 
zeit Köln,  das  Ausfallstor  des  römischen  Handels  nach  dem  freien 
Germanien,  auch  als  .Vusgangspunkt  des  Exportes  von  Glas  waren 
nach  dem  Norden  betnichten,  was  mit  den  Ergebnissen,  die 
Willers  neuerer  Zeit  bei  seinen  Untersuchungt^n  ül)er  iWc  kom- 
merziellen ^"erhältnisse  von  Westdeutsch- 
land wahrtMid  der  Römerherrschaft  ge- 
wonnen hat,  gut  zusammenstimmt.  ^) 

Die  Glasgefäße  wurden  neben  zahl- 
losen Schmuckperlen  in  (iräbern  gefunden, 
die  fast  durchweg  der  spätrömischen  und 
der    Völkerwanderungszeit    angehören    und 

Abb.    105. 

die  Skelette  vornehmer   einheimischer  Per-      ^    r..   a-    1  u       •     ^• 

Fariumtlaschchen    in    &e- 

sonen.  zumeist  Erauen.  enthielten.     Nur  die      stalt  eines  Schweinchens, 
wichtigsten  und  künstlerisch  bedeutendsten  Köln,  Museum, 

sind  bisher  veröffentlicht,  während  die  Mehr- 
zahl, einfachere  Gebrauchsgläser,    selbst  in  den  Zeitschriften  der 
Archäologischen  Gesellschaften  des  Nordens  nur  flüchtig  erwähnt 
sind.-)    Die  wichtigsten  Stücke,  nach  den  Fundorten  geordnet, 
sind: 

Dänemark. 

Varpelew  1801  u.  a.  gefunden  ein  Becher  aus  azurV)lauem 
Ghise  in  durchbrochener  Silberfassung  mit  der  Inschrift  EYTYXS2C. 
(Abb.  209).  Dieses  und  das  Überfangglas  aus  Solberg  in  Schwe- 
den sind  vielleicht  die  einzigen  Stücke,  die  nicht  cms  dem  Rhein- 


^)   Willers,   die   Bronzeeimer   von   llemmoor  S.    191  ff. 

-)  Über  die  nordischen  Gläserfunde  vgl.  vor  allem  die  Abhandlung  von  Oskar 
Almgreen,  Abschnitt  XI  dieses  Buches,  das  am  Schlüsse  mehrere  .\bbildungen  be- 
malter Gläser  des  Nordens  enthält.  Einzelheiten  finden  sich  bei  Sophus  Müller, 
Nordische  Altertumskunde  II.  Montelius,  Kultur  Schwedens  in  vorchristl.  Zeit,  deutsch 
von  C.  Appel.  Willers  a.  a.  O.  S.  61  IT.  Bohn  CiL  XIII.  Instrumentum  do- 
mesticum  (Germania  Magna.  Auch  für  die  Funde  auf  deutschem  und  schweizerischem 
Boden).  Führer  d.  d.  Dänische  Sammlung  in  Kopenhagen.  Manche  wichtige  Notiz 
verdanke  ich  den  brieflichen  Mitteilungen  von  Dr.  O.  Almgreen  in  Stockholm. 

14* 


212 

lande,  sondern  aus  dem  Süden,  wahrscheinlich  auf  einem  der 
vom  Pontus  nach  der  Ostseeküste  führenden  großen  Handelswege 
ins  Land  gekommen  sind,  die  bereits  von  den  Griechen  benutzt 
wurden.  Der  Becher  von  Varpelew,  welchem  eine  Münze  des 
Kaisers  Probus  beigegeben  war,  stimmt  in  der  Technik  mit 
mehreren  anderen  antiken  Gefäßen,  besonders  aber  mit  einem 
in  Georgien  g^efundenen,  jetzt  in  der  Eremitage  von  Petersburg 
befindlichen  Becher  überein.  ^)  —  Gleichfalls  in  Varpelew  ist  ein 
farbloser,  weiß  bemalter  Becher  mit  der  Inschrift  DVBP  gefunden 
worden,  welche  Bohn  in  Da  Vinum  Bonum  Pie  (Zesais)  auflöst. 
Die  Malerei  stellt  Vögel  und  Trauben  dar.  Zwei  andere  Becher 
aus  farblos  durchsichtigem  Glase  sind  bunt  mit  Tierszenen  bemalt. 
Eines  der  hier  aufgedeckten  Gräber  enthielt  u.  a.  1 3  gläserne 
Spielsteine. 

Vorning  (Amt  Viborg.  Jütlandi.  Becher  aus  farblosem  Glase 
mit  eingeschnittener  Inschrift  niE  ZHCAIC  KAAP.C. 

Ilimlingöje  (Amt  Presto)  1894.  Becher  mit  Tierfries,  Löwe 
und  Panther,  einen  Steinbock  verfolgend,  in  bunten  Farben  ge- 
malt.    Ein  Trinkhorn  aus  grünem   Glase  mit  schrägen  Riefen. 

Thorslunde  (Amt  Kopenhagen).  Drei  Becher  aus  farblosem 
Glase,  beniiilt  mit  Tierfriesen  und  Gladiatorenszenen. 

Nordrup  (Amt  Sorö).  Zahlreiche  gläserne  Spielsteine  in  zwei 
Farben.  Mehrere  Becher  darunter  zwei  mit  Tierfriesen  und  Zir- 
kusszenen bemalt. 

Norrebroby  (x\mt  Odensej.     Mehrere  Glasschiden. 

Kjärumgaard  (Amt  Odense).     Ein  gläsernes  Trinkhorn. 

Sophus  Müller  erwähnt  unter  den  dänischen  Funden  auch 
Gläser  mit  eingeschliffenen  Ovalen,  solche  mit  Spiralfäden,  ein 
enges  Kelchglas  mit  niederem  Fuß  und  vier  aufsteigenden 
Schlangenfäden  in  weiß  und  blau.  Alle  bisher  genannten  Gläser 
befinden  sich   im  Museum   von   Kopenhagen. 

Schweden. 

Abekris  (Schoonen).  Sehr  viele  (jlasperlen  und  zwei  konisch 
nach  oben  erweiterte  Becher  mit  vier  Reihen  ovaler  Hohlschliffe 
und  gravierten  Reifen. 


^j  Stephani,    compte    rendu    1872    S.    144,    D.   T.   II,    i,   2.      Danach    ist    unsere 
Abbildung   207   hergestellt.     Auch   bei  Schreiber,   kulturhistorischer  Bilderatlas  T.  20,  2. 


21 


Nofwegfen. 

SolV)eriJ"  (Amt  Uuskerudi.      P)eciier  in  rbt'rfani^'tcc^hnik,  fra.g- 
mentiert.   ])lau    mit    weiluMi    l<('li(^fl)il{lern.^) 


ce*? 


Abb.    lu'i.      triascr    mit    Zickzackfäden. 
Köln,    ehem.   Sammlung  Merkens. 


Germanien. 

In  den  _s^'"ermaiii.schen  Pro\'in- 
zen,  \-or  allem  im  Rheinlande. 
hat  die  antike  Glasindustrie  schon 
in  der  Mitte  des  I.  Jahrhunderts 
\Vurzel  i>-efaßt.  Die  WrmittelunLT 
bildete  die  Colonia  Treverorum, 
Trier,  deren  (jebiet  zwar,  wie 
die  Stadt  selbst,  zur  Pro\inz  F)el- 
gica.  g'ehörte,  sich  aber  bis  zum 
Rheine  vorschob,  ohne  daß  die 
(rrenzlinie  zwischen  (jermanien 
und  Helgica  immer  klar  zu  ziehen 

wäre.  Das  untere  Moselland  wurde  später  zur  Provinz  (3ber- 
jjermanien  gerechnet.  Keltische  und  g"ermanische  Elemente 
waren  im  Rheinlande  durcheinander  g-emischt,  so  daß  auch  in  der 
Kunst,  in  der  Religion  und  wie  in  den  Verwidtungseinrichtungen 
beide  nicht  immer  streng  auseinanderzuhalten  sind.  Die  Tre- 
verer  selbst  rühmten  sich  mit  Recht  oder  Unrecht  germanischer 
Abstammung,  gleich  den  Xer\-iern,  sie  waren  aber  ohne  Zweifel 
vollkomnKMi  giillisiert  und  unterschieden  sich  in  nichts  von  ihrtMi 
westlichen  Nachbarn.  Noch  im  W.  Jahrhundert  sprach  man  in 
Trier  keltisch.  Der  Dichter  der  „Mosella",  der  aus  der  Garonne 
stammende  Ausonius,  fühlte  sich  im  Lande  der  Treverer  ganz 
heimisch,  und  preist  mit  Begeisterung  das  idvllische  Leben  im 
Lande  der  Rebenhügel,  das  friedlich  unter  kaiserlichem  Schutze 
geborgen  hig,  trotz  der  unruhigen  Nähe  des  Rheines.  Allerdings 
war  der  Unterschied  zwischen  der  wafifenstarrenden  >rilitärgrenze 


*}   Vgl.  Abschnitt  XI,    wo  dieser,    wie   zahlreiche    andere  skandinavische   l*'und< 
abgebildet  sind. 


214 

und  dem  fernen,  lang"e  Zeit  durch  den  Limes  gesicherten  Lande  ein 
sehr  g-roßer.  Durch  die  Mosel  mit  den  inneren  Teilen  Galliens 
verbunden,  durch  die  Wasserstraßen  der  Rhone  und  Seine  dem 
gallischen  Handelsverkehr  angegliedert,  wurde  es  früh  von  dem 
von  Massilia  ausgehenden  vStrome  antiker  Kultur  berührt.  .Seine 
Lage  machte  es  aber  auch  zur  Operationsbasis  in  den  Kämpfen 
der  Kaiser  gegen  gallische  Empörer  und  germanische  Eroberer 
geeignet.  In  augusteischer  Zeit  neu  geschaffen,  wie  alle  von 
diesem  Kaiser  gegründeten  .Städte,  mit  einem  Netze  breiter, 
gerader  .Straßen  mit  rechtwinkeligen  Kreuzungen  versehen  und 
anfcmgs,  wie  es  scheint  unbefestigt,  blühte  die  .Stadt  bald  auf 
und  wurde  von  mehreren  der  gallischen  Nebenkaiser  zur  Resi- 
denz ausersehen.  Maximian  machte  sie  zur  eigentlichen  ILuipt- 
stadt  der  ganzen  westlichen  Reichshälfte,  da  die  politischen  Ver- 
hältnisse, namentlich  die  drohende  Germanengefahr  die  ständige 
Anwesenheit  des  Reichsoberhauptes  notwendig  erscheinen  ließen. 
Auch  sein  Nachfolger  Constantius  residierte  in  Trier,  das  die 
Hochzeit  seines  .Sohnes  Constiuitin  mit  einer  Tochter  des  Maxen- 
tius  mit  allem  Glänze,  aller  Pracht  und  Crrausamkeit  der  dabei 
veranstalteten  Zirkusspiele  sah.  in  welchen  kriegsgefiuigene 
Fürsten  der  Franken  nebst  zahlreichen  .Stammesgenossen  den 
Bestien  vorgeworfen  wurden.  .So  groß  war  die  Zahl  der  Opfer, 
daß,  wie  berichtet  wird,  „die  wilden  Tiere  ob  der  Menge  der 
Leute   ermatteten."  ^) 

Zwei  Jahrhunderte  hindurch  erfreute  sich  das  Trevererland 
des  Friedens  und  es  konnte  sich  dort  ein  ähnliches  Leben  ent- 
falten wie  im  übrigen  Belgien  und  im  lugdunensischen  Gallien. 
Handel,  Landwirtschaft  und  städtischer  Gewerbefleiß  rührten 
sich  allenthalben,  an  den  Ufern  der  schiffereichen  ^Nlosel  und  in 
den  Gebirgstäler  der  Eifel  entstanden  glänzende  Landhäuser, 
deren  luxuriöse  Einrichtung  uns  die  reichen  Reste  von  Mosaikböden, 
Marmorvertäfelung  und  kleinem  Hausrate  aller  Art  verraten.  Ganz 
einzig  ist  diesseits  der  Alpen  der  .Skulpturenschmuck  des  Park- 
teiches von  AVelschbillig,  der  \on  marmornem  Gitterwerk  um- 
geben war,  zwischen  welchem  sich  Hermen  erhoben.  Auch  im 
Taunus  entwickelte  sich  ein  glänzendes  Landleben,  doch  können 


Fr.   Kocpp,   Die   Römer  in   Deutschland.   S.  90  ff. 


21 


sich  dessen  X'illcn  nicht  mit  jenen  des  Mosellandes  messen,  wo  auf 
Sitten  und  Lebensfüliruny  ein  Abglanz  des  kaiserlichen  Hofhaltes 
fiel.  Wie  es  hier  zug-ing  schildern  getreuer  als  Worte  die  Reliefs 
von  Neumag-en,  die  tr^iuliche  Bilder  des  Familienlebens,  rea- 
listische Szenen  des  Geschäftsverkehres,  der  Landwirtschaft,  des 
Weinbaues,  der  Moselschiff^ihrt,  enthüllten,  und  in  der  zweiten 
Hälfte  des  II.  sowie  in  der  ersten  Hälfte  des  III.  Jahrhunderts 
entstanden,  ein  volles  J^ihrhundert  vor  Ausonius'  Lobgedichte. 
Dann  zogen  sich  freilich  die  Gewitter- 
wolken über  dem  Trevererlande  zusam- 
men: man  suchte  der  drohenden  Ger- 
manengefahr durch  die  Befestigung  der 
Stadt  vorzubeugen,  zu  der  die  berühmte 
Porta  Nigra  gehört,  das  stolzeste  Denk- 
mal antiker  Festungsbaukunst  und  als 
solches   selbst   in   Rom    ohne  gleichen. 

In  den  beiden  germanischen  Pro- 
vinzen,  der  Militärgrenze  des  Reiches, 
saßen  dagegen  vorwiegend  germanische 
Stämme.  Die  Rauraker  waren  allerdings    Abb.  107.    Napf  mit  Zickzack- 
Kelten:   im  Decumatenlande,    das  einen  faden.     Breslau,  Museum, 
großen  Teil  des  obergermanischen  Limes 

einschloß,  hatte  sich  nach  Tacitus  „levissimus  quisque  Gallorum", 
„der  Abschaum  der  gallischen  Völkerschaften"  angesiedelt.  Die 
drei  Hauptstämme  jedoch  waren  rein  germanischer  Abkunft  und 
erst  zu  Caesars  Zeiten,  die  Ubier  gar  erst  unter  Augtistus,  vom 
linken  Rheinufer  auf  das  rechte  verpflanzt  worden.  xAber  auch 
im  Decumatenlande  saßen  germanische  Stämme,  wie  die  Suebi 
Nieretes  um  Ladenburg,  die  Mattiakor  um  Mainz  und  andere, 
später  zu  den  Alemannen  und  Franken  hinztigezogene  \^ölker- 
splitter. 

Alle  diese  Völkerschaften  waren  schon  früh  in  freundschaft- 
liche Verbindung  mit  den  Römern  getreten  und  hatten  sich 
gleichzeitig  mit  den  Galliern  auf  guten  Fuß  gesetzt,  die  versprengt 
unter  ihnen  lebten,  namentlich  im  Elsaß  und  in  der  Pfalz,  wo 
das  römische  Element  schon  ein  halbes  Jahrhundert  vor  Augustus 
nivellierend  eingewirkt  hatte.  Auch  die  Ubier  und  Mattiaker 
hatten  durch  lebhafte   Handelsbeziehungen  ihre  alten  Sitten  ein- 


2l6 

gebüßt,  waren  seßhafte  Kaufleute,  Landwirte,  Fischer  und  Hand- 
werker geworden  und  wohnten  teilweise  in  städtischen  Ansiede- 
lungen. Das  Bild,  das  Tacitus  von  den  freien  Germanen  ent- 
worfen, paßte  daher  für  diese  Stämme  längst  nicht  mehr.  Die 
römische  Verw^idtung  behandelte  sie  ganz  wie  die  benachbarten 
Gallier.  Wie  für  diese  ein  National-Landtag  am  Heiligtume  des 
Augustus  und  der  Roma  in  Lugdunum  geschaffen  war,  sollten 
sich  auch  die  der  Römerherschaft  unterworfenen  Germanen  an 
dem  Heiligtume  des  Augustus  im  Ubierkinde,  der  Ära  Ubiorum, 
alljährlich  zu  gemeinsamer  Beratung  versammeln.  Ein  Cherusker- 
prinz hatte  zu  Armins  Zeiten  hier  die  .Stelle  des  Oberpriesters 
inne,  doch  löste  sich  die  Einrichtung  bald  auf.  Die  avigusteische 
Provinz  Germanien  wurde  bald  aus  militärischen  (iründen  in  zwei. 
Nieder-  und  (Jbergermanien  geteilt,  deren  Grenze  der  Vlnxtbach 
bildete,  der  urs])rünglich  das  Gebiet  der  Ubier  von  dem  der 
Treverer  und  später  bis  in  napoleonische  Zeit  die  Diözesen  Köln 
und  Trier  schied. 

Die  Städte,  die  im  Rheinlande  während  des  IV.,  teilweise 
schon  zu  Ende  des  III.  Jahrhunderts  entstanden,  entwickelten  sich 
aus  Legionslagern.  .Schon  unter  Augustus  wurde  an  der  Lippemün- 
dung Xanten  (Castra  Vetera),  an  der  Mainmündung  Mainz  (Mo- 
guntiacum)  als  Heereslager  begründet,  ihnen  folgte  das  große 
Lager  an  der  Ära  LTbiorum,  das  später  aufgelöst  wurde,  kleinere 
in  Nymwegen,  Cleve,  Neuß,  Bonn,  Windisch  (Vindoniss^i),  Straß- 
burg u.  a.  Im  Anschluße  an  sie  bildeten  sich  bürgerliche  Nie- 
derlassungen (caniibae),  zum  Teile  blühende  Ortschaften,  die  mit 
dem  Ltiger  so  enge  verwuchsen,  daß  sie  sich,  besonders  im 
Limesgebiete,  mitunter  auflösen  mußten,  wenn  die  Garnison 
verlegt  und  durch  keine  andere  ersetzt  wurde.  Aus  anderen 
sind  dagegen  manchmal  blühende  Ortschaften  geworden  — 
Städte  allerdings  gab  es  bis  in  die  späte  Zeit  nach  rechtlichen 
Begriffen  überhaupt  nur  zwei,  Köln  und  Xanten.  Während  Mainz, 
trotzdem  es  der  .Sitz  des  .Stadthalters  \-on  Obergermanien  war, 
nur  als  befestigtes  Lager  galt,  entwickelte  sich  die  Residenz  des 
Stadthalters  von  Niedergermanien,  Köln,  zur  ersten  und  bedeu- 
tendsten .Stadt  am  Rhein,  nachdem  d^is  frühere  Fischerdorf  der 
Ubier  und  nachmalige  Lager  unter  Claudius  zur  Kolonie  erhoben 
worden   war  und    die   städtische    Munizi]Kil\'erfassung   bekommen 


2  1/ 


hatte.  Die  Garnison  w  urdt^  bis  auf  wenij^'e,  dem  Siatthaltcr  und 
Legaten  zur  unmittelbaren  Verfüg-ung-  stehende  Truppen  \-er- 
legt  und  W'teninen  angesiedelt,  die  sich  auf  ihren  (irabsteinen 
mit  Stolz  cives  Agrippinenses  nennen.  Erst  im  111.  Jahrhundert 
entstand  die  Stadtbefestigung,  deren  Tore  und  TürnK^  sich  teil- 
weise bis  heute  erhalten  haben.  Der  Hofhalt  der  .Statthalterei, 
das  Heer  \-on  Beamten,  die  steigende  Wohlhabenheit  der  Bürger, 
vor  allem  auf  (inmdbesitz  und  1  hmdel  zwischen  Gallien  und 
dem  freien  Germanien  begründet,  schufen  auch  hier  ein  stolzes 
Zeugnis  römischer  Kulturarbeit.  Tempel  und 
Paläste,  Bäder  und  Ami)hitheater  erhoben 
sich  hier  wie  in  Trier,  wenn  auch,  da  die 
Sonne  kaiserlicher  Huld  nicht  aus  nächster 
Nähe  strahlte  und  die  Verbindungen  mit  der 
kunstreichen  (jalliii  Xarbonnensis  weniger 
innig  waren,  einfacher  und  bescheidener. 
Trotzdem  Köln  aufgehört  hatte  Festung  zu 
sein,  blieb  hier  im  Angesichte  des  Feindes 
der  militärische  Zuschnitt.  Luxuriöse  Villen 
wolhabender  Rentner,  wie  in  Trier,  gab  es 
hier  nicht.  Während  sich  später  und  noch 
heute    in    den    Burgen    und    \"illen    an    den 

Ufern  des  Rheines  der  Reichtum  des  Landes  zusammendrängte, 
war  in  Römerzeiten  die  Mosel  darin  dem  Rheine  \-oraus.  Aber 
die  günstige  Lage  der  Stadt  am  LTer  der  gewaltigen  Wasser- 
straße und  als  Mitteljnmkt  eines  weitverzweigten  Stralkninetzes 
brachte  trotz  der  Unsicherheit  der  politischen  \"erhältnisse  und 
der  Schwere  der  kriegerischen  Rüstung  Hand(4  und  (iewerbe 
mächtig  em])or  und  schuf  (Miie  gewerbliche  Tätigkeit,  \-on  deren 
Früchten  sich  noch  die  fränkisch(^  und  karolinische  Zeit  nährte. 
Zwischen  zw  c^i  und  sieben  Metern  schw  ankt  die  1  iolic  der  Schutt- 
haufen, in  wt^lche  spätere  l'mg<*staltungen  und  X'crw  iistungen 
die  einst  blühende  Rönn^rstadt  xi^wandelt,  so  dali  \'on  ihren 
Bauten,  mit  Ausnahme  einiger  Befestigungen,  nichts  mehr 
kenntlich  ist.  JVit^r  hat  es  darin  besser.  Dort  pulsierte  das 
mittelalterliche  Leben  weniger  lebhaft,  wenig  Neues  triit  dem 
Alten  feindhch  entgegen.  .Schließlich  \erfiel  die  Moselstadt  fast 
völliger  Stagnation,   bis   erst   das    XIX.  Jahrlumdert   sich    wieder 


.\bb.     lo8.       Xapf     mit 
Buckeln    und     Zickzack- 
faden.   Köln,  Sammlung 
Xiellen. 


2l8 

an  die  alte  stolze  Vergangenheit  erinnerte  und  neues  Leben  den 
Ruinen  einhauchte. 

Noch  weit  kriegerischer  als  in  Köln  ging  es  am  Mittelrhein 
zu.  Zwar  brachte  der  Hof  halt  des  Statthalters  auch  für  Mainz 
allerlei  volkswirtschaftliche  Vorteile  und  selbst  die  Lagerfestung 
wird  ihre  Tempel,  Amphitheater,  Bäder  und  Prachtbauten  anderer 
Art  gehabt  haben.  Leider  ist  \'on  alledem  nicht  einmal  die  Lage 
festgestellt,  außer  der  Rheinbrücke  und  Wasserleitung  von 
römischen  Bauten  nichts  übrig  als  ein  formloser  Klumpen  von 
Mauerwerk,  der  Eigelstein,  einst  das  Kenotaph  des  Drusus,  der 
auf  dem  Rückzuge  von  der  Lippe  \'erunglückt,  in  Xeuß  starb 
und  in  Mainz  beigesetzt  wurde. 

Trotz  des  unleugbar  sch^irfen  Unterschiedes  zwischen  dem 
völlig  gallischen  Lande  der  Treverer  mit  seiner  glänzenden  Haupt- 
stadt, der  kiiiserlichen  Residenz  einerseits  und  der  germanischen 
Militärgrenze  andererseits,  deren  beide  Provinzen  offiziell  zu 
Gallien  gerechnet  wurden ,  gab  es  zahlreiche  einigende  Be- 
ziehungen. Durch  den  Verkehr  mit  dem  bunt  aus  allen  Teilen 
des  Weltreiches  zusammengewürfelten  Heere,  dessen  gemein- 
sames Band  die  lateinische  S]:)rache  bildete,  war  diese  am  Rheine 
ebenso  wie  ^m  der  Mosel  zur  Umgangss])rache  geworden.  Nicht 
nur  die  politische  A'erbindung  mit  Gallien,  sondern  auch  der 
lebhafte  Verkehr  mit  den  westlichen  Nachbarn,  die  Durch- 
setzung mit  zahlreichen  keltischen  Elementen,  der  fortwährende 
Zuzug  aus  Gallien,  während  andererseits  die  Grenze  gegen  das 
freie  Germanien  streng  abgesperrt  war,  verschafften  der  über- 
legenen gallischen  Kultur  l:)ald  das  Übergewicht  über  die  naive 
germemische.  Dazu  kommt,  daß  die  Errungenschaften  der 
antiken  Zivilisation  vom  Ende  des  I.  Jahrhunderts  ab  ihren 
Weg  zumeist  über  (xallien  nahmen  und  so  die  gallischen  Ver- 
mittler iils  Vorbilder  einer  feineren  Lebensführung  den  Ger- 
manen erschienen.  Immerhin  mögen  die  Ubier  manches  Alter- 
erbte zu  der  sich  im  Rheinlande  entwickelnden  Zivilisation  bei- 
gesteuert haben.  Aber  dies  ist  um  so  schwerer  im  einzelnen  fest- 
zustellen, iils  sie  wie  die  Sugambrer  schon  in  ihren  linksrheinischen 
Wohnsitzen  mit  den  Galliern  in  reger  Verbindung  waren  und 
sich  vieles  von  ihnen  angeeignet  hatten.  So  erhält  denn  das  was  in 
der  Römerherrschaft  am  Rheine  geschaffen  wird,  ein  vorwiegend 


219 


g-allischcs  ( u'pränw  Wie  die  Kunst  und  das  Kuu^thandw  t-rk  der 
Treverer  nur  als  ein  Zwriy-  der  bdi^nschen  erscheinen,  so  folt^t 
auch  diis  \v£is  in  KiWn  und  im  Ul^ierlande  entstanden  ist,  den 
Typen  von  Beljrica,  nanienthch  in  der  Skulptur  des  (Irabschmuckes, 
der  Keramik,  der  Metallarbeit,  Emaillerie  und  (ilasmacherei. 
Köln  ist  nichts  £ds  der  am  weitesten  nach  Osten  \org-eschobenen 
Vorposten  der  bel^ischcMi  Kunst,  die  in  Rou(mi.  Amiens,  Trier 
und  Köln  ilirexornehm- 
sten  Stütz] )unkte  hatte. 
Insbesondert'  di<' 
Glasindustrie  der  Rheiii- 
lande  lehnt  sich  fast  in 
idlen  Phasen  an  die  Ent- 
wickeln ng  der  belgi- 
schen an.  Die  Typen 
und  Dt^korationsweisen 
dieser  gelten  auch  für 
jene.  Die  Xekropolen 
aus  den  ersten  Jahr- 
zehnten des  I.  Jahrhun- 
derts, die  Gräber  xon 
I  (altern,  Xeuß,  an  der 
Alteburg  und  an  der 
Luxemburgerstraße  in 
Köln,  teilweise  auf 
dem  Gebiete,  das  jetzt 
vom  vSüdbahnhofe  ein- 
genommen wird,  ent- 
halten farbige  Gläser,  Schcrlx-n  xon  Millt-hori-  und  l'berfangglas, 
wie  es  in  Gidlia  Narl)()nnensis  ülx-rwiegt.  Diese  Stichen  stammen 
aus  den  ersten  Jahrzehnten  (Um-  rclmischen  Okkupation,  als  noch 
der  Weg  \-on  Atjuileia  aus  über  die  Alpen  die  wichtigste  Ver- 
mittelung  mit  Italien  bildete.  Das  Italische  herrscht  darum  hier 
\-or.  Auch  in  Trier  gibt  es  Grabstätten  mit  Gläsern  italischen 
und  alexandrinischen  Importes  der  ersten  Kaiserzeit.  Dann  folgen 
\'om  Knde  des  I.  Jahrhunderts  ab  selbständige  Erzeugnisse  wie  in 
Relgica,  in  Hohlformen  geblasene  farblose  (iläser.  zu  Ende  des 
IL  und  im  111.  Jahrhunderte  u.  a.  so  zahlreiche  Kannen  des  fronti- 


AbV>.  109.    Hecher  mit  Netzwerk.  Sammlung  Basilewsky. 
Venezianische   Arbeit  des    icS.  Jahrh. 


220 

nianischen  Typus,  daß  Cranier  \'ersucht  war  dieser  Fiibrik  eine 
Zweigniederlassung-  in  Köln  zuzuweisen.-^)  In  dieser  Periode  trat 
ein  allg-emeiner  Aufschwung-  auf  allen  kunstg-ewerblichen  Gebieten 
am  Rhein  hervor,  auf  dessen  Ursachen  wir  noch  zurückkommen 
werden.  In  ihr  wurde  auch  nicht  minder  eifrig-  die  Fabrikation 
von  Gläsern  mit  Reliefs,  in  Form  \-on  Xeg-erköpfen,  Janusköpfen 
betrieben;  die  (jefäße  in  Gestalt  hockender  Affen  mit  der  Syrinx 
in  Händen,  diese  alexandrinischen  Karikaturen  auf  Merkur, 
scheinen  einer  Kölner  Fabrik  zu  entstammen.  Die  Fadenver- 
zierung- nahm  in  ihnen  gleichfalls  eine  glänzende  Entwicklung; 
ihr  bestes  schuf  sie  in  den  formvollendeten  Gefäßen  mit  farbigen 
Schlangenfäden,  welche  eine  Kölner  Fabrik  zuerst  zum  .Schlüsse 
des  IL  Jahrhimderts  herstellte  und  weithin,  nach  Gidlien,  Italien, 
Österreich,  selbst  bis  nach  Dänemark  \-ersandte.  Zum  ersten 
Male  erscheint  in  ihnen  in  Köln  das  vollkommen  farblose  feine 
Krystallglas.  Fremde  Fabriken  \ersuchten  sich  in  verg-röberten 
Nachahmungen  dieser  zierlichen  P>zeug-nisse ,  auch  spätere 
Perioden  nahmen  sie  gelegentlich  auf  Stärker  als  die  anderen 
Glaswerkstätten  Belgicas  betrieb  Trier  die  Herstellung  gravierter 
und  geschliffener  Gläser,  ja  das  g-roße  Bruchstück  einer 
Kry Stallglasschale  mit  einer  Darstellung  des  Wagenrennens  im 
Trierer  Museum  ist  wohl  die  technisch  vollendeteste  Leistung 
figürlichen  Glasschliffes,  die  wir  aus  der  Antike  —  von  den 
Prachtleistvuigen  der  Portlandvase  und  anderer  cameenartiger 
Kunstwerke  in  farbiger  Überfangtechnik  abgesehen  —  besitzen. 
Eine  Besonderheit  Trierscher  Werkstätten  sind  wohl  auch  die 
wenigen  Becher  (man  kennt  deren  bisher  nur  drei  ganz  erhaltene 
Exemplare)  mit  ])lastisch  aufgelegten  Fischen,  Konchilien  und 
anderen  Seetieren  \on  ebenso  naturwahrer  wie  schöner  und  ele- 
ganter Bildung,  welche  zuerst  de  Rossi  Veranlassung-  gaben  seine 
Überzeugung'-  von  dem  Bestände  einer  selbständigen  rheinischen 
Glasindustrie  während  der  Römerherrschaft  auszusprechen. 

Es  ist  merkwürdig,  daß  seiner  Ansicht  gerade  von  einem 
rheinischen  Lokalforscher  widersprochen  wurde,  welchem  man 
bisher  immer  noch  das  beste,  was  über  die  römisch -rheinische 
Glasindustrie  geschrieben  wurde,  verdankt,  E.  aus'm  Weerth.  Dieser 


Fr.   Cramer,   Inschriften   auf  Gläsern   des   römischen    Rheinlandes,   S.    13. 


221 


hat  in  zalilrtMcheii  Aufsätzen  die  l^'unde  antiker  (iläser  am  Rhein  ein- 
i^-ehend  besprochen  und  mit  den  Erzeugnissen  Itahens  und  Galliens 
verg-lichen.  Ihm  \'erdankt  die  Wissenschaft  in  erster  Linie  die 
Kenntnis  jener  an  Zahl  und  Kunstwert  so  bedeutenden  Denk- 
mäler, das  einseitige  Bild,  das  man  sich  bisher  im  Banne  Winckel- 
manns  und  Minutolis  von  der  antiken  Glasindustrie  gemacht  hat, 
die  richtige  Ergänzung.  Durch  seine  Forschungen  hat  es  sich 
in  erster  Linie  ergeben,  dal5  die  Ih^rstellung  farbigen  (ilases,  die 
Nachbildung  \'on  Edelsteinen, 
in  der  Antike  nicht  wie  man 
früher  annahm,  die  \orherr- 
schende  Rolle  spielte,  daß  die 
antike  Glasindustrie  keines- 
wegs in  der  Imitation  aufging, 
sondern  ebenso  wie  die  mo- 
derne alle  Eigenschaften  des 
(rkises,  vor  allem  die  Farb- 
losigkeit  und  Durchsichtigkeit 
in  mannigf^iltiger  Weise,  mit 
schier  unerschöpflicher  Ge- 
staltungskraft, auszunützen 
v^erstand.  Was  m^in  früher  als 
ein  künstlerisches  Prinzip  be- 
trachtete, die  Behandlung  des 
Glases  als  farbige  plastische  Paste,  stellte  sich  als  das  erste 
Stadium  der  Entwickelung  heraus,  deren  weitere  Fortschritte 
durch  die  Erfindung  der  Glaspfeife  und  des  farblosen  Glases 
eingeleitet  wurden.  Merkwürdigerweise  leugnete  aber  gerade 
der  damals  beste  Kenner  der  römisch-rheinischen  Glasindustrie 
deren  selbständige  Tätigkeit  und  versuchte  alles  auf  it^ilische  An- 
regungen und  Vorbilder  zurückzuführen,  denen  gegenüber  die  rhei- 
Tiisclien  Werkstätten  in  ])ro\inzieller  Befangenheit  gebli(»l)en  seien. 
Inzwischen  hat  sich  E.  aus'm  Weerth  unter  der  Fülle  der 
Beweise  freilich  zu  de  Rossis  Ansicht  bekehrt,  die  in  den  Kreisen 
d(^r  rheinischen  Sammler  längst  zustimmende  Äußerungen  her- 
\orgerufen  hatte.  Einer  von  diesen,  der  \or  kurzem  verstorbene 
Großkaufmann  Heinrich  Merkens  in  Köln,  dessen  Sammlung  bei 
der  Versteigerung   das   Schicksal  fast   aller    Kölner  Pri\-atsamm- 


Abb. 


I  lo.      Tonbecher    mit   Schuppen 
Köln,    Museum. 


lung"en,  in  alle  Windrichtung'en  zerstreut  zu  werden,  jjfeteilt  hat, 
äußert  sich  über  die  Frag"e  folg'endermaßen :  „Die  Glasware nbe- 
züge  von  Italien  nach  Gallien  mußten  die  Alpen  und  schwierige 
Wege  überschreiten  und  werden  mannigfache  Havarien  in  ihrem 
Gefolge  gehabt  haben.  Es  ist  daher  bestimmt  anzunehmen,  daß 
man  zur  Vermeidung  dieser  Übelstände  und  zur  Befriedigung  der 
Bedürfnisse  an  Glaswaren  in  den  hochentwickelten,  in  römischem 
Luxus  lebenden  .Städten  Köln,  Trier,  Mainz,  Worms,  Metz  usw. 
sehr  früh  dazu  üV)erging  unter  Leitung  römischer  Glastechniker 
eine  provinzielle  Glasindustrie  ins  Leben  zu  rufen,  die  im  Laufe 
der  Zeit  ein  selbständiges  Gepräge  der  Geschmacksrichtung  und 
des  Formensinnes  angenommen  hat.  Die  P'ormen  der  am  Rhein 
und  im  Moseltale  gefundenen  Gläser  haben  sämtlich  verwandt- 
schaftliche Beziehungen  zu  und  untereinander,  zeichnen  sich  viel- 
fach durch  hohe  Eleganz  der  Zeichnung  aus  vmd  berechtigen 
zu  der  Annahme,  daß  die  \"orfahren  der  heutigen  Franzosen  schon 
mit  dem  Formensinne  ausgestattet  waren,  den  ihre  Nachkommen 
sich  zu  bewahren  gewußt  haben.  Kommen  wir  weiter  nach  .Süden 
hinunter  zu  jenen  Städten,  wo  die  .Vusgrabungen  uns  noch  fort- 
während Gläser  liefern,  ich  meine  u.  a.  Lyon,  Arles,  Orange, 
Nimes,  so  begegnen  wir  Formen,  die  bei  uns  höchst  selten  oder 
nie  vorkommen,  während  wir  jene  Formen,  welche  wir  hier  als 
landläufig  bezeichnen  möchten,  dort  ganz  \-ermissen.  Es  scheint 
sich  eben  auch  in  diesen  beiden  Distrikten  ein  eigenartig  ver- 
schiedener Formensinn  entwickelt  zu  haben.  P^in  anderes  Moment, 
welches  für  selbständig  entwickelte  Glasfabrikation  in  nicht  ent- 
liehenen Formen  spricht,  liegt  in  der  ausgedehnten  Tonwaren- 
fabrikiition,  welche  in  römischer  Zeit  im  Rheinlande  geblüht  hat: 
Es  hat  sich  auch  hier  ein  eigenartiges  Gefäß  herausgebildet, 
welches  nur  im  Rhein-  und  Moseltale  vorkommt,  ich  meine  die 
schwarzen,  zuweilen  auch  roten  Tongefäße  mit  weißen  in  Barbo- 
tine  oder  in  Aufguß  ausgeführten  Trinksprüchen,  von  welchen 
eine  reiche  Sammlung  im  Provinzialmuseum  zu  Bonn  sich  be- 
findet. Eine  derartige  Entwickelung  bei  der  Glasfabrikation  ist 
besonders  erklärlich  bei  der  weiten  Entfernung  von  Rom ;  und 
wenn  auch  die  ursprünglichen  Formen  nur  \'on  jenseits  der  Alpen 
überkommen  sind,  so  sind  sie  doch  unter  dem  Einfluße  des  Ge- 
schmackes der  Bewohner  der  Rheingegenden  zu  anderen  Gestalten 


223 


hinübergeführt  und  entwickelt  worden.  Für  die  Ausbreitung  der 
diesseitigen  Glasindustrie  spricht  besonders  noch  die  Häufigkeit 
der  F^lbrikate  der  Officina  frontiniana."  ^) 

Merkens,  der  keine  gelehrten  Studien  getrieben  hat,  hielt 
Rom  noch  für  den  ausschließlichen  Gabenborn  der  antiken  Welt 
und  gilb  dem  Handelswege  über  die  Alpen  eine  Bedeutung,  die  ihm, 
besonders  vom  Ende  desl.  Jahrhunderts  ab,  nicht  zukommt.  Davon 
abgesehen  enthalten  seine  Beobaclitungen  \iel  richtiges.  Freilich 
übertrieb  er  die  Verschie- 
denheit rheinischer  iVrbeitiMi 
von  den  FuikUmi  im  süd- 
lichen Glühen.  In  Wirklich- 
keit sind  die  Grundformen 
durchaus  gleichartig,  beson- 
ders, was  ich  noch  einmal 
betonen  möchte, die Belgicas 
des  Mosellandes  und  Kölns. 
Lokale  Eigentümlichkeiten 
sind  freilich  bei  Einzelhei- 
ten, bei  der  Vorliebe  für  ge- 
wisse Typen  u.  a.  wahrzu- 
nehmen ,  im  allgemeinen 
aber  gründen  sich  die  von 
Merkens  her\'orgehobenen 
Unterschiede  auf  die  zeit- 
liche Entwickelung.  Was  er  in  Südfrankreich  oft  beobachtet  und 
in  Köln  selten  gefunden  hat,  sind  die  Importgläser  in  griechisch- 
italischen Formen,  welche  für  die  ersten  Jahrzehnte  charak- 
teristisch sind.  Treffend  ist  sein  Hinweis  auf  die  Keramik.  In 
ihr  vereint  sich  nämlich  neigen  der  Bronzetechnik  am  deut- 
lichsten, was  sich  von  alteinheimischer  Tradition  erhalten  hat  und 
gegen  die  im])ortierten  Formen  des  mittelmeerländischen  Kunst- 
stiles ankämpfte.  .Vus  dem  unerschöpflichen  Brunnen  der  Keramik 
tränken  auch  die  gallisch-rheinischen  Glasmacher  ihre  Phantasie. 

*)  Mitgeteilt  von  C.  Bone  in  einem  Aufsatze  über  die  Glassammlung  Merkens 
im  Bonner  Jahrh.  8i  (_i886)  S.  53  f.  Vgl.  C.  Friedrich  im  Sprechsaal  1S82,  No.  27 
und  Zeitschrift  d.  bayr.  Landesausstellung  zu  Nürnberg  No.  71;  E.  aus'm  Weerth, 
Bonner  Jahrb.   67   S.  156. 


.•\bb.    III. 


Becher  aus  Terra  sigülala. 
.\us   Arbere. 


224 

Der  Barbotinetechnik  verdanken  die  kölnischen  .Schkmgenfaden- 
muster  ihre  PZntstehung-,  ebenso  wie  die  Becher  mit  Eindrücken, 
Rippen  und  Falten,  die  Siegesbecher  mit  Reliefs,  die  Kopfgläser 
und  Trinkhörner  von  der  Keramik  vorg-ebildet  sind.  Merkens  irrt 
aber,  wenn  er  die  gallischen  Trinkbecher  mit  Sinnsprüchen  dem 
Rhein-  und  Moseltale  zuweist,  sie  sind  in  Belgica  entstanden  und 
haben  wie  ich  S.  84  nachgewiesen  habe,  ihre  Form  äg}'ptischen 
Tonbechern  der  Ptolemäerzeit  entlehnt.^) 

Häufiger  als  anderwärts  sind  in  Trier  und  Köln  die  Gläser 
mit  Fassettenschliff,  der  oft  sehr  reiche,  überraschend  an  moderne 
Arbeiten  erinnernde  Rosettenmuster  bildet,  Becher  und  flache 
Teller  ^lus  Krystallglas,  die  zu  Ende  des  III.  und  im  IV.  Jahr- 
hundert so  dekoriert  wurden.  Viel  ausgedehnter  ^ds  in  den 
AVerkstätten  der  nördlichen  Belgica  wurde  im  IV.  und  noch  tief 
in  das  V.  Jahrhundert  hinein  die  figürliche  Dekoration  durch 
Gravierung  und  Schliff  betrieben,  häufig  in  Verbindung  mit 
Vergoldung  und  Bemalung.  Mehr  cds  die  Hälfte  dieser  Arbeiten 
gehört  dem   christlichen  Kunstkreise  an. 

Den  Triumph  der  Glasschleiferei  bildeten  jene  vielbewun- 
derten Becher,  die  mit  einem  nur  leicht  mit  dem  inneren  Glas- 
körper verbundenen  kunstvollen  Maschennetze  umgeben  sind, 
das  mit  dem  Schleifrade  ausgearbeitet  ist.  Man  hat  sich  seit 
Winckelmann  daran  gew^öhnt,  diese  geschliffenen  Xetzgläser 
„Vasa  diatreta"  zu  nennen,  obwohl  unter  dieser  Bezeichnung  in 
der  antiken  Literatur  alle  mit  dem  Schleifrade  und  Griibstichel 
bearbeiteten  Gläser,  also  auch  die  Überfanggläser,  im  Gegen- 
satze zu  den  geformten  zu  verstehen  sind.  Die  meisten  dieser 
seltenen  und  kostbaren  Arbeiten  sind  im  Rheinlande  gefunden, 
Köln  oder  Trier,  vielleicht  beide  Städte  dürften  neben  einer 
unbekannten  italischen  Werkstatt  den  Ruhm  ihrer  Herstellung 
beanspruchen   können.-)     Überhaupt  traten  im   IX.  und  V.  Jahr- 


^)  .Auch  die  Tonbarholine  kommt  aus  Ägypten.  Die  ägypt.  Abteilung  des 
Berliner  Museums  erwarb  Vor  kurzem  aus  dem  Kunsthandel  Stücke,  welche  eine  über- 
raschende Ähnlichkeit  mit  rheinischen  Arbeiten  haben.  Vgl.  Poppelreuter,  Die  röm. 
Gräber   Kölns,   Bonner  Jahrb.    114/ 115   S.  348. 

-j  Vgl.  Friedrich  im  Sprechsaal  1882,  Nu.  27,  und  Zeitschr.  der  bayr.  Landes- 
ausstellung zu  Nürnberg,  No.  71.  Ausführlich  werden  diese  Gläser  in  .Abschnitte  VIII 
behandelt. 


paiiHioüöoyyöö^aifi 


lumdert  die  rheinischen  Werkstätten  ^-ei^iMi  (he  der  nordhchen 
und  westhchen  Belg^ica  in  den  \"orderg-rund.  Letztere  erlahmten 
zwar  nicht  in  der  Produktion,  verleg-ten  sich  £iber  mehr  auf  die 
l)untfarbig"e  Zickzack-  und  Spiralfaden  Verzierung-  sowie  auf  die 
Auflage  großer,  ziemlich  derber  Xuppen.  In  kölnischen  Werk- 
stätten \vurd(^  damals  im  Wetteifer  mit  Rom  und  dem  ()rient 
die  Malerei  auf  (ila^  gepflegt, 
Becher.  Platten,  ganze  Kästchen, 
einzelne  Medaillons  mit  Emailfar- 
ben bemalt,  nach  .Vrt  der  Fondi 
d'oro  Sgraffitti  auf  l^lattgold  aus- 
geführt. ttMlweise  gleichfalls  be- 
malt und  mit  einer  Schichte  durch- 
sichtigen Glases  überfangen.  Auch 
dieser  künstlerisch  hochstehende 
Zweig  der  kölnischen  Glasindustrie 
wurde  zuerst  von  de  Rossi  als 
selbständige  Tätigkeit  rheinischer 
AVerkstätten  erkannt.  Daneben 
zog  sich,  gleichzeitig  mit  den 
syrischen  Massenprodukten  dieser 
Art,  bis  in  die  fränkische  Zeit  die 
erneute  Tc^chnik  der  farbigen 
Faden-  und  Xuppenverzierung. 
Die  Freude  am  farbigen  Glase, 
welche  die  Anfänge  der  Industrie 
gekennzeichnet    hatte,    erwachte 

zum  Schlüsse  von  neuem.  Manche  .\rl)eiten  mit  l-'arnkrautmuster 
altägyptischen  Stiles,  freilich  nur  leicht  aufgemalt,  nicht  in  die 
Masse  eingedrückt,  können  sich  in  ihrc^r  Zierlichkeit  und  Far}:)en- 
pracht  solchen  des  I.  Jahrhunderts  an  die  StMte  stellen:  im  all- 
gemeinen aber  versagte  bereits  der  G(\schmack  und  die  tech- 
nische Geschicklichkeit.  Es  sind  plumpe,  derbe  Stücke  von  hand- 
festem Kaliber,  die  Fäden  des  Zickzacks  dick  und  unregelmäßig, 
die  I-'ormenbildiuig  sorglos,  die  Farben  unrein  und  stum])f  An 
die  Stelle  von  Purpurrot,  d^is  man  offenbar  beabsichtigte,  trat 
trübes  Violett,  an  Stelle  von  Grün  schmutziges  Oliv.  vSo  ging 
die   Industrie  in  fränkische  Zeit  hinein. 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  jr 


Abb.    112.      Becher  mit  aufgesetzter 
farbiger    Weinranke.      Louvre. 


226 

Die  gallischen  Glasmacher,  welche  um  die  Mitte  des  I.  Jahr- 
hunderts nach  Trier,  Köln,  Worms  kamen,  um  hier  ihre  Hütten 
aufzuschlagen,  fanden  im  Lande  an  verschiedenen  Orten  zur 
Glasbereitung  geeigneten  Sand,  in  besonderer  Ausdehnung  und 
Güte  auf  der  Strecke  zwischen  Xi\elstein  und  Herzogenrath  im 
Gebiete  der  Aduatuker,  wo  noch  jetzt  die  Spiegelfabriken  von 
Lüttich  (.St.  Lambert)  und  vStolberg  sich  versorgen.  Dieser  Lim- 
stand  mag  die  hohe  Entwickelung  der  Werkstätten  im  nahen 
Köln  ganz  besonders  begünstigt  haben.  ■'^)  Reste  von  Glas- 
werkstätten hat  man  an  verschiedenen  Orten  gefunden,  in  der 
Hochmark  (Eifel),  ferner  bei  Trier,  bei  Worms,  an  der  Nahe  und 
in  Köln  (s.  vS.  12).  Hier  stieß  man  1885  in  der  Gereonsstraße 
gegenüber  dem  Palaste  des  Erzbischofes  bei  einem  Kanalbau  in 
der  Tiefe  ^■on  etwa  i  ^/.>  Metern  auf  ausgedehnte  Überreste  hell- 
grüner durchsichtiger  Fritte.  Man  begnügte  sich  leider  damit, 
einige  Wagen  mit  dieser  Masse  zu  beladen  und  sie  aus  dem 
Wege  zu  räumen,  ohne  sich  um  etwa  vorhandene  Spuren  eines 
Schmelzofens  zu  bekümmern.  Die  Fundstelle  wurde  nach  Voll- 
endung der  Kanalarbeiten  zugeschüttet  und  harrt  noch  einer 
planmäßigen  Aufdeckung,  die  vielleicht  ganz  interessante  Ergeb- 
nisse liefern  würde. '"} 

So  groß  auch  die  Ausbeute  an  Gläsern  in  den  römischen 
Nekropolen  Frankreichs  und  Belgiens  sein  mag,  so  wird  sie 
doch  durch  die  der  rheinischen  noch  übertroffen  und  hier 
ist  insbesondere  der  Boden  von  Köln  der  ergiebigste.  Zu 
Tausenden  zählen  die  Funde  von  den  einfachen  Gebrauchs- 
^läsern  bis  zu  den  Erzeugnissen  des  feinsten  Luxus,  welche 
allein  im  Laufe  der  letzten  40  Jahre  aus  den  Gräbern  der 
alten  Colonia  Claudia  Agrippinensis  Augusta  (C  •  C  •  A  •  A)  wieder- 
erstanden sind.  Das  Museum  Wallraf-Richartz  hat  in  kaum 
einem  Jahrzehnte  ausschließlich  aus  kölnischen  Lokalfunden 
die    größte   Sammlung    antiker    Gläser    unter    allen   Museen    des 


^)   Vgl.   E.   aus'm   Werth,   Bonner  Jahrb.   67,   S.  156. 

■')  Nach  Mitteilung  des  Altertümerhändlers  Robert  Becker,  welcher  bei  dem 
Funde  anwesend  war  und  einige  Stücke  der  Fritte  an  sich  nahm.  Ein  großer  Klumpen 
von  ihr  befindet  sich  bei  Konsul  C.  A.  Xießen,  dessen  Sammlung  römischer  Alter- 
tümer zahlreiche  römische  Gläser,  zumeist  Kölner  Herkunft,  enthält.  Vgl.  mein  Ver- 
der   römischen   Altertümer   von   C.  A.  Nießen.    2.  .^ufl.      Köln    1896. 


Festlandes,  Italien  nicht  ausi^-enoninien.  zusamineniufebracht.  ^) 
Zu  der  ()ff(Mitlirh(Mi  SannnluiiL;"  kommen  noch  /ahlrcichc  ])rivate, 
die  namentlich  zur  Zeit  der  Stadterweiterunj^  entstanden,  als  die 
P>darlieiten  bei  der  Anlage  der  neuen  Stadtteile,  des  Kanalnetzes, 
des  West-  und  Südljalnihofes,  des  Augusta-I  lospitales  die  alten 
(irabfelder  aufwühlten  und  die  Massenhaftig-keit  i^leichzeiti^'^er 
I'unde  eine  Überwachuntj-  ch^r  Arbeiter  erschwerte.  Die  <^-r<"")P»te  und 
hervorrag-endste  vSammluns^-  kölnischer 
Gläser  war  die  \"on  Discli,  welche^  nach 
dem  Tode  des  Besitzers  \-ersteij4'ert  und 
überallhin  verstreut  wurde.")  Disch  be,i,'"ann 
zu  sammeln  als  der  I)om])au  den  Sinn  für 
die  \'erg-ani^"enheit  neu  belebte.  Seine 
Sammlung  entstand  Ende  der  fünfziger 
Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  aus  Anlaß 
der  Auffindung  der  berühmten  Patene  von 
St.  Severin,  die  später  für  6400  Mark  an 
das  Britische  Museum  \erkauft  wurde. 
\Veder  die  Sammlung  Char\'et  noch  die 
Slades  konnten  sich  mit  ihr  ^'ergleichen. 
Sie  zählte  2583  Nummern,  darunter 
432  reimische  Gläser.  Auf  diese  allein 
kamen  bei  der  \'ersteigerung  über 
52000  Mark.  Das  Schicksal  der  gänz- 
lichen Auflösung  teilten  nach  dem  Tode 

der  Besitzer  die  Sammlungen  J.  H.  ^Volff,  E.  Herstatt.  F.  Greven, 
Forst,  Merkens.'')  Jetzt  bestehen  noch  die  Sammlungen  Gramer, 
Reinbold,  Xießen,  M.  vom  Rath  inid  mehrere  andere,  von 
welchen    besonders    die    beiden    zuletzt    genannten    xon    lierxor- 


Abb.  113.    Oenochoi-  mit  farbi- 
gem   Fadenschmuck.       Brüssel, 
Musee  du  Cinquantenaire. 


')  Vgl.  Führer  durch  das  städt.  Museum  Wallraf-Richartz  i<>02,  S.  30,  und  meinen 
Aufsatz:  Rom.  Ausgrabungen  in  der  Luxemburgerstraße  in  Köln,  Bonner  Jahrb.  99  (1S95). 

-)  Vgl.  F.  aus'm  Werth,  Die  Disch'sche  Sammlung  antiker  (Maser.  Bonner 
Jahrb.   71,   S.  119   ff.,  mit  Lichtdrucktafeln  und   Textillustrationen. 

")  Mit  dieser  Sammlung  beschäftigt  sich  C.  Bone  a.  a.  O.  Mehrere  Stücke 
aus  ihr  habe  ich  in  dem  .\ufsatze  über  die  Anfange  der  rheinischen  Glasindustrie, 
Zeitschrift  d.  bayr.  Kunstgewerbevereines  1S96,  mit  zwei  Lichtdrucktafeln  und  Text- 
illustrationen veröffentlicht.  Vgl.  auch  den  Auktionskatalog  Merkens,  Bonn  1905, 
mit  Einleitung  von  C.  Poppclrcutcr  und  Westdeutsche  Zeitschrift  f.  ('•.  u.  K. 
].   1882,  S.  272   f. 


228 

ragendem  Werte  sind/)  Sehr  viele  kölnische  Gläser  enthält 
die  hochbedeutende  Sammlung  des  Freiherrn  von  Heyl  in 
Worms,  die  des  Freiherrn  \'on  Fürstenberg -Stammheim  auf 
Schloß  IJerff,  die  Museen  von  Bonn,  Worms  und  Mainz,  das 
Germanische  Museum  in  Nürnberg,  der  Louvre,  das  Britische 
Museum  und  das  Kensington-Museum  in  London,  das  historische 
Museum  in  Düsseldorf,  das  Museum  auf  der  Saalburg  u.  a.  Auch 
in  die  jetzt  im  Britischen  Museum  befindliche  Sammlung-  Slade, 
in  die  von  Charvet,  jetzt  im  Metropolitan-Museum  zu  New-York, 
in  die  von  Iloffmann  in  Paris,  von  Basilewsky  und  Stroganow 
sind  zahlreiche  rheinische,  namentlich  kölnische  Gläser  gekommen. 
Schon  die  unvergleichliche  Menge  der  Funde  kennzeichnet 
Köln  nicht  nur  als  Ilauptsitz  der  römischen  (ilasindustrie 
am  Rhein,  sondern  als  den  der  gesamten  westlichen  Hälfte  des 
ehemaligen  Imperiums.  Sie  sind  fast  ausschließlich  aus  den 
Grabfeldern  hervorgegangen,  welche  die  großen  Straßenzüge 
von  den  Toren  der  Stadt  l)is  weit  in  die  Umgebung  hinaus  be- 
gleiteten. Von  diesen  führte  eine  von  der  Hohen  Pforte,  dem 
ehemaligen  Südtore,  durch  die  jetzige  Sev^erinsstraße  über  das 
gleichnamige  Tor  hinaus,  den  Rhein  enlang  gegen  Süden,  zu- 
nächst zur  Alteburg,  der  ehemaligen  Station  der  römischen 
Rheinflotte.  Das  Kastell,  dessen  Fundamente  vor  einigen  Jahren 
wieder  aufgedeckt  wurden,  hatte  im  Westen  seinen  eigenen 
Begräbnisplatz,  in  welchem  Gläser  aus  den  ersten  Jahrzehnten 
der  Römerherrschaft  gefunden  wurden.")  Das  Grabfeld  von 
St.  Severin  gehört  den  späteren  Jahrhunderten  an  und  enthielt 
namentlich  christliche  Gläser  vom  I\'.  und  A".  Jahrhundert,  darunter 
kostbare  bemalte  Gläser  und  Fondi  d'oro.  Auch  die  merkwürdige 
Sigillataschale,  die  von  der  gewöhnlichen  Übung  abweichend, 
Reliefschmuck  auf  der  konkaven  Innenseite  zeigt,  Orpheus  umgeben 


\)  Beide  sind  von  mir  katalogisiert.  Über  die  Sammlung  Nießen  vgl.  Note  2 
auf  Seite  226.  Die  Sammlung  der  Frau  Maria  vom  Rath,  die  nur  antike  Gläser  von 
künstlerischer  Qualität  enthält,  habe  ich  unter  dem  Titel  „Die  antiken  Gläser  der 
Frau  Maria  vom  Kath  in  Köln",  Bonn  1S90  mit  32  Tafeln  veiöffentlicht.  Das  Werk 
enthält  außer  den  Beschreibungen  in  der  Einleitung  einen  historischen  Abriß  ,,Zur 
Geschichte  und  Technik  der  antiken  Glasindustrie''. 

-|  Vgl.  General  Wolff,  Das  Kastell  Alteburg  bei  Köln.  Auf  Grund  der  letzten 
Nachgrabungen  wird  vom  Museum  Wallraf-Richartz  eine  neue  Veröffentlichung  vorbereitet. 


229 

von  vielen  Tieren,  ist  in  diesem  (iräberfelde  zum  W)rscheine  s^e- 
kommen.')  In  der  (jeg-end  des  iM;uirizius-St(Minvei^es  beg^ann  die 
Straße  nacli  l'rii^r  und  Reims,  die  jetzige  Luxemburger  Straße. 
Sie  war  eine  Strecke  weit  von  der  Wasserleitung  begleitet, 
welchi^  dit^  Quellen  des  \^orgebirges  der  Stadt  zuführte  und  am 
jetzigen  Neumarkte  eine  große  Piscina  sjKMste.  l)i»>  Funde  ihres 
besonders    ausgedehnt(Mi    Gräberfeldes,    das    durch    \ier  Jahrhun- 


\bb.   114.     ( lläscr  mit   farbigen   Schlangenfätien.     Köln,   Sammlung   M.  vom   Rath. 


dertt^  benutzt  wurde,  sind  in  folgendem  näher  beschrieben.  Die 
(iläser  zeigen  hier  fast  alle  während  der  Rcnnerherrschaft  üb- 
liihcn  T-'onnen.  mit  Ausnahme  geschliffener  und  bemalter  .Stücke, 
die  l)is  jetzt  wenigstens  an  dieser  Stelle  fehlen.  Das  dritte  (iral)- 
feld  zog  sich  die  Aachener  .Strafte  entlang,  welclie  in  der  jetzigtMi 
Mittelstralie  an  St.  A])()sleln  begann.  Die  letzte  I  laujjtstralle  führte 
xon  der  sog.  Porta  I'a])hia.  dem  \  iell)es])rochenen  römischen  Xord- 
tore  \or  der  Fassade  (le->  Domes,  über  die  Marzellenstraße  durcli 
die  lugelsteint()r])urg  inid  die  jetzige  X(ml')er  Straln»  entlang  gegen 
Norden,   nach   dem    I  .egioiislager  von    Xeul). 


\i  Vgl.   meinen   Aufsatz   ,, Seltenheiten    in  Terra  sigillata"   in   der   Zeitschrift   des 
t Jsterr.   Museums,   Kunst  und    Kunsthandwerk,   Wien    1906. 


230 

Eine  der  erg"iebi^sten  Fundstätten  von  Gläsern  ist  die  Luxem- 
burgerstraße, die  einst  nach  Trier  und  Reims  führte.  Von  der 
vStadtmauer  an  bis  zu  der  Stelle,  wo  jetzt  das  „Weiße  Haus" 
steht,  wenn  nicht  weiter,  reihten  sich  zu  beiden  vSeiten  die  Wohn- 
stätten der  Toten,  über  dem  Boden  durch  einfache  Stelen  oder 
Grabsteine  in  Form  kleiner  Kapellen,  durch  skulpturengeschmückte 
vSockel,  durch  vSäulen  mit  einem  Pinienzapfen,  durch  Gebäude  in 
Form  eines  kleinen  Tempels,  eines  Tumulus  und  andere  Grab- 
mäler  bezeichnet.  Hier  war  schon  im  X\TII.  Jahrhundert  der 
prächtige  Sarkophag  des  Severinius  Vitealis  mit  Reliefs  aus  dem 
Mythus  des  Herkules  zum  Vorscheine  gekommen,  später  die 
reichverzierte  Aschenkiste  des  Julius  Speratus,  eine  Statuette  des 
thronenden  Juppiter,  der  Grabstein  des  Freigelassenen  Messulenus 
und  eine  Menge  von  Gegenständen  des  Schmuckes  und  Haus- 
rates, die  den  Toten  ins  Grab  beigegeben  worden  waren.  Diese 
Funde  befinden  sich  jetzt  sämtlich  im  Museum  AVallraf-Richartz. 

Als  vor  etwa  30  Jahren  ein  Teil  des  Geländes  für  die  Stadt- 
erweiterung und  ^Vnlage  des  Südbahnhofes  freigemacht  worden 
war,  fand  man  Gelegrenheit  eine  ausgedehnte  Strecke  des  Gräber- 
feldes im  Zusammenhange  zu  verfolgen.  In  einer  Tiefe  von  2  m 
imd  unregelmäßigen  Abständen  von  durchschnittlich  i  m  lagen 
dort  zylindrische  und  quadratische  Aschenkisten  aus  Kalkstein, 
welche  Aschenurnen  aus  Ton  und  Glas,  mit  den  Resten  ver- 
brannter Leichen  dann  Münzen,  Tonlampen,  Schmuckperlen,  sowie 
andere,  außerhalb  der  Urne  liegende  Totenbeigaben,  zumeist  zwei 
bis  drei  kleine  Tonkrüge,  Tränenfläschchen,  andere  Fläschchen 
und  Kännchen  aus  Glas,  bronzene  und  tönerne  Lampen,  Schmuck- 
siichen  u.  a.  enthielten.  Die  Gegenstände  gehören  der  .Zeit  der 
('laudier  und  der  flavischen  Kaiser  an,  die  zierlichen  farbigen  Glas- 
kännchen  darunter  der  Periode  italischer  Einfuhr,  die  sonst  in  Köln 
nur  auf  der  Alteburg  und  der  Arnoldshöhe,  dem  Gräberfelde  der 
Bonner  Straße,  vertreten  ist.  Fünf  Jahre  später  gelang  es  bei  einem 
Umbau  an  der  Ecke  der  Hochstadenstraße  die  Reste  eines  großen 
Monumentes  in  Form  eines  Tempels  zu  heben,  dessen  Giebelfeld 
mit  zwei  die  Weltkugel  haltenden  Steinböcken  verziert  ist,  wahr- 
scheinlich das  Grabmal  eines  höheren  Offiziers  der  22.  Legion, 
die  den  Steinbock  als  Fahnenabzeichen  trug  und  zwischen  den 
Jahren    7 1    und    1 20    in    Köln    stand.      Schräg   gegenüber   an    der 


231 

linken  Straßrnst'itt-  lai^rn  die  Trümmer  eines  anderen  Säulen- 
baues. Die  (xrabstätten  dieser  (iegend  waren  unregelmäßig- 
neben- und  übereinander  gereiht  und  enthielten  sowohl  Brand- 
wie  Skelettgräber  aus  verschiedenen  Zeiten  der  Römerherrschaft.  ^) 
Einem  Skelettgrabe  des  1\'.  Jahrhunderts  entst^immt  die  schöne 
Schnalle    des    Ausonius.    eines    Namensvetters    des    l)i(lilers    der 


Abb.    115.     Gläser  mit  farbigen   Schlan^enfäden.     Köln,   Sammlung   M,  vom  Kath. 

Mosella,  ein  Opus  interrasile  in  Silber,  das  bemerkenswerte  Auf- 
schlüsse über  die  Entwickelung  des  Arabeskenornamentes  gab") 
sowie  ein  mit  Silber  tauschiertes  Tintenfaß.  Einem  Skelettgrabe 
des  III.  Jahrhunderts  waren  zwei  zierliche  Kannen  in  Form  \-on 
Weintrauben  aus  farblosem  (jlase,  eine  Muschelkanne  aus  gleichem 
.Material  (Abb.  46,  48),  ein  großes  Exem])lar  \om  Fäßchentypus 
mit  dem  Stem])el  FR(  )X  und  eine  dlaskamie  beigegeben,  deren 


')  Vgl.  meinen  bereits  zitierten  Aufsatz  über  die  Funde  in  der  Luxemburger  Straße. 
Neuerdings  hat  J.  Poppelrcuter  in  einem  Aufsatze  über  „Die  römischen  (jräber  Kölns", 
Bonner  Jahrb.    114;  115,  S.  345   ff.  einen  Teil  dieser  Funde  behandelt. 

')  Abgebildet  Bonner  Jahrb.  99,  T.  I,  Fig.  i.  Näheres  über  das  Opus  interrasile  in 
meinem  Aufsatze  „Die  römischen  .\ntiken  in  Aachen",  Westdeutsche  Zeitschr.  XXV,  S.  70  f. 


232 

Körper  kegelförmig  nach  unten  sich  erweitert  (x\bb.  47);  die  breite 
mit  einer  Ausgußdille  versehene  Mündung  ist  mit  einem  dicken 
zjickigen  Glasfaden  verziert,  der  über  dem  Ansätze  des  flachge- 
rippten Henkels  eine  große  aufrechtstehende  Schleife  bildet.  Die 
prachtvolle  metallisch  glänzende  Iris  läßt  diese  Kanne  wie  ein 
blankpoliertes  Gefäß  aus  vSilber  erscheinen.  Diese  Beigaben  ge- 
hörten zu  einem  Sarkophage  aus  rotem  Sandstein,  der  im  Inneren 
nur  noch  Knochenreste  enthielt.  Alan  konnte  deutlich  feststellen, 
daß  er  schon  früher  teilweise  bloßgelegt  und  vom  Kopfende  aus, 
das  man  durchgeschlagen  hatte,  beraubt  worden  war.  Bei  dieser 
Gelegenheit  hatte  man  entweder  die  nächste  Umgebung  des  Sarges 
nicht  gründlich  untersuchen  können  oder  vielleicht  absichtlich  einige 
Gegenstände  aus  dem  Inneren  daneben  gestellt,  weil  sie  für  den 
Schatzgräber  keinen  Wert  hatten,  nämlich  ein  Holzkästchen  mit 
gest^lnzten  bronzenen  Beschlägen,  das  inzwischen  vermodert  war. 
und  die  genannten  Gläser. 

Nicht  weit  davon  lag  in  einem  Skelettgrabe  derselben  Zeit 
eine  große  Zvlinderkanne  aus  farblos  durchsichtigem  Glase,  die  in 
drei  Reihen  übereinander  mit  phimtastisch  gewundenen  Schlangen- 
fäden verziert  ist.  Das  Muster  wiederholt  sich  in  jeder  Reihe 
fünfmal  mit  geringen  Abweichungen.  Der  Faden,  aus  welchem 
es  gebildet  ist,  ist  gleichfalls  farblos,  an  einigen  Stellen  platt- 
gedrückt und  quer  gerieft.  (Abb.  49).  Die  Technik  ist  dieselbe, 
wie  an  einigen  gestielten  Schöpfschalen,  die  schon  früher  gelegent- 
lich in  dem  Grabfelde  der  Luxemburger  Straße  gefunden  worden 
waren.  Sie  zeigt  sich  in  hoher  Vollendung  auch  an  der  schönen 
Pilgerkanne,  welche  im  Verlaufe  der  Ausgrabungen  in  einem  be- 
nachbarten Sarkophage,  wohl  vom  Ende  des  IL  Jahrhunderts,  jenseits 
der  Hochstadenstraße  zum  Vorscheine  kam.  (Abb.  1 20  u.  Tafel  Uli. 
Auch  sie  bildet  wie  die  anderen  Funde  jetzt  eine  Zierde  der 
Altertümersammlung  des  Aluseums  Wallraf-Richartz.  Leider  ist 
sie  nicht  ganz  erhalten  und  in  mehrere  Stücke  gebrochen,  die 
aber  ziemlich  gut  zusammengefügt  werden  konnten.  Der  Körper 
ist  plattrund  und  beiderseits  mit  einem  Rosettenornamente  ver- 
ziert, das  aus  opakweißen,  azurblauen  und  vergoldeten  Glasfäden 
aufs  feinste  geschlungen  ist.  Die  Vergoldung  ist  dadurch  erzielt,  daß 
der  heiße  Glasfaden  durch  Blattgold  gezogen  wurde,  so  daß  Teile 
an  diesem  haften  blieben.    Das  Ornament  besteht  aus  einer  dicht 


^33 


g'eschlossenen  Goldspirale,  von  welcher  \"ier  blaue  Diag"onalrippen 
mit  rundg-ezackten  g-oldenen  Blattumrissen  auslaufen;  zwischen 
diesen  sind  blau-weiß-g-oldene  Gehäng-e  mit  flatternden  weißen 
Bändern  angebracht.  ()])akweiß  sind  die  Fäden,  welche  den  Rand 
des  langen,  leicht  in  Trichterforni  erweiterten  I  lalses  sowie  die 
an  einem  kurzen  Knotenstengel  ansitzenden  Fußplatte  umziehen. 
Von  derselben  Farbe  ist  auch  der  breite  zackige  Faden,  welcher 
die  beiden  halbrunden  Henkel  hinanläuft 
und  oben  eine  kleine  Schlinge  bildet,  blau 
der  ebenso  geformte  an  der  Peripherie 
des  kreisförmigen  Körpers.  Erstaunlich  ist 
die  Sicherheit,  mit  welcher  hier  der  Arbeiter 
den  dünnen  Faden  handhabte,  die  vSpirale 
wand,  die  Wellenlinien  der  Blattumrisse 
beschrieb  und  ihn  bei  der  feinen  und  \-er- 
wickelten  Zeichnung  stets  an  die  richtige 
Stelle  setzte.  Nachträgliche  A'erbesserun- 
gen  sind  ja  bei  dieser  Technik  so  gut 
wie  ausgeschlossen.  Der  Direktor  der  rhei- 
nischen Glashütten  -  Aktiengesellschaft  in 
Köln-Ehrenfeld.  C.  Rauter,  der  zahlreiche 
römische  Gläser  vortrefflich  nachg'ebildet 
hat,  verzichtete  auf  die  Kopie  dieser  Kanne 
wegen  Mangels  an  geschulten  Arbeits- 
kräften und  bezweifelte  selbst,  daß  es 
deren  heute  in  Murano  gebe.   In  demselben 

Grabe  befanden  sich  noch  die  Bruchstücke  einer  zweiten  ganz 
gleichen  Kanne,  Bronzeplättchen  mit  gestiuizten  Medaillons,  die 
zum  Beschläge  eines  Kästchens  gehörten,  sowie  ein  Glasgefäß 
in  (iestalt  eines  Schweinchens  aus  azurblauem  (jlase,  die  Beine 
und  Ohren  gelb  aufgesetzt,  der  Rücken  anstatt  der  Borsten  mit 
einem  opakgelben  Wellenfaden  geschmückt.  (Abb.  103).  Eine 
Kanne  mit  Fadenrosetten,  den  gen^mnten  ganz  ähnlich,  wurde 
auch  in  Straßburg  gefunden  und  ist  in  die  dortig*^  Altertümer- 
sammlung eingereiht. 

Die  lange  Reihe  der  Gräber  war  ehemals  durch  eine  Schenke 
unterbrochen,  in  der  sich  müde  Wanderer,  die  des  Wegs  von  Reims 
oder  Trier  herkamen,  stärken  konnten.   In  ihr  stand  das  riesige,  fast 


Abb.  116.  Helmglas  mit 
Fadenverzierung.  Köln, 
Museum    Wallraf-Richartz. 


234 

I  m  im  JJurchmesser  haltende  Doliuni  aus  Ton,  ein  Weinfaß,  das 
nach  pompejianischen  Vorbildern  wahrscheinlich  bis  an  den  Rand 
in  den  Schanktisch  eing-elassen  war.  Aus  ihm  wurde  der  his- 
panische Wein,  der  im  Rheinlande  mit  Vorliebe  getrunken  wurde, 
mit  Schöpfkellen  herausg-eholt  und  in  die  Becher  g"efüllt.  Am 
Rheine  selbst  g"^ib  es  zur  Römerzeit  noch  keinen  Weinbau,  wohl 
aber  an  der  Mosel,  doch  reichte  dieser  nicht  für  den  g-anzen 
Bedarf  durstig'er  Legionäre  und  Ubier  hin.  In  manchen  Geg'en- 
den  Italiens,  aber  auch  in  Skandina\ien,  seihte  man  den  Wein, 
während  man  ihn  in  den  Becher  g'oß,  durch  ein  bronzenes  Sieb. 
Am  Rhein  scheint  diese  Sitte  weniger  in  Übung-  g-ewesen  zu  sein, 
da  solche  Siebe  selten  g-efunden  werden. 

In  den  Jahren  1897  und  1898  erschlossen  die  Arbeiten  zum 
Bau  der  Vorg-ebirg^ebahn  eine  weitere  Strecke  des  gewaltigfen 
( Gräberfeldes,  vorerst  auf  der  linken  Straßenseite,  dann  auch  auf 
der  rechten.  Auf  jener  wurde  das  Gelände  in  einer  Läng^e  von 
220  m  und  einer  Breite  von  durchschnittlich  6  m  durchforscht. 
In  seinem  östlichen  Teile  stießen  wir  zuerst  etwa  0,50  m  unter 
der  jetzigfen  Oberfläche  auf  zwei  lange  Parallelmauern,  die  der 
Straße  entlang  liefen  und  aus  (irauwackensteinen  ohne  Verband 
und  Mörtel  etwa  40  cm  tief  und  60  cm  breit  angelegt  waren. 
Sie  wurden  in  Zwischenräumen  von  2 — 3,50  m  durch  1,50  m  lange 
Ouermauern  gleicher  Art  Aerbunden.  Die  so  gebildeten  recht- 
eckigen Abteilung-en  enthielten  Brandgräber;  in  den  noch  nicht 
geplünderten  stand  die  runde  tönerne  Urne,  die  (Jlla,  mit  den 
Resten  des  verbrannten  Leichnams,  daneben  die  üblichen  Bei- 
gaben vom  Hausrate  des  Verstorbenen,  Schmucksachen  und 
Münzen  sowie  die  Überreste  des  Holzsarges,  in  welchem  dieser 
vor  der  eigentlichen  Bestattung  verbrannt  worden  war,  Holzkohlen 
und  eiserne  Xägel.  Die  Beigaben  lassen  das  Alter  dieser  Gräber 
auf  die  zweite  Hälfte  des  I.  Jahrhunderts  bestimmen.  Derartige 
unterirdische  Friedhöfe  mit  zusammenhängenden ,  \-on  leichtem 
Mauerwerk  umfriedeten  Grabstätten  sind  in  verschiedenen  Teilen 
des  Römerreiches  zum  Vorscheine  gekommen,  in  Deutschland  z.  B. 
auch  in  Moschenwangen  (Amt  Regensburg).  Wahrscheinlich  ent- 
hielt das  1886  leider  ungenügend  erforschte  Grabfeld,  das  sich  auf 
der  linken  Seite  der  Aachener  Straße  zwischen  dem  Hahnentor 
und    dem    neuen    .Vachener  Tore    hinzog,    auch    solche    Anlagen. 


235 


GejJ-en  Osten  schlössen  sich  ebenso  wie  gei^-en  W't^sten  in 
der  Luxemburger  Straße  an  die  umfriedeten  Grabstätten  stärkere 
rechtwinkelige  Grundnumern  für  überirdische  Grabbauten  an. 
Funde  \on  farbigem  Wandverjnitz  sprechen  für  eine  reiche  Aus- 
stattung des  Innern:  \on  der  äußeren  Gestalt  einzelner  geben 
(iesimsstücke  mit  Akainhuskonsolen.  Säulenreste  mit  Pinien- 
schuppen und  Skulpturfrag- 


^/f 


mente  Zeugnis.  Unter  die- 
sen befindet  sich  der  Torso 
einer  Kalksteingruppe  des 
Aeneas,  der  seinen  Vater 
Anchises  auf  den  Schultern 
trägt  und  den  kleinen  As- 
canius  an  der  Hand  geleitet. 
Ahnliche  Gruppen  wurden 
schon  früher  in  Köln  zwei- 
mal gefunden.  Ein  größeres 
Grabmal  war  \-on  einer 
S])hinx  bekrönt,  neben  wel- 
cher zwei  sprungbereite  Lö- 
wen sitzen,  den  Gruppen  in 
den  IMuseen  von  Bonn  luid 
Trier  verwandt.  Ein  lebens- 
großer Frauenkopf  aus  Kalk- 
stein und  der  gleichfalls 
lebensgroße  Kopf  einergalli- 
schen Matrona  gehören  zu 
Statuen,  welche  der  Zerstö- 
rungswut der  Franken  oder 

der  Baulust  des  ^Mittelalters  ebenso  zum  Opfer  gefallen  waren, 
wie  die  oberirdischen  Mauern  der  Grabmäler  und  der  größte 
Teil  der  ( iriibstelen.  Was  \on  letzteren  in  diesem  Teile  der 
Xekropole  erh^dten  ist,  gehört  gleichfalls  der  zweiten  Hälfte  des 
I.  Jahrhunderts  an  und  ist  epigriiphisch  von  großem  Interesse. 
Auf  einem  lernen  wir  einen  Q.  Vesinius  \"erus  kennen,  der  Zim- 
mermeister der  dritten  Centurie  einer  ungenannten  Legion  war, 
auf  einem  anderen  wird  C.  FVontinius  Candidus  als  Kölner  Bürger, 
civis  Agrippinensis,    bezeichnet,    ein   dritter  ist  dem   O.  Pompeius 


Abb.  117.    Trulla  mit  farbigen  Schlangenfiiden. 
Köln.    Museum  Wallraf-Richartz. 


2  36 

Burrus  aus  Forum  Julii,  dem  heutigen  Cividale  im  Friaulischen 
gewidmet,  einem  Soldaten  der  15.  Legion,  die  von  Claudius  bis 
Traian  in  Germanien  stand. 

In  den  mehr  als  100  bis  zum  Jahre  1898  hier  aufgedeckten 
Grabstätten  waren  verschiedene  Arten  der  Bestattung  \'ertreten. 
Die  erste  bis  in  den  Anfang  des  III.  Jahrhunderts  geübte  Art  ist  die 
der  Leichenverbrennung.  Diese  war  bereits  vor  dem  Eindringen 
der  Römer  bei  einigen  gallischen  Stämmen  üblich  gewesen,  wurde 
dann  aber  herrschend.  Die  hierbei  üblichen  Gebräuche,  das  pomp- 
hafte Leichenbegängnis,  derUstor,  der  Brandmeister,  die  Proeficae, 
die  Klageweiber,  die  zahlreichen  bezahlten  Begleiter,  die  Parfüms, 
Libationen,  die  reichen  Beigaben  \-on  Gefäßen,  Hausgeräten, 
Schmucksachen  machten  die  Bestattung  namentlich  für  vor- 
riehmere  Kreise  sehr  kostspielig.  Teuer  war  auch  das  heilige 
Holz  des  Scheiterhaufens,  besonders  der  Taxus,  den  man  seit 
dieser  Zeit  noch  heute  gerne  auf  Friedhöfen  pflanzt.^)  Die  Ver- 
brennung des  Leichnams  erfolgte,  wie  dies  an  der  Luxemburger 
Straße  deutlich  zu  sehen  war,  an  einer  bestimmten  Stelle  des 
Friedhofes  in  dem  Ustrinum,  in  einer  Grube,  manchmal  auch 
dicht  neben  dem  Grabe,  wenn  hierzu  genug  Raum  \orhanden 
war.  (rroße  zusammengehäufte  Stücke  von  Holzkohle,  die  Er- 
hitzung des  Lehmbodens  zu  einer  ziegelartigen  Fläche,  zahlreiche 
im  Feuer  zerschmolzene  Gläser  machten  diese  Stellen  kenntlich. 
Daß  die  \"erbrennung  und  Bestattung  der  Leichen  außerhalb 
der  Städte  vorgenommen  werden  müsse,  war  durch  die  Zwölf- 
Tafel -Gesetze  geboten.  Xacli  der  \"erb rennung  wurden  die 
Knochenreste  sorgfältig  von  den  Verwandten  gesammelt  und  in 
Urnen  von  \erschiedenen  Stoffen  und  Formen  getan.  Die  ärmeren 
Klassen  bedienten  sich  dazu  der  großen  runden  Deckelurnen  aus 
Ton,  in  Ermangelung  eines  Deckels  legte  man  auch  einen  gewöhn- 
lichen Ziegel  über  sie.  .Sklaven  mußten  auf  jedwede  Urne  ge- 
wöhnlich verzichten  und  sich  mit  einigen  Schaufeln  Erde  be- 
gnügen. An  die  Stelle  der  Urne  trat  manchmal  eine  zvlindrische 
oder  quadratische  Kiste  aus  Jurakalk  oder  Tuffstein  aus  dem 
Brohltale.      Wohlhabendere    benutzten    Aschenürnen    aus    Glas, 


■')   C.   Boulanger,    Le    mobilier    funerairc    galk)-romain    et    franc    cn   Picardie  et 
Artois.      St.   Quentin    1O05.      p.   X\'II   ft". 


237 


•h. 


deren  Formen  s])äter  näher  beschrieben  werden.  Diese  erhielten 
oft  einen  Schutz  in  l'"orm  einer  gleichfalls  zylindrischen  oder 
quiidratischen  Kiste  aus  Stein  oder  Blei,  mitunter  auch  in  Form 
einer  größeren  Tonurne.  So  wurde  sie  in  einen  hölzernen  Be- 
hälter getan  und  danebtMi  irdene  Gefäße  mit  Lebensmitteln  zur 
Wegzehrung,  dlasgefäße  mit  Wein,  Wasser  und  wohlriechenden 
Ölen.  Opfergaben  verschiedener,  oft  kostbarer  Art,  Münzen  u.a. 
getan.      Das    b'ahrgeld    für    C'haron    wurde  _^ 

außerdem  dem  Toten  in  F^orm  einer  Bronze-  /?* 

münze  auf  die  Zunge  gelegt,  nach  Ver- 
brennung der  Leiche  mit  den  Knochen 
aufgelesen  und  in  der  Urne  \'erwahrt.  Bei 
Skelettgräbern  steckt  die  Charonsmünze  oft 
noch  zwischen  den  Zähnen  der  Toten,  die 
ich  in  einigen  Füllen  \'on  der  grasgrünen 
Patina  angesteckt  fand:  gewöhnlich  ist  sie 
aber  bei  der  Verwesung  herabgeglitten 
und  unterhalb  des  Kopfes  am  Sargboden 
liegen  geblieben.  Je  nach  dem  Wohlstande 
und  der  Anhänghchkeit  der  Hinterbliebenen 
fügte  man  auch  silberne  Löffel,  F^ibulae, 
Nadeln,  Ringe,  Spiegel,  Lampen  aus  Ton 
und  Bronze  und  andere  (xegenstände  des 
1  Ixiusrates  und  der  Toilette  hinzu.  ]\Linch- 
mal  wurde  der  Leichnam,  besonders  der 
von  Frauen,  mit  allem  irdischen  Schmucke 
verbrannt,  der  dann  teilweise  geschmolzen 

und  unkenntlich  geworden  ist.  Auffallend  ist,  daß  sich  am 
Rheine  die  Legionäre  niiMuals  in  militärischer  Ausrüstung,  son- 
dern in  bürgerlicher  Tracht  bestatten  und  häutig-  auch  auf  den 
(rrabsteinen  in  der  Toga  abbilden  lassen.  Lnter  diesen  Dar- 
stellungen trifft  man  das  sogenannte  Toten  mal  häufig,  wo  der  \  er- 
storbene in  der  Toga  auf  dem  Triclinium  liegend  und  den  wein- 
gefüllten Becher  schwingend  erscheint,  während  seine  Gattin  auf 
einem  Sessel  neben  ihm  sitzt  und  ein  Sklave  aus  der  großen  Lagona, 
einer  jener  zylindrischen  Kannen  aus  bläulichgrünem  Glase,  den 
Becher  auf  dem  mit  Speisen  besetzten  Tische  füllt.  Eine  zweite 
Lagona  steht  m^mchmal  in  Reserve  auf  dem  Boden.    (Vgl.  Abb.  14). 


Abb.    1 1  S.      Oenochoe    mit 

farbigen  Schlangenfäden. 

Köln ,    Museum    Wallraf- 

Richarlz. 


2  38 

Dagegen  wurden  die  germanischen  Hilfstruppen,  die  namentlich  in 
der  Reiterei  dienten,  nach  nationalem  Brauche  im  vollen  Schmucke 
der  AV äffen  bestattet.  Während  Gläser  in  Grabstätten  vom  I.  und 
vom  größeren  Teile  des  IL  Jahrhunderts  ziemlich  selten  sind, 
mehren  sie  sich  zu  Ende  des  letzteren  auffallend  und  bilden  in 
manchen  Gräbern  des  III.  Jahrhunderts  sog^ir  die  Mehrzahl 
der  Beigaben.  Größere  Glasflaschen  findet  man  gewöhnlich  zu 
dreien,  für  Milch,  Honig  und  Wein,  die  drei  üblichen  Toten- 
spenden. Vielleicht  sind  jene  merkwürdigen  Kannen  aus  farb- 
losem Glase,  die  eigentlich  aus  drei  fest  zusammengepreßten 
Flaschen  bestehen,  so  daß  sich  im  Inneren  Scheidewände  für 
drei  Abteilungen  bilden,  griechisch  rgdixuO^a  genannt,  für  diese 
drei  Sorten  \on  Totenspenden  bestimmt  gewesen,  ebenso  die 
dreifachen  Balsamarien  in  Röhrenform  (vgl.  S.  98).  Man  findet 
jene  in  den  Museen  von  Köln,  Bonn,  Trier  u.  a.  Sobald  die  hölzerne 
Kiste  mit  allem  nötigen  gefüllt  war,  wurde  sie  vernagelt,  an  den 
Ecken  mit  Winkeleisen  verstärkt  und  so  der  Erde  übergeben. 
Leider  hat  man  es  mitunter  für  nützlich  gehalten,  sie  dvirch  Ziegel- 
steine zu  beschweren,  welche  im  Laufe  der  Zeit,  wenn  das  Holz 
vermoderte,  hinabsanken  und  die  darunter  befindlichen  gebrech- 
lichen Gegenstände  zerdrückten. 

Unter  den  Grabsteinen,  welche  am  Kopfende  des  Grabes 
aufgestellt,  Namen,  Alter  und  Stand  des  Verstorbenen,  sowie  mit 
einer  frommen  Formel  verbunden,  den  des  Stifters,  eines  Ver- 
wandten oder  Erben  enthielten,  möchte  ich  hier  einige  hervor- 
heben, die  einst,  dicht  neben  einander  gesetzt,  die  Grabstätte 
einer  Familie  an  der  Aachener  Straße  in  Köln  bezeichneten  und 
sich  jetzt  im  Museum  Wallraf-Richartz  befinden.  Durch  die  gleich- 
artige, sehr  sorgfältige  Ausstattung  sind  sie  als  Arbeiten  einer 
und  derselben  Werkstatt  gekennzeichnet.  Die  rechteckige  Platte 
aus  Juriikalkstein,  dem  am  Xiederrheine  für  Grabsteine  üblichem 
Material,  ist  am  Koi)fende  zu  einem  friesartigen  Reliefstreifen 
ausgearbeitet,  der  bei  dem  ersten  einen  Widderkopf  zwischen 
zwei  Löwen,  bei  dem  zweiten  eine  Amphora  zwischen  Greifen, 
bei  den  übrigen  eine  dem  ersten  gleiche  Darstellung  enthält.  Es 
ist  ein  Motiv,  das  auf  Grabsteinen  oft  variiert  wird,  z.  B.  in  der 
Form  eines  Ebers  oder  Rehes,  die  von  einem  Löwen  überwältigt 
werden,  Sinnbilder  des  wehrlos  der  unerbittlichen  Macht  des  Todes 


'■}9 


ausgesetzten  Daseins.  Audi  der  Greifenschnnick  ist  auf  (rral)- 
steinen  häufig/)  Unter  dem  Relief  l:)efindet  sieh  in  scheinen, 
schwungvollen  Buchstaben  ausgeführt,  an  welchen  noch  stellen- 
weise rote  Farbe   haftet,    die   Inschrift.     Sie   lautet   beim  ersten: 

Gato,  Cal)iri  f(ilio).  nvl  X'iromanduo,  Demioncae  coniugi  eins, 
Athamae  et  Atrecto,  Gati  filis.  P>i(MUis.  (iati  f(ilius)  pie  de  suo 
f  (aciendum^  c(ura\-it).  Zu  deutsch  : 
„Dem  Gatiis,  Soluie  des  ("abirus. 
T^ürger  \on  X'iromanduum,  der 
Demionca.  seiner  (iattin.  dem 
Athamas  und  Atrectus.  Sc'ihnen 
des  Gatus,  ließ  Bienus,  des  Giitus 
Sohn,  liebevoll  aus  eigenen  Mit- 
teln diesen  Grabstein  errichten". 

Die  Familie,  welche  nach 
den  Namen  Cabirus  und  Athamas 
zu  schließen,  von  syrischer  Ab- 
stamniung  war.  hatte  sich  in  \"iro- 
manduum  in  (lallia  Belgica,  süd- 
lich \'oii  den  Xerviern  gelegen 
und  mit  dem  heutigen  Vermand 
identisch,  niedergelassen.  Bienus 
liatte  dort  das  Bürgerrecht,  war 
aber  dann  mit  seiner  Familie 
nach  Köln  gezogen.  \"ermand 
war  neben  Amiens  einer  der 
bedeutendsten  Sitze  der  (jlas- 
industrie  und  beteiligte  sich  be- 
sonders \om  Fnde  des  11.  Jahrhunderts  ab  sehr  eifrig  an  der 
Herstellung  geformter  (iläscr.  l^s  ist  bei  den  reg(MT  Verbin- 
dungen zwischen  dfu  l)(4gischen  Tndustrieorten  und  der  aut- 
bhihendcn  I  hiu|)tstadt  des  Niederrhciiies  reclit  wohl  denkl)ar. 
diiß  die  Familie  des  Gatus  eine  der  syrischen  Glasmacherfannlien 
war,  die  ihren  alten  Wohnsitz  mit  der  wohlhabenden  .Stadt  an 
der  Reichsgrenze  vertauschten  und  zu  deren  großem  Auf- 
schwünge   beitrugen.       Wir    wisstMi,     daß     in     .SvriiMi    die    (ilas- 


Abb.    1 19.      Carchesium,    smaragdgrün, 

mit  Fadenverzierung  in  Weiß  und  Gold. 

Köln,  Museum  Wallraf-Richartz. 


*j  Furtwängler  in  Roschers  Lexikon  unter  ,,Gryps". 


240 

Industrie  eine  bedeutende  Pflegestätte  g-efunden  hatte  und  daß 
syrische  Kaufleute  und  Handwerker  seit  dem  I.  Jahrhundert  in 
(ialhen  ^insässig  waren.     (Vg-1.  S.   199). 

Der  mit  dem  Greifenrelief  geschmückte  Grabstein  trägt  die 
Widmung: 

Ocellioni,  Illanuonis  f(ilio),  Exomnae  coniug(i)  eivis,  Optatae 
f(iliae),  Annae  neptiae,  Bienus,  Gati  f(ilius)  pie  de  suo  f(aciendum) 
c(uravit).  Zu  deutsch:  „Dem  Ocellio,  Sohne  des  Illanuo,  seiner 
Gattin  Exomna,  seiner  Tochter  Ojjtata,  seiner  Enkelin  Anna  hat 
diesen  Grabstein  Bienus,  des  Gatus  Sohn,  liebevoll  aus  eigenen 
Mitteln  gesetzt". 

Bienus,  der  Stifter  beider  Grabsteine,  war,  wie  ein  anderer 
lehrt,  der  Schwiegersohn  des  Ocellio.  Die  Familie  hat  sich  mit 
Einheiniischen  \'erbunden,  denn  Illanuo  ist  ein  keltischer  Name.-^) 

Dem  Bienus  selbst  und  seiner  Giittin  ist  ein  dritter  Grabstein 
gewidmet,  mit  der   Inschrift: 

Bieno,  (jati  f(ilio),  ci\i  \"iromanduo,  Ingenuae,  Ocellionis 
f(iliae),  coniugi  eins.  Zu  deutsch:  „Dem  Bienus,  Sohne  des  Gatus, 
Bürger  \on  Mromanduum,  seiner  Gattin  Ingenua,  Tochter  des 
Ocellio". 

Darunter  i^t  noch  Raum  für  drei  Zeilen  ausgespart,  in 
welchen  der  Xame  des  P>ben  und  Stifters  genannt  werden  sollte. 
Vermutlich  hat  Bienus  selbst  den  Stein  schon  bei  Lebzeiten  für 
sich  bestellt  und  seinem  Erben  hinterlassen,  der  aber  aus  irgend 
welchen  Gründen  die  Hinzufügung  seines  Namens  und  der 
Stiftungsformel  unterlitMl  Vielleicht  war  er  schon  \-or  Bienus 
selbst  gestorben,  so  daß  die  Aufrichtung  des  Titulus  fremden 
Händen  überlassen  blieb. 

Ein  vierter  zu  der  Gru])])e  g-ehörender  Grabstein  ist  ganz 
ohne  Inschrift  geblieben,  ein  fünfter  enthält  Namen,  die  von  den 
früher  genannten  abweichen,  vielleicht  aber  derselben  Familie 
angehören.  Jedenfalls  weisen  auch  sie  auf  syrische  Einwanderung 
hin.  Außer  neuen  urkundlichen  Belegen  für  die  Tatsache,  daß 
dieses  rührige  \"olk  l:)is  an  den  Rhein  vorgedrungen  war,  bieten 
die  Grabsteine  \'ielleicht  auch  solche  für  die  Beziehungen  Kölns 
mit    den   belgischen    Werkstätten.      Köln,    das    mit    den    Städten 


^)   Neptia  für  Neptis  kommt  auch  sonst  vor.     Vgl.  (_'il.  III  35S2,   V  2208,   8273. 


241 


Belgicas  durch  Nortreffliclic  I  landrlsstraßtMi  verbunden  war, 
bildete  ja  mit  dem  aiit^rcii/ciidcii  Nordosten  (ialliens  (»ine  ge- 
meinsame Kunstproxin/,.' 

Bemerkenswert  ist 
auch  ein  1905  in  Köhi 
gefundener  (irabstein, 
welchen  der  x\lexandri- 
ner  Asklepiades  dem 
Griechen  Rujihus  stiftete. 
Seine  Inschrift  lautet: 

Memoriae  Ruphi, 
natione  Greco,  ^Mylasei, 
Choraul(a)e,  qui  vixit  an- 
nos  XVI,  Dionysius  As- 
clepiades,  natione  Alexan- 
drinus,  ])arens,  item  Athe- 
n(a)eus,  bene  merenti 
de  suG  (faciendum  cura- 
verunt.) "') 

Der  Stil  der  In- 
schrift sowie  die  Form 
der  Buchstaben  verraten 
bereits  späte  Zeit,  wohl 
die  Glitte  des  IV.  Jahr- 
hunderts. Aus  ihr  geht 
hervor,  dal]  sich  zwischen 
Köln,  Alexiindrien  und 
Kleinasien  direkte  \"er- 
bin  düngen  entwickelt 
hatten  und  weit  über 
die  eigentliche  kolonisa- 


Abb.    120. 


Kanne   mit    Rosctlenschniuc 
Museum. 


Köln, 


^)  Im  Gegensatze  zu  der  früher  mit<:;eteiltcn  Ansicht  von  Merkens  macht  sich  im 
Kunstgewerbe  des  Niederrhcines  und  der  nördlichen  Belgica  in  r<Jmischer  Zeit  eine 
auffallende  Übereinstimmung  selbst  in  Einzelheiten  geltend,  Ijesonders  in  der  Glas- 
industrie. Poppelreuter  macht  darauf  aufmerksam,  daß  ein  Blick  auf  die  Tafeln  von  Cochets 
,,\'ormandie  souterraine"  die  'allernächste  Verwandschaft  der  kölnisch-rheinischen  .Arbeit 
mit  jener  der  westlich  gelegenen  Teile  (Pallien  dartue.  Denselben  Eindruck  bekommt  man 
beim  Studium  der  Publikationen  Pilloys,  Boulangers  u.a.  nordfranzösischer  Lokalforscher. 

*)   Veröffentlicht   von  J.  Poppelreutcr  im   Bonner  Jahrb.  114  115    S.  371. 

Kisa,   Dasi  (Jlas   im   .■\Uertuiiie.  l6 


242 

torische  Periode  hinaus  dauernd  erhielten.  Andererseits  reichen 
die  Verbindungen  Köhis  mit  dem  hellenistischen  Orient  bis  in  die 
Zeit  zurück,  da  die  Alteburg-  als  Station  der  römischen  Rhein- 
flotte diente,  in  welcher  viele  griechische  und  syrische  Elemente 
vertreten  waren/)  Nach  Poppelreuters  Vermutung,  welche  mir 
sehr  wohlbegründet  erscheint,  wurde  der  griechische  Einfluß  auf 
die  Rheingegenden  nicht  nur  auf  dem  Landwege  von  Marseille 
aus,  die  Rhone  und  Mosel  entlang  vermittelt,  sondern  schlug 
direkt  den  Seeweg  nach  dem  Rheindelta  ein.")  Schon  das  Zinn, 
Kupfer  und  der  Bernstein  hatten  ja  griechischen  vSeefahrern  den 
Weg  nach  dem  Norden  gewiesen.  Die  Einwanderung  von  Kauf- 
leuten und  Handwerkern  aus  dem  hellenistischen  Südosten  hatten 
eine  Zeitlang  die  unsicheren  politischen  Verhältnisse,  besonders 
der  Aufstand  der  Bataver  gehemmt.  Als  aber  unter  Hadrian 
nach  Vollendung  der  mächtigen  vSchutzmauer  gegen  die  Germanen, 
des  Limes,  größere  Ruhe  eingetreten  war,  erwachte  wieder  die 
Unternehmungslust  und  ein  neuer  Strom  von  Einwanderern 
ergoß  sich  über  die  Rheinland^.  So  ist  das  Wiederaufleben 
griechischer  Formen,  der  mächtige  Aufschwung  zu  erklären,  der 
sich  vom  Ende  des  IL  J^ihrhunderts  ab  und  namentlich  im  III. 
bemerkbar  macht.  Die  Kolonisten  fanden  aber  diesmal  nicht 
n"iehr  wie  im  I.  Jahrhundert  eine  bescheidene  Hausindustrie, 
sondern  bereits  eine  durch  lange  Übung  gesicherte  Provinzial- 
kunst  vor,  deren  Formen  sich  die  Fremden  bald  anbequemen 
mußten.  In  späterer  Zeit  zog  der  Kaiserhof  zahlreiche  syrische 
Plinwanderer  nach  Trier,  während  die  Sagen  von  der  thebaischen 
Legion  andererseits  auf  die  große  Rolle  hindeuten,  welche 
christlich-ägyptische  Elemente  in  Köln  spielten. 

Die  Beisetzung  erfolgte  in  dem  Grabfelde  der  Luxemburger 
Straße  teils  in  umfriedeten  Grabstätten,  teils  im  freien  Boden. 
Einigemal  fanden  wir  um  die  LTrne  Plattengräber  aus  mächtigen 
Dachziegeln,  die  sie  wie  Kartenhäuser  umgaben;  die  einen  ein- 
fach giebelförmig  zusammengestellt  (x\bb.  51),  die  andern  recht- 
winkelig   aus    vier    aufrechten    Platten    gebildet    und    mit    einer 


^)   Vgl.   die   Inschrift    der    kleinasiatischcn    Griechen    auf  einem    Grabsteine    der 
Alteburg  bei   Köln,   Bonner  Jahrb.   66,   S.   78,   86   S.    129. 
^)   Bonner  Jahrb.    114/115   S.   369. 


243 


quer  clarüberg'elt\i>'t<Mi  lit'dcckt.  Da  die  l^rdobcrfläclu'  nur  an  d<'r 
Südseite  eine  Anseluittunj^"  erfahren  hat.  lie^t,'"en  die  meisten 
dieser  Grabstätten  nur  etwa  i  m  tief,  ebenso  die  Brandjjfräber  einer 
anderen  Klasse,  die  durch  kleine  längliche  vStinnkistcm  gekenn- 
zeichnet wird.  Diese  sind  zum  Unterschiede  \on  den  früher  ge- 
nannten einfachen  Urnenbehältern  im  Inneren  mannigfach  aus- 
gearbeitet. An  den  Schmalseiten  be- 
finden sich  zumeist  Stufen  nnt  halb-  '  . 
rundem  oder  x'iereckigem  Ausschnitte, 
jene  als  Standort  für  kleinere  Kannen, 
Gläser  und  andere  (ieräte,  diese  zur 
Aufnahme  gröl^erer  Gefäße  berechnet. 
Der  große  Mittelraum  tMithält  haupt- 
sächlich die  verbrannten  Knochenreste, 
Holzkohlen,  die  eisernen  Nägel  und 
Winkelbänder  der  Holzkiste.  Die  Be- 
zeichnung als  „Kindersärge",  welche 
für  diese  Steinkisten  in  .Sarkophagform 
noch  ü})licli  ist,  hat  keine  Berechtigung: 
in  vielen  von  ihnen  würde  kaum  die 
Leiche  eines  neugeborenen  Kindes 
untergebracht  werden  können,  da  der 
Raum  viel  zu  eng  ist.  .Sie  bilden  \-iel- 
mehr  einen  Übergang  von  den  Urnen- 
gräbern zu  den  Sarkophaggräbern,  von 
der  älteren  vSitte  zur  neueren.  Die 
Leichenverbrennung  wurde  von  Fami- 
lien, die  am  Alten  hingen,  manchmal 
bis  in   das  111.  Jahrhundert  hinein   bei- 

beh^dten,  dabei  aber  durch  die  längliche,  sarkophagartige  Form 
der  Steinkisten  ein  Zugeständnis  an  die  neuauflebende  Form 
der  Bestattung  unverbrannter  Leichen  gemacht.  In  solchen  ließen 
sich  auch  die  Beigaben  sicherer  unterbringen  und  in  d»^r  Tat  haben 
sicli  in  ihnen  sehr  \iele  wertvolle  (jläser  und  .Sigillaten  erhalten. 
Im  allg(Mn(Mnen  Heß  sich  feststellen,  daß  die  zahlreicht^ren 
und  älteren  I)ran(lgräl)er  in  erster  Keihe  dicht  an  drr  Stralle 
angelegt  waren,  die  Steinkisten  parallel  hinter  ihnen,  obwohl  von 
beiden    Arten    auch    zwischendurch    Lagerungen    in    senkrechter 

i6* 


Abb.  12  1.    Stamnium  mit  Schlan- 
gcnfäden.     Köln,   Museum. 


^44 

Linie  auf  die  Straßenflucht  vorkamen.  Die  Skelettgräber,  in 
welchen  noch  ca.  i6  wohlerhaltene  vSkelette  mit  im  vSchoße  ge- 
kreuzten Armen  und  nach  Norden  oder  Nordwesten  gerichtetem 
.'Vntlitze  lagen,  enthielten  zumeist  Holzsärge,  die  bis  auf  geringe 
Reste  vermodert  waren:  doch  sind  auch  solche  aus  Tuff,  dann  aus 
gelbem  und  rotem  Sandsteine  gefunden  worden,  aus  Steinarten, 
die  man  in  Köln  erst  im  IV.  Jahrhundert  zu  bearbeiten  begann. 
Die  Beigabe  einer  Münze  Constantins  des  Großen  beweist  gleich- 
falls, daß  das  Leichenfeld  noch  in  dieser  späten  Zeit  benutzt  wurde. 
Die  Skelettgräber  nahmen  die  letzten,  von  der  Straße  entferntesten 
Reihen  ein  und  waren  zum  Teil  sehr  tief  eingebettet.  Manchmal 
Ligen  jüngere  üljer  den  älteren.  Mele  zeigten  Spuren  alter 
Plünderungen.  Schon  die  Franken  ließen  bei  ihren  Einfällen 
und  noch  mehr  nach  dem  Sturze  der  Römerherrschaft  die  Gräber- 
straßen nicht  ungeschoren,  wobei  ihnen  die  Tituli  und  Grabmäler 
ja  deutlich  den  Weg  zu  den  Schätzen  der  Tiefe  wiesen.  Vor- 
ncdimlich  auf  (jold,  Silber  und  Edelgestein  lüstern,  teilten  sie 
mit  allen  Barbaren  auch  die  Freude  an  den  leuchtenden,  zierlichen 
vSchöpfungen  der  Glasindustrit^  und  schöne,  namentlich  farbige 
antike  Gläser  durften  in  der  Kriegsbeute,  dem  Schlitze  eines  vor- 
nehmen Germanen  nicht  fehlen.  Das  (jrabfeld  an  der  Luxem- 
burger Straße  blieb  aber  auch  nach  den  Frankenkriegen  nicht 
verschont.  Abgesehen  davon,  daß  die  Bischöfe  der  romanischen 
Zeit  zu  ihren  prachtvollen  Kirchenbauten  viel  antikes  Material 
verwendeten  —  .St.  Pantaleon  ist  größtenteils  aus  den  Überresten 
der  Rheinbrücke  Constantins  errichtet  —  kam  ein  großer  Teil 
des  Grundstückes  der  alten  Gräberstraße  an  die  Klöster  Weyer 
und  St.  Brigitten,  die  darauf  Wirtschaftsgebäude  errichteten. 

Die  Holzsärge,  deren  sich  zumeist  die  Armeren  vom  An- 
fange des  III.  Jahrhunderts  ab  bedienten,  müssen  sehr  dickwandig 
gewesen  sein,  denn  die  \'on  ihnen  herrührenden  Nägel  haben 
oft  eine  Länge  von  lo — 15  cm.  Die  Särge  sind  von  rechteckiger 
Form  und  bedeutend  länger  als  der  Körper  des  Bestatteten, 
damit  zu  dessen  Füßen  Gefäße  untergebracht  werden  konnten.^) 
Auch  in  dieser  Zeit  bestand  die  Wegzehrung  gewöhnlich  aus 
Milch,     I  ionig    und    AW^in    in    drei    größeren    Glasflaschen,    von 


^)   Boulanger   a.  a.   O. 


245 


wflclien  zwei  zu  I-üljen,  eine  iK'brii  dem  Ko])fe  aufs^Tstcllt  wurde. 
Dazu  kamen  die  schon  erwähnten  sogenannten  Tränenfläschchen, 
kleinere  Glasfläschchen  der  verschiedensten  Arten  für  wohl- 
riechende Öle  und  Parfüme.  ird(Mie  .Schüs- 
seln. KrÜL,''e  aus  wtMliem  und  schwarzem  -  > 
Ton,  aus  Terra  si^'illata,  aus  Bronze,  Trink- 
becher mit  aufs^-emalten  Sinnsprüchen  usw.  ■, 
Manchmal  findet  man  mehr  oder  wenis^er 
iinsehnliche  Reste  des  Totenmales,  Kno- 
chen von  Hühnern,  Kaninchen,  Schweinen, 
Ochsen  und  Hammeln,  Eier  und  Nußscha- 
len und  sehr  \'iele  Austernschalen,  da 
Austern  damals  ein  sehr  beliebtes  und 
wohlfeiles  A^olksnahrung-smittel  waren.  \Vie 
in  den  Brandyräbern  ii;-ibt  es  auch  hier 
Löffel,  Parfümdosen,  Toilettegerät.  Schreib- 
zeug" und  sehr  \iele  .Schmuckperlen  in 
Frauengräbern.  War  der  Sarg  zu  klein, 
um  alle  die  Beweise  der  Pietät  aufzu- 
nehmen, so  legte  man  einen  Teil  in  eine 
kleine  viereckige  Kiste  aus  1  lolz.  mitunter 
aus  Bronze  oder  Blei,  und  stellte  diese 
n.eben  den  Sarg  zu  Füßen  des  Toten.  Zu 
Ende  des  IV.  Jahrhunderts  wird  die  Sitte 
der  Totenbeigaben  seltener,  bei  Christen 
beschränkt  sie  sich  auf  Gefäße,  die  \-iel- 
leicht  mit  Weihwasser  gefüllt  wurden,  und 
wenige  Schmuck-  und  ( iebrauchsgegen- 
stände,  die  dem  \'erstorbenen  wert  waren. 
Trotzdem  haben    in    Köln   ausnahmeweise 

gerade  christliche  Gräber  \on  den  Begräbnis})lätzen  an  St.  Frsula 
und  St.  .Se\-erin  die  kostl^aren  gra\ierttMi .  bemalten  und  ver- 
goldeten Gläser  ergeben,  von  welchen  in  einem  anderen  Zu- 
sammenhange die  Rede  sein  wird.  In  den  fränkischen  (iräbern 
tauchen  wiederum  antike  .Schmuckperlen  aus  farl)ig(Mn  (ilas  und 
Ton  in  einer  \-orher  unbekannten  I-'ülle  und  Mannigfaltigkeit  auf 
Jene  liegen  nicht  mehr,  wie  die  heidnischen  (rräber.  außerhalb 
der  Stadt,  sondern  rings  um  die  CJotteshäuser. 


.\bb.  122.   Flasche  mit  Schlan- 
genfädcn.     Köln,  Museum. 


246 

\"on  der  großartigen  Wirkung-  der  Via  Ap])ia  und  selbst 
von  jener  der  Gräberstraße  bei  Pompeji  waren  die  g-allischen  und 
auch  die  kölnischen  wohl  weit  entfernt.  Immerhin  muß  der 
Anblick  der  vmunterbrochenen  Reihe  von  Tituli  und  Grabbauten 
aller  Art  in  ihrem  Schmucke  schattigfer  Bäume,  g-rüner  Sträucher 
und  bunter  Blumen  für  den  Wanderer,  der  sich  einer  Stadt 
näherte,  ein  eigentümlich  ergreifender  gewesen  sein.  Ehe  er  die 
Gassen  und  Plätze  mit  ihrem  lebendigen  Treiben  betrat,  empfingen 
ihn  die  Manen  der  Abgeschiedenen.  Auf  dem  Lande  bildeten  die 
Grabstätten  zumeist  Gruppen  am  Rande  von  Keinen  und  unter 
Alleen  \on  Bäumen,  die  nach  den  Landhäusern  und  Gehöften 
führten.  Ln  Umkreise  von  Köln  befindet  sich  als  Überrest  einer 
solchen  ländlichen  Totenstätte  das  berühmte  Grabmal  von  Weiden 
und  in  der  Nähe  von  Trier  die  durch  ihren  prächtigen  Skulpturen- 
schmuck  iiusgezeichnete  Ig"ler  vSäule. 

Die  Brandgräber  der  Luxemburger  Straße  haben  außer  den 
erwähnten  Beigaben  noch  \'iele  andere  von  großem  Kunstwerte 
enthüllt.  Besonders  reich  waren  jene  sarkophagartigen  Stein- 
kisten mit  Abteilungen  im  Lineren  an  Gläsern  feinerer  .Sorte- 
Eine  von  ihnen  hatte  beinahe  die  Größe  eines  wirklichen  Sarko- 
phages  und  stand  in  einer  PIrdhöhlung,  die  durch  vorkragende 
Schieferplatten  geschützt  war.  Sie  war  \ollkommen  unberührt 
und  enthielt  außer  verbrannten  Knochen  im  mittleren  Räume 
auf  den  Stufen  und  in  den  kleineren  Abteilungen  nicht  weniger 
als  dreizehn  wohlerhaltene  Glasgefäße  verschiedener  Art  in  den 
Eormen  und  Dekorationsweisen  \'om  Ende  des  IL  Jahrhunderts, 
außerdem  bronzenes  Schreibgerät,  die  Reste  eines  ledernen  Leib- 
riemens und  dar^m  ein  ( )lfläschchen  nebst  zwei  Strigiles  aus 
Bronze.  Die  X'erbrennung''  der  Leiche  hatte,  wie  deutlich  zu 
sehen  war,  in  der  Grube  selbst  stattgf-efunden.  Noch  luxuriöser 
war  eine  kleinere,  durch  eine  Querwand  geteilte  Steinkiste  aus- 
gestattet, die  in  einem  Abteil  die  Knochenreste,  in  dem  anderen 
achtzehn  Glasgeiäße  von  vorzüglicher  Itrhaltung  aufwies,  unter 
diesen  eine  Reihe  jener  hochgeschätzten  Arbeiten  mit  Schlangen- 
fadendekor,  phantastischen  Wellenornamenten  aus  opakweißen, 
gelben,  azurblauen  und  vergoldeten  Glasfäden  auf  farblos  durch- 
sichtigem Grunde.  Auch  in  anderen  Steinkisten  wurden  derartige 
kostbare    Gläser    gefunden,    so    namentlich    ein    (jlfläschchen    in 


Gestalt  eines  (iladiatorenhrlmtvs  mit  s^-eschlosseneni  \"isier,  ein 
Seitenstück  zu  dem  ehemals  in  der  Sammlung»"  Disch  in  Köln  be- 
findlichen Tlelmirlase.  (Abb.  ii6.)  (jra\-ierte  und  geschliffene  (jlä- 
ser,  die  aus  dem  s])ätr(")niisclit'n  (iräberfelde  an  der  Severinstraße 
und  anderen  Orten  Kölns  so  zahlreich  hervorg"egang-en  sind,  fehlen 
hier,  dagegen  sind  frei  und  in  llohlformen  geblasene  Gläser, 
solche  mit  Fadeiuunwickelung,  mit  Eindrücken,  Falten,  Rippen 
und  Staclu^n,  kurz  die  meisten  der  \'om  IL  bis 
I\'.  Jahrhundert  üblichen  Arten  reichlich  vertreten. 
Unter  den  Bronzen  mögen  eine  Schüssel  in  Ge- 
stalt einer  Pilgermuschel,  einige  Spiegel,  Tinten- 
fässer, Bestecke  mit  Schreibgriffeln  genannt  sein, 
unter  den  Emailarbeiten  ein  zierliches  Räucher- 
gefäß in  Gestalt  eines  Dreifußes,  eine  kleine 
Schmuckdose,  mehrere  Fibeln  in  Gestalt  von 
Rundscheiben  und  Pferdchen,  sowie  Scharnier- 
fibeln gewöhnhcher  Art.  Unter  den  Schmuck- 
sachen aus  Bronze,  ArmringtMi  und  Fingerringen, 
Haarnadeln  und  Schnallen  ragt  eine  zierliche 
1  lalskette  mit  kleinen  Perlen  aus  azurblauem  Glase, 
unterbrochen  durch  goldene  Zwischenglieder  her- 
vor. Aus  Bernstein,  dessen  Bearbeitung  man  in 
Köln  vortrefflich  verstand,-^)  besteht  ein  dicker 
Fingerring  sowie  ein  kleines  Relief  mit  Amo- 
retten in  einem  Schiffe  und  andere  Figürchen, 
die  ebenso  wie  der  schöne  schlafende  Amor  des 
Museums  Wallraf-Richartz,  den  Belag  eines  Zier- 
kästchens bildeten.  Gleichem  Zwecke  dienten  zahl- 
reiche Amoren,  Tierfigürchen  und  (Jrnamente  aus  P)cin.  die  dafür 
Zeugnis  gilben,  daß  auch  die  Beinschnitzerei  in  Köln  nach 
alexandrinischem  Muster  arbeitete  und  eine  hohe  technische 
Vollendung  erreicht  hatte.  Unter  den  Tongefäßen,  die  natürlich 
der  Zahl  nach  überwiegen,  finden  sich  gleichfcdls  scliclnc  und  seltene 


Abb.  123.  Stengel- 
bechcr  mit  Schlau- 
genfäden. Köln, 
Sammlun"  Niefien. 


^)  Die  schönsten  antiken  Arbeiten  aus  Bernstein  sind  in  der  Sammlung  Toppo 
im  Museum  von  Udine  vereinigt,  welche  aus  Kunden  von  Aquileia  besteht.  Auch  die 
öffentlichen  und  privaten  Sammlungen  von  Aquileia  selbst  zeichnen  sich  durch  viele 
vortreffliche  Bernsteinschnitzereiea  aus.  Nach  diesen  sind  wohl  die  von  Köln  die  zahl- 
reichsten und  ansehnlichsten.  Vgl.  Majonica,  Führer  d.  d.  Staatsmuseum  von  Aquileia  S.  45. 


248 

vStücke.  Die  wichtig'sten  sind  zwei  malachitgrün  glasierte  Am- 
phorisken,  ganz  mit  feinem  Weinlaub  in  Relief  bedeckt,  aus 
welchem  die  Gestalten  des  Bacchus  und  der  Ariadne  heraus- 
kommen. Sie  sind  tadellos  erhalten,  in  Hohlformen  gepreßt  und 
Arbeiten  etwa  vom  Ende  des  des  I.  Jahrhunders.  Früher  Zeit  gehört 
auch  eine  große  Gesichtsurne  an,  dann  halbkugelige  Sigillata- 
schüsseln  mit  Rankenreliefs  und  Gefäße  aus  Terra  nigra  mit  papier- 
dünnen Wandungen  und  scharfen  l^rofilen.  Den  Kugelbechern  mit 
Schuppen,  Warzen  und  Kerbschnitt\'erzierung,  die  in  Mengen 
gefunden  wurden,  reihen  sich  die  späteren  Barbotinebecher  mit 
Jagd-  und  Gladiatorenszenen  an.  Tonlampen  sind  aus  vier  Jahr- 
hunderten vorhanden,  am  häufigsten  die  frühen  Formen,  darunter 
eine  große  vSigillatalampe  in  Gestaut  einer  Weintraube,  andere 
mit  Reliefs  im   Diskus. 

Außer  Köln  haben  die  Gräberfelder  von  iVndernach,  von 
Xanten,  Gelsdorf  bei  Meckenheim,  Remagen,  Mayen,  Flammers- 
heim,  das  Lager  von  Xeuß  und  hindere  am  Xiederrhein  eine 
reiche  Ausbeute  an  Gläsern  ergeben,  die  zum  größten  Teile  im 
Provinzialmusevim  \on  Bonn  aufgestellt  ist. "^j  Die  Funde  von 
der  Mosel  und  aus  der  südlichen  Eifel  verwahrt  das  Provinzial- 
museum  in  Trier.")  Die  Gläser  des  Trierer  Stadtgebietes  stammen 
der  Mehrzahl  nach  \on  zwei  Begräbnisstätten:  Einer  nördlich  von 
der  Porta  Nigra  gelegenen,  welche  die  Vorstädte  Paulin  und 
Maar  umfaßt  und  der  anderen  am  linken  Ufer  der  Mosel  bei 
dem  Dorfe  Pallien,  die  zumeist  cliristliche  Gräber  enthält.  Hier 
wurde  der  schöne  Becher  mit  aufgelegten  Fischen  gefunden, 
dem  als  Untersatz  ein  Pinax  aus  Milchglas  diente.  (Abb.  309, 
310.)  Das  schöne  Fragment  eines  Bechers  aus  Krystallglas  mit 
einem  geschliffenen  Wagenrennen  stammt  aus  den  Thermen. 
T)ie  Gläser  \"on  Worms  und  Umgebung  sind  in  dem   reichhaltigen 

^)  Vgl.  (".  Konen,  Das  Grabfeld  von  Andernach,  Bonner  Jahrb.  86,  S.  160  f. 
l>ehner,   Führer  durch   das  Provinzial-.Museum   in   Bonn. 

'-)  Vgl.  Hettner,  illustr.  Führer  d.  d.  Provinzial-Museum  in  Bonn  und  die  Be- 
richte in  der  Museographie  der  Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst,  in 
welcher  überhaupt  die  Funde  des  Rheinlandcs,  Württembergs,  Hessens,  Nassaus,  der 
Pfalz,  von  Luxemburg  und  auch  von  Holland  regelmäßig  verzeichnet,  zum  Teile  auch 
abgebildet  werden.  Kleinere  F"uiide  sind  im  Korrespondenzblatte  dieser  Zeitschrift 
veröffentlicht. 


?49 


Paulus -Museum'^),  die  nassauischen  im  .Nfusoum  nassauischer 
Altertümer  in  Wiesbaden*),  di(^  hessischen  im  !u;roßherzog"lichen 
Museum  zu  Darmstadt  sow  ie  im  Museum  \on  Mainz  vt^reini^t,  das 
jedoch  auch  die  anderen  rheinischen  Gebiete  umfaßt,  während 
die  Sammlunt^en  von  Speier,  Luxemburt>-,  Mannheim,  Rei,'"ensburir, 
Frankfurt,  Xeuwied,  Düsseldorf  u.  a.  zumeist  Lokalfunde  enthalten. 
Die  1  lau])tfundorte  \oii  antiken  (xläsern  sind  \n  dt-n  Khein- 
landen  ^) : 

Germania  Inferior. 

XvmwejL^'en  (Xo\'iomai,''us).  Sehr 
zahlreiche  Funde,  über  400  Perlen  und 
Spielsteine. 

Xanten  (Castra  \\^tera).  Sehr  viele 
Funde  waren  früher  in  Houbens  Anti- 
quarium.  das  in  die  Kollektion  Slade  und 
mit  dieser  in  das  Britische  IVIuseum  über- 
tfintJ".  Virl.  Fiedler,  Das  Antiquarium 
Iloul)ens  in  X.  und  Xesbitt  a.  a.  O.  — 
Darin  befanden  sich  u.  a.  ein  saphirblauer 
Pokal  mit  zwei  opakweißen  Henkeln 
(Slade  S.  33),  zwei  Trinkbecher  aus  farb- 
losem Glase  mit  Haarrissen  (Craquele),  eine  schöne  (Jenochoe  mit 
farbig-en  Zickzackmustern  äs^yptischen  Stiles,  eine  Taube  aus 
lilauem   Glase  (Slade  vS.  48). 

Krefeld.  Zwei  Alabastra  äj^vptischen  Stiles,  jetzt  im  Britischen 
Museum. 

Xeuß  (Xo\'aesium).  Bemaltes  Kästchen  aus  farblosem  Glase, 
jetzt  s])urlos  \'erschwunden.  Zahlreiche  Bruchstücke  von  Millefiori 
vmd   farbii^"en   Gläsern   der  frühen    Kaiserzeit.     Blaue    .\in])1i(iriske 


Abb.  124.     Xapf  mit  Schlan- 

genfiiden.      Köln,    Sammlung 

NieLien. 


■')    Vgl.    Weckcrling,    Pas    l'aulusmuseum   in   Worms. 

')   Vgl.   V.   Cohauscn,   Führer  iJ.   d.   .■\ltertumsmuseum   von  Wiesbaden. 

')  Die  hervorragendsten  der  in  diesem  Verzeichnisse  genannten  Stücke  werden 
in  den  folgenden  Abschnitten  näher  beschrieben  und  teilweise  abgebildet.  Die  .Auf- 
zählung der  Fundorte  macht  keinen  .Anspruch  auf  Vollständigkeit;  sie  gründet  sich 
im  allgemeinen  auf  die  beiden  Registerbände  der  Bonner  Jahrbücher,  in  welchen  die 
Funde  von  (iermania  Superior  und  dem  .Moselgebiete  wenig  berücksichtigt  sind.  Zur 
Ergänzung  ist  namentlich  die  Muscographie  der  Westdeutschen  Zeitschrift  für  Ge- 
schichte und   Kunst,   sowie  das  hierzu   gehörige  Korrespondenzblalt   heranzuziehen. 


2;o 


gef.  1844  mit  einer  Münze  des  Septimius  Severus,  vgl.  Bonner 
Jahrb.  5/6,  S.  410.  —  Sämtliche  Funde  \'on  Xeuß  sind  neuerdings 
in  dem  Neuß  gewidmeten  Bande  11 1  112  dieser  Zeitschrift  zu- 
sammengestellt. 

Weiden.  Die  Funde  der  römischen  (rrabkammer  im  Bonner 
Jahrb.  3,  S.  148  f. 

Gelsdorf.     Vgl.   Bonner  Jahrb.  33/34,  S.  228  f. 

F'lammersheim.     IVxl.  S.  236. 
Vellerhof  (Eifel).     Ibd.  19,  S.  74. 
Zülpich.      F'lasche    mit    aufgemalter 
Uuadriga   im   Pro\'inzialmuseum  in  Bonn, 
gef.  1904. 

Beckum.  \\d.  Bonner  Jahrb.  32.S.1 32. 
Ückesdorf.      Ibd.  36,  S.  72. 
Rondorf  h.  Sechtem.    Ibd.  63,  S.  6  f. : 
58.  S.  219. 

\"echten  (Holland;.    ll)d.  46,  S.  115  f. 
Godesberg.    Schmuckperlen  ibd.  25, 
S.  207  f. 

Rheindorf  b.  Opladen.    Geschliffene 
und  gravierte  Gläser  ibd.  74,  S.  63  f. 
Lommersum.     Ilxl.  83,  S.  138 f. 
Raversbeuren.   Fensterscheiben  ibd. 
61,    134. 

Stoll^erg.      I)gl.    Bonner    Jahrb.   72, 
S.  185:   j':,.   S.  i78f 

P)Uschdorf.     Ibd.  ;j.  S.  220. 
Groß-Bußlar.      Ilxl.  90,  S.  117. 
Remagen  (Rigomagus).    Ibd.  90,   S.  18  f. 

Pier  b.  Jülich.  Ivanne  in  (iestalt  (-ines  Januskopfes,  Bonner 
Jahrb.   84,  S.  79. 

Andernach.  Zahlreiche  Funde  aus  n'imischer  und  fränkischer 
Zeit.  Vgl.  «C.  Konen,  Das  (irabfeld  \on  Andernach,  Bonner 
Jahrb.  86,  S.  144  f.:  außerdem  B.  J.  81,  S.  57:  76.  S.  66:  81,  S.  56  f.: 
90,   S.  1 8 ;  69,   S.  51. 

Bonn  (Castra  Bonnensis).  Vgl.  Lehner,  Führer  d.  d.  Pro- 
vinzialmuseum  in  Bonn.  Zahlreiche  Gläser,  namentlich  mit 
gravierten  und   geschliffenen  Wrzierungen. 


Abb.    125.      Helmglas  mit 
Schlangenfäden.      Köln. 
Ehem.    Sammlung   Disch. 


251 


Germania  Superior  (und  Belgica). 


Wiesbilden  (Aquiie  Aüittiiicae).  Aschenurne  bei  Dorow,  Opfer- 
stätten I,  S.  36,  T.  13,  I.  Im  Museum  zahlreiche  Funde,  besonders 
V.  J.  1828.  Drei  Trinkhörner  aus  fränkischen  Gräbern,  mehrere 
Rüsselbecher. 

HeddernhtMm.  Zahlreiche  Funde,  jetzt  im  Museum  xon  Wies- 
baden, auch  im    Historischen   Museum   zu  PVankfurt. 

Bingerbrück.  (jroßes  Trinkhorn  der  Sammlung  Slade  (S.  80). 
Zahlreiche  Ghisflaschen  und  Kannen  mit  Spiralfäden,  jetzt  in  den 
Museen  von  Mainz  und  Wiesbaden  (1862). 


Fadenverzierung  an   dem    Helmglase   Abb.    125. 


Kreuznach.  Kannen  mit  Kettenhenkel.  ("antharus  mit 
blauen  und  braiuuMi  Zickzackfäden,  abgel:).  bei  Lindenschmit.  A. 
h.  \'.  I.   lieft  XI.    r.  VII,   7. 

Mainz.  Zahlreiche  Funde  im  dortigen  Museum.  Einzelnes 
bei  Charvet,  \-gl.  Froehner,  T.  9,   53.   54  und  S.  71. 

Castel.  Zahlreiche  Funde,  u.  a.  eine  Traubenkanne,  abgeb. 
bei  Emele,  T.  \'l.  17.  Saugheber  ibd..  F.  \'.  (k  Anderes  ibd..  T.  \T. 
13,  T.  V,   3,  bei   Minutoli   Katalog  4^)7,  4(>g.  471. 

Hingen  (Bingium).  Zahlreiche  Kannen  mit  Ixettenhenkel. 
P)raimes  geripptes   Fläschchen   im    Museiun   von   Karlsruhe. 

1  leimersheim.  Siegesbecher  mit  (jladiatorenkämpfen  in 
Relief  abgeb.  bei  Froehner,  S.  68.  Sechseckiges  geformtes  Fläsch- 
chen aus  goldbraunem   Glase  mit  Medusenmasken   ibd. 


2  c  2 

Worms  (Borbetomagus).  Zahlreiche  Funde,  zumeist  im 
Paulus-Museum,   einzelne  in   dem   von  Wiesbaden. 

Hohensülzen.  Berühmtes  sogenanntes  Diatretum  (Abb.  217) 
sowie  andere  geschliffene  und  gravierte  Gläser,  die  später  ein- 
gehend behandelt  werden.  Vgl.  Bonner  Jahrbuch  59,  S. 64,  T.  2 — 5. 

Bertrich.     (jläser  mit  Fadenverzierung. 

Cordel  i.  d.  Hochmark.     Reste  eines  Glasofens. 

Cobern.  Gravierte  Gläser.  Gläser  mit  Spiralfaden  und 
andere  sehr  reiche  Funde. 

Kirn.     Gravierte  und  Fadengläser. 

Wies-Oppenheim.     Gläser  mit  Fadenverzierung. 

Gondorf  Vgl.  Bonner  Jahrb.  81,  S.  63  u.  a.  Zahlreiche  Funde, 
darunter  ein  vSchlangenfadenglas,  fränkische  Tümmler  u.  a. 

Speier  (Noviomagus).  (Häser  in  der  Altertumssammlung 
daselbst. 

Rheinzabern.     Baden-Baden. 

Straßburg.  Reiche  Funde.  Darunter  \'iele  gravierte  und 
geschliffene  Gläser,  Kanne  mit  farbiger  Fadenverzierung  in  Form 
einer  Pilgerflasche  wie  die  K(")lner.  (Abb.  120.)  —  Das  geschliffene 
Netzglas  (Oberlin,  Mus.  Schöpflini,  T.  8)  ist  bei  der  Belagerung 
1870  verschwunden.     (Abb.  220). 

I  leidenhübel.  IMrnförmige  Am])ulla  aus  grünlichem  Glase, 
umsclilungen  \on  einem  weißen  Faden,  der  mit  kleinen  Glas- 
perlen bedeckt   ist. 

Luxemburg^. 

In  dem  ans  IViersche  angrenzenden,  ehemals  zum  (jebiete 
der  Treverer  gehörigen  Großherzogtume  Luxemburg  sind  Gkis- 
funde  gemacht  worden:  In  der  Stadt  Luxemburg  selbst,  in  Bigon, 
Dalheim,  llellange  —  hier  zwei  \'iolette  Kugelbecher,  eine  kleine 
blaue  ^Vmjihoriske  mit  weißen  Tröpfchen  und  eine  prachtvolle 
Millefiorischale.  \)     (Abb.  204). 

Lothringen. 

Metz.  Thionville,  St.  Mansv  bei  Toul  —  von  hier  stammt 
ein  Januskopfglas   der  Sammlung  C'harvet,.     (Abb.  298). 


^)   Vgl.   Publications   de  la  societe   arclieol.   de   Luxembourg  IX,   S.  2,  20,   T,  U. 
Näheres   in   Abschnitt   \'III. 


Helvetia  (Schweiz). 

Marti^iiv  au   Maurasses.     Aveiiches  (Aventicum).     Windisch 
AffoUcrn  (s.  S.  158). 


(X'indoui 


Rhaetia. 

Regensburg-.  Fhische  mit  Sclilaiiirenfäden.  (Tläserne  Spieg^el 
und  anderes  in  der  ^Vhertümersiimmlung  daselbst.  —  Belleremise 
b.  Pfluiiffelden,  Bayern.  Bruchstück  eines 
^■ebänderten  Fläschchens  (s.  S.  15S).  — 
Breg'enz. 

Noricum. 

SakburL,""  (Tuvaxiumi.  Mehrere  Funde 
im  Museum,  darunter  ein  g^eformtes  Känn- 
chen  mit  Reliefornamenten  aus  Birgelstein. 
—  Innsbruck.  Zahlreiche  Funde  im  Ferdi- 
nandeum.  —  Wels  (Ovila).  Funde  aus  Steier- 
mark, siehe  Pratobevera,  die  keltischen  und 
römischen  Antiken  in  Steiermark,  Graz  1856, 
S.  2  2  f. 

Pannonien. 

Steinamanger  uSax'ariiij.  Glas  des 
Placcius  Alcimus.  —  Daruvar  (Jasi).  Ge- 
schliffener Xetzbecher  (Abb.  218.)  — •  Szek- 
szard  (Alisc^i).  Dgl.  (Abb.  224).  —  Oedenburg, 
Becher  mit  Gladiiitorenkämpfen  in  Relief.  ^) 


Abb.  1  20.    Pilgcrllasche  niil 

Schlangenfäden.      Kiiln, 

Museum. 


Germania  Magfna    (Das   freie    Germanien). 

Merseburg.  Becher  aus  Krystallgla^ 
mit    geschliffener     und    graxiertt^r    Szene. 

Diana  und  Actäon,  gefunden  in  Merseburg  in  unbekannter  Zeit 
neben  verbriinnten  Knochen  mit  einem  unverzierten  Becher 
derselben  Form,  Bronzefibeln  und  anderen  römischen  Gegen- 
ständen. Kam  mit  der  .Sammlung  Slade  in  das  Britische 
Museum. '") 


1)  Vgl.  .Abschnitt  VIII. 

-)   Vgl.   Bohn   C.  J.  L.    Xill   So.       E.  aus'm  Werlh,   Bonner  Jahrb.  64,    S.  127. 
Coli.  Slade,  Xo.  320,  S.  58,  59,   Fig.  15. 


254         • 

Vietkow  (bei  Schmolsin,  Pommern)  1906.  P2in  sog'enanntes 
Steinkistengrab  mit  Urnen  usw.  und  zwei  geschliffenen  römischen 
Gläsern. 

Lüstebahr  in  Pommern.  Eine  große  Schmuckperle,  besetzt 
mit  Schachbrettmustern  und  Masken,  s.  S.  131.  —  (jlasperlen  sind 
in  Gräbern  des  östlichen  und  besonders  des  nordöstlichen  Deutsch- 
lands sehr  häufig. 

Sackrau  (Schlesien,  8  km  von  Breslau).  liier  wurden  1886 
und  1888  drei  Grabfunde  gemacht,  welche  für  die  Kenntnis  der 
Beziehungen  dieser  Gegenden  zu  den  Römern  \'on  großer  Be- 
deutung sind.  ^)  Sie  lassen  sich  in  die  pannonischen,  dänischen 
und  schwedischen  Funde  einreihen,  welche  antike  x\rbeiten  mit 
einheimischen  vereinigen.  Das  erste  Grab  enthielt  eine  Schale 
aus  Mosaikglas  mit  schräg'  ausladendem  Rande  und  Fußring, 
von  braunvioletter  (rrundfarbe  mit  ach^ltähnlichem  Muster  in 
braiui,  gelb,  fleischrot  us\\-.,  bis  auf  eine  Randlücke  gut  erhalten, 
4,7  cm  hoch,  7,7  cm  breit,  außen  ziemlich  rauh,  innen  glatt  poliert. 
(Abb.  195.)  Dann  zahlreiche  Scherben  eines  Glasgefäßes  von  grün- 
licher Grundfarbe  mit  kleinen  gelben  und  dunkelgrünen  Flecken, 
wahrscheinlich  gleichfalls  einer  Schide.  Außerdem  mehrere 
kleinere  Scherben  mit  verschiedenen  Millefiorimustern,  eine  licht- 
blaue Glasperle  und  flachrunde,  weiße  und  schwarze  .Spielsteine. 
Die  Leichen.  \on  deren  Skeletten  sich  zahlreiche  Überreste  vor- 
fanden, waren  wie  die  dänischen  ohne  Sarg  bestattet,  mit  einer 
P^infassung  von  Steinen  umgeben  und  mit  einer  Lage  von  Steinen 
bedeckt.  Wahrscheinlich  gehörte  der  erste  Grid:)fund,  welcher 
die  eben  beschriebenen  Gläser  enthielt,  einer  Frau  an.  Xach 
den  Zweirollenfibeln,  welche  beigegeben  waren,  läßt  sich  die  Zeit 
ziemlich  genau  bestimmen.  Diese  Pöbeln  treten  in  Ung'arn  am 
Ende  des  IIP  Jahrhunderts  als  Ausfluß  eines  römisch-barbari- 
schen Geschmackes  auf  und  beherrschen  im  IV.  und  V.  Jahr- 
hundert den  ganzen  Norden  bis  Norwegen.  Andere  P^und- 
umstände  lassen  das  Alter  des  P\mdes  auf  das  Ende  des 
IIP  oder    den    Anfang    des   IV.  Jahrhunderts   einschränken.     Die 


^)  Vg'-  firempler,  Der  erste  Fund  von  Sackrau.  Breslau  1SS8.  Ders.  Der 
zweite  und  dritte  Fund.  Die  aufgezählten  Gegenstände  sind  hier  in  Licht-  und  Farben- 
drucken  abgebildet. 


255 

beiden  anderen  (i ruber  enthielten  ein(^  Trinkscliale  aus  wein- 
roteni.  dick\vandig"em  Gkise  mit  ausiifeschliffenen  Ovalen,  1 2  cm 
hoch,  9,2  cm  breit,  von  unten  abgeplatteter  kug-elig^er  Form, 
dann  eine  Millefiorischale,  wie  der  Becher  \ortrefflich  erhalten, 
von  dunkelvioletter  Grundfarbe,  bedeckt  mit  kleinen  sechsblätt- 
rig-en  Blüten,  die  von  kleinen  Punkten  umgeben  sind;  jed(*s 
Blümchen  hat  einen  ziegelroten  Kern  mit  gelb(Mn  Rande,  sechs 
grüne,  gleichfalls  gelbgeränderte  Blätter  und 
einen  äußeren  Kr^lnz  ^'on  zehn  blaßrosa 
Blättchen.  Außer  den  Blümchen  durchziehen 
achatartige  .Streifen  den  Grund  {.\bb.  50). 
Wahrscheinlich  war  hier  die  Grabstätte  eines 
vornehmen  vandalischen  Geschlechtes.  Es 
steht  ja  fest,  daß  nicht  Sla\-en  die  ältesten 
Bewohner  Schlesiens  gewesen  sind;  vor  ihnen 
gehörte  das  Land  Germanen  vandalischen 
Stammes,  von  welchen  einzelne  Teile  nach 
I'annonien  zogen,  um  hier  gegen  Aurelian 
und  Probus  zu  kämpfen.  Nach  ihrem  .Vb- 
zuge  erst  folgten  die  \'on  Osten  andrängen- 
den Slaven.  Die  vom  Pontus  im  Osten,  so 
wie  die  von  Aquileia  über  Pannonien  nach 
Norden  führenden  Handelsstraßen  erklären 
das  X'orkommen  dieser  antiken  Glasarbeiten 
im  X'andalenlande,  wenn  man  nicht   etwa  in 

Rücksicht  auf  die  Kostbarkeit  der  Funde  anstelle  des  Handels 
li(4oer  ein  Ehrengeschenk  an  einen  der  Führer  des  Stammes  an- 
nehmen will.  Nach  Felix  Dahn  „schickten  und  em])fmgen  die 
(jotenkönige,  wie  Cassiodor  und  Prokop  zeigen,  in  großer  Häutig- 
keit (resandte.  welche  nach  alter  Sitte  Ehrengeschenke  zwischen 
den  Königen  auszutauschen  pflegten".^)  Es  koimten  demnach 
auch  durch  eine  derartige  \^>rl)in(huig  der  Ausgewanderten  mit 
flen  Zurückgebliebenen  Erzeugnisse  südlichen  Kunstfleißt^s  nach 
dem   Norden  gelang"en. 


Abb.     127.       Becher    mit 

Schlangenfäden. 
Honii,    Provinz ialmuseum. 


^)   Felix   Dahn,   Die   Könige   der   Germanen.      Würzburg    1866.   III.   S.  251. 


^^ß5^ 


«» 


V. 


Farbiges  und  farbloses  Glas. 
Die  Erfindung  der  Glaspfeife. 


Kisa,  Das  Glas  im  Altertuiiie. 


17 


ab  c  d 

Abb.    128.      Gläser  mit  Schlangenfäden,      a,  h,  d  im   Museum   von   Xamur, 
c  im   Antiquarium   von   Regensburg. 


Farbiges  und  farbloses  Glas.    Die  Erfindung  der  Glaspfeife. 

Semper  unterscheidet  dreierleM  Zustände  des  Glases,  i.  Als 
sehr  harter,  spröder  und  fester  Körper,  dem  durch  Abnehmen 
von  Teilen  mit  Jlilfe  schneidender  Instrumente  eine  beliebig-e 
Form  erteilt  werden  kann.  2.  Als  flüssige  Substanz,  in  welchem 
Zustande  es  wie  Metall  in  Formen  gegossen  wird  und  beim 
Abkühlen  mit  Beibehaltung  seiner  Form  und  Farbe  in  den 
Aggregatzustand  einer  festen,  spröden,  krvstallinischen  Masse 
übertritt.  3.  Als  weiche,  sehr  ])lastische,  zähe  und  dehnbare 
Substanz,  welche  nach  der  Erkaltung  die  im  weichtMi  Zustande 
erhaltenen  Formen  und  Farben  unverändert  beibehält.^) 

Im  idlgemeinen  entspricht  diese  Reihenfolge  technis(iirr 
Prozesse  der  Geschichte  der  Industrie.  Im  ersten  Zustande  wird 
das  Glas,  nachdem  es  geschmolzen  und  erstarrt,  wie  ein  Edel- 
stein bearbeitet,  im  zweiten  wird  es  teils  frei  aufgegossen  und 
gepreßt,     teils     in     1  lohlformen     getan.       Durch     das     Rad     und 


1)  Semper,  Der  Stil   II    17S  f. 


17* 


26o 

stählerne  Werkzeug-e  kann  es  weiter  bearbeitet  werden.  In 
beiden  Zuständen  wird  vorwieg"end  opakfarbig'es  Glas  zu  gem- 
menartigen  Wirkung'en  ausg"enützt.  Ihnen  folg"t  mit  der  Erfindung" 
der  Glaspfeife  der  dritte  Zustand,  in  welchem  die  Industrie  in 
eine  neue  große  Epoche  eintritt. 

Die  überwiegfende  Anzahl  der  antiken  Gebrauchsg"läser  zeig"t 
eine  grünliche,  bläulichg"rüne  oder  bräunlich-olivgrüne  Färbung. 
Bläulichgrün  ist  das  sogenannte  Glas  des  Pharao  in  Ägypten, 
\on  hellerer  grünlicher  oder  gelblicher  Farbe  das  Glas  von 
Syrien,  die  langhalsigen  Flaschen  von  Sidon,  grünlich  die  Gläser 
Italiens  und  Galliens.  Die  Färbung  rührt,  wie  erwähnt,  von  den 
im  Kiessande  enthaltenen  Eisenoxyden  her.  An  Schönheit  steht 
dieses  ordinäre  Material  weitaus  dem  künstlich  gefärbten  nach, 
das  im  Oriente]  bis  in  das  11.  Jahrhundert  hinein  und  selbst  später 
auch  bei  Gebrauchsgläsern  besserer  Sorte  bevorzugt  wurde. 
Die  Gläser  hellenistischer  und  römischer  Zeit,  welche  in  den 
Gräbern  von  Idalium  (Cypern)  zu  Tausenden]  gefunden  wurden, 
sind  der  Mehrzahl  nach  gefärbt.  Die  farblosen  und  grünlichen 
vStücke  aber,  die  hier  vorkommen,  sind  nach  Cesnola  sehr 
dickwandig  und  wenig  durchscheinend,  offenbar  noch  iius  freier 
Hand  modelliert.  In  Ägypten  findet  man  schon  sehr  früh  farb- 
loses Glas,  das  ursprünglich  wohl  auch  ganz  durchsichtig  war, 
jetzt  aber  mehr  oder  [weniger  trüb  ist.  Dieses  Material 
wurde  wie  das  farbige  als  bildsame  Paste  mit  freier  Hand 
um  einen  Tonkern  modelliert  und  an  der  Außenseite  geglättet, 
die  Perlen,  Amulette,  kleinen  Besatzstücke  und  Schmuck- 
sachen in  Hohlformen  gegossen  und  ciufgetropft  oder  durch 
Pressung  jverziert.  An  den  Bruchflächen  zeigt  es  sich,  daß 
die  Trübung  nicht  durch  die  ganze  Dicke  des  Glases  hin- 
durchgeht, sondern  hauptsächlich  an  der  Innenseite  vorhanden 
ist  und  \'on  da  nur  wenig  nach  dem  Inneren  vorschreitet.  Sie 
ist  demnach  nicht,  wie  vSemper  meint,  künstlich  hervorgerufen, 
sondern  das  P>gebnis  eines  natürlichen  Verwitterungsvorganges, 
w^elcher  durch  eine  mangelhafte  Abkühlung  des  fertiggemachten 
Glases  befördert  wurde.  Namentlich  die  dickwandigen  Gefäße 
und  Pasten  erkalteten  in  den  unxollkommenen  Kühlöfen  der 
Alten  nicht  rasch  und  gleichmäßig  genug.  Die  Abkühlung  trat 
an    der   Außenfläche    früher    als   im    Inneren   ein,    wodurch   eine 


26l 

Verschit'lnint;"  ilcr  Masse,  eine  S])annung  entstand,  die  kleine 
Risse  hervorrief.  xVnfangs  kaum  bemerkbar,  gewährten  diese 
Risse  und  Rauheiten  im  Laufe  der  Zeit  der  Einwirkung  von 
Wasser  und  organischen  Säuren  freieren  Spielraum  •  ^ils  glatte 
und  gleichmäßig  gekühlte  Gläser;  die  Kali-  und  Xatronsilikate 
der  Glasmasse  wurden  aufgelöst  und  dadurch  die  Trübung  und 
Mattierung  hervorgerufen.  Diese  Sorte  farblosen  Glases  wurdr 
bis  in  das  III.  Jahrhundert  lüncin  zur  Herstellung  jener,  oft  ^  .,  m 
langen,  in  der  Mitte 
verdickten  Phiolen,  die 
manchmal  als  Saugheber 
erklärt  werden,  der  vier- 
eckigen, langhalsigen,  in 
Formen  geblasenen  soge- 
nannten Merkurflaschen 
und  anderer  Gebrauchs- 
ware angewendet.  Die 
chemische  Untersuchung 
lehrt,  dal]  ihr  Material 
von  Eisen-  und  Mangan- 
oxvden  vollkommen  frei. 
d.  h..  dal)  es  natürliches 
f^irbloses  (ilas  ist.  ge- 
wonnen aus  reinem  Kiessande.  Man  fand  ihn  an  den  Ufern  des 
Niles,  des  Belus,  an  der  Küste  von  Puteoli  und  an  anderen  Orten. 
Der  Wüstensand  Ägyptens  war  von  verschiedenen  Sorten. 
An  manchen  .Stellen  gab  er  ganz  weißes,  eisenfreies  Glas,  das  sich 
auch  \orzüglich  zur  Färbung  eignete,  weil  die  zugesetzten  Farb- 
stoffe frei  wirken  konnten:  an  anderen  dagegen  das  bekannte, 
stark  blaugrün  gefärbte,  das  sehr  \iel  Eisen  enthält.  Schon  wenig 
Eisen  reichte  hin.  um  die  Farbe  sehr  zu  beeinflussen.  Wenn  der 
gewöhnliche  rott^  Wüstensand  gebraucht  wurde,  erzielte  man 
immer  das  Glas  des  Pharao,  die  blaugrüne  .Sorte.  Braunen  Wüsten- 
sand verwendete  man  wahrscheinlich  in  der  Regel  zur  i  lerstellung 
blau  oder  grün  gefärbten  Glases,  indem  man  3 — io"/o  Kupfer  und 
etwas  Kalk  zusetzte.')    Die  alexandrinischen  Arbeiter  behaupteten 


Abb.    129. 


(jläser  mit  Schlangenfäden. 
Aus  der   Picardie. 


^)  Russell  in   Petries  Medüm.   S.  447. 


202 

nach  Strabo,  dal]  sich  ihr  Sand  besonders  ^»"ut  für  farbige  Gläser 
eigne.  Daneben  verstand  man  es,  wie  Petrie  in  Teil  el  Amarna 
nachgewiesen  hat,  schon  um  i  500  v.  Chr.  reines  und  farbloses  Glas 
aus  pulverisierten  Quarzkieseln  herzustellen,  ein  Verfahren,  das 
nach  Plinius  später  allgemein  bekannt  war  und  die  Herstellung 
farblosen  Glases  auch  dort  möglich  machte,  wo  man  nicht  über 
reinen  Kiessand  verfügte.  Funde  \on  reinen,  farblosen  Gläsern 
sind  denn  auch  im  alten  Ägypten  nichts  ungewöhnliches,  eben- 
sowenig unter  dem   orientalischen  Import  diesseits  der  Alpen. 

Eine  andere  Sorte  farbloser  Gläser  erweist  sich  bei  der 
chemischen  Untersuchung  als  künstlich  entfärbtes  Produkt.  Es 
enthält  Manganoxyd  (Braunstein),  welches  in  geringen  Mengen 
zugesetzt  die  Eigenschaft  hat,  die  Metalloxyde  unreinen  Kies- 
sandes zu  paralysieren  und  die  Schmelze  zu  klären.  Manchmal 
vergriff  man  sich  bei  der  Entfärbung  und  gab  all  zu  reichliche 
Dosen  von  Braunstein  zu.  Dies  geschah  besonders  zu  Ende  der 
Römerzeit  sowohl  in  Gallien,  am  Rhein  wie  im  Orient,  zvi  einer 
Zeit,  als  die  Hütten  die  alten  Rezepte  leichtfertig  l^ehandelten, 
noch  mehr  in  der  fränkischen  Periode  und  im  Mittelalter.  Bei 
den  farbigen  Gläsern  des  V.  Jahrhunderts  und  der  fränkischen 
Zeit  kann  man  alle  die  Fehler  beobachten,  die  durch  zu  geringe, 
meist  aber  dv;rch  zu  starke  Erhitzung  sowie  durch  unrichtige 
Mischungsverhältnisse  verursacht  werden.  Gelb  wird  zu  stumpfem 
Rotbraun,  Rot  zu  Violett,  Grün  zu  schmutzigem  Oliv  usw.  Die 
Folge  war,  daß  die  Fritte  nicht  krystallhell  wurde,  wie  man  be- 
absichtigte, sondern  eine  trübe  Komplementärfarbe  von  Blaugrün, 
schmutziges  Braungelb  annahm. 

Schon  Ilg  hat  wahrscheinlich  auf  Anregung  Lobmeyrs  die 
Ursache  der  unreinen  und  mangelhaften  Entfärbung  zahlreicher 
antiker  Gläser  darin  gesucht,  daß  den  Alten  kein  Mittel  bekannt 
war,  den  Sand  zur  vSchmelze  von  Eisenoxyden  zu  befreien.^)  Da- 
gegen wandte  Blümner  ein,  daß  die  chemische  Analyse  häufig 
bei  antiken  Gläsern  Zusätze  von  Mang-anoxyden  ergeben  habe. 
Beides  ist  richtig.  In  entlegenen  Glashütten  und  bei  der  Her- 
stellung ordinärer  Gläser  wandte  man  den  gewöhnlichen  unreinen 
Kiessand   an,    während   in    anderen  Fällen  das  Material  entfärbt 


^)   llg,  Anmerkung   zu   Heraclius,  S.  392,     Blümner  a.   a.   O.  IV,   S.   392. 


263 


wurde.  Wann  man  diese  Eigenschaft  der  Manganoxyde  erkannte, 
geht  aus  den  hterarischen  Quellen  nicht  hervor.  Jedenfalls  hängt 
diese  Erfindung  aufs  engste  mit  jener  der  Glaspfeife  zusammtMi, 
da  namentlich  bei  geblasenen  Gläsern  die  Verunreinigung  des 
Alateriales  auffallen  mußte.  Als  Färbemittel  war  d^ls  Manganoxyd 
längst  bek^mnt,  man  \erwendete  es,  um  braune  (jläser  herzu- 
stellen. Dabei  mag  der  Zufall,  indem 
man  einmal  durcli  ein  zu  geringes  Quan- 
tum anstatt  der  gewünschten  Farbe  eine 
Xeutralisierung  des  bereits  ursprünglich 
vorhandenen  blaugrünen  Tones  zu  Farb- 
losigkeit  erzielte,  die  Aufmerksamkeit  auf 
dieses  Entfärbungsmittel  g'elenkt  haben. 
]3as  künstlicli  entfärbte  Glas  ist  im 
Gegensatze  zu  dem  natürlich  farblosen 
der  ersten  Periode  der  Glastechnik,  der 
Periode  der  aus  freier  Hand  modellierten 
Glaspaste,  meist  zu  ilünnwandigen  Ge- 
fäßen ausgebalsen,  also  Hohlglas  in  mo- 
dernem Sinne.  Dickwandiger  ist  eine 
dritte,  sowohl  durch  Guß  und  IVessung, 
wie  mit  der  Glaspfeife  verarbeitete  Sorte 
farblosen  Glases,  welche  gleich  dem 
Krystallglase  von  heute  und  den  opti- 
schen (rläsern.  Zusätz(^  \on  Bleioxyden 
enthält.  Sie  eignete  sich  besonders  zur  Abb.  130.  Kanne  mit  Schlangen- 
ei ravierung  und  zum  Schliff  und  fand  in  fäden.  Boulogne,  Museum, 
der  Kais(^rzeit  Ijis  ans  Ende  weitx'erbrei- 

tete  und  \ielseitige  Anwendung.  Sie  repräsentiert  das  berühmte 
Krvstallglas,  dem  Plinius  unter  allen  Sorten  die  erste  und  her- 
vorragendste Stelle  anweist,  das  in  der  Kaiserzeit  die  höchsten 
Preise  erzielte.-^)  Es  ist  ein  schönes,  glänzendes,  trotz  seini^r 
Weichheit  doch  widerstandsfähiges  Material,  das  durch  Iri- 
sierung weniger  ids  die  durch  Manganoxyde  entfärbten  Sorten 
gelitten  hat. 


^)   „Maximus    tarnen    bonos    in    candido    tralucentibus,    quam    proxima    crystalli 
similitudine".     Plinius  36,    198. 


204 

Die  noch  von  Ilg-  vertretene  Ansicht,  daß  die  Antike  den 
Hauptwert  auf  die  Nachahmung  edler  Steinarten  durch  farbige 
Glaspasten  gelegt  habe,  ist  in  dieser  F'orm  nicht  mehr  aufrecht 
zu  halten.  Dieser  meint,  daß  die  Nachahmung  des  Obsidians  und 
anderer  Steine  anfangs  Hauptsache  gewesen  sei  und  das  antike  Glas 
auch  später,  als  man  bereits  krystallreines  erzeugen  konnte,  vor 
allem  bunt,  nichts  anderes  als  ein  Rivale  des  Edelsteines  und 
nicht  des  Krystalles  sein  wollte.  Die  Produktion  farbloser  Gläser 
trete  mehr  wie  ein  Nebenzweig  in  der  Industrie  auf.  Das  ist 
ganz  unrichtig.  Plinius  selbst  sagt,  daß  die  römischen  Glasmacher 
ihre  größte  Ehre  drein  setzten,  krystallreines  Glas  zu  erzeugen. 
Lobmeyr  bemerkt,  daß  diese  Krystallgläser  den  modernen  sehr 
nachstünden;  Ilg  stimmt  bei  und  behauptet,  das  habe  seinen 
Grund  d^irin,  daß  die  durchsichtig-farblosen  (rläser  bloß  Erzeug- 
nisse der  wechselnden  Mode  gewesen  seien,  welcher  der  antike 
Charakter,  der  immerdar  den  Edelstein  als  Vorbild  betrachtet  habe, 
widerstrebte.  Wenn  man  die  Leistungen  der  antiken  Glasindustrie 
im  ganzen  Gebiete  des  Römerreiches,  im  Osten  und  im  Westen, 
in  den  Ländern  des  Mittelmeeres  wie  in  denen  der  Nord-  und 
Ostsee  überblickt,  erkennt  man.  daß  wenigstens  vom  IL  Jahr- 
hundert nach  Chr.  ab,  damals  wie  heute,  das  ungefärbte,  durch- 
sichtige Glas  überwog  und  zwar  nicht  nur  im  ^Massenbedarf, 
sondern  auch  in  der  Luxusindustrie.  Während  die  antiken  Schrift- 
steller die  Earblosigkeit,  die  Durchsichtigkeit,  den  Glanz,  die 
graziöse  Leichtigkeit  der  Krystallgläser  in  allen  Tonarten  preisen, 
finden  die  Nachahmungen  von  Edelsteinen  durch  Glas  bei  ihnen 
keine  andere  Beurteilung  als  wir  heutzutage  derartigen  Imi- 
tationen angedeihen  lassen.  Seneca  warnt  vor  einem  Fälscher 
\on  vSmaragden,  Plinius  spricht  vom  „lügnerischem  Glase"  ^)  und 
erwähnt  Bücher,  welche  die  zweideutige  Kunst  der  Nachahmung 
von  Pldelsteinen  lehren,  verschweigt  aber  absichtlich  deren  Titel 
und  Autoren,  damit  nicht  andere  auf  diese  Kniffe  aufmerksam 
werden  und  sie  nachahmen.  Getäuscht  werde  aber  selbst  durch 
die  geschicktesten  Nachahmungen  bloß  das  Auge,  während  der 
Probierstein  erkennen  lasse,  daß  bei  den  falschen  Gemmen  der 
Stoff  weicher  und  gebrechlicher  sei.     Auch   durch  das  geringere 

^)  ,,Non   est  smaragdo  alia  imitabili  materia   mendaci   vitro". 


>6: 


(jewicht    und    eine    i^rößere     Wärme    beim    Anfühlen    verrieten 
diese  sich.  ^) 

Daß  die  Fälscher  trot/dem  mit  Krfoli^-  arbeiteten,  beweist 
die  Xachricht.  daß  selbst  die  Kaiserin  Salonina.  die  (iattin  des 
(ialienus,  durch  eine  gläserne  Perlen- 
schnur betrogen  wurde.  Fäi\  Fälscher 
von  Edelsteinen  hatte  sich  anheischig 
gemacht,  sie  hinters  Licht  zu  führen. 
Die  Fälschung  wurde  jedoch  nach- 
träglich entdeckt  und  der  Übeltäter 
vor  Galienus  zitiert,  wo  er  seiner 
Strafe  entgegensah.  Der  Kaiser  be- 
fahl, ihn  zu  ergreifen  und  den  Löwen 
\orzuwerfen.  Gleichzeitig  wurde  ein 
fetter  Kapaun  in  den  Zwinger  ein- 
gelassen, auf  welchen  sich  die  Bestien 
alsbald  stürzten.  Alle  Zuschauer 
brachen  in  Gelächter  aus,  indes  der 
arme  .Sünder  zitternd  und  bebend 
wartete,  bis  ihn  selbst  die  Reihe  träfe. 
Da  ließ  der  Kaiser  durch  den  Curio 
iiusrufen:  „Er  ist  auf  dem  Betrüge 
ertappt,  nun  hat  er  sein  Teil".-) 
Hierauf  gab  er  Befehl  den  Händler 
freizulassen.  —  Tatsächlich  ist  es  nur 
ein  kleiner  Nebenzweig  der  Industrie, 
welcher  absichtlich  in  der  Nachah- 
mung \-ün  lüielsteinen  durch  Glas  bis 
zur  Täuschung  ging.  Bei  der  weitaus 
überwiegenden  Zahl  farbiger  (iläser 
sind  die  Farben  und  Muster  von  Edel- 
und  Halbedelsteinen  nur  als  Motive 
benutzt,  die   mit  \-oll('r  kün^tlerischer 


Abi) 


131.      Flasche  mit   Barhotine- 
schmuck.     Kiiln,   Museum. 


*i  Plinius  36,  98.  „.Adulterantur  vitro  simillime,  sed  cote  deprehenduntur,  sicut 
aliae  gemmae;  ficlis  enim  mollior  materia  fragilisque  est.  Centrosas  cote  deprehendunt 
et  pondere,  quod  minus  est  in  vitreis."  Ders.  37,  128.  ,, Vitro  adulterantur,  ut  visu 
discerni  non   possint.     Tactus  deprehendit,   tepidior  in  vitreis.'' 

-)  „Imposturam  fecit  et  passus  est". 


266 

Freiheit   behandelt  werden,    so    daß   von    einer  Kopie   g'ar   nicht 
die  Rede  sein  kann. 

Farbigfes  Glas  wurde  bis  in  das  V.  Jahrhundert  hinein  her- 
g"estellt,  obwohl,  wie  bemerkt,  seit  Beginn  des  I.  Jahrhunderts 
das  Krystallglas  sich  den  Vorrang  erkämpft  hatte.  Bei  einfarbigen 
Gläsern  begann  man  größeren  Wert  auf  vollkommene  Durch- 
sichtigkeit, edle  Form  und  eleganten  Schmuck  zu  legen  als  etwa 
auf  ein  edelsteinartiges  Aussehen.  Durchsichtig"  sind,  oder  waren 
ursprünglich  \'or  der  Verwitterung  wenigstens,  die  zahlreichen 
einfarbig'en  Ol-  und  Parfumfläschchen,  die  man  noch  in  den 
Gräbern  der  spätesten  Kaiserzeit  findet,  die  Balsamarien  in  Röhren-, 
Kugel-  und  Kegelformen,  die  kleinen  Oenochoen  und  Ampho- 
risken,  im  Gegensatze  zu  den  opaken  oder  nur  wenig  durch- 
scheinenden Kännchen  vom  Anfange  unserer  Zeitrechnung  und 
den  alten  Arbeiten,  die  aus  freier  Hand  modelliert  sind.  Jene  ge- 
hören mit  ihren  griechischen  Profilen  zu  den  schönsten  und  edelsten 
Erzeugnissen  der  antiken  Glasindustrie.  Die  Farbe  ist  türkisblau, 
dunkelblau,  lackrot,  dunkelrot,  purpurn,  smaragdgrün,  schwarz, 
goldbraun,  gelb  u.  a.  Der  Körper  zeigt  oben  eine  starke  Wölbung" 
und  verjüngt  sich  allmählich  nach  der  Fußplatte.  Der  Hals  ist 
kurz  und  eng,  mit  kleinem  runden  Randwulst  oder  gelippter 
Kleeblattmündung  versehen  und  sitzt  gewöhnlich  scharf  auf 
Um  den  Rand  und  die  Fußplatte  ziehen  sich  Ringe  aus  opak- 
weißen Fäden,  aus  welchen  auch  die  Henkel  gebildet  werden, 
mit  dem  charakteristischen  Schlingenansatze  neben  der  Mündung. 
Doch  kommen  auch  Fäden  anderer  Farbe  vor,  gelb  auf  blau, 
schwarz  und  rot,  blau  auf  schwarz  usw.  Es  sind  dvuxhweg 
feine,  der  griechischen  Keramik  und  Bronzetechnik  entlehnte 
Bildungen,  die  uns  in  diesen  von  Alexandria  ausgehenden,  dann 
besonders  von  den  campanischen  Werkstätten  übernommenen 
Typen  entgegentreten  und  leuchtende,  von  der  Verwitterung 
kaum  berührte  P'arben.  Im  Oriente,  auf  den  g-Hechischen  Inseln, 
in  Italien  sind  sie  nicht  selten,  aber  auch  über  die  Alpen  sind 
viele  importiert  worden,  namentlich  ins  terraconensische  Gallien. 
Im  Anfange  der  gallischen  Fabrikation  mögen  alexandrinische 
Werkleute  sie  auch  dort  erzeugt  haben.  Zwei  der  schönsten 
türkisblauen  Kannen  dieser  Art  sind  in  Trier  mit  einer  Münze 
Neros    gefunden    worden    (Abb.     36  d),     die    größte,     vielleicht 


26; 


ans  Pompeji  eini)f(^führtr,  licwalirt  die  Altt'rtümt'rsamiiiluiiLi"  \'on 
Stuttg-art  als  Geschenk  Joachim  Murats  lAbb.  36bj.  Sie  ist  etwa 
30  cm  hoch,  von  dnnklem  Kobaltblau,  durchscheinend,  mit  schön 
g"esch\vini^"enem,  ol)en  leicht  eing"edrücktem  Hrnkfl  und  einem 
Schnabelausg-ull  Der  Köq^er  hat  schlanke  eiförmij^-e  Rundunjj;- 
und  ist  \()m  Fuße  durch  einen  Fadenrini,»"  ab^feyriMizt. 
Auch  im  Mustnuu  Poldi  Pezzoli  in  Mailand  Ix'tindet  sich  eine 
schöne  Kanne  dieser  Art  (Abb.  36a).  Ein  a/.url)laues  KännclKMi  mit 
breitem  T  lenkel  ist  ne- 
ben zwei  spätrömischen 
Fläschchen  aus  g-rün- 
lichem  (jlase  in  einem 
Grabe  zu  Remag-en  am 
Rhein  i^efunden  worden 
und  beweist,  daß  sich 
diese  edlen  Typen  lange 
erhalten  haben.  Im  IL  und 
III.  Jahrhundert  hat  die 
gallische  Glasindustrie 
solche  zierliche  Kannen 
und  Kännchen  auch 
aus  farblosem  und  grün- 
licliem  (Jlase  hergestellt. 
Daneben  gab  es 
schon  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten weniger  elegante  Bildungen  von  Kannen  und  Flaschen. 
Anstatt  den  Hals  durch  das  Anhalten  einer  hölzernen  Schiene 
während  di^s  Blasens  am  Ansätze  abzugrcnizen  und  die  größte 
Weite  der  Rundung  in  den  oberen  Teil  des  Körpers  zu  verlegen, 
ließ  man  die  Glasblase  von  der  Pfeife  herabhängen  und  setzte  das 
Gefäß  auf  eine  Platte.  So  gingen  1  ials  und  Kör])er  ineinander  ülx^r 
und  die  größte  Weite  wurd(^  nach  miten  \-erlegt.  ( )ft  erzielte  man 
nachträglich  dadurch  eine  Abgliederung,  daß  man  den  1  Ials  unten 
einzwickte,  wie  es  die  meisten  syrischen  Flaschen  zeigen.  Zur 
Datierung  sind  diese  Merkmale  nicht  zu  \erwenden,  weil  sie  sich 
von  selbst  durch  die  Technik  ergeben.  Neben  Gläser,  deren 
Formen  der  Gefäßbildnerei  in  Ton  und  Metall  enth^hnt  sind,  treten 
gleichzeitig  solche,  die  eine  m(")glichst  bequeme  Au-^muzung  der 


Abb.    132.      Becher  mit   Fadeninschrift. 
Ronen,   Museum. 


268 

Eig'entümlichkeiten  des  Stoffes  erkennen  lassen.  Nur  der  leichte 
schräge  Rand,  der  gewissen  dünnwandigen jFläschchen  anstatt 
des  Wulstes  eigen  ist,  kann  als  Merkmal  früher  Entstehungszeit, 
der  ersten  Hälfte  des  I.  Jahrhunderts  gelten.  Kugelfläschchen  mit 
solchem  Rande  und  eingezwickteni  Haisansatze  sind  in  Andernach 
mit  Münzen  des  Augustus  und  Tiberius  gefunden  worden  und 
kommen  iiuch  in  Pompeji  vor.  Andererseits  gab  es  dort  schon 
kegelförmige  Fläschchen  mit  rundlichem  Randwulste;  ein  schlauch- 
förmiges Fläschchen,  dessen  Körper  allmählich  in  den  Hals  über- 
geht, fand  man   in   .Vndernach  mit  einer  Münze  des  Tiberius. 

Sehr  häufig  sind  in  den  ersten 
Jahrzehnten  nach  Chr.  die  bereits  er- 
wähnten halbkugeligen  Schalen  mit  Rip- 
pen, die  gewöhnlich  dickwandig  aus 
leuchtendem  tiefblauem ,  purpurrotem, 
dunkelgrünem  und  goldbraunem  (jlase 
hergestellt,  sorgfältig  abgeschliffen  und 
., ,  T>     ,    ..  ,     •  poliert    sind.      Prachtstücke    dieser    Art 

Abb.    133.      Bruchstuck   eines        ^ 

Bechers    mit    Fadeninschrift.      bestehen  aus  Marmorglas  und  Millefiori, 
Köln.  Museum.  einfache  Nachbildungen  aus  grünlichem 

Glase  findet  man  noch  im  IL  Jahrhundert. 
Die  Form  findet  sich  überall,  in  Ägypten,  Pompeji,  Neapel,  Rom, 
und  ist  fast  in  alle  größeren  Alt(^rtumssammlungen  diesseits  der 
Alpen  übergegangen.  Noch  häufiger  sind  bis  in  die  späteste  Zeit 
liinein  Kugelbecher  und  Schalen,  deren  Ränder  und  Profile  ebenso 
große  Mannigfaltigkeit  zeigen  wie  die  Dekoration,  die  allen  Wand- 
lungen des  Geschmackes  folgt  und  alle  Techniken  in  Anspruch 
nimmt.  Auch  die  klassische  Form  des  Cantharus,  des  doppel- 
henkeligen  Bechers,  erhielt  sich  bis  in  die  letzte  Zeit  und  wurde 
sogar  zum  Meßkelche.  Papst  Zephirinus]  (202 — 219),  welchem  die 
Einführung  gläserner  Meßkelche  zugeschrieben  wird,  bestimmte, 
daß  die  Meßdiener  vor  dem  zelebrierenden  Bischöfe  gläserne  Teller 
tragen  sollen,  'auf  welchen  die  für  die  amtierenden  Priester  be- 
stimmte Corona  consecrata,  das  Abendmahlsbrod  in  Gestalt  eines 
rinfgörmigen  Bretzels  zu  liegen  kam.  Außer  mehreren  Kelchen 
haben  sich  auch  solche  Teller,  teils  aus  einfarbigem  Glase,  teils 
mit  Gold-  und  Emailmalerei  verziert,  erhalten.  Zu  diesen  oder 
ähnlichen    Geräten    gehört    der    sagenumwobene    Becher    des 


log 


Grals,  der  jetzt  im  Domschatze  von  Genua  als  kostbare  Reliquie 
g-ehütet  wird  (Abb.  33).  Nach  der  Lebende  soll  er  dem  Heilande 
als  Abendmahlsbecher  i^-edient  haben  und  von  Josef  von  Arimathia 
bei  der  Kreuzig'uns^"  dazu  benutzt  worden  sein,  das  aus  der  Seiten- 
wunde  Christi  strömende  Blut  aufzufangen.  Durch  ein  Wunder 
nach  dem  Monsalvat  versetzt,  diente  er  den  Rittern  des  Grals 
beim  heilig"en  Abendmahle  und  füllte  sich  bei  der  Wandlung-  von 
selbst  in  Purpur  strahlend  mit  Christi  Blut.  Wie  er  in  die  Hände 
der  Sanizenen  g^elang^te,  ist  unbekannt.  Genuesische  Kreuzfahrer 
fanden  ihn  1102  in  der  Moschee  \'on  Cae- 
sarea und  brachten  ihn  in  ihre  heimische 
Kathedr^ile.  Dort  hielt  man  ihn  für  ein 
g-roßes  Stück  geschnittenen  Smaragdes,  bis 
die  Franzosen  ihm  1 806  die  Ehre  erwiesen, 
ihn  nach  Paris  zu  „übertragen",  bei  welcher 
Gelegenheit  er  zerbrach  und  sich  als  (ilas 
entpuppte.  Er  wurde  notdürftig  geflickt  und 
mit  einer  geschmacklosen  Bronzefassung 
im  Empirestil  versehen,  mußte  aber  beim 
Friedensschlüsse  wieder  zurückgestellt  wer- 
den.    Der   angebliche   Gralsbecher   ist  eine 

Schale  aus  dunkelsmaragdgrünem,  dickwandigem  Glase  von 
etwii  35  cm  Durchmesser  und  10  cm  Höhe,  flachrund,  acht- 
eckig geschliff"en,  mit  zwei  wagerechten  starken  Henkeln  und 
kurzem  schräge  zugeschnittenem  Fußringe.  Innen  ist  ein  Doppel- 
kreis graviert,  der  mit  kleinen  Ringen,  gleich  Würfelaugen,  gefüllt 
und  mit  einem  achtspitzigen  Stern  umgeben  ist,  dessen  Strahlen 
die  Kanten  der  Sch^de  markieren  und  wieder  in  kleine  Ringe 
auslaufen.  T)i('  Form  ist  durchaus  antik,  ebenso  die  Gravierung, 
wenn  tiuch  \or  dem  HI.  Jahrhundert  kaum  möglich.  Die  (rravie- 
rung  verwertet  das  Motiv  der  Corona  consecrata  in  ornamen- 
taler Weise  und  deutet  damit  die  Bestimmung  des  Gefäßes  an. 
Nach  dem  ursprünglichen  Aufbew£ihrungsorte  Caesarea  ist  die 
Entstehung  im  Oriente,  in  Alexandrien,  Sidon  oder  einer  syrischen 
Werkstatt  wahrscheinlich.  Die  (ilashütten  Alexandriens  blühten 
unter  sarazenischem  Schutze  bis  tief  in  das  Mittelalter  weiter  und 
lieferten  u.  a.  die  kostbaren  farbigen  und  dickwandigen,  teilweise 
mit  (iold-  und    Kmailmalerei    verzierten  Gläser  des  Schatzes  von 


Abb.  134.  Boden  eines 
Goldglases  mit  Fadenin- 
schrift. Britisches  Museum. 


2-JO 

S.  Marco  in  Venedig,  die  Nesbitt  mit  Unrecht  den  Byzantinern  zu- 
schreibt. Auch  dem  Gralsbecher  ist  die  Ehre  widerfahren,  für 
byzantinisch  gehahen  zu  werden.  Es  ist  aber  nichts  davon  bekannt, 
daß  in  Byzanz,  vom  Glasmosaik  natürlich  abj^esehen,  die  Kunst 
des  Hohlg-lases,  des  Glasschleifens,  Emaillierens,  A^erg-oldens,  jemals 
in  nennenswerter  Weise  betrieben  worden  wäre.  Freilich  spricht 
Theophilus  und  nach  ihm  andere  mittelalterliche  Schriftsteller 
oft  \'on  griechischem  Glase  und  g-riechischen  Glaskünstlern,  aber 
dies  geschieht  in  keinem  anderen  Sinne  und  mit  eben  derselben 
Berechtigung,  mit  welcher  die  Nordländer  einst  den  Glasschmuck 
phönizisch  nannten,  der  ihnen  von  phönizischen  Händlern  zu- 
gebracht wurde.  Griechische,  d.  h.  byzantinische  Kaufleute  waren 
es,  welche  im  Mittelalter  den  Norden  mit  Glaswaren  versorgten, 
die  im  Orient  an  den  alten  Stätten  der  Industrie  entstanden 
waren.  Bei  dem  Gralsbecher  ist  aber  die  Bezeichnung  als  byzan- 
tinisch auch  zeitlich  verfehlt,  da  die  Schale  besonders  nach  der 
Form  der  Henkel  und  des  Fußringes  entschieden  antik  ist.  Die 
Gesamtform,  die  der  Henkel  inbegriffen,  wiederholt  sich  bei 
einigen  Glasschalen  der  frühen  Kaiserzeit  im  Museum  von  Neapel 
(Formentafel  F  392).  Manche  Kugelbecher  haben  die  Bronze- 
gefäßen entlehnte  Form  des  kleinen  Rundhenkels  mit  Daumen- 
platte, wie  der  gleichfalls  der  frühen  Kaiserzeit  angehörige  azur- 
blaue Becher  im  Schatze  von  vS.  Marco,  der  im  Palazzo  Bianco 
in  Genua  (Abb.  35a,  c)  von  derselben  Farbe,  einer  aus  Pompeji 
im  Museum   von  Neapel  u.  a.  ^) 

Kugelbecher  von  einfacher  Form,  aber  in  leuchtenden 
prachtvollen  Farben,  sind  sehr  häufig.  Besonders  beliebt  scheinen 
sie  bei  Barbaren  gewesen  zu  sein,  die  farbiges  Glas  sehr  hoch 
schätzten  und  gern  sammelten.  So  enthält  der  Longobarden- 
schatz  von  Castel  Trosino  z.  B.,  der  im  VI.  Jahrhundert  angelegt 
wurde,  neben  zwei  Gläsern  mit  imitiertem  Fadenschmuck,  auf- 
gemaltem Farnkrautmuster   und   anderen  Arbeiten   auch  Kugel- 


^)  Der  Becher  kam  wahrscheinlich  als  Geschenk  des  Papstes  Gregor  d.  Gr. 
aus  Rom  zur  Königin  Theodelinde.  Der  Abt  Johannes  brachte  außer  ihm  auch 
zahlreiche  Reliquien  mit,  darunter  (Jle  aus  den  Lampen,  welche  vor  den  Altären  der 
Märtyrer  in  den  Grabkammern  brannten.  Sie  befinden  sich  in  kleinen  Phiolen  aus 
Glas  und  aus  Blei  noch  heute  im  Schatze  von  Monza.  Gregor  d.  Gr.  pflegte  gleich- 
falls solche   ( )le   in   Glasphiolen   zu   versenden. 


271 


bocher,  deren  schcinr  Wirkung;  ausschließlich  auf  der  satten, 
tiefen  Farbe  beruht.  Kin  Kuj^elbecher  dieser  Art  ist  auch  der 
berühmte  Becher  Theodelindens  im  Domschatze  von  Monz^i, 
Auf  einen  trotischen  Metallfuß  hat  man  als  Cuppa  einen  Kug-el- 
becher  aus  der  Kaiserzeit  gesetzt,  der  nicht  aus  Saphir  be- 
steht, wie  man  lange  annahm,  sondern  aus  durchsichtigem  azur- 
blauem Glase.  Er  ist  ganz  schmucklos,  trägt  nur  am  Rande  einen 
schmalen  hohlgeschliffenen  Reif  und 
darunter  eine  leichte  gravierte  Kreis- 
linie (Abb.  34).  Vielleicht  ist  er  schon 
im  Altertume  in  anderer  I^assung  als 
Kelch  btniutzt  worden.  ^)  Ein  ähn- 
licher Kugelbecher,  ein  Teller  und 
ein  Kännchen,  auffallend  durch  ihr 
prachtvolles  Smaragdgrün,  befinden 
sich  im  Provinzialmuseum  von  Trier, 
ein  Kugelbecher  von  derselben  Farbe 
im  Museo  Borbonico.  wo  auch  ein 
konischer  Becher  aus  azurblauem 
durchsichtigem  Gla.se  zu  sehen  ist. 
(Abb.  35  c).  Diese  langlebige  Becher- 
form, die  wir  schon  im  alten 
Ägypten  eingetroffen  haben,  kommt 
auch  in  smaragdgrüner  F'arbe  \'or, 
manchmal  mit  einem  kleinen  Seiten- 
henkel, so  daß  sie  einem  ]\Iörser 
gleicht.')     Becher    mit    geschweiften 

(konkaven)  Wandungen,  in  der  Form  des  C'archesiums,  stellte 
man  auch  in  schwarzem  Glase  her.  das  durch  das  Eicht 
gesehen,  einen  rötlichen  ^Schimmer  hat.  Es  ist  eine  Nach- 
ahmung des  Obsidians,  von  welcher  FVoehner  behauptet,  daß 
sie  bei  größeren  Gefäßen  nicht  anzutreffen  wäre.  Ihm  sind  nur 
einige  Armbänder  und  Nachahmungen  von  Cameen  unter- 
gekommen. Armbänder  aus  schwarzem  Glase  sind  freilich  sehr 
häufig,  doch  gibt  es  aus  diesem   Material,    in  welchem    nach  den 

')   Das   Vorbild   dieser   Henkelbildung  zeigen  auch  Silberbecher  aus  dem  Funde 
von   Bosco   Reale.      Vgl.   Abb.    161. 

'-)   Gleichfalls  im   Museum  von   Neapel. 


Abb.    135.     Gallischer  Trinkbecher 
mit  Barbotine.      Köln,   Museum. 


''72 

Berichten  von  Schriftstellern,  auf  welche  wir  später  noch  zurück- 
kommen werden,  Tafelgerät,  Büsten  und  Figuren  hergestellt 
wurden,  auch  größere  Gefäße.  Von  Bechern  sind  mir  zwei 
P^^xemplare  bekannt,  das  eine  im  Kölner  Museum,  das  andere 
in  Namur,  beide  Lokalfunde,  welche  eiber  so  sehr  miteinander 
übereinstimmen,  daß  man  auf  dieselbe  Werkstatt  raten  möchte. 
Einen  Kugelbecher  von  wundervollem  Türkisblau,  wohl  ägypti- 
scher Herkunft,  \'erwahrt  das  Museum  Kircherianum  in  Rom 
aus  dem  Schatze  von  Praeneste;  einen  außen  vollkommen  mit 
Blattgold  überzogenen  erwarb  Konmierzienrat  Zettler-München 
in  Kleinasien.  Unter  den  prächtigen  farbigen  Gläser  des  Museums 
\'on  Neiipel  sei  wegen  seiner  originellen  Form  noch  der  mit 
Canelluren  gegliederte  Askos  hervorgehoben,  der  in  mehreren 
Exemplaren,  einem  opak-dunkelblauen,  einem  hell-azurblauen  mit 
weißen  Flecken  und  mehreren  farblosen  vertreten  ist.  (Abb.  69). 
Wie  die  Edelsteine  so  kamen  auch  die  Nachbildungen  solcher 
in  Glas  aus  dem  Oriente  nach  Rom.^)  Zu  Plinius'  Zeiten  ahmte 
man  den  Saphir,  Opal,  .Smaragd,  Hyazinth,  Jaspis,  Karneol  nach, 
außerdem  aber  auch  den  Rubin,  Topas,  Türkis,  syrischen  Granat, 
Beryll,  Amethyst,  Praser,  Achiit,  Sardonyx,  Onyx,  Lapiskizuli  u.  a. 
Die  über  die  Nachahmung  von  Edelsteinen  handelnde  Stelle  des 
Plinius  36,  198  lautet  wörtlich:  „Fit  et  tincturae  genere  obsidianum 
ad  escaria  vasa  et  totum  rubens  iitque  non  treducens,  haematinum 
appellatur.  Fit  et  album  et  murrina  (also  tils  Gegensatz  zu  weiß, 
bunt)  aut  hyacinthos  sapphirosque  imitatum  et  omnibus  aliis 
coloribus  —  maximus  tamen  bonos  in  candido  tralucentibus  quam 
proxima  crystalli  similitudine".  Aber  die  Nachahmungen  sind 
durchaus  nicht  naturgetreu,  weil  der  Glasmacher  bei  der  Her- 
stellung der  Farben  sehr  \'om  Zufall  abhängig  war,  so  daß  er 
niemals  mit  Sicherheit  vorhersagen  konnte,  ob  es  ihm  gelingen 
werde,  ein  Stück  ein  zweites  Mal  genau]  farbentreu  zu  wieder- 
holen. Dabei  waren  allerdings  die  Fälle  ausgenommen,  in  welchen 
er  ein  größeres  Quantum  \orher  zurechtgemachter  Glaspaste  ver- 
arbeitete, namentlich  blaue  und  rote  Gläser,  deren  Material  in 
ägyptischen  und  campanischen  Werkstätten  fabriksmäßig  her- 
gestellt   und   in   l^'orm   \on  Ziegeln  (Kuchen,    Stang-en)  exportiert 


^)   Froehner  a.   a.   O.   S.  45. 


273 

wurde.  Al)er  auch  solches  V)ereits  vorg-erichtete  Alaterial  konnt(3 
si(4i  im  erneuten  Brandt^  Uncln  verändern  und  durcli  unvorher- 
gesehene Beimengunj^en  einen  anderen  Ton  erhalten.  Besonders 
bei  den  gemusterten  Gläsern,  den  Marmor-,  I^andachat-,()nyxtrläsern 
kann  von  genauer  Xaturnacliahnunig  nur  selten  die  Rede  sein,  der 
Künstler  ändert  oft  willkürlich  otU^r  d(^r  Not  gehorchend  Farben 
und  Muster.  Jiispis  und  Pori)hyr  wurden  weniger  häutig  nachge- 
bildet als  man  glauben  solhe.  In  Kom  stc'Wk  man  /war  aut  P)ruch- 
stücke  derartiger  Glasgefälie, 
erhalten  scheint  aber  keines 
zu  sein. 

Nach  Plinius  ]:)ehndet  sicMi 
unter  den  nachgeahmten  Stein- 
sorten auch  derÜ])al.  Auch  von 
derartigen  Gläsern  ist  nichts  auf 
uns  gekommen,  was  aber  nicht 
Wunder  zu  nehmen  braucht, 
denn  der  Effekt  des  Opalisie- 
rens  wird,  wie  bereits  erwähnt, 
durch  einen  Zusatz  von  Kno- 
chenasche und  anderen  Mitteln 
erreicht,  welche  der  Wrwitte- 
rung  nicht  Stand  halten.  Selbst 
die  modernen  Opalgläser  ver- 
lieren    bald     ihr    Farbenspiel. 

Wahrscheinlich  waren  die  obengenannten  Calices  allassontes  des 
Iladrian  Opalgläser.^;  Semper  hält  sie  allerdings  für  Millefiori. 
für  welche  ich  den  so  lange  rätselhaften  Namen  der  Vasa  inurrina 
gt^rettet  zu  haben  glaul)e.  Er  wendet  sich  besonders  scharf  gegen 
die  Ansicht,  daß  die  antike  Glasindustrie  vor  allem  iiuf  die  Imitation 
\-on  Edelsteinen  ausgegangen  sei.  In  der  Tat  kann  von  den 
antiken  Gläsern,  die  altägyptischen  inbegriffen,  bei  welchen  man 
sich  in  Farbe  und  Muster  gewisse  bunte  Steinarten  als  \'orbild 
n^lhm,  selbst  das  unbewaffnete  Auge  kaum  irregeführt  werden. 
Freilich  haben,  wie  w  ir  früher  sahen,  große  Säulen,  Fliesplatten. 
Stelen,    \ielleicht    sogar   Statuen    aus   glasiertem  Ton,    naive  Be- 


Abb.    136.     Jagdbecher  mit   Barboline. 
Köln.   Museum. 


1)  Vgl.  S.  180. 
Kisa,  Das  Glas  im  .Altertume. 


274 

wunderer  über  ihre  wahre  Natur  g-etäuscht.  Kleine  Gefäße  aus 
glasiertem  Ton  sind  in  Ägypten  manchmal  Gläsern  zum  Ver- 
wechseln ähnlich.  Es  war  den  Alten  aber  nicht  möglich,  Mar- 
more und  Edelsteine,  selbst  den  einfarbigen  Lapislazuli,  so 
täuschend  in  Glas  zu  imitieren,  wie  dies  die  modernen  vStuck- 
marmore  einerseits,  die  falschen  Brillanten,  Saphire,  Opale  anderer- 
seits vermögen.  Wenn  man  meint,  daß  die  Antike  in  der  Blüte- 
zeit der  Industrie  die  hervorragendsten  Eigenschaften  des  vStoffes, 
seine  Durchsichtigkeit  und  Earblosigkeit,  absichtlich  unbenutzt 
gelassen  habe,  um  ihn  g"erade  in  den  kunstvollsten  Stücken  nur 
als  Surrog'"at  eines  edleren  zu  \erwenden,  so  drückt  man  ihr 
damit  vmbewußt  den  Makel  der  Trucage  auf  Dies  geschieht 
unter  dem  Einflüsse  der  fixen  Idee,  daß  die  Earblosigkeit  und 
Durchsichtig'keit  dem  auf  plastische  Wirkung'  gerichteten  Sinne 
der  Alten  widerstrebt  habe.  ^) 

Am  schärfsten  kommt  diese  Befangenheit  aber  g-erade 
bei  Semper  zum  Ausdruck,  welcher  glaul:)t,  daß  die  zahlreichen 
Scherben  von  Prachtgefäßen  aus  schönstem,  farblos  durchsichtigem 
Glase  innerlich  fast  alle  mit  dem  Rade  nachgeschliffen,  wo  nicht  gar 
mit  einem  Anfluge  undurchsichtigen  Milchglases  überfangen  seien. 
Er  hält  die  durch  Iris,  durch  Verwitterung,  hervorgerufene  Trü- 
bung- für  ein  künstlerisches  Produkt,  da  die  Alten  an  der  vollkom- 
menen Durchsichtig-keit  der  Gläser  kein  Gefallen  gefunden  hätten. 
Dieses  uns  nur  halb  verständliche  Stilgefühl  führte  sie  nach  seiner 
Ansicht  \ielleicht  auch  dahin,  die  echten  Krystallvasen  in  ähn- 
licher Weise  zu  blenden.  Die  Tatsache,  dal]  das  absolut  Durch- 
sichtige eig-cntlich  formlos  erscheint,  mochte  der  Grund  dazu 
gewesen  sein.  (N^ollkommene  Berechtigrvmg  hat  ja  das  antike 
Stilgefühl  auch  für  uns,  wenn  es  sich  um  erhabene  Arbeit  oder 
gar  um  Bildliaiicrwerk  aus  durchsichtigem  Stoffe  handelt,  der  eine 
naturwahre  Wirkung  der  vorspringenden  und  zurücktretenden 
Teile  gar  nicht  zuläßt,  vielmehr  alle  Wirkung»-  zerstört,  weil  durch 
die  Wrdünnung  der  Masse  hervorgebrachte  Tiefen,  die  im  Schatten 
liegen  sollen,  am  hellsten  erscheinen  müssen  und  umgekehrt.)  Helle 
durchsichtige  Plastik  aus  Glasmasse  finde  sich  daher  auf  alten 
Gefällen  nur  selten  und  nur  als  Xebenwerk,  (auf  durchsichtigem 

1)   Semper  a.   a.   O.   II,   S.    183   f. 


(irunclc  auch  nur  b(M  ordinärer  (ilasware)  als  i^-(>mmenartii,'"es 
Emblem,  Tropfen  usw.,  als  Besatz  an  Henkeln  und  anderen 
passenden  Stellen  aufi^-eleg"t.  Sonst  sei  es  irewfihnlich  erhiibene 
Arbeit  aus  heller  opaker  Kruste  über  dunklem  durchsichtigem 
Grunde,  ein  Verfahren,  das  die  schcinsten  und  berülimtesten  an- 
tiken Glasg-efäße  zeii^en.^) 

Es  ist  richtig-,  daß  die  l'berfangfgläser.  welche  Semjier  zum 
Schlüsse  andeutet,  zu  den  schcinsten  Eeistung^en  der  antiken  (ilas- 
indu>trie  gx^hciren   inid  auch   dem  antiken  Stil.sjfefülile  x-ollkommen 


Abb.    137.      Besalzstücke  a,  b   Koni,   ehem.   Sammlung  Sarti,   c  Köln,   Sammlung 

M.   vom    Kath. 

ents])rechen;  vielleicht  sagt  man  aber  besser:  dem  griechischen 
Stilg'-efühle.  Diesem  war.  wie  wir  sahen,  die  Glasindustrie 
unsympathisch  und  mußte  sich,  wo  sie  zur  Geltung-  kam,  der 
Kunst  der  Edelsteinschneider  anpassen.  Das  war  zu  Zeiten, 
als  man  die  hervorrag-endsten  Eigenschaften  des  (ilases,  seine 
Durchsichtigkeit  und  Dehnbarkeit  an  der  Glaspf(Mfe.  noch 
gar  nicht  kaimte.  Diese  begründeten  eine  Re\-olution  in  der 
Technik  und  in  den  ästhetischen  Anschauungen,  wie  sie  in  dem 
]\Iärchen  \om  hämmerbaren  Glase  des  Tiberius  angedeutet  und 
in  den  verschiedenartigen,  in  llohlformen  geblasenen  Gläsern 
verwirklicht  ist.  Xiclit  nur  in  einzelnen  Nebensachen  und  in 
ordinärer  Gebrauchsware  tritt  diese  Geschmacksänderung-  hervor, 
sie  bestimmt  \ielmehr  den  ganzen  Char^ikter  der  antiken  Glas- 
industrie    im     II.    und     III.    Jahrhundert.      Davon    bleibt    freilich 


1)  Semper  a.  a.   O.  II,  S.    1S6. 


iS^ 


276 

die  Tatsache  unberührt,  daß  ein  Rehef  in  durchsichtigem 
Ghise  falsch  wirkt,  daß  die  Tiefen  aufgehoben  erscheinen,  die 
Glanzhchter  stören  usw.  Diesen  Mangel  hat  die  Antike  ebenso 
empfunden  wie  wir,  gleichzeitig  aber  auch  den  Vorteil  erkannt, 
den  kein  anderer  Stoff  bietet,  daß  nämlich  ein  Glasrelief  auf 
beiden  Seiten  wirkt,  auf  der  einen  Seite  positiv,  auf  der  anderen 
negativ.  In  der  Regel  betrachtete  m^m  bei  .Schalen  mit  Reliefs 
die  Außenseite  als  Schauseite,  bei  gravierten  die  Innenseite  und 
richtete  danach   die  Komposition  ein. 

Die  Farbe  beherrschte  das  Stilgefühl  in  der  antiken  Glas- 
industrie solange,  als  man  farbloses  Glas  nur  in  geringen  Mengen 
und  an  wenigen  Orten  herzustellen  vermochte  und  solange  das 
Formen  von  Gefäßen  eine  Arbeit  der  freien  Hand  war.  Näher 
als  die  Entdeckung  von  Entfärbungsmitteln  des  durch  Eisenoxyde 
verunreinigten  Sandes,  der  Kieselerde,  lag  die.  durch  eine  Ver- 
stärkung des  urs])rünglichen  Gehaltes  an  Metallen  die  Masse 
intensiver  zu  färben,  durch  die  Quantität  der  Zusätze,  durch  die 
Art  des  Brennens,  durch  Entwicklung  größerer  oder  geringerer 
Mengen  von  Sauerstoff  bei  Führung  der  Flamme  zu  variieren. 
Zufällige  Beimengungen  met^illischer  Bestandteile  haben  zuerst 
die  Aufmerksamkeit  auf  die  dadurch  hervorgerufenen  Ver- 
änderungen gelenkt  und  zur  Entdeckung  der  F'ärbemittel  ge- 
führt. Die  Alten  waren  keine  Chemiker,  sie  verfuhren  emjiirisch 
inid  lernten,  daß  dieser  und  jener  Sand,  diese  Erdart,  jener  Stein- 
klumpen, in  gewissen  Gegenden  gewonnen,  besondere  farbige 
AVirkungen   her\orrufe. 

A'^or  allem  waren  die  Ägypter  durch  ihre  farbigen  Gläser 
berühmt,  in  der  Kaiserzeit  die  Alexandriner.  Nach  Strabo  eignete 
sich  kein  Sand  so  gut  zur  Herstellung  farbigen  Glases,  wie  der 
\-om  Nil,  den  noch  die  Venezianer  auf  ihre  .Schiffe  luden,  um 
ihn  in  den  Werkstätten  Muranos  zu  verarbeiten.  x\m  belieb- 
testen war  Blau  in  verschiedenen  .Schattierungen,  Türkisblau, 
Smaragdgrün.  Goldl^ravm  und  mehrere  Sorten  von  Rot.  Nero 
soll  die  Gladiatorenspiele  durch  einen  geschliffenen  Smaragd  in 
Goldfassung  betrachtet  haben,  ohne  Zweifel  eine  Linse  aus  grün- 
gefärbtem Glase.  Unter  den  roten  Farben  hebt  Plinius  vor  allem 
das  Haematinum  hervor,  zu  deutsch  Blutglas,  von  dunkler 
Pur]Hn-farbe,    o])ak    und    angel)lich    kaum    von   rotem   Marmor  zu 


277 


unterscheidtMi.')  l-'Voehner  j^'lauV)t  nur  in  einem  jj-läsernen  Serapis- 
kopf der  Sammlun]!^-  I  loifinann  in  Paris')  und  zwei  mit  dem  Rade 
gfeschliffenen  Schalen  aus  . Midier,  jetzt  im  Louxre,  diese  hochg'e- 
schätzte  Farbe  wiederzufinden,  andere  Forscher  sind  weniger  exklu- 
si\-.  Xach  Tischler  g"ibt  es  zwei  wesentlich  verschiedene  Erschein- 
ungen des  opiikroten  Glases,  die  man  bei  einiger  Übung  schon  Tuit 
freiem  Auge  unterscheiden  kaim,  die  aber  unfrhl])ar  (hirch  das  Mi- 
kroskop nachzuweisen  sind.  Blutgkis 
zeigt  in  farblosem  (zrunde  dendrit(Mi- 
^lrtige  Krvstallisationen  xon  l\.u])fer- 
oxydul;  dieses  allein  ist  mit  dem 
llaematinum  des  Plinius  zu  identifizie- 
ren. Scherben  davon  gibt  es  in  zahl- 
reichen Museen,  auch  an  mt^hreren 
ägyptischen  Alabastren  bildet  es  die 
Grundfarbe.  In  neuerer  Zeit  ist  das 
Blutglas  durch  F^ettenkofer  wieder  dar- 
gestellt worden,  war  jedoch  wahrschein- 
lich schon  vorher  in  der  Mosiiikfabrik 
des  \"atikans  bekannt.  Wesentlich 
verschieden  x'on  diesem  dunkelroten 
Glase  ist  das,  was  Tischler  1884  als 
Lackrot  bezeichnet  hatte  und  später  Ai.b.  138.  Amphoriske  mit  Lotus- 
Ziegelglas  oder  Ziegelemail  be-  knospen.  Kiiln,  Museum. 
nannte,  weil  es  sich  in  seiner  bräun- 
lichen vSchattierung  mehr  oder  weniger  der  l-'arbe  feiner 
Ziegel  nähert.  Das  Ziegelglas  zeigt  bei  sehr  dünnem  Schliff 
auf  ljläulich-transparent(Mn  Grunde  äußerst  feine  und  absolut 
opake  Körperchen,  die  bei  auffallendem  Lichte  metallisch  rot 
erglänzen.  In  den  älteren  Gläsern  und  Kmails  erkemit  man 
darunter  nur  bei  allerstärkst(M-  X'ergrölierung  kleine  regelmäßige 
Dreiecke.  eb(Miso  bei  den  bess(»ren  neu(M-en,  während  die 
schmutzigen,  mehr  bräunlichen  Schmelz\ersuche  diese  Dreiecke 
großer  und  deutlicher  zeigen  und  so  in  Lbergängen  allmählich 
zum    A  \-en  turinglase   führen,   welches   mit  gr(")ßt>ren.   drei-   oder 


^)   Plinius,    36,    197. 

^)  Jetzt  bei   Pierpont   Morj:an. 


278 

sechsseitig"en  Kupfertäfelchen  durchsetzt  ist.  Das  Ziegelfiflas  ent- 
häk  demnach  metalhsche,  äußerst  feine  Kupferkörnchen,  die  in 
einer  durch  Kupferoxyd  bläuhch  j^efärbten  Grundmasse  verteilt 
sind.  ]\Ian  darf  es  nicht  mit  dem  1  laematin  verwechseln,  zumal 
die  Gefäße  aus  reinem  Ziegelglase  sehr  selten  sind  und  wohl 
auch  ziemlich  s])ät  auftreten.  Die  ,iifallischen  Emailfibeln  der 
Kaiserzeit  enthalten  nach  Tischler  immer  Zieg'elg'las,  während 
das  Rot  des  etruskischen  Furchenschmelzes  und  kleiner  Band- 
streifen von  Fibeln  mit  g^eometrisch  gemustertem  Emailschmuck 
Blutemail,  Ilaematinum  ist/)  Durch  Mercanton  in  Lausanne  ließ 
Minutoli  eine  Goldplatte  untersuchen,  welche  in  den  Trümmern 
des  alten  Canopus  g'efunden  worden  war  und  nach  ihrer  Inschrift 
aus  der  Ptolemäerzeit  stammte.  Die  Inschrift  enthielt  die  Wid- 
mung" eines  Tempels  an  Osiris  und  war  durch  einen  Überzug" 
von  dunkelrotem  Sclimelz  g"eschützt.  Die  Farbe,  wahrscheinlich 
mit  Ikiematinum  idcMitisch,  war  auch  hier  durch  Ku])ferprotoxyd 
hervorg'erufen. 

Während  das  Ziegelg"las  der  Kaiserzeit  lebhaft  rot  und  rein 
ist,  wird  es  zur  Zeit  der  Völkerwanderung"  schmutzig  und  stumpf 
bräunlich,  mit  farblosen  Krystallen  durchsetzt.  So  zeig'"t  es  sich 
auf  einem  Spätlinge  der  alexandrinischen  Werkstätten,  einem 
Alabastron  des  \\  oder  \'l.  Jalirhunderts  im  ]\Iuseum  von  Kolmar. 
Dieses  ist  auf  rotem  Grunde  mit  g^elben  und  blauen  Zickzack- 
liniengemustert, ein  Beweis  für  die  Unverwüstlichkeit  dieses  Typs, 
und  das  einzige  Glasgefäß  mit  dieser  Grundfarbe,  das  Tischler 
sah.  Die  Farbe  ist  nicht  mit  dem  dunkleren,  aber  durchsichtigen 
Amethystrot  zu  verwechseln.  Bei  Perlen  dagegen  ist  das  Ziegel- 
glas in  der  Kaiserzeit  häufig,  so  z.  B.  bei  solchen  der  vSammlung 
M.  vom  Ratli  in  K(">]n.  lEinige  der  auf  Seite  53  abgebildeten 
Kugelperlen  mit  Zickzack-  und  Wellenbändern  haben  ziegelrote 
Grundfarbe:  Xo.  12,  13,  15 — 17).  In  der  altägyptischen  Glas- 
industrie überwieg"t  jedoch  das  Ilaematinum,  ohne  in  der  Kaiser- 
zeit ganz  aufzuhören.  I>)aneben  gibt  es  auch  ein  schönes  undurch- 
sichtiges Dunkelrot,  das  sich  dem  Rubin  und  syrischen  Granate 
nähert;    gewöhnlich    wird    es    aber    durchsichtig    gemacht    und 


^)  Tischler,   Abriß   der  Geschichte  des  Emails.      Schriften   der  Physik. -ökon.   (jC- 
sellschaft  in  Königsberg    1887. 


79 


so  zu  Kiii^-elbechrrn  und  flachku^-clit^"eii  Scluilrn  xerwendet.  Ein 
besonders  schönes  ExeiTi])lar  dieser  Art  ist  eine  in  der  Mag^nus- 
straße  in  Ivi'iln  mit  dem  Glasg^efäße  in  I-"orm  eines  hockenden 
Affen  i^efundt-nt'  Schale,  die  innen  t^latt.  außen  am  Rande  j^ferieft 
luid  ckirunter  in  der  g"anzen  Fläche  mit  einem  feinen,  kassetten- 
artii^J'en  Rosettenmuster  bedeckt  ist.  Am  Rande  l)eßndet  sich 
ein  zierlicher  1  lenk(^l.  (Al)b.  451.  Das  Stück  ist  in  einer  I  lohl- 
form  i,''ej)reßt  und  mit  dem  Rade  be- 
arbeitet. ^) 

Auch  nach  Klapjiroths  Analysen, 
welche  Minutoli  veröffentlicht,  ist  das 
lebhafte  Kupferrot  der  antiken  (iläser. 
das  völlig"  undurchsichtig"  ist  und  für 
das  Jlaematinum  des  Plinius  gehalten 
wird,  durch  Kuj^feroxvd  hergestellt. 
Man  nahm  hierzu  wahrscheinlich  natür- 
liche Ku])ferschlacke,  die  eine  lebhaft 
braunrote  Farbe  hat.  Die  übrigen  Be- 
standteile sind  Kieselerde,  Bleioxyd. 
Kupferoxyd.  Akiunerde,  Kalkerde  u.  a. 
Alit  Klapj)roth  stimmte  Ouicheret  über- 
ein."") Das  ähnliche  Aventuringlas  wollen 
manche  Ausleger  schon  in  der  oben 
zitierten  .Stelle  des  Buches  Iliob  linden. 
doch  beruht  diese  Ansicht  jedenfalls  auf  ungenauer  l'ber- 
setzung.  Dag"eg"en  hält  Beckmann  für  das  Haujnfärbemittel  der 
Alten  besonders  für  Rot.  die  Fisenerde. ■')  Mit  ihr  wurden  alle 
Arten  \on  Rot,  X'ioh^tt  und  Gelb,  aber  auch  lilavi  erzeugt, 
indem  man  die  Art  inid  Menge  der  Zusätze,  den  (irad  und 
die  Dauer  der  l-'.rhitzung  ents])rechend  \"ariierte.  Auch 
AV.  J.  Russell  liat  in  ägyptischem  Rot  als  Farbstoff  lusen- 
oxyd  festgestellt.  Seine  Analysen  g"ründen  sich  auf  die 
neueren  Ausg'rabungen  von  Flinders  Petrie  in  Medüm.  (iurob 
und   Kahtni.    w(^lche    Gläser    \on    der    12.   bis    zur    19.    Dynastie 


Al)b.  139.     Becher  mit  Netzwerk 
und  Lotusknospen.   Nach  Dcville. 


*)  Urlichs  im   Bonner  Jahrb.  V,  S.  377,  Abbildung  T.   W. 
-)   Vgl.   Revue  archeol.   N.   S.   28   (1874)  S.   75   f. 

*)  Über  Rubinglas  vgl.  Beckmann,  Beiträge  zur  Gesch.  d.  Erfindungen  1,  S.  378  f. 
Über  riaematinum   u.   a.      Abels,   .^us  der   Natur,   unter   ,,Glas". 


28o 

lieferten/)  Das  Mineral,  aus  welchem  das  Eisenoxyd  gewonnen 
wurde,  kommt  am  häufigsten  in  Kahün  vor  und  heißt  oolithischer 
Haematit.  Die  Stücke  dieses  Minerales  wurden  manchmal  fein  ge- 
pulvert und  in  diesem  Zustande  der  Schmelze  beigefügt,  manchmal 
aber  in  einer  Schale  mit  Wasser  abgerieben  —  etwa  wie  wir  chinesi- 
sche Tusche  anreiben  —  und  so  kleine  Teilchen  abgelöst.  Man  fand 
solche  abgeschliffene  Stücke  und  wiederholte  den  Prozeß  mit  Erfolg. 
Ein  Stück  Haematit  enthielt  79,11,  ein  anderes  8 1,34  "/o  Eisen- 
oxyd. Die  Farbe  des  Rot  variiert  sehr  wenig.  Die  Nachahmung 
des  ägyptischen  Purpurs  dagegen  wurde  durch  Kupferoxyd  er- 
zielt. Russell  setzte  der  Schmelze  etwa  20  '^7(»  Kupfersalze  zu, 
wobei  die  Farbe  durch  die  Dauer  und  Stärke  der  Erhitzung 
sehr  beeinflußt  wurde.  Auch  Beimengungen  von  Kalk  und  Eisen 
brachten  Änderungen  hervor.  Außerdem  konnte  Purpur  dadurch 
hergestellt  werden,  daß  dem  roten  Wüstensande  Kupferkarbonate 
in  der  Höhe  von  mehr  als  20"/,,  zugemischt  wvirden.  Russell 
bezweifelt  aber,  daß  die  alten  Ägypter  diesen  mühsamen  Prozeß 
mit  Bewußtsein  und  Absicht  vornahmen  und  hält  vielmehr  das 
einzige  Stück  dieser  Art,  das  er  fand,  für  ein  Ergebnis  des  Zu- 
fidles. Es  erreicht  kaum  die  Größe  eines  Gliedes  des  kleinen 
Fingers,  während  andere  Stücke  gleicher  Purpurfarbe  sich  in 
Dunkelblau  und  ( rrünlichblau  eingesprenkelt  fanden,  also  offenbar 
unbeabsichtigt  entstanden   waren. 

Kupferoxyd  verwendet  auch  Heraclius  zum  Rotfärben  des 
Glases.  Sein  Rezept  lautet:  „Nimm  Kupferfeile  und  brenne  sie 
zu  Pulver,  gib  sie  in  den  Mörser  und  es  entsteht  das  rote  Glas, 
das  wir  Galienum  nennen."')  Purjnir  und  Fleischfarbe  wird  bei 
ihm  aus  der  Asche  der  faina  (Pmche)  gewonnen.  „Wenn  es 
beim  Kochen  in  Purpur  übergeht,  so  nimm  davon  soviel  du 
willst,  während  das  übrige  in  eine  andere  Farbe  übergeht,  die 
man  Membrum  nennt."  .Ähnlich  heißt  es  bei  Theo|)hilus  cap.  7: 
„Wenn  das  Glas  ins  rötliche  spielt,  ähnlich  der  Fleischfarbe,  so 
nimm  davon  weg,  wieviel  du  für  nackte  Teile  gebrauchst.  Das 
übrige  koche  zwei  Stunden  lang  und  du  hast  eine  leichte  Purpur- 
farbe.    Koche  es  dann  bis  zur  sechsten  Stunde   und  das  Purpur 


^)   Flinders   Petrie,   Mcdi'im   S.   44. 
-)   Heraclius   III   7. 


28l 


wird  rot  und  vollkommen."^)  Zur  Krklärunj»-  ist  das  voran- 
g"ehende  cap.  5  nötisjf.  welches  lautet:  „Vom  Schmelzen  des 
weißen  Glases.  Nimm  Töj^fe  aus  weißem  Ton,  ol)en  breit,  unten 
eng",  mit  nach  inncMi  ^'•ebog'enem  Rande  imd  stelle  sie  in  die 
Öffnung-en  des  g-lühenden  Ofens,  welche  dazu  ein^-erichtet  sind. 
Dann  schö])fe  mit  dem  Löffel  die  g-ekochte  sandi^'c»  Asche  hinein 
am  ^Vbend  inul  feuere  die  g'anze  Nacht,  damit  das  aus  dem  Saudi; 
und  der  Asche  flüssig-  hervorgegangene 
Glas  g-änzlich  g-eschmolzen  werde." 
Offenbar  ist  die  Ang^abe,  daß  Pur])ur 
aus  Buchenasche  gewonnen  werde,  ein 
Flüchtig'keitsfehler,  denn  dieses  Mate- 
rial wurde  zwar  beig^emischt,  bildet 
aber  tlurchaus  nur  ein  unwt'seiuliches 
Ingrediens  gegen  die  Kui)ferfeil(\ 
Membrum  bedeutet  Glied,  mensch- 
liches Fleisch,  also  Fleischfarbe; 
Galienum  ist  ein  tiefrotes,  durch  ein 
Prototyp  des  Kupfers  erzeug-tes  Glas, 
das  nach  seiner  Heimat  Gallien  be- 
nannt wurde;  Theophrast  schreibt 
es  der  Francia  zu.")  Die  Rezepte 
zeigen  wiexiel  bei  den  Prozessen  dem 
Zufall  überlassen  l:)lieb.  Die  Her- 
stellung  von  Rot  durch  Kupferfeile 

ist  im  Mittelalter  allgemein  üblich.  Kupferoxydiü  oder  Eisen- 
oxydul, das  aber  leicht  zu  dunkel  färbte,  waren  flie  g-ewöhn- 
lichen  Mittel.  Fs  wurde  lücht  \iel  iKMauuexjx'rimentiert.  Theo- 
philus  will  es  ganz  darauf  ankommen  lassen,  ol)  sich  infolg"e  der 
verschiedenen  Zusammensetzung  der  Materie  \-on  selbst  eine  rot(^ 
oder  gelbe  Farbe  zeige;  diese  solle  man  auf  all(>  Falle  sogleicli 
benutzen.'')  Mehrere  Kapitel  seiner  .Schedula,  die  vom  Färben 
des  durchsichtigen  Glases  handeln,  sind  verloren  geg^mgen  und 
nur  noch  im   Index  angedeutet. 


Abb.  140.    Hecher  mit  Netzwerk  und 
Rosetten.    Honn,  Provinzialmuseum. 


V)  Theophilus  cap.   7. 

-')  11g  in  den  Anmerkungen  zu   Heraclius  S.   134  f. 

•')  Theophilus  II  S. 


282 

Auf  nieine  Veranlassung"  unterzog"  1898  Dr.  Ililburg"  sämt- 
liche im  Museum  Wallraf-Richartz  in  Köln  vertretenen  Sorten 
antiker  Gläser  der  chemischen  Analyse  namentlich  in  Rücksicht 
auf  die  Färbemittel.  ■*)  Kr  stellte  fest,  daß  den  Alkalien,  um  den 
Fluß  des  Glases  zu  fördern,  Mag"neteisenstein,  sowie  der 
vSchmelze  vielfach  g-epul\-erte  Kieselsteine,  zu  Gläsern  von  far- 
big"em  Glänze  auch  g-epuh'erte  Muscheln  und  fossiler  Sand 
zugesetzt  wurden.  Man  erzielte  so  eine  dunkle,  schmutzig"e 
Fritte,  welche  aufs  neue  zu  wiederholten  Malen  solang"e  g^e- 
schmolzen  wurde,  bis  sie  rein  und  zur  Aufnahme  der  färbenden 
Bestandteile  g"eeignet  war.  Das  1  lauptfärbemittel  bestand  in  einer 
Erhöhung"  des  Gehaltes  von  Plisenoxyden  durch  Zusatz  von  Eisen- 
erde. Je  nach  ihrer  Quantität,  nach  der  Dauer  des  Schmelz- 
prozesses, der  Dicke  der  \Vandung-en  erzielte  man  \erschiedene 
Arten  \'on  Rot,  Moh^tt  und  Gelb,  auch  Blau,  in  durchsichtigem 
oder  undurchsichtigem  Zustande.  Unter  den  übrigen  Färbe- 
mitteln sind  am  häufig^sten  Kupferoxyde  ang"ewendet.  flilburgs 
Untersuchungen  bestätigen  die  Richtig'keit  der  Tischlerschen 
Beobachtung'-en  hinsichtlich  des  Blutrotes  und  Zieg'"elrotes,  sowie 
die  Anwendung  \-on  Kupferoxyden  bei  den  lackroten  alexan- 
drinischen  Schmuckperlen.  Neben  KupfertVile  kannte  das  Alter- 
tum für  die  Darstellung"  des  Purpurs  auch  die  iVnwendung  des 
Goldpur])urs,  der  leichter  als  Kupferj^rotoxyd  darzustellen  war 
und  aus  einer  Lösung"  \'on  (iold  in  Königswasser  und  Wrsetzung 
mit  einer  anderen  Löjsung"  aus  Zinn  und  ]v(>nigswasser  besteht. 
Das  Kunkelsche  Rubingdas  (\ielmehr  das  \-on  Cassius)  bedeutet 
eine  Wiederentdeckung"  dieses  Färbemittels  im  XVII.  Jahrhundert 
und  die  erneute  Ausbeutung  der  glänzenden  Farbe  für  die 
böhmische  Glasindustrie. 

Das  mehr  oder  wenig"er  stark  ins  Violette  spielende  Wein- 
rot,  Amethvstrot,  das  nur  durchsichtig"  \-orkommt,  wurde  von 
John  an  Bruchstücken  aus  Memphis  Jinalysiert. -)  Die  Farbe  war 
durch  Manganoxyde  oder  Braunstein  gewonnen.  Eine  Probe 
mit  einem  römischen  Glase  hatte  dasselbe  Erg»"ebnis.  Andere 
italische    und    die    \"on    Ililburg    anal3'sierten   kfUnischen    Gläser 


^)  Zuerst  veröffentlicht  in  meiner  Beschreibung   der  Sammlung  M.   vom   Rath. 
-)  John,   Die  Malerei   der   Alten.   S.   34  f. 


283 

\\ar('n  dag-egen  mit  Kupferoxyden  gefärbt.  Besonders  in  den 
beiden  letzten  Jahrhundc^rten  wurde  diese  ?'arbe  oft  gebraucht, 
vielfach  zeigt  sie  sicii  tief  und  satt,  nicht  selten  aber  geht  sie 
in  mattes  ])lau\iolett  oder  rötlichgelb  über.  Diese  Farben  sind 
nicht  immt^r  beabsichtigt,  sondern  wie  das  „Membrum"  des 
I  leraclius  und  Theophilus  das  Ergebnis  des  Zufalles.  Ungenauig- 
kcit  in  der  P)ef()lgung  der  ererbten  \"orschriften,  b'cdder  in  (h:'n 
Mischungsxerhältnissen,  Unacht- 
samkeit beim  Schmelzen  \'er- 
ursacliten  jene  unbestimmten 
Ilall)t(")ne  zwischen  \iolettrot 
und  gelb,  welche  wir  bei 
späten  Erzeugnissen  oft  \)r- 
mc^rken.  Trotzdem  erschienen 
gerade  solche  Fehlfarben  Koep- 
ping  und  anderen  modernen 
Glaskünstlern  nachahmenswert, 
als  sie  der  üblichen  fabriksmäßi- 
gen Korrektheit  die  künstleri- 
sche Ungebundenheit  der  freien 
I  hmdarbeit  entgegensetzten. 

Die  Lieblingsfarbe  der  an- 
tiken (ilasindustrie,  besonders 
der  ägy])tischen,  ist  blau.  Es 
ahmt  nicht,  wie  Froehner  meint, 

den  Saphir  nach,  sondern  zeigt  alle  Schattierungen  vom  tiefsten 
Schwarzblau  bis  zu  Himmelblau,  abgesehen  \on  dem  herrlichen 
Türkisblau,  welches  diesem  Halbedelstein  nachgrl)ildt't  ist. 
Die  meisten  Schattierungen  tiefertm  Blaus  nähern  sicli  dem 
Lajnslazuli,  dem  Lasursteine,  d(M-  in  Ägypten  sehr  \iel  zu 
vSi-hnuicksaelien.  Amuletten.  Skaral)ä(Mi,  Einlagen,  zu  Statuetten 
usw.  \'erarb(Mtet  wurde.  i  )ie  N'orlielx'  für  das  Lapislazuli-Blau 
beherrscht  nicht  nur  die  ( dasimlustrie,  sondern  aucli  die  Kera- 
mik Ägyptens  und  er])t  sieli  im  Oriente  bis  auf  den  heutigen  Tag 
fort,  namentlich  in  der  (ilasur  xon  Fayenceflif^sen.  Beckmaim 
hat  außer  Kupferlasur  auch  Kobalt  als  Färbemittel  finden  wollen  \i, 


Ah 


141.      l;5echer  mit   Ilcrzauf lagen. 
Rouen,    Museum. 


')  Beckmann   a.   a.   O.   I  S.    378,      Quirlierel,   Revue  archeol.   X.   S.   28. 


284 

was  von  anderen  bestritten  wird.  So  weist  Klapproth  in  den 
von  ihm  untersuchten  saphirblauen  Gläsern  aus  Capri  Kiesel- 
erde, Eisenoxyd,  Alaunerde,  Kupferoxyd,  Kalkerde,  aber 
weder  Bleioxyd  noch  Kobalt  nach.  In  welcher  Weise  das 
Eisenoxyd,  das  seiner  Ansicht  nach  das  Eärbemittel  in  dieser 
Mischung  bildet,  dargestellt  wurde,  läßt  sich  nicht  bestimmen, 
das  Verfahren  ist  seit  seiner  Verdrängfung  durch  die  bequemere 
Kobaltmethode  verloren  gegangen.  Vielleicht  wurde  das  Eisen 
durch  Arsenik  zementiert.  Nach  den  Analysen  von  John  ent- 
hielten blaue  Gläser  aus  Memphis,  sowohl  altägyptische  wie 
solche  aus  römischer  Zeit,  ihre  Farbe  durch  Kupferoxyd. ^)  Es 
war  reines  Himmelblau  und  (^twas  dunkleres  Lapislazuli-Blau, 
teils  durchsichtig,  teils  opak.  Plinige  enthielten  zugleich  Spuren 
von  Eisenoxyd.  Bei  einer  .Sorte,  die  hell-lasurblau  und  stark  durch- 
scheinend war,  blieb  es  ungewiß  ob  sie  ganz  frei  \'on  Kobalt  war, 
dagegen  war  blaues  Glas  von  Theben,  dunkel-azurblau  und  durch- 
sichtig, sicher  mit  Kobalt  gefärbt.  Das  durch  Kupferoxyd  ge- 
wonnene Blau  ist  mehr  oder  weniger  reines  Berg-  oder  Türkisblau. 
Während  saphirblaues  durchsichtiges  Glas  aus  Italien  nach 
Minutoli  mit  Kobalt  gefärbt  ist  und  Brogniart  auch  in  dunkel- 
blauem ägyptischen  Glase  außer  Kiesel  und  Alkali  Kobalt  und 
ein  wenig  Ivalk  fand,  letzteren  wohl  zu  dem  Zwecke  die  Farbe 
heller  zu  machen,  entdeckte  Russell  in  altägyptischen  Gläsern 
keine  Sjnir  von  Kobalt.  Die  blaue  Farbe  von  Gurob  ist  die 
beste,  weniger  gvit  die  in  Kahün  gefundene.  Sie  variiert  sehr 
stark  und  geht  einerseits  in  \-iolette,  andererseits  in  grünliche 
Töne  über.  Zur  I  lerstellung  sind  Ku])fersilikate  verwendet, 
ebenso  für  grüne  und  andere  Farben,  wobei  die  Stücke  gleich- 
falls entweder  ,ge]uilvert  oder  mit  Wasser  in  einer  Schale  ab- 
gerieben wurden.  Yon  Kobalt  fand  sich  keine  vSpur,  iiuch  nicht  bei 
dem  sogenannten  ale xan d r in i sehen  Purpur  an  einem  kleinen 
Stücke  Glas,  dessen  tiefes  Blau  ins  rote  s])ielte.  Im  allgemeinen 
beansprucht  bei  der  Mischung  die  Kieselerde  60 — 80  "/(,,  das 
Alkali  sehr  wenig,  etwa  io'7(i.  in  Form  von  Pottasche  und  Soda- 
karbonaten. Dazu  kommt  das  Kupfer  zur  Färbung,  sowie  Kalk 
und  geringe  Mengen  anderer  Bestandteile. 

1)  John  a.  a.   O.   S.   36  f. 


285 

Hei  klassischen  Schriftsti'lleni  haben  sich  keinc^  X'orschrifttni 
zur  l^'ärbuiiy-  des  (ikises  erhahen.  Nur  eine  spätj^riechische  Ab- 
handhuis^-  unter  dem  Titel  noir^aig  xavara/Man'  enthält  einig-e 
recht  sonderbare,  an  Alchyniistenweisheit  erinnernde  (ieheim- 
niitttd,  unter  welchen  Ei  und  llühnerblut  die  Hauptrolle  spielen. 
Mit  I^i\\tM^  mache  man  gelbes  Glas,  mit  Eigelb  weißes;  die 
Schale  und  ihre  I  läutchen  ergeben  Wassergrün  (tVasinos);  Blau 
bekäme  man  aus  dem  IMute  eines  schwarzen  llahni^s,  und  aus 
der  Vereinigung  \on  alledem  (Mitstünde  Zinnoljerrot.  Diese 
Anweisungen  sind  bezeichnend  für  die  Geheimniskrämerei, 
welche  die  (Tlasmachf^r  mit  ihrer  Kunst 
trieben.  Kann  man  sich  dann  wundern, 
wenn  über  sie  Märchen,  wie  das  vom  häm- 
merbaren Glase  in  die  Welt  gesetzt  und 
)3-eglaubt  wurden? 

I  )er  gewöhnliche  blaue  Farbstoff  der 
Alten  heißt  xvuvog,  lat.  Caeruleum.  Theo- 
l)hrast  5 1  unterscheidet  davon  drei  .Sorten, 
ägyptischen,  skythischen  und  kyprischen  Abh.  142.  Becher  mit  drei- 
Kyanos.  Den  griechischen  nennt  er  ge-  eckigen  Auflagen.  Rom, 
gössen  und  künstlich  hergestellt:  beim  Rei-  Knchenanum. 

l)en  ergeben  sich  vier  Schattierungen.  Dios- 

korides  kemit  nur  den  kyprischen,  durch  Brennen  aus  dem  Ufer- 
siinde  gewonnenen, \itru\"  nur  künstliches  Caeruleum,  das  in  Alexan- 
dria erfunden  worden  war  und  auch  nach  Puteoli  eingeführt 
wurde.^)  Die  Herstellungsart  ist  nach  ihm  folgende:  Der  Sand  (nach 
I^linius  gleichfalls  aus  Ägypten  herübergebracht)  wird  zusammen 
mit  Klos  nitri  (zerfallenes  oder  verwittertes  kohlensaures  Xatron?) 
zu  Mehl  gemahlen  und  dann  mit  kyprischen  Kupferfeilspänen 
gemengt,  so  daß  eine  fest<^  knetbare  Masse  entsteht.  Die  darauN 
mit  der  Hand  geformten  Kug-eln  werden  getrocknet  und  in 
einen  glühenden  Ofen  gelegt.  Im  Feuer  verbindiMi  sicli  Ku])fer 
und  vSand  und  geben  eine  schöne  blaue  Farbe,  welche  neben 
dem  Namen  Caeruleum  Puteolanum  auch  den  Namen  Cylon 
führt.     Plinius,   der   aus  \'itru\-    und    Dioskorides   schöpft,   nennt 


1)  Blümner    a.  a.  O.    IV.    S.  499  f.     Heibig,    Das    homerische    Elpos,    S.  So. 
Lepsius,  Die  Metalle  in  den  ägyptischen  Inschriften,  S.  129  f. 


286 

noch  ein  spanisches  Caeruleum  und  eine  .Sorte  namens  Lomentum, 
die  durch  Zerreiben  des  eig"entHchen  Caeruleum  hery^estelU  wurde, 
heller  und  teurer  war. 

Die  iVlten  erwähnen  auch  einen  Edel-  oder  Halbedelstein 
unter  dem  Namen  xvaiog  von  blauer  Farbe.  Plinius  bezeichnet 
als  dessen  Fundorte  eben  die  drei  GetJfenden,  in  welchen  nach 
Theophrast  die  Farbe  gleichen  Namens  jj^ewonnen  wurde.  Es 
liegt  nahe,  anzunehmen,  daß  wenigstens  einige  Arten  des  bFiuen 
Farbstoffes  iius  diesem  Material  hergestellt  sind.  So  \'ermutet 
John,  wie  früher  Gilbert,  daß  d^is  skythische  Caeruleum  ein  aus 
Easurstein  gewonnenes  Ultramarin  sei,  da  sich  Easurstein  noch 
heute  am  Baikalsee  wie  früher  im  alten  Skythien  finde;  das 
kyprische  Caeruleum  erklärt  er  als  ein  aus  Kupferlasur  her- 
gestelltes Kupfer-  oder  Bergblau,  da  in  Cypern  kein  E^isurstein, 
wohl  aber  Kupfer  gewonnen  werde.  Das  ägyptische  Caeruleum 
aber  sei  ein  Kunst])rodukt,  l)laues  Kupferglas  von  doppelter 
Art:  Das  eine  künstliches  Bergblau,  entstanden  infolge  Zersetzung 
des  kyprischen  Vitriols,  welches  sich  aus  verwittertem  Kupferkies 
bildet;  das  andere  eine  blaue  Clasfritte  aus  Sand,  Kupfer  und 
Alkali.  Das  puteolanische  sei  im  allgemeinen  von  gleicher 
Eigenschaft,  das  Eomentum  aber  sowohl  Kuj^ferblau  wie  Ultra- 
marin. Diese  Vermutung  wird  durch  die  l'ntersuchungen  von 
Eepsius  bestätigt.  Danach  war  das  ägvjitische  Chesbet  sowohl 
ein  Stein,  und  zwar  Lasurstein,  Eapislazuli,  wie  gleichzeitig  ein 
Farbstoff.-')  Die  blauen  (rlasflüsse  der  ^Vgypter  haben  bei  der 
chemischen  Lhitersuchung  als  färl:)ende  Basis  Ku])fer  ergeben, 
ebenso  die  Untersuchungen  der  Farben  für  (rläser,  und  zwar 
bei  allen  Arten  von  Blau.  Sonst  hat  sich  darin  auch  Kobalt 
nachweisen  lassen,  was  Beckmann  bestreiten  wollte.")  Da  die 
mikroskopische  Betrachtung  aller  blauen  Farbstoffe  bewies,  daß 
sie  aus  Glassplittern,  also  aus  gepulvertem  Glase  bestehen,  so 
scheint  es,  daß  man  das  unechte  Chesbet  oder  xj^ßjog  aus  einem 
mit  Kui)fererz  g'efärbten  Glase  bereitet  habe.  Diese  Farbe  mußte 
ungleich  dauerhafter  sein  als  die  direkt  aus  gestoßenen  Kupfer- 
erzen gewonnene  und  gerade  durch  die  Dauerhaftigkeit  zeichnen 


John  a.  a.  O.     Gilbert,  Annalen  der  Physik  5^,  22  f.     Lepsius  a.  a.  O.  S.  55  ff. 
Beckmann  a.   a.   O.   S.  204. 


!87 


sich  die  blauen  b'arben  der  Ai^ypter  aus.  I)i(^se  blaue  dlasiuasse 
kam  in  Zieg-elform  in  den  Handel.  Das  stimmt  /um  Berichte 
Theophrasts.  Dieser  k(Mint  echten  Lapislazuli  und  unechten, 
als  x^^^  bezeichneten.  X'on  dies(^n  wird  aber  noch  als  dritte 
Art  der  unbekannte  und  unechte  /.vavog  unterschieden,  d.  h. 
rohe  blaue  Kupferlasur,  die  in  Puherform  ^gleichfalls  schöne 
blaue  Farbe  gibt,  aber  von  i^-eringer  Haltbarkeit.  Die  Solidität 
hänijft  auch  sehr  von  der  Menge 
des  Zusatzes  \on  Kreide  ab.  F.s 
gibt  nicht  nur  blaue  Gkisperlen, 
sondern  auch  Gefäße,  welche 
durch  Verwitterung  \öllig  die 
Farbe  eingebüßt  haben  und  wie 
ein  roher  Gipsabguß  aussehen. 
Selbst  die  Fadenverzierung  ist 
verschwunden  und  xon  dem 
Wellen-  und  Zickzacknnister 
nichts  als  vertiefte  Streifen  übrig 
geblieben.  Diese  dritte  Art,  die 
Dioskorides  iillein  nennt,  ist 
das  kyprische  Caeruhnun.  Das 
skythische  des  Theo})hrast  ist 
echter  Lapislazuli,  bzw.  Ultra- 
marin, diis  Spanische  wohl  gleich- 
falls Ku])ferlasur. 

Bei  der  Ausbreitung  der  Glasindustrie  spielten  die  leicht 
transportablen  Pasten  in  P'orm  kleiner  Ziegel,  Blöcke,  Kuchen 
und  vStangen  eine  große  Rolle.  So  konnte  das  schöne  ägvp- 
tische  Blau  ebenso  gut  in  Gallit-n  und  P)ritannien.  wie  in 
Alexandria,  Memphis  und  Cam])anien  zu  Gefäßen,  namentlich 
iiber  zu  SchmuckperlcMi ,  Armringen,  Fmails,  zu  farbigem 
Fadenschmucke  und  Mosaikwürf(^ln  \erarbeitet  werden,  selbst 
in  Werkstätten,  die  sich  sonst  niclit  auf  die  P"ärbung  des  Glases 
verlegten.  Das  war  für  die  Industrie  \on  außerordentlichem 
Vorteile,  zum£il  sich  der  F\])ort  nicht  auf  lasur-  und  türkis- 
blaue Glaspasten  beschränkte,  sondern  auch  blut-  und  lac-k- 
rote,  smaragdgrüne,  ferner  Stabbündel  von  Mosaik-  und 
Millefioriglas,    mit    Blattgold    belegte     Pasten    umfaßte   und    da- 


Abb.    143.      Becher  mit   langgezogenen 
Tränen.     Rouen,  Museum. 


durch    namentlich    die    Entfaltung-    der    gallischen   Emailindustrie 
begünstigte. 

Smaragdgrün,  das  besonders  im  IL  Jahrhundert  beinahe 
ebenso  beliebt  war  wie  \'orher  Türkisblau ,  konnte  in  Ägypten 
am  einfachsten  dadurch  hergestellt  werden,  daß  man  dem  roten 
Wüstensande  Eisen  hinzufügte,  doch  auch  mittels  Kupfers.  Nur 
mußte  in  diesem  Falle  der  Zusatz  stärker  sein  und  die  Tempe- 
ratur sehr  erhöht  werden.  Die  grüne  Farbe  erscheint  im  Brande 
ehe  die  Fritte  ihre  gewöhnliche  blaugrüne,  \'on  diesem  Augen- 
blicke an  ständige  Farbe  erreicht,  verschwindet  aber  wieder, 
wenn  die  Erhitzung  um  ein  geringes  gesteigert  wird.  Die 
wSchattierungen  entstehen  bei  einem  Zusätze  von  lo  und  mehr 
Prozenten  der  Kupferkarbon^ite  rein  zufällig  und  gehen  bei 
einer  Erhöhung  bis  20 "/,,  in  Lila  über.  Helles,  undurchsichtiges 
S]Kingrün  von  glänzendem  Bruche  hat  dieselben  Bestandteile 
wie  Kupferrot,  nur  in  anderen  ^Vrhältnissen  und  mehr  Kupfer- 
oxyd als  Bleioxyd;  jenes  gibt  Grün,  wenn  es  vollständig  mit 
Sauerstoff  gesättigt  ist.  Als  Komplementärfarbe  von  Purpur 
konnte  Smaragdgrün  auch  durch  (ioldpurpur  hergestellt  werden. 
Ileraclius  schreibt  hierfür  Kuj^ferfeile  wie  für  Galienum ,  für 
Purpurrot  \'or.-^)  Nahm  man  davon  ein  wenig  in  Pulverform, 
so  entstand  das  gelbe,  Cerasin  (Wachsgelb)  genannte  Glas. 
Bleiglas  färbt  Ileraclius  mit  Messingfeile  grün.  Nach  Russells 
Analyse  wurde  Gelb  in  Gurob  durch  Eisen  und  Oker  hervor- 
gerufen. Gelbes  altägyptisches  Glas  enthält  Eisenoxyde  in 
hydratischem  Zustande,  mit  Zusätzen  von  Kieselerde,  Alaun  und 
vS])uren  anderer  Substanzen.  Die  Farbe  ist  sehr  dauerhaft  und 
kommt  in  allen  Varianten  \-on  warmem  Orange  bis  zu  kaltem 
Schwefelgelb  vor.  Safrangelb  erhielt  man  durch  Zusätze  von 
Chlorsilber,  opakes  Weiß  durch  Zinnoxyd.  Schwarzes  Glas, 
das  Rüssel  einer  Mumie  entnahm,  war  dem  Obsidiiin,  dem 
natürlichen  vulkanischen  Glasflüsse,  ähnhch,  aber  leichter 
schmelzbar  und  von  geringerer  Härte.  Es  war  durch  Eisen 
gefärbt.  \"öllig  undurchsichtiges  Schwarz  enthält  größere,  leicht 
grünlich  durchscheinendes  geringere  Zusätze  von  Magneteisen- 
stein.^)    Das  schwarze  Glas,  das  gegen  das  Licht  gehalten  einen 

^)   Heraclius   7,    3. 

-)   Hilburg  a.   a.   O.      Blümner  a.  a.   O.   IV.   S.   392  f. 


289 

Stich  ins  rötliche  oder  bräunhche  zeig-t,  wie  die  beiden  Becher 
in  Kühl  und  Namur,  erhieU  seine  Farbe  nach  Phnius  angebhch 
durch  den  sehr  eisenhidtig-en  Marmorstaub  des  Lapis  Alabandicus 
aus  Karien,  den  man  aber  wohl  durch  andere  eisenhidtige  Sub- 
stanzen ähnlicher  Art  ersetzen  konnte. 

In  Teil  el  Amarna  fand  Russell  bei  Gelegenheit  der  Petrie- 
schen  Ausgrabungen  zahlreiche  Bruchstücke  von  flachen  Pfannen, 


a  b  d  CS'  ' 

Abb.    144.      Gruppe   von   Xuppengläsern.     Köln,   Sammlung   M.   vom   Kalh. 


in  welchen  die  Glasmasse  gemischt  und  geschmolzen  wurde. 
Die  hier  verwendeten  Färbemittel  waren  dieselben,  wie  in  den 
älteren  Funden  von  ^Nledüm,  Gurob  und  Kahün.  Einzelne 
vScherben  stammen  von  Pfannen  her,  deren  Inhalt  nicht  völlig 
geschmolzen  war,  so  daß  sich  die  Bestandteile  noch  nicht  gehörig 
vermischt  hatten.  Die  Pfannen  waren  aus  grobem  Töpferton  ge- 
formt, hatten  ungefähr  4  Zoll  Durchmesser  und  waren  ursprünglich 
wahrscheinlich  mit  einigen  Ziegeln  bedeckt,  um  die  zehrenden 
Flammen  von  dem  linieren  abzuhalten,  da  die  Kanten  ge- 
schwärzt sind.  Sie  ruhten  im  Ofen  auf  den  Bodenrändern 
umgekehrter  zvlindrischer  Tc'ipfe.  Die  Fritt(\  die  in  d«^r 
einen  hergerichtet  wurde,  ist  licht\i()lett,  fliederfarben,  die  un- 
verbrauchte   Kieselerde    steckt    darin    in    großen,    durchsichtigen 

Kisa,  Das  Glas  im  Altertume.  IQ 


290 

Splittern  von  Quarzkieseln.  Daraus  geht  hervor,  daß  gepulverter 
Quarz  nicht  bloß  zur  Herstellung  farblosen,  sondern  auch 
farbigen  Glases  benutzt  wurde,  da  manche  Farben  sich  in  ganz 
reinem,  möglichst  eisenfreiem  Materiale  leichter  herausbringen 
ließen  als  in  gefärbtem.  Es  wurden  auch  zerbrochene  Pfannen 
mit  blauen  Glasfritten  gefunden,  wobei  Spuren  darauf  deuteten, 
daß  der  Haematit  zu  diesem  Zwecke  in  Töpfen  mit  Wasser 
eingerieben  worden  war. 

In  Hawara  wurden  interessante  Proben  von  Glaspigmenten 
der  griechisch-römischen  Periode  gefunden,  welche  mit  Wachs 
gemischt,  zur  Herstellung  der  berühmten  Mumienbildnisse  ge- 
dient hatten,  wie  sie  namentlich  im  Fayün  in  so  großer  Zahl 
und  vortrefflicher  Erhaltung  zutage  getreten  sind.-^)  Wahr- 
scheinlich bedienten  sich  die  griechischen  Maler  derselben  Farben 
zu  ihren  sogenannten  enkaustischen  Malereien.  Russell  fand  in 
Hawara  an  einer  vStelle  sechs  Töpfe  nebeneinander,  die  wohl 
den  Überrest  einer  Werkstatt  bilden  und  durch  einen 
glücklichen  Zufall  unberührt  geblieben  waren.  Am  Rande  der 
Töpfe  zeigten  sich  deutliche  Spuren  des  Pinsels,  mit  welchem  der 
Maler  die  Farben  entnahm  und  am  Rande  leicht  abstreifte. 
Jeder  Topf  enthielt  ein  bestimmtes  Farbenpigment,  im  ganzen 
sechs  verschiedene: 

Dunkelrotes  Pigment,  genau  unserer  gebrannten  Siena 
in  der  Farbe  entsprechend  und  mit  ihr  identisch,  da  es  gleich- 
üdls  aus  Eisenoxyd  besteht.  Es  löst  sich  wie  die  Terra  di  Siena 
nicht  völlig  in  Salzsäure,  sondern  hinterläßt  eine  flockige  Masse 
und  etwas  Kieselsäure.  Es  ist  durch  Erhitzen  und  Pulverung 
von  Eisenocker  gewonnen. 

Hellrotes  Pigment  ist  ein  Bleioxyd,  bekannt  als  rotes 
Blei  oder  Minium,  Alennige.  Es  wird  aus  Blei,  Bleioxyd  oder 
kohlensaurem  Blei  durch  Erhitzung  bis  zur  Glut  hergestellt,  ist 
von  blasserer  Farbe  als  das  heute  sogenannte  Mennig  und  mit 
etwas  Sand  und  .Staub  gemischt. 

Gelbes  Pigment  ist  ein  Eisenocker  von  hellgelber  Farbe. 
Durch  Erhitzung  wird  es  dunkler  und  bekommt  eine  stumpfrote 
Farbe.    Wahrscheinlich  diente  dasselbe  Material  zur  Herstellung 


^)  Flinders  Petrie,  Hawara  S.   67  f. 


291 


des  dunkel-braunroten  Pigrnentes.  Es  war  in  dem  Topfe  bereits 
mit  Ol  oder  Wachs  jjfemischt,  also  zum  Malen  hergerichtet, 
denn  bei  der  Erhitzung  bis  zur  Weißglut  entwickelten  sich 
Dämpfe  wie  von  organischen  Stoffen. 

Weißes  Pigment  besteht  aus  Kalksulphat  oder  Gips,  haftet 
sehr  fest,  läßt  sich  aber  mit  einem  Messer  leicht  schneiden  und 
kratzen.  [tMlcnfalls  ist  es  sorgfältig  gemahlen  und  fertig  zum  Ge- 
brauche hergerichtet,  so  daß  es  noch  heute  verwendet  werden 
könnte.  Mit  bloßem  W^asser  gemischt 
würde  es  eine  vortreffliche  Farbe  für 
\erschiedene  Zwecke  abgeben. 

Rosa  Pigment  ist  von  allen 
anderen  verschieden.  Wälirend  diese 
mineralisch  sind,  ist  zu  Rosii  eine  orga- 
nische Substanz  verwendet.  Es  ist  er- 
staunlich, daß  eine  solche  sich  durch 
viele  Jahrhunderte  anscheinend  mit  nur 
geringen  Änderungen  erhalten  hat.  So- 
bald man  das  Pigment  erhitzt,  wird 
die  Farbe  sofort  zerstört,  wobei  sich 
ein  leicht  brenzlicher  Geruch  entwickelt 
und  eine  weiße  Substanz  übrig  bleibt, 
die  an  Menge  der  ursprünglichen  gleich 
ist.  Dieser  Überrest  ist  Kalksulphat 
(Gips)  und  stimmt  mit  dem  weißen 
Pigment  überein.    Das  Färbemittel  muß 

daher  in  einer  organischen  .Substanz  von  so  geringer  Menge 
gesucht  werden,  daß  sie  sich  durch  die  chemische  Analvse  gar 
nicht  nachweisen  läßt.  Russell  versuchte  es  durch  Synthese  zu 
finden  und  kam  auf  Krapp,  das  als  Färbemittel  schon  in  den 
frühesten  Zeiten  bekannt  war.  Mit  der  Krap]nvurzel  erzielte  er 
eine  mit  dem  ägyptischen  Rosapigmente  vollkommen  über- 
einstimmende Substanz.  Diese  wurde  mit  Wasser  gekocht, 
abgekühlt  und  durchgeseiht,  hierauf  mit  Gips  gemischt,  mit 
welchem  sie  sich  aufs  innigste  verbindet,  und  schließlich  gepulvert. 
Die  Menge  des  Krappzusatzes  bestimmt  die  Tiefe  der  Färbung. 

Blaues   Pigment.     Dieses   ist   eine   Fritte,    d.  h.  nicht  zu- 
sammengeschmolzenes Glas,    das  fein  zermahltMi    ist.     Die  Farbe 

19* 


Abb.    145.      Polypenbecher. 
Köln,   Sammlung  M.  vom  Rath. 


rührt  wie  bei  den  früher  beschriebenen  Pigmenten  von  Kupfer 
her,  ist  ungemein  haltbar  und  wird  weder  von  starken  Säuren 
noch  durch  das  Licht  angegriffen. 

Mit  dem  farbigen  Glase  konnte  sich  das  farblose  nicht 
messen,  solange  man  es  noch  nicht  an  der  Pfeife  zu  blasen 
verstand,  sondern  wie  das  farbige  mit  freier  Hand  modellierte, 
goß  und  durch  Pressung  und  Schnitt  bearbeitete.  Wann  die 
für  die  Glasindustrie  epochemachende  Erfindung  der  Pfeife  ge- 
macht wurde,  wird  ebenso  wenig  berichtet,  wie  durch  wen. 
Froehner  macht  allerdings  den  Versuch,  auf  Grund  der  bekannten 
Legende  \'on  der  Erfindung  des  Glases  durch  phönizische  Schiffer 
diesem  Volke  das  Verdienst  der  ersten  Erzeugung  farblosen 
Glases  beizumessen,  aber  auch  dieses  gebührt  den  Ägyptern. 
Schon  in  der  i8.  Dynastie  war,  nach  den  Funden  in  Teil  el 
Amarna  zu  schließen,  farbloses  Glas  bekannt,  das  man  aus  ge- 
pulverten Quarzkieseln  herstellte.  Doch  macht  Russell  darauf 
aufmerksam,  daß  es  dieses  Mittels  nicht  bedurfte,  da  der  weiße 
Wüstensand  mancher  Gegenden  gleichfalls  eisenfreies,  dem- 
nach farbloses  Glas  ergab.  Zuerst  wurde  es  zu  vSchmucksachen, 
Perlen  u.  a.  benutzt,  die  mitunter  aus  zwei  Hälften  bestehen, 
zwischen  welche  eine  Schicht  von  Blattgold  eingelegt  ist.  Auch 
Armringe,  wie  die  in  Gräbern  aus  der  späten  Hallstadtzeit  in  Mergel- 
stätten in  Württemberg,  aus  der  Latenezeit  in  Dühren  im  Badischen 
und  an  anderen  Orten  (s.  S.  68)  gefundenen,  enthalten  im  Lmeren, 
bezw.  an  ihrer  inneren  flachen  Seite,  eine  Lage  von  Blattgold. 
Außerdem  gibt  es  farblose  und  farbige  Perlen,  die  außen  teils 
mit  Goldornamenten  verziert,  teils  vollständig  mit  Blattgold  be- 
legt sind.  Solche  Perlen  sind  namentlich  in  der  saitischen 
Periode  nicht  selten;  auch  in  den  Ruinen  von  Kujundschik  wurde 
ein  farbloser  Glaswürfel  mit  Überzug  von  Blattgold  gefunden. 
Aber  daneben  wurden  selbst  Gefäße  aus  farblosem  Glase  modelliert. 
Das  berühmte  Fläschchen  Sargons  (VIII.  Jahrhundert  vor  Chr.)  be- 
steht aus  grünlich  durchscheinendem  Glase  (vgl.  S.  102  und  Abb.  22). 
Aus  ähnlichem,  mehr  trüb-grauem,  ist  ein  Napf  im  Antiquarium 
zu  München  hergestellt.  Er  hat  gedrückte  Kugelform,  ist  sehr 
dickwandig  und  außen  mit  sechs  runden  Nuppen  —  Ringen  mit 
einem  Punkt  in  der  Mitte  —  verziert.  Auch  er  scheint  aus  freier 
Hand   modelliert    und   nachträglich    durch    Schliff   bearbeitet    zu 


293 


sein.^)  (Abb.  52).  Seine  Fntstehung-szeit  ist  unbestimmt,  dürfte 
jedoch  in  die  s^iitische  Periode  fallen.  Dieser  gehören  iiuch 
die  Schälchen  ans  farblosem,  trüb  durchscheinendem  Glase  an, 
die  man  in  (jräbern  der  späten  1  lallstadtzeit  gefunden  hat 
(s.  S.  185),  sowie  die  Kugelflaschen  aus  farblosem  Glase,  im 
Britischen  Museum  aus  Gräbern  der 
26.  Dynastie  (666 — 525).  Im  Louvre  be- 
findet sich  ein  großes  Gefäß  aus  üirb- 
losem  Glase  mit  dem  Korbe,  in  welchem 
es  eingeschlossen  war,  angeblich  aus 
einem  thebanischen  Grabe.  Eine  andere 
Vase  im  Louvre,  spitzbauchig  und  sorg- 
fältig abgeschliffen  (Abb.  53),  wird  mit 
König  Amenret  in  Verbindung  gebracht, 
desssn  Name  auf  ihr  eingraviert  ist.') 
Vielleicht  ist  er  mit  dem  Amyrtes  der 
Griechen  identisch,  der  im  I\\  Jahrhundert 
vor  Chr.  herrschte.  Das  Material  ist  feines 
Krvstallglas,  die  Bearbeitung  vorzüglich. 
Auf  Reliefs  von  Theben  und,  wie  es  heißt, 
selbst  auf  solchen  des  alten  Reiches,  will 
man  durchsichtige,  mit  rotem  Weine  ge- 
füllte Gläser  bemerkt  haben,  doch  ist  diese 
Beobachtung  bisher  nicht  genauer  unter- 
sucht    worden.")       Etwas     ähnlicheN    wird 

aus  der  Zeit  Alexanders  d.  Gr.  aus  Griechenland  berichtet. 
Der  Maler  Pausias  von  .Sikyon,  ein  Zeitgenosse  des  Apelles, 
soll  in  seinem  Gemälde  der  „Trunkenheit"  eine  Erau  dar- 
gestellt haben,  welche  eine  Schale  an  die  Lippen  setzt,  doch 
so,  daß  die  Gesichtszüge  durch  sie  sichtbar  waren.  Dasselbe 
Motiv  ist  auf  einem  Wandgemälde  des  Museo  Borbonico  in 
Neapel,  das  aus  Ilerculanum  stammt,  zu  einem  niedlichen  Stil- 
leben ausgenutzt."*)     Es    zeigt    einen   \'ogel,    daneben    eine  (xlas- 


Abb.     146.       Flasche     mit 
Fadenverzierung.  Köln, 

Sammlung    M.    vom    Ratli. 


^)  Christ,   Führer  S.  117,   Xo.  635. 

*)   Xach   der  Lesung  von  M.   de  Rouge.     Die   Vase  ist  auch  bei  Deville  T.  IVB 
abgebildet.     Vgl.  die   Bemerkung  über  die  saitischen  Grabreliefs  S.  75. 
')   Ilg  bei  Lobmeyr  S.  7  f. 
*)  Pistolesi,  Museo  Borbonico  Bd.  V.  T.  93. 


294 

kanne,  über  welche  ein  fußloser  Kugelbecher  g-estülpt  ist. 
Dieser  ist  farblos  durchsichtig,  mit  g-ravierten  Reifen  verziert 
und  läßt  den  Flaschenhals  vollkommen  durchleuchten.  Letztere 
Darstellung  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  da  sie  aus  einer  Zeit 
stammt,  in  der  man  bereits  farbloses  Glas  nicht  nur  zu  formen, 
sondern  auch  zu  blasen  verstand,  sie  läßt  aber  erkennen,  daß 
ein  solcher  Grad  von  Durchsichtigkeit  immerhin  noch  als  eine 
^Merkwürdigkeit  betrachtet  wurde  und  bildhcher  Darstellung 
wert  erschien.  Aber  auch  die  Nachricht  von  der  Schale  des 
Pausias  hat  nichts  bedenkhches,  da  farblose  Gläser  in  der  Zeit 
Alexanders  aus  Ägypten  und  dem  übrigen  Oriente  leicht  nach 
Griechenland  gelangen  konnten:  übrigens  kann  es  sich  auch  um 
einen  Becher  aus  Bergkry stall  handeln,  das  damals  sehr  hoch 
geschätzt  und  beliebt  war.  In  die  Ptolemäerzeit  oder  in  die  der 
ersten  Kaiser  wird  der  schöne  Torso  einer  Statuette  der  Aphro- 
dite versetzt,  die  aus  durchsichtigem  Krystallglase,  wahrscheinlich 
nach  einer  Bronzefigur  hergestellt  ist.  »Sie  befand  sich  in  der 
CoUection  Hoffmann  in  Paris.  ■^) 

Daß  man  farbloses  Glas  aus  Ouarzkieseln  bereiten  könne, 
wußte,  wie  ich  schon  früher  bemerkt  habe,  auch  Plinius.  »Seine 
Mitteilung,  daß  die  Inder  den  Bergkrystall  gepulvert  haben,  um 
daraus  reines  Krystallglas  zu  erzeugen,  dürfte  gleichfalls  so  zu  ver- 
stehen sein,  daß  sie  eine  besonders  feine  Sorte  von  krystallinischem 
Quarz  Krystall  benannt  und  diese  anstatt  des  vSandes  zur  Glas- 
schmelze verwendet  haben.  ]\Ian  kann  unmöglich  annehmen,  daß 
sie  einen  kostbaren  Stoff  zerstört  haben  sollten,  um  daraus  ein 
bloßes  Surrogat  zu  gestalten,  zumal  der  natürliche  Krystall  im 
Werte  stieg,  je  täuschender  man  ihn  in  Glas  nachzubilden  ver- 
stand. C.  Priedrich  macht  zur  Erklärung  jener  Nachricht  auf 
die  merkwürdige  Tatsache  aufmerksam,  daß  die  heutigen  Glas- 
macher von  Zwiesel  im  bayrischen  Walde  den  reinen  Quarz, 
welchen  sie  zur  Bereitung  des  Glases  verwenden,  gleichfalls 
als  Krystall  bezeichnen  (s.  S.    io6).-) 

Vollkommen  farblos  und  wasserhell  war  übrigens  das  durch 
Quarz    gewonnene    Glas   ebensowenig,    wie   das    aus   eisenfreiem 


^j  Abgebildet  in  le  Musee  III  (1906)  No.    12,  Fig.  42. 
'^)  C.  Friedrich  im  Bonner  Jahrb.   74,  S.    164  f. 


295 


Sande  herg-estellte.  N£ich  Hinders  Petrie  hat  jenes  in  Ägypten 
einen  Stich  ins  violette.  Die  daraus  modelHerten  oder  gegossenen 
Gefäße  und  Geräte  waren  dickwandig,  schwerfällig  und  bei  der 
plastischen  Bearb(Mtung  keineswegs  den  schönen  farbigen  Gläsern 
ebenbürtig,  so  dal)  das  Material  recht  wohl  dem  nach  Sempers 
Ausdruck  „aufs  Plastische  gerichteten  .Sinne  der  Alten"  wider- 
streben mochte.  Das  änderte  sich  aber  mit  der  Erfindung  der 
Glaspfeife.  Erst  das  gebkisene  Glas  enthüllte  die  Mängel  des 
bisherigen,  erst  an  der  Pfeife  entwickelte 
das  Krystallglas  so  recht  seine  Vorzüge 
vollkommener  Farblosigkeit,  Durchsichtig- 
keit und  Dünnwandigkeit.  Bei  farbigen 
Gefäßen  kam  es  ja  weniger  auf  Durch- 
sichtigkeit an,  welche  oft  schon  dadurch 
beeinträchtigt  wurde,  daß  der  Eormsand 
im  Inneren  teilweise  haften  blieb.  So 
hängen  Farblosigkeit  und  Durchsichtigkeit 
aufs  engste  mit  dem  Prozesse  des  Blasens 
an  der  Pfeife  zusammen.  Erst  seit  man 
das  Glas  durch  Blasen  zu  formen  verstand, 
bemühte  man  sich  es  völlig  rein,  durch- 
sichtig und  farblos,  gleichsam  körperlos 
darzustellen. 

Manche  F"orscher  nehmen  an,  daß 
diese  Erfindung,  von  welcher  eine  neue 
Epoche  der  Industrie  datiert,  in  die  Ptole- 

mäerzeit  fallen  müsse.  Aber  die  Gläser  des  Gnibfeldes  von 
Idalium  in  Cypern,  welches  angeblich  die  ältesten  geblasenen 
Gefäße  enthält,  gehören  nicht  durchweg  jener  Zeit  an,  sondern 
rücken  teilweise  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  und  nach  Xyres 
fallen  gerade  die  angeblichen  Beweisstücke  für  jene  Ansicht 
sämtlich  in  letztere  hinein.^)  Ebenso  enthalten  die  ptolemäischen 
Grabstätten  Ägyptens  noch  keine  geblasenen  Gläser.  Weder 
die  vom  Fayün,  noch  die  von  Alexandria  und  die  des  Begräbnis- 
platzes von  Chatby  hiiben  bisher  ein  einziges  geblasenes  Glas 
ergeben,     das    sich    mit    Sicherheit    der    ptolemäischen    Epoche 


Abb.    147.      Kugelflasche 

mit  farbigen  Nuppen. 

Köln,   Xießen. 


^)   Vgl.  Edgar,  Graeco-egyptian  Glass.  Katalog  des  Museums  von  Kairo.  Einleitung. 


296 

zuweisen  ließe.  Ferner  erklärt  Dr.  Breccia  ausdrücklich,  daß  sich 
im  Museum  von  Alexandria  geblasenes  Glas  vor  der  Kaiserzeit 
nicht  finde.  Kaiserrömisch  sind  auch  die  geblasenen  Gläser 
des  Museums  von  Kairo,  welche  von  den  Ausgrabungen  her- 
rühren, die  Flinders  Petrie  1S88  auf  dem  Friedhofe  von  Havara 
anstellte.  Dieser  war  ungefähr  von  250  vor  Chr.  bis  ins 
VI.  Jahrhundert  nach  Chr.  in  Benutzung,  enthält  aber,  soweit 
eine  Datierung  der  Funde  möglich  ist,  gleichfalls  keine  vor- 
römischen geblasenen  Gläser. 

Das  Datum  der  Erfindung  des  Glasblasens  ist  somit  durch 
den  Ausschluß  der  Ptolemäerzeit  nach  oben  ungefähr  mit  dem 
Jahre  20  vor  Chr.  begrenzt.  Der  Termin  nach  unten  ergibt 
sich,  wenigstens  annähernd,  durch  mehrere  literarische  Zeug- 
nisse und  einzelne  für  die  Entwicklungsgeschichte  der  Industrie 
wichtige  Momente,  deren  Datum  gesichert  ist. 

Bei  Beginn  der  christlichen  Aera  gilt  das  farblose  Kr}^stall- 
glas  für  so  kostbar,  daß  die  Dichter  keinen  poetischeren  Vergleich 
für  klares  Wasser,  die  Quelle,  den  Morgentau  kennen,  als  das  Glas, 
während  wir  umgekehrt  die  Reinheit  des  Glases,  des  Edelsteines, 
mit  dem  Wasser  vergleichen,  von  wasserhellem  Glase  sprechen 
und  das  Wasser  des  Diamanten  rühmen  (s.  S.  173).  Daß  das  ge- 
blasene Glas  \-on  Seneca  als  eine  ganz  moderne  Erfindung 
betrachtet  wurde,  geht  aus  folgender  Stelle  seiner  Briefe  hervor: 
„Cuperem  Posidonio  vitrarium  ostendere,  qui  spiritu  vitrum  in 
plurimos  habitus  format,  qui  vix  diligenti  manu  effingerentur. 
Ilaec  inventa  sunt  postquam  sapientem  invenire  desivimus". 
Der  Philosoph  bekämpft  d£ibei  die  Ansicht  des  Posidonius,  daß 
die  mechanischen  Künste  von  den  Gelehrten  (sapientes)  erfunden 
worden  seien.  Gleichzeitig  hält  es  der  für  Luxus  unempfindliche 
Stoiker  im  Grunde  für  „gleichgültig  ob  ein  anständiger  Mensch 
aus  einem  durchsichtigen  Glase  trinke  oder  einem  geringeren." 
Andere  Bemerkungen  antiker  Schriftsteller  lassen  nicht  daran 
zweifeln,  daß  unter  den  ersten  Kaisern  die  allgemeine  Aufmerk- 
samkeit durch  verschiedene  sensationelle  Erfindungen  auf  dem 
Gebiete  der  Glasindustrie  erregt  wurde.  Plinius  kennt  bereits 
das  Glasblasen  und  teilt  die  Erzeugnisse  aus  Glas  in  drei  Gruppen, 
die  geblasenen,  die  mit  dem  Rade  geschliffenen  und  die  wie 
Silber  ziselierten.      Er   bewundert   auch  das  farblos-durchsichtige 


297 


Glas  in  jener  auf  S.  173  angeführten  Stelle,  wo  er  die  verschie- 
denen, den  Edelsteinen  nachgeahmten  Farben  der  Gläser  aufzählt 
und  dem  Krystallglase  den  \"orrang  vor  allen  anderen  einräumt. 
Das  ordinäre  grünliche  Glas  konnte  man  damals  in  Rom 
bereits  biüig  haben,  ein  Trinkbecher  kostete  nicht  mehr  als  eine 
mittlere  Kupfermünze.  Dagegen  bezahlte  Nero  für  zwei  kleine 
Becher  aus  Krystallglas  6000  Sesterzien,  etwa  900  Mark.  Petro- 
nius,  sein  Zeremonienmeister  und  X'ertrauter,  der  Autor  des  „Gast- 
males des  Trimalchio", 
bezeichnet  diese  Becher 
als  \Winderwerke,  Plinius 
nennt  sie  angeblich  „calices 
petrosi",  ein  Ausdruck,  der 
wahrscheinlich  entstellt  ist 
und  durch  „pteroti"  zu  er- 
setzen ist  (s.  S.  176).  Wir 
hätten  damit  nur  eine 
griechische  Übersetzung 
des  ^Vusdruckes  „calices 
alati"  gewonnen,  der  sonst 
ül)lich  ist.  Diese  geflügel- 
ten (iläser,  die  „leicht  wie 
Vögelchen"  gewesen  sein 
sollen,  können  hohe  luftige 

Henkel,  etwa  in  der  Art  der  venezianischen  Flügelgläser  gehabt 
haben,  oder,  was  mir  wahrscheinlicher  dünkt,  körperlose,  leichte, 
durchsichtige  Gläser  gewesen  sein,  wie  jene,  welche  Martial  als 
„nimbus  \itreus"  charakterisiert.  Solche  poetisch  schwung\olle  Be- 
zeichnungen sind  ja  neuen,  überraschenden  Erfindungen  gegen- 
über, welche  die  Phantasie  erregten,  leicht  erklärlich.  Noch  mehr 
Phantasie  ließ  derselbe  Petronius  in  seiner  bekannten  Erzählung 
von  dem  hämmerbciren  Glase  des  Tiberius  walten,  die  aus  seinen 
Schriften  in  die  des  Heraclius  und  anderer  übergegangen  ist  und 
selbst  bei  modernen  Archäologen  große  Verwirrung  angerichtet 
hat.  Ich  habe  bereits  dargetan,  daß  die  außerordentliche  Vielseitig- 
keit, in  welcher  das  fremde  Produkt  auftrat,  besonders  bei  Laien 
ganz  abenteuerliche  \^orstellung-en  über  seine  Xatur  erregen 
mußte.     Früher    hielt    man    das    farbige    und    das    fiirljlose    Glas, 


Abb.    14S.      Becher  mit  farbigen   Nuppen   und 
Zickzackband.      Köln,   Museum. 


298 

den  geg"ossenen  Stein  und  den  Hyalos,  für  verschiedene  Produkte- 
und  erfuhr  nun,  daß  durchsichtig^e  Gefäße  mit  ReHefschmuck 
aus  demselben  Stoffe  bestanden,  wie  die  von  Toreuten  bear- 
beiteten Überfangg-läser  im  Stile  der  Portlandvase.  Wer  diese 
zur  Zeit  des  Pompeius  und  Augustus  aus  Alexandrien  herüber- 
gekommenen Kostbarkeiten  kannte,  und  nun  durchsichtige  Gläser 
zu  Gesichte  bekam,  deren  Reliefs  nicht  mit  dem  Rade  heraus- 
geschliffen waren,  sondern  aus  einem  gefügigen  Stoffe  wie  ge- 
triebene Arbeit  hervortraten,  mußte  leicht  geneigt  sein,  dem 
Glase  eine  schier  unbegrenzte  Bildsamkeit  zuzumuten,  eine  Bild- 
samkeit, die  der  des  Edelmetalles  gleich  kam,  diese  aber  durch 
eine  an  Körperlosigkeit  grenzende  Durchsichtigkeit  und  Leichtig- 
keit übertraf.  Es  war  ja  noch  nicht  allzulange  her,  daß  man 
die  ersten  Gläser  ägyptischer  Herkunft  kennen  gelernt  hatte, 
farbig  und  undurchsichtig,  wie  aus  kostbaren  Steinarten  ge- 
schnitten. Dann  waren  Platten  und  Vasen  mit  farbigen  Reliefs 
gefolgt,  mit  Mosaikmustern,  solche  mit  Marmor-  und  Onyxäderung, 
mit  bunten  Flecken,  andere  wieder,  die  dem  Krystalle  zum  Ver- 
wechseln glichen,  gepreßt,  gegossen,  ziseliert,  mit  dem  Rade 
bearbeitet,  mit  bunten  aufgelegten  Fäden  und  anderem  Besätze 
geschmückt.  In  wenigen  Jahrzehnten  machten  die  Römer  mit 
den  verschiedenartigen  Gestaltungen  einer  tausendjährigen  In- 
dustrie Bekanntschaft.  Und  gerade  damals,  ehe  sie  noch  Zeit 
gefunden,  all  das  fremdartige  in  sich  aufzunehmen,  tauchten  die 
neuen  Erfindungen  auf,  die  das  Wesen  dieser  Industrie  von  grund- 
auf  umgestalteten  und  sich  natürlich  mit  dem  Schleier  des  Fabriks- 
geheimnisses umgaben.  Wen  sollte  es  Wunder  nehmen,  daß  da 
der  Legendenbildung  Tür  und  Tor  geöffnet  war?  Man  denke 
nur  an  die  Märchen,  die  sich  im  Zeitalter  der  Naturwissen- 
schaften an  die  F^ntdeckung  der  Dampf  kraft,  der  Elektrizität,  des 
Telephons,  der  Röntgenstrahlen  knüpften,  die  sich  vorher  der 
Erfindung  der  Buchdruckerkunst,  des  vSchießpulvers,  bemächtigt 
hatten! 

Daß  farbloses  Krystallglas  noch  in  Pompeji  als  etwas  wSeltenes,. 
Fremdartiges  und  offenbar  ganz  Neues  galt,  geht  aus  dem  kleinen 
Stilleben  des  Museo  Borbonico  hervor.  Kaum  hatte  sich  die  Neu- 
gier etwas  gelegt,  wurden  in  Rom,  zur  Zeit  des  Augustus  etwa, 
die  Reliefgläser  Sidons  bekannt  und  regten  allerlei  Nachbildungen 


299 


an.  Diese  Reliefg"läser  waren  es  wahrscheinlich,  welche  dieVolks- 
phiintasie  zu  Erzeug'nissen  aus  hämmerbarem  (jlase  machte  und 
die  erwähnte  Legende  verursachten.  Ihre  Nachahmer  behielten 
anfangs  die  feine  griechische  Formensprache  bei.  Dann  folgten 
naturidistische  Bildungen,  zu  welchen  die  Keramik  die  Muster 
lieferte,  die  Fläschchen  mit  Medusenmasken,  die  Gläser  in  Form 
von  Menschenköpfen,  Tieren,  Früchten,  die  Karikaturen,  wie 
Neros  Schuhflickergläser  und  andere  Erzeugnisse,  in  welchen 
sich  die  neue  Technik  des  geblasenen  durchsichtigen  (ilases  die 
Gunst  des  großen  Publikums  er- 
oberte. Es  kann  demnach  wohl 
keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  wir 
die  Zeit  des  Tiberius,  etwa  die  Jahre 
um  20  nach  Chr.,  als  diejenigen  be- 
zeichnen müssen,  in  welcher  sich 
das  geblasene  Glas  in  Rom  ein- 
bürgerte und  daß  die  Reliefgläser 
Sidons  als  die  ersten  und  ältesten 
Erzeugnisse  dieser  Art  in  der  Ge- 
schichte der  Industrie  dastehen.  Da- 
mit wäre  das  Datum  der  Erfin- 
dung des  Glasblasens  auf  einen  Zeitraum  von  40  Jahren, 
das  Ende  der  römischen  Republik  und  den  Anfang  der 
Kaiserzeit  begrenzt. 

Daß  die  Glasmacher  Sidons  sich  dessen  wohl  bewußt  waren, 
etwas  Außerordentliches  geleistet  zu  haben,  geht  daraus  hervor, 
daß  sie  gegen  die  bisherige  Gepflogenheit  die  in  Formen  ge- 
blasenen Gläser  mit  ihrem  vollen  Namen,  häufig  sogar  in  beiden 
Sprachen  des  Reiches,  griechisch  und  lateinisch,  an  auffälliger  Stelle, 
zumeist  am  Daumenansatze  des  Henkels,  manchmal  auch  an  der 
Seitenwandung  bezeichneten.  Sie  waren  offenbar  auf  diese 
Leistungen,  die  etwas  eigenartiges  waren  und  welche  sie  denen 
der  Toreuten  tds  ebenbürtig  an  die  Seite  stellen  zu  können 
glaubten,  sehr  stolz  und  fühlten  sich  wie  diese  ganz  als  Künstler, 
im  Gegensatze  zu  früheren  (mit  Ausnahme  der  Diatretarii,  der 
Glasschneider)  und  s])äteren  Glasmachern.  Denn  wenn  auch 
vom  II.  Jahrhundert  ab  und  schon  früher  auch  andere  Glas- 
stempel   zahlreich    auftreten,    so    haben    diese    doch    nicht    mehr 


Aljb.    149.      Cantharus    mit    farbigen 
Nuppen.      Köln,   Museum. 


300 

den  Charakter  einer  Künstlersignatur,  sondern  den  einer  Fabriks- 
marke zur  Kontrolle  und  zum  Schutze  des  geschäftlichen  Eigen- 
tums. Es  werden  mit  ihnen  keine  künstlerisch  hervoragenden 
Leistungen  bezeichnet  —  solche  sind  vielmehr  fast  niemals  mehr 
gestempelt  —  sondern  gewöhnliche  Gebrauchsware,  fabriksmäßige 
Massenerzeugnisse. 

Aber  ein  Umstand  bleibt  dabei  noch  in  Betracht  zu  ziehen. 
Die  sidonischen  Reliefgläser  sind  zwar  gewöhnlich  aus  durchsich- 
tigem Glase  geblasen,  aber  fast  immer  farbig,  während  unter  ihren 
italischen  und  wohl  auch  alexandrinischen  Nachbildungen  die  farb- 
losen überwiegen.  Es  scheint  demnach,  daß  der  weitere,  an  den 
Gebrauch  der  Glasj^jfeife  gebundene  Fortschritt,  die  Herstellung  des 
völlig  farblos-durchsichtigen  Glases,  im  Anschluß  an  die  sidonische 
Entdeckung  in  anderenWerkstätten  gemacht  wurde  und  da  kommen 
in  erster  Linie  die  alexandrinischen  Wettbewerber  in  Betracht. 
Diese  bemächtigten  sich  alsbald  der  neuen  Erfindung  und  vervoll- 
ständigten sie  durch  Herstellung  eines  absolut  färb-  und  flecken- 
losen Materiales.  Plinius  rühmt  gerade  die  alexandrinischen 
Gläser  ob  ihrer  krystallenen  Reinheit  und  noch  Martial  bezeichnet 
an  der  Wende  des  I.  und  IL  Jahrhunderts  die  „crystalla"  £Üs 
Sendung-  vom  Nil.  Die  vornehmste  und  reichste  Handels-  und 
Industriestadt  der  alten  \Velt,  der  Vorort  der  (xlasindustrie  und 
Erbe  der  ägyptischen  Traditionen,  wußte  also  mit  dem  Ruhme, 
die  besten  farbigen  Gläser  zu  liefern,  von  nun  an  den  der  Er- 
zeugung der  besten  Krystallgläser  zu  vereinigen.  Freilich  standen 
im  Anfange  des  11.  Jahrhunderts  auch  die  Erzeugnisse  Sidons 
noch  sehr  hoch.  Lucian  sagt  einem  jungen  Mädchen  als  Schmei- 
chelei nach,  daß  seine  Haut  durchsichtiger  sei,  als  das  Glas  von 
Sidon.^)  Dieser  Ausspruch,  der  sich  offenbar  auf  farbloses  Glas 
bezieht  und  nicht  etwa,  wie  C.  Friedrich  meint,  auf  gefärbtes, 
stammt  aus  der  Zeit  der  Antonine.  Der  Sänger  der  Liebe 
mußte  schon  als  Asiate  in  Sidon  Bescheid  wissen,  denn  er  war 
Sachwalter  in  Antiochia  gewesen  und  kannte  auch  die  ägyptische 
Industrie  als  Prokurator  der  Provinz  Ägypten.  Zu  seiner  Zeit  war 
das  farblos-durchsichtige  Glas  allgemein  bekannt  und  auch  beim 
gewöhnlichen  Hausgerät  überwiegend.    Offenbar  war  Sidon  neben 


^)  Lucian,  amores  cap.  25. 


301 


Alexandria  noch  im  II.  Jalirhundert  tätig,  worauf  sich  die  In- 
dustrie von  der  Küste  mehr  nach  dem  Binnenlande  zu,  nach  Syrien 
und  seiner  Hauptstadt  Antiochia,  der  Nebenbuhlerin  Alexandrias, 
zurückzog.  Aber  noch  aus  dem  III.  Jahrhundert  haben  wir  ein 
Zeugnis  des  Athenaeus,  der  mitteilt,  daß  man  in  Sidon  geschliffene 
Gläser,  d.  h.  Krystallgläser,  sowie  Becher  mit  Eindrücken  und 
Rippen,  hergestellt  habe/)  Plinius  freilich  sagt  nicht  einmal  etwas 
von  den  Arbeiten  des  Ennion,  Artas  und  ihrer 
Schule.  Er  hebt  nur  die  schönen  schwarzen, 
dem  Obsidian  ähnlichen  Glasspiegel  der  Sido- 
nier  hervor  und  betrachtet  ihre  Glanzzeit  als 
eine  vorübergegangene.  „Ouondam  his  officina 
nobilis",  sagt  er  von  der  Werkstatt  Sidons, 
vielleicht  weil  er,  wie  alle  Welt,  gewohnt  war 
die  alten  Gläser  Ägyptens  als  phönizische  Er- 
zeugnisse zu  betrachten.'-)  Aber  wenn  auch 
trotz  Plinius  die  Glasindustrie  Sidons  noch 
lange  achtungsgebietend  dastand,  kann  es 
keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  Alexandrien 
die  ältere  Nebenbuhlerin  überflügelte  und  die 
Früchte  jener  Entdeckung  sich  zu  Nutzen  zu 
machen  verstand,  indem  es  das  Glasblasen  vor 
allem  auf  farbloses,  tadellos  durchsichtiges 
Material  übertrug.  Daß  uns  die  Schriftsteller 
der  Alten  nichts  darüber  berichten,  braucht 
nicht  Wunder  zu  nehmen.  Das  Glas  blieb 
ihnen  bei  der  Vielfältigkeit  der  Erscheinungsformen  immer 
etwas  geheimnisvolles,  und  die  Hütten  beeilten  sich  schon  in 
Rücksicht  auf  ihre  Wettbewerber  nicht  ihre  Geheimnisse  zu 
lüften.  Über  die  technischen  Vorgänge  bei  der  Glaserzeugung 
wissen  Plinius  und  die  Anderen  überhaupt  nicht  \icl.  Auch 
sonst  hat  das  Verschweigen  einer  so  epochemachenden  Erfin- 
dung, wenn  sie  vom  Orient  ausging,  nichts  auffallendes. 
Man  war  in  Rom   daran  gewöhnt,    aus    den  Zentren   des  Luxus 


Abb.  1 50.  Rüsselbecher. 

Fränkisch.    Wiesltaden, 

Museum. 


*)  Athenäus,  Gastmal  der  Sophisten,  XI.,  S.  468. 

*)   „Sidone    quondam    iis    officinis    (vitri)    nobili,    si    quidcm    etiam    specula    ex- 
cogitaverit."      Plinius   36,   26. 


302 

allerlei  Verbesserung-en  und  Verschönerung-en  der  Lebensführung, 
eine  Mode  nach  der  anderen,  hervorgehen  zu  sehen,  die  dann 
die  Runde  um  das  Mittelmeerbecken  machte.  Namentlich 
in  der  Glasindustrie  drängten  sich  die  neuen,  Aufsehen  er- 
regenden Erscheinungen  in  einer  verhältnismäßig  kurzen  Spanne 
Zeit  zusammen,  so  daß  das  Ausbleiben  einer  bestimmt  datier- 
baren Naichricht  über  einen  hier  gemachten  Fortschritt  um  so 
weniger  zu  überraschen  braucht,  als  es  den  Schriftstellern  so- 
wohl wie  ihren  Lesern  an  dem  nötigen  Interesse  für  technische 
Vorgänge  gebrach. 

Von  den  virsprünglich  f^irblos-durchsichtigen,  teils  krystall- 
klaren,  teils  leicht  getönten  Gläsern  der  Antike  haben  sehr  viele 
gegen  die  Absicht  ihrer  Erzeuger  doch  im  Laufe  der  Zeit  eine 
mehr  oder  weniger  lebhafte  Färbung  angenommen.  Einige 
schimmern  und  strahlen  in  allen  Farben  des  Regenbogens,  andere 
sehen  aus  wie  blankpoliertes  Metall,  die  dritten  zeigen  ein  ge- 
wässertes Muster,  meist  weiß  in  weiß  oder  gelblich,  wie  die 
vStruktur  des  Alabasters,  auch  farbig  manchmal.  Gottfried  vSemper, 
der  geschworene  Feind  der  Farblosigkeit,  glaubt,  wie  oben  be- 
merkt, feststellen  zu  können,  daß  sowohl  die  Arbeiten  aus  natür- 
lichem Krystall,  wie  deren  Nachbildungen  in  krystallartigem  Glase 
vielfach  von  außen  mattiert,  oft  auch  im  Inneren  mit  einem  un- 
durchsichtigen, milchglasartigen  Cberfange  versehen  worden  seien, 
um  die  plastische  Wirksamkeit  farbloser  Gegenstände  zu  ver- 
stärken. In  den  antiken  Gläsern,  die  jetzt  ein  gewässertes  oder 
alabasterartiges  Muster  zeigen,  erblickt  er  eine  eigene  Sorte, 
welche  er  die  damaszinierten  Bandgläser  nennt.  Nach  seiner 
Darstellung  ist  ihre  Oberfläche  künstlich  in  Wellen  mit  einem 
gewässerten  Muster  verziert,  das  sich  durch  die  ganze  Dicke  des 
Glases  fortsetzt.  Die  angeblich  sehr  seltenen  Stücke  dieser  Art 
—  er  nennt  nur  einige  Scherben  aus  Vindonissa  im  Züricher 
Museum  —  denkt  er  sich  ganz  in  der  Art  des  damaszener  Stahles 
gearbeitet,  indem  man  feine  Glasfäden  oder  Bänder  nach  ryth- 
mischer  Gesetzlichkeit  zu  einer  Fläche  zusammenschweißte  und 
so  zum  Formen  oder  Blasen  eines  Gefäßes  verwendete.-^)  In 
Wirklichkeit    sind    derartige    Gläser    gar    nicht    so    selten,    ihre 


^)   Scmpcr  a.   a.   O.   II.    178  f. 


303 


Musterung-  ist  aber  kein  Ergebnis  der  Kunstfertigkeit,  sondern 
eines  natürlichen  Verwitterungsprozesses,  den  man  Irisierung 
nennt.  Durch  das  Blasen  mit  der  Pfeife  gerät  die  anschwellende 
Glasmasse  in  eine  drehende  Bewegung,  die  einzelnen  Teile 
■gleicher  Konsistenz  schließen  sich  in  kreis-  oder  wellenförmigen 
Zügen  aneinander,  etwa  so  wie 
die  Streifen  einer  Seifenblase. 
Im  erstarrten  und  abgekühlten 
Zustand  unsichtbar,  tritt  die  durch 
Rotation  hervorgerufene  Bewe- 
gung der  Masse  im  Laufe  der  Zeit 
und  unter  besonderen  Umständen 
in  Form  \on  Wellenmustern  wie- 
der hervor.  Die  kleinen  \"erschie- 
denheiten  in  der  Konsistenz  der 
Masse  äußern  sich  in  verschie- 
denen Graden  der  Widerstands- 
fähigkeit gegen  \"erwitterung,  in 
einer  Trübung  und  Färbung  der 
schwächeren  und  weicheren  Teile, 
welche  sich  in  Ton  und  Durch- 
sichtigkeit leicht  von  den  stärkeren 
Stellen  abheben.  Das  so  ent- 
standene gewässerte  Muster  geht 
selten  durch  die  ganze  Wandung 
hindurch,  sondern  beschränkt  sich 
zumeist  auf  die  äußeren  Schichten. 
Die  Iris  erfreut  sich  bei 
Sammlern  als  Kennzeichen  hohen 
Alters    und    damit    der    Echtheit, 

derselben  Wertschätzung  wie  die  Patina  der  Bronze,  obwohl  sie 
ein  Danaergeschenk  der  Xatur  ist  und  nichts  weniger  als  zur  Kon- 
servierung der  mit  ihr  geschmückten  Gläser  beiträgt.  Sie  wird 
hervorgerufen  durch  den  Zutritt  einer  Säure  aus  dem  Erdreiche 
des  Grabes,  in  welchem  die  Gläser  ruhen,  wahrscheinlich  der 
Kohlensäure.  Unter  Mitwirkung  der  Erd-  bzw.  der  Sonnen- 
wärme verbindet  sich  diese  in  Gasform  mit  dem  Alkali  des  Glases, 
zerstört    dessen    Oberfläche    und    dringt    allmählicli    immer    tiefer 


Abb.   i;i. 


Rüsselbecher. 
Köln,   Museum. 


Fränkisch. 


304 

ein.^)  Manche  antike  Gläser  haben  dadurch  heute  etwa  die  Hälfte 
ihrer  ursprünglichen  Stärke,  an  manchen  Stellen  auch  mehr,  ein- 
gebüßt. An  der  freien  Luft,  in  den  Schränken  der  Sammlungen, 
wird  dieser  Prozeß  verzögert,  aber  nicht  aufgehalten,  da  schon  die 
Sonnenstrahlen  eine  Verwitterung  hervorrufen,  wie  man  es  an 
den  modernen  f>nsterscheiben  beobachten  kann.  Nur  gänzlicher 
Abschluß  der  Luft  durch  einen  farblosen  und  durchsichtigen 
Überzug  könnte  eine  weitere  Zerstörung  hindern,  doch  würde  ein 
solcher  den  Gläsern  nicht  gerade  zur  Zierde  gereichen,  da  er  alle 
Feinheiten  der  Form,  der  Verzierung  und  Farbe  aufhebt.  Am 
leichtesten  sind  jene  Gläser  der  Verwitterung  ausgesetzt,  welche 
durch  Braunstein  künstlich  entfärbt  und  dadurch  zugleich  weich 
geworden  sind,  am  widerstandsfähigsten  die  metallhaltigen,  in 
erster  Linie  die  durch  Eisen-  und  Kupferoxyde  gefärbten,  dann 
aber  auch  gewöhnliche  Sorten,  eben  wegen  ihrer  Zusätze  von 
Eisen.  In  Ägypten,  Italien  und  überhaupt  in  Gegenden  von 
warmem  Klima  ist  die  \"erwitterung  im  Verhältnis  zu  unserem 
feuchten  Klima  gering.")  Alabastra  aus  Pharaonengräbern,  Mille- 
fiori-  und  Bandgläser  haben  oft  nicht  die  geringste  Spur  von 
Iris  und  sehen,  von  dem  anhaftenden  Sand  oder  Lehm  gereinigt, 
spiegelblank  aus,  als  wären  sie  gestern  aus  der  Hütte  gekommen. 
Dasselbe  kann  man  bei  Gläsern  von  tiefer  und  starker  Färbung 
beobachten,  besonders  bei  den  türkisblauen,  rubinroten,  smaragd- 
grünen und  lasurblauen.    Die  von  Natur  aus  farblosen  Krystall- 


^)  Nach  Razumowski  bei  Minutoli  a.  a.  O.  S.  29. 

'^)  Minutoli  a.  a.  O.  Doch  liegt  die  Irisierung  nicht  an  der  Feuchtigkeit  des 
Bodens,  sondern  an  dem  der  Luft.  Wasser  konserviert  vielmehr  die  in  ihm  liegenden 
Gläser  ebenso  ohne  Iris,  wie  es  Metallgegcnstände  vor  Rost  und  Patina  schützt. 
Boulanger  hat  beobachtet,  daß  das  Glas  in  der  Picardie  und  im  Artois  nur  in  Kalk- 
boden und  trockenem  Sande  irisiere,  dal3  es  sich  aber  in  Lehm  und  feuchtem  Boden 
nicht  verändere.  Manchmal  zeigte  sich  Iris  nur  im  Inneren  oder  nur  im  Äußeren, 
d.  h.  einseitig.  Die  Farben  der  Iris  verändern  sich  unter  dem  Einflüsse  des  Lichtes. 
Boulanger  besitzt  ein  Glas,  das  aus  der  Krde  mit  einer  vollkommen  schwarzen  Iri- 
sierung des  Inneren  herauskam.  Nachdem  es  zwei  Monate  lang  sehr  hellem  Lichte 
ausgesetzt  war,  ging  die  schwarze  Iris  in  eine  perlmutterweiße  über.  Seitdem  scheint 
aber  die  schwarze  Färbung  von  neuem  sich  entwickeln  zu  wollen:  sie  blättert  in 
Teilchen  von  äußerster  Dünnheit  ab,  während  die  Zersetzung  fortschreitet  und  die 
Regenbogen-Reflexe  immer  sichtbar  bleiben.  Die  fränkischen  Gläser  irisieren  weniger 
leicht  als  die  römischen. 


30i 


f 

r 


s^iästT  (TschtMiu'ii  oft  durch  die  X'crwittcruns^"  wir  künstlich  mat- 
tiert. Sie  sind  trotz  ilires  P>l(nzusatzi\s  härter  als  die  durch 
Braunstein  entiVirl)ten  und  die  Ver\vitti^runj4",  w  ie  früher  hervor- 
iJ"ehoben  wurde,  oft  durch  unijfenüg-ende  X'orsicht  bei  der  Ab- 
kühluni»-  mit  verschuldet. 

Bei  den  künstlich  entfärbten  Gläsern  zaubert  die  Iris  manch- 
mal die  seltsamsten  und  schönsten  Farben-  und  Liniens])iele  her- 
\-or.      Um    es    soweit    zu    brintren,    bedurfte    es    der    Zerstörung 
mehrerer  Schichten  der  Wanduniuf. 
Die    äußerste    von    diesen    ist    zu 
einem     schmutzig-     braunen     und 
rauhen  Überzug  aufgelöst,  welcher 
schon    bei    bloßer    Berührung    in 
Staub  zerfällt  oder   mit  Leichtig- 
keit abblättert.    Unter  ilir  konnnt 
eine  zweite  Schicht  zum  X^orschein, 

kreidigweiß     und     rauh,     welche        '—x  '%.,    1,  :/"' 

etwas  fester  sitzt,  schließlich  eine 
dritte,    in    blankem    Metallglanze  "-^ 

oder  in  schimmernden,  wechseln- 
den   Regenbogenfarben     erpran-     ^1-,^    152. 
gende.  Auch  sie  fällt  bei  stärkerer 
Erschütterung    ab    und    legt    den 

trüben  Rest  der  Wandung  bloß.  Unter  Umständen  kann  die 
dritte  Schicht  größere  Festigkeit  bewahren  und  das  Aussehen  \o\\ 
bkmk  poliertem  Silber  mit  bläulichen,  grünlichen,  violetten,  bräun- 
lichen Bronzetönen  annehmen.  Im  allgemeinen  ist  die  Iris  mit 
größter  Vorsicht  zu  behandeln,  namentlich  wenn  sie  den  dritten 
und  letzten  Grad  erreicht  hat.  Durch  trockene  oder  gar  feuchte 
Reinigung  ist  sie  unwidt^rbringlich  dahin:  nur  der  leichte 
Schimmer,  wit^  er  sich  namentlich  auf  eisenhaltigen  bläulich- 
grünen und  auf  Krystallgläsern  zeigt,  verschwindet  zwar  l)eim 
AnfeuchtiMi  des  Cilases,  kehrt  aber  an  der  Sonne  in  kurzer  Zeit 
wieder. 

Bei  far])igen  Abbildungen  antiker  Gläser  ist  e-^  Sitte,  sie 
mit  der  Iris  möglichst  treu  wiederzugeben,  meiner  Ansicht  nach 
mit  wenig  Berechtigung.  .Vbgesehen  da\-on,  daß  sich  die  metal- 
lischen Reflexe  durch  Aqvuirell-   und  selbst    durch  Ölfarben  mit 

Kisa,  Das  Glas  im  Akertumc.  JO 


Kugclbechur  mit  Stacheln. 
Köln,  Museum. 


3o6 

metallischer  Unterlaj^e  nur  un^-enau  nachahiiKMi  lassen,  wird 
hierbei  das  1  laupt.tJi'ewicht  auf  etwas  s^'elej^t,  was  dem  Schö])fer 
des  Glases  g-anz  fremd  ist,  mit  der  Industrie  selbst  nichts  zu  tun 
hat  und  deshal):)  oft  irreführend  wirkt.  Sammlern  g"ilt  allerding"s, 
wie  bemerkt,  die  Iris  für  ein  Merkmal  der  Echtheit,  Museen 
aber  brauchten  auf  diesen  Umstand  durchaus  kein  übertriebenes 
Gewicht  zu  les^"en.  Künstlerisch  gewinnen  durch  die  Iris  auch 
solche  Gläser  nicht,  die  sonst  weder  in  der  Form,  noch  in  der 
Farbe,  in  der  Verzierung-  oder  im  Material  irg-end  etwas  Be- 
sonderes aufzuweisen  haben.  Aber  in  den  Sammlungen  sind 
es  g-erade  simple  Stücke  ohne  jedweden  anderen  Vorzug,  die 
durch  farbenprächtigfe  Iris  auffallen.  So  belinden  sich  z.  B.  in 
der  Sammlung-  M.  vom  Rath  in  Köln  zwei  g^anz  gfleiche  Kugel- 
becher, auf  welchen  die  Verwitterung»-  ein  wundervolles  Spiel 
von  konzentrischen  Ringen  und  Wellenlinien  hervorgerufen  hat, 
freilich  viel  zu  gleichmäßig,  als  daß  man  jede  nachträgliche 
Nachhilfe  von  menschlicher  1  hmd  ausschließtm  könnte  (Abb.  44). 
Manche  Antiquitätenhändler  sind  um  solche  Nachhilfen  nicht 
verlegj-en;  ätzende  Säuren,  das  King-raben  in  feuchte  Erde, 
namentlich  in  der  Nähe  von  Abfallgruben,  zau]:)ern  in  kurzer 
Zeit  die  schönsten  Farbenspiele  hervor.  Aber  im  allgemeinen 
ist  die  künstlich  zum  Zwecke  der  Täuschung  hervorgerufene 
Iris  bei  einiger  in)ung  von  der  natürlichen  leicht  zu  unter- 
scheiden. Sie  sitzt  g-ewöhnlich  fest,  da  sie  nicht  tief  geht, 
blättert  nicht  ab,  die  Regenbog-enfarben  sind  matt  und  der 
Grund  aufg-erauht. 

Ohne  Zweifel  hat  man  im  Altrrtume  ebenso  wie  heute, 
die  Iris  mit  Absicht  künstlich  hervorzuruf(Mi  gesucht,  indem 
man  der  Masse  Knochenasche  zustutzte.  Auch  die  Beigaben 
von  Seemuscheln,  Schnecken  mit  Pcrhnutterglanz.  von  welchen 
antike  Schriftsteller  sprechen,  hatten  den  Zweck,  metallische 
und  opalisierende  Reflexe,  Schiller  und  Regenbogenfarben 
zu  erzeugen.  Die  Calices  allassontes  versicolores  des  Hadrian, 
deren  Farbenspiel  wechselte,  haben  wahrscheinlich,  wie  die 
heutigen  Irisgläser,  Zvisätze  von  Goldj)uriuir  und  chlorsaurem 
Kali  erhalten.  Das  so  legierte  Glas  duldet  jedoch  kein  starkes 
Feuer,  es  bleibt  weich  und  zieht  die  Feuchtig-keit  sehr  an,  so 
daß   man   sich   nicht    zu   \erwundern  braucht,   wenn   von  diesen 


307 

künstlich  irisierten  (rläsern  keines  erhalten  blieb  und  \ielleicht 
der  urs])rüng-liche,  bald  zerstörte  Farbenschiminer  im  Laufe  der 
Zeit  durch  einen  unbeabsichtig"ten,  natürlichen  ersetzt  wurde. 
Außer  den  Rejrenbog'eng'läsern  kannte  man  auch  schon  den 
Schmuck  der  Überfläche  durch  Haarrisse,  die  Krachg"läser 
oder  craquelierten  Gläser,  wie  zwei  Becher  aus  dem  ehe- 
malig-en  1  loubenschen  .Vntiquarium  zu  Xanten  zeiüfen,  die  später 
von  Slade  erworben  wurden  und  mit  dessen  Sammlung-  in  das 
Britische  Museum  überg'ing'en.  ^)  Die  feinen  Risse  und  vSprünj^e 
des  sonst  undekorierten,  durchsichtig-en  und  farblosen  Krystall- 
glases  sind  durch  Besprengen  des  noch  heißen  Gefäßes  mit 
kalten  Wassertropfen  ganz  in  derselben  Weise  hervorgerufen, 
wie  sie  noch  jetzt  in  venezianischen  und  böhmischen  Glashütten, 
sowie  bei  den  Chinesen  befolgt  wird. 


')   ^  gl-   Fiedler,    Iloubens   .Antiquarium    zu   Xanten.      Xesbitt,    catalogue    of   ihe 
coUection  of  Glass  formcd   by   Felix   Slade.    1S71.      Pcligot,   le   vcrrc,    1876. 


a  b  cd 

Abb.   153.      Gruppe    von    Gläsern.       a    Ringnäschchen. 

Mainz,   Museum,      b  Ringkanne.     Frankfurt,  Historisches 

Museum.        c    Baisamarium.       Worms,     Paalusmuseum. 

d   Becher.     Worms.  I'aulusmuscum. 


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